Schweigepflicht in psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten

Kasuistisch-technische Seminare, Abschlußabende im Rahmen der Weiterbildung:

Bei KTS'en ist ebenso wie bei Supervisionen und Intervisionen auf eine sorgsame Wahrung der Anonymität der vorgestellten PatientInnen zu achten. Dies gilt insbesondere für PatientInnen, die selbst (oder ihre Angehörigen) im psychosozialen Bereich tätig sind und daher von den TeilnehmerInnen identifiziert werden könnten.

In der Vergangenheit wurden verschiedentlich vorgestellte PatientInnen von WT's (bei Abschlußabenden auch von BeauftragungsärztInnen) 'wiedererkannt', da diese von ihnen (z.B. in einer klinischen Beratungsstelle) an die Ausbildungskandidatin vermittelt wurden, oder bei ihnen probatorische Sitzungen in Anspruch nahmen. Analog der 'Lindauer Regelung' erscheint es sinnvoll, daß TeilnehmerInnen das KTS in diesem Fall verlassen. (Die von mir als 'Lindauer Regelung' bezeichnete Übereinkunft sieht vor, daß TeilnehmerInnen der Lindauer Psychotherapiewochen Veranstaltungen für den Fall verlassen, daß Ihnen dort vorgestellte Fälle bzw. PatientInnen bekannt waren/sind). Dem Verzicht auf einen 'dritten Blickwinkel' auf die vorgestellte Patientin (der zudem die Phantasie einer 'objektiven' Betrachtung nährt und möglicherweise so das tiefere Verständnis des Über-tragungs-/Gegenübertragungsprozesses in Verbindung mit gruppendynamischen Vorgängen beeinträchtigt) steht die Achtung der Diskretion als Ausdruck der Grundrechte (Persönlichkeitsentfaltung, Menschenwürde) gegenüber.

Trotz wiederholter Hinweise der Weiterbildungsleiter werden immer wieder Falldiskussionen nach den KTS'en in der Öffentlichkeit (Gaststätten etc.) fortgesetzt, was zu einer Identifizierung der jeweiligen PatientInnen und damit einer Verletzung der Schweigepflicht führen kann; tatsächlich sind in der Vergangenheit solche Fälle vorgekommen.

Im übrigen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß auch anonymisierte Gespräche über PatientInnen schutzwürdig sind und öffentliche Äußerungen (in Biergärten/ Restaurants, auf Parties, Festen, Veranstaltungen etc.), insbesondere solche voyeuristischer, herablassender oder abfälliger Art, dem Berufsstand erheblichen Schaden zufügen können und zudem das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit von PsychotherapeutInnen beeinträchtigen. Dabei soll nicht übersehen werden, daß Gespräche über PatientInnen einschließlich persönlicher (gegenübertragungsbedingter) Affekte bedeutsam für die Psychohygiene sind – auch wenn die 'kathartische Erleichterung' dabei im Vordergrund steht. Sie sollten allerdings in geschützten Situationen stattfinden und intervisorischen Charakter haben (Supervision, Intervision, Team, Kollegin, ggf. auch LebenspartnerIn).

Lehranalyse

Abstinenzverletzungen von LehranalytikerInnen haben abgesehen von der Schädigung der betroffenen LehranalysandInnen fatale Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedern innerhalb der Institution (Akademie), beeinträchtigen aber insbesondere auch das Vertrauen der WeiterbildungskandidatInnen (aber auch potentieller InteressentInnen und PatientInnen) in den geschützten Raum ihrer Analyse. Daß der Hinweis auf Abstinenzverletzungen von LehranalytikerInnen notwendig ist, belegen einzelne Beispiele aus verschiedenen Ausbildungsinstituten und berufs- bzw. Fachgesellschaften. In vielen Fällen weisen die Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Prüfungsordnungen auf die Schweigepflicht der LehranalytikerInnen hin.

Bei Supervision und Intervision ist von LehranalytikerInnen insbesondere für den Fall der Teilnahme von Instituts-Kolleginnen zu überlegen, inwieweit die Anonymität der LehranalysandInnen gewahrt werden kann. Dies gilt in besonderem Maße auch für Veröffentlichungen über LehranalysandInnen, da hier Rückschlüsse auf die betroffene Person durch Mitglieder und WeiterbildungskandidatInnen sehr leicht möglich sind.

Lehrveranstaltungen

Der gelegentlich zu hörende Hinweis von Dozenten und Lehrbeauftragten auf die Schweigepflicht der TeilnehmerInnen ist im Hinblick auf den sorgsamen Umgang mit (anonymisierten) Fallvignetten sinnvoll. Er entbindet die DozentInnen jedoch nicht von ihrer Schweigepflicht gegenüber den vorgestellten PatientInnen. Im Unterschied zur Rechtsauffassung vor 20 Jahren (die v. a.. bei ÄrztInnen aber auch vielen PsychologInnen bzw. Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen noch immer weit verbreitet ist), enthebt die Tatsache der Schweigepflicht der TeilnehmerInnen, die vortragenden DozentInnen nicht von ihrer eigenen Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihren PatientInnen.

Supervision im Rahmen der praktischen Ausbildung

Mit Einführung des Psychotherapeutengesetzes entfiel die Anlage 1 der PT-Vereinbarungen, welche die Kontrolle der vom Institut ernannten SupervisorInnen durch die AusbildungsleiterInnen vorsah. Eine Verletzung der Schweigepflicht bestand damals, wenn die Delegationsärztin zugleich die Funktion der Supervisorin inne hatte und die betroffenen PatientInnen eine entsprechende Einwilligung nicht erteilt hatten. Nach der gegenwärtigen Rechtslage fehlt eine analoge Bestimmung. Die Anerkennung der Ausbildungsstätten ist nun in § 6 PsychThG geregelt (Anleitung und Beaufsichtigung der AT's, begleitende theoretische und praktische Tätigkeiten). Die praktische Ausbildung ist in § 4 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung (PsychTh-APrV, KJPsych-APrV) geregelt, neben dem Umfang der Supervision und der Qualifikation der SupervisorInnen existieren keine Ausführungen zur Verantwortung der SupervisorInnen. Gegenüber der KV sind die Weiterbildungsleiter als verantwortliche Leiter der Ambulanz für die Patientenbehandlungen der KandidatInnen verantwortlich. Zum Teil haben die Ausbildungsinstitute diese an die jeweiligen SupervisorInnen delegiert, so daß diese in eigener Verantwortung tätig werden.

Was bedeutet dies nun für die Frage der Schweigepflicht?

Unabhängig von der Frage, ob die Wahrnehmung der Verantwortung der SupervisorInnen die namentliche oder persönliche Kenntnis der AusbildungspatientInnen tatsächlich voraussetzt (dies wird von den SupervisorInnen unter-schiedlich gesehen und gehandhabt), bedarf es bei Kenntnis des Namens (z.B. Antragsunterlagen) oder der Person (probatorische Sitzung bei SupervisorIn) hinsichtlich der Supervision einer Einwilligung, welche Angaben zur Person der Supervisorin (Name) und der zu offenbarenden Geheimnisse beinhaltet, die Schriftform ist durch § 73 SGB V erforderlich. Die Einwilligung in eine fortlaufende Supervision ist unter Verzicht auf eine wiederholte schriftliche Einwilligung für jede einzelne Sitzung nur über das Konstrukt der konkludenten Einwilligung möglich. Diese setzt voraus, daß sich die PatientInnen der Tatsache regelmäßig stattfindender Supervisionssitzungen bei der betreffenden Person, der dort offenbarten Geheimnisse und der Möglichkeit eines partiellen oder gänzlichen Widerrufes ihrer Einwilligung im Klaren sind.

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