TI in der Praxis (Telematikinfrastruktur)
Inzwischen ist der Einsatz der IT (ursprünglich: information technology/Informationstechnologie - jetzt: Telematikinfrastruktur) nicht mehr aus Praxen wegzudenken. Auch wenn psychotherapeutische Praxen viele der möglichen Anwendungen (elektronisches Rezept, Austausch von Informationen zwischen Leistungserbringer*innen) nicht nutzen bzw. nutzten wollen, ist mindestens die Abrechnung von Leistungen und das damit verbundene Einlesen der Versichertenkarten in das genutzte Abrechnungsprogramm nur über den Einsatz eines PC möglich.
Mit der Quartalsabrechnungen werden die Stammdaten der Patient*innen (GKV), die gestellten Diagnosen und abgerechneten Leistungen an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung übermittelt. In einem weiteren Schritt erhalten auch die jeweiligen Krankenkassen (bei denen die jeweiligen Patient*innen versichert sind) die Daten. Versichertenstammdatenmanagement (VSDM): Beim Einlesen der Versichertenkarten üblicherweise zu Beginn des Quartals erfolgt ein Abgleich mit dem Server der Krankenkassen (Versichertenstammdatendienst der Krankenkasse) - allerdings werden zunächst keine Daten übermittelt, sondern eine Prüfziffer. Ist die Karte gesperrt, oder haben sich Stammdaten geändert (Namensänderung, Wechsel der Krankenkassen oder des Status) werden diese Änderungen vom Server zurückgemeldet und können vom Abrechnungsprogramm übernommen werden. Ob dieser riesige finanzielle und organisatorische Aufwand (Stichwort Bürokratie) wirklich Sinn macht ist überaus fraglich ...
Informationen zum VSDM (Kassenärztlichen Bundesvereinigung): www.kbv.de
Die frühere Empfehlung für alle Patient*innen betreffenden Daten (Berichte, Abrechnungsprogramm, Privatrechnungen, Aufzeichnungen, E-Mails, digitalisierte Briefe und Dokumente etc.) einen nicht mit dem Internet verbundenen PC zu verwenden, ist nicht mehr zeitgemäß - auch weil schon die notwendigen Updates eine zumindest zeitweise Verbindung mit dem Internet erfordert.
Im Hinblick auf die Datensicherheit sind heute alle Leistungserbringer*innen im Bereich der GKV verpflichtet einen Konnektor zu betreiben, der eine verschlüsselte Verbindung bei der Übermittlung von Daten (z. B. an die Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Quartalsabrechnung) sicherstellt (Datentunnel). Inzwischen wird dringend empfohlen zusätzlich auch eine Hardware-Firewall einsetzen, die das Risiko von Angriffen auf die IT deutlich vermindert (soweit eine Hardware-Firewall nicht verwendet wird, müßen andere, gleichwertige Schutzmaßnahmen getroffen werden). Die Kosten für den Konnektor (und weitere Leistungen) werden den Leistungserbringer*innen ersetzt, die Kosten der Hardware-Firewall müßen ggf. selbst getragen werden.
▪ Überblick über die Regelungen auf der Seite der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB): www.kvb.de
▪ Überblick über die Regelungen auf der Seite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): www.kbv.de
Gemäß der Richtlinie nach § 75b SGB V über die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit müßen Praxis eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen treffen. Das gilt für die Software (Programme, mobile Apps und Internet-Anwendungen), Endgeräte und IT-Systeme sowie zusätzliche Anforderungen für mittlere und große Praxen.
Alle zu treffenden Maßnahmen finden Sie auf der Seite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): www.kbv.de
Im Zusammenhang der Einführung der TI hat sich einige Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in der vertragsärztlichen Versorgung der TI-Anbindung (Konnektor und Kartelesegerät) widersetzt - und sich (teilweise) im Deutschen Psychotherapeuten Netzwerk - Kollegennetzwerk Psychotherapie organisiert (DPNW: https://dpnw.de). Nach der derzeitigen Rechtslage müßen diese Kolleg*innen wegen des fehlenden Versichertenstammdatenmanagements (VSDM) einen Abschlag von 2,5% auf ihr Quartalshonorar hinnehmen. Das sind bei einem angenommenen Praxishonorar von 20.000 Euro (Quartal) 500 Euro. Ein weiterer Abschlag (1%) fehlt, wenn die Funktion der Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) nicht eingerichtet wurde.
Kommentar: Inzwischen hat sich das Netzwerk um den Psychoanalytiker Dieter Adler in seinen Forderungen deutlich erweitert (auf der Webseite wird von inzwischen 11.500 Mitstreiter*innen gesprochen; Stand: 11/2023) - und macht nicht mehr den Eindruck eines 'gallischen Dorfes' im Widerstand gegen das Gesundheitssystem. Insbesondere die Argumentation vieler Kolleg*innen, mit der TI werde die Schweigepflicht und mithin das Vertrauensverhältnis schwer beeinträchtigt war und ist in diesem Zusammenhang wenig überzeugend. Denn die Übermittlung der Abrechnungsdaten beinhaltet weitaus mehr personenbezogene Daten als die Prüfung der Versichertenkarte (VSDM). Und ich habe noch keine/n Kollegin/en gehört, die mit Hinweis auf das Vertrauensverhältnis keine Abrechnung eingereicht hätte. Formal liegt eine Offenbarungsbefugnis (Regelung im SGB) vor.
Pflege der Abrechnungssoftware und Schweigepflicht
Seit die Abrechnung über eine entsprechende Praxissoftware üblich geworden ist, kommt es immer wieder zu Softwareproblemen, die eine Hinzuziehung von Mitarbeiter*innen des jeweiligen Anbieters erforderlich machen. Das geschieht zumeist über Fernwartung. Dabei können die personbezogenen Daten der Patient*innen eingesehen werden, was den Tatbestand der Schweigepflichtverletzung (§ 203 StGB) erfüllt - allerdings erfolgt die Offenbarung hier ja nicht vorsätzlich, sondern als Nebeneffekt des Arbeitsauftrags, insofern dürften die Voraussetzungen einer Straftat schon nicht erfüllt sein. Vor einigen Jahren hat der Gesetzgeber aber dennoch auf die Problematik darauf reagiert und einen neuen Absatz (3) in § 203 StGB eingefügt. Dort wurde die schon bislang geltende Regelung für berufsmäßig tätige Gehilfen (z. B. Praxispersonal) und Praktikant*innen bzw. Aus- und Weiterbildungsteilnehmer*innen um sonstige, an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirkende Personen erweitert:
(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.
Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion I Dr. Jürgen Thorwart |