An den

Deutschen Bundestag

 

Petitionsausschuss

Platz der Republik 1

 

11011 Berlin

 

Online - Petition an den Deutschen Bundestag

 

Datum: 13.10.2008

 

Persönliche Daten

Herr

Thorwart, Jürgen

Dipl.-Psych.

82223 Eichenau

Johann-Sebastian-Bach-Weg 9

Bayern

8165909370

j.thorwart@freenet.de

1. Über welche Entscheidung/welche Maßnahme/welchen Sachverhalt wollen Sie sich beschweren? (Kurze Umschreibung des Gegenstands Ihrer Petition)

Unsachgemäßer und rechtswidriger Umgang mit vertraulichen, die Intimsphäre berührenden Patientendaten im Rahmen der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen bei den Privaten Krankenkassen und/oder der Beihilfe.

2. Was möchten Sie mit Ihrer Bitte/Beschwerde erreichen?

Das im Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen durchgeführte Gutachterverfahren (geregelt in den Psychotherapie-Richtlinien bzw. Psychotherapie-Vereinbarungen Primärkassen/EKV) soll in analoger Weise und damit verpflichtend im Bereich der Privaten Krankenkassen und der Beihilfe durchgeführt werden.

3. Gegen wen, insbesondere welche Behörde/Institution richtet sich Ihre Beschwerde?

Private Krankenkassen, Beihilfe Bund/Länder/Kommunen (Beihilfestellen).

4. Muss nach Ihrer Vorstellung ein Gesetz/eine Vorschrift geändert/ergänzt werden? Wenn ja, welche(s)?

Änderung/Ergänzung der jeweils anzuwendenden Beihilfevorschriften; Einführung einer für alle Privatkassen/Beihilfestellen verpflichtenden Vorschrift zur Durchführung eines anonymisierten bzw. pseudonymisierten Gutachterverfahrens (Versicherungsvertragsgesetz-VVG, Versicherungsaufsichtsgesetz-VAG, Allg. Versicherungsbedingungen-AVG).

5. Kurze Begründung für Ihre Bitte/Beschwerde:

Bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen wird vom künftig behandelnden Psychotherapeuten ein Bericht angefertigt, der höchst persönliche und intime Daten beinhaltet (u. a. ausführliche Informationen zu aktuellen Beschwerden, Empfindungen, Phantasien, Träumen; Angaben zum psychischen und körperlichen Befund, zur körperlichen, psychischen und sexuellen Entwicklung, zu Vorbehandlungen und zur Psychodynamik).

 

Nach der Rechtssprechung des BverfG ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umso höher, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen (Sphärentheorie). Im Rahmen einer Psychotherapie bzw. der probatorischen Sitzungen werden neben administrativen und medizinischen Daten regelmäßig intime Daten erhoben, die Ausdruck der innersten Sphäre der Persönlichkeit sind und keinen oder schwachen Sozialbezug aufweisen. Sie sind Teil des unantastbaren Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts (BverfG 80, 367ff = NJW 1990, 563ff).

 

Im Bereich der GKV ist das Gutachterverfahren in den PT-Richtlinien (Abschnitt F II und III) sowie in den PT-Vereinbarungen Primärkassen und EKV (jeweils § 11 und 12) geregelt. Der von der KK beauftragte Gutachter erhält den Bericht des Psychotherapeuten einschließlich weiterer Formblätter und Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag (über die zuständige KK). Durch die Pseudonymisierung (Chiffre aus Anfangsbuchstabe des Familiennamens und Ziffern des Geburtstags) der Unterlagen und einen chiffrierten, verschlossenen Briefumschlag ist eine Identifizierung des Patienten durch den Gutachter nicht (oder nur mit erheblichem Aufwand) möglich. Die KK erhält abgesehen von den zur Bearbeitung notwendigen administrativen und medizinischen Daten (Versichertendaten, Diagnose, Vorbehandlungen) keine intimen Daten (zum diesbezüglichen Verfahren vgl. § 12 Abs. 11 PT-Vereinbarungen Primärkassen und Kommentar PT-Richtlinien/Faber-Haarstrick 7. Aufl., 49).

 

Privatkassen reichen den Bericht an einen beauftragten Gutachter weiter - in aller Regel jedoch unter Angabe der Versicherungsnummer und des Namens des Patienten auf dem (verschlossenen oder nicht verschlossenen) Umschlag. Formal-juristisch ist diese Weitergabe durch eine Entbindung von der Schweigepflicht (§ 203 StGB bzw. BDSG) gedeckt. Die Patienten wissen allerdings in der Regel nicht, daß der Gutachter (und häufig auch die Mitarbeiter der KK) Kenntnis von ihrer Identität und damit von den ihrem Psychotherapeuten offenbarten, intimen Informationen haben.

Ungeachtet der Frage, ob Patienten wissen, was mit ihren Daten geschieht, liegt m. E. in jedem Fall ein Verstoß gegen das BDSG vor, da die Kenntnis der Identität zur Erfüllung der Begutachtung durch den Gutachter nicht erforderlich ist (Grundsatz der Zweckbestimmung, Datensparsamkeit, Verhältnismäßigkeit). Soweit Privatkassen keinen Gutachter beauftragen (auch das gibt es), werden die Berichte von Sachbearbeitern der KK gelesen; zwar stehen sie unter Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Ziff. 6 StGB) sind jedoch weder fachlich in der Lage, noch befugt, aufgrund der im Bericht enthaltenen, intimen Daten der Versicherten eine Entscheidung zur Kostenübernahme zu treffen.

 

Im Bereich der Beihilfe (Beihilfevorschriften) stellt sich ein ähnliches Problem. Zwar finden sich im Kommentar Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen (Mildenberger: Stand 5/2008) Vorgaben des BMI zur Vertraulichkeit des Gutachterverfahrens (Hinweise des BMI zu § 6, 20; Stand 5/2005), diese umfassen gerade aber nicht die Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung - schon weil auf den genannten Formblättern (2 und 2a) der Name des Versicherten anzugeben ist. Umgekehrt erhält auch die Krankenkasse (über medizinische Daten hinaus) intime Informationen über den Patienten (vgl. Formblatt 4/Psychotherapie-Gutachten), das in der Fassung der PT-Richtlinien bzw. -Vereinbarungen in weiten Teilen geschwärzt ist.

 

Der Kommentar zu § 6 (Anmerkung 7 zu Abs. 1 Nr. 1, 71 ff), auf den sich einzelne Beihilfestellen beziehen, beschäftigt sich mit der Frage des Datenschutzes (Anmerkung 7:12). Der Kommentator hat in seinen entsprechenden Ausführungen die Problematik trotz einer recht einfühlsamen Vorbemerkung (die in der Formulierung gipfelt: "Die absolute Geheimhaltung aller Daten ist deshalb oberstes Gebot") nicht erfaßt und kennt offenbar auch nicht die Regelungen der PT-Richtlinien. So hat er offenbar nicht verstanden, daß es nicht um eine Chiffrierung (des Psychotherapeuten) gegenüber der Beihilfestelle, sondern gegenüber dem Gutachter geht. Selbst bei (in der Praxis kaum relevanten) Rückfragen des Gutachters bei Psychotherapeuten ist die Kenntnis der Identität des Patienten nicht erforderlich, eine Chiffre reicht völlig aus. Das Argument der "Bestimmtheit" geht insoweit fehl, als auch im Falle der Chiffrierung der Beihilfestelle sowohl der Versichertenname als auch die Diagnose(n) bekannt ist/sind; weitere Informationen (intimer Art über den Patienten) sind hingegen nicht erforderlich (z. B. medizinische Begründung bei Empfehlung der Kostenübernahme/Ablehnung; vgl. PT-Richtlinien). Die Logik des Kommentators, der Name und Vorname (vermutlich wegen möglicherweise mitversicherter Familienmitglieder) sei zur Begutachtung notwendig, ist rational nicht nachvollziehbar. Das Gutachterverfahren der PT-Richtlinien funktioniert in dieser Hinsicht seit Jahrzehnten einwandfrei!

 

Über die Jahre hinweg habe ich mich in dieser Angelegenheit mehrfach an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz gewandt. Er hat sich der Problematik angenommen (vgl. 9. Tätigkeitsbericht) und für mein Anliegen eingesetzt - jedoch hat "sich das für die Beihilfe der Bundesbediensteten zuständige Ressort (…) unter Hinweis auf eine dadurch möglicherweise zusätzlich ausgelöste Datenschutzproblematik auf der Ebene der Beihilfestellen bisher nicht zu einer Änderung der bisherigen Praxis durchringen können" (Brief v. 7.06.2005). Die abschließende Anmerkung des Datenschutzbeauftragten, bislang lägen ihm "keine Beschwerden" vor, geht am Problem vorbei: Patienten können sich in aller Regel schon deshalb nicht beschweren, weil sie keine Kenntnis von dem Verfahren haben. In der Regel wissen sie weder, was im Bericht über sie steht, noch wer von ihren intimen Daten Kenntnis nimmt und zu welchem Zweck das geschieht. Zudem ist zu bedenken, daß sie sich zum Zeitpunkt der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen zumeist nicht in der Lage sehen (bzw. in der psychischen Verfassung sind), sich mit der Krankenkasse/Beihilfestelle oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz auseinanderzusetzen.

 

Intime Daten von Beihilfe- und/oder Privatversicherten genießen einen ungleich schlechteren Schutz, als dies bei gesetzlich Versicherten der Fall ist. Ich vermag eine sachliche Begründung für den unterschiedlichen Umgang mit solchen Informationen in der GKV und der PKV/Beihilfe nicht zu erkennen und bitte daher dringend um Abhilfe

6. Wenn Sie in dieser Sache bereits andere Rechtsbehelfe (z.B. Widerspruch, Klage) eingelegt haben benennen Sie diese bitte und fügen Sie entsprechende Unterlagen in Kopie bei (z.B. Entscheidungen der betroffenen Behörde, Klageschriften, Urteile) oder reichen sie gesondert nach.

Keine Angaben

Von den allgemeinen Hinweisen zum Petitionsverfahren habe ich Kenntnis genommen.

Ich bin mit der Nennung meines Namens einverstanden, falls der Petitionsausschuss meine Petition im Rahmen seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzt.

Ort, Datum, Unterschrift

Bitte die Petition ausdrucken, unterschreiben und per Telefax

(Fax: (030) 227 36027) oder Post an die oben angegebene Adresse senden.

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