Hinweise zur Beschlagnahme von Unterlagen in psychotherapeutischen Praxen
Vorbemerkung: Das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozeß (§ 53 StPO) wird ergänzt durch ein Beschlagnahmeverbot von Krankenak-ten (§ 97 StPO), die bei Ermittlungen gegen PatientInnen nicht beschlagnahmt werden dürfen – es sei denn, "die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten" sind "einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig (…) oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren"
Wie sollte man sich verhalten, wenn es tatsächlich zu einer Durchsuchung der Praxis kommt?
1. Sofern die Beschlagnahme in Ihrer Abwesenheit erfolgt, sollten ihre PraxiskollegInnen (Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften) Sie unverzüglich informieren und gegenüber den BeamtInnen darauf bestehen, daß Ihnen die Möglichkeit gegeben wird, bei der Durchsuchung persönlich anwesend zu sein. Die vor Ort anwesenden Personen können sich allerdings der Durchsuchung nicht widersetzen.
2. Informieren Sie unbedingt sofort einen/Ihren Anwalt; notfalls können sie sich Rat und Unterstützung bei einer anwaltlichen Hotline holen (siehe unten). Ziehen Sie ggf. eine/n Zeugin/en bei, die Sie in der Situation unterstützt und gegebenenfalls die Umstände der Beschlagnahme bezeugen kann.
3. Bevor die BeamtInnen mit der Durchsuchung oder einer Beschlagnahmung beginnen, bestehen Sie darauf, daß diese sich ausweisen. Notieren Sie die Namen, Ausweis- und Telefonnummern (wenn möglich kopieren sie die Ausweise) und achten Sie darauf, ob es sich um BeamtInnen der Staats-anwaltschaft, der Steuerfahndung oder der Polizei handelt.
4. Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluß zeigen und bitten Sie um eine Kopie (bieten Sie ggf. an diese selbst anzufertigen). Prüfen Sie das Datum (er darf nicht älter als 6 Monate sein) und gegen wen er sich richtet (Praxisinhaber oder PraxiskollegInnen). Soweit einzelne Räume (z.B. Büro) genannt werden, verweigern Sie den Zugang zu anderen Praxisräumen. Auch darf Ihre Privatwohnung nicht durchsucht werden, wenn im Beschluß nur die Praxis oder einzelne Praxisräume benannt sind.
5. Eine Durchsuchung ohne Beschluß ist nur zulässig ist, wenn "Gefahr im Verzug" ist. Soweit die BeamtInnen sich auf diesen Umstand berufen macht es keinen Sinn auf der Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses zu beharren.
6. Machen Sie (als Beschuldigter) von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und beantworten Sie lediglich Fragen zu Ihrer Person. Informieren Sie die BeamtInnen, daß Sie eine/n Anwältin/Anwalt beauftragen werden und diese/r nach Einsicht in die Ermittlungsakten zur Sache schriftlich Stellung nehmen wird. Achten Sie unbedingt darauf, ob Sie von den BeamtInnen über Ihr Schweigerecht belehrt werden und fertigen Sie im Fall der Unterlassung hierüber eine schriftliche Notiz an.
7. Widersprechen Sie der Mitnahme von Unterlagen bzw. Gegenständen und bestehen Sie darauf, daß Ihre Erklärung schriftlich festgehalten wird. In diesem Fall wird statt der sog. 'Sicherstellung' eine 'Beschlagnahme' vorgenommen, die auch im Protokoll (durch ankreuzen) vermerkt sein muß, damit Sie später gerichtlich dagegen vorgehen können; andernfalls (bei einer 'Sicherstellung' oder 'freiwilligen Herausgabe') ist dies nicht möglich.
8. Behindern Sie keinesfalls die Durchsuchung (z.B. dadurch bestimmte Schränke oder Räume nicht zu öffnen), sondern unterstützen Sie die Beamten soweit wie möglich. Klären Sie, wonach gesucht wird und geben Sie (soweit Sie nicht tatsächlich kompromittierende Gegenstände/Unterlagen zu verbergen haben) entsprechende Hinweise um ein vollständiges Chaos in Ihrer Praxis zu vermeiden.
9. Im Unterschied zu BeamtInnen der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung haben PolizeibeamtInnen kein Recht, die beschlag-nahmten Unterlagen durchzusehen. Bestehen Sie darauf, daß im Protokoll genau (auch ggf. mit Inhaltsangabe) vermerkt wird, welche Unterlagen beschlagnahmt wurden und/oder kopieren Sie (soweit die Möglichkeit besteht) jedes einzelne Blatt.
Deutsche Anwaltshotline – Zentral-Rufnummer: 0190/867800-10 (1,86 Euro/Min.), 8-24 Uhr; unmittelbarer Kontakt mit einem Rechtsanwalt, Abrechnung über die Telephonnummer.
Anwaltsnotdienst in Strafsachen (Münchner Anwaltverein e. V. – Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e. V.) Tel.: 0171/532 81 04; Freitag 18 Uhr bis Montag 8 Uhr und an Feiertagen.