Stichwortverzeichnis

Übersicht:

Stichwort: Auskunft an Finanzämter im Zusammenhang einer Betriebsprüfung

Im Rahmen einer Betriebsprüfung (niedergelassenen ärztliche und Psychologische Psychotherapeut*innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen) muß damit gerechnet werden, daß die Finanzbehörden Auskunft über die Namen der behandelten Patient*innen fordern, während Diagnosen und Behandlungsdaten geschwärzt werden können. Grundlage der Auskunftspflicht ist nach Überzeugung der Behörden § 102 AO (Abgabenordnung).

Zur Prüfung der Unterlagen/steuerrechtlichen Verhältnisse ist die Kenntnis des Namens Ihrer Patient*innen in der Regel nicht erforderlich. Deshalb dürften Sie auch nicht zu deren Preisgabe verpflichtet sein. Sollte der Name im Einzelfall, etwa zur Prüfung eines bestimmten Tatbestands erforderlich sein, käme es zur Pflichtenkollision (Schweigepflicht-Steuergerechtigkeit/gleichmäßige Besteuerung) und einer Abwägung des höherwertigen Rechtsgutes - hier dürfte i. d. R. die Schweigepflicht das höherwertige Rechtsgut darstellen. Wichtig ist: Privatrechnungen müßen mit einer eindeutigen Rechnungsnummer und eine Rechnungsdatum versehen sein, damit Zahlungen eindeutig zugeordnet werden können.

Anmerkung:

Wie aus dem Artikel der juristischen Beraterin der PTK Niedersachsen, Frau Dr. Rüping (2004) ersichtlich wird, teilen nicht alle Finanzämter diese Auffassung. Ich meine, daß die Schwärzung auf jeden Fall gerechtfertigt ist, würde allerdings empfehlen, dies nur nach Einholung juristischen Rates (DGPT, sonstige Berufs bzw. Fachverbände oder auf Medizinrecht spezialisierte Rechtsanwälte) zu tun. Hier finden Sie die html-Version und die Version als Word 97-2003 Dokument.

Stichwort: E-Mails

Der Einsatz von E-Mails ist aufgrund des unzureichenden Schutzes vor unbefugtem Zugriff auf die darin enthaltenen Daten durch Dritte datenschutzrechtlich (aber auch im Hinblick auf die Schweigepflicht) höchst problematisch. Patient*innen können ihren Psychotherapeut*innen alles schreiben - wenn aber diese auf E-Mails antworten und dabei personenbezogene Daten übermitteln stellt das einen Verstoß gegen die

Für die Übermittlung personenbezogener Daten ist eine wirksame Verschlüsselung zur Einhaltung der Schweigepflicht zwingend notwendig - so daß nur die/der berechtigte Empfänger*in von diesen Kenntnis erlangen kann ('adressierte Vertraulichkeit'). Anlagen mit personenbezogenen Daten (Berichte, Fotos, Audiodateien etc.) dürfen ohne sicher Verschlüsselung nicht versendet werden.

Stichwort: Privatversicherungen

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hat eine sehr übersichtliches Merkblatt zu Fragen der Zusammenarbeit mit Privatversicherungen erstellt (Stand: Mai 2007). Im Hinblick auf die Schweigepflicht bzw. den Datenschutz wird der Umgang mit Anfragen von Privatversicherungen, Anfragen der PatientInnen  hinsichtlich der Bitte um Datenübermittlung an Privatversicherungen) und mit der Entbindung von der Schweigepflicht erörtert. Auch andere Aspekte (Honorar nach GOÄ) könnten von Interesse sein!

Stichwort: Schweigepflicht im Rahmen der (analytischen) Gruppentherapie

Die Bereitschaft der Mitglieder einer analytischen Gruppe, sich mit bewußten und unbewußten Gruppenprozesse auf dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen, setzt die Vorstellung und Erfahrung eines geschützten Raumes dar, der einen sorgsamen und vertraulichen Umgang mit den anvertrauten Informationen sicherstellt.

Während die professionellen Gruppenleiter*innen (Ärzt*innen, Psychologische Psychotherapeut*innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen) der beruflichen Schweigepflicht unterliegen (§ 203 StGB, Abs.1, Ziff. 1), existiert eine analoge Vorschrift für die Gruppenteilnehmer*innen nicht.

Das heißt nun nicht, daß bei der Gruppenpsychotherapie ein rechtsfreier Raum bestünde. Vielmehr gelten für bestimmte Formen des Geheimnisverrats strafrechtliche Vorschriften, so etwa im Falle der Erpressung (§ 253 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Beleidigung (§185 StGB) oder der üblen Nachrede (§186 StGB). Zivilrechtliche Ansprüche können entstehen, wenn brisante Informationen von Mitpatient*innen (etwa sexuelle Phantasien, Alkoholprobleme etc.) unlauter verbreitet werden und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) vorliegt. Allerdings sind die Hürden einer strafrechtlichen Verfolgung hoch und das deutsche Zivilrecht bei der Gewährung von Schadensersatz aufgrund der Verletzung immaterieller Güter zurückhaltend (Riemer 2002, 375). Die Weitergabe der in der Gruppe offenbarten Geheimnisse stellt insofern im Normalfall keinen Straftatbestand dar, das gilt auch dann, wenn diese nicht anonymisiert sind, also einem Gruppenmitglied zugeordnet werden können.

Die von Riemer (Riemer und Tschuschke 2004) geforderte Erweiterung der Strafvorschrift des § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und des § 53 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht) auf die Teilnehmer*innen psychotherapeutischer Gruppen wurde zuletzt nach einer entsprechenden Eingabe an den Petitionsauschuß des Deutschen Bundestages 2003 vom Gesetzgeber abgelehnt (Beschlußempfehlung Pet 4-15-07-3120-005430 abgedruckt in Riemer & Tschuschke 2004).

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine Vereinbarung (zum Therapievertrag) zu treffen, in der sich die Teilnehmer*innen verpflichten, Informationen aus der Gruppe nur im Ausnahmefall an außenstehende Dritte weiterzugeben. Für diesen Fall ist dann dafür zu sorgen, daß Daten und Geheimnisse jedweder Art unter Berücksichtigung größter Sorgfalt, das heißt

weitergeben werden. Bei der Frage, ob die Vereinbarung schriftlich oder mündlich erfolgen soll ist zu berücksichtigen, daß die Schriftform nicht erforderlich, aber zu Beweiszwecken und möglicherweise auch im Hinblick auf den 'Verbindlichkeitscharakter' (des Textes und der Unterschrift) sinnvoll sein kann. Im Übrigen erscheint in der Vereinbarung ein Hinweis darauf wichtig, daß der vertrauliche Umgang mit den von anderen Gruppenmitgliedern anvertrauten Informationen nicht ausschließlich dem Schutz des Einzelnen dient. Vielmehr sichert das Vertrauen in die Verschwiegenheit der Gruppenteilnehmer*innen die Funktion und Arbeitsfähigkeit der psychotherapeutischen Gruppe. Umgekehrt haben Verletzungen des vertraulichen Umgangs mit Informationen aus Therapiegruppen nicht nur zerstörerische Wirkung auf eben jene Gruppe, sondern auch auf das Vertrauen potentieller Patient*innen in die (analytische) Gruppentherapie.

Grundsätzlich besteht auch für Teilnehmer*innen einer Gruppentherapie ein Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen. Da jedoch

Anmerkung:

Ein absolutes Schweigegebot erzwingen zu wollen erscheint ebenso lebensfremd wie ethisch und menschlich problematisch, etwa wenn Erfahrungen oder Verhaltensweisen anderer Gruppenmitglieder zu einer psychischen Belastung, somatischen oder psychischen Beeinträchtigung (Depression, Dissoziation, psychosomatische Symptome etc.) oder zu einer Lebenskrise (z.B. Flashbacks) führen. Zwar kann es durchaus sinnvoll sein, die Gruppe betreffenden Informationen, Erlebnisse und Prozesse innerhalb der Gruppe zu thematisieren, andererseits sollte Teilnehmer*innen auch grundsätzlich die Möglichkeit offenstehen, sich mit den Erfahrungen nahestehenden Personen anzuvertrauen, wenn dadurch die Interessen anderer Gruppenmitglieder nicht beeinträchtigt werden. Wie bei der beruflichen Verschwiegenheit ist darauf zu achten, daß auch die anonymisierte Offenbarung (etwa im Rahmen einer psychischen Entlastung) nicht im Dienste sadistischer oder destruktiver Motive erfolgt. Da die Gruppenmitglieder mit der Reflexion solcher Prozesse alleine überfordert sein dürften, scheint es notwendig, daß die Gruppenleiter*innen das Thema des Umganges mit Geheimnissen als Phänomen bewußter und unbewußter individueller und gruppen-dynamischer Prozesse berücksichtigen.

Einen Entwurf für eine Therapievereinbarung zur Schweigepflicht bei Gruppentherapie finden Sie durch Anklicken des markierten Textes!

Stichwort: Supervision & Intervision

Die Notwendigkeit von Supervision, Intervision bzw. kollegialem Austausch über Behandlungen ist aus der Sicht nahezu aller im psychotherapeutischen Bereich tätigen Ausbildungsinstitutionen, Berufs- und Fachverbände unumstritten. Die Rechtsprechung trägt diesem Umstand insoweit Rechnung, als anonymisierte Falldarstellungen – ob des fehlenden Merkmals der 'Offenbarung' – den Tatbestand einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nicht erfüllen.

Erfolgt die Behandlung für die Patient*innen erkennbar im Rahmen eines Behandlungsteams (z.B. Behandlung in einer stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Einrichtung), ist eine konkludente Einwilligung hinsichtlich der Mitteilungen an mitbehandelnde Kolleg*innen insoweit anzunehmen, als davon ausgegangen werden kann, daß die anvertrauten Daten und Geheimnisse nicht einer speziellen Person anvertraut wurden. Voraussetzung der Wirksamkeit des (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Einverständnisses ist die Kenntnis der Einwilligenden, welche Daten an welche Personen weitergegeben werden.

Für Supervisionen bzw. Intervisionen im Rahmen des fachlichen Austausches niedergelassener Psychotherapeut*innen kann von einer konkludenten Einwilligung grundsätzlich nicht ausgegangen werden. Dennoch ist die Vorstellung von Therapieverläufen– auch ohne das Einverständnis der betreffenden Personen zulässig, wenn – wie bereits erwähnt – deren Anonymität sichergestellt ist. Der Einwand völlige Anonymität ließe sich ebenso wenig herstellen wie die Entwicklung einer unlesbaren Schrift, ist begründet, steht jedoch nicht im Widerspruch zum Bestreben, den durch die Verschwiegenheit geschützten (potentiellen) Raum nicht ohne Not (z. B. durch die Veränderung von Informationen, die eine Identifikation erleichtern) zu beschädigen. Auch aus diesem Grund erscheint es behandlungstechnisch wenig hilfreich, das Einverständnis der Betroffenen im Einzelfall einzuholen [1]. Dadurch wären Patient*innen gezwungen eine Entscheidung zu treffen, welcher letztlich (Gegenübertragungs-) Probleme und Sicherheitsbedürfnisse auf Seiten der Therapeut*innen zugrunde liegen. Praktisch empfehlenswert ist die (bei den Lindauer Psychotherapietagen praktizierte Regelung), nach der sich Teilnehmer*innen für den Fall, daß sie die vorgestellten Patient*innen erkennen, verpflichten, die Supervision (bzw. Veranstaltung) zu verlassen.

Gerade im ländlichen Raum und in Kleinstädten ist besonders auf die sorgfältige Veränderung personenbezogener Informationen zu achten, da bereits die Kombination verschiedener anonymer (und für sich selbst jeweils unspezifischer) Angaben – z.B. Beruf, Familienstand, Kinderzahl – eine Identifizierung der betroffenen Patient*innen nach sich ziehen kann.

Anmerkung: Die Nachteile, die sich durch die Veränderung oder das Weglassen anamnestischer Daten aus Gründen der Schweigepflicht hinsichtlich der 'biographischen Psychodynamik' ergeben, könnten vermutlich in den meisten Fällen durch das vertiefte Verständnis der Übertragung- und Gegenübertragung (anhand von Gesprächsprotokollen, der Szene bzw. von Handlungsdialogen) aufgewogen werden.


1 Eine pauschale Einverständniserklärung (z.B. eine schriftliche Erklärung zu Beginn der Behandlung, die eine Weitergabe von Informationen an eine Supervisorin und/oder Kolleg*innen beinhaltet) wäre schon deshalb problematisch, da sie die Kenntnis nehmenden Personen sowie eine Eingrenzung der zu offenbarenden Daten beinhalten müßte, vor allem aber, weil sie sich nur auf die bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung anvertrauten Geheimnisse beziehen würde. Von einer konkludenten Einwilligung kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Betroffenen der Tatsache und Bedeutung einer fortlaufenden Supervision im Klaren sind.

Stichwort: Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Büchern

Daß in Veröffentlichungen in besonderem Maß auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte von PatientInnen zu achten ist, muß nicht eigens erwähnt werden – angesichts verschiedener problematischer Beispiele vielleicht aber doch. Bereits Freud hat sich mit diesem Thema befaßt, seine Überlegung erscheint mir so grundsätzlicher Natur, daß ich sie an dieser Stelle wiedergebe:

"Es ist gewiß, daß die Kranken nie gesprochen hätten, wenn ihnen die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Verwertung ihrer Geständnisse in den Sinn gekommen wäre, und ebenso gewiß, daß es ganz vergeblich bliebe, wollte man die Erlaubnis zur Veröffentlichung von ihnen selbst erbitten. Zartfühlende, wohl auch zaghafte Personen würden unter diesen Umständen die Pflicht der ärztlichen Diskretion in den Vordergrund stellen und bedauern, der Wissenschaft hierin keine Aufklärungsdienste leisten zu können. Allein ich meine, der Arzt hat nicht nur Pflichten gegen den einzelnen Kranken, sondern auch gegen die Wissenschaft auf sich genommen. Gegen die Wissenschaft, das heißt im Grunde nichts anderes als gegen die vielen anderen Kranken, die an dem Gleichen leiden oder noch leiden werden. Die öffentliche Mitteilung dessen, was man über die Verursachung und das Gefüge der Hysterie zu wissen glaubt, wird zur Pflicht, die Unterlassung zur schimpflichen Feigheit, wenn man nur die direkte persönliche Schädigung des einen Kranken vermeiden kann. Ich glaube, ich habe alles getan, um eine solche Schädigung für meine Patientin auszuschließen. Ich habe eine Person ausgesucht, deren Schicksale nicht in Wien, sondern in einer fernab gelegenen Kleinstadt spielten, deren persönliche Verhältnisse in Wien also so gut wie unbekannt sein müssen; ich habe das Geheimnis der Behandlung so sorgfältig von Anfang an gehütet, daß nur ein einziger vollkommen vertrauenswürdiger Kollege darum wissen kann, das Mädchen sei meine Patientin gewesen; ich habe nach Abschluß der Behandlung noch vier Jahre lang mit der Publikation gewartet, bis ich von einer Änderung in dem Leben der Patientin hörte, die mich annehmen ließ, ihr eigenes Interesse an den hier erzählten Begebenheiten und seelischen Vorgängen könnte nun verblaßt sein. Es ist selbstverständlich, daß keine Name stehen geblieben ist, der einen Leser aus Laienkreisen auf die Spur führen könnte; die Publikation in einem streng wissenschaftlichen Fachjournal sollte übrigens ein Schutz gegen solche unbefugte Leser sein. ich kann es natürlich nicht verhindern, daß die Patientin selbst eine peinliche Empfindung verspüre, wenn ihr die eigene Krankengeschichte durch einen Zufall in die Hände gespielt wird. Sie erfährt aber nichts aus ihr, was sie nicht schon weiß, und mag sich die Frage vorlegen, wer anders daraus erfahren kann, daß es sich um ihre Person handelt" (Freud: Bruchstück einer Hysterie-Analyse. GW V, S. 164 f).

Freuds Haltung zur Diskretion ist für die damalige Zeit beeindruckend. Daß er sich selbst verschiedener Verletzung der Diskretion schuldig machte, er offenbarte z.B. intime sexuelle Details aus der Lehranalyse mit Stekel gegenüber Jones. (Vgl. Gay 1989, S. 214 und Jones II 1984, S. 479), ist als Hinweis auf mögliche Ursachen von Schweigepflichtverletzungen – das Agieren der Gegenübertragung – zu verstehen. Seine Enttäuschung gegenüber dem sich von ihm ab- (und Adler zuwendenden) 'Ziehsohn' Steckel machte sich in einer Verletzung dessen Intimsphäre Luft.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich eine Vielzahl von Ratgebern, Bücher und Zeitschriften (z.B. Psychologie heute) im Unterschied zu einschlägigen Fachbüchern und -zeitschriften (Psyche, Forum etc.) an ein sehr breites Publikum wenden, weshalb besonders strenge Maßstäbe an das Gebot der Verschwiegenheit anzulegen sind. Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) hat 1995 dafür plädiert, klinische Fallberichte unverändert (unverkleidet), jedoch mit Zustimmung ("informed consent") der Patient*innen zu veröffentlichen. Dem aus dem amerikanischen Rechtssystem stammenden Begriff der 'informierten Einwilligung' entspricht im deutschen Recht die Zustimmung bzw. Einwilligung der über die Art und Weise der Offenbarung informierten Patient*innen – andernfalls wäre sie unwirksam. Im Bereich psychoanalytischer Fachveröffentlichungen haben sich die Herausgeber des International Journal of Psychoanalysis demgegenüber für einen flexibleren Umgang mit der Privatsphäre der Patient*innen ausgesprochen, der eine Balance zwischen wissenschaftlichen Belangen (scientific integrity) und der Anonymität der Patient*innen herstellt. Neben der Veränderung (Anonymisierung) des Fallmaterials unter sorgfältiger Berücksichtigung dadurch möglicherweise entstehender Mißverständnisse und der zusätzlichen Einholung des schriftlichen Einverständnisses der Patient*innen (einschl. der analytischen Bearbeitung während aber ggf. auch nach abgeschlossener Behandlung) schlagen sie – je nach den von Autor*innen gewählten Themen – die Verwendung des Materials mehrerer Patient*innen, die Fokussierung auf den analytischen Prozeß, die Verwendung klinischen Materials von Kolleg*innen oder die Publikation von klinischem Material durch eine Autorengruppe vor. Zu einem "consent" raten sie dringend bei öffentlich bekannten oder selbst im medizinisch-psychosozialen Feld tätigen Patient*innen. Dabei gilt aus ihrer Sicht: "Ethical concerns about the protection of the patient's privacy must take precedence over an analyst's need to publish or the profession's advancement". ["Ethische Bedenken zum Schutz der Privatsphäre des Patienten müssen Vorrang haben vor dem Bedürfnis eines Analytikers zu veröffentlichen oder den Berufsstand zu fördern"; Übersetzung des Autors] (Gabbard & Williams 2001, S. 1068).

Insgesamt ist darauf zu achten (auch hierauf weisen die Autoren hin), daß nur die zur Untermauerung der Argumentation in der Veröffentlichung notwendigen Informationen offenbart werden. Das entspricht juristisch dem Prinzip der Zweckbindung und zugleich der Erfahrung vieler Datenschutzbeauftragten. Häufig ist nicht die Offenbarung an sich unzulässig, sondern die Übermittlung von Daten und Informationen über den (gerechtfertigten) Offenbarungszweck hinaus.

Anmerkung: Obwohl der 'informed consent' bzw. die Einwilligung das Selbstbestimmungsrecht der PatientInnen betont (und das Problem der Wiedererkennung in einer Veröffentlichung vermeidet) ist die damit einhergehende Vorstellung einer 'freien' Entscheidung angesichts der asymmetrischen Beziehung (insbesondere während der laufenden Behandlung) fragwürdig. Andererseits nährt die (ausgesprochene oder unausgesprochene) Vorstellung, daß alles was Patient*innen anvertrauen und alles was in der Analyse passiert ausschließlich im analytischen Raum bleibt, die Phantasie einer von (störenden) Dritten 'reinen' Dyade.

Stichwort: Zeugnisverweigerungsrecht

Strafprozeß

Während sich Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen (im Unterschied zu Ärzt*innen) im Strafprozeß auf ein Zeugnisverweigerungsrecht bis heute nicht berufen können, wurde die Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeut*innen und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen neu in § 53 StPO aufgenommen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht  im Strafprozeß besteht jedoch nur insoweit, als der Schweigepflichtige von den jeweiligen Patient*innen von der Schweigepflicht nicht befreit wurde (§ 53 Abs. 2 StPO). Ist das der Fall besteht faktisch eine Zeugnisverweigerungspflicht.

Das Zeugnisverweigerungsrecht wird ergänzt durch ein Beschlagnahmeverbot von Krankenakten (§ 97 StPO), die bei Ermittlungen gegen Patient*innen nicht beschlagnahmt werden dürfen – es sei denn, "die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten" sind "einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig (…) oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren". Die Beschlagnahme bedarf grundsätzlich der richterlichen Anordnung; steht die Polizei oder die Staatsanwaltschaft bereits vor der Tür, so wird sie sich in aller Regel auf "Gefahr im Verzug" berufen, da nur in diesem Fall ein richterlicher Beschluß nicht vorliegen muß (§ 98 Abs. 1 StPO).

Im Fall einer bevorstehenden Beschlagnahme sind einige Regeln zum eigenen Schutz unbedingt zu beachten.

Anmerkung:

Das GMG hat die StPO dahingehend erweitert, daß auch außerhalb der Praxis gespeicherte elektronische Daten (z.B. Ärztenetze, integrierte Versorgungsnetze, elektronische Gesundheitskarte ab 2006) dem Beschlagnahmeverbot unterliegen; bisher waren solche Daten nur geschützt, wenn sie in "Krankenanstalten" aufbewahrt wurden.

Zivil-, Verwaltungsprozeß (VwGO) und Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)

(FGG: u. a. bestimmte Familiensachen, z.B. Sorgeverfahren, Umgangsregelung, Kindesherausgabe, Versorgungsausgleich)

Eine analoge Regelung zum Strafprozeß (§ 53 StPO) besteht im Zivilprozeß: § 383 Abs. 1 Nr. 6 und § 385 Abs. 2 Zivilprozeßordnung (ZPO). Auch im Verwaltungsprozeß und bei Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit finden die in Verbindung mit den §§ 98 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) und 15 FGG (Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsarbeit) die Bestimmungen der ZPO Anwendung, so daß auch hier ein Zeugnisverweigerungsrecht für die oben genannten Berufsgruppen gilt.

Links

nach oben


Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion I Dr. Jürgen Thorwart

Suche I Kontakt I Impressum