Aktuelle Informationen zu den Themen Datenschutz, Diskretion und Schweigepflicht

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AKTUELL: Nummer 12/2023

Digitalgesetze

Die Regelungswut von Gesundheitsminister Spahn wird von Gesundheitsminister Lauterbach noch übertroffen. Am 14.12.2023 hat der Deutsche Bundestag zwei Gesetze verabschiedet, die zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystem einen wichtigen Beitrag leisten sollen. Während das E-Rezept die Ärzt*innenschaft betrifft und möglicherweise tatsächlich Vorteile für Patient*innen hat, betrifft die die elektronische Petient*innenakte alle in der vertragsärzlichen Versorgung tätigen Psychotherapeut*innen - und vor allem alle gesetzlich versicherten Patient*innen. Wie schon oft ist die Politik vom ursprünglichen Plan abgewichen (zu Zeiten von  Gesundheitsminister Spahn war eine Opt-in-Lösung vorgesehen): Mit dem Gesetz zur Digitalisierung des Gesundheitswesens" und dem "Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten" wird die ePA für alle Versicherten  zum 1.1.2025 eingeführt. Die Versicherten können dem widersprechen (Opt-out), andernfalls sind die Behandler*innen verpflichtet die ePA ihrer Patient*innen zu befüllen.

Einsichtnahme in die Patient*innenakte: Neben den Patient*innen können auch die Behandler*innen Einsicht nehmen. Aber auch die Wissenschaft und Unternehmen können die (dann pseudonymisierten) Daten nutzen, wenn das Ziel der Forschung gemeinnützig ist. Wer welche Daten erhält wir ein eigenes Gremium entscheiden.

Gesundheitsdaten sind gemäß Art. 9 DSGVO zu den besonders sensiblen Daten und sind daher besonders zu schützen. Das größte Problem der von Lauterbach vorgelegten Gesetze besteht darin, daß die Daten nicht mehr wie bisher Ende-zu-Ende verschlüsselt werden. Auf diese Weise wären auch gehackte Dateien nicht lesbar. Doch darauf wird zum Zweck der komfortableren Nutzung der ePA nun verzichtet. Das sieht auch der Bundesdatenschutzbeauftragte sehr kritisch.

Bericht aus dem deutschen Bundestag:

November 2023


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AKTUELL: Nummer 11/2023

Europäischer Gerichtshof: Kostenfreie Kopie der Patient*innenakte

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) berichtet am 2.11.2023 auf ihrer Webseite über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Erste Kammer) v. 26.10.2023:

Europäischer Gerichtshof: Patienten müssen erste Kopie der Patientenakte nicht bezahlen

02.11.2023 - Patienten haben gegenüber Ärzten Anspruch auf eine kostenlose Erstkopie ihrer Patientenakte. Das hat der Europäische Gerichtshof am vergangenen Donnerstag entschieden und damit der nationalen gesetzlichen Regelung in Deutschland widersprochen. Das Gericht verweist in seinem Urteil auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die das Recht auf eine unentgeltliche Erstkopie impliziere. Ärzte dürfen demzufolge nur dann eine Gebühr verlangen, wenn der Patient schon einmal eine Kopie kostenlos erhalten hat. Dies gilt auch für Psychotherapeuten.

Patienten brauchen Antrag nicht begründen

Zudem stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Patientinnen und Patienten nicht verpflichtet sind, ihren Antrag zu begründen. Und: Die in der Patientenakte befindlichen Dokumente müssen unter Umständen vollständig kopiert werden. Denn das Gericht hat auch entschieden, dass der Patient in der Lage sein muss, die Daten zu verstehen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Hierfür kann eine vollständige Kopie erforderlich sein. Dies schließt Informationen wie Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen ein.

DSGVO: Auskunftsrecht nicht durch wirtschaftliche Interessen einschränken

Hintergrund der Entscheidung ist die Klage eines Patienten gegen eine Zahnärztin auf eine kostenlose Kopie seiner Patientenakte, um Haftungsansprüche wegen vermeintlicher Behandlungsfehler geltend zu machen. Die Zahnärztin wollte ihm den Aufwand – wie nach deutschem Recht vorgesehen – berechnen (siehe § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB). Die DSGVO sieht dagegen vor, dass Auskünfte unentgeltlich erfolgen müssen (siehe Art. 12 Abs. 5). Nur bei offenkundig unbegründeten oder wiederholten Anträgen ist ein angemessenes Entgelt zulässig. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, um dessen Auslegung der DSGVO zu berücksichtigen. Dieser hat entschieden, dass nationale Regelungen zum Schutz wirtschaftlicher Interessen von Verantwortlichen nicht im Einklang mit der DSGVO stehen, wenn dadurch Kosten für die Auskunft entstehen. Demnach dürfen den Patientinnen und Patienten nicht die Kosten einer ersten Kopie ihrer Patientenakte auferlegt werden.

Das Urteil v. 26.10.2023 in der Sache ECLI:EU:C:2023:811: "Vorlage zur Vorabentscheidung – Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 12, 15 und 23 – Recht der betroffenen Person auf Auskunft über ihre Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind – Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Kopie dieser Daten – Verarbeitung der Daten eines Patienten durch seinen Arzt – Patientenakte – Gründe für den Auskunftsantrag – Verwendung der Daten, um haftungsrechtliche Ansprüche gegen den Behandelnden geltend zu machen – Begriff 'Kopie'" kommt zu folgendem Ergebnis:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der Verordnung genannten Zwecken begründet wird.

2. Art. 23 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen wurde, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen kann. Eine solche Möglichkeit erlaubt es jedoch nicht, eine nationale Regelung zu erlassen, die der betroffenen Person zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen die Kosten für eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung durch den Verantwortlichen sind, auferlegt.

3. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, umfasst, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten überlassen wird. Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und unter anderem diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.

Anmerkung: Schon bislang hatten Patient*innen volles Einsichtsrecht in ihre Behandlungsdokumentation und/oder Kopien davon. Der Kostenersatz ist in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB geregelt. Bisher konnten Kopierkosten bis max. 50 Cent pro Kopie in Rechnung gestellt werden (jedoch kein Ersatz des Arbeitsaufwands). Das wird künftig nicht mehr möglich sein. Grade für umfangreiche Dokumentationen und Langzeitbehandlungen (insbesondere analytische Psychotherapie) kann das im Einzelfall einen überaus hohen Aufwand bedeuten. Hinzu kommt, daß die Aufzeichnungen lesbar sein müssen. Handschriftliche Aufzeichnungen sind ggf. in Maschinenschrift zu übertragen.

KBV: www.kbv.de

Pressemitteilung Nr. 161/23, Luxemburg, 26.10.23 (über InfoCuria Rechtsprechung): https://curia.europa.eu

Urteilstext (über InfoCuria Rechtsprechung): https://curia.europa.eu

November 2023


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AKTUELL: Nummer 3/2020

Corona-Warn-App und Corona-Datenspende-APP

Nach heftigen öffentlichen Diskussionen (u. a. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V., LOAD e.V. - Verein für liberale Netzpolitik, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V., Gesellschaft für Informatik (GI) e.V., Chaos Computer Club e. V. (CCC), Stiftung Datenschutz) hat Bundesgesundheitsminister Spahn eingelenkt - die über die Corona-Warn- bzw. tracing-App gesammelten Daten werden nicht zentral auf einem Server gespeichert werden.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, wurde erst spät vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Prozeß einbezogen - er kritisiert, daß das RKI nach bisherigem Stand Zugriff auf Klarnamen auf den Servern der Fitness-App-Bereitsteller hat und diese erst auf dem RKI-Server pseudonymisiert würden. Aus seiner Sicht ist eine Pseudonymisierung hier erforderlich, eine Anonymisierung sei hingegen nicht realisierbar, da andernfalls die regelmäßig fließenden Datensätze nicht zugeordnet werden könnten, um festzustellen, was sich bei einer bestimmten Person verändert. Im Hinblick auf Sicherheitslücken in der Bluetooth-Implementation mahnt der Bundesdatenschutzbeauftragte Updates des Betriebssystems (bei den Smartfonnutzer*innen) an, um zusätzlichen Angriffsrisiken durch die Öffnung der Bluetooth-Schnittstelle zu vermeiden.

Zur Frage, ob die Daten zentral auf einem Server oder dezentral nur auf den Mobilgeräten der Nutzer gespeichert werden sollten sagte Kelber:

Gegenüber der Bundesregierung und in einer Stellungnahme der europäischen Datenschutzbehörden haben wir gesagt, beide Architekturen – die zentrale und die dezentrale Speicherung – können datenschutzkonform implementiert werden. Aber wir haben auch klar gemacht, dass die dezentrale Variante die datenschutzfreundlichere ist, weil sie weniger potenziellen Angriffen ausgesetzt ist und dem Prinzip der Datenminimierung entspricht, weil die Daten auf dem eigenen Gerät verbleiben und dort auch gelöscht werden, wenn man sich nicht infiziert. Daher sind wir mit der Entscheidung der Regierung für die dezentrale Variante sehr zufrieden.

Interview mit Ulrich Kelber: Was der Datenschutzbeauftragte über die Corona-App denkt (U. Thiede)

April 2020


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AKTUELL: Nummer 2/2020

Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergeleitet.

In Zeiten von Corona gibt es auch noch andere Themen – vielleicht nicht ganz umsonst (honi soit qui mal y pense) hat das Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergeleitet. Hierzu der Bericht aus der Ärztezeitung vom 1.04.2020 (Auszug):

Patientendaten-Gesetz

Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte. E-Rezept, digitale Überweisung, Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der elektronischen Patientenakte: Die Bundesregierung macht Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt hat der Bundestag das Wort.

Von Anno Fricke

Veröffentlicht: 01.04.2020, 11:25 Uhr

Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte

Die Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr nach Einführung rund 20 Prozent der etwa 72 Millionen GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte nutzen werden.

Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwochvormittag den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergereicht.

Mit dem Gesetz soll der Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen vorangetrieben werden. Ziel der Regierung ist laut Entwurf eine weitestgehende Zusammenarbeit und Vernetzung der Gesundheitsberufe. Mit dem Gesetz sollen die Weichen dafür gestellt werden, die Vorsorge- und Rehakliniken, die Bundeswehrmedizin und die Pflege an die Telematikinfrastruktur anzuschließen. Zugriffsmöglichkeiten sollen auch Hebammen und Physiotherapeuten erhalten. Das Gesetz muss nicht vom Bundesrat abgesegnet werden.

(…)

Elektronische Patientenakte: Mit dem 1. Januar 2021 startet die elektronische Patientenakte. Das Gesetz ist daher von Gesundheitsminister Jens Spahn als „besonders eilbedürftig“ eingestuft worden. Die gesetzlich Versicherten sollen mit dem aktuellen Gesetzentwurf des PDSG klar geregelte Ansprüche gegenüber Vertragsärzten, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern erhalten, dass alle für ihre Versorgung relevanten Daten in die Akte übertragen werden. Die Nutzung der Akte soll aber freiwillig bleiben.

In einer ersten Umsetzungsstufe werden die zugriffsberechtigten Leistungserbringer alle Daten des Patienten einsehen können, es sei denn er löscht sie. Ab Januar 2022 sollen die Akten ein "feingranulares Berechtigungsmanagement" ermöglichen. Das bedeutet, dass der Versicherte dann die in der Akte enthaltenen Dokumente jeweils für einzelne Ärzte und weitere Leistungserbringer freischalten kann. Die Versicherten sollen zudem die Möglichkeit erhalten, ihre Daten oder Auszüge daraus der Forschung zur Verfügung zu stellen.

Um Menschen ohne Smartphone zu ermöglichen, ihre Akten zu führen, sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, in ihren Geschäftsstellen Terminals für den Zugang zu den elektronischen Patientenakten aufzustellen. Auf freiwilliger Basis sollen das auch Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken tun dürfen.

Die Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr rund 20 Prozent der rund 72 Millionen gesetzlich Versicherten die elektronische Patientenakte tatsächlich nutzen werden, die Quote dann aber auf mehr als 50 Prozent steigen wird. Nach fünf Jahren Laufzeit sollen in einer Evaluation sowohl die Zahl der Nutzer als auch der möglicherweise erreichte Mehrwert abgefragt werden.

Bei den Ärzten herrscht Skepsis. „Wir halten es nicht für sinnvoll, dass Versicherte Teile ihrer Akten komplett löschen können“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Ferdinand Gerlach, Ende Februar im Interview mit der "Ärzte Zeitung". Ärzte könnten dann nicht erkennen, dass in der Akte etwas gestanden habe, was unter Umständen lebenswichtige Informationen enthielt.

Anmerkung:

Nicht nur daß der Bundesgesundheitsminister an der übereilten Einführung der ePA festhält (die Regelung der Zugriffsrechte ist nach wie vor technisch noch nicht möglich) – und der Widerstand gegen die flächendeckende Digitalisierung in Zeiten von Corona abnimmt: Die Ansicht von Professor Ferdinand Gerlach bedeutet aus meiner Sicht eine fatale Rückkehr zu alten paternalistischen Zöpfen – Ärzt*innen, die darüber entscheiden wollen, über welche (eigenen!) Daten Patient*innen frei verfügen können und über welche nicht!

Ärztezeitung.de

(1.04.2020):
Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte. E-Rezept, digitale Überweisung, Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der elektronischen Patientenakte: Die Bundesregierung macht Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt hat der Bundestag das Wort.

April 2020


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AKTUELL: Nummer 1/2020

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Es ist schon erstaunlich, welche Aktivitäten Bundesgesundheitsminister Spahn entfaltet. Bei der Flut von Gesetzen drängt sich der Eindruck des Aktionismus auf mit dem wichtige Fragen des Gesundheitswesens zwar aufgegriffen werden - dabei jedoch weder grundlegend überdacht erscheinen, noch der Brisanz der zu regelnden bzw. geregelten Tatbestände gerecht werden. Insbesondere bei der Digitalisierung scheint der Minister kein Gespür zu haben (oder haben zu wollen), daß es hier um einen äußerst sensiblen Bereich geht, der von zentraler Bedeutung für ein funktionierendes Gesundheitswesen hat. Denn Vertrauen zwischen Patient*innen und Behandler*innen ist das Agens jedweder ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Maßnahme.

Erstaunlich ist aber auch der Widerstand von Teilen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft gegen die Telematik und die ePA - ich meine hier nicht die kritische Haltung gegenüber den Bestrebungen des Gesetzgebers, die ich teile und immer geteilt habe, sondern die Art, wie hier diskutiert wird. Zum Teil werden völlig wirre Argumente vorgebracht - wie etwa jenes, mit dem am 7.11.2019 verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz (I) werde die (berufliche) Schweigepflicht verletzt oder gar abgeschafft. Aber auch beunruhigende, hämische und aggressive Töne gegen die (in Anführungszeichen gesetzten) "Volksvertreter*innen" und Vertreter*innen der Berufsgruppen, Kammern und Berufsverbände - und die (angeblich) willfährigen, respektive naiven oder wegschauenden, Kolleg*innen, die sich an die Telematik angeschlossen haben - werden verbreitet. Nicht zu übersehen ist, daß es auch entwertende Äußerungen gegenüber den die Telematik ablehnenden Kolleg*innen gibt.

Auffällig ist gerade im Hinblick auf die Diskussion über die Telematik-Infrastruktur, daß es in den letzten Jahren m. W. überhaupt keinen Widerstand der Ärzte- oder Psychotherapeutenschaft gegen die Übermittlung von Patientendaten (neben den administrative Stammdaten auch Diagnosen und Leistungsdaten) auf die zentralen Server der KVen gegeben hat - vielleicht weil es hierum eigene finanzielle Interessen geht? Und ebenso wenig auch gegen die Regelung im SGB, nach der die Gesetzlichen Krankenkassen die Daten ihrer Versicherten an das Bundesversicherungsamt übermitteln, das die Daten dann seinerseits pseudonymisiert dem DIMDI übermittelt - so jedenfalls beschreibt es das DIMDI in einer Übersicht über das Verfahren nach §§ 303 a-e SGB V und die  Datentransparenzverordnung/DaTraV (https://www.dimdi.de/static/.downloads/deutsch/basisinfo-versorgungsdaten.pdf). Die Krankenkassen haben sich dem (wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe) widersetzt - wohl auch deshalb ist es nun unter Bundesgesundheitsminister Spahn zu einer neuen, datenschutzrechtlich ebenso problematischen, Regelung gekommen.

Daher möchte ich stellvertretend für andere Verbände und Institutionen die Resolution des GK II (Zusammenschluß von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden) wiedergeben, der bereits im Oktober letzten Jahres alle Problembereiche aufgreift:


Resolution von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden zum Datenschutz

Die zweite diesjährige Sitzung des Gesprächskreises II (GK II), eines Zusammenschlusses von 35 Fach- und Berufsverbänden, fand am 26.10.19 in Berlin statt. Die Sitzung wurde dieses Mal von der DGVT organisiert und ausgerichtet. Bis zur nächsten Sitzung im Frühjahr 2020 hat die DGVT auch die Geschäftsführung inne. Themen waren u.a. die Abstimmung verschiedener Resolutionen.

Resolution zum Datenschutz

GK II, Oktober 2019, Berlin Der Gesprächskreis II (GK II) ist ein Zusammenschluss von 35 psychotherapeutischen Verbänden und vertritt über 60.000 Mitglieder. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die bevorstehende Anwendung der elektronischen Patientenakte sind für die Mitglieder bedeutsame Prozesse.

Die Verbände des GK II befürworten grundsätzlich eine Modernisierung und Weiterentwicklung von Abläufen und Anwendungen in der Versorgung der GKV-Versicherten. Sie stellen dabei je doch folgende Forderungen auf:

1. Rollout der elektronischen Patientenakte (ePA) nur mit allen angekündigten Versichertenrechten: Patientinnen und Patienten müssen differenzieren können, wer welche Daten (z.B. Klinikbericht nach stationärer psychosomatischer Behandlung, Schwangerschaftsabbruch etc.) einsehen darf. Dies sieht auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber so.(1) Der GK II fordert hier: Die ePA muss für die Versicherten freiwillig bleiben. Versicherte müssen selektive Zugriffsrechte für Dokumente in der ePA vergeben können. Krankenkassen müssen ihre Versicherten zukünftig gezielt und verständlich zu ihren Rechten bei der Verwendung der ePA informieren.

2. Schutz der sensiblen Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen: Menschen mit psychischen Erkrankungen sind immer noch von Diskriminierung bedroht. Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen sind sehr sensibel und besonders zu schützen. Der GK II fordert: Die Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an Gutachter gehören nicht in die ePA.

3. Keine Herabsetzung des hohen Sicherheitsstandards der Telematik Infrastruktur bei Anwendungen auf mobilen Endgeräten: Die aktuell geplanten Identifizierungsverfahren zur mobilen Nutzung der ePA sind nach Meinung des Bundesdatenschutzbeauftragten nicht ausreichend sicher. Der GK II fordert: Bei der zukünftigen mobilen Nutzung der ePA müssen zusätzliche Identifizierungsverfahren mit höchstem Sicherheitsstandard zur Anwendung kommen.

4. Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen nur nach Indikationsstellung durch approbierte Leistungserbringer: Der vorgesehene Einsatz von Gesundheitsanwendungen allein aufgrund der Genehmigung der Krankenkasse ist zurückzuweisen: Zum Schutz von Erkrankten liegt die Verantwortung für den Gesamtbehandlungsplan allein bei approbierten Leistungserbringern. Der GK II fordert: Die digitalen Gesundheitsanwendungen dürfen nicht aufgrund der Genehmigung der Krankenkasse, sondern erst nach Indikationsstellung durch Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eingesetzt werden.

5. Digitale Gesundheitsanwendungen müssen Wirksamkeit und Nutzen nachgewiesen haben: "Positive Versorgungseffekte" alleine genügen nicht, um eine gute Versorgung für Patient*innen sicherzustellen. Die digitalen Gesundheitsanwendungen müssen zumindest einen Wirksamkeitsnachweis und einen Nachweis des medizinischen Nutzens im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Produkts erbringen. Der GK II fordert: Digitale Gesundheitsanwendungen dürfen nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie Wirksamkeit und Nutzen nachgewiesen haben.

6. Keine verdeckte Weitergabe von Nutzerdaten bei der Verwendung von Gesundheits-Apps: Die von Stiftung Warentest und weiteren IT-Sicherheitsanalysten bestätigten erheblichen Sicherheitsmängel bei der Verwendung von Gesundheits-Apps sind nicht hinnehmbar. (2) Der GK II fordert: Es ist sicherzustellen, dass bei der Nutzung der Gesundheits Apps keinerlei Nutzerdaten über dahinterliegende Infrastrukturen weitergegeben werden.

7. Keine Kapitalbeteiligungen der Krankenkassen an Start- ups: Start-ups handeln der Natur der Sache nach gewinnorientiert, während die Krankenkassen die Aufgabe haben, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern und dabei zu wirtschaftlichem Handeln angehalten sind. Der GK II fordert: Krankenkassen dürfen sich nicht mit Versichertengeldern an Unternehmen beteiligen, da diese nicht die Gesundheit der Versicherten, sondern primär ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen zum Ziel haben.

8. Aufnahme der BPtK als Vertretung der Psychotherapeut*innen als stimmberechtigtes Mitglied in den Gesellschafterkreis der gematik: Unter Aufsicht der gematik wird die Struktur der zukünftigen ePA entwickelt. Psychotherapeut*innen sind als einziger Heilberuf nicht in der Betreibergesellschaft der Telematik Infrastruktur (gematik) stimmberechtigt vertreten. Obwohl das BMG mittlerweile die Mehrheitsanteile in der gematik hält, ist die 'Stimmlosigkeit' unseres Heilberufes nicht hinzunehmen. Die Verbände des GK II fordern die längst überfällige Aufnahme der BPtK in den Gesellschafterkreis der gematik.

Die Diagnose App ADA-Health überträgt z. B. Besuchslänge und Seiteninteraktionen an Analysedienste. Vgl. Hartmut Gieselmann: Risiken und Nebenwirkungen, c’tmagazin für computertechnik 17/2019

(1) Vgl. Beitrag im Ärzteblatt vom 5.8.2019, www.aerzteblatt.de/nachrichten/105114/Bundesdatenschutzbeauftragter-warnt-vor-Abstrichen-bei-E-Patientenakte.

(2) Bei der Nutzung von Deprexis wurde die Identifikationsnummer des Android-Endgeräts an den Betreiber des Programms weitergegeben; bei Get-On wurden die Identifikationsnummer des Endgeräts und der Mobilfunkanbieter an den US-Profidatensammler Flurry übermittelt. Vgl. test 07/2019 von Stiftung Warentest.

Psychotherapieverbände im Gesprächskreis II:

 AVM: Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation e.V.

BAG: Berufsverband der Approbierten Gruppenpsychotherapeuten e.V.

bkj: Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten e.V.

BPP/DGPT: Berufsverband der Psychologischen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in der DGPT

BVKP: Bundesverband der Klinikpsychotherapeuten

bvvp: Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten

BVKJ: Bundesvereinigung Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter e.V.

DFT: Deutsche Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte/Psychodynamische Psychotherapie

DGAP: Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie

D3G: Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie

DGH: Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V.

DGIP: Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie

dgkjf: deutsche gesellschaft für kinder- und jugendlichenpsychotherapie und familientherapie e.V.

DGK: Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie e.V.

DGPs/Fachgruppe KliPs: Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie

DGPSF: Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung

DGfS: Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung e.V.

dgsps: Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie

DGSF: Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie

DGVT: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V.

DPG: Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft

DPV: Deutsche Psychoanalytische Vereinigung

DPGG: Deutsche Psychologische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie

DPtV: Deutsche PsychotherapeutenVereinigung

DDGAP: Deutscher Dachverband Gestalttherapie für approbierte Psychotherapeuten e.V.

DFP: Deutscher Fachverband für Psychodrama e.V.

DVT: Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie

GNP: Gesellschaft für Neuropsychologie

GwG: Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung

M.E.G.: Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose

NGfP: Neue Gesellschaft für Psychologie

SG: Systemische Gesellschaft - Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V.

VIVT: Verband für Integrative Verhaltenstherapie

VPP/BDP: Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP e.V.

VAKJ P: Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten


Anmerkungen:

Nicht in der Resolution erwähnt wird die Übermittlung aller Patientendaten der Gesetzlichen Krankenversicherung über eine Datensammelstelle beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die sie dann pseudonymisiert an ein Forschungsdatenzentrum weiterleiten soll. Auch hier hat der Bundesdatenschutzbeauftragte mittlerweile kritisch Position bezogen.

Zur Problematik der Anonymisierung/Pseudonymisierung:

Da die Abrechnungsdaten so detailliert und einmalig sind können wenige Details ausreichen Patient*innen identifizierbar zu machen. Zwar könnte man die Daten durch ein Verfahren, wie das der "Verrauschung", anonymisieren und so die Sicherheit (deutlich besser) gewährleisten, dann aber wären sie für die Versorgungsforschung wertlos. Das gilt auch für die Psychotherapieforschung, die ja inzwischen für alle Therapieverfahren von großer Bedeutung ist. Dieses Dilemma ist nicht (einfach) zu lösen, es ist in jeden Fall erforderlich, daß sich hier  (Krypto-) Expert*innen sich mit allen Fragen der Datensicherheit intensiv beschäftigen, um (ausreichend) sichere Verfahren zu entwickeln.

Zu Ziffer 2 der Resolution (Schutz der sensiblen Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen), hier heißt es: "Der GK II fordert: Die Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an Gutachter gehören nicht in die ePA." Natürlich ist es legitim, eine solche Forderung zu erheben, m. E. macht sie aber wenig Sinn. Denn wenn Patient*innen/Bürger*innen aus freien Stücken entscheiden, daß solche Dokumente in Ihrer Akte enthalten sein sollen - wäre es auch Ausdruck einer paternalistischen Haltung ihnen dieses Recht vorzuenthalten. Umgekehrt macht es allerdings auch Sinn, Patient*innen (und Bürger*innen) über Risiken aufgeklärt sind - die sie dann (wie wir alle) eingehen können oder nicht.

Im Übrigen - noch mal zurück zu Ziffer 2 der Resolution - ist für mich nicht nachvollziehbar, daß andere (nicht im Rahmen einer Psychotherapie erhobene Diagnosen - z.B. Erektionsstörungen, Dyspareunie; gynäkologisch/urologische Untersuchungsergebnisse etc.) weniger schützenswert sein sollten, als Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen.

Auf einer ganz anderen Ebene scheint es wichtig, den gesellschaftlichen Wandel und Gefahren im Umgang mit Daten zu reflektieren und auch über damit verbundene unbewußte Strebungen (Stichworte: Machbarkeitsphantasien, Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Gesehenwerden, Schau- und Zeigelust, Voyeurismus und Exhibitionismus) nachzudenken. Das gilt im Übrigen auch für schweigepflichtige Berufsgruppen. Denn es ist schon erstaunlich, daß Schweigepflichtverletzungen bei Kolleg*innen (die sich ja genau auf diese berufen) an der Tagesordnung sind. Und eine nicht unerheblicher Zahl von Kolleg*innen verletzt auch die Schweigepflicht im Umgang mit den neuen - auch von Psychotherapeut*innen genutzten digitalen Möglichkeiten - da deren Risiken weder kennen, noch adäquat damit umgehen können. Gerade in den Praxen niedergelassener Kolleg*innen herrschen vielfach datenschutzrechtlich katastrophale Zustände - und die Bereitschaft hier Zeit und Geld zu investieren ist keinesfalls ausgeprägt.

Ich habe mich in der Vergangenheit verschiedentlich mit solchen Fragen beschäftigt - hier eine Auswahl:

Thorwart, J. (2019): Psychoanalyse und Internet. Anmerkungen zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien. Psyche – Z Psychoanal 73-9: 852–878

Thorwart, J. (2018): Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion in der webbasierten Psychotherapie. PiD – Psychotherapie im Dialog 19: 46–50

Thorwart, J. (2015): Diskretion, Schweigepflicht und Psychoanalyse. Über Schwierigkeiten des Umgangs mit anvertrauten Geheimnissen. Psyche – Z Psychoanal 69: 295–327

Resolution des GK II und weitere wichtige Resolutionen/Stellungnahmen:

Psychotherapieverbände - Gesprächskreis II: Resolution von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden zum Datenschutz (Oktober 2019)

Resolution des 35. Deutschen Psychotherapeutentags in Berlin (16.11.2019): Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG): Keine Experimente mit psychisch kranken Patientinnen und Patienten! Keine Aushöhlung des Gesundheitsdatenschutzes!

Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten: BVVP INFO KOMPAKT (Nur für unsere Mitglieder; Stand Mai 2018): Wie steht der der bvvp zur Telematik-Infrastruktur? - veröffentlicht über das Kollegennetzwerk Psychotherapie (https://www.kollegennetzwerk-psychotherapie.de)

Januar 2020


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2020


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AKTUELL: Nummer 7/2019

Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung

Wie bereits berichtet (AKTUELL: Nummer 16/2018) will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Patienten-, Abrechnungs- und Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung nutzen. Mit dem jetzt von ihm vorgelegten Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgungs-Gesetz sollen die Gesundheitsdaten der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland künftig für die Forschung verwendet werden - ohne ihr Einverständnis.

Die Gesetzlichen Krankenkassen müssten demnach die personenbezogenen Daten einschließlich aller Behandlungsdaten der Versicherten an den Spitzenverband der Kassen weiterleiten, der sie dann pseudonymisiert und anschließend zu Forschungszwecken zur Verfügung stellt. Die Verwaltung der Daten wird von einem beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt Forschungsdatenzentrum übernommen.

Die Daten sollen laut Gesetzentwurf für "Forschung, insbesondere für Längsschnittanalysen über längere Zeiträume, Analysen von Behandlungsabläufen oder Analysen des Versorgungsgeschehens" genutzt werden und können von Behörden, Forschungseinrichtungen und  Universitätskliniken, nicht aber von der Industrie genutzt werden.

Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden und ist bereits auf heftige Kritik gestoßen. Politiker*innen der Grünen und Patientenschützer*innen kritisierten den Entwurf und fordern einen strengeren Datenschutz sowie eine Widerspruchsmöglichkeit für Patient*innen. Auch der Bundesrat hat eine kritische Stellungnahme zu Spahns Gesetzentwurf abgegeben und eine Überprüfung in Hinblick auf den Datenschutz gefordert. "Es fehlt an einer klaren Regelung zur Abwägung des angestrebten Nutzens mit dem Re-Identifikationsrisiko und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen", heißt es dazu in einer Stellungnahme der Länderkammer zu dem nicht-zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf.

Offenbar hat sich der Bundesgesundheitsminister vorab mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten, Ulrich Kälber, abgestimmt - aufgrund der geplanten Anonymisierung der Daten und entsprechender Vorkehrungen beim Datenschutz scheinen hier keine grundsätzlichen Bedenken zu bestehen. In diesem Sinne hat sich auch der Medizininformatiker Professor Fabian Prasser geäußert, der Anfang September von München an die Berliner Uniklinik Charité und das Berlin Institute of Health (BIH) wechselte. Er besetzt dort die sechste Professur im Bereich Digital Health und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie Daten der Krankenversorgung für die medizinische Forschung noch besser nutzbar werden können.

ZEIT online (2.11.19 - 15:18 Uhr): Bundesgesundheitsminister: Daten von Krankenversicherten sollen der Forschung zugänglich sein. Jens Spahn will die Daten von gesetzlich Versicherten der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Grüne und Patientenschützer kritisieren fehlende Widerspruchsmöglichkeiten.

Ärztezeitung.de

(12.09.19 - 11:14 Uhr):
Digital Health. Daten nutzen für die Forschung.
Datensicherheit und Digitalisierung seien kein Widerspruch, so ein Medizininformatiker

November 2019


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AKTUELL: Nummer 6/2019

Bericht der Datenethikkommission stärkt Datenschutz

In einer Pressemeldung vom 23. Oktober 2019 (Ausgabe 24/2019) meldet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kälber, der selbst auch Mitglied der Datenethikkommission ist:

Im heute vorgelegten Abschlussbericht betont die Datenethikkommission (DEK) die herausragende Rolle des Datenschutzes im digitalen Zeitalter und gibt eine Reihe zukunftsweisender Handlungsempfehlungen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hofft, dass die Bundesregierung die Ergebnisse des Berichts bei ihrer künftigen Datenpolitik als Leitlinien aufgreift und umsetzt.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Pressemitteilung v. 23.10.19 (Ausgabe 24/2019): Bericht der Datenethikkommission stärkt Datenschutz

Oktober 2019


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AKTUELL: Nummer 5/2019

Riesiges Leck bei Gesundheitsdaten - auch deutsche Patient*innen sind betroffen

Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR Recherche/BR Data) und der US-Investigativplattform ProPublica lagen Millionen hochsensibler medizinischer Daten, darunter auch solche von Patient*innen aus Deutschland und den USA, jahrelang auf ungesicherten Internetservern. Die personenbezogen Daten (Geburtsdatum, Vor- und Nachname, Untersuchungstermin und Informationen über behandelnde Ärzt*innen, die Behandlung und die dazugehörigen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen) konnten mit Hilfe einer kostenlos herunterladbaren Software, die von auch medizinischem Personal und Ärzt*innen verwenden wird, im Internet eingesehen und heruntergeladen werden. Herausgefunden hat das Dirk Schrader, Experte für Informationssicherheit der Firma Greenbone Networks.

BR 24 (19.09.19 - 7:02 Uhr): Millionenfach Patientendaten ungeschützt im Netz

BR 24 (19.09.19 - atientensicherheit: Wie kamen medizinische Daten ins Netz?

September 2019


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AKTUELL: Nummer 4/2019

Die von einer Kassenärztlichen Vereinigung angeforderten Patientendaten zur Qualitätsprüfung dürfen von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen pseudonymisiert werden (Beschluss des BSG vom 15.5.2019, Az. B 6 KA 27/ 18)

Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 15.5.2019 entschieden, daß ein ÄrztInnen bei der Anforderung von Patientendaten durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Rahmen der Qualitätsprüfung diese mit Hinweis auf den Datenschutz pseudonymisieren dürfen - ohne daß sie deshalb in Regress genommen und ihnen Leistungen gekürzt werden.

Im dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall forderte die KV von einem zur hausärztlichen Versorgung zugelassenen und in der suchtmedizinischen Grundversorgung tätigen Arzt eine Stichprobenprüfung von Substitutionsbehandlungen. Dazu wurden  Behandlungsdokumentationen von mehreren namentlich bezeichneten PatientInnen (nach dem Zufallsprinzip) angefordert. Der betroffene Arzt wies dieses Ansinnen unter Hinweis auf den Datenschutz seiner PatientInnen mehrfach zurück. Daraufhin forderte die KV die Vergütung für die zur Stichprobe ausgewählten PatientInnen zurück und forderte zugleich den Arzt auf, auch für das folgende Quartal weitere Behandlungsunterlagen bestimmter Patienten vorzulegen.

Dagegen klagte der Arzt und argumentierte, daß die der Forderung der KV zugrundeliegende Richtlinie des G-BA  nicht mehr den Vorgaben des neu gefassten § 299 SGB V zur Pseudonymisierung versichertenbezogener Daten im Rahmen von Qualitätsprüfungen entspreche.

Das Sozialgericht Berlin wies hat die Klage zunächst ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht diese Entscheidung sowie den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Eine Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen.

Die KV legte Nichtzulassungsbeschwerde ein und machte unter anderem geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung.

In seiner Entscheidung verneinte das Bundessozialgericht jedoch eine grundsätzliche Bedeutung, wies den Antrag zurück und stützte sich dabei auf die Argumentation des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Nach der geltende Gesetzeslage (§ 299 Abs.1 S.1 Nr.1 und 2, Abs. 2 SGB V) sind bestehende Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses dahingehend zu ändern, dass patientenbezogene Informationen im Rahmen von Qualitätsprüfungen pseudonymisiert werden müssen. Dabei muß hingenommen werden, daß Qualitätsprüfungen dadurch nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar sind.

Bundessozialgericht Beschluß v. 5.5.2019, Az. B 6 KA 27/ 18 (Volltext) über www.sozialgerichtsbarkeit.de

August 2019


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AKTUELL: Nummer 3/2019

Bundespsychotherapeutenkammer Datenschutz 2018

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat eine sehr übersichtliche und informative Broschüre "Praxis-Info Datenschutz 2018" vorgelegt, die auch die für PsychotherapeutInnen wichtigen Regelungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung beinhaltet:

Bundespsychotherapeutenkammer: Datenschutz 2018 (1. Aufl., Juli 2018)

Februar 2019


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AKTUELL: Nummer 2/2019

Die ePA soll (europäische) Grenzen überschreiten

Am 6. Februar 2019 hat die Europäische Kommission Empfehlungen für ein einheitliches europäisches Austauschformat für elektronische Patientenakten (ePA) vorgelegt. Über das Ziel :

Die Ermöglichung eines sicheren Zugangs zu Patientenakten und deren Weitergabe über die Grenzen hinweg innerhalb der Union wird den Bürgern in einer Reihe grenzübergreifender Situationen das Leben erleichtern, z. B. jenen Bürgern und deren Familien, die derzeit aus beruflichen Gründen in einem anderen Mitgliedstaat leben, oder Rentnern, die in einem anderen Land leben, und die  somit Zugang zu  Patientenakten aus den Mitgliedstaaten erhalten, in denen sie ihren Wohnsitz hatten bzw. haben. Dies wird die Versorgungsqualität auch in Situationen verbessern, in denen auf Reisen innerhalb der Union medizinische Behandlungen erforderlich werden bzw. in denen sie im Rahmen einer grenzüberschreitenden Vereinbarung erbracht werden. (Seite 1: Abschnitt 3)

Mit dieser Empfehlung wird ein Rahmen für die Entwicklung eines europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten festgelegt, um einen sicheren, interoperablen, grenzüberschreitenden Zugang zu und Austausch von elektronischen Gesundheitsdaten in der Union zu erreichen. (Seite 6: Abschnitt 1)

Denn es bringe Vorteile,

wenn Bürger und Gesundheitsdienstleister auf elektronische Patientenakten (EPA), d. h. Sammlungen von longitudinalen Patientenakten oder ähnliche Unterlagen einer Person in digitaler Form, zugreifen und diese innerhalb der Grenzen und grenzüberschreitend austauschen können: Verbesserung der Versorgungsqualität für die Bürger, Senkung der Gesundheitsversorgungskosten für die Haushalte und Unterstützung der Modernisierung der Gesundheitssysteme in der Union, die sich aufgrund des demografischen Wandels, der steigenden Erwartungen und der Behandlungskosten unter Druck befinden. (Seite 1: Abschnitt 2)

Im Abschnitt 13 (Seite 4) äußert sich die Europäische Kommission zur Frage der Umsetzung des grenzüberschreitende Datenaustauschs auf dem Hintergrund des Bemühens um eine Verbesserung des Vertrauens der europäischen BürgerInnen in elektronische Patientendatensysteme:

Die Verwendung von sicheren elektronischen Identifizierungs- und Authentifizierungsmitteln gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (eIDAS) sollte den Zugang, die Sicherheit und das Vertrauen in elektronische Patientendatensysteme verbessern. (Seite 4, Abschnitt 13)

Um die Interoperabilität und Sicherheit der nationalen Gesundheitssysteme zu verbessern und den sicheren grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten zu unterstützen, sollte jeder Mitgliedstaat ein nationales Netz im Bereich des digitalen Gesundheitswesens mit Vertretern der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der regionalen Behörden einrichten, die sich mit Fragen des digitalen Gesundheitswesens und der Interoperabilität der elektronischen Patientenakten sowie der Sicherheit von Netzen und Informationssystemen sowie mit dem Schutz personenbezogener Daten befassen. (Seite 7, Abschnitt 6)

Im Hinblick auf die Gewährleistung des sicheren Zugangs zu elektronischen Patientendatensystemen sollen die Mitgliedsstaaten

dafür sorgen, dass die elektronischen Patientendatensysteme hohen Standards in Bezug auf den Schutz von Gesundheitsdaten und auf die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, auf die sich solche elektronischen Patientendatensysteme stützen, genügen, um Datenschutzverletzungen zu vermeiden und die Risiken von Sicherheitsvorfällen zu minimieren (Seite 6: Abschnitt 2) und

sicherstellen, dass die Bürger und ihre Gesundheitsfachkräfte Online-Zugang zu ihren elektronischen Patientenakten haben und sich dabei sicherer elektronischer Identifizierungsmittel unter Berücksichtigung des durch die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffenen Rahmens für Sicherheit und Vertrauen bedienen können. (Seite 6: Abschnitt 3)

Bei den Grundsätze(n) für den Zugang zu und den grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen Patientenakten heißt es:

Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, den Bürgern die Entscheidungsmöglichkeit zu geben, wem sie Zugang zu ihren elektronischen Gesundheitsdaten gewähren, und auf welche Einzelinformationen zur Gesundheit gemeinsam zugegriffen werden kann.  (Seite 7: Abschnitt 9)

Fraglich wie ernst gemeint dieser Grundsatz sein kann, wenn das Bemühen der Europäischen Kommission um Interoperabilität als Voraussetzung des grenzüberschreitenden Austausch von Patientenakten keineswegs nur uneigennützigen Zielen verpflichtet ist. Neben der Hoffnung der unmittelbaren Senkung von Gesundheitsversorgungskosten (dann auch für die nationalen Krankenversicherungssysteme) geht es auch um die Schaffung der Voraussetzung für Big-Data:

Die Digitalisierung von Patientenakten und die Ermöglichung ihres Austauschs könnten auch die Schaffung großer Patientendatenstrukturen unterstützen, die in Kombination mit der Nutzung neuer Technologien wie der "Big-Data"-Analyse und der künstlichen Intelligenz die Suche nach neuen wissenschaftlichen Entdeckungen unterstützen können. (Seite 5: Abschnitt 18)

Europäische Kommission (6.02.19): EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 6.2.2019 über ein europäisches Austauschformat für elektronische Patientenakten

Ärzteblatt.de (20.02.19): Empfehlungen für grenzüberschreitende elektronische Patientenakte

Februar 2019


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AKTUELL: Nummer 1/2019

Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Telematik und E-PA

Trotz heftiger Proteste von Seiten der Ärzteschaft und der PsychotherapeutInnen gegen das geplante TSVG (u. a. gegen die "gestufte und gesteuerte Versorgung" bei der psychotherapeutischen Behandlung psychisch Kranker und die Ausweitung der Sprechstunden von 20 auf 25 Wochenstunden) setzt Bundesgesundheitsminister Span seinen konfrontativen Kurs fort. Das gilt auch für die Telematik-Infrastruktur, die er beschleunigen weiter will. Seine aktuellen Änderungsanträge zum TSVG sehen einen Umbau der zuständigen Betreibergesellschaft gematik vor. Bislang waren die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband Gesellschafter der gematik. Nun kommt das BMG als weiterer Gesellschafter hinzu - mit 51% der Stimmanteile. Weil gleichzeitig das Prozedere bei Abstimmungen verändert werden soll -  alle Abstimmungen erfolgen dann mit einfacher Mehrheit - hat das Bundesgesundheitsministerium immer das letzte Wort! Der Spitzenverband der Krankenkassen soll 24,5 %, die übrigen Gesellschaften zusammen ebenfalls 24,5 % der Stimmenanteile erhalten.

In seiner Begründung führt der Bundesgesundheitsminister u.a. aus:

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent umgesetzt werden. Hierzu sollen Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft für Telematik effektiver als bisher gestaltet werden. Um dies zu erreichen, soll das Bundesministerium für Gesundheit den Entscheidungsprozess stärker mitgestalten. Daher wird der Eintritt der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, als Mehrheitsgesellschafter in die Gesellschaft für Telematik festgeschrieben.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit soll die Möglichkeit erhalten, vor solchren Beschlussfassungen, die Belange des Datenschutzes berühren, Stellung zu nehmen.

Auch in Sachen elektronische Patientenakte (e-PA) will Span den Druck erhöhen. Der Änderungsantrag sieht vor, daß künftig alleine die KBV (die dazu finanzielle Mittel der gematik erhält) die inhaltliche Entwicklung der e-PA steuern und entsprechende Entscheidungen über Inhalt, Standards und Interoperabilität treffen soll. Diese waren dann auch in der Regel für die anderen Gesellschafter verbindlich.

Die Anwendungen müssen in zwei Jahren (1.01.2021) zugelassen und einsatzbereit sein. Die Gesetzlichen Kassen werden verpflichtet, ihre Versicherten zu informieren und eine e-PA zur Verfügung zu stellen. Kommen sie dem nicht fristgerecht nach, müssen sie mit einer Kürzung der Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds rechnen (zunächst 2,5 % ).

Ärztenachrichtendienst online (29.01.19): BMG bestimmt künftig die Marschrichtung

Ärzte Zeitung online (30.01.19): Spahn will gematik an die kurze Leine nehmen

Februar 2019


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2019


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AKTUELL: Nummer 16/2018

Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online vom 14.12.18 hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Vorstoß zum Zweck der besseren Nutzbarmachung von Patienten-, Abrechnungs- und Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung angekündigt: Die Zeitung schreibt dazu:

„Dafür müssen wir einen Rahmen setzen, der den Datenschutz und die Souveränität des Einzelnen hochhält, aber gleichzeitig eine gute und schnelle Nutzung möglich macht“, sagte Spahn bei der Konferenz „Zukunft E-Health“ der Unions-Fraktion am Mittwoch in Berlin. Zu diesem Rahmen sollen auch die Themen Datenspende und die Monetarisierung von Daten gehören. Dazu sei er mit dem Forschungsministerium im Gespräch.

Verhältnisse wie in China wolle er aber nicht, betonte der Minister. Dort hat der Staat weiten Zugriff auf alle Daten der Bürger.

Anmerkung: Das ist doch überaus erfreulich, daß Herr Spahn keine Verhältnisse wie in China will!

Ärzte Zeitung online (14.12.18): Spahn will Patientendaten für Forschung und Entwicklung nutzen. Gesundheitsminister Spahn kündigt an, Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung zugänglich zu machen. Der gematik steht außerdem eine Reform ins Haus.

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 15/2018

Datenethikkommission ist für die rasche Einführung der Patientenakte

Wie berichtet (AKTUELL: Nummer 10/2018) haben Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer im Sommer diesen Jahres eine Datenethikkommission einberufen. Sie besteht aus 16 Mitgliedern (Bereiche Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus). Sie sollte binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".

Nun hat die Datenethikkommission eine erste Empfehlung zur ePA gegeben (28. 11.18):

Die Datenethikkommission befürwortet ausdrücklich die Entwicklung einer ePA und hofft auf eine baldige Realisierung. Die ePA kann dazu beitragen, die Datensouveränität der Versicherten zu erhöhen und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Die Datenethikkommission empfiehlt, bereits bei der Entwicklung der ePA die Vielfalt ethischer Aspekte als integralen Bestandteil im Rahmen eines "ethics by, in and for design"-Ansatzes zu berücksichtigen. Der Entwicklungsprozess der ePA ist ein konkreter Anwendungsfall der Empfehlung der Datenethikkommission vom 9.10.2018 zur Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung.

Die Datenethikkommission begrüßt den Anspruch der Beteiligten, größtmögliche(n) Datenschutz, Datenqualität und Datensicherheit sicherzustellen. Ethische Aspekte umfassen jenseits der Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Implikationen und der Vorgaben der DS-GVO zudem Aspekte der Datensouveränität, der digitalen Gesundheitskompetenz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie zu berücksichtigende Präferenzen der Versicherten. Diese können sich beispielsweise auf die Festlegung der einzubeziehenden Datenarten und deren jeweilige Zuordnung zum Standard, Kassen und Versicherten-Bereich sowie möglichen Unterbereichen der ePA beziehen. Sie betreffen auch den Umfang und den Prozess individueller Nutzerentscheidungen über unterschiedliche Möglichkeiten der Datennutzung und Datenportabilität.

Für die Entwicklung eine ePA sollten daher Patientinnen und Patienten von Beginn an am Gestaltungsprozess teilnehmen und ihre Bedarfe sowie Präferenzen in einem partizipativen Prozess einbringen können. In diesem Zusammenhang sollten auch privat versicherte Patientinnen und Patienten einbezogen werden, da der Nutzen einer patientenzentrierten ePA nicht von der Art der Versicherung abhängt.

Die Überzeugung der Kommission, daß rechtliche und ethische Überlegungen, soweit diese "von Beginn an in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, gestalterische und integrative Kraft entfalten und so auch gebotene und wünschenswerte Anwendungen unterstützen" wirkt ein wenig naiv. Vor allem, wenn anschließend darauf verwiesen wird, daß dies insbesondere für den Fall gelten sollte, daß die "Entwicklung staatlich initiiert und gefördert ist." Und das in Zeiten, in denen die Datensicherheit von dem Aufwand abhängig ist, den Hacker oder Staatstrojaner treiben ...

Ob die abschießende Überlegung wirklich Sinn macht kann bezweifelt werden:

Gelingt eine die Interessen aller Beteiligter berücksichtigende, rechtlich und ethisch fundierte Gestaltung der ePA, stellt dies nicht nur sicher, dass diese den Nutzern und Anwendern zum nachhaltigen Vorteil gereicht. Sie legt auch die Grundlage für das Vertrauen, das für den Erfolg des Vorhabens unerlässlich ist.

Wenn Interessen der Beteiligten hinsichtlich der rechtlichen und ethisch Gestaltung berücksichtigt werden, stellt das noch keineswegs sicher, daß eine ePA PatientInnen "zum nachhaltigen Vorteil" gereicht. Damit könnte jeder Blödsinn gerechtfertigt werden, etwa der freie Zugang aller Bundesbürger zum Weltall oder zum Mond - natürlich juristisch und ethisch legitimiert. Eine solch krude Argumentation stärkt ganz sicher nicht das Vertrauen in die ePA. Und es ist auch nicht zu erkennen, daß sich die Ethikkommission mit den ethischen Implikationen der Sammlung hochsensibler Daten auf zentralen Servern auseinandergesetzt hat.

Empfehlung der Datenethikkommission für eine partizipative Entwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) v. 28.11.2018

Ärzteblatt.de (11.12.18): Datenethikkommission für rasche Einführung der Patientenakte

Bundesministerium des Inneren: Die Datenethikkommission der Bundesregierung

Bundesministerium des Inneren: Mitglieder der Datenethikkommission der Bundesregierung

Archiv: Datenethikkommission 1

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 14/2018

Datenschutzgrundverordung - Einwilligung in die Datenverarbeitung bei Minderjährigen (Art. 8)

Das Rechtsreferat der Bundespsychotheraputenkammer vertritt die Auffassung, daß Artikel 8 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) keine Auswirkungen auf die Behandlung minderjähriger Patienten hat. Nach dieser Bestimmung können Minderjährige erst ab dem Alter von 16 Jahren wirksam in die Verarbeitung von Daten einwilligen. Bei Minderjährigen unter 16 Jahren ist daher immer eine vorherige Einwilligung der Eltern notwendig. Art. 8 DSGVO wirkt sich jedoch nicht im Rahmen einer Psychotherapie aus, da er nur für "Dienste der Informationsgesellschaft" gilt. Das sind Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt, im Fernabsatz, also ohne gleichzeitige (physische) Anwesenheit, elektronisch erbracht werden. Gemeint sind insbesondere der Verkauf von Waren über das Internet, der Online-Abruf von Videos und soziale Netzwerke.

Bei einer Psychotherapie sind die Regelungen daher nicht relevant. Ausschlaggebend sind weiterhin die Regelungen zur Einsichtsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen sowie § 36 SGB I (Antragsrecht ab 15 Jahre).

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 13/2018

Datenverarbeitung - Big Data

Wie die Ärzte Zeitung online berichtet (28.11.2018) beschäftigen sich sich 13 Wissenschaftler der Helmholtz-Zentren Saarbrücken und Bonn mit der Frage, wie sich diagnostische und andere Gesundheitsdaten in großem Stil verarbeiten lassen ohne daß dadurch die  Privatsphäre der betroffenen PatientInnen verletzt wird. Zu diesem Zweck wurde eine eigenes Institut gegründet, das Helmholtz Medical Security and Privacy Research Center (HMSP).

„Wir entwickeln effiziente Methoden, mit denen medizinische Daten in einer Vielzahl von verschiedenen Anwendungsszenarien sicher und vertrauenswürdig verarbeitet werden können“, kündigt Gründungsdirektor Professor Michael Backes an. Finanziert werde das neue Institut von den beiden genannten Helmholtz-Zentren, sei aber „für weitere Partner offen“.

www.aerzteblatt.de

November 2018


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AKTUELL: Nummer 12/2018

Informationspflicht gegenüber PatientInnen beim Eingang von Berichten mit bedrohlichen Befunden

Zwar erhalten PsychotherapeutInnen (ÄrztInnen, PP, KJP) eher selten Arztbriefe oder Klinikberichte direkt von den jeweiligen Institutionen (Praxen, Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen), aber es kommt durchaus vor. In solchen Fällen sind auch PsychotheapeutInnen verpflichtet, sicherzustellen, daß die jeweiligen PatientInnen die entsprechenden Informationen erhalten - in jeden Fall, wenn gravierdende und behandlungsbedürftige Symptome bzw. Erkrankungen mitgeteilt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 26.06.20128 entschieden (AZ. VI ZR 285/17).

In dem verhandelten Verfahren hatte ein Patient seine langjährigen Hausärztin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt, weil diese ihn über einen ihr zugegangenen Klinikbericht nicht informiert hatte. Zuvor hatte sie den Patienten wegen Schmerzen im linken Bein und Fuß an einen Facharzt überwiesen. In einer Klinik wurde später ein bösartiger Tumor entdeckt. Dieses teilte die Klinik aber ausschließlich der Hausärztin (und nicht dem behandelnden Facharzt) mit. Erst knapp eineinhalb Jahre später sprach die Hausärztin ihren Patienten im Zusammenhang einer Handverletzung auf die frühere Erkrankung an und erst danach wurde der Mann in einem Universitätsklinikum wegen des Tumors weiterbehandelt.

Im Leitsatz des BHG heißt es dazu:

Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.

Urteil des Bundesgerichtshofs  v. 26.06.18 (AZ. VI ZR 285/17)

www.aerzteblatt.de (24.08.18): Bundesgerichtshof: Patient muss Befund auf jeden Fall bekommen

November 2018


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AKTUELL: Nummer 11/2018

Elektronische Patientenakte (ePA): KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit dem Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische Patientenakte verständigt

Nach einem Bericht des Handelsblatts v. 12.10.18 (Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesvesbands, Martin Litsch) haben sich die Beteiligten auf eine Patientenakte geeinigt, die auf dem Berechtigungsprinzip beruht: PatientInnen können den behandelnden ÄrztInnen erlauben, jeweils relevante Daten herunterzuladen. Auf diese Weise soll auch verhindert werden, daß sie mit überflüssigen Informationen überschüttet werden.

Die Daten sollen zentral auf einen oder mehrere gesicherte Server außerhalb der Praxissoftware übertragen und gespeichert werden, damit ein Zugriff auf Praxis-Computer ausgeschlossen ist.

Die genauer Standards für die e-PA sollen im Dezember zwischen den Beteiligten ausgehandelt werden.

Der Ärztenachrichtendienst berichtet dazu am 15.10.18 weiter, daß Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für den Fall einer gegenseitigen Blockade von Kassen und ÄrztInnen die Ausgestaltung der Digitalakte an sich ziehen wolle.

Zu den weiteren Vereinbarungen, die in einer dreiseitigen Präambel verschriftlicht wurden, schreibt der Ärztenachrichtendienst:

Am Aufbau der Patientenakte sollen die KBV, der GKV-Spitzenverband und die Gematik gleichermaßen beteiligt sein. Letztere soll sich laut Absichtserklärung um die Architektur der ePA kümmern. Diese solle "einheitlich für alle Anbieter" sein, soweit dies für Sicherheit, Interoperabilität und Praktikabilität notwendig sei. "Die gematik definiert daher technische Standards und Schnittstellen für die Hersteller von Konnektoren und ePAs", heißt es. Auch die Zulassungen für die Betreiber und Anbieter erfolgen demnach durch die Gesellschaft.

Aufgabe der KBV wird es sein, Details zur Datenspeicherung "im Benehmen" mit den anderen „Leistungserbringern“, dem GKV-Spitzenverband und der Gematik festzulegen. Darüber hinaus soll ein Arbeitskreis der Krankenkassen die Struktur der Patientenakte entwickeln – unter Federführung des GKV-Spitzenverbandes. Neben einem Standardbereich für medizinische Informationen aus der Versorgung, etwa Arztbefunde oder Röntgenbilder, soll es einen Kassenbereich für Quittungen oder Informationen zu Bonusprogrammen geben. Auch einen "Bereich für die Ablage jeglicher Daten, die vom Versicherten bereitgestellt werden", soll es laut Absichtserklärung geben. Dort können die Versicherten zum Beispiel Fitnessdaten speichern.

Anmerkung: Obwohl das Konzept in der vorliegenden Form zu begrüßen ist, bleibt die Frage der Datensicherheit nach wie vor ein großes Problem, insbesondere auch, weil hochsensible Daten auf zentralen Servern gespeichert werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Hackerangriff erfolgreich sein wird.

Handelsblatt online (12.10.18): Digitale Patientenakte – „Ein Zurück ohne Gesichtsverlust gibt es nicht“. AOK-Chef Martin Litsch glaubt, dass die Einigung von Kassen und Ärzten auf ein technisches Konzept für die digitale Patientenakte Bestand haben wird (von Gregor Waschinski)

Ärztenachrichtendienst (15.10.18): Einigung auf Standards bei e-Patientenakte. KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit dem Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische Patientenakte (ePA) geeinigt. Vertreter der Krankenkassen und der KBV zeigen sich zufrieden (sk)

Oktober 2018


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AKTUELL: Nummer 10/2018

Datenethikkommission

Nach einem Bericht des Ärzteblatts online v. 6.09.18 ist die neue Datenethikkommission unter Anwesenheit von Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer an diesem Tag zu ihrer ersten Sitzung in Berlin zusammengekommen. Die Kommission besteht aus 16 Mitgliedern aus den Bereichen Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus, die vom Bundesinnenministerium im Juli berufen wurden (das Ministerium hat deren Lebensläufe veröffentlicht). Sie soll binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums birgt "der Einsatz von Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen (...) große Potenziale. Gleichzeitig stellen sich zahlreiche ethische und rechtliche Fragen. Die Datenethikkommission der Bundesregierung soll hierauf Antworten geben." (Webseite Datenethikkommission - siehe Link unten).

Nach der bestürzenden Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zu "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung (siehe AKTUELL: Nummer 15/2017) wird es interessant sein, wie die Datenethikkommission sich zu solchen Fragen stellt.

Ärzteblatt.de (6.09.18): Politik: Experten sollen Regierung Vorschläge für ethischen Umgang mit Daten machen.

Bundesministerium des Inneren: Die Datenethikkommission der Bundesregierung

Bundesministerium des Inneren: Mitglieder der Datenethikkommission der Bundesregierung

September 2018


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AKTUELL: Nummer 9/2018

Elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten - Gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für den Datenschutz in der Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht einsetzen

In einer gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für den Datenschutz in der Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht einsetzen und über die Freie Ärzteschaft veröffentlicht wurde, wird der  "Spahnsinn“ - gemeint sind die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten kritisiert:

"Das ist Spahnsinn" – Datenschützer, Patienten und Ärzte kritisieren die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten

Seit wenigen Tagen liegt ein Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vor. Datenschützer und Patienten sind alarmiert: "Bundesgesundheitsminister Spahn will eine auf zentralen Servern liegende 'elektronische Patientenakte' mit Zugriff sowohl über die Gesundheitskarte und ihre Telematikinfrastruktur als auch über das Internet", erklärt Dr. Silke Lüder vom Bündnis "Stoppt die e-Card". "Das bedeutet eine gigantische Sammlung sensibler Daten auf einem zentralen Server – für Datendiebe ein extrem attraktives Ziel mit hohem finanziellen Wert. Patienten, deren Daten dort gespeichert werden, werden quasi enteignet", ergänzt Dr. Elke Steven, Geschäftsführerin von "Digitale Gesellschaft".

Außerdem bergen beide Zugriffswege Risiken: Der Zugang über die Gesundheitskarte erfordert ein zentrales Register aller vorhandenen elektronischen Akten in der Telematikinfrastruktur. So kann man leicht nachprüfen, welche Versicherten keine elektronischen Akten haben. Bei Versicherten mit elektronischer Akte kann man über dieses Zentralregister mindestens feststellen, wo ihre Akte zu finden ist.

Der nun zusätzlich vorgesehene Zugang per Smartphone oder Tablet über das Internet bedeutet offene Schnittstellen in der Telematikinfrastruktur, welche aus Sicherheitsgründen als geschlossenes Netz geplant war. Damit vervielfältigt sich die Gefahr unbefugter Zugriffe auf die elektronischen Patientenakten. Die übertragenen Daten auf den oft unzureichend gesicherten Mobilgeräten sind weiteren Gefahren ausgesetzt: Zugriffe durch Schadsoftware, Staatstrojaner und persönliche Assistenten (wie z. B. Cortana oder Siri) der Internetkonzerne.

Auch die Einwilligungsregelung soll sich ändern: Mit der Übertragung von Daten in die elektronische Akte durfte bislang erst begonnen werden, wenn der Betroffene gegenüber einem Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker eingewilligt hatte und die Einwilligung auf der Gesundheitskarte dokumentiert war. Dies setzte voraus, dass die Patienten auch tatsächlich in der Lage sein mussten, ihre Entscheidung bewusst und in Kenntnis der Risiken einer Offenlegung ihrer Daten zu treffen – was bei Kranken und Hilfsbedürftigen nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Nach dem Gesetzentwurf soll nicht einmal diese Möglichkeit mehr gegeben sein. Denn die Patienten sollen ihre Zustimmung auch pauschal auf anderen Wegen oder nur gegenüber der Krankenkasse erklären können. Dies macht es schwer nachvollziehbar, ob tatsächlich eine Einwilligung vorliegt oder ob sie eventuell sogar widerrufen wurde.

Außerdem soll eine "elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" (eAU) eingeführt werden. Das bedeutet, dass alle Angaben, die bisher vom Versicherten auf Papier an die Krankenkasse geschickt wurden, künftig unter Angabe der Diagnose über eine Telematikinfrastruktur geleitet werden sollen. Der Versicherte hat so keine Möglichkeit, sich gegen diese elektronische Übertragung sensibler Daten zu entscheiden.

"Die zentrale Speicherung mit Onlinezugang im Browser, ohne ausreichende Verschlüsselung vereint das Schlechte aus zwei Welten“, fasst Anwalt und IT-Fachmann Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins Patientenrechte und Datenschutz e. V., zusammen. „Die beabsichtigte Einwilligungsregelung und eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefährden die informationelle Selbstbestimmung des Versicherten. Wir bewerten diese Vorschläge als 'Spahnsinn'."

Unterstützende Organisationen:

September 2018


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AKTUELL: Nummer 8/2018

ePatientenakte (ePA)

Derzeit streiten sich die AOK mit der KBV um die Art der künftigen Datenspeicherung im Zusammenhang der ePatientenakte - und hier geht es nicht um eine Nebensächlichkeit: Bei dem von der AOK vorgeschlagenen Modell lägen die Behandlungsdaten auf Servern der KVen, ÄrztInnen, Ärzte-Netzen oder Krankenhäusern und würden bei einer autorisierten Abfrage von einem Suchalgorithmus abgeholt und zusammengeführt werden. Das Modell der KBV hingegen sieht vor, daß sich PatientInnen ihre Daten bei den behandelnden ÄrztInnen selbst abholen und sie in ihrer ePA sammeln. Im Bedarfsfall könnten sie dann den BehandlerInnen Zugang zu ihrer ePA gewähren.

Es dürfte unschwer zu erraten sein, wo ich hier stehe: Im Sinne der Datensicherheit und der Patientenautonomie kann der Weg nur der sein, den die KBV vorschlägt!

Derzeit sind drei Modelle im Gespräch:

AOK-Modell: Ähnliche Lösungen im Einsatz gibt es beispielsweise in Österreich und Estland

TK-Modell: TK Safe wurde gemeinsam mit IBM (unter Beteiligung von Generali und Signal Iduna) entwickelt. Die Daten sollen auf Servern in Deutschland liegen.

Vivy-Modell: Hier geht es um eine App, die Daten sollen zentral gespeichert werden.. Hauptgesellschafterin ist die Allianz. Beteiligt sind die DAK sowie 90 weitere Krankenkassen und private Versicherer.

Ärzte Zeitung online (30.08.2018): Bewegung im Zwist um die E-Akte. Die Tür bleibt offen: Trotz fundamentaler Unterschiede beim Aufbau der elektronischen Patientenakte sprechen KBV und AOK-Verband noch miteinander.

September 2018


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AKTUELL: Nummer 7/2018

Telematik-Infrastruktur: ePatientenakte (ePA) und Patientenfach

Derzeit bestimmt die Diskussion um die elektronische Patientenakte die gesundheitspolitische Diskussion. Die in diesem Zusammenhang eingetretene Begriffsverwirrung (elektronische Fallakte, Patientenakte, Gesundheitsakte oder elektronische Patientenfach) hat auch damit zu tun, daß sich unterschiedlichste Anbieter mit außerordentlich unterschiedlichen (wirtschaftlichen) Interessen auf dem Markt tummeln: Private und gesetzliche Krankenversicherungen (z. B. AXA; in Planung: AOK Nordost, TK, sowie DAK, Innungskrankenkassen und einige PKVen: Vivy) sowie Medienunternehmen (Apple, Google, Microsoft).

Das erste Projekt von Google Google Health scheiterte 2008. Den NutzerInnen sollte ursprünglich ermöglicht werden, Daten verschiedener Anbieter zentral an einem Ort zu sammeln. Da es zuwenig Nachfrage gab, wurde das Projekt  im Januar 2012 eingestellt. Inzwischen hat Google ein neues Angebot gestartet: Google Fit. Hier geht es nun allerdings nicht mehr um einen Zentralisierung (aller) Gesundheitsdaten. Apple will hingegen gezielt in den Medizinmarkt einsteigen, hat bereits eine Reihe von Komponenten gestartet und strebt eine Zusammenarbeit mit Epic Systems an. Das Privatunternehmen verwaltet etwa die Hälfte aller Patientendaten in den USA!

Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) soll sichergestellt werden, daß nur diejenigen Leistungen erhalten können, die auch tatsächlich gesetzlich versichert sind (online-Stammdatenabgleich durch niedergelassenen ÄrztInnen und Krankenhäuser). Auf der Gesundheitskarte können künftig Notfalldaten und ein Medikationsplan gespeichert werden. Weiter ist die Einführung der elektronischen Patientenakte und eines Patientenfachs geplant. Auf diese Weise sollen PatientInnenen besser über ihre Diagnosen und Therapien informiert sein.  Sie bekommen zudem erstmals die Möglichkeit, auch selbst Daten an ÄrztInnen zu übermitteln, denn über die digitale Infrastruktur sollen alle ÄrztInnen, ZahnärztInnen, Krankenhäuser, Apotheken und Versicherte angeschlossen sein. Derzeit plant der Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten (siehe Auch Beitrag AKTUELL: Nummer 5/2018). Weiter besteht eine Vorgabe von Gesundheitsminister Jens Spahn, daß Kassen ihren Versicherten bis Anfang 2021 eine Patientenakt zur Verfügung stellen müssen, die auch bei Kassenwechsel mitgenommen werden kann.

ePatientenakte:

Nach derzeitigem Stand sollen PatientInnen selbst darüber bestimmen soll, welche Daten gespeichert werden. Der Zugriff  auf die Daten soll nur durch das gleichzeitige Authentifizierung des elektronischen Arztausweises und der Versichertenkarte im Lesegerät erfolgen können. Der (noch nicht vorliegende) zweite Teil des E-Health-Gesetzes wird sich diesem Thema widmen.

Patientenfach:

"Zur Patientenautonomie gehört auch, dass der Patient das Recht hat, die medizinischen Daten seiner Gesundheitskarte einzusehen. Das können Patienten künftig nicht nur in der Arztpraxis, sondern auch in ihrem digitalen Patientenfach. Durch den Einblick in ihre Gesundheitsdaten haben Patienten die Möglichkeit, sich umfassend über ihre Diagnose und Therapie zu informieren und damit besser über ihre Gesundheit mitzuentscheiden. Zusätzlich können sie eigene Daten ins Patientenfach einpflegen, wie z. B. Blutzuckerwerte oder Patiententagebücher." (Zitat aus der Webseite des Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)

Gesundheitskarte:

"Der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten steht an erster Stelle. Die medizinischen Daten sind nicht einfach auslesbar, da sie verschlüsselt gespeichert werden. Nur mit der Gesundheitskarte, auf der der individuelle Schlüssel des Versicherten gespeichert ist, hat der Patient es selber in der Hand, die Daten wieder lesbar zu machen. Der Zugriff auf die Daten der Gesundheitskarte darf nur zum Zwecke der medizinischen Versorgung erfolgen. Zugriff hat nur ein enger, gesetzlich festgelegter Personenkreis. Hierzu gehören insbesondere Ärzte und Zahnärzte.

Um auf die medizinischen Daten der Gesundheitskarte zugreifen zu können, gilt das sogenannte Zwei-Schlüssel-Prinzip. Das bedeutet, dass sowohl der elektronische Heilberufsausweis des Arztes als auch die elektronische Gesundheitskarte des Versicherten notwendig sind. (Ausnahme: Der Patient greift außerhalb der Arztpraxis eigenständig auf das Patientenfach zu; hierfür sind besondere Verfahren vorgesehen.)

Der Versicherte stimmt dem Zugriff des Arztes zu, indem er seine Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät des Arztes steckt und seine PIN eingibt (Ausnahmen sind das Auslesen der Notfalldaten und – wenn der Patient dies wünscht – der Medikationsplan). Da außer dem Patienten selber niemand über den Schlüssel der Gesundheitskarte verfügt und es keinen "Generalschlüssel" gibt, können unberechtigte Dritte (Versicherungen, Behörden, Unternehmen) nicht auf die sensiblen medizinischen Daten des Versicherten zugreifen. Es ist immer klar, wer auf die Daten der Gesundheitskarte zugegriffen hat, weil die letzten 50 Zugriffe auf der Karte gespeichert werden." (Zitat aus der Webseite des Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)


Ein Argument, daß immer wieder zu hören ist: Digitale Vernetzung führt zu mehr Effizienz im Gesundheitswesen! Doch stimmt das? Klare verifizierende Belege für die Hypothese sind ebenso wenig zu haben, wie eine Falsifikation. Zu befürchten ist, daß die Flut der Daten (z. B. mit unterschiedlichen Diagnosen mit zudem unterschiedlichen Erhebungszeiten) keineswegs dazu führt, daß es zu einer Arbeitserleichterung der sich untereinander austauschenden Leistungserbringer (Vorbefunde und -behandlungen) kommt.

Den Einsatz von E-Health-Anwendungen mit der Steigerung der Versorgungsqualität gleichzusetzen ist auch angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern (insbesondere nordische und baltische Staaten) gewagt und weckt Erwartungen, die vermutlich nicht nur nicht befriedigt, sondern enttäuscht werden dürften.

dejure org: Gesetzestext E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Begriffe A-Z: E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Gesetzliche Rahmenbedingungen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des Aufbaus der Telematikinfrastruktur

AXA: ePortal per Web und Gesundheitsapp (25.06.18)

Apple: Gesundheitswesen

Google: Google Fit

Microsoft: HealthVault

Swisscom: Evita Patientendossier

Vivy: Elektronische Gesundheitsakte mit persönlicher Assistentin

August 2018


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AKTUELL: Nummer 6/2018

TI in Österreich: Ein Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen

Nach heftiger Kritik hat die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Nachbesserungen bei der Gesetzesnovelle angekündigt, die die Weitergabe von Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ermöglichen hätte. Sie sprach sich nun gegen die Weitergabe von ELGA-Daten für Forschungszwecke aus und kündigte einen entsprechenden Abänderungsantrag für das Gesetz an.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) reagierte mit Erleichterung und begrüßte die Bereitschaft des Österreichischen Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Ärzteschaft grundsätzliche Verbesserungen des e-Befundes der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA zu evaluieren. Denn dieses befinde sich nicht auf dem aktuellen technischen Stand, biete keinen guten Ein- und Überblick über die Krankengeschichte von PatientInnenen und erfordere einen hohen Zeiteinsatz der ÄrztInnen, die dann nicht zur  Behandlung zu Verfügung stehe.

Ärztenachrichtendienst (12.04.18): Telematik in Österreich. Zuständige Ministerin rudert zurück. Nach heftiger Kritik an einer Gesetzesnovelle, die die Weitergabe von Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ermöglichen würde, kündigt die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein jetzt Nachbesserungen an. (Der Zugang zum Ärztenachrichtendienst ist beschränkt!)

Juli 2018


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AKTUELL: Nummer 5/2018

Telematik-Infrastruktur

Bereits seit vielen Jahren berichte ich regelmäßig über die mit der Telematik zusammenhängende Fragen (E-Health-Gesetz, eGK etc.), nicht zuletzt auch die Telematik-Infrastruktur. Durch widersprüchliche Äußerungen des neuen Gesundheitsministers Jens Span (seit März 2018 im Amt) konnte man in den letzten Monaten den Eindruck haben, als solle das Projekt (TI und eGK) gestoppt oder zumindest ein Moratorium eingeleitet werden.

Inzwischen aber ist der Bundesgesundheitsminister auf die alte Linie eingeschwenkt und will das am 1.01 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz wie geplant umsetzen. Neben dem Stammdatenabgleich sind eine Reihe von Anwendungen geplant (Medikationsplan, Telemedizinische Anwendungen, elektronischer Arztbrief, Notfalldaten auf der eGK, elektronische Patientenakte und Patientenfach). Derzeit plant der Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten.

Die Installation der Telematik-Infrastruktur stockt, da bislang nur wenige Konnektor-Zertifizierungen vorliegen. Daher ist sehr fraglich, ob die Zeitpläne zur flächendeckenden Einführung eingehalten werden können.

Interessanterweise gibt es inzwischen einen Anbieter, der ein (allerdings mit 2.500 Euro nicht sonderlich kostengünstiges) Paket zur Selbstinstallation anbietet - unabhängig von der verwendeten Praxissoftware: www.koco-shop.de. Die Softwarehäuser (so z. B. Psyprax) weisen allerdings daraufhin, daß es Probleme mit der Schnittstelle zur Abrechnungssoftware geben kann und der Support bei fremden Angeboten nicht sichergestellt ist.

Zuletzt hat die KBV mit den Krankenkassen über eine Anpassung der Erstattungspauschalen verhandelt, damit auch ab dem dritten Quartal 2018 der Anschluß ohne Eigenbeteiligung (so die gesetzliche Regelung) sichergestellt ist (www.kbv.de: Praxisnachrichten 31.05.18).

Die teils sehr berechtigten Proteste vieler KollegInnen gegen die TI (z. B. überhöhte Kosten, veraltete Technik, mangelnde Datensicherheit, Gefahr der Speicherung hochsensibler Daten auf zentralen Servern) lassen zumeist völlig außer Acht, daß nahezu alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden KollegInnen, bereits heute über die online-Abrechnung deutlich mehr personenbezogene Daten auf die Server der KVB überspielen (quartalsweise werden Stammdaten, Abrechnungsziffern, ICD-Diagnosen übermittelt) als das mit der Telematik geplant ist (Stammdatenmanagement). Allerdings können mit den geplanten Anwendungen in Zukunft weitaus mehr Daten übermittelt werden - im Unterschied zum Standatenabgleich ist hier allerdings die Einwilligung der PatientInnen erforderlich.

Juli 2018


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AKTUELL: Nummer 4/2018

Hinweise und Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (Neuauflage 2018) und Datenschutz-Check 2018

Die Hinweise und Empfehlungen zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung sind aktualisiert worden (Stand 16.02.2018). Neu ist die  "Datenschutz-Check 2018: Was müssen Arztpraxen angesichts der neuen Vorschriften zum Datenschutz tun?" Beide Veröffentlichungen sind über die Webseiten der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) abrufbar und wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

Deutsches Ärzteblatt (9.03.2018: A 1ff): Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis  (Stand 16.02.18)

Deutsches Ärzteblatt (9.03.2018: A 453ff): Datenschutz-Check 2018

März 2018


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AKTUELL: Nummer 3/2018

Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO)

Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren tritt am 25.05.2018 die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Zudem wurde das Bundesdatenschutz geändert bzw. angepaßt.

Mit der Datenschutzverordnung werden Unternehmer (auch ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) aber auch Vereine verpflichtet, Datenverarbeitungsprozesse zu systematisieren. Stichworte:

Ein/e Datenschutzbeauftragte/r muß benannt werden, wenn mehr als ein/e MitarbeiterIn ständig personenbezogene Daten verarbeitet. Nach Ansicht des zuständigen Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht gilt das nicht für eine ärztliche Einzelpraxis, da weniger als 10 Personen im regelmäßigen Umgang mit personenbezogenen Daten umgehen (Muster 5: Arztpraxis).

Derzeit ist davon auszugehen, daß auch die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für Psychotherapie (Ausbildung zum PP und KJP, Weiterbildung in Ärztlicher Psychotherapie) eine/n Datenschutzbeauftragte/n benötigen. Eine von mir gestellte Anfrage wurde noch nicht beantwortet. Die Frist zur Benennung einer/s Datenschutzbeauftragten wurde vom Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht bis in den Herbst 2018 verlängert.

In Bayern bestehen zwei Behörden im Bereich des Datenschutzes:

Der Bayerische Datenschutzbeauftragte für den Datenschutz (derzeit: Prof. Dr. Thomas Petri) ist für den öffentlichen Bereich in Bayern zuständig (Behörden und staatliche Stellen, Körperschaften des öffentlichen Rechts etc.).

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (Thomas Kranig) ist für die Einhaltung des Datenschutzrechts im nicht-öffentlichen Bereich in Bayern, zuständig, also für private Wirtschaftsunternehmen, FreiberuflerInnen, Vereine, Verbände und im Bereich des Internets.

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat eine Hotline für Vereine und ehrenamtlich Tätige in Bayern eingerichtet:

Tel.: 0981/53-1810 (Servicezeit von Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 19:00 Uhr).

Anmerkung: Die beiden nachfolgenden Links stammen von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen - ich habe sie aufgrund der übersichtlichen Darstellung der Gesetze ausgewählt:

Text der Datenschutzgrundverordnung (Anbieter: Intersoft Consulting): www.dsgvo-gesetz.de

Text des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (Anbieter: Intersoft Consulting): www.dsgvo-gesetz.de/bdsg

April 2018


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AKTUELL: Nummer 2/2018

BKA-Gesetz: Staatstrojaner

Teil IX

Noch nie gab es in der Geschichte der Bundesrepublik einen größeren, umfassenderen, weitreichenderen, heimlicheren und gefährlicheren Grundrechtseingriff: Das Bundeskriminalamt hat damit begonnen, sogenannte Staatstrojaner auf privaten Computern, Laptops und Handys zu installieren. Damit können sämtliche Daten ausgeleitet, damit kann das gesamte Computer-Nutzungsverhalten eines Menschen in Gegenwart und Vergangenheit überwacht werden.

Vor dem Zugriff ist nichts und niemand sicher; auf verschlüsselte Informationen - wie bei Whatsapp - wird schon zugegriffen, bevor sie verschlüsselt werden. Möglich ist auch der Live-Zugriff, also der heimliche Blick über die Schulter des Betroffenen. Die Eingriffsintensität sprengt alles bisher im Rechtsstaat Bundesrepublik Dagewesene.

So schreibt Heribert Prantl im seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung (27./28.01.2018). Ich kann dem nur zustimmen. Zwar geht die größte Gefahr des Mißbrauchs von personenbezogenen Daten heute von jenen aus, die Daten abgreifen, welche die Betroffenen selbst mehr oder weniger wissentlich (in sozialen Medien, Rabattkarten, ebay, online-Einkäufe, google, beim online-Zeitunglesen etc.) oder  unwissentlich (z. B. Leserbriefe, die ohne entsprechende Hinweise online gestellt werden) ins Internet eingespeist haben.

Doch hier greift der Staat Daten ab und dies auf äußerst perfide Art. Zwar geschieht dies nur mit richterlicher Genehmigung (die allerdings wohl nur selten verweigert werden dürfte, schon weil RichterInnen kaum Zeit für eine sorgfältige Prüfung haben) und - darauf weist Prantl hin:

die Voraussetzungen sind vage und die Fähigkeiten der Trojaner entfalten sich außer Kontrolle der Richter; die Betroffenen erfahren vom Zugriff irgendwann in ferner. Zukunft, wenn keine "Zweckgefährdung" mehr zu befürchten ist. Der Staatstrojaner ist der lebende Beweis dafür, dass in Terrorzeiten das staatliche Sicherheitsbedürfnis strukturell unstillbar ist. Deshalb ist die furchtbarste Eigenschaft des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte auf.

Das wäre an sich ein Grund für eine Demonstration gegen dieses Gesetz - doch der Aufschrei bleibt aus. Wir haben uns daran gewöhnt, daß sich das aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Grundgesetz) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Zeiten des Terrors (den es immer gab, wenn auch in anderen Formen), des Sicherheitsdenkens bis hin zum -wahn und des Internets im Zustand des Siechtums befindet.

Es ist bezeichnend, wenn das BKA und PolitikerInnen statt von Staatstrojanern von der "Quellen-Telekommunikations-Überwachung" sprechen. Denn so wird versucht zu verdecken und zu verharmlosen worum es geht: Das Aushebeln von Grundrechten, die immer auch Abwehrrechte der Bürger gegen staatliche Eingriffe in ihre Freiheit und Rechte sind (status negativus). Völlig richtig also, wenn Prantl in seinem Kommentar "Staatstrojaner: Die digitale Inquisition hat begonnen" schreibt:

Wie schrieb das Verfassungsgericht einmal: Die freie und geschützte Kommunikation sei eine "elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen Staatswesens." Vorbei. Und das "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme", das die vom Bundesverfassungsgericht 2008 in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung proklamiert hat, ist nicht mehr viel wert.

Süddeutsche Zeitung (Druckausgabe v. 27./28.01.2018: 4): Heribert Prantl: des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte auf

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 26.01.18):  Heribert Prantl: Überwachung: Der Staatstrojaners frisst die Grundrechte auf

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 27.01.18) Heribert Prantl: Staatstrojaner: Die digitale Inquisition hat begonnen

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 26.01.18) Reiko Pinkert und Hakan Tanriverdi: Überwachung: Polizei spioniert Handynutzer mit Trojaner aus

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Januar 2018


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AKTUELL: Nummer 1/2018

Akten des Zulassungsausschusses: Kein Anspruch auf Datenlöschung (SG Düsseldorf, LSG Nordrhein-Westfalen 2017)

In einem Verfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) wurde die Berufung eines Arztes gegen das Urteil der Vorinstanz (Sozialgericht Düsseldorf, Beschluß vom 12.10.2016 Az.: S 33 KA 625/12) abgewiesen (Beschluß vom 28.06.17, Az.: L 11 KA 3/17), da diese nicht fristgerecht erhoben worden war (die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor).

Der Arzt war der Ansicht, die über ihn gespeicherten Daten (es ging insbesondere um Vorgänge im Zusammenhang eines mehr als 10 Jahre zurückliegenden Zulassungsentzug) dürften vom Zulassungsausschuß nicht weitergegeben werden. Die Akten enthielten unter anderem Informationen aus mehreren Strafverfahren sowie aus Verfahren über die Anordnung des Ruhens der Approbation und Entscheidungen des Zulassungs- und des Berufungsausschusses. Darunter befanden sich auch Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der Kläger habe mehrfach bzw. kontinuierlich seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt.

Der Arzt hatte sich zuletzt bei verschiedenen KVen vergeblich um die Zulassung als Vertragsarzt beworben. Aus seiner Sicht handelte es sich bei der Weiterleitung der nicht mehr aktuellen Sachverhalte um üble Nachrede oder eine falsche Verdächtigung; Akten über Sachverhalte, die mehr als zehn Jahre zurück lägen, dürften innerhalb der vertragsärztlichen Institutionen nicht weiter gegeben werden. Auch für ÄrztInnen dürfe die Aktenführung und Weitergabe von Akten nicht über die in anderen Lebensbereichen üblichen Bestimmungen hinausgehen.

Der Beschluß des LSG faßt das Urteil der Vorinstanz zusammen (Zitat aus dem Beschluß vom 28.06.17):

Mit Urteil vom 12.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auf eine isolierte Leistungsklage umgestellte Klage sei unzulässig. Die Entscheidung über die Löschung von Daten stelle einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, weshalb nicht die allgemeine Leistungsklage statthaft, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erheben sei. Hierfür fehle es an einem abgeschlossenen Verwaltungs- und Vorverfahren als notwendiger Prozessvoraussetzung. Ob die ursprünglich formulierte Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, könne dahin gestellt bleiben, weil der Kläger trotz entsprechender Hinweise auf den in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag bestanden habe. Jedenfalls sei die allgemeine Leistungsklage unbegründet, da das Begehren des Klägers einer rechtlichen Grundlage entbehre. Weder die für die Aktenführung des Beklagten in erster Linie maßgebliche Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) noch das SGB X oder das Datenschutzgesetz NRW enthielten Regelungen, die nach Ablauf bestimmter Fristen einen Anspruch auf Löschung von Daten vorsähen. Die Begründung von Mindestaufbewahrungsfristen in § 43 Ärzte-ZV sei nicht gleichzusetzen mit einer Verpflichtung zur Löschung von Daten bzw. Vernichtung von Akten nach Fristablauf. Auch § 84 SGB X sowie § 19 Datenschutzgesetz NRW enthielten keine Regelung, nach der Daten oder Aktenbestandteile nach Ablauf konkreter Fristen auf Antrag zu löschen wären. Aus den beiden Vorschriften ergebe sich allein, dass die speichernde Stelle Daten dann zu löschen habe, wenn sie die Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötige. Zulassungsgremien müssten jederzeit in der Lage sein, das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen, namentlich der Geeignetheit des Vertragsarztes, zu überprüfen. Dabei seien sie auf die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanten Umstände angewiesen. Ein Rechtssatz, dass einzelne Informationen nach Ablauf bestimmter Fristen für diese Beurteilung keine Relevanz mehr hätten, existiere nicht. Ob und welche rechtlich vertretbaren Schlüsse aus länger zurück liegenden Sachverhalten gezogen werden könnten, sei vielmehr in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und daher Gegenstand des jeweiligen, die Zulassung betreffenden Verfahrens. Auch § 58a Heilberufsgesetz NRW begründe den geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht. Die Regelung beziehe sich allein auf die Verfahren zur Ahndung berufsrechtswidrigen Verhaltens von Angehörigen der Kammern für Heilberufe. Die spezialgesetzliche Regelung beanspruche keine Allgemeingültigkeit und könne nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden. Entsprechendes gelte auch für die weiteren vom Kläger herangezogenen Vorschriften.

Er beantragte wie schon in der Vorinstanz vor dem den Zulassungsausschuß zu verpflichten, Daten aus berufsrechtlich relevanten Verfahren, die nicht unmittelbar mit der Ausübung des ärztlichen Berufs in Zusammenhang stehen, in Fällen ohne Gerichtsverhandlung nach vier Jahren und in Fällen mit Gerichtsverhandlung nach zehn Jahren zu löschen.

Das LSG NRW wies die Klage wegen Fristversäumnis ab, der Beschluß des SG Düsseldorf ist damit rechtskräftig.

Anmerkung: Üblicherweise müßen personenbezogene Daten dann gelöscht werden, wenn der Zweck zu dem sie erhoben und verarbeitet wurden, erfüllt bzw. entfallen ist (vgl. Landesdatenschutzgesetze und § 20 Abs. 2 Ziff. 2 Bundesdatenschutzgesetz, § 84 SGB X). Zwar ist richtig, daß es hier keine Fristen gibt und im konkreten Fall ein Interesse der Zulassungsauschüsse bestehen kann, daß für die Zulassung relevante Daten über lange Zeit gespeichert und auch (an andere Zulassungsausschüsse) weitergegeben werden können. Tatsächlich stellt sich aber auch die Frage, ob das 'Recht auf Vergessen' nicht auch hier eine wichtige (und auch verfassungsrechtliche) Bedeutung hat.

Beschluß Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 28.06.17, Az.: L 11 KA 3/17

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet (§ 20 BDSD- Bundesdatenschutzgesetz)

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet (§ 84 SGB X-Sozialgesetzbuch Teil X)

Januar 2018


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2018


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AKTUELL: Nummer 16/2017

Datentransparenzverordnung wird überarbeitet

Mit der seit September 2012 bestehende Datentransparenzverordnung (DaTraV) wurde das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beauftragt (auch die Gesetzliche Krankenkassen hatten sich darum beworben). Das DIMDI hat nach  § 2 die Aufgabe der Datenaufbereitung und Vertrauensstelle (zuständig für die weitere Pseudonymisierung der bereits anonymisierten Daten, damit keine Rückschlüsse auf Versicherte sind) übernommen, räumlich, organisatorisch und personell jeweils eigenständig, d. h. getrennt durchgeführt werden müssen.

Hintergrund der Verordnung ist die Regelung in § 303a ff SGB V (Wahrnehmung der Aufgaben der Datentransparenz); sie wurde im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes 2012 eingeführt und löste die seit 2004 (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) geltende Regelung ab (Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz: Spitzenverbände der Krankenkassen, später GKV-Spitzenverband und KBV).

Die Überarbeitung der Verordnung wird damit begründet, daß die vom Bundesversicherungsamt an das DIMDI gelieferten Daten zu wenig aktuell sind, das Datenangebot soll zudem für die Öffentlichkeit transparenter werden und auch in den Räumen des DIMDI einsehbar sein. Es gibt allerdings grundsätzliche Kritik am Verfahren, das bislang - und möglicherweise auch weiterhin - nicht in der Lage ist/sein wird interessenneutrales Versorgungswissen zu generieren.

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet - Verordnung zur Umsetzung der Vorschriften über die Datentransparenz

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet - §§ 303a ff SGB V

DIMDI: Informationssystem Versorgungsdaten (Datentransparenz)

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 15/2017

Big Data und der Ethikrat - eine subtile Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung?
Stellungnahme des Deutschen Ethikrats "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" vom 30.11.17

In einer ausführlichen Stellungnahme "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" vom 30.11.17 schlägt der Deutsche Ethikrat eine weitreichende Reform im Umgang mit Gesundheitsdaten vor. Es geht dabei um eine neues,  anspruchsvolles und innovationsoffenes Regelungs- und Gestaltungskonzept, das sich vom geltenden Datenschutzrecht deutlich, man könnte auch sagen diametral, unterscheidet:

Wo sich tradierte Instrumente – wie die bislang gängige strikte Orientierung an Datensparsamkeit und enger Zweckbindung – als dysfunktional erweisen, müssen deshalb andere Möglichkeiten, individuelle Freiheit und Privatheit zu wahren und eine gerechte und solidarische Gesellschaft zu gestalten, in den Vordergrund treten. (173)

Der Ethikrat sieht die von ihm als Leitkonzept vertretene Datensouveränität als Möglichkeit, "Chancen, die Big Data im Gesundheitsbereich eröffnet, zu nutzen und zugleich den Risiken neuer Formen asymmetrischer Macht und dadurch bedingten Verlusten an individueller Selbstbestimmung sowie möglicher Benachteiligung und Diskriminierung wirksam entgegenzutreten" - durch hinreichender und geeigneter Schutzmechanismen und Gestaltungsstrategien (173). Fatalerweise nimmt er dafür sogar in Kauf, daß Eigentumsrechte der Betroffenen an ihren personenbezogenen Daten eingeschränkt werden! (siehe Abschnitt  "B1.3 Rechtsprobleme eines vermeintlichen Eigentums an Daten klären": 177f).

Noch drastischer wird es, wenn sich der Ethikrat in seinen Empfehlungen (S. 173 ff) unter der Überschrift "B. Individuelle Freiheit und Privatheit sichern" einleitend schreibt:

Die Bereitschaft, personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen, ist als Teil der informationellen Freiheitsgestaltung der Datengeber zu verstehen. Deshalb müssen sie dazu befähigt werden, souverän mit diesen Daten umzugehen und ihre Privatsphäre zu gestalten. Zudem müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um entsprechend angemessene Handlungsspielräume zu garantieren. (177)

Hier wird nicht mehr von Menschen, von BürgerInnen eines Rechtsstaates gesprochen, sondern von "Datengebern" (ein Begriff mit Potential für das "Unwort des Jahres"). Und diese 'Objekte' müssen befähigt werden, mit ihren Daten und ihrer Privatsphäre umzugehen - von einem Staat, der die Daten der Datengeber zu gesundheits-, forschungs- und versorgungspolitischen Zwecken benötigt und verwendet.

Der Absatz erinnert an eine den gesundheits- und forschungspolitischen Interessen angepaßte Fassung von Orwells 1984. Aus meiner Sicht ist die Haltung, die hier zum Ausdruck kommt, eines Gremiums, das sich als "Deutscher Ethikrat" bezeichnet, nicht würdig.

In einem Sondervotum hat Dr. med. Christiane Fischer (als eines von 26 Mitgliedern des Ethikrates) die Stellungnahme kritisiert. Sie schreibt einleitend:

Analog zur medizinischen Ethik, die den Nutzen für das Individuum in den Mittelpunkt stellt und nach dem Grundsatz nihil nocere die Schadensabwehr in jedem einzelnen Fall zur obersten Maxime macht, gilt es auch im Umgang mit den Chancen und Risiken großer Datenmengen, die unveräußerlichen Rechte des Individuums und seine Selbstbestimmung als Maßstab für gesellschaftlichen Fortschritt zu nehmen. Diese Rechte stehen nicht im Widerspruch zum Gemeinwohl, sie sind vielmehr für einen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat konstitutiv. Die Bedürfnisse der (Gesundheits-)Wirtschaft nach immer umfassenderem Einblick in die Lebensäußerungen der Menschen sind dies nicht. (...)

Big Data erweist sich erst dann als nutzbringend für die Gesundheitsvorsorge und die Medizin, wenn der oder die Einzelne als EigentümerIn seiner/ihrer personenbezogenen Daten zu jedem Zeitpunkt entscheiden kann, wem er oder sie diese in welchem Umfang auch im Falle der Sekundärnutzung offenlegen will. (186)

Aus ihrer Sicht bedarf es einer Bestätigung und Ausweitung der Prinzipien der Datensparsamkeit und Zweckbindung, da diese einen Ausbau des Persönlichkeitsschutzes und des Datenschutzes und somit die Implementierung einer bestmöglichen Datensouveränität gewährleisten:

Diese muss einen höheren Stellenwert auch gegenüber Forschungsinteressen behalten.

Sie spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Datenschutz-Folgenabschätzung sowie eine Datensouveränität aus, die im Gegensatz zur Empfehlung des Ethikrats (Abschnitt B1.3) "auch das Eigentum an personenbezogenen Daten und somit eine absolute Ausschlussmacht gegenüber Dritten bedeutet". Die Datensouveränität ist ein so hohes Gut, daß diese auch strafrechtlich abzusichern ist.

Nur so kann die der informierten Einwilligung zugrunde liegende Selbstbestimmung gewährleistet werden.

Im Hinblick auf die "technische Realisierung der Auswertung von Datenmassen" gehe es um eine rechtlich Be- bzw. Einschränkung, damit  "Anwendungen möglich sind, jedoch personenbezogener Missbrauch verhindert wird". Notwendig seien analog dem Gendiagnostikgesetz  "dezidierte Verbote von diskriminierenden Verwendungen personenbezogener Daten (...). Die Speicherung und Analyse personenbezogener Daten sollte daher nur im eng definierten Rahmen erlaubt sein. Missbräuchliche Datenzugriffe auch bei Sekundärnutzung müssen strafrechtlich sanktioniert werden" (wirksame Abschreckung durch die finanziell effektive Ahndung von Verstößen).

Erfreulicherweise äußert Frau Fischer auch Kritik an der bestehenden Rechtslage im Bereich den Umganges mit Gesundheitsdaten:

Festzustellen ist weiterhin, dass es in diesem Bereich weniger ein Regeldefizit als ein massives Vollzugsdefizit gibt. (187)

Wer sich wie ich seit mehr als 30 Jahren mit Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht im psychosozialen Bereich und im Gesundheitswesen beschäftigt weiß, daß nicht nur administrative, sondern den Kernbereich der Persönlichkeit berührende Daten - oft auch ohne jedes Unrechtsbewußtsein - unbefugt an Dritte übermittelt werden! Besonders erschreckend dabei ist, daß dies auch bei Angehörigen von Berufsgruppen der Fall ist, bei denen Vertraulichkeit eine, wenn nicht die zentrale Voraussetzung für ihre berufliche Tätigkeit darstellt: ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen.

Abschließend formuliert die Autorin in ihrem Sondervotum Bedingungen, die aus ihrer Sicht entscheidend dafür sind, ob Big Data im Gesundheitsbereich eher Chancen oder vermehrt Risiken bietet (187ff):

Ich stimme dem Sondervotum und dem Fazit zu, das Frau Fischer zieht:

Sollte ein umfassender Datenschutz, die Umsetzung effektiver Anonymisierungs- und Pseudoanonymisierungsstandards und das Recht auf Vergessen nicht gewährleistet werden können, wäre ein Verzicht auf die Nutzung von Big Data zu Forschungszwecken oder anderen Anwendungen die notwendige Folge. (189)

Anmerkung: Was ich über die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates hinaus erschreckend finde ist, daß es kaum Kritik an ihr gibt! Das ist kein gutes Zeichen, denn es deutet darauf hin, daß sich unsere Gesellschaft (und auch andere Gesellschaften weltweit) in einem weitreichenden Wandel befindet, der eine Erosion grundgesetzlich geschützter Werte - insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und speziell das daraus abgeleitete Recht der informationellen Selbstbestimmung - beinhaltet.

Deutscher Ethikrat: Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung. Stellungnahme 30. November 2017

Deutscher Ethikrat (www.ethikrat.org): Publikationen, Veranstaltungen Presse zum Thema Big Data

Ärzte Zeitung online v. 30.11.2017: Ethikrat - Datenschutz-Konzept für Big Data. Statt der informationellen Selbstbestimmung schlägt der Rat das forschungsfreundliche Konzept der "Datensouveränität" vor. Von Florian Staeck

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 14/2017

Änderung des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen: Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

(Teil II)

Im Beitrag 5/2017 habe ich bereits über das Thema ausführlich berichtet. Die Rechtsvorschrift wurde nun geändert und ist mit Wirkung zum 9.11.17 in Kraft getreten.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte" zu diesem Thema Stellung genommen:

Schutz von Patientendaten bei Mitwirkung von Dritten

Verpflichten Sie alle Personen zur Geheimhaltung, die an Ihrer Berufsausübung im weitesten Sinne mitwirken. Tun Sie das nicht, setzen Sie sich dem Risiko aus, sich strafbar zu machen (§ 203 Strafgesetzbuch „Verletzung von Privatgeheimnissen“). Dies hat der Gesetzgeber im "Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen" neu geregelt.

Bisher gab es Unklarheiten, wie es zu bewerten ist, wenn ein Psychotherapeut beispielsweise einen EDV-Dienstleister nutzt, der über Administratorrechte auch Zugriff auf Patientenakten hat. Eigene Angestellte des Psychotherapeuten durften bisher Zugriff auf Patientendaten haben, ohne dass dies zur Strafbarkeit des Psychotherapeuten führte. Nicht ausdrücklich geregelt war jedoch, wie sich das bei externen Dienstleistern darstellt.

Psychotherapeuten dürfen jetzt ausdrücklich "fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist". Wenn also ein EDV-Dienstleister Administratorrechte haben muss, um die EDV zu betreuen, dann macht sich der Psychotherapeut nicht strafbar, wenn er dem EDV-Dienstleister diese einräumt. Allerdings muss er dann den EDV-Dienstleister verpflichten, alle Daten geheim zu halten, die er im Rahmen des Auftrags erhält. Erfolgt dies nicht, so macht sich der Psychotherapeut strafbar, wenn der EDV-Dienstleister die Daten weitergibt.

(Broschüre Praxis-Info Patientenrechte 1. Auflage, Stand: November 2017: 19)

Bundesgesetzblatt (BGBL) 2017 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 8. November 2017: Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (vom 30. Oktober 2017)

Bundesministerium der Justiz und für den Verbraucherschutz: Gesetzgebungsverfahren 30. Oktober 2017: Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Bayerische Landesärztekammer (BLÄK): Neue Regelungen zur Schweigepflicht bei Einbindung externer Personen

Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Praxis-Info Patientenrechte (1. Auflage, Stand: November 2017)

ArchivTeil I

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 13/2017

Neue Praxis-Info "Patientenrechte" der Bundespsychotherapeutenkammer

Ich zitiere nachfolgend aus der Mitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer v. 1. Dezember 2017: Neue Praxis-Info "Patientenrechte" (www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/neue-praxis-4.html):

BPtK gibt Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag

Die Bundespsychotherapeutenkammer informiert in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte" über die zentralen rechtlichen Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Patientenrechtegesetz ergeben.

Die Broschüre enthält dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Psychotherapeuten. Die behandelten Themen reichen vom Abschluss des Behandlungsvertrages über die Aufklärung und Information des Patienten sowie die Dokumentation in einer Patientenakte und deren Einsichtnahme bis hin zur Aufbewahrung nach Abschluss der Behandlung. Auf die Frage der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger Patienten wird ebenso eingegangen wie auf die neuesten Änderungen im Strafgesetzbuch zur Schweigepflicht bei der Mitwirkung von Dritten.

In der übersichtlichen Broschüre werden PsychotherapeutInnen über die wesentlichen Aspekte der Partientenrechte informiert. Aus dem Inhalt:

Behandlungsvertrag, (Behandlung und Honorar, grundsätzlich nicht schriftlich, Behandlungskosten, Privatversicherte, IGeL-Leistungen und Selbstzahler)

Information und Aufklärung des Patienten (Informationspflichten, Ausnahmen von der Informationspflicht, Kriseninterventionen, Patient verzichtet, Behandlungsfehler, Beweisverwertungsverbot)

Einwilligung

Aufklärung (wesentliche Umstände, Alternativen zur Behandlung, mündlich, rechtzeitig, nicht zwingend durch den Behandelnden, Ausnahmen)

Einwilligungsunfähige Patienten (Einwilligungsfähigkeit bei Minderjährigen, Unterschied zwischen einwilligungs- und geschäftsfähig, Zustimmung beider Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht, Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil)

Dokumentation (unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang, Inhalt der Dokumentation)

Einsichtnahme (gesamte Patientenakte, erhebliche therapeutische Gründe, Stempel von Kliniken auf Arztbriefen,  "Geheimnisse" von Jugendlichen und Eltern, keine Einschränkung zum Schutz des Psychotherapeuten, Kopien der Patientenakte, Einsichtnahme nach Tod des Patienten)

Haftung und Schadensersatz

Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Praxis-Info Patientenrechte (1. Auflage, Stand: November 2017)

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 12/2017

Die (verfassungsrechtlichen) Grenzen des Rechts auf Einsicht in die Behandlungsdokumentation (§ 630g BGB)

Teil III (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Im November 2015 beschloß der 74. Bayerische Ärztetag den Entschließungsantrag des Vorstands zur Änderung der Berufsordnung (BO) für die bayerischen ÄrztInnen. Demnach sollte § 10 Absatz 2 Satz 1 BO künftig lauten:

Der Arzt hat dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe odererhebliche Rechte des Arztes oder Dritter entgegenstehen.

Die Rechtsaufsicht (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) hatte bereits im Vorfeld Bedenken gegen diese Änderung erhoben und regte eine Modifizierung an, um die Versagung der Genehmigung (gemäß § 20 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz) zu vermeiden. Das Ministerium schlug die folgende Formulierung vor:

Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn und soweit diese Einblicke in seine Persönlichkeit geben und sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Ungeachtet dessen wurde die ursprüngliche Fassung vom Ärztetag verabschiedet und die Genehmigung von der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) bei der Rechtsaufsicht beantragt. Diese versagte mit Bescheid vom 12.11.15 die Genehmigung.

Im Dezember 2015 klagte die BLÄK vor dem Verwaltungsgericht München (BayVG) gegen den Bescheid.

Das BayVG urteilte im September 2016, daß

Das Gericht stellt in seiner Begründung auf den Gesetzestext des § 630g BGB und die zugehörige Gesetzesbegründung ab, nach der auch persönliche Eindrücke des Behandelnden grundsätzlich offen zulegen sind und ein begründetes Interesse an einer Einsichtsverweigerung im Regelfall nicht besteht. Auch die herangezogene  Kommentarliteratur zu § 630g BGB gehe nach Ansicht des Gerichts davon aus, daß persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der ÄrztInnen von PatientInnen (da Ausnahmen vom Gesetz insoweit nicht vorgesehen sind) "angesichts des starken Schutzbedürfnisses von dessen grundrechtlich geschützten Informationsinteresse offenzulegen" sind. "Der Arzt soll sich ausnahmsweise im Einzelfall auf [den] Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrecht berufen können."  (MedR 2017, 35: 583).

Interessant ist, daß das Gericht dem Argument der BLÄK, wortgleiche Regelungen seien in anderen Bundesländern rechtsaufsichtlich genehmigt worden bzw. würden geduldet, keine Bedeutung beimißt: der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte hier nicht und "entscheidend sind alleine Vorgaben des BGB" (ebd.).

Auf dem 76. Ärztetag (November 2017) wurde nunmehr eine Neufassung der Änderung der Berufsordnung (mit Wirkung zum 1.1.2018) beschlossen:

Der Arzt hat dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation unverzüglich Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Damit übernimmt nähert sich die BLÄK der Formulierung der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Bayern (und der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer) in § 11 Abs 2, Satz 2 und 3 an:

Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Anmerkung: Ganz im Sinne von Shakespeare: Viel Lärm um Nichts! (Protagonist; ein verbitterter, eifersüchtiger Don Juan). Das Geld der ÄrztInnen für das Verfahren hätte man sich sparen können - auch und vor allem angesichts der Tatsache, daß sich bereits viele Juristen und Psychotherapeutenkammern mit der Angelegenheit ausführlich beschäftigt haben!

Das VG München stellt in seinem Beschluß auf die Berufsgruppe der ÄrztInnen ab (Anlaß war ja ein Beschluß des Bayerischen Ärztetages). Die Entscheidung bezieht sich aber auf alle Berufsgruppen, die durch den zivilrechtlich geregelten Behandlungsvertrag (§§ 630a-f BGB) erfaßt werden, insbesondere auch Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und HeilpraktikerInnen (oder HP beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie).

Speziell für PsychotherapeutInnen, die ein Verfahren anwenden, daß auf der Psychoanalyse (bzw. Tiefenpsychologie) beruht, in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind das die tiefenpsychologisch fundierte  sowie die analytische Psychotherapie, spielt die Rechtsauffassung des Gerichts (und in der Kommentarliteratur) eine wichtige Rolle: Geht es bei einer Aufzeichnung um höchstpersönliche Daten der BehandlerInnen (z. B. Gegenübertragungseinfälle, welche die Gefühle der/s Behandlerin/s betreffen oder eigene biographische Erlebnisse betreffen; Gegenübertragungsträume), wird eine Verweigerung der Einsichtnahme in diesen Teil der Aufzeichnung erwogen werden können.

Allerdings ist zu bedenken, daß es hier um das Berufsrecht ging und keineswegs sicher ist, daß sich Zivilgerichte bei entsprechenden Verfahren (Klage auf Schadensersatz/Schmerzensgeld) der Ansicht des VG München anschließen würden - was aus meiner Sicht sehr wünschenswert wäre! In diesem Sinne äußert sich auch J. Rautschka-Rücker (ehemaliger Justitiar der hessischen Kammer) in seinen Anmerkungen zu dem Urteil in der Zeitschrift Medizinrecht (35: 583f).

Bayerisches Verwaltungsgericht München: Urteil vom 27.09.2016 - M 16 K 15.5630; In: Medizinrecht-MedR (2017) 35: 581-584

online (bayern.recht - Bayerische Staatskanzlei): www.gesetze-bayern.de

Presseinformation der Bayerischen Landesärztekammer v. 23.10.2017: Einsichtnahme in die Patientenakte

Berufsordnung der PTK Bayerin (i. d. Fassung v. 18.12.2014)

Archiv: Teil II & Teil I

November 2017


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AKTUELL: Nummer 11/2017

Die Ausstattung von Praxen, Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Apotheken mit TI-Konnektoren und eHealth-Kartenterminals steht kurz bevor

Trotz erheblicher Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz, die Datensicherheit (zentrale Server) und die (immensen) Kosten steht die Ausstattung von Praxen, Krankenhäusern, Kliniken, Rehabilitationszentren und Apotheken mit neuer Hardware (sogenannten TI-Konnektoren und stationäre Kartenterminals (eHealth-Kartenterminals) unmittelbar bevor. In einem ersten Schritt müßen mit der neuen Technologie die Gesundheitskarten der Versicherten online verifiziert werden (Versichertenstammdatenabgleich). Der Gesetzgeber hat mit dem eHealth-Gesetz die Anbindung der Praxen und anderen Einrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI) der gematik vorgeschrieben.

In einem Beitrag in der Zeitschrift Ossietzky hat sich Prof. Dr. Rudolph Bauer (ehemals Uni Bremen) kritisch mit den dem Projekt und insbesondere auch mit den wirtschaftlichen Verflechtungen beschäftigt: "Pleiten, Pech und Pannen – plus Profite" (der Autor und der Verlag haben mir freundlicherweise erlaubt, den Beitrag hier als pdf-Dokument zur Verfügung zu stellen.

Bauer, R. (2017 ): Pleiten, Pech und Pannen – plus Profite. Ossietzky – Zweiwochenzeitschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, Heft 14/2017

KBV: Die Anbindung Ihrer Praxis an die Telematikinfrastruktur (Stand: 23.05.17)

Gematik: Dokumente zum Datenschutz und zur Datensicherheit (Übergreifendes Sicherheitskonzept der Telematikinfrastruktur Verwendung kryptografischer Algorithmen in der Telematikinfrastruktur)

September 2017


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AKTUELL: Nummer 10/2017

Für Kopien der Patientenakte können Kosten auch vorab in Rechnung gestellt werden (OLG Saarland)

Neben der Einsichtnahme in die Patientenakte können PatientInnen auch Kopien des (vollständigen) Inhalts verlangen. Sie haben dann die entsprechenden Kosten (keine Arbeitszeit, sondern Kopierkosten sowie Portokosten) zu tragen (vgl. § 630g BGB).

Das Oberlandesgericht des Saarlandes hat mit Urteil vom 16.12.16 (AZ 1U 57/16) nicht nur bekräftigt, daß die Kosten zu erstatten sind, sondern, daß auch - mit Verweis auf § 811 BGB - eine Vorleistungspflicht desjenigen besteht, der die Kopien verlangt hat (in der Regel also die/der PatientIn). Im aktuellen Fall ging es um den nach einer stationären Behandlung einige Monate später verstorbenen Ehemann und die Frage der Geltendmachung etwaiger Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruche durch die Ehefrau; die Klinik stellte Kopierkosten in Höhe von 549,17 € in Rechnung. Die Höhe der Kosten war nicht Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung.

Urteil des Oberlandesgericht des Saarlandes v. 16.12.16 (AZ 1U 57/16)

September 2017


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AKTUELL: Nummer 9/2017

Die Vorratsdatenspeicherung ist ausgesetzt! Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17 (Az. 13 B 238/17)

Auf dem Hintergrund eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen hat die für die für die technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen zuständig Bundesnetzagentur die ab Juli geltende Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung für Internetprovider und Telefonanbieter – bis zum Urteil im Hauptverfahren – ausgesetzt.

Das OVG NRW hat am 27.06.17 entschieden, daß ein Internet-Zugangsanbieter (der Internetprovider SpaceNet aus München) von der Pflicht zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung befreit ist, weil das Gesetz zur Vorratsspeicherung aus Sicht der Richter  "unterschiedslos ohne jede personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung nahezu sämtliche Nutzer" treffe. Damit greife es unverhältnismäßig tief in europäische Grundrechte ein.

Angesichts der "bereits feststehenden objektiv-rechtlichen Unrechtswidrigkeit der Speicherpflicht" besteht daher "schon im Ausgangspunkt keine legitimen öffentlichen Interessen an einem vorläufigen Vollzug" des Gesetzes.

Zusammenfassung (des Gerichts):

Die im Dezember 2015 gesetzlich eingeführte und ab dem 1. Juli 2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die bei der Nutzung von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw. – im Fall von Standortdaten – 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar. (Az. 13 B 238/17)

Urteil Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17:  Az. 13 B 238/17

AK Vorratsdatenspeicherung: www.vorratsdatenspeicherung.de

Juli 2017


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AKTUELL: Nummer 8/2017

Auseinandersetzung um den digitalen Nachlaß einer 15-jährigen bei Facebook: Die Eltern haben keinen Anspruch auf Zugriff (Urteil des KG Berlin v. 31.05. 2017, Az. 21 U 9/16)

Nach dem Tod ihrer 15-jährigen Tochter wollten die Eltern Einblick in deren Facebook-Konto nehmen. Die junge Frau starb auf ungeklärte Weise auf den Gleisen der U-Bahn und die Eltern erhofften sich in den Nachrichten und Posts auf Facebook Hinweise auf die Umstände ihres Todes. Hinzu kam, daß der betroffene U-Bahn-Fahrer Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls gegen die Eltern geltend gemacht hatte. Die Eltern verfügten zwar über die Zugangsdaten, konnten jedoch auf das in den "Gedenkzustand" gesetzte Konto nicht zugreifen und Facebook verweigerte den Zugriff.

Ende 2015 hatte das Landgericht Berlin zunächst zugunsten der Eltern (hier Mutter) entschieden und Facebook dazu verpflichtet, den Eltern als Erben der verstorbenen Tochter und Facebook-Nutzerin Zugang zu deren Benutzerkonto (einschließlich dessen Inhalte) zu gewähren.

Die Richter waren der Ansicht, der Vertrag mit Facebook sei, wie hinterlassene Briefe und Tagebücher, Teil des Erbes. Das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Kindes stehe dem nicht entgegen, denn als Sorgeberechtigte hätten die Eltern das Recht zu wissen, worüber ihr minderjähriges Kind im Internet kommuniziere - zu Lebzeiten und nach seinem Tod.

Bei einer weiteren Klage von dem KG Berlin scheiterte eine Einigung der Streitparteien. Facebook befürchtete, daß durch die Offenlegung von Nachrichten Dritte betroffen wäre, die mit 15-Jährigen in der Annahme gechattet haben, in der Annahme dass die Inhalte vertraulich bleiben würden. Umgekehrt verweigerten sich die Eltern dem Vorschlag der Richter, die Chatverläufe mit geschwärzten Namen an die Eltern herauszugeben. Sie fürchteten aber, dass Facebook nicht nur Namen unkenntlich machen könnte, sondern darüber hinaus auch wichtige Textpassagen - die nach Ansicht von facebook Rückschlüsse auf die jeweiligen KommunikationspartnerInnen zulassen könnten.

Letztinstanzlich hat nun das Kammergericht (KG) Berlin für Facebook entschieden und die Klage abgewiesen. Aus der Sicht des Kammergerichts steht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde zugelassen.

Anmerkung: Beide Entscheidungen sind partiell überaus problematisch. Nach Ansicht des LG Berlin überwiegt das Sorgerecht das Persönlichkeitsrecht der 15-Jahrigen. Da in der Regel (Ausnahmen sind durchaus denkbar, wurde hier aber nicht erörtert) Kinder in diesem Alter in der Lage sind selbständig über ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht zu entscheiden (entscheidend ist die Einsichtsfähigkeit) muß für Facebook gelten, was auch für die Einsicht in etwaige Behandlungsunterlagen (ärztliche, psychotherapeutische Behandlungen) gilt. Ein Zugriff nach dem Tod ist in der Regel nicht zulässig, es sei denn, es ginge um vermögensrechtliche Ansprüche der Erben (z. B. Behandlungsfehler). Das könnte in diesem Fall allerdings gegeben sein (siehe Anspüche des U-Bahnfahrers gegen die Eltern als Erben).

Das KG Berlin verweigert den Zugriff - im Grundsatz richtig - aber eben mit der Einschränkung, daß geprüft hätte werden müssen, ob etwaige vermögensrechtliche Ansprüche der Erben ein - wie auch immer geartetes - Einsichtsrecht begründen.

Urteil des Kammergerichts Berlin v. 31.05. 2017:  Az. 21 U 9/16

Urteil des LG Berlin vom 17.12.15: Az. 20 O 172/15

Juni 2017


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AKTUELL: Nummer 7/2017

Rechtsanwalt Thomas Wiedemann: Die Patientenakte und ihr sicherer Umgang

Unter dieser etwas verwirrenden Überschrift informiert der Rechtsanwalt für Medizinrecht der PVS holding, Thomas Wiedemann, kurz und für Laien verständlich über das Einsichtrecht in die Behandlungsdokumentation.

Kritisch anzumerken ist, daß es bei der Frage, ob Eltern Einsicht in die Behandlungsunterlagen ihrer Kindern nehmen können, nicht auf deren Geschäfts(un)fähigkeit ankommt, sondern auf ihre Einsichtsfähigkeit. Kinder können in aller Regel ab dem 14. Lebensjahr selbständig entscheiden, ob Dritte (auch die sorgeberechtigten Eltern!) Einsicht nehmen können, da die entsprechende Einsicht ab diesem Alter vorliegt (die Schweigepflichtigen müssen sich allerdings im Einzelfall davon überzeugen, daß kein Ausnahmefall vorliegt).

Anmerkung: Die PVS holding ist ein privater Dienstleister zur Abrechnung ärztlicher/psychotherapeutischer Leistungen.

Zeitschrift PVS Einblick. Das Magazin der PVS holding (Seite 18f): Thomas Wiedemann: Die Patientenakte und ihr sicherer Umgang; www.ihre-pvs.de/fileadmin/epaper/pvs_einblick_17-02/#18

Juni 2017


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AKTUELL: Nummer 6/2017

Änderung des § 294a Sozialgesetzbuch, Buch V (SGB V): Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

Am 16.2.2017 hat der Bundestag die Mitteilungspflicht von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen (die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig werden) gegenüber den Krankenkassen (§ 294a SGB V) in Fällen gesundheitlicher Folgen von Misshandlung und sexueller Gewalt bei Erwachsenen (sexuelle Übergriffe, Nötigungen, Vergewaltigungen)  eingeschränkt und von der ausdrücklichen Einwilligung der (volljährigen) Betroffenen abhängig gemacht. Die Änderung ist am 11.4.2017 in Kraft getreten (siehe Satz 2):

Satz 1:

Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.

Satz 2:

Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung, einer Vergewaltigung oder einer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sein können, besteht keine Mitteilungspflicht nach Satz 1.

Satz 3:

Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung einer oder eines volljährigen Versicherten sein können, besteht die Mitteilungspflicht nach Satz 1 nur dann, wenn die oder der Versicherte in die Mitteilung ausdrücklich eingewilligt hat.

Bei Kindern und Jugendlichen bestand (Gesundheitsschäden infolge von Mißhandlung, sexueller Gewalt oder Vernachlässigung) bestand schon bisher keine Meldepflicht.

Gesetzestext: § 294a SGB V

Mai 2017


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AKTUELL: Nummer 5/2017

Geplante Änderung des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen: Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

(Teil I)

Von der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat der Bundestag hat am 27. April 2017 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen in erster Lesung beraten. Die Vorlage wurde im Anschluß  in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung übermittelt und soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.

Hintergrund der Änderung ist der zunehmend notwendige Einsatz von Hilfskräften (etwa NotarInnen, SteuerberaterInnen, WirtschaftsprüferInnen) und auch der Einsatz von IT-ExpertInnen bei BerufsgeheimnisträgerInnen. Zum Betrieb, zur Einrichtung, Wartung und Anpassung entsprechender informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und Systeme sind die Berufsgehilfen (z. B. Praxispersonal) in aller Regel nicht in der Lage, so daß die Dienste von Dritten, die nicht der Schweigepflicht unterliegen, in Anspruch genommen werden müßen.

Daher soll ein neuer Absatz 3 in § 203 StGB eingefügt werden:

Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.

Damit würde das Offenbaren von (geschützten) Geheimnissen gegenüber Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Personen erforderlich ist  - auch ohne Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen - keine Straftat darstellen. Dafür ist im Gegenzug vorgesehen, die Mitwirkenden in die Strafvorschrift mit einzubeziehen. Sie würden bei einem Verstoß gegen § 203 StGB eine Straftatbegehen. Weiter werden strafbewehrte Sorgfaltspflichten der BerufsgeheimnisträgerInnen bei der Einbeziehung und Kontrolle Dritter eingeführt.

Zur Begründung des Gesetzentwurfes heißt es aus dem Bundesjustizministerium:

§ 203 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt den Schutz von Geheimnissen vor unbefugter Offenbarung sicher, die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen (zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden. Insbesondere die Digitalisierung hat es in den letzten Jahrzehnten möglich und erforderlich gemacht, in weiterem Umfang als bisher anfallende Unterstützungstätigkeiten nicht durch eigenes Personal erledigen zu lassen, sondern durch darauf spezialisierte Unternehmen oder selbständig tätige Personen. Hierzu gehören beispielsweise auch die Einrichtung, der Betrieb, die Wartung und die Anpassung informationstechnischer Anlagen. Die Heranziehung dritter, außerhalb der eigenen Sphäre stehender Personen zu diesen unterstützenden Tätigkeiten ist für Berufsgeheimnisträger aber nicht ohne rechtliches Risiko, sofern diese Personen damit von geschützten Geheimnissen Kenntnis erlangen können. Der Entwurf sieht daher eine Einschränkung der Strafbarkeit nach § 203 StGB vor. Ausdrücklich nicht der Strafbarkeit unterfallen soll zukünftig das Offenbaren von geschützten Geheimnissen gegenüber Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken, soweit dies für die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Personen erforderlich ist. Im Gegenzug sollen diese mitwirkendenden Personen in die Strafbarkeit nach § 203 StGB einbezogen werden. Darüber hinaus werden für Berufsgeheimnisträger strafbewehrte Sorgfaltspflichten normiert, die bei der Einbeziehung dritter Personen in die Berufsausübung zu beachten sind.

Begleitend soll mit dem Entwurf für die Berufsgeheimnisträger im Bereich der rechtsberatenden Berufe normiert werden, unter welchen Voraussetzungen sie Dienstleistungen auslagern dürfen, bei deren Erbringung der Dienstleister Kenntnis von Daten erhält, die der Verschwiegenheit unterliegen. Hierbei soll auch festgelegt werden, welche Pflichten dabei im Hinblick auf die Wahrung der Verschwiegenheit zu beachten sind. Hierzu sollen die Bundesrechtsanwaltsordnung, die Bundesnotarordnung und die Patentanwaltsordnung angepasst werden. (siehe Link: Bundesjustizministerium 15.Februar 2017)

Anmerkung: Grundsätzlich ist die Initiative der Bundesregierung zu begrüßen, beseitigt sie doch einen Zustand, der in der Vergangenheit und Gegenwart viele PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen zu StraftäterInnen macht bzw. gemacht hat: Erfolgt eine Zugang eines Softwarehauses zum Praxiscomputer (vor Ort oder über Fernwartung, was heute bereits Standard ist) stellt dieses - soweit nicht von allen betroffenen PatientInnen eine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt - eine unbefugte Offenbarung und mithin eine Straftat vor.

Noch unklar und diskussionswürdig sind allerdings die strafbewehrten Sorgfaltspflichten, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Denn: Es geht hier um außerordentlich sensible Informationen, die nur punktuell und wenn dies nicht anders zu bewerkstelligen ist Dritten zugänglich gemacht werden dürfen. Dabei muß u. a. sichergestellt sein, daß die Daten nicht einem größeren Personenkreis bekant werden, nicht gespeichert oder in nicht angemessener Weise verarbeitet werden.

Meine Begeisterung hält sehr dennoch in Grenzen (frei nach Queen Elizabeth II: 'I'm not amused'). Der Gesetzgeber neigt dazu, Offenbarungsbefugnisse und -pflichten zunehmend detaillierter zu regeln und weicht damit die Schweigepflicht immer weiter auf. Es wird zunehmend unübersichtlich, wer was von jenen Geheimnissen erfahren kann, darf oder muß, die ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in einem geschützten Raum von PatientInnen anvertraut wurden. Hinzu kommt, daß die Betroffenen durch die fehlende ausdrückliche Einwilligung auch nicht mehr genau wissen, wer davon erfährt und was genau diese Personen über sie erfahren.

Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11936 (12.04.17): Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Deutscher Bundestag, Dokumente (Abruf 26.05.17): Strafbares Offenbaren geschützter Geheimnisse bestimmter Berufsgruppen

Mai 2017


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AKTUELL: Nummer 4/2017

Änderung des BKA-Gesetzes

Teil VIII

Ebenfalls am 27. April 2017 hat der Bundestag das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163) mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Mit dem Gesetz wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) und die EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (April 2016) umgesetzt und zugleich auch die Einführung der elektronischen Fußfessel für sogenannte Gefährder geregelt. Das Gesetz muß noch den Bundesrat passieren, die mehrheitliche Zustimmung der Länder wird erwartet.

Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände (bisher nur Strafverteidiger) sind von staatlichen Überwachungsmaßahmen im Rahmen des BKA-Gesetzes absolut ausgenommen. Trotz umfangreicher Bemühungen auf allen Ebenen (Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, ärztliche und psychotherapeutische Berufs- und Fachverbände) ist es nicht gelungen,  PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen als BerufsgeheimnisträgerInnen in den Kreis einzubeziehen. Auch ich selbst habe (vergeblich) in einem Berufsverband an den Bemühungen hinter den Kulissen mitgewirkt.

In der Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer heißt es dazu wörtlich:

Der Bundestag hat am 27. April 2017 das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163) beschlossen. Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände sind von staatlichen Überwachungsmaßahmen absolut ausgenommen. Der gleiche Schutz bleibt Psychotherapeuten und Ärzten jedoch weiterhin versagt.

"Grundlage einer erfolgversprechenden Psychotherapie ist ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut" kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), das Bundeskriminalamtgesetz. "Alle Patienten brauchen die Möglichkeit, sich jederzeit und insbesondere in Krisensituationen, an einen Psychotherapeuten zu wenden. Sie müssen sich der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche sicher sein können. Das Gesetz untergräbt die therapeutisch wesentliche Zusicherung der Psychotherapeuten an ihre Patienten, nach der kein Wort aus den Gesprächen nach außen dringt".

Die BPtK kann nicht nachvollziehen, weshalb zwar Gespräche mit Rechtsanwälten oder Geistlichen vor staatlichem Abhören absolut geschützt sind, nicht jedoch Gespräche mit Psychotherapeuten oder Ärzten. Alle diese Berufsgruppen sind als Zeugnisverweigerungsberechtigte nach § 53 StPO geschützt. Dieser Schutzgedanke hätte auch im Bundeskriminalamtgesetz nachvollzogen werden müssen. Die BPtK hatte sich bei den Gesetzesberatungen für den absoluten Schutz der Psychotherapeuten eingesetzt. 

Diesen Ausführungen ist uneingeschränkt zuzustimmen!

Anmerkung: Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und eine Pressemeldung sowie eine ausführliche Stellungnahme, an der ich persönlich mitgearbeitet habe (beides siehe unten). Letztere wurde verschiedenen PolitikerInnen übergeben um die (geringe) Chance einer dahingehenden Änderung zu nutzen.

Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer vom 23.02.2017 (Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Ausschussdrucksache 18(4)781)

Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer v. 28.04.2017: Bundestag verabschiedet Reform des Bundeskriminalamtgesetzes. Berufsgeheimnisträger bleiben unzureichend geschützt.

Bericht aus dem Deutschen Bundestag (27.04.17): Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes verabschiedet (unter 2./3. Lesung)

Stellungnahme DGPT (2/2017): Der Psychotherapeut als verfassungsrechtlich zu schützender Berufsgeheimnisträge

Pressemitteilung DGPT (1.03.17): Presseinformation: Das Berufsgeheimnis von Ärzten und Psychotherapeuten muss absolut geschützt werden. Die Novelle des BKA Gesetzes erfüllt diese notwendige Voraussetzung für die Arbeit der Ärzte und Psychotherapeuten nach wie vor nicht!

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII

April 2017


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AKTUELL: Nummer 3/2017

Weitere Eilanträge in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" blieben erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Pressemitteilung (Nr. 28/2017 vom 13. April 2017) mitgeteilt, daß weitere Eilanträge zur "Vorratsdatenspeicherung" erfolglos geblieben sind (Beschlüsse vom 26.03.17 - 1 BvR 3156/15, 1 BvR 141/16).

Die Antragsteller haben sich mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erneut gegen das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 gewandt. Sie wollten insbesondere mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 (Rs. C-203/15 und C-698/15) erreichen, dass die durch dieses Gesetz eingeführte Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit außer Kraft gesetzt wird. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellen sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bewertung der angegriffenen Regelungen Fragen, die nicht zur Klärung im Eilrechtschutzverfahren geeignet sind.

Pressemitteilung BverfG Nr. 28/2017 vom 13. April 2017: Weitere Eilanträge in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" erfolglos

Beschluß BverfG : 1 BvR 3156/15 (26.03.17)

Beschluß BverfG : 1 BvR 141/16 (26.03.17)

April 2017


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AKTUELL: Nummer 2/2017

3. Opferschutzreformgesetz: Psychosoziale Prozeßbegleitung

Bereits 2015 ist das 3. Opferschutzreformgesetz in Kraft getreten. Einzelne Teile traten erst zu Beginn diesen Jahres in Kraft - so das im Gesetz neu geschaffene Rechtsinstitut der psychosozialen Prozessbegleitung (§ 406g StPO) eingeführt, die bei bestimmten Straftaten auf Antrag des Verletzten eingerichtet wird (Beiordnung). Kosten entstehen nicht und der/m psychosozialen ProzessbegleiterIn ist es gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein.

Liegt beispielsweise eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff) vor, besteht ein Antragsrecht des Opfers - jedoch nur, soweit es zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann (§ 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 StPO).

Bei versuchtem Mord oder Totschlag (und anderen Straftaten) ist eine Beiordnung auf Antrag vorgesehen, soweit die besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert (§ 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 1-3 StPO).

Doch nun kommt das entscheidende Problem: Zwar werden die Rechte der Opfer (nicht nur an dieser Stelle) gestärkt, aber die/der psychosoziale ProzessbegleiterIn verfügt nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das bedeutet: Auch wenn der Verletzte selbst das nicht möchte, müßte die/der psychosoziale ProzessbegleiterIn im Verfahren ggf. als Zeuge aussagen.

Die Durchführung psychosoziale Prozessbegleitung wurde im "Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG)" geregelt, es ist Teil des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21. Dezember 2015.

(1) Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden.

(2) Psychosoziale Prozessbegleitung ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung. Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.

Schon die notwendige Qualifikation der ProzeßbegleiterInnen (Hochschulausbildung/Berufsausbildung Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie mit anschließender anerkannter Aus- oder Weiterbildung zur/m psychosozialen ProzessbegleiterIn) zeigt, daß Unklarheiten vorprogrammiert sind, sind doch gerade diese Berufsgruppen (mit Ausnahme der PädagogInnen) strafrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 203 StGB). Allerdings verfügen sie (mit ganz wenigen Ausnahmen bei bestimmten Tätigkeiten) nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO.

RA Henriette Lyndian schreibt dazu:

Er [der Prozeßbegleiter/J.T.] hat zwar in der Ausübung seiner Begleitung eine Verpflichtung zur Vertraulichkeit, dieses gilt aber nicht in Bezug auf das Strafverfahren. Dieses ist sehr wichtig, um eine Transparenz der Begleitung zu schaffen, die es gegebenenfalls dem Gericht und den anderen Prozessbeteiligten, insbesondere dem Angeklagten und seinen Verteidigern, ermöglicht, zu überprüfen, ob eine Einflussnahme, sei sie bewusst oder unbewusst, auf den Zeugen stattgefunden hat.

Man muß sich fragen, ob einen solche theoretische juristische Konstruktion tatsächlich den Umständen gerecht wird, in welchen sich die Betroffenen, es handelt sich zum Opfer schwerer Straftaten, befinden. 

Zwar kann eine Aussage der/des psychosozialen Prozessbegleiterin/s durchaus von Vorteil für das Opfer sein. Aber es kann nicht selbst darüber entscheiden, ob es zur Aussage kommt oder nicht - und genau dieses Selbstbestimmungsrecht ist Hintergrund und Sinn des Zeugnisverweigerungsrechts aus beruflichen Gründen.

Insgesamt kommt mir das Modell gut gemeint aber wenig durchdacht vor – es ist für Opfer viel zu nahe an der Justiz. Auch bleibt unklar, warum die Stellung der bestehenden ehrenamtlichen Organisationen im Bereich der Opferberatung nicht (weiter) gestärkt wird. Das wäre – auch auf dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips – deutlich sinnvoller gewesen.

Gesetze im Internet (Bundesjustizministerium), Abruf: 5.03.17, 20:26 : § 406g StPO

Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG): Artikel 4 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 55, ausgegeben zu Bonn am 30. Dezember 2015, Seite 2529-2530

Beitrag der RA Henriette Lyndian (Dortmund) v. (auf der Seite der Rechtsanwaltskammer Hamm): Die Psychosoziale Prozessbegleitung

März 2017


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AKTUELL: Nummer 1/2017

Änderung der Datenübermittlung an die Medizinischen Dienste der gesetzlichen Krankenkassen

Bislang wurden ärztliche/psychotherapeutische Unterlagen von den LeistungserbringerInnen in einem separaten Umschlag mit der Aufschrift "Nur vom Medizinischen Dienst zu öffnen" an die zuständige Krankenkasse geschickt. Von dort sollte der ungeöffnete  Umschlag an den MDK weiterleitet werden. Aufgrund der Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten (bei Kontrollen waren erhebliche Verstöße der Krankenkassen gegen den Datenschutz ans Tageslicht gekommen) wurde die maßgebliche Regelung in § 276 Abs. 2 SGB V geändert.

Nunmehr werden die Unterlagen für gutachterliche Stellungnahmen einschließlich eines eigens entwickelten Weiterleitungsbogen der Krankenkassen von den VertragsärzInnen und -psychotherapeutInnen direkt an den MDK gesandt. Dazu schreibt die KBV (Praxisnachrichten 22.12.16):

Vorgangsnummer und Patientendaten

Für die Übermittlung der Befunde erhalten Vertragsärzte ab Januar von der Krankenkasse des Versicherten neben dem Schreiben, aus dem der Grund für die Begutachtung hervorgeht, einen bereits vollständig ausgefüllten Weiterleitungsbogen (Muster 86). Dieser enthält unter anderen die Anschrift des MDK, eine Vorgangsnummer und die Daten des Patienten.

Kassen stellen Freiumschlag bereit

Vertragsärzte fügen dem Weiterleitungsbogen lediglich die angeforderten Unterlagen in Kopie bei und schicken diese direkt an den MDK – nicht mehr wie bisher in einem separaten Umschlag an die Krankenkasse. Für den Versand stellen die Krankenkasse den Ärzten weiterhin einen Freiumschlag zur Verfügung – ab 1. April 2017 verbindlich im Format C5. Das Problem, dass die Umschläge mitunter zu klein sind, ist damit behoben.

Versand nur mit Weiterleitungsbogen

Der Weiterleitungsbogen dient sowohl der korrekten Adressierung an den zuständige Medizinischen Dienst als auch der automatisierten Zuordnung der übermittelten Unterlagen zum Versicherten beim MDK, sodass die eingehenden Befunde und ärztlichen Unterlagen korrekt zugeordnet werden können. Ein Versand der Unterlagen an den MDK ohne Vorlage dieser Informationen ist vor allem mit Blick auf den Datenschutz nicht zulässig.

Liegen beim Arzt weitere für die Beurteilung durch den MDK relevante Informationen oder Besonderheiten vor, können diese formlos den Unterlagen für den Gutachter beigefügt werden.

Den genannten Vordruck finden Sie bei untenstehendem Link (wenn sie die Vordrucksammlung geöffnet haben, ist das Muster 86 auf der letzten von 103 Seiten).

KVB Praxisnachrichten (22.12.16): Übermittlung von Befunden an MDK ab 2017 neu geregelt

Hier kommen Sie direkt zur Vordruckmustersammlung mit Weiterleitungsbogen (Muster 86);  Stand:

Januar 2017


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2017


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AKTUELL: Nummer 15/2016

Psychotherapeutenjournal 4/2016: Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten

Martin Klett (KJP und Vizepräsident der PTK Baden-Württemberg) & S. Tessmer (Ass. jur., Leiterin der Rechtsabteilung der PTK Baden-Württemberg) haben im aktuellen Psychotherapeutenjournal (4/2016: 380-386) in der Rubrik Recht: aktuell einen sehr lesenswerten Beitrag zur Frage einer möglichen (und politisch wiederholt geforderten) Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten veröffentlicht.

Zusammenfassung [Zitat]:

Die jüngste politische Diskussion um eine Lockerung der Schweigepflicht stößt bei Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Ärzten auf massiven Widerstand, löst aber auch Verunsicherung bei Patienten und bei den Angehörigen des Berufsstandes über die Rechtslage aus. Dieser Artikel wird nach einer Einleitung die bestehenden standesrechtlichen und gesetzlichen Regelungen zur Schweigepflicht darstellen sowie im Folgenden die wichtigsten Möglichkeiten der Durchbrechung der Schweigepflicht aufzeigen. Es werden die aktuellen politischen Forderungen nach einer Lockerung der Schweigepflicht aufgegriffen und dargestellt, welche Folgen ihre Realisierung haben könnte. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Änderung der bestehenden Rechtslage nicht erforderlich ist und der politischen Zielsetzung einer Verhinderung von Straftaten sogar zuwiderlaufen würde.

Ich habe bereits mehr mehrfach auf den von den AutorInnen dargelegten Umstand hingewiesen (eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist nicht erforderlich ist und könnte der politischen Zielsetzung einer Verhinderung von Straftaten sogar zuwiderlaufen):

Beitrag AKTUELL: Nummer 8/2015: Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche) Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15) Teil I

Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT): Aktuelles/Mitteilungen, August 2016: Stellungnahme zur Schweigepflicht von Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten (im Wesentlichen zusammengestellt von J. Thorwart); www.dgpt.de

Psychotherapeutenjournal (4/2016: 380-386): Recht aktuell. Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten (Martin Klett und Stephanie Tessmer)

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 14/2016

Vorratsdatenspeicherung: Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hält die voraussetzungslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit Unionsrecht vereinbar - die vorbeugende und gezielte Vorratsspeicherung von Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten ist jedoch zulässig (Urteil vom 21.12.2016, - C-203/15 und C-698/15 - )

Teil XIX

Bereits 2014 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt., weil der Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten durch die mit dieser Richtlinie vorgeschriebene allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nach seiner Überzeugung nicht auf das absolut Notwendige beschränkt war.

In zwei weiteren Verfahren befaßte sich der EuGH nun mit der Frage der Zulässigkeit einer den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste in Schweden und im Vereinigten Königreich auferlegten allgemeine Verpflichtung, Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge auf Vorrat zu speichern - diese war noch in der für ungültig erklärten Richtlinie vorgesehen.

Aus der Pressemitteilung 145/16 (Luxemburg, 21.12.16):

Das Unionsrecht untersagt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, vorbeugend eine gezielte Vorratsspeicherung dieser Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen, sofern eine solche Speicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Der Zugang der nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten muss von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, zu denen insbesondere eine vorherige Kontrolle durch eine unabhängige Stelle und die Vorratsspeicherung der Daten im Gebiet der Union gehören.

Zu den weiteren Ausführungen (Pressemeldung)

Der Gerichtshof weist außerdem auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass sich die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken. Der Gerichtshof wendet diese Rechtsprechung sowohl auf die Regeln über die Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Regeln über den Zugang zu den gespeicherten Daten an.

In Bezug auf die Vorratsspeicherung stellt der Gerichtshof fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden können.

Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, ist somit als besonders schwerwiegend anzusehen. Der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten vorgenommen wird, ohne dass die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste darüber informiert werden, ist geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist. Deshalb vermag allein die Bekämpfung schwerer Straftaten einen solchen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

(...)

Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Datenschutzrichtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermöglicht, sofern diese Vorratsspeicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Speicherungsdauer auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Dem Gerichtshof zufolge muss jede nationale Regelung, die derartiges vorsieht, klar und präzise sein und hinreichende Garantien enthalten, um die Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Die betreffende Regelung muss angeben, unter welchen Umständen und Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsspeicherung von Daten vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass der Umfang dieser Maßnahme in der Praxis tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Eine solche Regelung muss insbesondere auf objektive Anknüpfungspunkte gestützt sein, die es ermöglichen diejenigen Personen zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen Zusammenhang mit schweren Straftaten aufzuweisen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern.

Anmerkung: So positiv das Urteil in seinem Tenor ist - die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten eröffnet eine (weitere) Tür, die den - vermeintlichen - Sicherheitsinteressen des Staates (der BürgerInnen?) dient und dafür Eingriffe in Grundrechte hinnimmt. Das Problem ist dabei nicht der Einzelfall, sondern die Erosion des Vertrauens der BürgerInnen in staatliches Handeln, das sich ja auch den Einblicken (sogar der das für vorgesehenen Institutionen, wie dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags bzw. der Länderparlamente) entzieht.

Gerichtshof der Europäischen Union: Pressemitteilung Nr. 145/16 (Luxemburg, den 21. Dezember 2016): Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-203/15, Tele2 Sverige AB / Post- och telestyrelsen, und C-698/15, Secretary of State for the Home Department / Tom Watson u. a.

Gerichtshof der Europäischen Union: Liste der Urteilstexte (Volltext)

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI -+ Teil XVII + Teil XVIII

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 13/2016

Gesetzliche Unfallversicherung: Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat eine Änderung im Sozialgesetzbuch VI (Gesetzliche Unfallversicherung) initiiert: Auf der Webseite stellt die BPtK dazu fest:

23. November 2016

Patientendaten in der gesetzlichen Unfallversicherung

Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten

Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die an der Heilbehandlung eines Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung beteiligt sind, brauchen zukünftig keine schriftliche Einverständniserklärung mehr, um der Unfallversicherung Auskünfte über die Behandlung zu erteilen. Dazu gehören personenbezogene Daten über die Heilbehandlung, soweit sie für die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und die Abrechnung erforderlich sind.

Diese Verfahrenserleichterung gilt mit dem Inkrafttreten des 6. SGB IV-Änderungsgesetzes am 17. November 2016 (BT-Drs. 18/8487). Damit ist eine wichtige Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den anderen Heilberufen vollzogen. Bisher waren die Psychotherapeuten nicht ausdrücklich in § 201 SGB VII genannt.

Die Psychotherapeuten sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über den Zweck der Erhebung dieser Daten und über die Pflicht zur Auskunft nach § 201 SGB VII zu informieren sowie darüber aufzuklären, dass der Patient vom Unfallversicherungsträger die Unterrichtung über die übermittelten Daten verlangen kann.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte in einem Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Änderung in § 201 Absatz 1 SGB VII zur Gleichstellung der Psychotherapeuten notwendig ist.

Links: Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. SGB IV-Änderungsgesetz - BT-Drs. 18/8487

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 12/2016

Beschränkung des Einsichtsrechts in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen; Urteil Landgericht München I v. 13.09.2016

Teil II

Wie im Beitrag Aktuell: Nummer 12/2015 berichtet, kam es vor dem Amtsgericht München zu einer ungewöhnlichen Klage eines Psychotherapiepatienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen.

Ein Patient, der bei einer Psychotherapeutin einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der Beendigung der Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der betroffenen Kollegin) - die Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot (nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns; www.ptk-bayern.de). Die Psychotherapeutin widersetzte sich nicht dem Einsichtsbegehren, wohl aber einer Einsichtnahme in ihrer Praxis bzw. in ihrer Anwesenheit, sondern übergab die Unterlagen der Staatsanwaltschaft, nachdem sich die zuständige Psychotherapeutenkammer geweigert hatte, die Unterlagen aufzubewahren und ggf. Einsicht zu gewähren.

Das Amtsgericht München hatte die Klage am 1.04.2015 zurückgewiesen: In seiner Entscheidung bezog sich das AG München nicht auf die Berufsordnung, sondern argumentierte, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht -  zuzumuten gewesen, dort "Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen".

Gegen das Urteil legte der Patient Berufung ein, die nun mit Endurteil vom 13.09.16 vom Landgericht München 1 (AZ13 S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dabei führt das Berufungsgericht u. a. aus:

In der Klageerwiderung vor dem Amtsgericht München hat die Beklagte [die Psychotherapeutin] der Akteneinsicht entgegenstehende therapeutischen Gründe in ausreichender Weise (s. hierzu BGH Urteil vom 06.12.1988, VI. ZR 76/88) dargelegt. Diese Gründe sind nach Art und Richtung näher zu kennzeichnen, ohne dabei ins Detail gehen zu müssen. (Seite 5)

Den Vortrag der Klagepartei [ehemaliger Patient] zur Berufung hielt das Gericht für weder ausreichend noch widerspruchsfrei. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Damit hat sich das Gericht den Ausführungen inhaltlich der Vorinstanz angeschlossen. Tatsächlich wurde dem Patienten das Einsichtsrecht keineswegs grundsätzlich versagt, sondern in Art und Umständen der Einsicht (hier bei der Staatsanwaltschaft, da die Psychotherapeutenkammer nicht zur Verfügung stand). Das war hier nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, den die Kollegin wurde Opfer eines auch objektiv festgestellten Stalkings.

Anmerkung: Der Rekurs des LG München I auf die Rechtsprechung des BGH scheint deshalb auch wenig hilfreich. Weder wurde das Einsichtsrecht völlig bestritten, noch steht die frühere Rechtsprechung des BGH in Einklang mit der Zielrichtung des Patientenrechtegesetzes (wobei nicht feststand, ob das Gesetz aus zeitlichen Gründen hätte Anwendung finden können), das - wie im Namen erkennbar - die Rechte der PatientInnen stärken soll und die früher wenig patientenfreundliche Entscheidungspraxis des BGH zum Einsichtsrecht konterkariert. Ein vollständiger und zeitlich unbefristeter Ausschluß der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen - wie er früher unter Berufung auf den sogenannten "therapeutischen Vorbehalt" bei psychiatrischen PatientInnen üblich war (teils auch bei PatientInnen, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befanden) - sollte mit Inkrafttreten des § 630g (26.02.2013) obsolet sein!

Urteil Landgericht München 1 (AZ13 S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) v. 13.09.16

Archiv: Teil I

November 2016


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AKTUELL: Nummer 11/2016

Die EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) ist verabschiedet (April 2016)

(Teil V)

Wie schon im Beitrag 6/2016 berichtet, wurde seit Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gearbeitet, die die bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Das Europäische Parlament hat sie bereits am 14. April 2016 mit großer Mehrheit verabschiedet.

Die wichtigsten Änderungen nach Information des Europäischen Parlaments):

Weiter enthält das Datenschutzpaket eine Richtlinie über die Datenübertragungen zu polizeilichen und gerichtlichen Zwecken (Datenübertragungen innerhalb der EU mit Mindeststandards für die Datenverarbeitung) zum Schutz des Einzelnen (Opfer, Kriminelle oder Zeugen). Festgelegt werden klare Rechte und Einschränkungen in Bezug auf Datenübertragungen zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung auch hinsichtlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Ausnahmen haben Dänemark und Großbritannien im Bereich Justiz und Inneres ausgehandelt (eingeschränkte Geltung), Dänemark wurde auch ein Entscheidungsraum von 6 Monaten zugebilligt um zu entscheiden, ob es die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird.

Europäisches Parlament (www.europarl.europa.eu), 14.04.16: Parlament verabschiedet EU-Datenschutzreform – EU fit fürs digitale Zeitalter

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

September 2016


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AKTUELL: Nummer 10/2016

Sozialarbeit & Zeugnisverweigerungsrecht

In der Mitgliederzeitschrift des Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) hat der emeritierte Prof. Dr. Titus Simon  (Hochschule Magdeburg-Stendal) einen sehr lesenswerten Beitrag zum Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgruppe der SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen veröffentlicht:

Sozialarbeit benötigt unverändert ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. 50 Jahre bislang vergebliches Bemühen um eine bessere Rechtsstellung.

Neben den geltenden Rechtsnormen gibt der Beitrag einen Überblick über die Bemühungen die Schweigepflicht (§ 203 StGB) zu stärken, den Vertrauensschutz in der Jugendhilfe (§ 65 bzw. 67 ff SGB VIII) zu wahren und das (strafrechtliche) Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)durch eine Änderung der Strafprozeßordnung zu etablieren - durch die Hereinnahme der Sozialarbeit generell oder bestimmte Gruppen (SozialarbeiterInnen in Fanprojekten) in die dort genannten BerufsgeheimnisträgerInnen.

Anmerkung: Ich kann mich diesen Ausführungen nur anschließen!

FORUM Sozial 2/2016 (37-40): Sozialarbeit & Zeugnisverweigerungsrecht als pdf-Datei (mit freundlicher Zustimmung des Autors und des Verlags)

September 2016


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AKTUELL: Nummer 9/2016

Donald Trump und die Goldwater-rule der American Psychiatric Association (APA)

Anmerkung: Obwohl es hier nicht unmittelbar um Schweigepflicht und Datenschutz geht scheint mir das Thema insofern berührt, als mit den Informationen die wir (und natürlich insbesondere Personen des öffentlichen Lebens - und das kann ja heute, wenigstens für kurze Zeit, jeder sein) in der Öffentlichkeit bewußt und unbewußt preisgeben umgehen.

Im Zusammenhang der Wahlen zum Präsidentenamt in Amerika, haben amerikanische PsychiaterInnen und PsychologInnen - vermutlich aus (durchaus verständlicher) Sorge um die politische Entwicklung in Amerika - bei dem nominierten republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump eine Mischung von Persönlichkeitsproblemen identifiziert, darunter Grandiosität, Empathiemangel und maligner Narzißmus.  Die klinischen Beleidigungen gingen soweit, daß sich die Präsidentin der American Psychiatric Association (APA),  Maria A. Oquendo, Anfang des Monats dazu veranlaßt sah, einen Blog-Beitrag einzustellen: "Weshalb es unethisch und unverantwortlich ist, die 'Goldwater-rule' zu brechen". Neben der Gefahr eines Verlustes des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Psychiatrie und der Stigmatisierung der Betroffenen, gehe es auch um das (bedrohte) Vertrauen der PatientInnen in ihre/n behandelnde/n Ärztin/Arzt, die/der sich in einer solchen Weise in der Öffentlichkeit äußerten.

1964 hatten mehr als 1000 PsychiaterInnen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Senator Barry Goldwater aufgrund schwerer Persönlichkeitsdefekte (Paranoia, großspuriges Verhalten und ein gottgleiches Selbstbild eingeschlossen) in einer Umfrage bei mehr als 12.000 befragten PsychiaterInnen als für das Amt ungeeignet erklärt.

Im Zuge dieses Vorfalls hat die American Psychiatric Association (APA) 1973 in den Principles of Medical Ethics with Annotations Especially Applicable to Psychiatry eine (weitere) Anmerkung veröffentlicht, die als 'Goldwater-rule' bekannt geworden ist. Sie steht unter Ziffer 3 der 7. Sektion:

Section 7

A physician shall recognize a responsibility to participate in activities contributing to the improvement of the community and the betterment of public health.

3. On occasion psychiatrists are asked for an opinion about an individual who is in the light of public attention or who has disclosed information about himself/herself through public media. In such circumstances, a psychiatrist may share with the public his or her expertise about psychiatric issues in general. However, it is unethical for a psychiatrist to offer a professional opinion unless he or she has conducted an examination and has been granted proper authorization for such a statement.

Übersetzung (J. Thorwart):

Ein Arzt soll eine Verantwortung anerkennen an Aktivitäten teilzunehmen, die zur Entwicklung des Gemeinwesens und Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen.

3. Gelegentlich werden Psychiater nach ihrer Meinung über eine Person des öffentlichen Lebens oder eine Person, die Informationen über sich mittels öffentlicher Medien enthüllt hat, gefragt. Unter solchen Umständen kann ein Psychiater seine/ihre Expertise über allgemeine psychiatrischen Themen mit der Öffentlichkeit teilen. Jedoch ist es unethisch für einen Psychiater, eine professionelle Meinung zu vertreten , es sei denn, er oder sie hat eine Untersuchung durchgeführt und ihm oder ihr wurde die Befugnis für ein solches statement erteilt.

Auch in Deutschland gibt es immer wieder PsychotherapeutInnen, die in den Medien zu Personen des öffentlichen Lebens - meist im Zusammenhang schockierender Straftaten - Stellung nehmen. Ich wundere mich immer wieder, was da für haarsträubende 'Erkenntnisse' (alleine auf der Grundlage von Medienberichten) zum besten gegeben werden. Zuletzt meinte der behandelnde Heilpraktiker für Psychotherapie des Attentäters von Ansbach (24.07.2016) über seinen Patienten berichten zu müssen. Unabhängig von der Frage seiner fachlichen Qualifikation auch noch ein Verstoß gegen die Schweigepflicht (als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag).

Ich habe mich in der Vergangenheit bereits verschiedentlich sehr kritisch darüber geäußert, daß beispielsweise auch PsychoanalytikerInnen Personen der Zeitgeschichte (lebende, noch nicht lange verstorbene oder historische Personen) diagnostizieren und analysieren. Beispielhaft sei hier auf die Veröffentlichungen und Vorträge von Paul Matussek hingewiesen, der sich über den 'Kreml-Flieger' und die "Modellfälle" Grillparzer, Claudel, Gould, Jung, Heidegger und Axel Springer äußert - und das auf eine m. E. sehr unangenehm psychopathologisch-diskreditierenden Weise (vgl. z. B. Band 2: 34).

Matussek, P. [Hrsg.] (1992): Analytische Psychosentherapie. Band 1: Grundlagen [Franz Grillparzer, Camille Claudel, Glenn Gould - Mitautor: Peter Matussek; Matthias Rust: S. 114]. Berlin: Springer 4. Nachdruck 2001

Matussek, P. [Hrsg.] (1997): Analytische Psychosentherapie. Band 2: Anwendungen [Carl Gustav Jung, Martin Heidegger und Axel Springer; Mitautor bei Heidegger: Peter Matussek]. Berlin: Springer

Anmerkung 1 (5.09.16): In der ZEIT v. 1. September 2016 zu diesem Thema geschrieben: Ist es fair, Donald Trump aus der Ferne zu analysieren? Psychologen und Psychiater in den USA sind uneins über die ethischen Grenzen ihrer Disziplin.

Anmerkung 2 (8.10.16): Ich möchte noch aus einem Vorwort zitieren, daß Alexander Mitscherlich im Jahr 1954 der Psychopathologie des Alltagslebens vorangestellt hat und das gerade auch in diesem Zusammenhang noch hochaktuell ist:

Eine dritte und letzte Bitte an den Leser muß an dieser Stelle noch ausgesprochen werden, soll die Methode der Aufklärung nicht Unheil bringen: Wenn Sie über sich und andere zu einem besseren Verständnis zu kommen trachen, betreiben Sie Ihre Bemühungen nicht mit der Absicht der Entlarvung, als Spionage.

Freud empfahl dem, der mit seinen Erkenntnissen in der Praxis arbeitet, eine wohlwollende Bereitschaft, die Not des Kranken anzunehmen. Hier in dieser Abhandlung geht es nicht um große schmerzliche Selbstoffenbarungen, sondern um winzige Fragmente, blitzhaftes Aufleuchten verborgener Innenwelt. Wer über den Splittern im Auge des Nächsten die Balken im eigenen vergißt, bleibt auch diesmal blind. Und da die Hellhörigkeit für die Fehlleistungen sich schon recht weit ausgebreitet hat, kann er sicher sein, daß er in die für den lieben Nachbarn gedachte Grube fallen wird.

Rationale Analyse, das Durchschauen eines Prozesses ist in unserer Zivilisation fast zwanghaft mit machtmehrender Ausbeutung dieses Wissens verknüpft. Wenn jetzt auch das vermehrte Wissen um Doppelläufigkeit der menschlichen Verhaltensweisen, um den Spannungszustand zwischen Bewußtem und Unbewußtem in den Strudel der Machtpolitik gerät, welche die Menschen sich untereinander nicht ersparen können, dann ist die Psychoanalyse ihrerseits am unbeabsichtigten anderen Ende ihrer Verwirklichung angelangt. Es wird ertragen werden müssen. Aber man soll nicht leichtfertig dieser Korruption anheimfallen.

Die Psychoanalyse ist aus der spezifischen Not des zeitgenössischen Menschen hervorgegangen. Netze unerhörter neuer Machtansprüche werden über ihn geworfen. Die Not seiner Selbstverborgenheit wächst mit all seinen Fortschritten der Bemächtigung. Man kann dem zynisch gegenüberstehen und mit tiefenpsychologischer Kenntnis auf die Schwächen seiner Mitmenschen zielen. Auch Erkenntnisse haben ihre großen und kleinen Schicksale. Nicht zu vergessen wäre aber, daß die Psychoanalyse eine ärztliche Wissenschaft ist. Nil nocere: niemandem zum Schaden, ist immer das Memento großen Arzttums gewesen. Wer ein Stück teilhat an ärztlichem Wissen, sollte auf den Eid des »nil nocere« schwören. Viele Heilmittel sind Gifte: über die Wirkung entscheidet die Kunst des Wissenden.

Wer mit Wohlwollen dem Autor bis in das zuweilen Absurde seiner Kombinatorik folgt, wird diesmal in der schönsten Lage sein, ihn noch durch die Absurdität, die ihm selbst gelegentlich unterläuft, zu übertrumpfen. Wo immer er dem Possenspiel der unbeabsichtigten Sentenzen, seiner Tücke, die Objekte fehlzuleiten begegnet, mag er fortan Freud dankbar sein für die Winke, wie man über sich selbst lachend, staunend Erkenntnis gewinnen kann – statt einen Fluch auszustoßen.

Alexander Mitscherlich

Mitscherlich, A. (1954): 50 Jahre später. Einige Empfehlungen an den Leser. In: Freud, S. (1901b): Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglauben und Irrtum. Frankfurt/M.: Fischer (TB 6079): 7-12 (hier 11f)

American Psychiatric Association (APA): The Principles of Medical Ethics with Annotations Especially Applicable to Psychiatry (2013 Edition)

American Psychiatric Association (APA): APA Blogs (3.08.16: Maria A. Oquendo, M.D.): The Goldwater Rule: Why breaking it is Unethical and Irresponsible

The New York Times (online-Ausgabe v. 15.08.16): B. Carey:  The Psychiatric Question: Is It Fair to Analyze Donald Trump From Afar?

August 2016


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AKTUELL: Nummer 8/2016

Zeugnisverweigerungsrecht der BerufshelferInnen: Auch wenn ÄrztInnen selbst beschuldigt werden, bleiben sie hinsichtlich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53a StPO ihrer Berufshelferinnen entscheidungsbefugt (Berufsgericht für Heilberufe Münster v. 2.9.2015 - 16 K 1399/14.T)

Aufgrund der Aussagen zweier ArzthelferInnen (medizinische Fachangestellte) hatte von der Ärztekammer Westfalen-Lippe im Juni 2014 die Eröffnung eines berufsrechtlichen Verfahrens wegen Verletzung der ärztlichen Berufspflichten gegen einen Gynäkologe (den Chef der Arzthelfernnen) beantragt. Dem Arzt wurde vorgeworfen,

„im Rahmen des in der Notfalldienstpraxis in M. am 4. Januar 2014 durchgeführten Notdienstes zwei minderjährige Patientinnen vor der [damals noch erforderlichen] Verschreibung der „Pille danach“ gynäkologisch äußerlich untersucht, auf die Durchführung der äußerlichen Untersuchung trotz kritischer Nachfrage der Patientinnen zur Erforderlichkeit der Untersuchung bestanden und zudem detaillierte Fragen zum Geschlechtsverkehr gestellt habe.“ (Zitat aus dem Urteil VG Münster, zitiert wird die Ärztekammer Westfalen-Lippe

Der Antrag auf Verfahrenseröffnung  wurde vom Verwaltungsgericht Münster (Heilberufsgericht 2. Kammer) am 2.09.2015 gemäß §§ 204 Abs. 1, 203 StPO, § 112 HeilBerG (NRW)  abgelehnt, da der Beschuldigte aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend verdächtig war, "gegen Berufspflichten verstoßen zu haben. Der Sachverhalt, den die Antragstellerin dem Beschuldigten vorhält, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Taugliche Beweismittel bestehen nicht."

Da die beiden minderjährigen PatientInnen als ZeugInnen nicht zur Verfügung standen, hätten alleine die Aussagen der medizinischen Fachangestellten Aufschluß über das Geschehen geben können. Diese hatten aber eine Einwilligung der PatientInnen zu einer entsprechenden. und waren auch anderweitig nicht ermächtigt, "über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen auszusagen.":

Nach § 53 a Abs. 1 StPO, § 112 HeilBerG stehen dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO) ihre Gehilfen und damit die als Zeuginnen benannten medizinischen Fachangestellten gleich. Über die Ausübung des Rechts dieser Hilfspersonen, das Zeugnis zu verweigern, dürfen jedoch nicht die Zeuginnen entscheiden. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungsberechtigung allein dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt übertragen, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann (§ 53a Abs. 1 Satz 2 StPO). Dies entspricht dem Zweck der Vorschrift. § 53a StPO soll eine Umgehung des § 53 StPO verhindern. Eine solche Zustimmung liegt nicht vor.

Leitsätze (Zitat aus der Urteilsveröffentlichung: www.nrw.de: Justiz-online. NRWE-Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Nordrhein-Westfalen (Link - siehe auch unten):

Dass der Beschuldigte der nach § 53a Abs. 1 Satz 2 StPO entscheidungsberechtigte Arzt ist, begründet nicht die Rechtsfolge, dass die als seine Berufshelferinnen eingesetzten medizinischen Fachangestellten berechtigt sind, über die Ausübung des Zeugnisver-weigerungsrechts zu entscheiden. Das Zeugnisverweigerungsrecht greift auch in einem Verfahren ein, das gegen den zur Zeugnisverweigerung Berechtigten geführt wird.

Das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)- und die Zeugnisverweigerungspflicht der Berufshelferinnen (§ 53a StPO) - ist nicht beschränkt auf den Schutz der Daten zur Identität der Patientinnen. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO, auf den § 53a StPO verweist, beschränkt das Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf bestimmte Kenntnisse; der Gesetzeswortlaut streckt das Zeugnisverweigerungsrecht auf alles, "was" den Berufsangehörigen "anvertraut oder bekannt geworden" ist.

Anmerkung: Auch wenn das Urteil im Ergebnis nicht zufriedenstellend erscheint - es bestätigt den hohen Wert des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das u. a. durch die Schweigepflicht (§ 203 StGB) und das Zeugnisverweigerungsrecht des Schweigepflichtigen und seiner BerufshelferInnen (§§ 53 und 53 a StPO) zum Ausdruck kommt.

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe Münster vom 2.09.2015, 16 K 1399/14.T

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe Münster vom 2.09.2015, 16 K 1399/14.T (Leitsatz & Tenor)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 7/2016

Datenschutz im Gesundheitswesen - das E-Health-Gesetz

Das im Zusammenhang der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen - einschließlich der damit verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Datensicherheit - beschlossene und im Januar 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz bringt eine Reihe von Änderungen für PatientInnen, aber auch für die LeistungserbringerInnen. Auf der Seite des Bundesgesundheitsministerium werden die wesentlichen Inhalte dargestellt (ich zitiere daraus, habe den Text allerdings gekürzt und vielfach umformuliert):

Stammdatenmanagement (eGK)

Online-Prüfung und Aktualisierung von Versi­chertenstammdaten über das Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in Praxen und Krankenhäusern

Einführung bis Mitte 2018 (ab 1. Juli 2018 sind pauschale Kürzungen der Vergütung der Ärzte und Zahnärzte vorgesehen, die nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten teilnehmen!)

Speicherung medizinischer Notfalldaten (eGK)

Ab 2018 auf Wunsch des Versicherten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Bereits ab Oktober 2016 haben PatientInnen, die 3 oder mehr Arzneimittel einnehmen bzw. anwenden Anspruch auf einen Medikationsplan (dieser soll ab 2018 auch von der eGK abrufbar sein).

Ausgabe von Heilberufsausweisen

ÄrztInnen sollen damit auf die sensiblen Daten der Gesundheitskarte zugreifen können; elektronische Arztbriefe werden bereits vor Einführung der Telematik-Infrastruktur gefördert, wenn hierfür ein elektronischer Heilberufsausweis mit elektronischer Signatur verwendet wird.

Einstieg in die elektronische Patientenakte

Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Daten der Pati­entInnen (z.B. Arztbriefe, Notfalldaten, Daten über die Medikation) in einer elektronischen Patientenakte bereitgestellt werden können. PatientInnen sind dann in der Lage, ihre BehandlerInnen über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten zu informieren.

Patientenfach

PatientInnen entscheiden nicht nur, welche medizinischen Daten mit der Gesundheitskarte gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Sie haben außerdem einen Anspruch darauf, daß ihre mittels Gesundheitskarte gespeicherten Daten in ihr Patientenfach aufgenommen werden. Dort können auch eigene Daten z.B. ein Patiententagebuch über Blutzuckermessungen oder Daten von Wearables und Fitnessarmbändern, abgelegt werden.

Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen für die Nutzung des Patientenfachs mit der elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden, damit Patienten ihre Daten auch außerhalb der Arztpraxis eigenständig einsehen können.

Förderung der Telemedizin

Die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen wird ab April 2017, die Online-Videosprechstunde ab Juli 2017 in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen.

Nutzung von Smartphones und andere mobile Endgeräte

Bis Ende 2016 soll prüfen werden, ob Versicherte solche Geräte etwa zur Wahrnehmung ihrer Zugriffsrechte und für die Kommunikation im Gesundheitswesen einsetzen können.

Auf die sensiblen Daten der eGK soll nach dem Zwei-Schlüsselprinzip - mit dem Heilberufeausweis und der persönlichen PIN der Versicherten - zugegriffen werden können.

Anmerkung: DatenschutzexpertInnen (so beispielsweise Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein und damit Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel) halten den Datenschutz gewährleistet und "fast vorbildlich".

Bundesministerium für Gesundheit: Das E-Health-Gesetz (Abrufdatum: 16.05.16)

Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (vom 21. Dezember 2015)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 6/2016

Datenschutz im Gesundheitswesen - ein zunehmend wichtiges Thema - auch in Europa: Die EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO)

(Teil IV)

Auf dem Hintergrund der zunehmenden Erfassung, Übermittlung und Archivierung von patientenbezogenen Daten in Dateien beschäftigt sich der Gesetzgeber mit entsprechenden Regelungen zum Schutz der BürgerInnen vor der Einschränkung seiner Privatsphäre und dem Mißbrauch seiner personenbezogenen Daten. In Deutschland traten das

in Kraft. In Europa wird seit Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gearbeitet, die die bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Die neue Verordnung wird, im Unterschied zur bisherigen Richtlinie, ab ihrem In-Kraft-Treten (voraussichtlich Mitte 2018) unmittelbare Gültigkeit für alle EU-Mitgliedsstaaten haben. Im Dezember 2015 haben sich das EU-Parlament, der EU-Rat und die EU-Kommission auf einen einheitliche Entwurf geeinigt. Derzeit findet die technische Überarbeitung der Verordnung statt, die 2018 abgeschlossen sein soll.

Viele Regelungen stehen im Detail noch nicht fest. Klar ist, daß beispielsweise die Einwilligung der VerbraucherInnen bzw. BürgerInnen dadurch mehr Gewicht erhält, daß sie beweispflichtig dokumentiert werden muß. Eingeführt werden sollen Sonderregelungen für Kinder bis zu einer bestimmten Altersgrenze (13 Jahre), die Internetdienste (z. B. facebook) nur mit Zustimmung der Eltern nutzen können. Weitere Regelungen der Verordnung:

Deutsches Ärzteblatt Heft 6 v. 12.02.16, 113: A218-219: Datenschutz im Gesundheitswesen. Viele Neuregelungen stehen bevor (H. E. Krüger-Brand)

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 5/2016

BKA-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht - Urteil vom 20.04.16: Die Verfassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg!

Teil VII

Ich habe bereits häufiger über das BKA-Gesetz berichtet (siehe unten: Archiv). Das Bundesverfassungsgericht hat am 7.07.15 erstmals über Klagen gegen das Bundeskriminalamts-Gesetz verhandelt. Das 2009 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und Onlinedurchsuchungen zur Terrorabwehr.

Die Verfassungsbeschwerde hatte nun teilweise Erfolg: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) ist die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar. Allerdings genügt das Gesetzt in seiner derzeitigen Ausgestaltung von Befugnissen in verschiedener Hinsicht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

In der Pressemitteilung des BverfG (Nr. 19/2016 vom 20. April 2016) heißt es dazu weiter:

Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Durchführung sind die im Jahr 2009 eingeführten Vorschriften teilweise zu unbestimmt und zu weit; auch fehlt es zum Teil an flankierenden rechtsstaatlichen Absicherungen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung oder zur Gewährleistung von Transparenz, individuellem Rechtsschutz und aufsichtlicher Kontrolle. Die Vorschriften zur Übermittlung von Daten sind ‑ sowohl hinsichtlich inländischer als auch hinsichtlich ausländischer Behörden ‑ an etlichen Stellen nicht hinreichend begrenzt. Da die Gründe für die Verfassungswidrigkeit nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse betreffen, gelten die beanstandeten Vorschriften jedoch mit Einschränkungen überwiegend bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 fort. (Pressemitteilung Nr. 19/2016 vom 20. April 2016)

Im Hinblick auf BerufsgeheimnisträgerInnen hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg:

Bei Maßnahmen, die tief in die Privatsphäre eingreifen, sind - als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - übergreifenden Anforderungen an ihre Ausgestaltung zu stellen:

Insbesondere müssen Befugnisse auf den Schutz gewichtiger Rechtsgüter begrenzt bleiben und sind nur in den Fällen verfassungsmäßig, in denen eine Gefährdung dieser Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist. Auf nichtverantwortliche Dritte aus dem Umfeld der Zielperson dürfen sie sich nur unter eingeschränkten Bedingungen erstrecken. Für Befugnisse, die typischerweise dazu führen können, in den strikt geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung einzudringen, bedarf es besonderer Schutzregelungen. Auch bedarf es eines hinreichenden Schutzes von Berufsgeheimnisträgern. Überdies unterliegen die Befugnisse verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Hierzu gehören Benachrichtigungspflichten an die Betroffenen nach Durchführung der Maßnahmen, richterliche Kontrollbefugnisse, eine regelmäßige aufsichtliche Kontrolle sowie Berichtspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Schließlich müssen die Befugnisse mit Löschungspflichten flankiert sein.

(...) Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Vorschriften in verschiedener Hinsicht nicht. (Pressemitteilung Nr. 19/2016 vom 20. April 2016)

Das Bundesverfassungsgericht weist zwar darauf hin, daß der Schutz von Berufsgeheimnisträgern im vorliegenden Gesetz nicht ausreicht, bezieht sich dabei aber im wesentlichen auf die Gruppen der Strafverteidiger und anderer Rechtsanwälte:

Verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist insoweit allerdings die Ausgestaltung des Schutzes der Vertrauensverhältnisse von Rechtsanwälten zu ihren Mandanten. Die vom Gesetzgeber herangezogene Unterscheidung zwischen Strafverteidigern und den in anderen Mandatsverhältnissen tätigen Rechtsanwälten ist als Abgrenzungskriterium für einen unterschiedlichen Schutz schon deshalb ungeeignet, weil die in Frage stehenden Überwachungsmaßnahmen nicht der Strafverfolgung, sondern der Gefahrenabwehr dienen, die Strafverteidigung also hier gerade nicht entscheidend ist. (Urteil BverfG 20.04.16, Abschnitt 257)

c) Darüber hinaus sind Grundrechtsverletzungen durch § 20u BKAG nicht zu erkennen. Ein Anspruch auf strikteren Schutz ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für Medienvertreter (vgl. BVerfGE 107, 299 <332 f.>). Weitere Grenzen ergeben sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber darf die Zuerkennung eines strengeren Schutzes vor Überwachungsmaßnahmen als Ausnahme für spezifische Schutzlagen verstehen, hinsichtlich derer er einen erheblichen Einschätzungsspielraum hat. Die Anerkennung einer solchen besonderen Schutzbedürftigkeit von Geistlichen und Abgeordneten gegenüber anderen Berufsgruppen wurde durch die Entscheidung des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2011 als zumindest tragfähig angesehen. Eine Pflicht zur Ausweitung dieses besonders strikten Schutzes auf weitere Gruppen kann hieraus nicht abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 129, 208 <258 ff., 263 ff.>). Unberührt bleibt, dass in die für die anderen Berufsgeheimnisträger gebotene Abwägung auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG die Vertrauensbedürftigkeit der jeweiligen Kommunikationsbeziehungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich einzufließen hat und darüber hinaus eine Überwachung - etwa für psychotherapeutische Gespräche - auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ausgeschlossen sein kann (siehe oben C IV 3 a). (Urteil BverfG v. 20.04.16, Abschnitt 258)

Fazit: Enttäuschenderweise sieht das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nicht in der Pflicht, die besondere Schutzbedürftigkeit von Geistlichen und Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen Gründen auf andere Berufsgruppen auszuweiten. Im Einzelfall muß jedoch auch bei anderen BerufsgeheimnisträgerInnen eine Abwägung unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Artikel 12) und der jeweiligen Vertrauensbedürftigkeit der Kommunikationsbeziehungen vorgenommen werden. Darüber hinaus kann eine Überwachung, beispielsweise von psychotherapeutischen Gesprächen, auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ausgeschlossen sein. Aus psychotherapeutischer Sicht ist klar, daß alles, was im Rahmen der Psychotherapie ge- bzw. besprochen wird zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört. Allein, aus juristischer Sicht (und noch mehr aus der Sicht des BKA) wird das anders beurteilt werden. Nach der Sphärentheorie werden Gesundheitsdaten in verschiedene Gruppen eingeteilt: administrative, medizinische und intime Daten mit je unterschiedlicher Schutzintensität. (siehe dazu meine Übersicht zur Sphärentheorie, 2002-2011).

Die DGPT weist in ihrer Stellungnahme daraufhin, daß das Gesetz jetzt überarbeitet werden muß; das BVerfG erlaubt den Behörden die Anwendung der Maßnahmen unter gewissen im Urteil genannten Maßgaben nur noch bis zum 30. Juni 2018.

Die DGPT plant unter Mitarbeit von Jürgen Hardt eine eigene Stellungnahme zu erarbeiten, um für die Überarbeitung des Gesetzes die Aufnahme der Psychotherapie in den Kernbereich privater Lebensgestaltung und einen Schutz der psychotherapeutischen Tätigkeit bei Gleichstellung mit den besonders geschützten Berufsgruppen zu erreichen. Darüber hinaus wird es unseres Erachtens auch nötig sein, zumindest den Versuch einer erneuten Aufklärungsarbeit hinsichtlich einer entsprechenden Novellierung des Gesetzes im Sinne der Psychotherapie zu unternehmen; das Wissen um unsere Belange ist ernüchternd gering. (Stellungnahme der DGPT v. 4.05.2016)

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.04.2016 (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09)

Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht (Nr. 19/2016 vom 20. April 2016): Verfassungsbeschwerden gegen die Ermittlungsbefugnisse des BKA zur Terrorismusbekämpfung teilweise erfolgreich

Stellungnahme der DGPT (4.05.2016): Die psychotherapeutische Behandlungsbeziehung muss als Teil des persönlichen Kernbereichs der Patienten unantastbar bleiben!

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 4/2016

Oberlandesgericht Karlsruhe - Zum Zeugnisverweigerungsrecht des behandelnden Arztes im Zusammenhang einer Risikolebensversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers (Patienten)

Nach dem Tod des Versicherungsnehmers machte die Versicherung Zweifel an den Voraussetzungen der Auszahlung der einige Jahre zuvor zugunsten der Ehefrau abgeschlossenen Risikolebenspolice geltend. Sie forderte die Behandlungsunterlagen des behandelnden Arztes an, die dieser auch der Versicherung übergab. Der Verstorbene hatte bei Vertragsabschluss zwar seine Herzerkrankung angegeben, dabei aber nicht erwähnt, daß er eigenmächtig die vom Arzt verordneten Medikamente abgesetzt hatte. Die Versicherung verweigerte deshalb die Zahlung wegen des Verdachts einer arglistigen Täuschung.

Die Ehefrau verklagte den Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme und bekam diese, einschließlich der Kosten für die anwaltliche Tätigkeit, zugesprochen.

In seiner Entscheidung verwies das OLG Karlsruhe darauf, daß der Versicherer zur Anfechtung eines Risikolebensversicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung auf dem Hintergrund der unrichtigen Beantwortung von Gesundheitsfragen dann nicht berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer diese zwar objektiv nicht richtig beantwortet hat, jedoch nicht ersichtlich ist, dass er dies aus Gründen der Beeinflussung der Entscheidung des Versicherers tat. Im hier vorliegenden Fall wurden Gesundheitsfragen nicht schon deshalb unrichtig beantwortet, weil der Versicherungsnehmer die Frage nach der Einnahme von Medikamenten verneinte und nicht angab, daß er ein ärztlich verordnetes Medikament aufgrund eigener Verantwortung bzw. Entscheidung nicht eingenommen hat. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers ist eine Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht nicht mehr möglich. Von einer mutmaßlichen Einwilligung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht kann dann nicht ausgegangen werden, wenn die Beweislast zur Anfechtung eines Versicherungsvertrages (Risikolebensversicherung) beim Versicherer liegt. Denn es liegt nicht im Interesse des Verstorbenen, daß die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner Angaben in einer Beweisaufnahme geklärt werden.

Anmerkung: Im vorliegenden Fall ging es primär um die Klage gegen den die Zahlung verweigernden Versicherer und nur am Rande um die Schweigepflicht - hier des behandelnden Arztes - gegenüber dem Versicherer. Diese wurde gebrochen, da eine mutmaßliche Einwilligung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht nicht vorlag!

Urteil des OLG Karlsruhe (Az.: 12 U 57/15)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 3/2016

Apple weigert sich trotz eines Gerichtsbeschlusses, das iPhone eines mutmaßlichen Attentäters zu entschlüsseln

Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte einen Gerichtsbeschluß erwirkt, nach dem Apple verpflichtet wurde, das iPhone des mutmaßlichen Attentäters Sayed Farook zu entschlüsseln, der mit Ende letzten Jahres mit seiner Ehefrau im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen erschossen hatte. Das FBI hatte untersucht, ob der Attentäter in Verbindung mit dem Islamischen Staats stand und wollte mittels des Handys etwaige Beweise sichern.

Apple hatte sich aber geweigert dem Gerichtsbeschluß nachzukommen.  Der Chef von Apple, Tim Cook, begründete das damit, daß so ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte. Apple habe die Pflicht die Daten der KundInnen vor einem Zugriff durch staatliche Behörden zu schützen.

Nun wurde die Auseinandersetzung dadurch beendet, daß zunächst das FBI und dann auch das US-Justizministerium mittelte, die Hilfe von Apple werde nicht länger benötigt würde. Das FBI bekam laut eigener Aussage Hinweise von Dritten, wie die Verschlüsselung umgangen werden kann. Die in dem Verfahren zuständige  Bundesstaatsanwältin Eileen Decker erklärte daraufhin, die Ermittlungen gegen Apple seien abgeschlossen.

Anmerkung 1: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ein Technologiekonzerne in die Situation gerät, die Daten seiner KundInnen vor dem Zugriff staatlicher Behörden schützen zu wollen. In anderen Situationen (wenn es um eigenen Interessen geht) ist auch der Apple-Konzern, der viel Wert auf den Datenschutz legt, deutlich weniger zimperlich (vgl. den Beitrag von S. Gaycken v. 14.03.16).

Anmerkung 2 (2.04.16): Inzwischen mehren sich Medienberichte, daß es einschlägigen ExpertInnen längst gelungen ist die Verschlüsselung zu umgehen und Apple Sicherheitslücken nicht geschlossen hat. Nun kann man sich fragen: Ging es bei dem Verfahren gegen Apple um den Versuch, Druck auf Telekommunikationsanbieter auszuüben mit dem Ziel jederzeit ohne große Mühe an die entsprechenden Daten zu kommen - oder verfügt das FBI nicht über ExpertInnen die in der Lage sind, sich die entsprechende Software zur Entschlüsselung zu beschaffen (oder beides)?

spiegel.de (29.03.16): Apple: FBI knackt iPhone von San-Bernardino-Attentäter. Das FBI wollte Apple per Gerichtsbeschluss dazu zwingen, das Handy eines islamistischen Terroristen zu entschlüsseln. Nun haben die US-Behörden selbst das iPhone geknackt.

faz.net (14.03.16) S. Gaycken: Apples Doppelmoral. Dass Apple sich im Streit mit dem FBI als Datenschützer gibt, demonstriert die schlichte Doppelmoral des Konzerns. Denn in China hat die Regierung längst Zugriff auf die iPhones. Ein Gastbeitrag.

März 2016


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AKTUELL: Nummer 2/2016

Einschränkung der Schweigepflicht durch Offenbarungspflicht gegenüber Dritten bzw. dem Arbeitgeber (Abschlußbericht der französischen Untersuchungsbehörde zum Absturz der Germanwings-Maschine)

Teil III

Im Abschlußbericht der französischen Untersuchungsbehörde BEA zum Absturz der Germanwings-Maschine (vorgelegt am 13.03.16) wird die Forderung nach klaren internationalen Regeln im Falle einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Krankheit eines Patienten erhobenen. Angesichts international unterschiedlichen Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht sollten Gesundheitsdienstleister aufgefordert werden, die jeweiligen Behörden zu informieren (Ärztezeitung 14.03.16).

Der Präsident der Bundesärztekammer, Montgomery, sieht im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen, hat sich aber gegen eine generelle Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht ausgesprochen (Ärztezeitung 14.03.16).

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Prof. Hans Drexler (Erlangen) hat die Debatte als "schädlich und wenig qualifiziert" bezeichnet. Vermutlich hätte der Absturz weder durch eine Mitteilungspflicht verhindert werden können, noch mache es Sinn, alle Menschen mit depressiven Episoden und Suizidgedanken als nicht geeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung anzusehen - denn dann wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeitsfähig. Hinzu kommt die Unsicherheit prognostischer Aussagen. Im Bereich der Arbeitsmedizin sieht er die die Frage einer Aufhebung der Schweigepflicht als besonders problematisch an. Würden sich PatientInnen nicht mehr auf die Verschwiegenheit der ArbeitsmedizinerInnen verlassen können, würden sich PatientInnen nicht mehr mit entsprechenden Informationen anvertrauen, was zu einer verringerten Sicherheit Dritter und auch dazu führen würde, daß ÄrztInnen die jeweilige Gefahr durch  Therapien und anderen Hilfsangeboten Gefahren nicht mehr abwenden könnten (Ärztezeitung 16.03.16).

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer hat sich ähnlich zu dieser Frage geäußert. In der Pressemitteilung v. 16.03.16 heißt es:

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnt davor, die Schweigepflicht für Psychotherapeuten und Ärzte einzuschränken. „Das größte Risiko wäre, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr behandeln lassen, weil sie befürchten, dass Arbeitgeber oder Behörden von ihrer Erkrankung erfahren“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Erst das offene Gespräch mit einem Psychotherapeuten oder Arzt macht es möglich, eine psychische Krankheit zu behandeln und mögliche Suizide zu verhindern.“

Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Psychotherapeuten müssen zwischen dem Schutz der Patienten, dem Schutz von Dritten sowie dem Allgemeinwohl abwägen und gegebenenfalls tätig werden. „Diese Abwägung muss sehr sorgfältig getroffen werden“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Dazu gehöre, dass man sich im Zweifel bei einem Kollegen fachlich rückversichert. Drohe, dass ein Patient sich selbst oder andere gefährde, müsse notfalls auch eine Zwangseinweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgen. Im Fall des schwer depressiven Germanwings-Copiloten, der vor einem Jahr ein Flugzeug mit 150 Menschen abstürzen ließ, mussten die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten auf Grundlage der ihnen bekannten Befunde eine solche Abwägung vornehmen und begründen. Dies können Gerichte überprüfen.

„Die Entscheidung, ob ein Patient sich oder andere gefährdet, muss eine Entscheidung des behandelnden Psychotherapeuten oder Arztes bleiben“, fordert Munz. „Grundsätzliche gesetzliche Meldepflichten vergrößern dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr in Behandlung begeben. Die Behandlung eines psychisch kranken Menschen verringert seine Leiden und kann eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindern. In den seltenen Fällen, wo psychisch kranke Menschen befürchten, dass sie sich oder andere Menschen gefährden könnten, ist eine Behandlung auch der beste Schutz für die Allgemeinheit.“

Nur einem Satz möchte ich widersprechen: Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Genau dieser Automatismus ist in der Musterberufsordnung nicht der BPtK enthalten (§ 8 Abs. 4 M-BO). Die notwendige Abwägung (vgl. auch § 34 StGB i.V.m. 203 StGB) wird dann zutreffend in den folgenden Sätzen der Presseerklärung erläutert. Dieser eine Satz führt jedoch zu einer Verwirrung, die dem Thema nicht gerecht wird.

Ärztezeitung (14.03.16): Germanwings-Absturz. Ärztliche Schweigepflicht im Fokus

Ärztezeitung (14.03.16): Abschlussbericht über Germanwings-Absturz. Montgomery will keine Aufweichung der Schweigepflicht

Ärztezeitung (16.03.16): Gegen jede Lockerung der Schweigepflicht. Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht wird von Arbeitsmedizinern kategorisch abgelehnt. Für die Sicherheit sei dies eher schädlich.

BPtK Aktuell (16.03.2016): Schweigepflicht nicht weiter durchbrechen. Mehr Sicherheit durch eine grundsätzliche Meldepflicht nicht möglich

Archiv (Germanwings): Teil 1 & Teil 2

März 2016


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AKTUELL: Nummer 1/2016

Schweigepflicht und Diskretion in der Arztpraxis - ein dunkles Kapitel

Daß in ärztliche Praxen mit der Schweigepflicht fahrlässig umgegangen wird, davon können sich PatientInnen problemlos selbst überzeugen. Kaum ein Arztbesuch, bei dem man nicht etwas über die anderen PatientInnen erfährt, oder umgekehrt. Ich weise auf diesen Umstand seit Jahren hin - geändert hat sich kaum etwas! Nun hat die Stiftung Warentest sich des Themas angenommen und kommt zu Ergebnissen, die eigentlich bei den ärztlichen Berufsverbänden und Ärztekammern Entsetzen auslösen müßten. Doch ich fürchte auch weiter wird sich wenig verändern.

Ärzte Zeitung, (26.02.16): Zu offener Umgang mit Patientendaten? Die Stiftung Warentest hat die Diskretion in Hausarztpraxen getestet. Das Ergebnis: In jeder zweiten geprüften Praxis waren Patientengeheimnisse nicht sicher aufgehoben. Zeitschrift "test" (3/2016)

Februar 2016


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2016


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AKTUELL: Nummer 20/2015

EU-Datenschutz-Grundverordnung: Grundsatz der Zweckbindung bedroht!

(Teil III)

Die Zeit berichtet in der aktuellen Ausgabe (v. 10.09.15) über den von den Staats- und Regierungschefs vorgelegten Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung, die die bislang geltende Richtlinie 95/46/EG ablösen soll und eine vollständige Neuordnung des europäischen Datenschutzes beabsichtigt. Beunruhigend ist der Passus des Entwurfs, der (nicht näher definierte) Interessen der Unternehmen betrifft. Überwiegen diese die Interessen der betroffenen Personen, können personenbezogene Daten - ohne Zustimmung und Wissen der Betroffenen - weitergegeben werden. Eine Reihe von ExpertInnen haben (nicht nur) das kritisiert und werfen der Bundesregierung vor, zu sehr die Interessen der Wirtschaft vertreten zu haben. Insbesondere problematisch erscheint, daß der deutsche Grundsatz der Zweckbindung nicht im Entwurf steht. Das bedeutet. Stimmt man einer Datenverarbeitung zu so gilt eben nicht mehr der Grundsatz, daß die Daten nur zu dem Zweck gespeichert, verarbeitet und weitergegeben werden dürfen zu dem sie offenbart wurden.

Allerdings scheint auch Justizminister Heiko Maas nicht vom Entwurf überzeugt und will am Grundsatz der Zweckbindung als zentralem Pfeiler des Datenschutzrechts festhalten; allerdings liegt die Federführung der Verhandlungen beim Bundesinnenministerium.

Wie die Zeit berichtet, wird ab der kommenden Woche (14.09.15) in Brüssel im Trialogverfahren zwischen den verschiedenen Gremien verhandelt (europäisches Parlament, europäischer Rat und europäische Kommission).

Der Entwurf kann online eingesehen werden (siehe den Link unten): Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Dokument! Die Frage der Interessensabwägung findet sich  in Artikel 6 (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Absatz 1 Buchstabe f (Seite 50f).

Die Zeit (Nr. 37 v. 10.09.15: Oh. der hat Herzprobleme! Neue EU-Regeln bedrohen den Datenschutz: Firmen sollen Kundendaten ohne Zustimmung weitergeben dürfen. Versicherungen bereiten sich vor (v. R. Rehage): Seite 25

Europäische Kommission: Vorschlag für VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung). Brüssel, 25.01.12

Archiv: Teil I + Teil II

September 2015


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AKTUELL: Nummer 19/2015

Unabhängige Patientenberatung:  Kritik an ÄrztInnen und Krankenkassen

Trägerwechsel bei der Unabhängigen Patientenberatzung (UPD)

Die Unabhängige Patientenberatung hat in ihrem Jahresbericht eine kritische Bilanz. In einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wurden Behandlungen sowie die Einsicht in Patientenakten verweigert, es kam zu Behandlungsfehlern und Leistungsversprechen der Kostenträger wurden gebrochenen.

In 3554 Fällen wandten sich PatientInnen an die UPD, weil ihnen im Krankenhaus oder bei niedergelassenen ÄrztInnen die Einsicht in die Behandlungsunterlagen verweigert wurde. Nach Ansicht der UPD wissen ÄrztInnen auch zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetz oft nichts vom Recht ihrer PatientInnen auf Einsicht in ihre Patientenakte.

Das ist nicht wirklich neu - leider waren ÄrztInnen noch nie Vorreiter eines vorsichtigen Umgangs mit Patientendaten und verletzten oftmals ihre Schweigepflicht - ich könnte dazu unzählige Beispiele nennen, die mir im Laufe meiner über zweieinhalb Jahrzehnte andauernden Beschäftigung mit dem Thema untergekommen sind. Erstaunlicher ist, daß die ethische, berufs-, zivil- und strafrechtliche Dimension völlig ausgeblendet wird. Vermutlich auch, weil Beschwerden und Klagen die Ausnahme sind.

Nach derzeitigem Stand geht die Unabhängige Patientenschaft ab 2016 in eine neue Trägerschaft über: Die 1. Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat am 3.09.15 den Nachprüfungsantrag der aktuellen Träger der UPD zurückgewiesen. Sie hatten sich gegen die Vergabe (in öffentlicher Ausschreibung) an den privaten Anbieter von Telefondienstleistungen Sanvartis gewandt.

Innerhalb von zwei Wochen besteht für den Sozialverband VdK, die Verbraucherzentrale Bundesverband und den Verbund unabhängiger Patientenberatung die Möglichkeit die Entscheidung vor dem Oberlandesgericht anzufechten. Andernfalls wird Sanvartis zum 1.01.2016 den Zuschlag für sieben Jahre erhalten und 63 Millionen Euro Fördermittel in Anspruch nehmen können.

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online (wird die Sanvartis GmbH eine gemeinnützige UPD GmbH gründen, die eine inhaltliche Einflussnahme vollständig ausgeschließen soll: Ein umfangreiches Regelwerk wird sicherstellen, dass die Sanvartis GmbH keinen Zugriff auf die UPD, deren Geschäftsführer und Mitarbeiter oder deren Daten und das IT-System haben wird. Außerdem ist eine umfassende kontinuierliche Überwachung durch eine neutrale Kontrollinstanz vorgesehen",

Ärzte Zeitung online (3.09.15): UPD-Bericht. Ärzte und Kassen verletzen Patientenrechte: Verweigerte Behandlungen, verweigerte Einsicht in Akten: Bei der Einhaltung der Patientenrechte hapert es. Der Jahresbericht der Unabhängigen Patientenberatung nimmt Ärzte und Kostenträger ins Visier

aerzteblatt.de (4.09.15): POLITIK. Unabhängige Patientenberatung Deutschland: Vergabekammer bestätigt Übergang an neue Trägerorganisation

September 2015


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AKTUELL: Nummer 18/2015

Vorratsdatenspeicherung - und kein Ende!

(Teil XVIII)

Die Bundespsychotherapeutenkammer berichtet in einer Mitteilung vom 27. Juli 2015 über eine gemeinsame Initiative der Bundesärztekammer, Bundeszahnärztekammer, Bundesapothekerkammer und der Bundespsychotherapeutenkammer gegen die von der Bundesregierung geplante Vorratsdatenspeicherung. In einem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten im Rechts- und Gesundheitsausschuss fordern diese sie auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Anmerkung (1.08.15): Meinhard Starostik, einer bevollmächtigten Rechtsanwälte der auch in meinem Namen erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt hat (weiter: Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch und Prof. Dr. Jens-Peter Schneider) - siehe Teil XIV - hat seine vorläufige  Bewertung des Referentenentwurfs in einem Referat vor Bundestagsabgeordneten und Journalisten (19.05.15) abgegeben: www.strarostik.de: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.

Anmerkung (4.11.15): Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung (BT-Drucksache 18/5088), der eine Speicherung der Verkehrsdaten für 10 Wochen vorsieht finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/050/1805088.pdf. Er wurde vom Bundestag am 6. Oktober 2015 verabschiedet. Berufsgeheimnisträger (z. B. ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) sind nicht in die Ausnahmeregelung einbezogen, die für Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten, gilt.

Bundespsychotherapeutenkammer Aktuell: 27. Juli 2015 Gemeinsame Initiative der Heilberufekammern: BPtK kritisiert geplante Vorratsdatenspeicherung

Schreiben der Heilberufekammern an die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und des Ausschusses für Gesundheit vom 10. Juli 2015.

Süddeutsche Zeitung (16.04.15): Vorratsdatenspeicherung. O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI -+ Teil XVII

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

August 2015


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AKTUELL: Nummer 17/2015

BKA-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht

Teil VI

Das Bundesverfassungsgericht hat am 7.07.15 erstmals über Klagen gegen das Bundeskriminalamts-Gesetz (BKA-Gesetz) verhandelt. Das 2009 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und Onlinedurchsuchungen zur  Terrorabwehr.

Eine Gruppe von KlägerInnen (unter anderem der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann, Jürgen Hardt, Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Rechtsanwälte, Grünen-Politiker und ein Arzt) ist der Ansicht, daß der Schutz von Geistlichen, Abgeordneten und BerufsgeheimnisträgerInnen nicht ausreichend geschützt ist um das Vertrauensverhältnis von ÄrztInnen, RechtsanwältInnen und PsychotherapeutInnen gegenüber ihren PatientInnen und MandantInnen zu wahren bzw. zu sichern. Außerdem fordert sie Schranken für das Ausspähen von Computern und für den Lauschangriff in Wohnungen.

Daß das Gericht dem Gesetz durchaus kritisch gegenübersteht wurde u. a. auch durch die Frage des Richters Ferdinand Kirchhof (Vorsitzender Richter des Erstes Senats und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts) "Wie viel Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern?"

In der Verhandlung stellten die Richter der Bundesregierung eine Reihe von Fragen und listeten einen Katalog klärungsbedürftiger Punkte auf. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte wie zu erwarten die Regelungen des BKA-Gesetzes. Das Bundeskriminalamt arbeite im Rahmen der Gesetze entschlossen, jedoch mit Augenmaß für die Erhaltung des Rechtsstaats;  Deutschland sei, so de Maizière, kein Überwachungsstaat. Seit 2009 seien auch wegen der Möglichkeiten BKA-Gesetzes zwölf Terroranschläge misslungen oder vereitelt worden.

Erschreckend ist, daß der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung aus der Sicht der Bundesregierung nicht in jedem Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf. Das Gesetz stelle sicher, dass die vor Ort ermittelnden Beamten kernbereichsrelevante Informationen nicht zur Kenntnis nähmen (siehe Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015: letzter Absatz). Wer so argumentiert hat wenig von verfassungsmäßigen Rechten der StaatsbürgerInnen verstanden.

Das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst erwartet.

Anmerkung (13.09.15): Auch das Psychotherapeutenjournal 3/2015 berichtet über die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht und die von Jürgen Hardt (Gründungspräsident der PTK Hessen, PP, Psychoanalytiker) dort vorgetragene Stellungnahme. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich den Text hier:

Stellungnahme von Jürgen Hardt vor dem Bundesverfassungsgericht

Herr Vorsitzender, hoher Senat!

Ich möchte mit einer kurzen Bemerkung auf den Zusammenhang zwischen dem "Kernbereichsschutz" und dem "Schutz von Berufsgeheimnisträgern" aus meiner fachlichen Sicht eingehen. Meine Bemerkungen mögen Ihnen juristisch naiv erscheinen, fachlich sind sie zwingend. Sie sollen zeigen, dass der "verschieden ausgestaltete Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen" bei der Ausübung von Psychotherapie keine Anwendung finden darf. Ich bin Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker, das heißt Vertreter eines alten, juristisch noch jungen Berufes. (Das Psychotherapeutengesetz ist am 1.1.1999 in Kraft getreten!)

Psychologische Psychotherapeuten unterliegen als Berufsgeheimnisträger ebenso wie Ärzte der absoluten Verschwiegenheitsverpflichtung, gerade deswegen, weil sie sich mit ihren Patienten im geschützten Kernbereich des Privaten bewegen. Die verbindlichen Regelungen der verschiedenen Berufsordnungen schreiben deswegen Maßnahmen zum Vertrauensschutz vor, die den Zugang von Dritten zu Aufzeichnungen von Behandlungsinhalten und -verläufen, auch über den Tod hinaus, verwehren. Auch dürfen Computer mit Internetzugang nicht zur Aufzeichnung von Inhalten der Behandlungen benutzt werden.

Für die psychotherapeutische Heilkunde ist der absolute Vertrauensschutz von essenzieller Bedeutung:

Hohes Gericht, ich danke für die Möglichkeit, diese Gedanken vorzubringen!

Jürgen Hardt, Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker; Wetzlar

 

Bundesverfassungsgericht: Pressemeldung Nr. 41/2015 vom 12. Juni 2015: Mündliche Verhandlung in Sachen „BKA-Gesetz“ am Dienstag, 7. Juli 2015, 10:00 Uhr (Az.: 1 BvR 1140/09 und 966/09)

Bundesverfassungsgericht: Pressemeldung Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015: Ergänzende Informationen und Verhandlungsgliederung in Sachen „BKA-Gesetz“

Die ZEIT online (7.07.15, 14:12): ProzesseKarlsruhe sieht Polizeibefugnisse zur Terrorabwehr kritisch.

Ärzte Zeitung online (7.07.15): Trojanergesetz. Sind Patienten geschützt?

Psychotherapeutenjournal (3/2015): Verfassungsbeschwerde zum fehlenden Abhörschutz für Psychotherapeutinnen und -therapeuten (von J. Rautschka-Rücker): 252-253 (mit Abdruck der Stellungnahme von Jürgen Hardt)

Archiv BKA-Gesetz: Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V

August 2015


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AKTUELL: Nummer 16/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an der "Psychosoziale Komfortbetreuung"  der Krankenkassen ohne Rechtsgrundlage

Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat in ihrem Tätigkeitsbericht 2013-2014 Kritik daran geübt, daß auch außerhalb des "Krankengeldfallmanagements" (siehe vorausgehenden Beitrag AKTUELL: Nummer 15/2015) die Tendenz bei den gesetzlichen Krankenkassen  zu beobachten war auch jenseits der gesetzlichen Kernaufgaben den Versicherten medizinische Betreuungsangebote zu machen. In einem Fall übermittelte eine Krankenkasse nach Einwilligung (Datenschutz) der PatientInnen die Daten der Versicherten [Vor- und Zuname, Anschrift, Geburtsdatum und Versichertennummer, Name, Adresse und ggf. Telefonnummer der behandelnden Ärzte (optional), Name, Adresse und ggf. Telefonnummer nahe stehender Personen/Angehöriger (optiona)] an an einen privaten Dienstleister, der die telefonische Betreuung der Versicherten durchführte.

Die Betreuung erfolgt über einen Zeitraum von zwölf Monaten und umfasst u. a. regelmäßige Telefongespräche die Erstellung eines persönlichen Versorgungsplanes sowie die Unterstützung bei der Organisation von Therapien. Von den im Rahmen der Betreuungsgespräche von dem Dienstleister erhobenen Gesundheitsdaten des Versicherten oder Gesprächsergebnissen erhält die Krankenkasse keine Kenntnis.

In ihrer Bewertung kommt Frau Voßhoff zu folgendem Ergebnis:

Bei den beschriebenen Programmen handelt es sich um ein datenschutzrechtlich unzulässiges Fallmanagement. Eine erforderliche gesetzliche Grundlage für die mit der Durchführung der Programme einhergehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung ist nicht vorhanden. Insbesondere können diese nicht auf § 11 Absatz 4 SGB V gestützt werden (vgl. Nr. 13.7). Da sich die Krankenkasse selbst auf keine einschlägige Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung berufen kann, ist auch die Betrauung eines privaten Dritten mit dieser Aufgabe im Wege der Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X unzulässi

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Juni 2015


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AKTUELL: Nummer 15/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik am "Krankengeldfallmanagement" der Krankenkassen (§ 44 Abs 4. SGB V, geändert durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz)

Aus der Sicht der Bundesdatenschutzbeauftragten ist das mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (zum damaligen Zeitpunkt noch) geplante "Krankengeldfallmanagement" datenschutzrechtlich fragwürdig, da es die sinnvolle bzw. notwendige Trennung von Aufgaben und Datenerhebung der Krankenkassen und des MDK durchbricht. Zwar sollen die Krankenkassen die entsprechenden Sozialdaten arbeitsunfähigen Versicherter, die Krankengeld beziehen oder bei denen ein solcher Bezug droht, nur mit Einwilligung der Betroffenen PatientInnen erheben können, es bleibt aber problematisch, daß Krankenkassen solche Daten überhaupt erheben.

Der im Versorgungsstärkungsgesetz zwischen verabschiedete Passus zum Krankengeld (§ 44 abs. 4 SGB V) hat folgende Fassung erhalten:

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen. Das Bundesministerium für Gesundheit legt dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2018 einen Bericht über die Umsetzung des Anspruchs auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen nach diesem Absatz vor.

Damit hat sich Frau Voßhoff wie schon von ihr vermutet nicht im Gesetzgebungsverfahren mit ihrer Ansicht durchsetzen können. Hoffnung besteht allenfalls im Zusammenhang des im Gesetz geregelten Berichts zu dem die Bundesdatenschutzbeauftragte sicherlich auch Stellung nehmen wird.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht (Seite 199f)

SGB V (über www.dejure.de): § 44 Krankengeld

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Juli 2015


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AKTUELL: Nummer 14/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an den Krankenkassen hinsichtlich des Umgangs mit für den MDK bestimmten Unterlagen

Die Bundesdatenschutzbeauftragte für den Datenschutz Andrea Voßhoff hat im Zusammenhang mit für den MDK bestimmten Unterlagen heftige Kritik an den Krankenkassen (und auch am MDK) geübt. In ihrem Tätigkeitsbericht (25. Tätigkeitsbericht 2013-2014) erläutert sie unter der Überschrift 13.8 „Good Will“ des Datenschutzes führte zu Fehlentwicklungen beim sog. Umschlagsverfahren, die Krankenkassen hätten sich Zugang zu Unterlagen verschafft, die dem Medizinischen Dienst vorbehalten sind. Zudem hätte aber auch der MDK die in einem verschlossenen Umschlag erhaltene Unterlagen an die Krankenkasse zur dortigen Ablage offen zurückgegeben, wodurch Krankenkassen Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen erhalten hätten.

Daher hat die Bundesdatenschutzbeauftragte nun folgende Regelung erlassen:

Das sog. Umschlagsverfahren konnte in der Praxis nicht verhindern, dass medizinische Unterlagen nur vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Kenntnis genommen werden. Zukünftig sind die Leistungserbringer verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen direkt dem MDK zu übersenden (25. Tätigkeitsbericht 2013-2014: 201)

Ergänzend schreibt Frau Voßhoff:

Weiter dürfen die Unterlagen auch zu einem späteren Zeitpunkt vom MDK nicht den Krankenkassen zugeleitet bzw. von ihnen zur Kenntnis genommen werden. Die vom MDK erhobenen und gespeicherten Sozialdaten müssen in seinem Zuständigkeitsbereich verbleiben und sind nach fünf Jahren zu löschen.

Fazit: Unterlagen an den MDK sind nicht an die Krankenkassen, sondern an den Medizinischen Dienst zu übersenden!

Anmerkung 1: Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Bundesdatenschutzbeauftragte Kenntnis von Fällen hat in welchen die Unterlagen an die/den Gutachterin (Richtlinien-Psychotherapie) von den Krankenkassen geöffnet wurden.

Anmerkung 2: Angesicht der Zustände in der PKV, wo ein geregeltes Verfahren nicht besteht und PKV-MitarbeiterInnen intimste Daten, z. B. aus dem Bericht der PsychotherapeutInnen (Beantragung einer Psychotherapie) lesen und ein Medizinischer Dienst keineswegs regelmäßig besteht, handelt es sich hier um 'Peanuts' - denen man allerdings zweifellos nachgehen muß. Aber wer kümmert sich um den Datenschutz/Schweigepflicht in der PKV. Eine Petition meinerseits war zwar durchaus erfolgreich, hat die Situation aber nicht ändern können (vgl. AKTUELL: Nummer 13/2012).

Ich wiederhole meine schon oft geäußerte Kritik: Der Datenschutz wird im Bereich der PKV nach wie vor mit Füßen getreten (Grundsätze der Zweckbindung und Datensparsamkeit). PatientInnen werden – zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine Kostenübernahme erfolgt.

Anmerkung 3: Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat aufgrund der Ausführungen von Frau Voßhoff Empfehlungen für die bayerischen Praxen erarbeitet:

Das bisher von einigen Krankenkassen angewandte sogenannte Umschlagverfahren, bei dem für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bestimmte Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag mit dem Hinweis – nur vom MDK zu öffnen – angefordert und über die Krankenkassen an den MDK weitergeleitet werden, wurde von der Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) moniert.

Die bundesunmittelbaren Krankenkassen sind daher aufgefordert, künftig nur noch einen an den MDK adressierten Umschlag zuzusenden. Für bayerische Krankenkassen ist das Umschlagverfahren dagegen nach Auskunft des bayerischen Datenschutzbeauftragten noch möglich.

Ab 01.01.2016 ist eine Neuregelung des § 276 SGB V geplant, wonach die Vertragsärzte und -psychotherapeuten verpflichtet werden sollen, für den MDK bestimmte Unterlagen mit versichertenbezogenen Daten ausschließlich unmittelbar an den MDK zu übermitteln. Bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung ist es aus unserer Sicht möglich, beide Verfahren anzuwenden.

(http://blog.kvb.de/vorstand/2015/07/31/weitergabe-von-patientendaten-an-den-mdk)

Ich halte das für keinen guten Vorschlag!

Anmerkung 4: Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V. und der DGVT-Berufsverbands Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V. hat am 21.07.2015 eine Stellungnahme zu den Verstößen gegen den Datenschutz durch Krankenkassen veröffentlicht: Informationsaustausch zwischen Krankenkassen und MDK – DGVT und DGVT-Berufsverband sehen skandalösen Vertrauensbruch zu Lasten der PatientInnen. Siehe auch "Rosa Beilage. Aktuelles aus der psychosozialen Fach- und Berufspolitik" (Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V.  & Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie - Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e. V.) findet sich in der Ausgabe 3/2015 (11.08.2015) eine Stellungnahme von DGVT und DGVT-BV: Verstöße gegen den Datenschutz durch Krankenkassen: Skandalöser Vertrauensbruch zu Lasten der PatientInnen (Seite 6ff).

Anmerkung 5 (2.09.15): Im Hinblick auf das sogenannte "Umschlagverfahren", bei dem gutachterliche Stellungnahmen über die Krankenkassen an den Medizinischen Dienst der Kassen (MDK) gesendet werden, ist für Anfang 2016 eine gesetzliche Neuregelung geplant.  Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, ist eine Änderung des§ 276 SGB V geplant, die vorsieht, daß VertragsärztInnen und -psychotherapeutInnen verpflichtet werden, die für den MDK bestimmten Unterlagen direktan den MDK zu übermitteln (vgl. Ärzte Zeitung online v. 5.08.15). Die KBV hat darauf hingewiesen, daß von der Stellungnahme der Bundesdatenschutzbeauftragten das Gutachterverfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie nicht betroffen ist (vgl. Ärzte Zeitung online v. 21.07.15). Bislang ist m. W. kein Fall bekannt geworden, bei dem der Bericht an die/den GutachterIn in der Krankenkasse geöffnet worden wäre.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Ärzte Zeitung online v. (21.07.15): Ärzte, aufgepasst: Patientendaten künftig direkt an MDK.

Ärzte Zeitung online v.(5.08.15): Gesetzesänderung: Besserer Schutz für Daten für den MDK

Juli 2015


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AKTUELL: Nummer 13/2015

Gesundheitsminister plant besseren Schutz für ausgelagerte Patientendaten

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung (1.06.15) plant Gesundheitsminister Gröhe den Schutz ausgelagerter Daten (bei IT-Dienstleistern) zu verbessern. Er läßt beim Bundesjustizministerium prüfen, ob die Schweigepflicht auf IT-Dienstleister ausgeweitet werden muß. Denn bislang sind digitale Patientendaten gegen gegen den Zugriff von Behörden (Beschlagnahme) nicht geschützt.

Ärzte Zeitung - online (1.06.15): Gröhe plant: Besserer Schutz für ausgelagerte Patientendaten. Bisher sind digitale Patientendaten nur im direkten Umfeld des Arztes gegen den Zugriff von Behörden geschützt. Das könnte sich bald ändern.

Juni 2015


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AKTUELL: Nummer 12/2015

Beschränkung des Einsichtsrechts in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen

Teil I

Einen ungewöhnlichen Fall der Klage eines Patienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen hatte das Amtsgericht München (1.04.2015; Az: 242 C 20527/14) zu entscheiden. Ein Patient, der bei einer Psychotherapeutin einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der Beendigung der Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der betroffenen Kollegin) - die Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot (nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten (genau handelt es sich um Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns; www.ptk-bayern.de).

Das Gericht bezog sich in seiner Entscheidung nicht auf die Berufsordnung. Es argumentierte vielmehr, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht -  zuzumuten gewesen, dort "Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen". Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig.

Bereits im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung hatte die Psychotherapeutin versucht, die Behandlungsunterlagen an die die zuständige Psychotherapeutenkammer zu übergeben, bei der sie Mitglied ist, damit der Patient dort gegebenenfalls Einsicht hätten nehmen können. Die Psychotherapeutenkammer lehnte die Aufbewahrung der Behandlungsunterlagen jedoch ab.

Anmerkung: Wenn es auch in der Mehrzahl der Fälle PatientInnen sind, die Übergriffen seitens ihrer BehandlerInnen ausgesetzt sind, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Fällen, in welchen PsychotherapeutInnen bzw. BehandlerInnen Opfer von Übergriffen werden. Interessanterweise wird darüber kaum gesprochen. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, daß KollegInnen das Verhalten der PatientInnen schuldhaft mit Schamgefühlen verarbeiten - als vermeintliche Reaktion der PatientInnen auf eine fehlerhafte, unzureichende Behandlung. Selbst wenn das im zu prüfenden Einzelfall so wäre, würde das grenzüberschreitende Verhalten der PatientInnen damit nicht legitimiert. Ähnlich wie im Fall der Grenzüberschreitungen von TherapeutInnen kommt offenbar es zur Schuldumkehr: Nicht der Täter ist verantwortlich für die Grenzüberschreitung, sondern das Opfer hat die Grenzüberschreitung provoziert.

Auch wenn es sich in Relation zu Grenzüberschreitungen bei PatientInnen um eine kleine Zahl von Fällen handelt, scheint es mir sinnvoll diesen KollegInnen Hilfe anzubieten - hier sind die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern gefragt. Vermutlich sind in besonderer Weise Psychotherapeutinnen (Frauen) betroffen, die von Übergriffen ihrer Patienten (Männer) betroffen sind. Auch darauf wäre Rücksicht zu nehmen (weibliche Ansprechpartnerinnen).

Gewaltschutzgesetz-GewSchG: Bundesministerium für Justiz und den Verbraucherschutz (www.gesetze-im-internet.de)

Dr. med. Bernhard Mäulen (Villingen): Bedroht, beschimpft, geschlagen Vom Helfer zum Opfer: Gewalt gegen Ärzte. Orthopädie & Rheuma (publiziert am: 3.6.2013 16:30); www.springermedizin.de

Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein: Ärzte und Psychotherapeuten schildern massive Übergriffe: Gewalt in rheinischen Praxen – ein bedrückendes Thema (06.05.2014 KVNO aktuell)

Mai 2015


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AKTUELL: Nummer 11/2015

118. Deutscher Ärztetag: Änderung der Muster-Berufsordnung zur Einsicht in Behandlungsunterlagen

Teil II (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Der 118. Deutsche Ärztetag hat eine Änderung der Muster-Berufsordnung in vier Punkten beschlossen. Bei der Einsicht in die Dokumentation wurde hinsichtlich möglicher Ausnahmen ein Passus zu Rechten der ÄrztInnen.

§ 10 Abs. 2 Satz 1 der MBO-Ä lautet damit:

Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen in die sie betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter entgegenstehen.

Anmerkung: Die Gesetzesbegründung sieht ÄrztInnen ausdrücklich nicht als Dritte – und ihre Rechte damit an dieser Stelle auch nicht als schutzwürdig an. In der Bundespsychotherapeutenkammer wurde im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der PsychotherapeutInnen (KJP/PP) einerseits und die juristischen Vorgaben andererseits lange um eine entsprechende Änderung der Muster-Berufsordnung gerungen. Die verabschiedete Version 24. Deutschen Psychotherapeutentag (15.05.2014) lautet nun:

§ 11 Einsicht in Behandlungsdokumentationen

(1) Patientinnen und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in der Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener Kosten fordern.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Diese Version wird den juristischen Vorgaben aus dem BGB deutlich gerechter, als die Formulierung in der M-BO für ÄrztInnen. Allerdings ist die M-BO für PP/KJP im Hinblick auf den Satz "Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen" aus Datenschutz- bzw. strafrechtlichen Gründen äußerst bedenklich: Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnten durch eine Überprüfung der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen betroffen sein bzw. verletzt werden.

In der Berufsordnung für die KJP/PP Bayern (Fassung v. 18.12.2014) wurde in § 11 Abs. 2 (Einsichtnahme in die Patientenakte) folgende Formulierung gewählt:

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen.

Pressemitteilung: 118. Deutscher Ärztetag 14.05.2015: (Muster-) Berufsordnung: Änderungen beschlossen

Berufsordnung für für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns (Stand: 18.12.2014): www.ptk-bayern.de

AKTUELL: Nummer 16/2014: 24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen.

Archiv: Teil I

Mai 2015


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AKTUELL: Nummer 10/2015

Vorratsdatenspeicherung - und kein Ende!

(Teil XVII)

Man glaubt es kaum. Trotz des Scheiterns aller bisherigen Bemühungen (zuletzt durch das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes, das die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt hat - siehe Teil XVI), will jetzt die Bundesregierung einen neuen Vorstoß unternehmen. Justizminister Maas, bislang ein erklärter Gegner des Vorhabens ist - vermutlich im Zusammenhang der Koalitionsdisziplin - umgefallen und 'bastelt' an einem neuen Gesetz. Ziel ist es, die vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof gezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit so zu berücksichtigen, daß ein verfassungskonformes Gesetz verabschiedet werden kann. Zudem soll es so abgefaßt werden, daß keine Zustimmungspflichtigkeit der Länder gegeben ist.

Für BerufsgeheimnisträgerInnen (ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, RechtsanwältInnen, Abgeordnete und JournalistInnen) ist geplant, die Verbindungsdaten aus Gründen der technischen Umsetzbarkeit zu speichern, deren Nutzung jedoch zu untersagen. (Kommentar: Es ist mehr als fraglich, ob die Daten letztlich nicht doch im Einzelfall genutzt werden - zumal eine Kontrolle, ob das geschehen ist, kaum möglich sein wird.)

Heribert Prantl weist in seinem Kommentar (Suddeutsche Zeitung v. 16.04.15: 4) auf die Filmkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" hin, in der ein Wetteransager in einer Zeitschleife fest hängt (Anmerkung: Ein sehr sehenswerter Film - einschließlich der psychologischen Momente im Hinblick darauf, wie es dem Mann schließlich gelingt, aus der - vermeintlich äußeren - Sackgasse heraus zu kommen). Prantls Fazit: "Ein Grundrechtsverstoß bleibt ein Grundrechtsverstoß auch dann, wenn er künftig nur noch vier beziehungsweise zehn Wochen dauern soll; das sind die jetzt vorgesehenen Speicherfristen. Der E-Mail-Verkehr soll ausgenommen bleiben." Für besonders problematisch hält er den Umstand, daß auf die Daten nicht nur bei schwersten Straftaten zurückgegriffen werden kann, sondern auch bei leichteren Straftaten, insbesondere dann, wenn diese zur Vorbereitung schwerer Straftaten erfolgen.

Man muß kein Prophet sei um eine weitere längere Auseinandersetzung bis vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für den Fall zu prognostizieren, daß das Gesetz im Bundestag verabschiedet wird.

Anmerkung 1: In der SZ vom 17.04.15 ist unter dem Stichwort "Klagefreude" zu lesen, daß sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Wolfgang Kubicki und Gerhard Baum (beide FDP) Verfassungsklagen angekündigt haben (SZ v. 17.05.15: 5)

Anmerkung 2 (1.08.15): Die SZ  (Robert Rossmann) berichtet am 11.06.15 (Seite 4) unter der Überschrift "Parlaments-Juristen rügen Vorratsdaten-Gesetz. Gutachten des Bundestags: Entwurf missachtet an mehreren Stellen die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben." über Bedenken der Bundestagsjuristen am Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Moniert würden im Gutachten u. a. die Information der Betroffenen und der Schutz von Anwälten und anderen Berufsgeheimnisträgern (Seite 4).

Süddeutsche Zeitung (16.04.15): Vorratsdatenspeicherung. O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

April 2015


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AKTUELL: Nummer 9/2015

Ergänzungen zu AKTUELL: Nummer 8/2015: Nietzsche & Wild Tales - Pasternak

Teil II

Zwar nicht direkt ein Thema der Schweigepflicht aber doch ein Aspekt der Angelegenheit: Vor wenigen Tagen las ich ein Zitat von Nietzsche, das angesichts des - nicht nur im Zusammenhang dieser furchtbaren Tat zutage tretenden -  'Erklärungswahns' bzw. 'Erklärungswahnsinns' einer sich als aufgeklärt bezeichnenden Gesellschaft doch so zutreffend erschien, daß ich es hier veröffentliche:

116.

Die unbekannte Welt des "Subjects". — Das, was den Menschen so schwer zu begreifen fällt, ist ihre Unwissenheit über sich selber, von den ältesten Zeiten bis jetzt! Nicht nur in Bezug auf gut und böse, sondern in Bezug auf viel Wesentlicheres! Noch immer lebt der uralte Wahn, dass man wisse, ganz genau wisse, wie das menschliche Handeln zu Stande komme, in jedem Falle. Nicht nur "Gott, der in’s Herz sieht", nicht nur der Thäter, der seine That überlegt, — nein, auch jeder Andere zweifelt nicht, das Wesentliche im Vorgange der Handlung jedes Andern zu verstehen. "Ich weiss, was ich will, was ich gethan habe, ich bin frei und verantwortlich dafür, ich mache den Andern verantwortlich, ich kann alle sittlichen Möglichkeiten und alle inneren Bewegungen, die es vor einer Handlung giebt, beim Namen nennen; ihr mögt handeln, wie ihr wollt, — ich verstehe darin mich und euch Alle!" — so dachte ehemals Jeder, so denkt fast noch Jeder. (…) Die Handlungen sind niemals Das, als was sie uns erscheinen! Wir haben so viel Mühe gehabt, zu lernen, dass die äusseren Dinge nicht so sind, wie sie uns erscheinen, — nun wohlan! mit der inneren Welt steht es ebenso! Die moralischen Handlungen sind in Wahrheit "etwas Anderes", — mehr können wir nicht sagen: und alle Handlungen sind wesentlich unbekannt. Das Gegentheil war und ist der allgemeine Glaube: wir haben den ältesten Realismus gegen uns; bis jetzt dachte die Menschheit: "eine Handlung ist Das, als was sie uns erscheint." (…).

Nietzsche, Friedrich (1844-1900): Morgenröthe: § 116. Erste Veröff. 31/07/1881 (www.nietzschesource.org/#eKGWB/M-116)

Eine Kollegin wies mich kürzlich auf eine Episode im Film Wild Tales hin: Pasternak

In einem Flugzeug flirtet der Fluggast Salgado mit einer Frau. Im Verlauf ihres Gespräches stellen sie fest, daß sie einen gemeinsamen Bekannten haben: Gabriel Pasternak. Während ihrer Unterhaltung schaltet sich eine andere Frau ein, weil auch sie Pasternak kennt. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, daß ihn alle Passagiere an Bord kennen und ihm in irgendeiner Art und Weise etwas angetan haben. Auch weil niemand die Reise selbst gebucht hat kommen den Passagieren erste böse Vorahnungen, die sich bestätigen, als die Stewardess mitteilt, daß der Flugbegleiter Gabriel Pasternak im Cockpit sitzt und die Tür verschlossen ist. Im Garten eines Bungalows sitzt ein älteres Ehepaar - offensichtlich handelt es sich um die Eltern von Pasternak. Dann ist im Hintergrund ist das herannahende Flugzeug zu sehen, das direkt auf das Haus zurast.

Es handelt sich um eine von sechs unabhängigen Kurzgeschichten, die sich mit den Themen Gewalt, Rache und Vergeltung auseinandersetzen. Dabei wiederholt sich die Konstellation von tiefgreifend gekränkten Menschen, die bei ihnen zu destruktiven Ausbrüchen von Gewalt und Sexualität  führen - teils in Form 'heißer Wut', teils mit 'kaltem Haß'. Dabei erinnert die 4. Episode "Bombita" sehr an Kleists Novelle Michael Kohlhaas aus dem Jahr 1810.

Der Film Wild Tales – Jeder dreht mal durch! (Originaltitel: Relatos salvajes) ist eine schwarze Tragikkomödie des Regisseurs und Drehbuchautors Damián Szifron (2014). Der Film hatte bei seiner Premiere in Argentinien großen Erfolg und war der meistgesehene Film des Jahres 2014. Bei den Festspielen in  Cannes, Toronto und San Sebastian hatte er großen Erfolg und wurde als argentinischer Beitrag für den Preis "Bester ausländischer Film" für die 87. Oscar-Verleihung (2015) ausgewählt. In Großbritannien kam es bei dem für den 27. März 2015 geplante Kinostart zu Kontroversen, weil drei Tage zuvor die Maschine von Gemanwings abgestürzt war. Der Kinostart wurde allerdings nicht verschoben.

Weder wissen wir, ob der Pilot von Germanwings, der das Flugzeug offenbar willentlich zum Absturz gebracht hat den Film gesehen hat (und es sich insoweit um eine Art von Nachahmungstat handelt), noch halte ich es für statthaft über etwaige Diagnosen des Piloten zu spekulieren (Depression, narzißtische Persönlichkeitsstörung, Psychose etc.).

Was bleibt? Schmerz, Wut, Trauer, Ohnmacht und Nachdenklichkeit über das Wesen, die Widersprüchlichkeit und Absurdität der menschlichen Existenz. Währenddessen sind weitere 400 Menschen im Mittelmeer ertrunken - afrikanische Flüchtlinge vor der Küste Libyens, die in Seenot gerieten, weil ihr Schiff kenterte. Die italienische Küstenwache konnte lediglich 144 der wahrscheinlich mehr als 500 Menschen retten.

Archiv (Germanwings): Teil 1

April 2015

 


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AKTUELL: Nummer 8/2015

Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche) Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15)

Teil I

Am 24.03.15 ist ein Airbus A320 (Flug 4U9525) der deutschen Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf mit 150 Menschen in schwer zugänglichem Gelände der französischen Alpen (Département Alpes-de-Haute-Provence) abgestürzt. Zwei Tage nach dem Absturz nach einer erstens Auswertung des Voice-Recorders hat sich die Staatsanwaltschaft in Marseille auf die wahrscheinliche Ursache des Absturzes - eine Suizidhandlung des deutschen Copiloten - festgelegt. Demnach hat dieser die Tür des Cockpits für den kurz abwesenden Kapitän willentlich nicht mehr geöffnet und den Sinkflug eingeleitet. Der Code an der Tür war nach Angaben des Staatsanwalts nicht zum Öffnen der Tür, sondern lediglich zur Identifizierung der Zugangsberechtigten bestimmt. Danach seien die Atemgeräusche des Copiloten und - kurz vor dem Aufprall - die Geräusche der an die Tür hämmernden Crew und Flugkapitäns, der Alarm für die rasche Annäherung der Maschine an den Boden sowie die Schreie der Passagiere zu hören.


Eine nur unzulänglich mit Worten zu beschreibende Situation, die an die Vorgänge in den Twin-Towers kurz von deren Einsturz erinnert. Ich möchte hier einen Moment innehalten - im Gedenken an die Menschen, die so sterben mußten und ihre Angehörigen (Verwandte, Freunde, KollegInnen), die mit diesen Gedanken und Bildern leben müssen.


Am 26.03.16 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Wohnung des Copiloten durchsucht und dabei eine zerrissene, den Tag des Absturzes einschließende, Krankschreibungen, nicht aber einen Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben gefunden. Hingegen fanden sich Hinweise auf eine bestehende Erkrankung und die Behandlung in einer Düsseldorfer Klinik. Die Klinik hat eine "diagnostische Abklärung" im Zeitraum von Februar bis 10. März 2015 bestätigt und die Dokumentation der Staatsanwalt übergeben. Dementiert wurde allerdings, daß der Copilot wegen Depressionen behandelt worden sei. Weitere Einzelheiten unterlägen der ärztlichen Schweigepflicht. (Stand 31.03.2015).

Schon an dieser Stelle halte ich die Schweigepflicht (hier der Klinik) für gebrochen -  jenseits der Frage, wie es überhaupt sein kann, daß unter Verdacht stehende Menschen mit vollem Namen, Wohnort und Details aus seinem Privatleben in die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Doch nun dreht sich der Zirkus der Aufgeregtheiten. Noch bevor die Umstände annähernd geklärt sind, werden Stimmen laut, die (ärztliche) Schweigepflicht für "sensible Berufe" einzuschränken. So äußerte etwa der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer gegenüber der Rheinischen Post: "Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein". Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) soll eine Expertenkommission zur Klärung der Frage vorgeschlagen haben, wie mit ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten umzugehen sei - insbesondere im Fall psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr. Und der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach vertrat in einer Zeitung (auf deren namentliche Erwähnung ich wegen ihres unerträglichen journalistischen Stils verzichte) die Meinung, wenn Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei "der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren". Letzteres ist zwar eindeutig falsch  - aber auf solche Nebensächlichkeiten scheint es derzeit nicht anzukommen.

Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, sprach sich im "Tagesspiegel" für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen aus: "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren". Eine solche Stelle könne (wie bei Meldung von Seuchen) das Gesundheitsamt sein.

Andere, so der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery warnen vor "vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen. (...) Die ärztliche Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Menschenrecht".

Auch die Piloten-Gewerkschaft sprach sich gegen eine Lockerung der Schweigepflicht bei Piloten aus. In der Rheinischen Post soll ihr Präsident, Ilja Schulz, erklärt haben: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat. (...) Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt". Nur wenn die Schweigepflicht bestehe, könne der Arzt echte Hilfe anbieten.

Auf Anfrage der Ärzte Zeitung sagte der der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Prof. Rainer Richter: "Die Schweigepflicht ist nicht das Problem. Das Problem ist das Erkennen der Fremdgefährdung. Dafür gibt es keine absolut verlässliche Methode. Ärzte und Psychotherapeuten sind heute schon verpflichtet zu melden, wenn ein Patient beabsichtigt, andere zu töten" (siehe dazu auch das Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) v. 30.03.15). Auch Dieter Best, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung warnte im Gespräch  mit der Ärzte Zeitung davor, voreilige Schritte zu unternehmen: "Dies ist eine Diskussion der Hilflosigkeit. Die Schweigepflicht muss für alle Patientengruppen gelten. (...) Damit würde man bestimmte Berufsgruppen von der Psychotherapie ausschließen. Nur auf Basis von Vertrauen kann eine gute Therapie gelingen". Auch der Vertreter des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, argumentierte ähnlich: "Eine Lockerung dieses besonderen Rechtsschutzes kann unter anderem auch dazu führen, dass Patienten sich überhaupt erst gar nicht in Behandlung begeben oder sich gegenüber ihrem Arzt öffnen".

Anmerkung: Ich habe oben aus verschiedenen Presseberichten berichtet, insbesondere aus der Ärzte Zeitung online; da die Qualität der journalistischen Berichterstattung kein Ruhmesblatt der deutschen Pressegeschichte darstellt (auch seriöse Zeitungen berichten unter Nennung der Namen von Beteiligten) kann ich keine Gewähr für die Richtigkeit geben.

In der Ärztezeitung (siehe unten) äußert sich der Medizinrechtler Dr. Ingo Pflugmacher zu den Voraussetzungen (des rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB) unter denen die Schweigepflicht gebrochen werden kann.


Weitere Stimmen dazu:

Berliner Zeitung (31.03.15) : "Schweigepflicht. Das Arzt-Patientenverhältnis muss geschützt werden". Im Interview mit Daniela Vates sah der Professor für Medizinrecht in Göttingen, Gunnar Duttge, die Schweigepflicht des Uniklinikums Düsseldorf sowohl standesrechtlich wie auch strafrechtlich verletzt:  "Das gilt für die Bekanntgabe von Terminen des Patienten über die Andeutung des Grunds der ärztlichen Behandlung bis zur Übergabe der Krankenakte an die Staatsanwaltschaft." Auf die Frage, ob die  Vorschrift zum rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) geändert werden sollte, meinte er:  "Aus meiner Sicht nicht. Der Datenschutz ist ein hoher Wert, insbesondere im Arzt-PatientenverhäItnis. Beim Arzt offenbaren sich Menschen in einer Weise wie sonst nie gegenüber Fremden. Sie müssen sicher sein, dass diese Daten geschützt werden." Und auf die Frage, ob man so viel Rücksicht auf den Datenschutz eines Einzelnen nehmen könne, wenn 149 andere Menschen vielleicht durch ihn gestorben seien, antworte Prof. Duttge: "Mit der gleichen Logik könnten Sie bei anderen Ermittlungen Beschuldigte foltern. Wir schützen Menschenrechte, gerade dann, wenn es zum Konflikt kommt, wenn es Druck gibt. Dazu gehören auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Wir bräuchten keine ärztliche Schweigepflicht, wenn es niemanden gäbe, der Interesse an den Daten haben könnte."

Ärzte Zeitung - online (2.04.15): "Diskussion über Schweigepflicht ist schädlich". Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Professor Hans Drexler, warnte davor, "das hohe Rechtsgut des Vertrauensverhältnisses von Arzt und Klient durch eine wenig differenzierte Diskussion um eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern zu gefährden" und bezeichnete die Diskussion in der Öffentlichkeit als "wenig qualifiziert bis schädlich". Wenn Patienten sich nicht mehr gegenüber den behandelnden ÄrztInnen offenbarten, weil sie befürchten müßten, daß der Arbeitgeber davon erfahre, würde das  "mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten" bedeuten.

aerzteblatt.de (30.03.15): "Eine Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht ist der falsche Weg". Prof. Frank Ulrich Montgomery warnte im Interview vor einer "Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht". Sie sei "eine Verpflichtung des Arztes und ein Menschenrecht der Patienten. Wir wollen doch nicht, dass in Zukunft jede depressive Verstimmung sofort zu einem Flugverbot führt. Hier muss die Kirche im Dorf gelassen werden." Zur Problematik der Flugtauglichkeit unterscheidet Montgomery zwischen der (gutachterlichen) Tätigkeit eines Fliegerarztes, der mit Einwilligung des Piloten seine Einschätzung abgibt und einem "therapeutische(n) Setting, bei dem ein Patient zu einem Arzt seines Vertrauens geht, um eine medizinische Problematik zu besprechen. In diesem Fall muss der Arzt dem Patienten raten, dass er nicht fliegen sollte. Deswegen schreibt er ihn krank. So viel Vertrauen in menschliches Verhalten und so viel Einsicht, dass der Patient die Krankschreibung auch an seinen Arbeitgeber weitergibt, müssen wir dabei schon erwarten." Und weiter: "Man sollte vor allem nicht glauben, dass man suizidales Verhalten mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen kann. Bilanzselbstmorde geschehen aus einem Affekt heraus und selbst Menschen, die sich in intensivster Psychotherapie befinden, begehen Suizid. Hier wird durch politische Schnellschüsse wie die Einrichtung von Expertenkommissionen oder die Aushöhlung der Schweigepflicht, versucht, ein Gefühl der Pseudosicherheit zu schaffen."

Psychotherapeutenkammer Hessen (Pressemitteilung v. 2.04.15):  Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie Katastrophen zu verhindern?

www.sueddeutsche.de (31.03.15 - 09:17): "Konsequenzen aus dem Flugzeugunglück. Ärztliche Schweigepflicht muss streng bleiben. Nach der Germanwings-Tragödie wäre eine gelockerte Schweigepflicht für Ärzte und Psychologen der falsche Weg. Das würde die Grundlage des Arzt-Patienten-Verhältnisses erschüttern (von Werner Bartens)." Abgesehen davon, daß der Autor offenbar den Unterschied zwischen PsychologInnen, Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen nicht kennt, ein lesenswerter Kommentar.

Ergänzung 13.06.15

Die Süddeutsche berichtet in einem  ausführlichen Beitrag unter der Überschrift "Blind vor Angst" (SZ 12.06.13 Nr. 132:3) über die Vielzahl an Fehlinformationen und Falschaussagen, die über den Piloten berichtet wurden - ob nun wiederum diese Informationen verläßlich sind ...

Sichtbar wird an diser Stelle ein Phänomen der modernen Informationsgesellschaft, die erregt danach giert, Informationen zu generieren, zu verbreiten und aufzunehmen - sofort und mit dem Anspruch auf 'Wahrheit'. Manche Beiträge von JournalistInnen, aber auch von PsychologInnen/PsychotherapeutInnen/ÄrztInnen und Anderen, die glauben berufen zu sein, sich über die Psyche anderer Menschen auszulassen, wirken wie eine Art masturbatorischer Betätigung (bei VerfasserInnen und Publikum), welche dem Nicht-spüren-müssen von Leere und Angst angesichts von Nicht-Wissen und Ohnmacht dienen. Letztlich werden wir durch solche Taten an die eigenen (aggressiven bzw. destruktiven) inneren Abgründe erinnert, die in der modernen Welt ihren Ausdruck einerseits in roher Gewalt finden und andererseits in mehr oder weniger subtilen destruktiven Handlungen (Risikoverhalten im Straßenverkehr, Shitstorms, Mobbing, Stalking, gefährliche Sportarten, Steuerhinterziehung etc.).


Doch worum geht es eigentlich:

Katastrophen stellen einen Angriff auf unser Kohärenzgefühl dar. In der von Antonovsky entwickelten Theorie der Gesundheit ("Health, stress, and coping") spielt der Kohärenzsinn ("sense of coherence") eine zentrale Bedeutung. Er bezeichnet eine "globale Orientierung, die zum Ausdruck bringt, in welchem Ausmaß eine Person über ein durchdringendes, überdauerndes aber doch dynamisches Gefühl des Vertrauens verfügt, dass die eigene innere und äußere Umwelt vorhersagbar sind und dass sich die Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit so entwickeln werden, wie man es vernünftigerweise erwarten kann" (Antonovsky 1979, 123; Übers. d. Verf.). Existenz und Ausprägung des Kohärenzsinns sind von entscheidender Bedeutung dafür, an welchem Ort sich eine Person im Kontinuum von "Health Ease/Dis-ease" befindet.

Im Unterschied zu 'alltäglichen' Katastrophen (Unfälle, Krankheit, Trennungen, Tod, Kränkungen etc.), die bei den unmittelbaren Betroffenen (einschließlich des psychosozialen Umfelds) zu einer Beeinträchtigung des Kohärenzgefühls und weitergehend zu einer physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung bzw. Erkrankung führen können, werden die durch Medien an jeden Ort der Welt verbreiteten 'Großschadensereignisse' (ein grauenhafter Begriff!) von Großgruppen wahrgenommen, die als Zuschauer 'teilnehmen'. Die Erleben der einzelnen Individuen wird dabei durch die (je nach Medium und Redaktion/Eigentümer) unterschiedliche Art der Darstellung beeinflußt und auf bestimmte Details gelenkt oder auch von solchen abgelenkt.

Zunächst konfrontiert uns das Geschehen mit der dem Individuum jederzeit drohenden, nun aber unmittelbar wahrgenommenen Gefährdung unserer Existenz - und weitergehend - auch der Endlichkeit unserer Existenz. Bewußt erlebt wird die Ohnmacht angesichts dessen, was geschieht und was wir nicht oder nur sehr partiell zu beeinflussen vermögen. Um diese Ohnmacht nicht aushalten zu müßen, liegt es nahe, einen Zustand anzustreben, der von der Vorstellung, von der Illusion getragen ist, (wieder) Einfluß nehmen zu können.

Die insbesondere bei Journalisten zu beobachtende Tendenz, sofort nach Ursachen und Schuld zu suchen (und über verschiedenste Möglichkeiten, möglichst mit 'ExpertInnen' verschiedenster Herkunft zu spekulieren) kommt dem Bedürfnis der 'KonsumentInnen' entgegen, möglichst wenig mit der Ohnmacht des Augenblicks und den damit einhergehenden Affekte und Gefühle (Trauer, Wut, Angst und Panik) konfrontiert zu werden.

Nicht anders ist der Versuch zu verstehen, daß PolitikerInnen, betroffenen Verbände, Gewerkschaften und andere Beteiligte Personen und Institutionen sofortige Maßnahmen fordern, die häufig wenig mit den kausalen (zumeist vorerst oder dauerhaft unklaren) Ursachen für das Eintreten des Ereignis zu tun haben. Hinzu kommt, daß einfache Erklärungen kaum zu erwarten sind - meist handelt es sich ja um überaus komplexe und schwer zu durchschauende (psychologische) Vorgänge, die oft schon von den Protagonisten (PolitikerInnen, Journalisten etc.) nur ansatzweise verstanden werden und  weder dem Format journalistischer Beiträge (Rundfunk, Fernsehen, Zeitung und Internet) noch dem Interesse und Verständnis der breiten Leser-, Hörer bzw. Seherschaft entsprechen. Daß dabei auch andere Faktoren eine Rolle spielen (narzißtische Bedürfnisse, Machtstreben, Erwartung durch Medienpräsenz den Status und/oder Wahlchancen zu erhöhen) spielt zuweilen wohl auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht zuletzt scheinen gerade PolitikerInnen, aber auch andere Beteiligte auf vermeintliche oder reale Vorwürfe (häufig in Boulevardzeitungen lanciert) zu reagieren, sie würden 'wieder einmal nichts zu tun'.

Bei mehr oder weniger namhaften FachkollegInnen muß man sich schon sehr wundern, mit welcher (vermeintlichen) Selbstsicherheit sie sich mit Erklärungen zu den psychologischen Hintergründen von Handlungen in die Öffentlichkeit wagen, ohne die genauen Tatvorgänge oder die daran beteiligten Personen zu kennen.

Im Hinblick auf die Schweigepflicht muß noch etwas anderes bedacht werden. Dieter Best von der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), ein berufspolitisch sehr aktiver Verhaltenstherapeut meint im Zusammenhang des Flugzeugabsturzes und die Möglichkeiten, PatientInnen von etwaigen suizidalen Handlungen abzuhalten: "Instrumente dafür gibt es bereits, dafür muss die Schweigepflicht nicht gelockert werden. (...) Konkrete Gefahren können Psychotherapeuten mit einiger Berufserfahrung sehr gut einschätzen". Hier deutet sich eine weitere Illusion an, die wirklich gefährlich ist - als könnten (?), sollten (?) müßten (?) PsychotherapeutInnen könnten eine 'Gefährlichkeitsprognose' abgeben. Abgesehen davon, daß suizidale Handlungen überwiegend ausschließlich gegen die eigene Person gerichtet sind wären statistisch zu erwartende Effekte (fasch positiv und richtig negativ) unumgänglich. Denn: Eine Prognose ist eine Prognose ist eine Prognose - auch wenn man mit noch so viel Sorgfalt vorgeht.

Zunächst: Das Auftreten von Suizidgedanken im Verlauf eines Lebens ist, gerade in Zeiten von Krisen (auch der Pubertät) nichts genuin Ungewöhnliches oder gar Pathologisches. Deutlich seltener als Suizidhandlungen, die sich gegen die eigene Person richten - und oft auch Appellcharakter haben (oftmals Suizidversuche/Suizidanten), sind erweiterte Suizide bei denen Dritte mit in den Tod gerißen werden (Angehörige, insbesondere eigene Kinder) und solche, bei denen auch Unbeteiligte vom Suizidenten getötet werden (Amokläufe, Selbstmordattentate, geplanter Flugzeugabsturz).

Zwar sind erfahrene PsychotherapeutInnen sicherlich geschulter (als die Allgemeinbevölkerung) Anzeichen für krisenhafte Zuspitzungen, fremd- oder autoaggressive Handlungen bzw. Suizidgedanken zu erkennen (präsuizidales Syndrom). Und bei der Behandlung von  PsychotherapiepatientInnen gilt es, auf Zeichen und Hinweise (oder intuitives Erleben im eigenen Inneren) zu achten - und entsprechende Gedanken des Patienten oder eigene Überlegungen anzusprechen und zu bearbeiten - gerade auch im Hinblick auf die Frage, wie drängend Suizidgedanken im Hinblick auf ihre Umsetzung sind oder werden könnten. Doch kommt es nach meiner Erfahrung (15 Jahre  Sozialpsychiatrie, 14 Jahre Psychotherapiepraxis) sehr selten zu konkreten Suizidhandlungen oder konkreten Plänen - und nicht selten erfährt man von diesen erst im Nachhinein. Es wäre aber auch eine Größenphantasie zu glauben, durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen entsprechende Absichten immer verhindern zu können - auch PsychotherapeutInnen (selbst PsychoanalytikerInnen!) können nicht in ihre PatientInnen hineinschauen.

In einer Zeit, die dem Popanz der Machbarkeit verfallen ist - wird Nicht-wissen, Nicht-erklären-können,  Nicht-verstehen-können als eine Demonstration der Ohn(e)-Macht erlebt, die bekämpft und ausgemerzt werden muß. Aushalten-können und containen (wie wir als PsychoanalytikerInnen sagen) sind nicht mit Nichts-tun zu verwechseln und sind vielleicht gerade jene Eigenschaften (der TherapeutInnen), die Ausgangspunkt wirklicher Veränderung sein können.

Wer ernsthaft glaubt, durch Einschränkungen der (ärztlichen) Schweigepflicht könnten solche Taten verhindert werden, hat von ihrer behandlungstechnischen Bedeutung wenig verstanden: Erst der (auch) durch die Vertraulichkeit geschützte Therapieraum eröffnet die Möglichkeit sich offen mit bewußten und oftmals auch unbewußten (auto-) aggressiven Impulsen auseinandersetzen zu können.

Ärzte Zeitung - online (30.03.15): Andreas L. einst selbstmordgefährdet. Politiker fordern Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht. Der Co-Pilot der abgestürzten Germanwings-Maschine galt vor Jahren als selbstmordgefährdet und war in psychotherapeutischer Behandlung, berichtet die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Die neuen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand haben eine Debatte um die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht entfacht.

Ärzte Zeitung - online (31.03.15): Gefahrenquelle Patient. Wann Ärzte ihre Schweigepflicht brechen müssen. Hätten die behandelnden Ärzte von Andreas L. das Gefahrenpotenzial erkennen können und die Behörden darüber informieren müssen? Die ärztliche Schweigepflicht verbietet es, sich Dritten zu offenbaren - in der Regel, denn es gibt Ausnahmen. Welche, schildert ein Medizinrechtler. (Von Dr. Ingo Pflugmacher)

Ärzte Zeitung - online (31.03.15): Diskussion um Schweigepflicht geht weiter. Hätte eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht die Germanwings-Katastrophe verhindern können? Darüber ist unter Politikern und Ärzten eine Diskussion entbrannt. Jetzt melden sich auch Piloten zu Wort.

 Interview Prof. Dr. Rainer Richter (Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer mit der Deutschen Presse-Agentur (30.03.2015) zur Schweigepflicht auf dem Hintergrund des Interviews ist der Flugzeugabsturz in den französischen Alpen.

Psychotherapeutenkammer Hessen Wiesbaden (Pressemitteilung v. 2.04.15):  Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie Katastrophen zu verhindern?

April 2015


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AKTUELL: Nummer 7/2015

Psychotherapeut verschickt Postkarte, die den Adressaten als Patienten identifiziert

Aus Anlaß eines Berichts in den Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein im Psychotherapeutenjournal (PTJ 1/2015: 105) habe ich einen Leserbrief  geschrieben:

Im Bericht über "Beschwerden in 2014" berichten Mitglieder der Kammervorstands über eine vom Therapeuten verschickte Postkarte deren Inhalt den Adressaten als Psychotherapiepatient identifizierte und schreiben dazu: "Landläufig würde man wohl davon ausgehen, dass hier ein Verstoß gegen die Schweigepflicht vorliegt. Dem ist aber nicht so. Um einen Verstoß gegen die Schweigepflicht hätte es sich nur dann gehandelt, wenn nachgewiesen werden könnte, dass eine unbefugte Person tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt der Postkarte erlangt hätte, diese also tatsächlich gelesen hätte. Hierfür gab es aber keine Hinweise, sodass hier lediglich ein nicht hinreichend sorgsamer Umgang mit schützenswerten Daten festgestellt werden konnte."

Diese Auffassung ist aus meiner Sicht zumindest fragwürdig: Der Strafrechtskommentar Schönke/Schröder (28. Aufl. 2010: 1837, RN 20, Bearbeiter Lenkner/Eisele) führt dazu aus: "Da die Sonderpflicht des § 203 nicht lediglich auf Verschwiegenheit, sondern (…) auf die Wahrung des Geheimnisses gerichtet ist, ist ein Offenbaren auch durch Unterlassen möglich, so zB wenn der Arzt die Einsichtnahme in seine Krankenblätter oder gar deren Mitnahme nicht verhindert (…). Das bloße Herumliegenlassen mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte genügt dafür aber für sich genommen noch nicht (…), vielmehr sind hier entsprechend dem positiven Tun die Voraussetzungen des § 13 nur erfüllt, wenn der Dritte von dem Inhalt des Geheimnisses entweder tatsächlich Kenntnis genommen oder das fragliche Dokument usw. in seinen Gewahrsam gebracht hat und dies von dem Schweigepflichtigen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde (…).

Andere Kommentatoren sehen den Tatbestand der Verletzung der Schweigepflicht schon durch das Herumliegen von Krankenblättern mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme als erfüllt an. In dem geschilderten Fall scheint mir kaum ein Zweifel daran zu bestehen, daß sich die fragliche Postkarte (vorübergehend) im Gewahrsam unbefugter Personen befand und dies von dem Schweigepflichtigen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde.

Daneben kann man sich fragen, ob nicht noch weitere Berufspflichten verletzt wurden, so etwa die in der Berufsordnung der PTK Schleswig-Holstein dargelegten Grundsätze zu Behandlungsmaßstäben und Sorgfaltspflichten (§ 10).

Dr. Jürgen Thorwart

Johann-Sebastian-Bach-Weg 9

82223 Eichenau

www.schweigepflicht-online.de

Psychotherapeutenjournal 1/2015: 105: Beschwerden in 2014:

März 2015


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AKTUELL: Nummer 6/2015

Psychotherapeutenkammer Berlin: MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht. Aussagepflicht vor Gericht? Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)

Bei Recherchen habe ich den folgenden Beitrag der Psychotherapeutenkammer Berlin gefunden, der sich mit dem Zeugnisverweigerungsrecht vor Zivilgerichten und Strafgerichten bezieht; zum Teil verweist er auch auf Bestimmungen aus der Berufsordnung der PTK Berlin.

Psychotherapeutenkammer Berlin: MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht. Aussagepflicht vor Gericht? Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)

März 2015


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AKTUELL: Nummer 5/2015

Psychotherapeut (Diplom-Psychologe) verletzt durch Bescheinigung beim Familiengericht seine Schweigepflicht

Die Recklinghäuser Zeitung berichtet in einem Beitrag vom 14. März 2015, 14:07 Uhr (Zitat):

RECKLINGHAUSEN Wegen eines "Geheimnis-Verrates" landete jetzt ein Recklinghäuser Psychotherapeut vor Gericht. Ein Vater hatte Strafanzeige gestellt, weil er in einem Sorgerechts-Streit eine Verletzung der Schweigepflicht des Therapeuten ausgemacht hatte.

Der Psychotherapeut (53) aus Recklinghausen ist nur knapp an einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen die Schweigepflicht vorbeigeschrammt. Vize-Amtsgerichtsdirektor Manfred Borgstädt bestätigte: Gegen Zahlung von 3 600 Euro Geldauflage wurde das Verfahren eingestellt.
„Bescheinigung zur Vorlage beim Familiengericht.“ Es war diese Widmung zur Informationsweitergabe auf einem Schreiben an eine Patientin, die die Bochumer Staatsanwaltschaft veranlasst hatte, gegen den Diplom-Psychologen wegen „Verletzung von Privatgeheimnissen“ zu ermitteln. Da das Schreiben keineswegs nur Infos aus Therapiegesprächen mit der eigentlichen Patientin, sondern wunschgemäß auch Mitteilungen über Persönlichkeitsdefizite ihres Mannes enthielt, sorgte es Ende 2014 vor dem Oberlandesgericht in Hamm für Riesenärger. Dort stritten die Patientin und ihr Mann um das Sorgerecht für ein Kind. Der Mann, der bei dem Psychotherapeuten einmal auch ein gemeinsames Paartherapiegespräch mitgemacht hatte, fühlte sich durch dessen Bescheinigung, er habe „Alkoholprobleme“ und sei „manipulativ“, verraten – und erstattete Strafanzeige.
Vor Gericht zeigte sich der Therapeut einsichtig, mit der Info-Preisgabe damals wohl über das Ziel hinaus geschossen zu sein. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren gegen Zahlung von 3600 Euro eingestellt. Damit behält der Therapeut seine strafrechtlich weiße Weste.

Anmerkung: Die Verletzung der Schweigepflicht berührt hier zwei Ebenen: Die unbefugte Weitergabe von Geheimnissen, die der Sphäre des Ehemannes angehören (z.B. möglicher Alkoholkonsum, Verhalten gegenüber Kindern) von welchen der Psychotherapeut im Rahmen eines Paargespräches Kenntnis erlangt hat; die Weitergabe ist selbstverständlich nur mit Einwilligung des Ehemanns zulässig. Hätte dieses Gespräch nicht stattgefunden und wäre die Offenbarung von Geheimnissen des Ehemanns ausschließlich über die Patientin erfolgt, würde das am Ergebnis nichts ändern. Denn die den Ehemann betreffenden Geheimnisse unterliegen alleine seiner Verfügungsgewalt - eine Weitergabe wäre demnach nur mit seiner Einwilligung möglich. Insbesondere auch im Bereich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen durch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen ist bei Stellungnahmen an das Familiengericht Vorsicht geboten. 

Recklinghäuser Zeitung (14. März 2015, 14:07 Uhr): Gericht Geheimnis-Verrat wird teuer

März 2015


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AKTUELL: Nummer 4/2015

Die Schweigepflicht gegenüber dem Finanzamt - Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 (V R 16/12)

Wiederholt ist mir von KollegInnen im Rahmen von Betriebsprüfungen mitgeteilt worden, daß die PrüferInnen Original-Rechnungen mit Patientendaten (Name, Anschrift, teilweise auch mit Diagnosen) einsehen wollten. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Rechnungen nicht mit Rechnungsnummern versehen wurden, weil dann die Buchungsbeträge nicht eindeutig zuzuordnen sind. Zur Vermeidung solcher 'Zwischenfälle' sollte dies also unbedingt geschehen. Die Rechtmäßigkeirt dieser Einsichtnahme ist umstritten (siehe den Beitrag von RA Dr. Rüping, juristische Beraterin der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen 2004:  Müssen PP/KJP dem Finanzamt Patientennamen offen legen?).

Auf dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 (V R 16/12) mehren sich nun die Anzeichen dafür, daß die Schweigepflicht Vorrang vor dem Auskunftsinteresse der Finanzbehörden hat: Dabei hat der BFH entschieden, daß Kliniken und ÄrztInnen Namen von PatientInnen nicht nennen müssen, um Steuerfreiheit zu erreichen. Es ging dabei um (üblicherweise umsatzsteuerpflichtige) Schönheits-Operationen, für die Steuerfreiheit erreicht werden sollte.

In der Pressemeldung des BFH heißt es dazu:

Darüber ist auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen zu entscheiden. Das Regelbeweismaß ist auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" zu verringern. (...) Eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden. Stattdessen ist auf der Grundlage der anonymisierten Patientenunterlagen ein Sachverständigengutachten über die mit der Operation verfolgte Zielsetzung einzuholen. Der BFH betont auch die den Steuerpflichtigen (Klinik oder Arzt) treffenden Mitwirkungspflichten. Dieser muss --auf anonymisierter Grundlage-- detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung machen.

Der BFH hob dementsprechend das Urteil der Vorinstanz auf, "das eine Beweiserhebung von einer Benennung der behandelten Patienten abhängig gemacht hatte. Die Sache wurde an das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Mit einem weiteren Urteil vom gleichen Tag hat der V. Senat ebenfalls zur Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen entschieden (V R 33/12)." (Pressemeldung des BFH v. 18.02.2015).

Bundesfinanzhof: Pressemitteilung v. Nr. 13 vom 18. Februar 2015

Ärztezeitung 25.02.15: Umsatzsteuer. Schweigepflicht gilt auch, wenn der Fiskus fragt.

Rüping (2004): Müssen PP/KJP dem Finanzamt Patientennamen offenlegen?

März 2015


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AKTUELL: Nummer 3/2015

Bundesarbeitsgericht (Erfurt): Grenzen  der Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen

In der Pressemeldung (7/15) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Haltung so formuliert:

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch ("Schmerzensgeld") begründen.

Die Entscheidung erging mit Datum vom 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - (Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 -)

Pressemitteilung BAG 7/15: Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen

Februar 2015


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AKTUELL: Nummer 2/2015

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor dem Start in den online-Betrieb

(Teil XIX)

Seit Jahresbeginn ist die Vorlage einer egK verpflichtende Voraussetzung der Inanspruchnahme ärztlicher und psychotherapeutischer Listungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Nur in Ausnahmefällen kann eine schriftliche Bestätigung der jeweiligen Krankenkasse vorgelegt werden).

Während das Bundesgesundheitsministerium demnächst ein "E-Health-Gesetz" vorlegen möchte (geregelt werden sollen u. a. Fristen für die online-Anwendungen wie Notfalldaten, Entlaßbriefe, Arzneimanagement, aber auch entsprechende Finanzierungsregelungen), hat der GKV-Spitzenverband beschlossen die für die eGK vorgesehenen Gelder (57 Millionen Euro für den Haushalt der Betreibergesellschaft der Gesundheitskarte - gematik) zu sprerren. (Anmerkung: Die Sperre wurde nach wenigen Tagen wieder aufgehoben; Arzte Zeitung v. 19.01.15.)

Für den Herbt diesen Jahres ist eine große Online-Testphase (Rollout Stufe 1) geplant (getestet wird der Abgleich der Versichertenstammdaten und die qualifizierte elektronische Signatur), ab Mitte 2016 soll der online-Abgleich der Versichertenstammdaten dann flächendeckend erfolgen.

Ärztezeitung v. 8.01.2015: Ist die Kassen-Drohung nur ein Hilferuf? Neuer Zoff um die E-Card: Der GKV-Spitzenverband will der Betreibergesellschaft der elektronischen Gesundheitskarte den Geldhahn zudrehen. Doch geht es dabei wirklich nur darum, Druck auf die Ärzteschaft auszuüben?

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + Teil XVI + Teil XVII + Teil XVIII

Januar 2015


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AKTUELL: Nummer 1/2015

Der Umgang der PKV mit Gesundheitsdaten

Die Fraktion Die Linke (Harald Weinberger u. a.) hat eine Kleine Anfrage beim Bundeskanzleramt eingereicht. Hintergrund ist die Absicht eines privaten Versicherungskonzerns (Generali-Gruppe) Verfgünstigungen für Versicherte einzuführen (Rabatte, Prämiennachlässe für Krankenversicherungspolicen), die der elektronischen Datenübermittlung (Fitness, Ernährung, Lebnensstil) an den Versicherer zustimmen und z. B. Sport treiben, Nicht rauchen oder Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Die Übermittlung der Daten würde in digitaler Form (etwa mittels von Apps) erfolgen. Auch der Axakonzern hat Pläne, di in dieselbe Richtung gehen: Er schloß kürzliche eine Koopertionsvereinbarung mit Samsung, die vorsieht, daß die vom Elektronikhersteller angebotene Armbanduhr "Gear 3" mit Hilfe eines Samsung-Smartphone Fitnessdaten aufzeichnet und an den Versicherer überemittelt.

Die Abgeordneten möchten von der Bundesregierung wissen, wie sie zu solchen Plänen bzw. Vorhaben steht, welche Regulierungsmaßnahmen in diesem Bereich vorgesehen sind und ob diese Konzepte der Prämienkalkulation nach Einschätzung der Bundesregierung zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen führen könnte.

Ärztezeitung v. 14.01.2015: Was macht die PKV mit Gesundheitsdaten? Die Fraktion Die Linke will von der Bundesregierung wissen, was sie gegen einen möglichen Missbrauch von Gesundheitsdaten zu tun gedenkt, die von privaten Krankenversicherungen gesammelt werden.

Januar 2015


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2015


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AKTUELL: Nummer 25/2014

Der Bundesnachrichtendienst hat Daten von BundesbürgerInnen jahrelang an die NSA weitergeleitet

Nach Informationen des NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung (4./5.10.2014) wurden von 2004-2009 Daten weitergeleitet, die am Internetknoten Frankfurt abgefangen wurden, nachdem die NSA darauf gedrungen hatte. Nach der zwischen den Diensten getroffenen Vereinbarung sollten dabei die grundgesetzlich geschützte Kommunikation herausgefiltert werden, was aber technisch nur teilweise gelang. Der Umfang der auf diese Weise rechtswidrig in die USA gelangten Informationen ist nicht bekannt und soll nun vom zuständigen NSA-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages ermittelt werden. Die für Zugriffe auf Kommunikationsdaten zuständige G-10-Kommision des Bundestages hat zwar das Abhören des Knotenpunkts Frankfurt durch den BND genehmigt, wurde aber nicht darüber informiert, daß die Daten an die NSA weitergeleitet wurden. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages war offenbar nicht über die Operation 'Eikonal' informiert. Genehmigt wurde sie vom damaligen Kanzleramtsminister (Steinmeier) und bereits damals soll es sogar im BND Bedenken gegeben haben (SZ v. 4./5.10.2014: 1).

Heribert Prantl spricht in einem Kommentar zur Operation 'Eikonal' vom "Totalverlust eines Grundrechts (...). Der Wesensgehalt des Artikels 10, Fernmeldegeheimnis, ist offensichtlich nicht nur angetastet, er ist schon ziemlich zerstört" (SZ v. 4./5.10.2014: 4).

Als Eikonal (altgriechisch: εἰκών eikon = Bild, Abbild) wird in der geometrischen Optik die Strecke eines Lichtstrahls zwischen Ausgangs- und Endpunkt bezeichnet (wikipedia.org).

Oktober 2014


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AKTUELL: Nummer 24/2014

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die Anwesenheit von Medizinstudenten während einer Geburt verletzt ohne die ausdrückliche Zustimmung der Mutter deren Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens); Urteil v. 9.10.2014 (Az.: 37873/04)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat einer zum Zeitpunkt der Geburt 18-jährigen Russin, die in einer Klinik in ihrem Heimatland entbunden hat, eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil  bei der gut halbstündigen Geburt entgegen ihrem Willen mehrere Medizinstudenten im Kreißsaal anwesend waren, die offensichlich auch über ihren gesundheitlichen Zustand und die bisherige Behandlung informiert worden waren. Die Klinikbroschüre enthielt eine Information über das Ausbildungsprogramm der Klinik, an dem alle Patienten beteiligt würden.

Zuvor hatte die Frau schon in Russland wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte gegen die Klinik geklagt, war jedoch abgewiesen worden. Der EGMR sah hingegen ihr Recht auf Privatleben verletzt (§ 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EGMR). Die Teilnahme von Studenten bei einer Geburt sei zwar grundsätzlich durchaus zulässig und nach russischem Recht auch vorgesehen gewesen. Damals (1999) sei die entsprechende Regelung aber einseitig auf die mediziniche Ausbildung fokussiert und die Rechte der PatientInnen nicht ausreichend geschützt gewesen. Zudem sei der Eindruck erweckt worden, die Teilnahme der Studenten sei zwingend und alternativlos.

Anmerkung: Das Urteil ist insofern bemerkenswert, als die Frau den Mut hatte eine Klage in Rußland und dann in Straßburg anzustrengen. Ich bin überzeugt - und weil es auch aus eigener Erfahrung - daß PatientInnen in der Regel weder informiert werden, ob an der Behandlung nicht unmittelbar Beteiligte (die PatientInnen ebenfalls bekannt sein müssen) anwesend sind, geschweige denn in diesem Fall ihre Zustimmung eingeholt wird.

Urteil des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) v. 9.10.2014 (Az.: 37873/04)

Oktober 2014


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AKTUELL: Nummer 23/2014

Datenschutz in der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet

Frau Prof. Dr. med. Renate Schepker vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg hat im Deutschen Ärzteblatt einen Artikel veröffentlicht, der auf die Risiken durch eine immer detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie hinweist. Betroffen ist die besonders vulnerable Gruppe psychisch erkrankter Menschen.

Mit dem - freundlicherweise erteilten - Einverstänbdnis der Autorin gebe ich hier den aus meiner Sicht außerordentlich wichtigen Beitrag in der Fassung des Deutschen Ärzteblatt (siehe unten) wider:

Datenschutz in der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet

Eine immer detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie birgt Risiken für die besonders vulnerable Patientengruppe.

Der mündige Bürger vertraut darauf, dass er ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat. Dazu gehört eine volle Aufklärung über die Weitergabe von Sozialdaten nach § 4 a des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Diese erfordert die Schriftform und ist „nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht“. Nach § 3 BDSG bedarf es darüber hinaus einer ausdrücklichen Einwilligung, soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, zu denen „Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben“ zählen. In keinem Fall, könnte man daraus schlussfolgern, würden also besonders sensible oder schambesetzte Daten ohne eine Zustimmung des Patienten an seine Krankenkasse geraten, etwa Daten, die mit dem Sexualleben zu tun haben, mit einem Selbstmordgedanken oder mit der Tatsache, dass ein Patient nach Alkoholgenuss gewalttätig wird.

Weit gefehlt. Im Gegenteil, sie müssen es sogar. Die Datenübermittlung gestattet derzeit theoretisch jedem bei den Krankenversicherungen beschäftigten Sachbearbeiter – im Jahr 2009 waren das 137 513 Personen (1) –, Kombinationen von Diagnosen und Leistungen und damit Fallverläufe nachzuvollziehen. Dies lässt sich an drei Beispielen illustrieren (Kasten).

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und bereits beginnend mit dem Jahr 1998 wurde in Spezialgesetzen eine eigene Befugnisnorm etabliert. 2008 stellte das Bundessozialgericht klar (2), dass „nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (. . .) das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet (ist). Vielmehr muss der Einzelne solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind; diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage“. Hinsichtlich der Sozialgesetzgebung verweist das Bundessozialgericht darauf, dass durch die bereichsspezifischen Regelungen innerhalb der Sozialgesetzbücher die allgemeineren Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ihre Gültigkeit verlören.

So führt das BSG im oben genannten Urteil aus, dass der Gesetzgeber sich verpflichtet gesehen habe, „Grundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Leistungsabrechnungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen“. In § 284 ff. SGB V sollte dem Recht der Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Datenverwendung und -verarbeitung Rechnung getragen werden, da es sich – hier wird im Urteil auf die damaligen Debatten im Bundestag verwiesen (3) – bei der Verarbeitung personengezogener und großteils schweigepflichtsgeschützter Gesundheitsdaten um besonders sensible Daten handele. Weiter interpretiert das BSG-Urteil den Willen des Gesetzgebers folgendermaßen: „Die Erfassung, Verwendung und Übermittlung von Leistungs- und Gesundheitsdaten werde ausschließlich für die im Gesetz bezeichneten Zwecke zugelassen und im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum beschränkt“ (Hervorhebung durch die Verfasserin) (4).

In § 301 (1) SGB V ist eine Verpflichtung der Krankenhäuser geregelt – diese ist somit nicht zustimmungspflichtig durch die Patienten –, unter anderem an die Krankenkassen in Verbindung mit den nicht anonymisierten Patientendaten folgende Angaben zu übermitteln: „den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen (. . .), Datum und Art der im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren (. . .)“. Beispiele für Verzeichnisse der „Operationen und Prozeduren“ bei psychischen Erkrankungen siehe (5).

Diese harmlos klingenden Formulierungen sollen nachvollziehbar das Leistungsgeschehen und die Abrechnungswege zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen regulieren. Auch für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser und Abteilungen gilt die Pflicht zur Übermittlung dieser Daten bereits, denn § 301 (2) SGB V legt die Gültigkeit auch für die Krankenhäuser nach § 17 d Krankenhausfinanzierungsgesetz fest. Obwohl die Prozeduren für die Leistungsabrechnung derzeit nur für die sogenannten Optionshäuser relevant sein könnten, werden sie bereits übermittelt, wie aus den regelmäßig zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbarten Schlüsselfortschreibungen zur Vereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V hervorgeht (letzter Entwurf vom 1. April 2014). Die derzeit von allen Kliniken erhobenen und übermittelten OPS-Daten sind nicht abrechnungsrelevant und dienen ausschließlich der Entwicklung des PEPP-(Pauschalierende Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik-)Systems.

Die Formulierungen im § 301 SGB V wurden verabschiedet und fortgeschrieben, bevor die außergewöhnlich hohe Differenzierung des Psych-OPS-Leistungskatalogs (siehe Stichwort „Operationen und Prozeduren“) entwickelt und vom DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Kommunikation veröffentlicht wurde, so dass sich bisher kein Datenschützer dafür interessiert zu haben scheint. Spezielle Datenschutzvorkehrungen für Patienten mit psychischen Erkrankungen sind nicht getroffen worden.

Ob unter den Informationen aus den Beispiel-Datenfiles nun eine Informationsübermittlung zu verstehen ist, die sich „im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum beschränkt“, erscheint mehr als fraglich. Ärzteschaft, Fachvertreter und Ärztekammern wären sehr wohl beraten, in der weiteren Entwicklung der OPS für die Psychiatrie und Psychosomatik weniger „kleinteilig“ vorzugehen und mehr Komplexleistungen zu entwickeln.

Das Mitteilen psychiatrischer Diagnosen und Nebendiagnosen an sich ist bedenklich genug. Es erscheint im Sinne des Patientenschutzes derzeit vor allem bedenklich, dass weit vor der Relevanz dieser Kodes für die Vergütung von Krankenhausleistungen all solche Informationen in aller Breite übermittelt werden. Schon bei der Erprobung, also im Hinblick darauf, ob Kodes überhaupt eine Relevanz für das neue Abrechnungssystem haben, müssen sämtliche psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken in Deutschland jahrelang diese Daten jeder Abrechnung der Behandlung eines Patienten beifügen.

Den Patienten und ebenso den Patientenverbänden dürfte nicht bekannt sein, dass gerade aus den besonders sensiblen Leistungskodes für psychische Erkrankungen deutlich mehr ablesbar ist als aus denen des DRG-Systems.

Prof. Dr. med. Renate Schepker
Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg

Literatur:

(1) BSG, Urteil vom 10. 12. 2008 - B 6 KA 37/07 R

(2) BT-Drucks 11/3480, S. 29 zu „Transparenz“

(3) BT-Drucks 11/3480, S. 67 zu §§ 292 bis 312 SGB V

(4) Bundesministerium für Gesundheit (2009): Gesetzliche Krankenversicherung. Personal- und Verwaltungskosten 2007 (Ergebnisse der GKV-Statistiken KG1/ 2007 und KJ1/ 2007). Bericht vom 28. Januar 2009. Eigendruck, Berlin

(5) In 2014 gültige OPS psychiatrischer Behandlungen für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche:

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2014/block-9-60...9-64.htm

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2014/block-9-65...9-69.htm

Deutsches Ärzteblatt 2014; 111(35-36): A-1466 / B-1262 / C-1198

September 2014


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AKTUELL: Nummer 22/2014

Anfragen der Bundesagentur für Arbeit

Nach § 100 SGB X (siehe unten) besteht ein Anspruch der Bundesagentur für Arbeit (und aller Leistunggsträger) gegenüber ÄrztInnen und VertragspsychotherapeutInnen auf Auskunft über die für ihre Aufgabenerfüllung notwendigen Angaben. Die Bundespsychothrapeutenkammer hat - wie schon früher die Bundesärztekammer - eine Rahmenvereinbarung zur Übermittlung von Daten an dern Ärztlichen Dienst der  Bundesagentur für Arbeit abgeschlossen (rückwirkend zum 1.1.2014).

Für die Ausstellung des vollständigen Befundberichts (Formular) und die Übermitung an den Ärztlichen Dienst (innerhalb von 10 Werktagen) wurde ein Honorar i. H. von EUR 32,50 (zzügl. Kopierkosten) vereinbart.

Bundespsychotherapeutenkammer: Aktuell - 1.09.2014: Regeln für Auskünfte an die Bundesagentur für Arbeit. BPtK schließt Rahmenvereinbarung

§ 100 SGB X: Auskunftspflicht des Arztes oder Angehörigen eines anderen Heilberufs

(1) Der Arzt oder Angehörige eines anderen Heilberufs ist verpflichtet, dem Leistungsträger im Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durchführung von dessen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich und

1. es gesetzlich zugelassen ist oder

2. der Betroffene im Einzelfall eingewilligt hat.

Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Krankenhäuser sowie für Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen.

(2) Auskünfte auf Fragen, deren Beantwortung dem Arzt, dem Angehörigen eines anderen Heilberufs oder ihnen nahe stehenden Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

September 2014


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AKTUELL: Nummer 21/2014

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zur berufsrechtlichen Würdigung einer möglichen Verletzung der Dokumentation und Abstinenz (Beschluß vom 10.02.2014; AZ: 13 E 494/12 T)

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG-NRW) hat eine Beschwerde einer jungendlichen Patientin   mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Rüge der Vorinstanz (Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - Beschluß v. 7.11.11) gegen die frühere Behandlerin (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin) wegen Verletzung der Dokumentationspflicht sowie des Abstinenzgebots und das Ordnungsgeld (500 Euro) aufrechterhalten bleibt.

Zur Fallkonstellation: Die Psychotherapeutin behandelte von 2005-2010 eine 1994 geborene Jugendliche (einschließlich Elterngespräche); von Januar 2008 bis November 2019 war die Mutter in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (Sekretärin) für die Psychotherapeutin tätig war. Wegen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen  kam zur Kündigung von Seiten Psychotherapeutin. Im Januar 2010 erhob die Mutter Klage (Lohnansprüche und Arbeitszeugnis), mit Schreiben vom 28. Januar 2010 teilte die Psychotherapeutin der Mutter der jugendlichen Patientin mit, daß sie die Therapie mit ihrer Tochter beenden müsse.

Aufgrund des derzeitigen Konflikts zwischen den Eltern der Patientin und ihr sei keine Basis für ein tragfähiges Arbeitsbündnis gegeben. Es bestehe keine Möglichkeit, die notwendigen und für die Eltern auch bei der Krankenkasse beantragten Bezugspersonenstunden innerhalb der Therapie im für alle Beteiligten wertfreien und neutralen Rahmen durchzuführen. Die Grundlage für eine effektive Therapie, eine gute Beziehung zum Familiensystem, sei gestört. Eine Weiterbehandlung sei zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz in H. oder in N. möglich. (Zitat aus dem Beschluß: Absatz 5)

Hierauf erhob der Vater eine förmliche Aufsichtsbeschwerde bei der Psychotherapeutin und rügte insbesondere den rechtswidrigen Abbruch der Behandlung seiner Tochter und forderte Einsicht in die Behandlungsdokumentation. Da nichts geschah beschwerte er sich im Dezember 2010 beim zuständigen Ministerium über die Untätigkeit der Psychotherapeutin. Diese verwies mit Schreiben vom 11. Januar 2011 darauf, daß eine Beschwerde nur durch die Tochter selbst erhoben werden könne. Daraufhin wandte sich die Jugendliche (15.01.11) mit einer entsprechenden Beschwerde an ihre frühere Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

In ihrer Stellungnahme vom 14. März 2011 führte die Antragstellerin aus, sie habe zunächst versucht, den arbeitsrechtlichen Konflikt mit der Mutter und dem als Sprachrohr auftretenden Vater von der Therapie zu trennen. Nach Erhalt der Klageschrift sei dies allerdings nicht mehr möglich gewesen, so dass sie sich entschlossen habe, die Therapie zu beenden. Dies habe sie auch der Beschwerdeführerin ausführlich erklärt. Insbesondere habe sie mit ihr erörtert, dass für eine optimale Therapie im Laufe der Zeit auch Elterngespräche notwendig seien, für die nun keine neutrale Grundlage mehr bestehe. Die Patientin habe etwas bedrückt gewirkt, ihres Erachtens die Entscheidung jedoch akzeptiert. Über den Therapiestand von M. habe aufgrund der Beschäftigung der Mutter in ihrer Praxis stets die Möglichkeit des Austausches bestanden, was auch bis zur ersten Krankschreibung von Frau I. am 3. September 2009 zeitweise formlos genutzt worden sei. Auch habe Frau I. bis zu diesem Zeitpunkt stets in die vollständige Akte Einsicht nehmen können. (Absatz )

Im weiteren Verlauf rügte die Psychotherapeutenkammer NRW die Psychotherapeutin (9. Mai 2011) und verhängte ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 Euro (1. Abstinenzverletzung im Zusammenhang eines Anstellungsverhältnisses-außertherapeutischer Kontakt und 2. Vorteilsnahme; 3. Verletzung der Schweigepflicht, da die Psychotherapeutin der Mutter Einblick in die Unterlagen der Tochter gewährt habe und 4. Verletzung der Dokumentationspflict).

Der Antrag der Psychotherapeutin, die ihr erteilte Rüge aufzuheben, hob das Berufsgericht für Heilberufe (beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - Beschluss vom 7. November 2011) das mit der Rüge verhängte Ordnungsgeld auf (Reduzierung auf 500 Euro)und wies den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung ab. Aus der Sicht sea Berufsgerichts lag weder eine Vorteilsbahme noch eine Abstinenzverletzung, nocj eine Verletzung der Schweigepflicht vor - "weil die einwilligungsfähige M. I. [jugendliche Patientin] sie konkludent davon entbunden habe." (Absatz 9). Lediglich ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht liege vor, da keine keine Fallkonzeptualisierung für die Patientin vorliege. Die Psychotherapeutin sei insowit "mit einem maßvollen Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten" (Absatz 9)

Im Mai 2012 erhob die Patientin Beschwerde gegen den Beschluß des Berufsgerichts für Heilberufe v. 7.11.11, beschränkte diesen auf  die Feststellungen zu den Verstößen gegen das Abstinenzgebot und die Schweigepflicht und begründete dies mit einem zu engen Verständnis des Abstinenzgebots und das Vorliegen eines Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 BO-NRW (Schweigepflicht), da sie die ihre Psychotherapeutin nicht konkludent von ihrer Schweigepflicht entbunden habe.

 

Fortsetzung folgt!

Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen v. 10.02.2014; AZ: 13 E 494/12 T (über: www.openjur.de)

August 2014


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AKTUELL: Nummer 20/2014

Anfragen der Krankenkassen

Die Krankenkassen fordern mit zunehmender Tendenz Auskünfte und Informationen von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen über ihre Versicherten. Grundsätzlich besteht im Bereich der GKV eine Verpflichtung (und auch Berechtigung) für VertragsärztInnen Anfragen zu beantworten sowie Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten zu erstellen soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen erforderlich ist (§ 36 Abs. 1 BMV-Ä, § 6 Abs. 3 EKV).

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat eine Broschüre auifgelgt, in der über des Verfahren (Formulare, formlose Anfragen, Vergütung etc.) informiert zugleich aber auch darlegt, in welchen Fällen Auskünfte verweigert werden können bzw. müssen. Dazu liegen zwei Musterbriefe an die anfragenden Krankenkassen vor.

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: Anfragen von Krankenkassen. Wann Praxen berechtigt sind, die Auskunft zu verweigern (Stand 2/2014)

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 19/2014

Datenverwaltung und Datenschutz in der Arztpraxis

Die Zeitschrift info praxisteam (Der Treffpunkt für die Arzthelferin) präsentiert in seiner aktuellen Ausgabe (3/2014: 12)  Informationen über Datenverwaltung und Datenschutz in der Arztpraxis und verweist dabei auch auf die einschlägigen Veröffentlichungen der KBV und der BÄK. Keine neuen Informationen aber für Einsteiger in das Thema geeignet.

www.info-praxisteam.de: Ausgabe 3/2014: Datenverwaltung und Datenschutz

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 18/2014

Urteil des Kammergerichts Berlin zur Schweigepflicht von ÄrztInnen bei Verdacht von Kindesmißhandlungen (27.06.13; 20 U 19/12).

Das Berliner Kammergericht hat mit Urteil vom 27. Juni 2013 die Berufung eines Elternpaars gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6.12.11 – 13 O 423/09 wegen der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zurückgewiesen und keine Revision zugelassen.

Im vorliegenden Fall war ein vier Monate altes Baby von den Eltern wegen eines Krampfanfalls in die Notaufnahme einer Klinik gebracht worden. Die behandelnden Ärzte kamen zum Ergebnis, daß beidseitige subdurale Blutungen und Netzhautablösungen vorliegen. Weiter wurde festgestellt, daß die Fontanelle vorgewölbt war. Ob auch der von den ÄrztInnen angenommene Schädelbruch vorlag, konnte im Rechtsstreit nicht geklärt werden, da die Eltern anzweifelten, daß die vorgelegten Rötgenaufnahmen die ihres Kindes seien.

Als Ursache der festgestellten Verletzungen gaben die Eltern an, das Kind habe sich nach der Herausnahme des Sitzverkleinerers zu großen Babyschale ("Maxi Cosi") beim Autofahren (Linkskurve) den Kopf gestoßen. Hingegen waren die ÄrztInnen davon überzeugt, daß im vorliegenden Fall das  klassische Erscheinungsbild einer Kindesmisshandlung im Säuglingsalter vorliege. Obwohl sich die Eltern zunächst kooperativ zeigten, lehnten sie in der Folge weitere Gespräche mit dem Sozialdienst der Klinik ab. Daraufhin wurde das  Landeskriminalamt und das Jugendamt informiert, daß für ein Schütteltrauma typische Verletzungen vorlägen, deren Herkunft ungeklärt sei. Im Anschluß wurden die Eltern vorläufig festgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Kindesmisshandlung eingeleitet - das Kind wurde zeitweilig bei Pflegeeltern untergebracht .

Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, weil sich nicht sicher feststellen ließ, ob die Eltern das Schütteltrauma bei ihrem Kind verursacht hatten - im Gegenzug verklagten die Eltern die behandelnden ÄrztInnen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Dabei spielte die Frage eine zentrale Rolle, ob die ÄrztInnen durch die Verdachtsmitteilung an das LKA und das Jugendamt ihre Schweigepflicht gebrochen haben. Nach Ansicht des KG Berlins waren die Ärzte "nach § 34 StGB berechtigt, Polizei und Jugendamt einzuschalten, weil aus ex ante Sicht ein ernstzunehmender Verdacht einer dem Kläger zu 1. [Kind] zugefügten Kindesmisshandlung bzw. zumindest vorsätzlichen Körperverletzung bestand und insoweit - was regelmäßig anzunehmen ist - Wiederholungsgefahr bestand."

Das Urteil kann online nachgelesen werden. Nachfolgend die Leitsätze:

Haftung von Ärzten wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht: Information von Jugendamt und Landeskriminalamt bei Verdacht einer Kindesmisshandlung

Leitsatz:

1. Kommen Ärzte bei einer Behandlung von Kindern nach ärztlichem Standard zu dem ernstzunehmenden Verdacht einer Kindesmisshandlung, so ist die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht durch Information des Landeskriminalamtes und des Jugendamtes entsprechend § 34 StGB gerechtfertigt.

2. Zur Rechtfertigung muss eine Misshandlung nicht erwiesen sein, auch ein hinreichender Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 StPO ist nicht erforderlich.

3. Es ist nicht Aufgabe der Ärzte, einen Verdacht auszuermitteln. Ausreichend ist, ob die festgestellten Verletzungen typischerweise durch eine Kindesmisshandlung hervorgerufen werden können, ein begründetet Verdacht vorliegt.

Anmerkung: Ich bin nicht weiter von dem Urteil überrascht (anders: Ärzte Zeitung v. 4.06.14: Wann man die Schweigepflicht brechen darf. Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung oder Gewaltdelikte geraten Ärzte schnell in Konflikt mit der Schweigepflicht. Doch jetzt hat ein Kammergericht eine entscheidende Grenze gezogen - und war dabei überraschend großzügig). Zwar darf die Schweigepflicht im Regelfall nicht gebrochen werden, wenn es um eine Tat in der Vergangenheit geht (ÄztInnen/PsychotherapeutInnen sind grundsätzlich keine Erfüllungsgehilfen der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft). Liegen jedoch ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, daß es zu weiteren Taten kommt, kann die Schweigepflicht unter den strengen Voraussetzungen des § 34 StGB gebrochen werden. Im Sinne der besonderen Garantenstellung der BehandlerInnen ist sogar davon auszugehen, daß gehandelt werden muß, um eine weitere Schädigung zu verhindern. Das muß allerdings nicht durch einen Bruch der Schweigepflicht geschehen, andere - mildere - Maßnahme sind immer zu prüfen. Die Problematik betrifft insbesondere auch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, die vom sexuellen Mißbrauch und/oder der körperlichen Mißhandlung ihrer PatientInnen Kenntnis erlangen.

www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de: Urteil KG Berlin 27.06.13; 20 U 19/12

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 17/2014

Ausspähen von Daten und Mißbrauch von E-Mail-Adressen im Internet

Wiederholt wurden im Internet Daten (Paßwörter, E-Mil-Adressen etc.) von Privatpersonen auf Servern von privaten und öffentlichen Institutionen in großem Stil gehackt (zuletzt: ebay). Oft werden die gestohlenen Daten anschließend im Internet veröffentlicht - um dann als Grundlage illegaler Handlungen bzw.  Straftaten zu dienen.

Das Hasso-Plattner Institut in Potsdam (Public-Private-Partnership mit der Landesregierung Brandenburg) hat eine Seite geschaltet, in der eine E-Mail-Adresse daraufhin überprüft werden kann, "ob Ihre E-Mailadresse in Verbindung mit anderen persönlichen Daten (z.B. Telefonnummer, Geburtsdatum oder Adresse) im Internet offengelegt wurde und missbraucht werden könnte" (Zitat aus der Webseite).

Überprüfung der E-Mail-Adresse: HPI Identity Leak Checker

Hasso-Plattner-Institut (www.hpi.uni-potsdam.de)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 18/2014

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): 30 Jahre Aufbewahrung von Patientenunterlagen?

Nach geltendem Recht beträgt der Aufbewahrungszeitraum i. d. R. zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), § 9 Abs. 2 Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP), § 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV), soweit nicht spezielle Vorschriften bestehen, die eine längere Aufbewahrungspflicht vorsehen (z. B. bei Röntgenaufnahmen). Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Daten zu löschen – vorher besteht (für PatientInnen) kein Anspruch auf Löschung oder Sperrung der patientenbezogenen Daten.

Nun empfiehlt die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits seit 2008 in ihren Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis:

"Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind." (BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 1027)

Nach meines Ansicht stellt diese Rechtsauffassung ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz dar. Demnach sind die Unterlagen/Daten nach der gesetzlich normierten Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. vernichten, weil der Zweck der Speicherung bzw. Verarbeitung entfallen ist. Auf einem anderen Blatt steht, daß damit im Einzelfall die Beweislage für ÄrztInnen, ärztliche PsychotherapeutInnen, PP und KJP beeinträchtigt sein kann (siehe auch den Beitrag AKTUELL: Nummer 9/2012)

 In den aktualisierten Empfehlungen von BÄK & KBV (2014)  wird eine weitgehend analoge Empfehlung gegeben:

Zu beachten sind zudem die zivilrechtlichen Verjährungsfristen, die etwa für einen Schadensersatzanspruch eines Patienten wegen eines Behandlungsfehlers des Arztes gelten. Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt drei Jahre. Sie beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Patient von den anspruchsbegründenden Umständen der fehlerhaften Behandlung Kenntnis erlangt oder die Kenntnisnahme grob fahrlässig versäumt hat. Erlangt der Patient beispielsweise erst 20 Jahre nach der Behandlung Kenntnis von einem ärztlichen Behandlungsfehler, kann er einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arzt auch noch nach diesem Zeitraum geltend machen, es sein denn, er hat die späte Kenntniserlangung grob fahrlässig verschuldet. Erst wenn seit der fehlerhaften Behandlung 30 Jahre vergangen sind, verjähren mögliche Schadensersatzansprüche endgültig (§ 199 Abs. 2 BGB). Es sind daher Konstellationen denkbar, in denen es aus Sicht des Arztes erforderlich sein kann, einzelne Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus aufzubewahren. (BÄK & KBV (2014): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 965f)

Anmerkung 1: Zur Klärung der Angelegenheit habe ich mich an den Bundesdatenschutzbeauftragen gewandt (Juli 2012). Dort würde mir bestätigt, daß eine Aufbewahrung der Unterlagen über die geregelte Aufbewahrungszeit hinaus alleine aus Gründen der Beweissicherung nicht mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu vereinbaren ist. (Schreiben v. 1.08.2012). Auch führt eine ordnungsgemäße Vernichtung der Unterlagen nach 10 Jahren nicht zu einer Beweislastumkehr, wenn später von PatientInnen ein Behandlungsfehler geltend gemacht wird (Hinweis auf das Urteil des OLG Karlsruhe v. 11.02.2004 - 7 U 174/02 -).

Anmerkung 2 (3.01.2014): Nun hat sich auch die KBV zu diesem Punkt geäußert (Mail 3.01.2014). Der stellvertretenden Leiter für Rechtsangelegenheiten (Rechtsanwalt) verweist dabei auf das Patientenrechtegesetz  (Aufbewahrung für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen) und auf die nun auch gesetzlich geregelte Beweislastumkehr bei fehlender Dokumentation, die "in zeitliches Hinsicht nur solange eingreift, wie den Arzt auch eine Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht trifft. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erwachsen dem Arzt aus der Vernichtung oder aus dem Verlust der Dokumentation in der Regel keine Nachteile. Allerdings hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 630 f Abs. 3 BGB Folgendes ausgeführt:  

"Soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der gesundheitliche Zustand des Patienten oder die Gegebenheiten im Einzelfall jedoch erfordern, kann die Aufbewahrungsfrist des Absatzes 3 allerdings auch weit über 10 Jahre hinausgehen. Dies kann insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Patienten gelten, die nach der Höchstverjährungsfrist des § 199 Abs. 2 erst nach 30 Jahren verjähren können."

Es ist bekannt, dass die entscheidenden Gerichte auch die Gesetzesbegründungen zur Auslegung der Vorschriften heranziehen. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Gerichte die "Gegebenheiten im Einzelfall" auslegen werden, sehen wir von einer Änderung der Empfehlungen ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen der Bundesärztekammer und der KBV keinen verbindlichen Charakter haben, sondern lediglich eine Hilfestellung für den Arzt bieten sollen. Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben."

Anmerkung 3 (29.05.2014): Auch wenn die Argumentation der KBV juristisch nicht völlig abwegig ist - die Empfehlung ist es allemal. Sie führt nur zu Verwirrung: Welche Unterlagen sollen aufgehoben werden, welche nicht - was sind das für Konstellationen, unter denen Unterlagen weiter aufbewahrt werden sollen? Schadensersatzansprüche können in jedem Behandlungsfall geltend gemacht werden - sollen also alle Unterlagen über die geregelte Ffrist hinaus aufbewahrt werden? - datenschutzrechtlich nicht akzeptabel! Und: Wenn selbst die BÄK & KBV die entsprechende Aufbewahrung im Einzelfall für angemessen halten, dann werden Gerichte ggf. genau in solchen (Einzel-) Fällen nicht nur auf die Gesetzesbegründung sondern auf diese Empfehlung zurückgreifen. Eine fatale Haltung!

Anmerkung 4 (28.06.2014): Aus diesem Grund habe ich mich nun erneut an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (seit  12/2013 Andrea Voßhoff) gewandt.

BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 19, Mai 2008) 105: A-1026-1030 und Technische Anlage: 1-12 (Achtung: Der Link ist nicht mehr gültig!)

BÄK & KBV (2014): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 21, Mai 2014) 111: A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972  (s.a. Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über www.aerzteblatt.de

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 17/2014

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Aktualisierte Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis 2014

Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben (nach der letzten  Fassung von 2008, siehe Beitrag AKTUELL: Nummer 9/2012) eine aktualisierte Fassung der Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis vorgelegt.

BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 21, Mai 2014) 111: A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972  (s.a. Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über www.aerzteblatt.de

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 16/2014

24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen

Teil I (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Auf dem Hintergrund des im Patientenrechtegesetz bei der Einsicht in die Behandlungsunterlagen (§ 630g BGB) nicht berücksichtigten Persönlichkeitsrechts der BehandlerInnen wurden dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel) zwei Anträge zu diesem Thema vorgelegt. Der Antrag des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) beinhaltete die Einfügung der Formulierung des § 630g Absatz 1 Satz 1 BGB in die Musterberufsordnung, der Antrag einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15) lautete:

§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:

(2) Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Die Anträge wurden nicht abgestimmt, da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war. Zugleich wurde der Vorstand beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT vorzulegen, der den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt. Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:

Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK Aktuell v. 27.11.13)

Auf dem 24. Deutschen Psychotherapeutentag (15.05.2014) hat der Vorstand und eine Gruppe von Delegierten einen (Kompromiß-) Antrag zur Neufassung von § 11 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer vorgelegt, der bei der Abstimmung eine Mehrheit gefunden hat:

§ 11 Einsicht in Behandlungsdokumentationen

(1) Patientinnen und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in der Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener Kosten fordern.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Die Regelung zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Verweigerung der Einsichtnahme durch die Kammer war der Befürchtung vieler Delegierter geschuldet, PsychotherapeutInnen könnten sich zu extensiv auf die Ausnahmeregelung berufen und war Voraussetzung des vorliegenden und nun verabschiedeten Änderungsantrags.

Ob die 12 Landespsychotherapeutenkammern (www.bptk.de) die Formulierung der Musterberufsordnung in ihre (für PP und KJP verbindlich  geltende) Berufsordnung übernehmen werden, ist derzeit (noch) nicht bekannt.

Anmerkung: Der im Antrag vorgeschlagene Satz "Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen." ist aus datenschutz- bzw. strafrechtlicher Sicht äußerst bedenklich. Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnte durch eine Überprüfung der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen betroffen sein bzw. verletzt werden.

Gesetzestext - Bürgerliches Gesetzbuch: §§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 15/2014

Bundesärztekammer: Handreichung für den Umgang mit den (neuen) sozialen Medien

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat im Februar eine Handreichung zum Thema: "Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und Medizinstudenten bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten" vorgelegt.

Sie informiert über die Tücken der Nutzung der neuen sozialen Medien für ÄrztInnen (und damit auch für PsychotherapeutInnen), so über die ärztliche Schweigepflicht, die Problematik der Diffamierung, Online-Freundschaften und deren Grenzen (Arzt-Patient-Verhältnis, interkollegialer Austausch über soziale Netzwerke,), weitere berufsrechtliche Aspekte, Datenschutz und Datensicherheit sowie über weitere rechtliche Aspekte.

Handreichung der Bundesärztekammer (BÄK): Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und Medizinstudenten bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten (Stand Februar 2014)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 14/2014

Sozialbehördliches Auskunftsersuchen und Schweigepflicht im Bereich des Sozialgesetzbuches (SGB)

Der Rechtsanwalt Jan Frederichs berichtet in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über die Problematik von behördlichen Auskunftsersuchen im Bereich des Sozialgesetzbuches.

Im Bereich der ambulanten Richtlinien Psychotherapie (ärztliche PsychotherapeutInnen, PP, KJP) sind Anfragen der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen klar geregelt und werden mittels von Formularen abgefragt. Allerdings können im Einzelfall durchaus Unklarheiten bzw. Zweifel bestehen, ob die angeforderten Informationen tatsächlich zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Hier rät Frederichs davon ab, die Einwilligung der PatientInnen einzuholen. Dies wäre ethisch und sozialdatenschutzrechtlich problematisch. Denn das Einholen einer Schweigepflichtentbindung könnte im Extremfall eine "rechtswidrige Umgehung abschließender Regelungen über Informationsflüsse" darstellen (er nimmt dabei Bezug auf ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichts).

Insgesamt stellt sich die Frage, ob PsychotherapeutInnen (und andere schweigpflichtige Berufsgruppen) überhaupt dafür zuständig sind, bei Auskunftsersuchen eine Schweigepflichtentbindung ihrer PatientInnen/KlientInnen einzuholen - zwar gebe es hier keine klare Regelung (vgl. § 100 SGB X), doch sei die Auskunftspflicht schweigepflichtiger Personen das Gegenstück des Auskunftsersuchens des Leistungsträgers, der wiederum einen (zu begründenden) Verwaltungsakt darstellt. Damit ist es aber Aufgabe der Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen vorliegen. Schweigepflichtige Personen können dies in der Regel nicht überblicken und laufen überdies Gefahr, ihre PatientInnen bzw. KlientInnen des Rechtsschutzes zu berauben.

Frederichs rät daher bei Zweifeln an der Auskunftspflicht, diese der auskunftsersuchenden Behörde mitzuteilen und PatientInnen/KlientInnen darüber zu informieren, damit diese gegebenenfalls gegen das Auskunftsersuchen vorgehen können.  

Anmerkung: Ich warne immer wieder davor, PatientInnen in bestimmten Fällen zu Schweigepflichtentbindungen zu 'motivieren'. Nicht nur in dem von Frederichs beschriebenen Fällen kann das außerordentlich problematisch sein, sondern vor allem auch dann, wenn Interessen der PsychotherapeutInnen betroffen sind. So ist es heute üblich im Wege des 'informed consent' die Einwilligung zu Videoaufnahmen (Ausbildungsfälle), Veröffentlichungen in Büchern oder Fachzeitschriften, Audioaufnahmen bei Forschungsprojekten einzuholen. M. E. wird dabei viel zu wenig das Abhängigkeitsverhältnis der PatientInnen (KlientInnen) bedacht. Eine wirklich freie Entscheidung ist bei laufender Therapie (Beratung), aber auch nach Abschluß der Behandlung (Beratung), kaum vorstellbar. In jedem Fall ist die Entscheidung und ihre jeweiligen Konsequenzen ausführlich zu bearbeiten.   

Frederichs, Jan: Sozialbehördliches Auskunftsersuchen und Schweigepflicht. Psychologen sollen bei Zweifeln nicht selbst die Einwilligung der Betroffenen einholen (Report Psychologie, Heft 2-2014: 74f)

April 2014


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AKTUELL: Nummer 13/2014

Schweigepflicht bei konfligierenden Vertrauensverhältnissen

Der Rechtsanwalt Jan Frederichs berichtet in einem Beitrag in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über eine Fallkonstellation, wie sie nicht ganz selten auftritt: Freunde oder Angehörige von KlientInnen/PatientInnen wenden sich ohne deren Wissen an die/den Schweigepflichtige/n (hier: Psychologin/e) und fragen ihrerseits um Rat (etwa im Umgang mit der Klientin/Patientin).

Abgesehen davon daß eine Beratung dritter Personen, die in Kontakt mit der/m Klientin/en bzw. Patientin/en stehen, nicht möglich ist (vgl. auch Musterberufsordnung PP/KJP, § 6 Abs. 6 i.d. F 2006/2007), verstößt die Mitteilung an KlientInnen/PatientInnen, daß sich Dritte an die/den Schweigepflichtigen gewandt haben nicht gegen die Schweigepflicht gegenüber der kontaktaufnehmenden Dritten, da diese "ein berechtigtes Vertrauensverhältnis voraussetzt". Auch wenn die dritte Person die Verschwiegenheitspflicht der/des Therapeutin/en in Anspruch nehmen möchte muß sie gleichwohl davon ausgehen, daß dies aufgrund der bereits bestehenden Vertrauensbeziehung zwischen KlientIn/PatientIn und Schweigepflichtiger/m nicht möglich ist und auch eine Mitteilung über den Kontakt erfolgen muß.

Anders wäre die Situation einzuschätzen, wenn es um gleichberechtigte Vertrauensverhältnisse geht, etwa, wenn erst im Laufe der Zeit klar wird, daß zwei KlientInnen/PatientInnen miteinander verwandt oder sich anderweitig nahe stehen. Hier besteht die Schweigepflicht, allerdings wäre zu prüfen, inwieweit unter diesen Umstanden, die Beratung/Therapie mit beiden KlientInnen/PatientInnen fortgesetzt werden kann.

Frederichs, Jan: Diverses aus der Rechtsabteilung - Schweigepflicht bei konfligierenden Vertrauensverhältnissen (Report Psychologie, Heft 11/12-2013: 455)

Muster-Berufsordnung (M-BO) für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Fassung der Beschlüsse des 7. Deutschen Psychotherapeutentages in Dortmund am 13. Januar 2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am 10. November 2007

M-BO PP/KJP i.d.F. vom 13. Januar 2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am 10. November 2007: Auszug aus § 6 (Abstinenz), Abs 6:

Die abstinente Haltung erstreckt sich auch auf die Personen, die einem Patienten nahe stehen, bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf dessen Eltern und Sorgeberechtigten.

April 2014


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AKTUELL: Nummer 12/2014

Historisches Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes zum Datenschutz: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt (AZ: C-293/12 ua)

(Teil XVI)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in einem Urteil v. 8.04.2014 die in den europäischen Mitgliedsstaaten geltende Pflicht zur Speicherung der Telefon- und Internetverbindungsdaten für ungültig erklärt, da sie gegen die Grundrechte verstoße. Das Verfahren wurde vom irischen High Court und dem österreichische Verfassungsgerichtshof in Gang gesetzt, die den EuGH auf dem Hintergrund der durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Grundrechten (und hier des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens sowie des Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten) um die Prüfung der Zulässigkeit der Richtlinie ersucht hatten.

Die (in Deutschland aufgrund des Widerstands von FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger) nicht umgesetzte Richtlinie 2006/24/EG sah vor, in allen EU-Staaten sämtliche Verbindungsdaten elektronischer Kommunikation ohne konkreten Anlaß über einen Zeitraum von 6 bis 24 Monate lang zu speichern.

Dies ist nach Ansicht des EuGH nicht hinzunehmen. "Aus der Gesamtheit dieser Daten können sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld. " (alle Zitate in blau aus der Presseerklärung des EuGH - siehe unten)

Bei der bisher bestehende Verpflichtung zur  Vorratsspeicherung und der Gestattung des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu diesen Daten sei ein besonders schwerwiegender Eingriff  in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten:

Außerdem ist der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten und ihre spätere Nutzung vorgenommen werden, ohne dass der Teilnehmer oder der registrierte Benutzer darüber informiert wird, geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.

Zwar sei "die nach der Richtlinie vorgeschriebene Vorratsspeicherung von Daten nicht geeignet (...), den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten anzutasten" und diene in ihrer Zielsetzung "dem Gemeinwohl (...), und zwar der Bekämpfung schwerer Kriminalität und somit letztlich der öffentlichen Sicherheit" jedoch habe "der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie (...) die Grenzen überschritten (...), die er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste".

Angesichts "der besonderen Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten für das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und des Ausmaßes und der Schwere des mit der Richtlinie verbundenen Eingriffs in dieses Recht" sei "der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers eingeschränkt (...), so dass die Richtlinie einer strikten Kontrolle unterliegt."  Ein Eingriff von solchem Ausmaß muß nach Ansicht des EuGH "auf das absolut Notwendige" beschränkt bleiben.

Der EuGH kritisiert in diesem Zusammenhang die Datenerfassung bzw. -speicherung ohne jede Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme mit dem Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten.

Weiter gebe es keine objektiven Kriterien zur Beschränkungen des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten, welche den Eingriff in die betroffenen Grundrechte jeweils rechtfertigen könnten.

Auch die Speicherungsfristen (mindestens 6 bis maximal 24 Monate) werde nicht - im Sinn einer " Unterscheidung zwischen den Datenkategorien anhand der betroffenen Personen oder nach Maßgabe des etwaigen Nutzens der Daten für das verfolgte Ziel" differenziert.

Da keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vorgeschrieben sei, gewährleiste die Richtlinie "nicht in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert."

Und schließlich stellt der EuGH fest,

dass die Richtlinie keine hinreichenden Garantien dafür bietet, dass die Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind. Unter anderem gestattet sie es den Diensteanbietern, bei der Bestimmung des von ihnen angewandten Sicherheitsniveaus wirtschaftliche Erwägungen (insbesondere hinsichtlich der Kosten  für die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen) zu berücksichtigen, und gewährleistet nicht, dass die Daten nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist unwiderruflich vernichtet werden.

Im Urteilstext des EuGH vom 8. April 2014 findet sich zudem ein wichtiger Hinweis auf die berufliche Schweigepflicht:

Die Richtlinie 2006/24 betrifft nämlich zum einen in umfassender Weise alle Personen, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, ohne dass sich jedoch die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, auch nur mittelbar in einer Lage befinden, die Anlass zur Strafverfolgung geben könnte. Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sieht sie keinerlei Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen gilt, deren Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen. (Abschnitt 58)

Anmerkung: Kann man sich eine heftigere 'Watschn' für die BefürworterInnen der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vorstellen?

In seinem Tenor erinnert das Urteil an den wegweisenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil 1983 (15.12.1983; 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83), insbesondere aber an die Entscheidung aus dem Jahr 2010 (Erster Senat v. 2. März 2010 - 1 BvR 256/08/1 BvR 263/08/1 BvR 586/08 -) zur Verfassungswidrigkeit des (deutschen) Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung - siehe AKTUELL: Nummer 11/2010.

Heribert Prantl meint in seinem Kommentar (Süddeutsche Zeitung v. 9.04.14: 4 HBG): "Die anlasslose staatliche Ausspähung und Speicherung der Kommunikation kann und darf (...) nicht Normalität werden. Das ist die Lehre des Luxemburger Urteils. Das ist nicht revolutionär, das ist eigentlich selbstverständlich." und "Es wird schwer sein, ein Gesetz zu formulieren, dass diese Anforderungen [des Urteils] erfüllt. Das ist gut so, weil es in einem Rechtsstaat schwer sein muss, in Grundrechte einzugreifen. Es gibt den Schutz der Privatsphäre, auch in Europa."

In einem Gastbeitrag - Aussenansicht: "Speichern verboten. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeigt: Beim Datenschutz geht die EU voran" (SZ Süddeutsche Zeitung v. 12./13.04.14: 2) spricht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von einem "Paradigmenwechsel:

Gerichtshof der Europäischen Union: Pressemitteilung Nr. 54/14, Luxemburg, 8. 04.2014

Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. April 2014 (Rechtssachen C‑293/12 und C‑594/12)

Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105, S. 54)

Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02). Amtsblatt der Europäischen Union (DE), C 83/389, 30.3.2010.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

April 2014


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AKTUELL: Nummer 11/2014

Einsichtnahme in Aufzeichnungen der Lehranalyse bzw. -therapie

(Teil III)

Aufgrund der Bedeutung der aktuellen BGH-Entscheidung zum Einsichtsrecht von AusbildungskandidatInnen in die von ihrer/m LehranalytikerIn bzw. LehrtherapeutIn angefertigten Aufzeichnungen (siehe die entsprechenden Beiträge im Archiv) habe ich einen Beitrag im Psychotherapeutenjournal (1/2014: 10-12) geschrieben:

Keine Pflicht zur Dokumentation, aber Recht auf Einsicht in vorhandene Aufzeichnungen. BGH stärkt die Rechte von Absolventen einer Lehrtherapie (Urteil v. 7.11.2013, II ZR 54/13

www.psychotherapeutenjournal.de  - aktuelle Ausgabe

Archiv: Lehranalyse bzw. -therapieaufzeichnungen: Teil 1 + Teil 2

April 2014


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AKTUELL: Nummer 10/2014

Onlinehilfe zum Datenschutz

Seit Anfang 2014 besteht die Webseite www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de, die vielfältige Informationen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit in Praxen anbietet. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz.

Auf der Startseite heißt es dazu:

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz lassen die Ärzte und Psychotherapeuten bei ihrer Verpflichtung, die Vorgaben der ärztlichen Schweigepflicht auch im 21. Jahrhundert zu gewährleisten, nicht alleine. Aus diesem Grund haben sie die Initiative "Mit Sicherheit gut behandelt" ins Leben gerufen.

Kernstück der Initiative ist die Website, auf der Sie sich gerade befinden. Darin stellen die Kooperationspartner zahlreiche Informationen, Handlungshilfen, Checklisten und Links bereit, die aus ihrer Sicht bei der Gewährleistung von IT-Sicherheit und Datenschutz im Zusammenhang mit einem Praxisbetrieb von Bedeutung sind. Darüber hinaus bieten beide Institutionen mehrere regionale Veranstaltungen zum Thema IT-Sicherheit und Datenschutz in der Arzt-/Psychotherapeutenpraxis an. Einzelthemen werden in redaktionellen Beiträgen in Fachzeitschriften aufgegriffen. Heilberufskammern und IT-Hersteller wurden frühzeitig eingebunden, um auch deren Potential bei der Verbesserung von IT-Sicherheit und Datenschutz in den Praxen zu nutzen.

Über die Initiative wird in einem Flyer umfassend informiert, der zum Download bereit steht.

www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de

April 2014


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AKTUELL: Nummer 9/2014

Patientendaten in der Cloud: Überaus problematisch und nicht empfehlenswert

In einem Beitrag der Ärzte Zeitung (online) wird die Problematik der sich zunehmend etablierenden Dienste im Bereich des Cloud Computing im Zusammenhang der Auslagerung von Daten in Arztpraxen erläutert.

Weil in diesem Fall Daten von PatientInnen erhoben, verarbeitet und genutzt werden, findet das Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) Anwendung und ist nur mit dem Einverständnis derjenigen PatientInnen zulässig, deren Daten in der Cloud verarbeitet werden.

Auch wenn die Daten nicht auf dem Server eines entsprechenden Diensteanbieters verarbeitet bzw. gespeichert werden, sondern lediglich Soft- und Hardwareleistungen genutzt werden (Software as a Service - SAS) gilt das Datenschutzgesetz.

Ärzte Zeitung online (17.03.14). Rebekka Höhl : Rechtssicher in die Cloud. Sobald ein Betrieb Rechnerleistung auslagert, kommt er in Berührung mit dem Datenschutzgesetz - und den entsprechenden Haftungsfragen. Für Arztpraxen kann das besonders kritisch werden.

Ergänzung 1 (10.09.14): In einem ausfühlichen Beitrag beschäftigt sich die  Ärzte Zeitung online (10.09.14) ein weiteres Mal mit den Voraussetzungen unter welchen eine Cloud Computing in der Arztpraxis (und damit auch in der Praxis von PsychotherapeutInnen) möglich erscheint. M.E. ist die weit überwiegnde Mehrheit der ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen überhaupt nicht in der Lage die technischen Vorgänge zu verstehen oder sie gar zu kontrollieren - unter diesen Voraussetzungen rate ich daher dringend von der Nutzung dieser Technik ab.

Ergänzung 2 (30.09.14): In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich die  Ärzte Zeitung online (30.09.14) mit Haftungsrisiken und der daraus resultierenden Notwendigkeit, sich vor der Nutzung der Cloud vertraglich besonders abzusichern.

April 2014


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AKTUELL: Nummer 8/2014

Österreich: Der österreichische Hausärzteverband (ÖHV) tritt aus dem Vernetzungsprojekt der flächendeckenden elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) aus

Bericht der Ärzte Zeitung online v. 13.01.2014:

Ärzteverband tritt aus Gesundheitsakte aus

WIEN. Schlappe für die flächendeckende elektronische Gesundheitsakte (ELGA) in Österreich: Nur wenige Tage nach dem offiziellen Start von ELGA hat die gesamte Spitze des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV) ihren Austritt aus dem Vernetzungsprojekt eingereicht.

Die ärztliche Schweigepflicht sei mit ELGA Geschichte, begründet der Berufsverband in einer Mitteilung den "Opt-Out". Zu fürchten sei nicht nur Cyber-Kriminalität, sondern der ganz legale Gebrauch der Daten durch Ämter und Behörden, der vom Gesetzgeber jederzeit bedarfsgerecht adaptiert werden könne.

Auf der Portalseite der am 2. Januar gestarteten ELGA sowie auf der Website des österreichischen Gesundheitsministeriums sind dazu allerdings keine Infos zu finden. Hier heißt es: Die Patienten könnten die Zugriffsrechte selbst bestimmen.

Zudem sei der Kreis der allgemein zum Zugriff Berechtigten gesetzlich festgelegt. Neben den Patienten sollen dies nur Gesundheitsdienstanbieter und hier speziell Krankenanstalten und Pflegeheime, Ambulatorien, niedergelassene Ärzte, Zahnärzte sowie Apotheker sein. Die Daten werden im österreichischen System zudem dezentral gespeichert.

Doch der ÖHV bemängelt noch mehr: In einem Pamphlet mit zehn Gründen für den Austritt aus ELGA moniert der Verband, dass die immer wieder proklamierte Rolle des Hausarztes als Drehscheibe" durch ELGA völlig verloren gehe. "Der Allgemeinmediziner verkommt zum Verwalter elektronischer Daten", heißt es. (reh)

Elektronische Gesundheitsakte (ELGA): www.elga.gv.at

Ärzte Zeitung online (13.01.14): Britische Hausär

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 7/2014

Bundespsychotherapeutenkammer: Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Die im September 2013 erstellte Broschüre "Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten" stellt nach meiner Ansicht die bisher differenzierteste und klarste Information über das im Februar letzten Jahres in Kraft getretene Patientenrechtegesetz für Ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen dar. Ich empfehle allen KollegInnen dringend Sie intensiv zu studieren.

Ich habe aus diesem Anlaß nochmals auch den Gesetzestext (Behandlungsvertrag: §§ 630a ff BGB) als Word 97-2003-Dokument eingestellt (siehe unten) sowie ein von mir konzipiertes Formular, das zur Unterstützung der Dokumentation von Information, Aufklärung und Einwilligung als 'Laufzettel' verwendet werden kann; beide Dokumente (Word 97-2003) können heruntergeladen und nach eigenen Wünschen verändert werden!

Bundespsychotherapeutenkammer (09/2013): Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Gesetzestext - Bürgerliches Gesetzbuch: §§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)

Formular: Entwurf eines Laufzettels zur Unterstützung der Dokumentation von Information, Aufklärung und Einwilligung

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 6/2014

Großbritannien: Gesundheitsdaten müssen an den staatlichen Gesundheitsdienst 'National Health Service' (NHS) übermittelt werden

Die britische Regierung hat eine landesweite Aktion zum Datenaustausch beschlossen. Unter Berufung auf das Gesetz "Health and Social Care Act" sollen die etwa 75.000 staatlichen HausärztInnen des NHS ab März 2013 vertraglich verpflichtet werden, vertrauliche Patientendaten an einen zentralen NHS-Rechner weiterzugeben. Dieses Ansinnen hat bereits zu erheblichen Protesten der betroffenen MedizinerInnen geführt. Auch der britische Ärztebund 'British Medical Association' (BMA) hat darauf hingewiesen, daß sich bereits zahlreiche HausärztInbnen kritisch zu Wort gemeldet hätten.

Nach Angaben des Londoner Gesundheitsministeriums sei der Datenschutz gewährleistet. Die Sammlung der Daten diene der Optimierung der diagnostischen und therapeutischen Versorgungsangebote.

Die betroffenen PatientInnen können allerdings der Weitergabe widersprechen und so die Übermittlung ihrer persönlichen Daten an die NHS verhindern.

Anmerkung: Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis es auch in anderen europäischen Staaten und auch in Deutschland zu einer solchen Diskussion kommt. Nachdem für britische Verhältnisse eher ungewöhnlichen Protest von ÄrztInnen und PatientInnen ist noch ungewiss, ob es tatsächlich zu der von der Regierung Cameron geplanten Maßnahme kommt.

Ärzte Zeitung online (14.02.14): Britische Hausärzte rebellieren gegen Big Data. Mit Überwachung hatten die Briten bislang kein Problem - die Kameras an Straßen und Bahnhöfen sind ihnen egal. Doch jetzt ist die Regierung zu weit gegangen: Ärzte sollen bald ihre Patientendaten an den NHS weiterleiten - und zwar verpflichtend. Der Protest wird größer. Jetzt rufen die Hausärzte zur Revolte.

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 5/2014

Selbstdatenschutz

Nicht nur aus gegebenem Anlaß (NSA - Snowdon) ist es notwendig, sich immer wieder Gedanken hinsichtlich des Schutzes der eigenen (privaten und beruflichen) und Dritte (Angehörige, Freunde, KollegInnen, KundInnen, PatientInnen etc.) betreffenden Daten zu machen.

Die von Markus Mandalka aufgebaute Seite www.selbstdatenschutz.info informiert in übersichtlicher und verständlicher Weise über wichtige  Aspekte des Selbstdatenschutzes:

Weshalb Selbstdatenschutz?

Kommunikation verschlüsseln

Datenspuren & Datenschmutz

Datenträger verschlüsselln

Datenspeicherung vermeiden

Cloud verschlüsseln

Daten schützen & verschlüsseln

 

Über sich selbst schreibt Herr Mandalka:

Ich arbeite in Berlin und anderswo als freier Journalist zu Politik, Neonazis, selbstbestimmter Informationstechnik und Datenschutz sowie als Medieninformatiker im  mit und an selbstbestimmten und datenschutzfreundlichen Wissenswerkzeugen rund um kollaborative Wissensarbeit, Vernetzung und Wissensnetzwerk SmallData42 digitale Kommunikation zumeist für WissensarbeiterInnen in Journalismus, Bildungseinrichtungen, Wissenschaft, Sozialer Arbeit oder gemeinnützigen Vereinen, Stiftungen und Non-Profit-Organisationen bzw. Non-Government-Organisationen (NGO).

Hinweise zum Selbstdatenschutz für BürgerInnen finden sich auch auf der Seite des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik www.bsi-fuer-buerger.de.

www.selbstdatenschutz.info

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 4/2014

Europäische Datenschutz-Grundverordnung

(Teil II)

Die Bundespsychotherapeutenkammer berihtet in ihren EuropaNews (15.01.2014) über die ltzten Entwicklungen der geplanten Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Der Bericht wird nachfolgend wiedergegeben:

EP-Bericht zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung berücksichtigt Anliegen der Freien Berufe

Der federführende Ausschuss für Bürgerfreiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hat sich am 21. Oktober 2013 auf eine Kompromissfassung zum Entwurf des im Januar 2012 von der EU-Kommission vorgelegten Entwurfs einer Europäischen Datenschutz-Grundverordnung geeinigt. Nach gut anderthalb Jahre dauernden Verhandlungen haben die Abgeordneten damit überraschend schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Freiberuflich relevante Kernpunkte sind in den Beratungsprozess eingeflossen. So wird die spezielle Situation der Berufsgeheimnisträger und deren Verschwiegenheitspflichten aufgegriffen und diesem besonderen Verhältnis Rechnung getragen. Die Verhandlungen des Europäischen Parlaments mit dem Europäischen Rat und der EU-Kommission zur Datenschutzreform gestalten sich allerdings schwierig. Ein Treffen der Justizminister in Brüssel am 6. Dezember 2013 hat gezeigt, dass es in zentralen strittigen Punkten – z. B. die, ob der öffentliche Sektor weitgehend ausgeklammert werden soll – keine Annäherung gibt. Von daher ist fraglich, ob der neue Rahmen zu einem einheitlichen europäischen Datenschutz noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres verabschiedet werden kann.

www.janalbrecht.eu/themen/datenschutz-und-netzpolitik/alles-wichtige-zur-daten-schutzreform.html (15. Januar 2014 EuropaNews: 14)

www.bptk.de (zur Zeit sind die EuropaNews auf der Seite der Bundespsychotherapeutenkammer noch nicht recherchierbar); EuropaNews-15. Januar 2014

Archiv: Teil I

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 3/2014

Patientenakte: Eine unzureichende Dokumentation führt zur Beweislastumkehr (Zivilrecht) und gegebenenfalls auch weiteren disziplinarischen Folgen

Der Medizinrechtler (und Justiziar der Bundespsychotherapeutenkammer) Prof. Dr. Martin Stellpflug berichtet in der Ärzte Zeitung v. 6.01.2014 über die nun auch im Patientenrechtegesetz (§ 630f BGB) aufgenommene Pflicht zur Dokumentation der Behandlung.

Danach ist der Arzt verpflichtet, in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang zur Behandlung eine Patientenakte auf Papier oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Akten-Eintragungen sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen wurden. Das gilt auch für elektronische Patientenakten.

Die Dokumentation selbst muss sämtliche für die aktuelle und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse beinhalten, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.

Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Unterbleibt die Dokumentation einer medizinisch gebotenen wesentlichen Maßnahme und ihr Ergebnis oder kann die Patientenakte innerhalb der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist nach Abschluss der Behandlung nicht vorgelegt werden, so wird vermutet, dass der Arzt diese Maßnahme nicht getroffen hat (Beweislastumkehr). (Abs. 5-7 des Berichts v. 6.01.14 in der Ärzte Zeitung)

Stellpflug weist darauf hin, daß eine unzureichende oder fehlende Dokumentation weitreichende Konsequenzen haben kann. Neben der schon erwähnten Beweislastumkehr kann es zu disziplinarischen Folgen kommen. Diese können von Honorarrückforderung bis hin zu  einem Widerruf der Abrechnungsgenehmigung bzw. dem Entzug der Kassenzulassung reichen.

Bei einer EDV-gestützten Dokumentation erwarten die Gerichte besondere Sorgfalt:

So beurteilte etwa das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen Zulassungsentzug als rechtmäßig, weil die Dokumentationspflichten gröblich verletzt wurden.

Der Kläger hatte auf jegliche schriftliche Behandlungs-Dokumentation verzichtet und sich vollständig auf eine elektronische Dokumentation mittels Festplatte verlassen - ohne Sicherungskopien anzulegen.

Das Gericht sah darin bereits eine schwerwiegende Pflichtverletzung, weil eine derart ungesicherte elektronische Dokumentation, auch wenn sie für sich genommen fehlerfrei erfolgt ist, in hohem Maße fehleranfällig sei und bei etwaigem technischen Versagen eine nachträgliche Überprüfung der Behandlungshistorie erheblich erschwert oder sogar unmöglich sein könnte.

Da der Vertragsarzt für eine peinlich genaue und im Nachhinein auch vollständig nachprüfbare Dokumentation sorgen müsse, hielt es das Gericht für zweifelhaft, ob eine ausschließlich elektronisch geführte Patientenakte diese Anforderungen überhaupt erfüllt. (Abs. 11-14 des Berichts v. 6.01.14 in der Ärzte Zeitung)

Stellpflug empfiehlt daher u. a. eine Dokumentations-Software anzuwenden, bei der "jederzeit erkennbar ist, wann und mit welchem Inhalt ursprüngliche Eintragungen verändert oder ergänzt wurden" und regelmäßig Sicherungskopien zu erstellen.

Anmerkung: Obwohl sich der Betrag an (Haus-) ÄrztInnen richtet, trifft er Ärztliche, Psychologische und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in gleicher Weise.

Der Beitrag stammt aus der Serie "Compliance in der Arztpraxis" in der Medizinrechtler der Berliner Kanzlei DIERKS + BOHLE (u. a. Prof. Dr. iur. Martin Stellpflug, M.A.) juristische Fragen der Praxisführung anhand von Beispielen aus der Praxis ausloten.

Ärzte Zeitung v. 6.01.2014 : Neue Patientenakte. Der Teufel steckt im Detail

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 2/2014

Formlose Anfragen der Krankenkassen künftig nur mittels Rahmenformular

Im Zusammenhang der Änderung des einheitlichen Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) zum 1.10.20123 müssen die Krankenkassen künftig bei formlosen Anfragen, die auf die Erteilung von Auskünften, Bescheinigungen, Gutachten oder Bescheinigungen mit gutachterlicher Fragestellung gerichtet sind, für deren Zweck jedoch kein gesonderter Vordruck vereinbart worden ist, ein Rahmenformular verwenden (§ 36 Abs. 5). Aus dem Formular soll sich die Rechtsgrundlage der Anfrage und die Vergütung für das Ausfüllen ergeben. Weder die zwischen KBV und Kassen zu verhandelnde Vergütung noch das Formular selbst sind bislang vereinbart.

Anmerkung: Der BMV-Ä führt die bisher gültigen Bundesmantelverträge mit den Primär- und Ersatzkassen (BMV-Ä und BMV-Ä/EKV) zusammen. Damit gibt es nunmehr einen Vertrag, der die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Versorgung regelt.

KBV (www.kbv.de): Bundesmantelvertrag BM-Ä unter Rechtsquellen/Bundesmantelvertrag.

Ärzte Zeitung v. 1.10.2013: Neues Rahmenwerk tritt in Kraft. Ab dem 1. Oktober gilt der neue Bundesmantelvertrag. Er bringt viele relevante Änderungen für Arztpraxen mit sich.

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 1/2014

Datenschutz im privaten Versicherungsrecht (Berufsunfähigkeitsversicherung): Das Bundesverfassungsgericht betont das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Bereich des  Privatrechts (Urteil v. 17.07.2013 1 BvR 3167/08)

Die Beschwerdeführerin machte gegenüber der Beklagten (Lebensversicherungsunternehmen) Ansprüche wegen eingetretener Berufsunfähigkeit aufgrund von Depressionen geltend (Berufsunfähigkeitsversicherung).

Die auf dem Antragsformular der Beklagten vorgedruckte Schweigepflichtentbindungserklärung, die eine Ermächtigung zur Einholung sachdienlicher Auskünfte bei einem weiten Kreis von Auskunftsstellen enthielt, strich die Beschwerdeführerin durch und unterschrieb das Antragsformular nur im Übrigen. Anschließend korrespondierten die Beklagte und die Beschwerdeführerin mehrfach über eine Schweigepflichtentbindung. Die Beschwerdeführerin erklärte sich durch ihren damaligen Rechtsanwalt zur Erteilung von Einzelermächtigungen bereit. Daraufhin übersandte die Beklagte ihr folgende, vorformulierte Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung ihrer Krankenkasse, zweier Ärztinnen sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund

(...)

Die Beklagte forderte von der Beschwerdeführerin für die Mehrkosten im Zusammenhang mit den Einzelermächtigungen eine Kostenbeteiligung in Höhe von 20 Euro je Ermächtigung. Der Leistungsantrag werde nach Eingang der Ermächtigungen und des Gesamtbetrages weiter bearbeitet. Die Beschwerdeführerin bat um Konkretisierung der gewünschten Auskünfte. Dem kam die Beklagte nicht nach; der Leistungsantrag könne erst nach Erhalt der unterschriebenen Schweigepflichtentbindungen sowie des geforderten Betrages weiter bearbeitet werden. (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 4, 8)

Die Beschwerdeführerin klagte daraufhin auf Zahlung der monatlichen Rente aus der Versicherung. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Nürnberg wiesen die Klage ab.

Nach Ansicht des  Bundesverfassungsgerichts folge aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Schutzpflicht. Diese gebiete:

es, dafür Sorge zu tragen, dass informationeller Selbstschutz für Einzelne tatsächlich möglich ist. Zwar steht es dem Individuum frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren oder sich vertraglich dazu zu verpflichten. Hat aber in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, so ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 20).

Da der hier zu entscheidende Versicherungsfall vor dem 31. Dezember 2008 eingetreten war, fand das zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung der VersicherungsnehmerInnen beschlossene Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (noch) keine Anwendung (§ 213 VVG). Daher bestand zwischen Beschwerdeführerin und Beklagter

bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein Verhandlungsungleichgewicht, das es der Beschwerdeführerin nicht ermöglichte, ihren informationellen Selbstschutz eigenverantwortlich und selbständig sicherzustellen (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 24).

Auch der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen (informationeller Selbstschutz einerseits und Interesse an der Offenlegung von Informationen i. S. der Berufsfreiheit) sei in den von der Beschwerdeführerin angegriffenen Entscheidungen nicht ausrechend berücksichtigt.

Das Bundesverfassungsgericht rügte insbesondere den Umstand, daß durch die von den vorformulierten Einzelermächtigungen vorgesehene Schweigepflichtentbindung der Beklagten ermöglichen würden, "auch über das für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über die Beschwerdeführerin einzuholen." Die in den Formularen benannten Auskünfte (z. B. Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten) - seien "so allgemein gehalten, dass sie kaum zu einer Begrenzung des Auskunftsumfangs führen" (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 27).

Zur Lösung der Problematik schlägt das Bundesverfassungsgericht (die Sache wurde an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen) vor:

Jedoch ließe sich in Betracht ziehen, die von den Einzelermächtigungen umfassten Informationen etwa zunächst auf solche weniger weitreichenden und persönlichkeitsrelevanten Vorinformationen zu beschränken, die ausreichen, um festzustellen, welche Informationen tatsächlich für die Prüfung des Leistungsfalls relevant sind. Eine zumindest grobe Konkretisierung der Auskunftsgegenstände könnte so den erheblichen Umfang der durch die Einzelermächtigungen zugänglichen, überschießenden Informationen begrenzen und damit dem Recht der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung tragen. Die Verfahrenseffizienz würde durch eine solche Konkretisierung der Auskunftsgegenstände nur geringfügig beeinträchtigt. Angesichts des Umfangs der bei der Krankenkasse der Beschwerdeführerin und der Deutschen Rentenversicherung Bund vorliegenden Unterlagen ist es ohnehin wahrscheinlich, dass die Beklagte den Auskunftsgegenstand im Rahmen einer Anfrage an diese präziser formulieren würde als in den Einzelermächtigungen. (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 29)

Anmerkung: Das Urteil des Bundesverfassungsgericht überrascht im Grundsatz nicht. Schon bislang war völlig klar, daß nur solche Einwilligungserklärungen zulässig sind, die beinhalten wer über was Auskunft geben soll. Interessant ist eher, daß der Inhalt der angefragten Informationen sehr klar begrenzt sein muß und allgemeine Angaben (z. B. Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten) hier nicht ausreichen, weil sie den Umfang der zur Beurteilung notwendigen Informationen überschreiten bzw. nicht ausreichend begrenzen.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 17.07.2013 (1 BvR 3167/08)

§ 213 VVG (Versicherungsvertragsgesetz)

Januar 2014


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2014


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AKTUELL: Nummer 33/2013

Bundesgerichtshof: Die Abtretung des Anspruchs auf Betreuervergütung durch eine zum Betreuer bestellte Rechtsanwältin an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ohne Einwilligung der Betreuten verstößt nicht gegen die Schweigepflicht (Urteil v. 19. Juni 2013 XII ZB 357/11)

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2013 über folgenden Fall entschieden: Eine Rechtsanwältin wurde durch Beschluss vom 5. Mai 2009 zur Betreuerin einer mittellosen Betroffenen bestellt. Sie trat den ihr zustehenden Vergütungsansprüche - ohne Einwilligung der Betroffenen - an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ab. Letztere beantragte die Festsetzung und Auszahlung der für das erste Halbjahr angefallenen Betreuervergütung in Höhe von 1.650 €.

Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht der Betreuerin/Rechtsanwältin gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) lag nach Ansicht des BGH nicht vor:

Denn die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen gehörenden Daten sind der Betreuerin nicht "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut oder bekannt geworden (...). Die Informationen sind unabhängig von der spezifischen Berufsausübung erlangt und begründen damit keine weitergehenden Geheimhaltungspflichten, als wenn der Betreuer keiner der in § 203 Abs. 1 StGB aufgeführten Berufs- und Tätigkeitsgruppen angehört. Ob und inwiefern diese Einschränkung auch für andere Be-rufsgruppen einschlägig ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2004, 1390 - Sozialarbeiter als Verfahrenspfleger), bedarf hier keiner Entscheidung.

Auch die von der Vorinstanz (LG Limburg) angenommene Verpflichtung zur Verschwiegenheit (aus § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) liege nicht vor:

Nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Bei der Geltendmachung der Betreuervergütung handelt es sich hingegen schon nicht um eine Angelegenheit des Betroffenen, sondern um eine Angelegenheit des Betreuers, die dieser ausschließlich im eigenen Interesse wahrnimmt.

Weiter äußert sich der BGH zur Stellung der BetreuerInnen im Unterschied zu jener von ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen:

Die mit der Abtretung verbundenen Angaben beschränken sich bereits weitgehend auf Umstände, die der Betreuer bei einem Tätigwerden für den Betroffenen nach außen (gegenüber einem grundsätzlich unbeschränkten Personenkreis) ohnehin offenbaren muss, um sich als zuständiger Betreuer auszuweisen und die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen; das gilt auch für den Aufenthaltsort des Betroffenen und dessen wirtschaftliche Verhältnisse. Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Betreuers wesentlich von der eines Arztes oder Rechtsanwalts. Schließlich unterliegt die Verrechnungsstelle jedenfalls grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Selbst eine - unterstellt - pflichtwidrige Weitergabe personenbezogener Daten seitens der Betreuerin an die Verrechnungsstelle könnte daher nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit der Abtretung (...) führen.

Das Verfahren wurde "zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens," an das Land-gericht Limburg zurückverwiesen.

Bundesgerichtshof: Urteil v. 19. Juni 2013 XII ZB 357/11

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 32/2013

Bundesdatenschutzbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: Peter Schaar wird von Andrea Voßhoff abgelöst

Nach zwei fünfjährigen Amtszeiten (eine dritte Amtszeit ist nicht möglich) ist der frühere Bürgerrechtler Peter Schaar von der Juristin und CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff abgelöst worden. Voßhoff war seit 1998 Bundestagsabgeordnete verlor aber ihr Mandat mit der letzten Bundestagswahl. Als Abgeordnete hat sie für die Vorratsdatenspeicherung, für Internetsperren, die Online-Durchsuchung und die Erweiterung der Kompetenzen der Geheimdienste gestimmt. Sie wurde mit den Stimmen der großen Koalition mit 403 von 587 abgegebenen Stimmen gewählt. Aus den Reihen der Opposition (Linke und Grüne) kam bereits heftige Kritik gegen ihre Wahl im Bundestag.

Voßhoff äußerte sich nach ihrer Wahl Ende letzter Woche gegenüber dem Spiegel bereits dahingehend, daß sie einer datenschutzkonformen Vorratsdatenspeicherung positiv gegenüber stehe und diese für ein wirksames Instrument der Kriminalitätsbekämpfung halte.

Ärzte Zeitung (23.12.2013): Erstmals eine Frau als oberste Datenschützerin.

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 31/2013

BGH stärkt Rechte von LehranalysandInnen (Urteil v. 7.11.2013, III ZR 54/13): Keine Pflicht zur Dokumentation aber Recht auf Einsicht in vorhandene Aufzeichnungen

(Teil II)

Der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat die Revision der von Beklagter (Lehranalytikerin) und Klägerin (Lehranalysandin) zum Urteil des OLG Celle (4.01.2013 - AZ 1 U 61/12 - ) abgewiesen und das Urteil der Vorinstanz bestätigt (Urteil v. 7.11.2013, III ZR 54/13). Damit hat die Lehranalysandin einen Anspruch in die Aufzeichnungen, welche die Lehranalytikerin im Zusammenhang der Lehranalyse angefertigt hat. Der BGH hat sich die Argumentation des OLG Celle zu eigen gemacht, daß im Hinblick auf Inhalt und Methodik kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Behandlung und Lehranalyse besteht und daher auch die Grundsätze des Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen auf Lehranalysen übertragen werden können:

Es mag zwar sein, dass eine Dokumentationspflicht für die Durchführung der Lehranalyse nicht besteht. Da sich aber Lehranalyse und therapeutische Analyse inhaltlich und methodisch weitgehend entsprechen und der Sinn der Dokumentation darin besteht, den Verlauf psychotherapeutischer Prozesse festzuhalten, liegt es nahe, dass auch Dokumentationen über Lehranalysen, sofern sie erfolgen, höchst sensible Informationen aus den intimsten Bereichen des Lehranalysanden zum Gegenstand haben. Unabhängig von der Weitergabe an Dritte wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon mit Erhebung dieser Daten das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Intimsphäre des Betroffenen berührt, so dass ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme in diese Unterlagen nicht von der Hand zu weisen ist, und sein Informationsinteresse auch schon darin zu sehen ist, überhaupt davon Kenntnis zu nehmen, was an intimsten Informationen über ihn festgehalten ist. Dementsprechend kommt es auch für die Frage eines Anspruches auf Einsichtnahme nicht darauf an, ob die Daten zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind. Ebenso steht einer Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages dahingehend, dass ein Einsichtsrecht in die geführte Dokumentation besteht, nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Behandlung im üblichen Sinn gehandelt hat. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass zwar die Ziele einer Lehranalyse und Psychoanalyse nicht gleich sind, da letztere auf eine Behandlung gerichtet ist. Die Durchführung unterscheidet sich jedoch nicht und deshalb besteht wie bei der Psychoanalyse ein gleichgerichtetes Interesse auf Einsichtnahme in die geführte Dokumentation. (Urteil v. 7.11.13: 10 RN 21)

Zugleich bleibt offen, ob eine Dokumentationspflicht bei Lehranalysen (Lehrtherapien) überhaupt besteht, da es sich nicht um Behandlungen im Sinne des Behandlungsvertrags (630a ff BGB) handelt. Die DGPT empfiehlt im Hinblick auf das BGH-Urteil Aufzeichnungen "so sparsam wie möglich, so ausführlich wie nötig" anzufertigen und in schwierigen Situationen "umfassender auf[zu]zeichnen, um sich im unwahrscheinlichen Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch hinreichend verteidigen zu können" (Mitgliederrundschreiben 4/2013: 16 ff, Zitat: 17f).

Wird aber eine Dokumentation geführt besteht grundsätzlich auch das Recht von LehranalysandInnen auf Einsicht. Allerdings konnte sich hier auch die Klägerin mit ihrer Forderung nach uneingeschränkter Einsicht in die Aufzeichnungen nicht durchsetzen. Der BGH sieht das Einsichtsrecht (wie schon in der Vergangenheit) durch das Persönlichkeitsrecht der Analytikerin beschränkt und entsprechende Schwärzungen von Teilen der Aufzeichnung als zulässig an - auch wenn dadurch "eine gewisse Mißbrauchsgefahr"  nicht auszuschließen sei:

Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beklagten, dass die Dokumentation der Lehranalyse nicht vorgeschrieben sei. Das bedeutet zugleich, dass die gleichwohl gemachten Aufzeichnungen allein in ihrem Selbstbestimmungsrecht verhaftet seien, und sie sich insoweit ebenfalls auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen und die Einsichtnahme verweigern könne. Das eigene Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers ist jedoch zum einen dadurch gewährleistet, dass er die Aufzeichnungen, deren Preisgabe sein eigenes Persönlichkeitsrecht verletzten würde, schwärzen kann. Im Übrigen kann er, da eine Dokumentation nicht gefordert ist, den Umfang der Dokumentation nicht selbst bestimmen und insoweit eine Einsichtnahme durch den Lehranalysanden durch schlichtes Unterlassen der Dokumentation ausschließen. Soweit aber eine Dokumentation von intimen Informationen über den Lehranalysanden erfolgt ist und die Offenbarung nicht das Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers verletzt, weil es nicht um eigene Informationen aus seinem Intimbereich geht, kann das Einsichtsrecht des Lehranalysanden aufgrund des allein schon durch die Dokumentation erfolgten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verneint werden. (Urteil v. 7.11.13: 11 RN 22)

Vergeblich wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne keine uneingeschränkte Einsicht ohne Schwärzungen verlangen. Die Herausgabe der Kopien der Therapieaufzeichnungen ist insoweit beschränkt, als sie den Analytiker betreffende persönlichkeitsbezogene Aufzeichnungen enthalten. Es ist anerkannt, dass auch grundrechtlich fundierte Interessen des Therapeuten einer Einsichtnahme entgegenstehen können (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1777; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 76/88, BGHZ 106, 146, 151). Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, durch das Recht auf Schwärzung könne der Analytiker das Recht auf Einsicht entwerten. Die Abwägung der beiden grundrechtlich geschützten Interessen bietet jedoch keine andere Möglichkeit, als dem Analytiker das Schwärzungsrecht einzuräumen. Jede anderweitige Kontrolle würde in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte des Analytikers eingreifen, weil er zur Prüfung seiner Rechte Dritten Kenntnis von seinen Aufzeichnungen geben müsste und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvermeidbar wäre. Eine gewisse Missbrauchsgefahr ist aus praktischen Gründen dabei nicht auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1982 - VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327, 338). (Urteil v. 7.11.13: 12 RN 24)

Anmerkung: Aus meiner Sicht ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Auch wenn Lehranalysen keine Behandlungen im juristischen Sinne  (§ 630a BGB) sind, so sind die (hoffentlich) in Gang kommenden therapeutischen Prozesse analoger Art - wenn LehranalysandInnen (und gleiches gilt für Absolventen einer Lehrtherapie) in der Lage sind, sich als PatientInnen zu erleben und sich auf die Analyse ihrer Konflikte, Übertragungsmuster, Symptome/Befindlichkeitsstörungen und ihres Unbewußten einzulassen. Die dabei entstehenden Aufzeichnungen über AnalysandInnen sind höchstpersönlicher Art und unterliegen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Da Lehranalysen keine Behandlungen im Sinne eines Behandlungsvertrages (§ 630a BGB) sind, besteht bislang keine (ausdrückliche) Pflicht zur Dokumentation); m. E. sind die Berufs- und Fachgesellschaften aufgefordert, Standards für eine Dokumentation psychoanalytischer Behandlungen und Lehranalysen (bzw. -therapien) zu entwickeln. Da es auch bei Lehranalysen zu fehlerhaftem Verhalten von LehranalytikerInnen kommen kann (und wiederholt gekommen ist) und in solchen Fällen auch mit entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen ist, machen Aufzeichnungen - auch schon jetzt - durchaus Sinn (siehe Empfehlungen der DGPT).

Die Beschränkung des Einsichtsrechts durch das Persönlichkeitsrecht der TherapeutInnen (das im Einzelfall zu einer Schwärzung von Teilen der Aufzeichnung führen kann) ist Ausdruck eines Rechtsstaatsprinzips, das einen Ausgleich der verschiedenen grundrechtlich geschützten Rechte vorzunehmen versucht. Allerdings hat dieser Ausgleich keinen expliziten Eingang in das im Patientenrechtegesetz verankerte Einsichtsrecht in die Patientenakte  (§ 630g BGB)  gefunden. Ich gehe aber davon aus, daß bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten die verfassungsrechtliche Problematik der im Gesetz nicht verankerten Persönlichkeitsrechte von ÄrztInnen und (insbesondere) PsychotherapeutInnen eine Rolle spielen wird.

Auf dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel) wurden die dazu vorliegenden Anträge des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zur Änderung der Musterberufsordnung (Einfügung der Formulierung des § 630g Absatz 1 Satz 1 BGB) und einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15; B. Waldvogel u. A.):

§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:

(2) Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

nicht abgestimmt. Da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war, wurde der Vorstand beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT zu formulieren, der den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt. Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:

Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK Aktuell v. 27.11.13)

Den Landespsychotherapeutenkammern steht es allerdings unabhängig von einer Änderung der Musterberufsordnung frei, ihre jeweils verbindliche Berufsordnung entsprechend zu ändern. Ich werde mich in Bayern in diesem Sinne einsetzen.

Und schließlich ist immer wieder darauf hinzuweisen: Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Einsicht in die Behandlungs- oder Lehranalyse(-therapie)-Dokumentation, dann  ist die Behandlung in der Regel längst entgleist! Das Ansinnen von PatientInnen, Einsicht in über sie angefertigte Aufzeichnungen Einblick zu nehmen sollte ernst genommen und nicht vorschnell als Widerstand (oder was auch immer) gedeutet und zurückgewiesen werden. Nach meiner Erfahrung kommt es in diesen Fällen zu Konflikten, die dann nicht mehr als Ausdruck einer gemeinsamen Inszenierung verstanden werden können - etwa auch im Hinblick auf (Gegen-) Übertragungen von PsychoanalytikerInnen, welche der Übertragung der PatientInnen vorausgehen! Oder als Gegenübertragungsreaktionen, die nicht mehr reflektiert und nutzbringend in die Therapie eingebracht werden können, sondern agiert werden (müssen).

Urteil des BGH v. 7.11.2013 - III ZR 54/13 (pdf-Dokument); Link zum Urteil (III ZR 54/13) über die Webseite des BGH

Urteil des OLG Celle v. 14.01.2013; - 1 U 61/12 - (Vorinstanz: LG Hannover: 19 O 281/11) siehe bei: AKTUELL: Nummer 05/2013

Bundespsychotherapeutenkammer Aktuell (27.11.13): Weichenstellung für die Zukunft der Psychotherapie: 23. Deutscher Psychotherapeutentag in Kiel (16.11.2013)

Archiv: Lehranalyse bzw. -therapieaufzeichnungen: Teil 1

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 30/2013

Verwahrlostes Datenarchiv in Thüringen

Die Ärzte Zeitung berichtet am 13.12.2013 über ein verwahrlostes Datenarchiv (Immelborn, Thüringen), in dem sich u. a. auch ausgelagerte medizinische Unterlagen aus Arztpraxen befinden. Laut Handelsregister ist die 1993 noch in der damaligen DDR gegründete Firma vor fünf Jahren in Insolvenz gegangen, der ehemalige Geschäftsführer ist derzeit nicht auffindbar.

Der thüringische Landesdatenschutzbeauftragte Hasse sieht schwere Verstöße gegen den Datenschutz und seine Behörde damit überfordert an, alle Akten zu sichten und ihre Besitzer zu ermitteln. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß die grundsätzlich zulässige Archivierung ärztlicher Unterlagen durch Privatfirmen die ÄrztInnen nicht von ihren datenschutzrechtlichen Pflichten ihrer und Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufbewahrung entbinde.

Anmerkung: Siehe die Ausführungen in der vorausgehenden Meldung (AKTUELL: Nummer 29/2013).

Ärzte Zeitung (13.12.2013): Illegale Ausspähaktion: Massenhaft Patientendaten gestohlen

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 29/2013

Diebstahl von Patientendaten bei externem Dienstleister (Rechenzentrum)

Die Ärzte Zeitung berichtet am 29.11.2013 über einen 21-jährigen Systemadministrator eines privarten medizinischen Rechenzentrums (Landkreis Northeim), der große Mengen an vertraulichen Patientendaten aus Arztpraxen und Apotheken kopiert haben soll. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts des Ausspähens von Daten, des Verrats von Geschäftsgeheimnissen und des Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) von der zuständigen Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat der Tatverdächtige die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt - er habe dabei aber nach seinen Angaben im Einverständnis mit dem Geschäftsführer gehandelt.

Die eigentliche Brisanz der Angelegenheit besteht allerdings darin, wie die vertraulichen Daten aus Arztpraxen und Apotheken überhaupt in das Rechenzentrum gelangten. Zwar ist eine Auslagerung grundsätzlich möglich jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der private Anbieter die Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen garantieren kann und deren Einhaltung auch regelmäßig kontrollier wird und eine Einwilligung der PatientInnen in die Weitergabe der Daten an einen externen Dienstleister vorliegt.

Anmerkung: Ich rate dringend davon ab, Patientendaten an externe Rechenzentren weiterzugeben; allenfalls die Abrechnung von Privatrechnungen scheint mir noch vertretbar, sollte aber - insbesondere, wenn es nur um wenige PatientInnen geht - soweit möglich ebenfalls vermieden werden. Weder kann die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen von Laien überprüft oder gar kontrolliert werden noch sollte die Gefahr unbefugter Einsichtnahme oder Mißbrauchs (siehe obigen Fall) eingegangen werden.

Ärzte Zeitung (29.11.2013): Illegale Ausspähaktion: Massenhaft Patientendaten gestohlen

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 28/2013

World Medical Association Declaration of Helsinki (WMA): Ethical Principles for Medical Sesearch  Involving Human Subjects (Version Fortaleza/Brasilien 2013)

Die 1964 in Helsinki verabschiedete Deklaration beinhaltet wichtige ethische Prinzipien im Zusammenhang der medizinischen Forschung an Menschen einschließlich der Forschung mit identifizierbarem menschlichem Material oder entsprechenden Daten. Sie richtet sich in erster Linie an ÄrztInnen, bestärkt jedoch auch alle an der Forschung beteiligten Personen und Berufsgruppen, die Prinzipien der Deklaration zu übernehmen (vgl. Präambel). Die mehrfach geänderte Deklaration wurde auf der 64. Generalversammlung der WMA in Fortaleza (Brasilien) im Oktober 2013 überarbeitet. Wesentliche Veränderungen zur vorausgehenden Version (Korea 2008) wurden nicht vorgenommen. Die Deklaration beinhaltet neben der Präambel (Ziffern 1-2) Ausführungen

  • zu allgemeinen ethischen Prinzipien (3-15),

  • zu Risiken, Belastungen und Nutzen (16-18),

  • zu vulnerablen Personen und Personengruppen (19-22),

  • zu ethischen Forschungskomissionen (23),

  • zum Datenschutz und zur Schweigepflicht (24),

  • zur informierten Einwilligung - informed consent (25-32),

  • zum Einsatz von Placebo (33),

  • zu Maßnahmen nach Studienende (34),

  • zur Registrierung, Publikation und Veröffentlichung von Studien (35-36) sowie

  • zu nicht evaluierten Interventionen in der klinischen Praxis (37).

Bei Ziffer 9 finden werden allgemeine ethische Prinzipien aufgelistet, darunter auch zum Datenschutz und zur Schweigepflicht:

9.

It is the duty of physicians who are involved in medical research to protect the life, health, dignity, integrity, right to self-determination, privacy, and confidentiality of personal information of research subjects. The responsibility for the protection of research subjects must always rest with the physician or other health care professionals and never with the research subjects, even though they have given consent.

Spezielle Aussagen zur Schweigepflicht finden sich unter der Überschrift: Privacy and Confidentiality:

24.

Every precaution must be taken to protect the privacy of research subjects and the confidentiality of their personal information.

Nachfolgend (unter der Überschrift: Informed Consent) widmen sich die Ziffern 25-32 der Frage der informierten Zustimmung. Eine Einwilligung in Forschungsnahmen ist nur insoweit ethisch vertretbar, als die Teilnahme freiwillig erfolgt und die Betroffenen drüber informiert sind, was zu welchem Zweck geschieht (Methoden, Finanzierung, Interessenkonflikte, institutionelle Zugehörigkeiten der ForscherInnen, erwarteter Nutzen, potentielle Risiken der Studie und dabei möglicherweise auftretende Unannehmlichkeiten, auf die Studie folgende Maßnahmen and andere relevante Aspekte der Studie). Weiter müßen die TeilnehmerInnen auf ihr Recht hingewiesen werden, ihre Teilnahme jederzeit zu beenden bzw. ihren informed consent zurückzunehmen ohne Repressialien fürchten zu müssen. Erst nachdem sich die jeweiligen ÄrztInnen (oder andere qualifizierte Personen) davon überzeugt haben, daß die Informationen verstanden wurden, kann der informed consent (bevorzugt schriftlich) erfolgen. Schließlich sollte für die TeilnehmerInnen die Möglichkeit der Information über die allgemeinen Ergebnisse und Befunde der Studie bestehen (vgl. Ziffer 26).

Aus meiner Sicht ist insbesondere Ziffer 27 zu erwähnen, bei der auf die Problematik von Abhängigkeitsbeziehungen thematisiert wird:

27.

When seeking informed consent for participation in a research study the physician must be particularly cautious if the potential subject is in a dependent relationship with the physician or may consent under duress. In such situations the informed consent must be sought by an appropriately qualified individual who is completely independent of this relationship.

Die nachfolgenden Regelungen zum informed consent beziehen sich auf Personen, die nicht in der Lage sind informiert einzuwilligen (28-30). Unter Ziffer 31 wird auf die Pflicht der ÄrztInnen verwiesen, die TeilnehmerInnen umfassend darüber aufzuklären, welche Aspekte ihrer Behandlung in die Studie einbezogen werden. Die Beendigung der Teilnahme oder der Widerruf der informierten Einwilligung darf nicht zu einer Beeinträchtigung der Patient-Arzt-Beziehung führen. Die letzte Regelung aus dem Bereich des informed consent bezieht sich auf den Umgang mit identifizierbarem menschlichem Material oder personenbezogenen Daten (32).

Anmerkung 1: Zur Terminologie: Unter privacy ist im deutschen Sprachgebrauch Datenschutz und Privatsphäre gemeint, confidentiality meint die (berufliche) Schweigepflicht.

Anmerkung 2: Der Hinweis auf die Problematik von Abhängigkeitsbeziehungen ist aus meiner Sicht insbesondere auch für PsychotherapeutInnen von außerordentlicher Relevanz. Denn in einer Psychotherapie besteht immer eine sehr ausgeprägte Abhängigkeitsbeziehung zu einer/m bestimmten Psychotherapeutin/en. Deshalb muß bei Einwilligungen aller Art (z. B. Veröffentlichungen in Büchern, Video- bzw. Audioaufnahmen zum Zweck der Ausbildung oder Super- bzw. Intervision) in besonderer Weise darauf geachtet werden, daß diese freiwillig und nicht unter dem Druck der therapeutischen Beziehungen erteilt werden. Kann dies nicht sichergestellt werden, sollte auf die jeweilige Maßnahme verzichtet werden.

World Medical Association - WMA (www.wma.net): Ethical Principles for Medical Sesearch  Involving Human Subjects (Fortaleza/Brasilien, Oktober 2013)

November 2013


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AKTUELL: Nummer 27/2013

Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes des Meldesystem für Texte auf Internetseiten (METIS): Drohen  Abmahnungen wegen der Einbindung von METIS-Zählmarken auf einer Internetseite?

Der aktuelle Newsletter der Rechtsanwälte Kazemi & Lennartz (News I-11-2013) berichtet über die datenschutzrechtliche Problematik von METIS-Zählmarken. Diese Zählmarken zeichnen auf wie häufig eine Seite im Internet aufgerufen wird und stellt die Grundlage für eine Vergütung durch die Verwertungsgesellschaft Wort dar. Seit 2007 können für Internettexte mit einem Mindestumfang von 1.800 Zeichen bei der VG Wort gemeldet werden. Da die Ausschüttung von der Häufigkeit des Aufrufes abhängt, müßen diese von den jeweiligen AutorInnen (oder Verlagen) mit einem 'Zählpixel' der VG Wort versehen werden.

Das Problem ist: Das 'Zählpixel' speichert Aufrufe aus Deutschland mit der jeweiligen IP-Adresse (oder Domain) der BesucherInnen und nach Feststellung des Berliner Datenschutzbeauftragten auch weitere Informationen über die BesucherInnen (z. B. Linkinformation über den gelesenen Text) gespeichert und - unverschlüsselt - an die VG Wort übermittelt werden. Schließlich wird auch noch ein Cookie (mit einer Laufzeit von zwei Jahren) auf dem Rechner der NutzerInnen abgelegt - ohne die Option, sich der Zählung zu entziehen.  Mit Hinweis auf die Wahrnehmung der Rechte von AutorInnen, mit deren Verwaltung sie vom Gesetzgeber betraut wurde, sieht sich die VG Wort aber dazu berechtigt, eine entsprechende Option nicht vorzusehen.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hält die derzeitige Praxis der 'Zählpixel' für mit dem Bundesdatenschutz- und Telemediengesetz unvereinbar. Der Rechtsanwalt Dr. Kazemi kommt zu einer anderen Bewertung:

Ob die VG Wort hier gegen geltendes Datenschutzrecht verstößt  ist eine interessante Fragestellung. Gleichwohl sehe ich einen Verstoß der die Zählpixel integrierenden Webseitenbetreiber nicht. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des VG Schleswig und auch des Kammergerichts Berlin scheint eine Verantwortlichkeit hier eher nicht gegeben zu sein. Wer gleichwohl "auf Nummer sicher" gehen will, dem sei angeraten, wenigstens seine Datenschutzhinweise gem. § 13 TMG entsprechend anzupassen und eine Information über die "Zählmarken" der VG zu integrieren.

Hier vorschnelle alle Zählmarken zu löschen, erscheint indes aus hiesiger Sicht nicht geboten.

Verwertungsgesellschaft (VG) Wort: Texte im Internet

Texte Online Melden (T.O.M.) - Das Registrierungs- und Meldeportal der VG Wort: Metis mit Zählmarkenbestellung

Robert Kazemi: Drohen jetzt Abmahnungen wegen der Einbindung von METIS-Zählmarken auf meine Internetseite?

November 2013


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AKTUELL: Nummer 26/2013

"Behandelt und verkauft": Die Zeit berichtet über ÄrztInnen und ApothekerInnen, die Kranken- und Rezeptdaten von Millionen PatientInnen ohne deren Wissen weitergeben und damit viel Geld verdienen

In der Ausgabe 45 (31. Oktober 2014) berichtet die Zeit über ÄrztInnen und ApothekerInnen, die Kranken- und Rezeptdaten ihrer  PatientInnen an Privatunternehmen, meist Pharmafirmen oder Marktforschungsunternehmen (wie IMS Health oder Medimed) verkaufen. Dabei geht es um Behandlungsverläufe (Diagnose, Therapie), welche Pharmafirmen benötigen, um Produkte gezielt verkaufen zu können. Die Namen und Adressen der PatientInnen tauchen in den von   ÄrztInnen und ApothekerInnen erstellten Datenbanken nicht auf: Den einzelnen Datensätzen wird eine Patientennummer zugeordnet (Pseidonymisierung), die keinen Bezug zu anderen Daten, etwa der Mitglieds- oder Sozialversicherungsnummer hat. Dennoch ist bei besonderen Konstellationen (seltene Diagnosen und Verordnungen) eine Personenbezug nicht auszuschließen. Der Jurist Dr. Thomas Giesen vom Institut für Informationsordnung in Dresden (www.infino.org) geht deshalb davon aus, daß die Schweigepflicht verletzt ist. Das bestreiten die Unternehmen - insbesondere auch Medimed (hier wird auch kein Honorar für die Daten bezahlen sondern einzelne Statistiken) - das Arztgeheimnis werde selbstverständlich respektiert.

In einer Stellungnahme IMS Health zum Bericht der Zeit wird der Redakteurin (Anne Kunze) vorgeworfen, sie ziehe trotz umfassender Information die falschen Schlüsse und "und es fehlt in ihrem Bericht vor allem die Schlüsselinformation, dass Ärzten sehr wohl gestattet ist, anonymisierte Verordnungsinformationen im Rahmen des §§ 305a SGB V weiterzugeben." Hier wird es dann richtig kompliziert und für juristische Laien (und für Juristen, die das SGB nicht kennen) schwer durchschaubar. Denn tatsächlich gibt es eine Reihe von Ausnahme vom dem in § 305a SGB V dargelegten Grundsatz  daß VertragsärztInnen "Daten über von ihnen verordnete Arzneimittel nur solchen Stellen übermitteln [dürfen], die sich verpflichten, die Daten ausschließlich als Nachweis für die in einer Kassenärztlichen Vereinigung oder einer Region mit mindestens jeweils 300 000 Einwohnern oder mit jeweils mindestens 1 300 Ärzten insgesamt in Anspruch genommenen Leistungen zu verarbeiten" (§ 305a SGB V, Satz 4).

Klar ist aber, daß es bei der entsprechenden Sammlung und Übermittlung pseudonymisierter/anonymisierten Daten ausschließlich um Zwecke der Versorgungsforschung - nicht aber zu Werbezwecken oder anderweitigen finanziellen Interessen - gehen kann. Dem in der Zeit zitierten Rechtsanwalt Giese ist nur zuzustimmen wenn er meint: "Die Wissenschaft ist oft ein Mäntelchen, das über die Marktforschung gelegt ist".

Anmerkung: Auch für den Fall, daß ÄrztInnen und ApothekerInnen darauf verzichten solche Datensätze zu übermitteln, bei denen ein Rückschluß auf die jeweiligen PatientInnen möglich ist (das wäre eine Straftat i. S. von § 203 StGB, eine Verletzung der Berufspflichten und der zivilrechtlichen Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag), erscheint die Übermittlung anonymisierter bzw. pseudonymisierter Daten (ohne Möglichkeit des personenbezogenen Rückschlusses) alleine oder überwiegend aus finanziellen Erwägungen absolut inakzeptabel und auch gesetzeswidrig (§305a SGB V). Die Ärzte- und ggf. auch Psychotherapeutenkammern sind hier aufgerufen einem solchen Treiben, das das Vertrauen in den Berufsstand (endgültig) ruiniert, zu unterbinden.

Anne Kunze: Behandelt und verkauft. Ärzte und Apotheker geben die Kranken- und Rezeptdaten von Millionen Patienten weiter - ohne deren Wissen. Es ist ein dickes Geschäft. Die Zeit: Nr. 45 (31.10.2013): 21-22

IMS Health: Stellungnahme v. 31.10.13 zum Presseartikel in DIE ZEIT Ausgabe 45 vom 31.10.2013 (www.imshealth.com)

November 2013


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AKTUELL: Nummer 25/2013

EU-Datenschutzrecht soll die 28 verschiedenen nationalen Datenschutzregeln in der EU vereinheitlichen

(Teil I)

Am 21. Oktober 2013 hat sich Innenausschuss für das Verhandlungsmandat des Europäischen Parlaments zur Datenschutzgrundverordnung ausgesprochen (Abstimmung: 49 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen). Damit wird es aller Voraussicht nach zu einer Reform des bisherigen Datenschutzrechts (aus dem Jahr 1995) kommen - das europäische Datenschutzrecht soll dann auch die 28 nationalen Datenschutzregeln in der EU vereinheitlichen. Die neuen Regelungen sehen u. a. vor, InternetbenutzerInnen explizit auf die etwaige Weiterverwendung ihrer Daten hinzuweisen. Firmen, die dagegen verstoßen, würden dann erhebliche Strafen drohen (bis zu fünf Prozent ihres Jahresumsatzes oder bis zu 100 Millionen Euro). Allerdings muß vor einem Inkrafttreten mit den EU-Ländern verhandelt werden. Derzeit ist nicht absehbar, ob die Verhandlungen wie geplant bis zum Frühjahr abgeschlossen werden können.

Der Abgeordnete des Europa-Parlaments Jan Phillipp Albrecht (Die Grünen/EFA) ist als Berichterstatter im zuständigen Innenausschuss des Europäischen Parlaments tätig und berichtet auf seiner Webseite über alles wichtige zur Datenschutzreform.

Ärzte Zeitung v. 25.10.2013: Europa. Einheitliche Datenschutz-Regeln beabsichtigt. Das EU-Parlament hat einer Datenschutzreform zugestimmt - und damit den Grundstein für einen besseren Schutz der Webnutzer gelegt.

Jan Phillipp Albrecht (Die Grünen/EFA): www.janalbrecht.eu

Datenschutzgrundverordnung in 10 Punkten (von Verhandlungsführer/Berichterstatter Jan Phillipp Albrecht, 22.10.13)

Oktober 2013


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AKTUELL: Nummer 24/2013

Datenschützer von Bund und Ländern legen einen Forderungskatalog zum Schutz von Gesundheitsdaten vor

Auf ihrer Herbsttagung (86. Konferenz am 1. und 2. Oktober 2013 in Bremen) fordern die Datenschützer aufgrund der aktuellen "anlasslosen und umfassenden internationalen Überwachungsaktivitäten von Nachrichtendiensten (...) wirksame Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Privatsphäre. Wenn hier nicht entschieden gegengesteuert wird, ist zu befürchten, dass wir uns an eine allgegenwärtige Überwachung gewöhnen und damit rechtsstaatliche Garantien dauerhaft außer Kraft gesetzt werden." (Pressemitteilung der Konferenz v. 2.10.13, Abs 1)

Der Forderungskatalog enthält eine Reihe von Entschließungen, darunter auch für den Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens, für den "die Konferenz angesichts der mit dem zunehmenden Wettbewerb im Sozial- und Gesundheitswesen verbundenen Risiken für die informationelle Selbstbestimmungen die Stärkung der Schutzrechte für die Privat- und Intimsphäre von Patientinnen, Patienten und Versicherten" fordert (Pressemitteilung der Konferenz v. 2.10.13, Abs. 4).

In der Entschließung zur "Stärkung des Datenschutzes im Sozial- und Gesundheitswesen" wird u. a. die Informationsbeschaffung der Krankenkassen bei dem Leistungsempfängern (z. B. beim Bezug von Krankengeld) über ihren Gesundheitszustand - unter Umgehung der gesetzlich vorgesehenen Verfahren (z. B. Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung) - kritisiert. Weiter wird die Entwicklung im Bereich der Informationsverarbeitung problematisiert, da mit der "Einbindung des Internets bei der Informationsverarbeitung im Gesundheitswesen, zum Beispiel durch Nutzung von Cloud-Diensten, sozialen Netzwerken und Big-Data-Strukturen, sowie durch die weit verbreitete Arbeitsteilung im Medizinbereich und insbesondere die Einschaltung von informationstechnischen Dienstleistern (Outsourcing) (...) die Gefahr von 'gläsernen Patientinnen und Patienten oder Versicherten' weiter verstärkt" werde." (Entschließung zur Stärkung des Datenschutzes im Sozial- und Gesundheitswesen v. 1.10.13, Abs. 3)

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appelliert daher  an die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder (Zitat aus der Entschließung v. 1.10.2013, Abs. 5):

Bei der Nutzung neuer technischer Möglichkeiten muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als unverzichtbares Grundrecht von vornherein berücksichtigt werden (privacy by design). Die Entwicklung datenschutzfreundlicher Technologien, zum Beispiel von Anonymisierungs-, Pseudonymisierungs- und Verschlüsselungsverfahren, sollte gefördert und deren Einsatz nach dem aktuellen Stand der Technik gesetzlich abgesichert werden.

Die Telematikinfrastruktur ist umgehend und funktionsfähig so zu realisieren, dass die medizinische Kommunikation zwischen den Beteiligten im Gesundheitsbereich vertraulich und zuverlässig realisiert wird und die Patientinnen und Patienten praktisch in die Lage versetzt werden, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrzunehmen.

Für die zunehmende Einschaltung technischer Dienstleister durch Leistungserbringer, insbesondere niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, müssen angemessene datenschutzgerechte gesetzliche Regelungen verabschiedet werden.

Ärzte Zeitung online (7.10.13): Datenhüter fordern Schutzprogramm für Gesundheitsdaten

Pressemitteilung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder v. 2.10.2013

Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 1. 10. 2013: Stärkung des Datenschutzes im Sozial- und Gesundheitswesen

Oktober 2013


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AKTUELL: Nummer 23/2013

Über die Grundrechte

Elisabeth von Thadden hat in der Zeit (Nr. 35 v. 8. August 2013: 45) einen kurzen Beitrag veröffentlicht, der einer Erwähnung Wert ist. Unter dem Titel: „Jetzt die kleinen heißen Bücher. Aus aktuellem Anlass: Über Grundrecht, eine Sommerlektüre“ räsoniert sie über die Notwendigkeit Worte zu finden „für die neuartigen Attacken auf grundlegende Freiheitsrecht der Bürger, für all das Aushorchen, Ausleuchten, Überwachen, das die Bürgerrecht in den uferlosen, wildgewordenen Datenströmen wegspülen kann, jenseits von parlamentarischer Kontrolle und fernab vom ‚Recht auf informationelle Selbstbestimmung‘, wie das Bundesverfassungsgericht 1983 diesen Schutz der Privatheit zutreffend nannte. Doch, so Frau von Thadden, die Worte gibt es längst – und führt verschiedene Beispiele an. Da ich aufgrund meiner Recherchen (und unterschiedlicher Übersetzungen) teils zu etwas anderen Ergebnissen gekommen bin, sind die jeweiligen Quellen nachfolgend in Klammern angegeben und führen direkt zum jeweiligen Dokument):

Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika v. 17 September 1787 (die Zusatzartikel I—X bilden die so genannte "Bill of Rights" und sind 1791 in Kraft getreten) Zusatzartikel IV (www.dw.de):

Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums, vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahme darf nicht verletzt werden (...)

Allgemeine Erklärung der Menschenrecht (Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948), Artikel 12 (www.un.org):

Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949), Artikel 10 Abs. 1 (www.gesetze-im-internet.de):

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

Anmerkung: Die Grundrechte sind auch und in erster Linie Abwehrrechte der BürgerInnen gegen einen (andernfalls) übermächtigen Staat und insoweit Ausdruck ihrer Freiheitssphäre.

Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Union, 30.03.2010), Artikel 8 (www.europarl.de):

Schutz personenbezogener Daten

(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.

Bei meinen weiteren Recherchen kamen noch weitere interessante Quellen zu Tage, welche die Bedeutung des Schutzes der Privatheit bzw. der Privatsphäre gegenüber dem Staat und seinen Institutionen weiter untermauern.

Bayerische Verfassung, Artikel 112 Abs. 1 (www.gesetze-bayern.de):

(1) Das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich. 

Die 1990 gegründete und international tätige Menschenrechtsorganisation Privacy International (PI) mit Sitz in London bezeichnet sich selbst als Hüterin der Privatsphäre der Bürger gegenüber Staat und Wirtschaftsunternehmen: www.privacyinternational.org. Unter anderem erstellt die PI gemeinsam mit einer weiteren Organisation (Electronic Privacy Information Center - EPIC) ein jährliches ranking, hinsichtlich des der den BürgerInnen zugestandenen Privatsphäre  Untersucht werden alle EU-Staaten und eine Reihe weiterer nicht europäischer Staaten.

Elisabeth von Thadden: Jetzt die kleinen heißen Bücher. Aus aktuellem Anlass: Über Grundrecht, eine Sommerlektüre. Die Zeit Nr. 35 v. 8. August 2013: 45

September 2013


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AKTUELL: Nummer 22/2013

Schweigepflicht bei Kindeswohlgefährdung

(Teil VI)

Obwohl ich bereits ausführlich über diese Frage berichtet habe (siehe im Archiv Kinderschutz Teile I-V), scheint es mir notwendig, das Thema angesichts seiner Relevanz und der auftretenden rechtlichen Unsicherheiten (die auch mit dem Thema selbst zu tun haben) immer wieder aufzugreifen.

Insbesondere Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (aber auch Psychologische und ärztliche PsychotherapeutInnen, die Kinder und Jugendliche Behandeln) kommen im Zusammenhang von Hinweisen auf die Gefährdung des Kindeswohls ihrer PatientInnen in  eine schwierige Situation.

Bestehen klare Hinweise für eine unmittelbar bevorstehende Gefahr (z.B. eine angekündigte körperliche oder sexuelle Mißhandlung) kann auch ohne Einwilligung des betroffenen Kindes oder der Eltern (insbesondere bei jüngeren Kindern), die nicht anders abgewendet werden kann - etwa durch ein Gespräch mit dem Täter oder den Schutz des Kindes, das in die Wohnung des anderen Elternteils wechselt. Der Bruch der Schweigepflicht kommt dann in Frage, wenn nur die Information an Dritte (andere Angehörige, Bekannte, Beratungsstelle, Jugendamt, Polizei) geeignet ist, die Gefahr abzuwenden (Rechtsgrundlage (§ 203 StGB i. V. mit § 34 StGB - rechtfertigender Notstand). Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten (Wahl der geeigneten und zugleich am wenigsten in die Rechte der Betroffenen einschneidende Maßnahme).

Schwieriger ist die Situation wenn eine Gefährdungssituation vorliegt. Schon in der Vergangenheit war klar, daß die besondere Verantwortung von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen gegenüber den ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen (Garantenstellung) beinhaltet, den Verdacht einer wie auch immer gearteten Mißhandlung ernst zu nehmen, zu klären und ggf. auch Maßnahme zu ergreifen, die eine weitere Gefährdung ausschließen.

Um den Schutz der Kinder und Jugendlichen zu stärken hat der Gesetzgeber daher verschiedene Maßnahmen ergriffen:

1. Offenbarungspflicht von ÄrztInnen in Bayern bei Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch

Speziell in Bayern wurde im Art. 14 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung - GDVG), der den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen regelt, eine Offenbarungspflicht für ÄrztInnen implementiert:

(6) Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, gewichtige Anhaltspunkte für eine Misshandlung, Vernachlässigung oder einen sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen, die ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung bekannt werden, unter Übermittlung der erforderlichen personenbezogenen Daten unverzüglich dem Jugendamt mitzuteilen.

Diese Vorschrift stellt geltendes bayerisches Recht dar (!), ist aber m. E. weder bekannt, noch wird sie nach meiner Erfahrung von ÄrztInnen berücksichtigt (der Verstoß wird auch nur als Ordnungswidrigkeit geahndet; vgl. Archiv Teil I). Sie betrifft natürlich auch ärztliche PsychotherapeutInnen! Dabei ist nicht nur die Tatsache der Offenbarungspflicht ein Problem (eine Abwägung zwischen den verschiedenen Rechtsgüter ist nicht - wie sonst - möglich), sondern vor allem auch der Umstand, daß vertrauliche Informationen, die das behandelte Kind bzw. der Jugendlichen (oder auch deren Eltern) über Dritte in der Therapie äußert, z. B. ein sexuell mißbrauchtes Mädchen, das sich seiner Freundin (= Patientin) anvertraut, dem Jugendamt übermittelt werden müßen: Kinder und jugendliche PatientInnen als Informanten?!

Anmerkung 1 (20.09.2013): Auf Anfrage teilt mir das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit am 17.09.2013 mit, daß die besagte Vorschrift (Art 14 Abs. 6)  aufgrund einer vorrangigen Bundesvorschrift "keinerlei Wirkung (mehr)" entfaltet. Die entsprechende Bundesbestimmung (§ 4 KKG) finden Sie im folgenden Absatz - für (bayerische) ÄrztInnen besteht deshalb keine Mitteilungspflicht! 

Anmerkung 2 (14.12.2013): Auf Anfrage teilt mir das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales am 22.12.2013 mit, daß die besagte Vorschrift (Art 14 Abs. 6)  aufgrund der Unklarheiten des KKG (insbesondere § 4 Abs. 3 KKG, bringe "die (tatsächliche) Handlungspflicht zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung nicht zum Ausdruck") "zur Handlungssicherheit und Handlungsklarheit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen weiterhin dringend erforderlich" sei. Die zuständige Regierungsrätin verweist in diesem Zusammenhang auf zwei Informationsquellen:

www.kinderschutz.bayern.de

Leitfaden für ÄrztInnen: Gewalt gegen Kinder und Jugendliche - Erkennen und Handeln; www.aerzteleitfaden.bayern.de - insbesondere Kapitel 2.3.4. Dort heißt es u. a.:

Hinweis:

Ärztinnen und Ärzte sind regelmäßig durch die aus Behandlungsvertrag oder tatsächlicher Gewährsübernahme begründete Beschützergarantenstellung dazu verpflichtet, Schaden für das Wohl des behandelten Kindes bzw. Jugendlichen abzuwenden. Dies beinhaltet auch die Information und Einbindung geeigneter Stellen (Jugendamt, Polizei), wenn der Eintritt des Schadens nicht mit anderen Mitteln verhindert werden kann und insbesondere die Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, zur Abwendung der Gefährdung mitzuwirken (Handlungspflicht). Zur Sicherstellung eines effektiven Kinderschutzes und insbesondere zur Schaffung von Handlungsklarheit in Bezug auf diese Handlungspflicht wurde eine solche Pflicht näher in Art. 14 Abs. 3 und 6 GDVG konkretisiert. Eine Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes ergibt sich ebenfalls aus § 4 Abs. 3 KKG. In Fällen, in denen eine Kindeswohlgefährdung aus ärztlicher Sicht nur durch Einbindung des Jugendamtes abgewendet werden kann, verdichtet sich die dort normierte Befugnisnorm ebenfalls zu einer Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes (...).

Hinweis:

Leider wurde in § 4 Abs. 3 KKG eine entsprechende Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes bei der dort genannten Gefährdungslage nicht ausdrücklich und damit eindeutig und klar geregelt. Das Ziel der Schaffung von Handlungssicherheit und Rechtsklarheit wurde somit nicht vollumfänglich erreicht. Die Bayerische Staatsregierung hatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine entsprechende Klarstellung in § 4 Abs. 3 KKG gefordert (siehe Plenarantrag des Freistaates Bayern, BR-Drs. 202/2/11).

Wichtiges Ziel des Leitfadens ist es, Sicherheit beim Erkennen und im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen zu schaffen und insbesondere die grundsätzlich bestehende Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes mit Empfehlungen und Fallbeispielen näher zu konkretisieren (vergleiche hierzu auch Art. 14 Abs. 6 GDVG).

Anmerkung 3 (14.12.2013): Zwei Bayerische Staatsministerien widersprechen sich diametral in einer ja nicht ganz unwichtigen Angelegenheit! Soviel zur Rechtsklarheit.

2. Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG und Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)

Im Jahre 2012 trat das (Bundes-) Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG v. 22.12.2011, BGBl. I S. 2975, Nr. 70) in Kraft (ab 01.01.2012).

Im Rahmen dieses Gesetzes wurde u. a. das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) beschlossen (Geltung ebenfalls ab 01.01.2012), daß insbesondere für ÄrztInnen, ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen von Bedeutung ist:

§ 4 Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung

(1) Werden

1. Ärztinnen oder Ärzten, Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,

(…)

in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. [Fett- und Kursivhervorhebung v. Autor]

In Absatz 2 ist geregelt, daß eine speziell qualifizierte Fachkraft (in der Regel des örtlichen Jugendamts) in solche Fällen zur Beratung  hinzugezogen werden kann (es besteht insoweit ein Anspruch auf die Beratung!). Hierfür wurde eine Offenbarungsbefugnis (keine Offenbarungspflicht) geregelt, die allerdings nur eine pseudonymisierte Datenweitergabe erlaubt. Der Name des Kindes/Jugendlichen darf also nicht genannt werden (stattdessen etwa ein anderer Vorname, oder die Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachname oder eine Chiffre) und aus den weiteren Angaben darf in der Gesamtschau nicht erkennbar werden, um wen es sich handelt (z. B. außergewöhnliche Familienkonstellationen, besondere Berufe oder Personeneigenschaften):

(2) Die Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.

Für den Fall, daß das Gespräch mit dem Kind/Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten nicht ausreicht um die Gefahr abzuwenden, besteht eine Offenbarungsbefugnis (keine Offenbarungspflicht) gegenüber dem Jugendamt:

(3) Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Personen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen.

3. Kinderjugendhilfegesetz - KJHG (SGB VIII)

Die dramatischen Kindstötungen vor einigen Jahren (u. a. der 'Fall' Kevin in Bremen)  waren 2005 Anlaß einer Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG = Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII)). Mit der Einführung des § 8a "Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung" werden vor allem die Jugendämter verpflichtet bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen, das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen und ggf. entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Aber auch Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach SGB VIII erbringen, sind betroffen. Mit ihnen sind Vereinbarungen zu treffen, die sicherstellen, daß deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen, daß bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird und daß die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

Da niedergelassene PsychotherapeutInnen in der Regel keine Leistung nach "diesem Buch" (KJHG/SGB VIII) erbringen, sind sie nicht von dieser Regelung betroffen. Allerdings haben sie als "Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen" nach § 8b (Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen) "Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft".

Anmerkung: Durch das KKG entsteht keine Pflicht, die Beratung durch eine Fachkraft des Jugendamts in Anspruch zu nehmen oder eine Maßnahme nach Absatz 3 einzuleiten. Allerdings werden PsychotherapeutInnen für den Fall, daß dann etwas geschieht bei einem möglichen Gerichtsverfahren die Frage beantworten müßen, auf welcher Grundlage sie zur Einschätzung gelangt sind, nicht entsprechend zu handeln.

Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) über www.buzer.de

Archiv Kinderschutz: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI

Archiv Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit: Teil I + Teil II

Archiv Einsichtnahme in Dokumentation bei Minderjährigen (Patientenrechtegesetz): Teil I (7/2012 in: Ergänzung 1)

September 2013


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AKTUELL: Nummer 21/2013

Patientenrechte & Patientenrechtegesetz

(Teil VIII)

Das Thema Patientenrechte spielt eine immer bedeutsamere Rolle. Im Zuge des Patientenrechtegesetzes bin ich auf die Seite des Vereins Für Soziales Leben e.V. in 59348 Lüdinghausen. Dort finden sich sehr übersichtliche und leicht verständliche Informationen zum Patientenrechten, zum Patientenrechtegesetz (Gesetzestext und Erläuterungen) und zur Patientenverfügung. Zudem gibt es News zu den genannten Themen und ein Forum, bei dem man sich über die verschiedenen Fragen austauschen kann.

Zwischenzeitlich ist nun auch der Gesetzestext auf meiner Seite direkt verfügbar: § 630 a-h BGB

September 2013


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AKTUELL: Nummer 20/2013

Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Beschränkung der Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber einem Berufsunfähigkeitsversicherer (Az.: 1 BvR 3167/08)

Das Bundesverfassungsgericht hat einer an einer Depression leidenden Klägerin das Recht zugebilligt, mit dem Berufsunfähigkeitsversicherer (bei dem sie eine BU-Rente beantragt hatte) in Verhandlungen über die von ihr zu erteilende Entbindung von der Schweigepflicht zu verhandeln. Zuvor hatte es die Klägerin abgelehnt, dem Versicherer eine pauschale Schweigepflichtentbindung zu erteilen und in einem weiteren Schritt auch abgelehnt, die ihr zugesandten Einzeleinwilligungen (gegenüber Krankenkasse, ÄrztInnen und Rentenversicherung) zu unterzeichnen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies ihre Klage auf Berufsunfähigkeitsrente wegen der Verweigerung der Erteilung der entsprechenden Einwilligungen ab.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung am 13.08.2013 aufgehoben. Nach Angaben der Ärztezeitung (14.08.2013) aus folgenden Gründen:

Versicherungsnehmer hätten faktisch keine Chance, über die Geschäftsbedingungen und insbesondere auch über Schweigepflicht-Klauseln zu verhandeln. Daher sei es Aufgabe des Staates und der Gerichte, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts habe das Landgericht dem nicht Rechnung getragen. Bei einer erneuten Verhandlung wäre dann folgendes Vorgehen denkbr:

Ein Ausgleich der Interessen könne dabei in einem mehrstufigen Dialog gefunden werden, schlagen die Karlsruher Richter vor: Zunächst könne eine Einigung erzielt werden, welche Stellen relevante Informationen haben könnten.

Im zweiten Schritt könnte dann geklärt werden, für welche konkreten Daten die Versicherungsnehmerin die jeweilige Stelle von der Schweigepflicht entbinden muss.

Bereits seit 2009 regelt das Versichertenvertragsgesetz (VVG), daß personenbezogene Gesundheitsdaten nur insoweit erhoben werden dürfen, als deren Kenntnis "für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat" (§ 213 Abs. 1 VVG).

Anmerkung: Diese Regelung (§ 213 VVG) präzisiert lediglich, was schon immer ein eherner Grundsatz des Bundes- und der Länderdatenschutzgesetze war und ist: Zweckbindung und Datensparsamkeit. Mit anderen Worten: Daten dürfen nicht abgefragt bzw. erhoben und verarbeitet sowie übermittelt werden, wenn dies zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben bzw. zu dem Zweck, zu dem eine Einwilligung erteilt wurde, überhaupt nicht notwendig ist. Schon immer haben Datenschutzbeauftragte (Bund und Länder) darauf hingewiesen, daß zumeist weitaus mehr Daten erhoben werden als notwendig und zulässig!

Ärztezeitung online (Karlsruher Richter stärken Patientendatenschutz. Das Bundesverfassungsgericht gibt einer depressiven Klägerin recht, deren Berufsunfähigkeitsversicherer die Zahlung einer Rente verweigerte, weil sie Ärzte, Kasse und Behörden nicht vollumfänglich von der Schweigepflicht entbinden wollte. Sie habe das Recht auf einschränkende Auskunftserlaubnis (von Martin Wortmann)

www.dejure.de: Versicherungsvertragsgesetz

September 2013


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AKTUELL: Nummer 19/2013

Handel mit nicht ausreichend anonymisierten Rezeptinformationen (Arzt- und Patientendaten)

Nach einem Bericht des Spiegels vom 18.08.2013 hat ein Rechenzentrum, das Daten aus Apotheken verarbeitet (es handelt sich um das süddeutsche Apothekenrechenzentrum VSA in München), diese an Unternehmen aus dem Bereich der Marktforschung (u. a. den amerikanischen Konzern IMS Health) verkauft. Das Problem ist, daß die Daten nicht anonymisiert und verschlüsselt wurden (dann wäre der Handel legal), sondern lediglich pseudonymisiert wurden: Den Datensätzen wurde ein 64-stelligen Code zugeordnet, der allerdings auch noch, so der Spiegel, eine Zuordnung zur Versichertennummer zuläßt. Auf diese Weise war es eventuell sogar möglich nachzuvollziehen, welche Arztpraxen welche Medikamente verschrieben haben - Informationen, die für Pharmaunternehmen von außerordentlicher Bedeutung sind. Deshalb werden für die Daten auch erhebliche Summen gezahlt.

Wie der Spiegel berichtet, hat der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, den Datenhandel als einen "der größten Datenskandale der Nachkriegszeit", kritisiert. Weiter heißt es:

Im Juli schließlich erklärte Datenschützer Thilo Weichert in der "Deutschen Apotheker Zeitung", dass Ermittlungen der Datenschutzbehörden ergeben hatten, dass "die Apothekenrechenzentren an IMS Health und andere keine anonymisierten, sondern - unzulässig - pseudonymisierte Daten" herausgegeben hatten. Das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum habe seine Datenlieferung seither umgestellt. IMS Health und VSA hätten entsprechende Umstellungen bisher jedoch noch nicht vorgenommen.

Zudem warnt Weichert Apotheker davor, ihre Daten von Rechenzentren verarbeiten zu lassen, von denen bekannt sei, dass sie die Patientendaten nicht hinreichend anonymisieren. Dies könne als Verstoß gegen die Schweigepflicht der Apotheken gewertet werden. Gegen die Apothekenrechenzentren wettert er, sie würden damit argumentieren, dass mehr Datenschutz ihre Dienste verteuern würde: "Ein illegales Geschäftsmodell wird dadurch nicht besser, dass es billiger und lukrativer sein soll."

Der SPIEGEL (online: Sonntag, 18.08.2013 – 08:08 Uhr): Handel mit vertraulichen Daten: Millionen deutsche Patienten und Ärzte werden ausgespäht

September 2013


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AKTUELL: Nummer 18/2013

Ungeachtet des Widerrufes einer Schweigepflichtentbindung dürfen die von einer Krankenkasse früher mit Zustimmung erhaltenen   Behandlungsunterlagen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen weiter verwendet werden

Das OLG München hat mit Beschluß v. 16.05.2013 auf die Berufung der Klägerin (AOK) das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 21.09.2012, Az. 3 O 5181/11, aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen

Leitsatz & Tenor (Redaktion: www.jurion.de):

Eine gesetzliche Krankenkasse ist im Rahmen der Geltendmachung von übergegangenen Schadensersatzansprüchen eines Patienten nicht an dessen Zustimmung und fortdauernde Entbindung der betroffenen Ärzte von der Schweigepflicht gebunden. Hat sie vielmehr aufgrund eines wirksam erklärten Einverständnisses des Patienten Ablichtungen der Behandlungsunterlagen erlangt, so kann sie ihre Ansprüche auch dann weiter verfolgen, wenn der Patient seine Entbindung von der Schweigepflicht widerrufen hat.

Im vorliegenden Fall hatte der Patient seine Krankenkasse (AOK) eine Schweigepflichtentbindung wegen eines von ihm vermuteten Behandlungsfehlers zur Einholung von Behandlungsunterlagen der ihn behandelnden ÄrztInnen (Hausarzt und Klinik)  erteilt. Auf diese Weise sollte die Behandlung überprüft werden. Da aus Sicht der Krankenkassen ein Behandlungsfehler tatsächlich vorlag und forderte sie von den betroffenen ÄrztInnen die Erstattung der Behandlungskosten i. H. 9638 Euro aus übergegangenem Recht (§ 116 SBG X).  Da der Patient im Rahmen des Klageverfahrens die den Hausarzt betreffende Schweigepflichtentbindung sowie die Herausgabeerklärung widerrief vertrat sowohl dieser wie auch die Klinik die Ansicht, die Patientenunterlagen dürften wegen der nicht (mehr) vorliegenden Schweigepflichtentbindung auch nicht als Beweismittel verwendet werden.

Nach Ansicht des OLG hat die AOK die Behandlungsunterlagen rechtmäßig im Zusammenhang der erteilten Schweigepflichtentbindung erhalten. Der Versicherte sei zudem auch darüber informiert gewesen, daß die AOK nach Prüfung der Unterlagen gegebenenfalls versuchen werde, Regressansprüche geltend zu machen. Nach Auffassung der Richter seien grundsätzlich "rechtmäßig erlangte Informationen und Beweismittel im Prozess einführbar und verwertbar", auch für den Fall, daß die ursprünglich erteilte Schweigepflichtentbindung später widerrufen wird. Der Widerruf der Einwilligung führt nicht zum rückwirkenden Wegfall der Zustimmung. Ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht konnte das OLG nicht erkennen. Zwar könne es besondere Konstellationen geben, bei welchen die Belange der Krankenversicherung hinter die berechtigten Interessen von PatientInnen Patienten zurücktreten müsse. Das sei jedoch hier nicht der Fall, weil der Patient keine Nachteile zu gegenwärtigen habe.

OLG München Beschluß v. 16.06.2013 (1 U 4156/12)

Ärzte Zeitung online v. 9.08.2013: Kasse darf Patientendaten trotzdem nutzen. OLG: Behandlungsunterlagen sind rechtmäßig erworbene Beweise. Deshalb darf eine Kasse die Daten in Regressverfahren selbst dann nutzen, wenn der Patient eine erteilte Schweigepflichtsentbindung widerruft.

Rechtsanwälte Scholten Oberem & Partner (SOP): Unsere Themen im Juli 2013

August 2013


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AKTUELL: Nummer 17/2013

EU-Datenschutzverordnung

Die Bundespsychotherapeutenkammer informiert in ihren EuropaNews vom 26. Juli 2013 über die sich in Diskussion befindliche EU-Datenschutzverordnung:

U-Datenschutzverordnung in der Diskussion

Ein modernes Datenschutzrecht soll der technologischen Entwicklung und der damit einhergehenden zunehmenden Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen. Die Verhandlungen zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Datenschutzverordnung sind allerdings ins Stocken geraten. Es ist unwahrscheinlich, dass sie noch in der laufenden Legislaturperiode des EU-Parlaments vor den Wahlen im Frühjahr 2014 abgeschlossen werden. In Luxemburg fanden am 6. Juni hierzu Beratungen im Ministerrat statt, in zentralen Fragen gab es jedoch keine Einigung. Insbesondere die großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben grundlegende Bedenken, weil die jetzige Regelung in Form einer Richtlinie, die nationale Spielräume für die Umsetzung lässt, durch eine bindende Verordnung ersetzt werden soll. Sie fordern mehr Zeit für weitere Beratungen. Offen sind auch noch das Konzept der Einwilligung zur Verarbeitung von persönlichen Daten, die Beteiligungsrechte von Datenschutzbeauftragten und das „Recht auf Vergessen im Internet". Die Bundesregierung ist besorgt, dass eine EU-Verordnung das hohe deutsche Datenschutzniveau herabsetzen könnte. Zum Verordnungsentwurf der Kommission liegen inzwischen fast 4.000 Änderungsanträge vor. Die im federführenden Innenausschuss noch vor der Sommerpause vorgesehene Orientierungsabstimmung wurde auf den Herbst verschoben.

Bundespsychotherapeutenkammer: EuropaNews 26.07.2013

Juli 2013


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AKTUELL: Nummer 16/2013

Prism & Co. - Wie neutral ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI)

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung v. 22.07.2013: 6 (HBG) taucht in den von Edward Snowden veröffentlichten Dokumenten neben dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) als Schlüsselpartner der NSA (National Security Agency) auf. Das wäre insofern äußerst bedenklich, als sich das BSI dafür einsetzt, "die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die IT-Sicherheit in Deutschland voran zu bringen. Dabei sind wir in erster Linie der zentrale IT-Sicherheitsdienstleister des Bundes. Mit unserem Angebot wenden wir uns aber auch an die Hersteller sowie die privaten und gewerblichen Nutzer und Anbieter von Informationstechnik, denn nur gemeinsames Handeln kann wirkungsvoll sein". U. a. unterstützt das BSI die E-Mail-Verschlüsselung, warnt vor Sicherheitslücken und zertifiziert (nachdem die entsprechenden IT-Unternehmen ihnen Einblick in ihre Produkte bzw. Programmcodes gewährt haben) auch Sicherheitszertifikate.

Der In einer Pressemeldung  vom 27.07.2013 erklärt das Bundesamt zu den Vorwürfen:

Im Rahmen der Medienberichterstattung zu den Ausspähprogrammen amerikanischer und britischer Geheimdienste ist auch über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dessen vermeintlich enge Zusammenarbeit mit dem US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) berichtet worden. Dabei wurde unter anderem suggeriert, dass das BSI die NSA aktiv mit Informationen versorgt, die es der NSA erleichtern, in Deutschland Ausspähungen vorzunehmen und vorhandene Sicherheitsschranken zu umgehen. Hier wurde insbesondere eine vermeintliche Zusammenarbeit zwischen BSI und ausländischen Diensten im Zusammenhang mit der Zertifizierung von IT-Produkten und -Dienstleistungen – einer Kernaufgabe des BSI zur Schaffung von mehr IT-Sicherheit – unterstellt. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob das BSI die NSA dabei unterstützt habe, Kommunikationsvorgänge am Internetknoten De-CIX auszuspähen.

Hierzu erklärt das BSI: Eine Zusammenarbeit oder Unterstützung ausländischer Nachrichtendienste durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik im Zusammenhang mit den Ausspähprogrammen Prism und Tempora findet nicht statt. Das BSI hat weder die NSA noch andere ausländische Nachrichtendienste dabei unterstützt, Kommunikationsvorgänge oder sonstige Informationen am Internet-Knoten De-CIX oder an anderen Stellen in Deutschland auszuspähen. Das BSI verfügt zudem nicht über das Programm XKeyscore und setzt dieses nicht ein. Das BSI gibt überdies keinerlei Informationen über zertifizierte IT-Produkte und -Dienstleistungen oder im Rahmen des Zertifizierungsprozesses gewonnene Erkenntnisse über diese Produkte und Dienstleistungen an andere Behörden, Nachrichtendienste oder sonstige Dritte weiter.

BSI: Keine Unterstützung ausländischer Nachrichtendienste: Pressemitteilung v. 27.07.2013

Süddeutschen Zeitung v. 22.07.2013: 6 (HBG)

Süddeutsche Zeitung online

Internet-Überwachung Deutschland nutzt NSA-Spähsoftware (

Juli 2013


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AKTUELL: Nummer 15/2013

Wisthleblower Edward Snowden enthüllt PRISM  & Co.

Der ehemalige Mitarbeiter der CIA und NSA (National Security Agency) Edward Snowden hat im Juni 2013 enthüllt, daß der Geheimdienst NSA weitreichende Überwachungsmaßnahmen im Bereich des Internets durchführt. Demnach greift die NSA über Prism auf Daten von großen IT-Firmen zu (u. a. Apple, Google, Microsoft und Yahoo). Die betroffenen Firmen haben allerdings bestritten, daß die NSA direkten Zugriff auf ihre Kundendaten erhält. Vielmehr würden entsprechende Daten lediglich zielgerichtet auf Grund von Durchsuchungsbefehle der (geheimen) FISA-Gerichte (Foreign Intelligence Surveillance Act) übermittelt.

Nach Informationen Snowdens überwache die NSA in Deutschland etwa 500 Millionen Kommunikationsverbindungen pro Monat (Telefonate, E-Mails, SMS und Chat-Beiträge). Gemessen an dem monatlichen Datenaufkommen (ca. 50 Milliarden Kommunikationsdatensätze) würden etwa 1% aller Datensätze abgegriffen (Bericht der Welt v. 26.07.13: siehe unten). Völlig unklar ist weiterhin, was genau gespeichert wird und auch wie die Datensätze ausgewertet werden.

Eine rechtliche Grundlage zur Weitergabe von Daten und Informationen über deutsche Staatsbürger an ausländische Geheimdienste besteht seit 2009 mit § 7a (Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst an ausländische öffentliche Stellen) des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10). Nach Informationen der Welt (siehe unten) wird die Bestimmung erst seit 2011 - anläßlich eines Abkommens mit den US-Geheimdiensten (Memorandum of Understanding) angewendet.

Nach Angaben des BND-Chefs, Gerhard Schindler, nutzen die US-Geheimdienste drei Programme, die den Namen Prism tragen. Das hätte die NSA in einem Schreiben an Kanzleramtschef Ronald Pofalla bestätigt. Das von Snowden enthüllte Programm dient der globalen Ausspähung, ein weiteres Computerprogramme wird ebenfalls von der NSA zu nicht näher bekannten Zwecken eingesetzt (Portal for Real-time Information Sharing and Management; Portal für Echtzeitaustauch und -steuerung von Informationen) und das dritte namentlich gleiche Programm wird vom US-Verteidigungsministerium in Afghanistan eingesetzt.

In einer Pressemitteilung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 24. Juli 2013 wird die Bundesregierung aufgefordert, "plausibel darzulegen, dass der unbeschränkte Zugriff ausländischer Nachrichtendienste auf die personenbezogenen Daten der Menschen in Deutschland effektiv im Sinne der genannten Grundsätze begrenzt wird. Bevor dies nicht sichergestellt ist, werden die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz keine neuen Genehmigungen für die Datenübermittlung in Drittstaaten (zum Beispiel auch zur Nutzung bestimmter Cloud-Dienste) erteilen und prüfen, ob solche Datenübermittlungen auf der Grundlage des Safe-Harbor-Abkommens und der Standardvertragsklauseln auszusetzen sind."

Pressemitteilung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 24. Juli 2013

Die Welt online: Was ist Prism genau? Der Verfassungsschutz hat nur noch eine offene Frage (26.07.2013)

Juli 2013


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AKTUELL: Nummer 14/2013

Datenschutz bei Krankenkassen unzureichend

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: hat in seinem im April 2013 fertig gestellten 24. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz (2011/2012) auf gravierende Mängel im Umgang einzelner Krankenkassen (KK) mit Patientendaten hingewiesen:

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: 24. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012 (Übersicht über die Tätigkeitsberichte); www.bfdi.bund.de

Mai 2013


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AKTUELL: Nummer 13/2013

Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Änderung des Telekommunikationsgesetzes): Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt

Gegen breiten Widerstand von Kritikern hat der Bundesrat am Freitag (3.05.2013) dem Gesetz zugestimmt - Berlin (CDU/SPD) hatte sich ursprünglich enthalten wollen, durch die nun erfolgte Zustimmung gab es nun eine Mehrheit für das Gesetz, das ohne Aussprache . Danach können nun Polizei, Zoll und Nachrichtendienste zum 1. Juli bei Telekommunikationsanbietern Informationen über deren Kunden abfragen. Die dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen minimal. Bereits bei Ordnungswidrigkeiten  können Behörden die umfangreiche Datenauskunft einholen und Nachrichtendienste können mit Hinweis auf die Notwendigkeit zur Aufgabenerfüllung Daten abfragen. Abgefragt werden können die IP-Adressen und zugehörige Namen, Bankkonten und Adressen der NutzerInnen, in bestimmten Fällen zudem auch Zugangsdaten (z. B. PIN-Nummern für das Handy und Paßwörter für E-Mail-Konten - soweit der Provider solche Dienste anbietet und die Paßwörter speichert)

Am Vortag (2.05.13) hatten noch zahlreiche Kritiker in einer gemeinsamen Erklärung die Politik (Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer) aufgefordert, das Gesetz zu stoppen:

Die Vertraulichkeit und Anonymität der Internetnutzung steht auf dem Spiel, wenn staatlichen Behörden der weitreichende Zugang zu unserer Internetnutzung und zu unseren privatesten Daten möglich gemacht wird. Die Furcht vor Ermittlungen oder sonstigen Nachteilen beeinträchtigt die unbefangene Nutzung des Internets, die in bestimmten Bereichen nur im Schutz der Anonymität erfolgen kann (z.B. medizinische, psychologische oder juristische Beratung, Presseinformanten und Whistleblower, politischer Aktivismus).

Wir fordern alle Ministerpräsidenten auf, das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft im Bundesrat zu stoppen und im Vermittlungsausschuss grundlegend zu überarbeiten:

1.

Die Anonymität der Internetnutzung (statische und dynamische IP-Adressen) muss mindestens so gut geschützt werden wie Telefon-Verbindungsdaten – keine Herausgabe ohne richterliche Anordnung, kein Zugriff in Bagatellfällen (z.B. Ordnungswidrigkeiten), keine elektronische Auskunftsschnittstelle!

2.

Die Aufrüstung von Bundeskriminalamt (BKA) und Zollkriminalamt (ZKA) zu einer “Internet-Polizei” lehnen wir ab!

3.

Unsere Passwörter gehören uns – keine Herausgabe der Passwörter zu unseren E-Mails, unseren Fotos, unseren sozialen Netzwerken und unseren Online-Speicherdiensten!

Unterzeichner:

1.

Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung

2.

Deutscher Journalistenverband (DJV)

3.

Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju)

4.

Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür

5.

Humanistische Union

6.

Komitee für Grundrechte und Demokratie

7.

Neue Richtervereinigung (NRV)

8.

Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen

9.

Reporter ohne Grenzen (ROG)

Anmerkung 9.05.2013: Heribert Prantl hat in einem Kommentar (SÜDDEUTSCHE Zeitung v. 4./5. Mai 2013: 4 "Als ginge es nur um Kaugummi") sehr zutreffend darauf hingewiesen, wie unverhältnismäßig die Datenabfrage im Gesetz ausgestaltet ist. Bereits bei "Winzlings-Ordnungswidrigkeiten" kann die Polizei Handy- und Internetdaten abfragen. Und Sicherheitsbehörden (inkl. Geheimdienst) können ohne richterliche Zustimmung (diese ist nur bei PIN- und sonstigen Geheimnummern notwendig) "Telekommunikations- und Identitätsdaten praktisch immerzu und jederzeit automatisiert oder manuell abfragen. Das Gesetz tut so, als ginge es nicht um die Abfrage von Daten, sondern um den Zugriff auf Kaugummi". Und weiter: "Das vom Bundesverfassungsgericht vor fünf Jahren postulierte "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" wird von Gesetzgeber nicht ernst genommen. Das muss aber nicht wundern: Das Verfassungsgericht nimmt sein Grundrecht auch nicht mehr so ernst wie damals."

Ein Skandal, der allerdings kaum jemand aufregt - nicht nur die  Haltung des Bundesverfassungsgericht scheint sich zu ändern - auch jene von (vielen) Politikern und (vielen) BürgerInnen.

http://bestandsdatenauskunft.de: Infoblog, der sich kritisch mit der Bestandsdatenauskunft und ihren Auswirkungen auf die Privatsphäre befasst. Ursprünglich wurde er von den Piraten gestartet, zwischenzeitlich dient er der parteiübergreifenden Information über und Mobilisation gegen die Bestandsdatenauskunft (zusätzlich zum Protestwiki).

Zeit online vom 3.05.2013: Ermittler dürfen ab 1. Juli Bestandsdaten abfragen. Die Kritik von Bürgerrechtlern war vergeblich, der Bundesrat hat das umstrittene Gesetz zur Bestandsdatenabfrage durchgewinkt. Nun wird es wohl Klagen dagegen geben.

Archiv: Teil 1

Mai 2013


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AKTUELL: Nummer 12/2013

Patientendaten, Datenschutz & Cloud

Die Cloud ist ein Anglizismus, der das Phänomen der Datenwolke beschreibt: Daten werden nicht mehr stationär (Festplatte im PC gespeichert, sondern auf eigens dazu vorgehaltenen Servern, die irgendwo in der Welt stehen. Auf dort abgelegte Daten kann von überall her zugegriffen werden.

Grundsätzlich würde ich abraten, sensible Daten in der cloud zu speichern - auch wenn diese bei Beachtung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen weitgehend sicher 'aufbewahrt' werden können. Das Risiko steigt allerdings, weil Dritte (Dienstleister) in die Archivierung einbezogen sind. Die meisten ÄrztInnen, PP und KJP sind computertechnische Laien und damit kaum in der Lage, Risiken zu erkennen, abzuwägen und diese durch entsprechende Maßnahmen (weitgehend) zu minimieren - das gilt allerdings nicht nur für Daten in der cloud!

In der Ärzte Zeitung online (30.04.2013) informiert Rebekka Höhl über Chancen und Risiken von "Patientendaten in der Wolke".

Anmerkung: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Schaar) geht in im 24. Tätigkeitsbericht (2011/20012) auf die Problematik des "Cloud Computing - heiter bis wolkig" ein. Hier zeigt sich auch ein besonderes Problem: Die "Zugriffsmöglichkeit staatlicher Stellen, insbesondere aus Drittstaaten auf Daten, die in der Cloud gespeichert sind" (Seite 70).

Ärzte Zeitung online (30.04.2013): Patientendaten in der Wolke. Was erlaubt der Datenschutz? Für Arztpraxen gelten beim Cloud-Computing strenge Datenschutzregeln. Doch die Praxen können sich zum Teil mit ganz praktikablen Lösungen behelfen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: 24. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2011 und 2012 (Übersicht über die Tätigkeitsberichte); www.bfdi.bund.de

Mai 2013


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AKTUELL: Nummer 11/2013

Bußgelder wegen Datenschutzverstößen gegen psychosoziale Organisationen: Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V. und RebuS

Bereits im November 2011 hatte ich darüber berichtet, daß mehrere Tausend sensible Patientendaten einer psychosozialen Organisation im Bereich der Arbeit mit psychisch schwer kranker Menschen frei im Internet abrufbar waren (AKTUELL: Nummer 32/2011). Nun hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in einer Pressemitteilung (25.04.2013) auf die Verhängung von Bußgeldern in diesem Fall aufmerksam gemacht:

Anfang November 2011 wurde bekannt, dass im Internet etwa 3.600 Dokumente der Brücke . und von anderen Hilfsorganisationen für psychisch Kranke mit sensiblen Angaben von Patientinnen und Patienten im Internet technisch ungeschützt abgerufen werden konnten. Die Dokumente waren in einem für interne Zwecke genutzten System abgelegt, das über das Internet betrieben wurde. Die Dokumentenverzeichnisse waren nicht gegen einen Zugriff von Außen gesichert. Dienstleister für diesen Datendienst war die RebuS GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V.. Nach Einschaltung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) wurde der Dienst abgestellt und das ULD begann die Ermittlungen, wie es zu diesem Datenleck kommen konnte.

Dabei ist das ULD auf ein unübersichtliches Konstrukt aus verschiedenen Partnern gestoßen, die an der Entwicklung und dem Betrieb des Dienstes beteiligt waren. Wer in dem Zusammenspiel dieser Stellen welche Aufgaben, Pflichten und Befugnisse hatte, war nicht geregelt. Mangels Dokumentation konnten wesentliche Schritte der Administration des Dienstes nicht mehr nachvollzogen werden. So konnten Brücke und RebuS nicht aufklären, ob für die Dokumentenablage in dem Dienst, der seit dem Jahr 2002 betrieben wurde, jemals ein wirksamer Zugriffsschutz bestanden hat.

Nun hat das ULD Bußgelder gegen die RebuS GmbH in Höhe von 30.000 Euro und gegen den Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V. in Höhe von 70.000 Euro verhängt. Die Bußgeldbescheide sind bisher nicht rechtskräftig.

Thilo Weichert, Leiter des ULD: "Die Veröffentlichung der psychiatrischen Unterlagen stellten eine massive Verletzung der Vertraulichkeit dar, die die behandelten Personen berechtigterweise von den Hilfsorganisationen erwarten. Wir mussten mit Erschrecken feststellen, dass die verantwortlichen Stellen in der ganzen über ein Jahr dauernden Auseinandersetzung sich nicht über die Bedeutung des Unterlassens der nötigen technisch-organisatorischen Sicherungen und der Kontrolle im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung einsichtig zeigten. Zwar wurde umgehend das konkrete Datenleck geschlossen, doch bis heute wurde kein Konzept für ein valides Datenschutzmanagement vorgelegt." (https://www.datenschutzzentrum.de/presse/20130425-bussgeld-bruecke-rebus.htm)

Die Entscheidung macht deutlich, wie bedeutsam Datenschutz und Datensicherheit für die im Bereich des Gesundheitswesens tätigen Leistungserbringer sind. Das gilt für niedergelassene ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und Kliniken ebenso wie für psychosoziale Einrichtungen. Verstöße gegen den Datenschutz, die Schweigepflicht und/oder datenschutzrechtliche Bestimmungen des SGB (oder anderer Gesetze) führen nicht nur zu einer Erosion des Vertrauen bei den sich den Institutionen/Personen anvertrauenden PatientInnen bzw. KlientInnen, sondern können im Einzelfall auch erhebliche finanzielle Folgen haben.

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein: Pressemitteilung vom 25.04.2013

April 2013


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AKTUELL: Nummer 10/2013

Die elektronische Gesundheitskarte: Flächendeckende Ausgabe bis Ende 2013

(Teil XVIII)

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns berichtet im aktuellen Heft über die eGK, die bis Ende 2013 an alle Versicherten ausgegeben sein soll. Die eGK-Versichertenkarte beinhaltet um Unterschied zur früheren Karte mit einfachem Speicherchip einen vollwertigen Mikroprozessor mit lokalem Speicher und lokaler Rechenleistung. Im Bericht der KVB wird noch einmal darauf hingewiesen, daß

Im nächsten Schritt des Aufbaues einer Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen werden seit Beginn des Jahres Heilberufeausweise ausgegeben (NRW).

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) - KVBFORUM 04/2013: 34: Die neue Gesundheitskarte

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + Teil XVI + Teil XVII

April 2013


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AKTUELL: Nummer 09/2013

Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) & Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN): Neue Fassung der Broschüre Anfragen von Krankenkassen, MDK und Anderen

Auf der Seite der KVN heißt es dazu:

Vor dem Hintergrund des seit 26. Februar geltenden neuen Patientenrechtegesetzes geben die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) ihre gemeinsame Broschüre "Anfragen von Krankenkassen, MDK und Anderen" in überarbeiteter Auflage heraus. Auf den jeweiligen Internetseiten der Körperschaften kann diese ab sofort abgerufen werden.

Die Veröffentlichung bietet Antworten auf die häufigsten Fragestellungen von Ärzten, wenn sie Anfragen oder Vordrucke von unterschiedlichen Akteuren erhalten oder Gutachten vielfältiger Art erstellen sollen. Auch zu Themen wie der ärztlichen Schweigepflicht sowie Honorierung dieser Gutachten gibt das Merkheft Auskunft.

Nach einer Einleitung und dem ersten Kapitel "Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht im Arzt-Patienten-Verhältnis" werden vielfältige Fragestellungen, die oftmals an Ärzte gerichtet werden, behandelt. Dabei geht es beispielsweise um Anfragen von Patienten, Rechtsanwälten, Erziehungsberechtigten sowie Erben oder Angehörigen. In einem detaillierten Kapitel widmen sich die Autoren den Anfragen von Krankenkassen sowie vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Sie setzen ihren Überblick fort mit Anfragen sonstiger Kostenträger und auch von Sozialämtern, Gesundheitsämtern sowie Finanzämtern. Ein Stichwortverzeichnis rundet den Service ab.

Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) & Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN): Der schnelle Überblick: Anfragen von Krankenkassen, MDK und Anderen. Rechtsgrundlagen, Vordrucke, Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht, Aufbewahrungsfristen … (Stand: März 2013)

www.kvn.de

April 2013


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AKTUELL: Nummer 08/2013

Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Änderung des Telekommunikationsgesetzes) vom Bundestag beschlossen

Am vergangenen Donnerstag (21.03.2013) hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft mit den Stimmen der CDU/CDU, FDP und SPD beschloßen. Die Grünen und Die Linke sprachen sich gegen das Gesetz aus. Die Neuregelung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung die entsprechenden Regelungen des Telekommunikationsgesetzes für verfassungswidrig gehalten hatte. Der zunächst vorgelegte Entwurf wurde von KritikerInnen (u. a. Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung) als völlig unzureichend angesehen, da er die Vorgaben des ursprünglichen Gesetzes teilweise noch erweiterte. Die Koalition hatte sich daraufhin auf das nachgebesserte (vgl. Zeit online 18.03.2013) und nun beschlossene Gesetz verständigt. Doch auch dieses stößt auf heftige Ablehnung (vgl. Stellungnahme des AK Voratsdatenspeicherung v. 20.03.13). So hat der Bundesdatenschutzbeauftragte gefordert, die Abfrage der sogenannten Bestandsdaten auf gravierende Delikte zu begrenzen.

Mit dem Gesetz können Polizei und Geheimdienste künftig sehr persönliche Informationen von Mobiltelefonbesitzern abrufen - automatisiert und ohne große juristische Hürden, wenn sie die jeweilige IP-Adresse kennen. Dazu muß man wissen: 2008 wurden bereits 26 Millionen Abfragen von 100 Behörden bei 120 Telekommunikationsunternehmen registriert, gefragt wurde jeweils, wer hinter einer bestimmten Telefonnummer bzw. IP-Adresse steckt (Quelle: SZ v. 23./24.03.13: 1 - Verräter an Bord). Tatsächlich ist auf der nun geltenden Grundlage die Datenübermittlung  (z. B. Herausgabe der Namen und Adressen der InhaberInnen von Handys) bereits dann erlaubt, wenn die Polizei lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit ermittelt. Auch IP-Adressen, Passwörter und PINs können angefragt werden - dies allerdings nur auf Anordnung einer/s Richterin/s.

Eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist bereits angekündigt.

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrats (Sitzung am 3.05.2013). Voraussichtlich wird das Gestz wegen der Mehrheitsverhältnisse scheitern und in den Vermittlungsausschuß überwiesen werden.

Anmerkung: Es ist schon erstaunlich mit welcher Kaltschnäuzigkeit PolitikerInnen immer wieder Gesetze im Bereich des Datenschutzes beschließen, die sich nah an der Grenze der Verfassungswidrigkeit und darüber hinaus bewegen. Man kann sich fragen, weshalb wir uns eine Bundesbehörde für den Datenschutz und die Informationsfreiheit leisten (Peter Schaar), wenn diese offensichtlich aufgrund parteipolitischer Ränkespiele und Lobbyinteressen nicht oder offensichtlich nicht ausreichend einbezogen wird.

Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (20.03.13): Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht die geplanten Änderungen und konkretisiert schwere Vorwürfe.

Süddeutsche Zeitung v. 23./24.03.2012 (Seite 1 der Druckausgabe: Verräter an Bord. Polizei kann künftig leichter Telefon- und Internet-Daten abrufen). Online (22.03.2013): Entscheidung zu Bestandsdaten. Verräter an Bord.

Zeit online (18.03.2013): Koalition bessert Entwurf zu Bestandsdaten nach.

März 2013


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AKTUELL: Nummer 07/2013

Aufklärung, Einwilligung und Schweigepflicht bei Minderjährigen

(Teil II)

Auf dem Symposium "Medizin und Recht in Kindheit und Alter" in Berlin hat der Fachanwalt für Medizinrecht, Martin Stellpflug bei seinem Vortrag "Einwilligung in die ärztliche Behandlung in Kindheit und Alter aus juristischer Sicht" darauf hingewiesen, daß die gesetzlichen Regelungen noch immer nicht eindeutig seien. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf einen Bericht der Ärzte Zeitung (Eugenie Wulfert v. 18.03.2013).

Grundsätzlich müßen PatientInnen vor einem Eingriff in die körperliche Integrität aufgeklärt werden und in diesen einwilligen. Bei kleineren Kindern wird die Einwilligung nach entsprechender Aufklärung über die Behandlung von den Sorgeberechtigten erteilt.

Bei Jugendlichen gestalten sich die Situation komplizierter: Hier kommt es nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit an. Stellpflug: "Es ist davon auszugehen, daß die Einsichtsfähigkeit regelmäßig etwa ab dem 14. Lebensjahr vorliegt". Jedoch müßen sich Behandler (ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen) im Einzelfall davon überzeugen, daß die Jugendlichen einwilligungsfähig sind.

Umstritten ist in der Rechtsprechung allerdings, so Stellpflug, ob einwilligungsfähige PatientInnen alleine entscheidungsbefugt ist, oder ob vorher die Eltern informiert werden müssen.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) können urteilsfähige Minderjährige ihre Persönlichkeitsrechte eigenständig ausüben. Demgegenüber ist der Bundesgerichtshof (BGH) der Auffassung, daß bei schwerwiegenden Eingriffen, die an einsichtsfähigen Minderjährigen vorgenommen werden, zuvor immer auch beide Elternteile aufgeklärt werden müssen. Stellflug vertritt die Einschätzung, das Patientenrechtegesetz habe sich  zugunsten des Bundesverfassungsgerichts entschieden, abzuwarten bleibe aber, ob die Rechtsprechung dieser Einschätzung folgen werde.

Sind Behandler davon überzeugt, daß minderjährige PatientInnen einwilligungsfähig sind, können diese auf der Schweigepflicht, auch gegenüber den Sorgeberechtigten bestehen. Eine entsprechende Information durch Behandler ist dann auch zum Zweck der Aufklärung nicht zulässig, allenfalls könnte versucht werden, Jugendliche dahingehend zu überzeugen, ihre Eltern  bei schwerwiegenderen Eingriffen in die Entscheidung einzubeziehen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt Stellpflug eine detaillierte Dokumentation von Seiten der Behandler, damit die einzelnen Schritte später nachvollzogen werden können.

Ärzte Zeitung online vom 18.03.2013: Bei jungen Patienten lauern juristische Fallstricke. Wenn Ärzte Jugendliche behandeln, kann das für sie schnell zivil-, berufs- und strafrechtliche Folgen haben - auch wenn die Therapie erfolgreich war. Zu beachten gilt nicht nur die Schweigepflicht.

Archiv Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit: Teil I

März 2013


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AKTUELL: Nummer 06/2013

Patientenrechtegesetz

(Teil VII)

Obwohl die Gesetzgebung mit dem Patientenrechtegesetz das bereits schon bestehende Richterrecht kodifiziert und weiterentwickelt hat (insbesondere weitreichende Informations- und Aufklärungspflichten) bestehen insbesondere zwei Stellen - und vor allem für PsychotherpeutInnen - sehr problematische Regelungen:

1.

Das Einsichtsrecht besteht unverzüglich (im Grunde: sofort, noch während der Stunde bzw. Behandlung). Auch wenn diese Regelung PatientInnen sinnvollerweise umfangreiche Rechte einräumt (und gegebenenfalls auch mögliche spätere Manipulationen an der Patientenakte einschränkt) besteht andererseits die Gefahr einer Retraumatisierung, wenn Pat. mit Informationen über sich, die vor allem bei tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Behandlungen den Charakter von Arbeitshypothesen haben. Gerade auch Aufzeichnungen über subjektive Eindruck und Gegenübertragungsreaktionen sind eher Ausgangspunkte eines Verstehensprozesses des und würden vermutlich für sich genommen bei der Einsichtnahme zu mehr Unklarheit und Verunsicherung führen, als zu einer Erweiterung der Rechtsposition der PatientInnen (siehe dazu auch die Beiträge der Kollegin Springer 01/2013 und des Kollegen Stanko 18/2012).

2.

Obwohl selbst das (nicht rechtskräftige) Urteil des OLG Celle (Lehranalytikeraufzeichnungen - siehe Beitrag 05/2013) einen Persönlichkeitsschutz für bestimmte Teil der Aufzeichnungen sieht (z. B. Gegenübertragungsreaktionen, die sehr persönlicher Art sind), gilt das nach dem Patientenrechtegesetz jetzt nicht mehr! Nur die Rechte Dritter (z. B. Angehöriger - Behandler sind nicht gemeint!) sind weiter geschützt (vgl. § 630g BGB). Eine Juristin (selbst Ärztin und Fachanwältin für Medizinrecht) hat bei einer berufspolitischen Veranstaltung einer psychoanalytischen Berufs- und Fachgesellschaft im Februar diesen Jahres erhebliche Zweifel daran geäußert, daß eine solche Regelung verfassungskonform ist.

Hinsichtlich des letzen Punktes bleibt offen, ob es aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage bei einer Revision  (die soweit zu hören ist auch voraussichtlich eingelegt werden wird) zu einer anderen Entscheidung kommt. Das Patientenrechtegesetz war zum Zeitpunkt der Entscheidung der OLG Celle nicht in Kraft.

Da erhebliche Unklarheiten bestehen, was bei einer analytischen Behandlung aus fachlicher Sicht dokumentiert werden muß, sollten die Fachgesellschaften (DPG, DPV, DGAP, DGIP) und die Freien Institute Anhaltspunkte für die Dokumentation analytischer Behandlungen zu entwickeln um einen Standard lege artis zu definieren an dem sich Juristen dann orientieren können.

März 2013


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AKTUELL: Nummer 05/2013

OLG Celle: Bei einer Lehranalyse (im Zusammenhang der Ausbildung zur Psychoanalytiker) besteht eine Nebenpflicht des Lehranalytikers zur Einsicht in die Aufzeichnungen (14.01.2013; - 1 U 61/12 - ; Vorinstanz: LG Hannover: 19 O 281/11)

(Teil I)

Das niedersächsisches Landesjustizportal hat eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle (1. Zivilsenat) zur Einsichtnahme in die Aufzeichnungen einer Kandidatin bzw. Ausbildungsteilnehmerin (Ausbildung zur Psychoanalytikerin an einem Institut der Deutsche Psychoanalytischen Gesellschaft) vollständig veröffentlicht. In einem Leitsatz des Portals wird die Entscheidung zusammengefaßt:

Der Teilnehmer einer Lehranalyse im Rahmen einer psychotherapeutischen Weiterbildung hat gegen den Lehranalytiker einen Anspruch auf Herausgabe der gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen über die Lehranalyse als Nebenpflicht aus dem Lehranalysevertrag gemäß §§ 611, 242 BGB sowie § 810 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Rechtsprechung zum Einsichtsrecht des Patienten in Krankenunterlagen findet auf das Lehranalyseverhältnis analog Anwendung. Danach kann der Lehranalytiker die Einsichtnahme in diejenigen subjektiven Inhalte nur insoweit verweigern, als sie seine eigenen ebenfalls nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechte betreffen. Die Kosten für das Kopieren und Unkenntlichmachen (Schwärzen) der Unterlagen hat der Einsichtsberechtigte entsprechend § 811 BGB zu tragen.

In seiner Bewertung kommt das Gericht zur Einschätzung, daß neben objektiven Daten auch bewertungsabhängige subjektive Beurteilungen dem Einsichtsrecht grundsätzlich unterliegen. Zugleich jedoch sind Aufzeichnungen, die das Persönlichkeitsrecht der TherapeutInnen berühren, von einer Einsichtnahme ausgeschlossen und können daher (nach Maßgabe der jeweiligen TherapeutInnen) geschwärzt werden.

Die Klägerin hat unstreitig ein Einsichtsrecht in die handschriftlichen Unterlagen der Beklagten, soweit diese objektive Befunde, Diagnosen oder Therapiemaßnahmen betreffen. Auch Aufzeichnungen und Bewertungen mit einem subjektiven Einschlag sind nicht kategorisch von der Einsichtnahme ausgeschlossen (a.). Zwar kann der Therapeut dem Einsichtsrecht des Patienten sein eigenes Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG entgegenhalten. Im Rahmen der zu findenden praktischen Konkordanz der beiderseitigen Grundrechtsbetroffenheit hat aber eine Interessenabwägung über den Umfang der Einsichtnahme in subjektive Inhalte im Einzelfall zu erfolgen. Naturgemäß kann nur der Analytiker selbst prüfen, welche konkreten Inhalte den absolut geschützten Bereich seiner Persönlichkeit betreffen. Nach dem gewöhnlichen Inhalt möglicher Gesprächsprotokolle einer Psychotherapie können jedoch abstrakt gewisse Teile beschrieben werden, für die jedenfalls ein Einsichtsrecht besteht bzw. die umgekehrt einer Einsicht entzogen sind (b). (online: Absatz 68 des Urteils vom 14.01.13)

Dem Einsichtsrecht vollständig entzogen sind nach den vorstehenden Grundsätzen die höchstpersönliche Aufzeichnungen des Analytikers zur eigenen "Therapiehygiene", über die eigenen Assoziations- und Denkprozesse, beispielsweise im Spiel von Übertragung und Gegenübertragung, soweit dadurch ihre eigenen Erlebnisse, Erfahrungen und das eigene Unterbewusste oder ihre Denkweise erkennbar wird. Diese Aufzeichnungen sind nach der vorzitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einer therapeutischen Gesprächstherapie für eine Einsichtnahme durch den Patienten tabu und es sind keine Interessen erkennbar, die bei der Lehranalyse zu einem anderen Ergebnis führen würden. (online: Absatz 75 des Urteils vom 14.01.13)

Es empfiehlt sich das Urteil selbst zu lesen, da es einen ausgesprochen guten Überblick über die Entwicklung des Einsichtsrechts vermittelt und weitgehend verständlich und nachvollziehbar die Problematik der Abwägung zwischen den Interessen der AusbildungsteilnehmerInnen/PatientInnen und TherapeutInnen/LehranalytikerInnen vornimmt.

Niedersächsisches Landesjustizportal: OLG Celle (Az.: 1 U 61/12)

Vorinstanz: LG Hannover: 19 O 281/11

Februar 2013


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AKTUELL: Nummer 04/2013

Samenspender haben keinen Anspruch auf die ihnen zugesicherte Anonymität - die Herausgabe der entsprechenden ärztlichen Daten stellt keinen Verstoß gegen die Schweigepflicht dar (OLG Hamm)

Nach Ansicht des OLG Hamm ist das Recht des Kindes an der Kenntnis seiner Herkunft höher zu bewerten, als die Samenspendern  zugesicherte Anonymität. Nach der Entscheidung des Gerichts vom 6.02.2013 muß der die heterologe Insemination durchführende Arzt der dabei 1991 gezeugten Klägerin mitteilen, wer der Samenspender ist. Der Arzt hatte dies mit dem Hinweis auf seine Schweigepflicht, die dem Samenspender zugesichert Anonymität und die entsprechende Vereinbarung mit der Mutter verweigert. Nach seiner Ansicht sei das entsprechende Geheimhaltungsinteresse höher zu bewerten als das Auskunftsinteresse des Kindes. Daher sei er zur Verschwiegenheit verpflichtet  - die entsprechenden Unterlagen seien zudem nicht mehr vorhanden.

Das OLG Hamm hat bei der Abwägung der verschiedenen Güter und Interessen (Arzt: Persönlichkeitsrecht und Freiheit zur Berufsausübung; Samenspender: Persönlichkeitsrecht) auf dem Hintergrund der allgemeinen Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nun das Recht der Klägerin ihre biologische (genetische) Abstammung in Erfahrung zu bringen höher bewertet als Geheimhaltungsinteressen des Arztes und Samenspenders. Das Gericht verwies auch auf die seinerzeit geltenden Richtlinien der Deutschen Ärztekammer nach denen eine Auskunftspflicht des Arztes bestanden und mithin kein Verstoß gegen die Schweigepflicht bestehe.

Etwaige Geheimhaltungsinteressen der Mutter und des gesetzlichen Vaters (der Klägerin) mußten im konkreten Fall nach Ansicht des Gericht nicht berücksichtigt werden, da beide mit einer Auskunftserteilung an das Kind einverstanden gewesen seien.

Nach Bundes- und EU-Recht sind die Daten von Samenspendern seit 2007 für 30 Jahre zu archivieren. Bereits 1989 hatte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kenntnis der eignen Abstammung aus dem allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet (Urteil des Ersten Senats vom 31. Januar 1989 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1988 - 1 BvL 17/87 -)

Eine Revision wurde nicht zugelassen (dagegen besteht die Möglichkeit der Beschwerde beim Bundesgerichtshof).

OLG Hamm (Az.: I-14 U 7/12)

Ärztezeitung (6.02.13): Schweigepflicht adé. Spermaspender darf nicht anonym bleiben

beck-aktuell Nachrichten (6.02.13): OLG Hamm: Arzt muss Auskunft über Samenspender erteilen

Februar 2013


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AKTUELL: Nummer 03/2013

Patientenrechtegesetz

(Teil VI)

Infolge der Wahl in Niedersachsen und die dadurch veränderten Machtverhältnisse im Bundesrat bleibt offen, ob es zu einer (notwendigen) Zustimmung des Bundesrats zum Patientenrechtegesetz kommt.

Aktuelle Meldung 1 (2.02.2013): Das Gesetz hat den Bundesrat gestern (1.02.2013) passiert und wird in Kürze in Kraft treten: Aktuelle Fassung Bundesrat vom 11.01.2013 (Drucksache 7/13)

Der Gesetzentwurf (Stand August 2012) mit Begründung findet sich in der BT-Drucksache 17/10488 (17. Wahlperiode: 15. 08. 2012)

Aktuelle Meldung 2 (1.03.2013 & 30.05.2013): Das Gesetz ist nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl 2013 Teil I Nr. 9: 277-282, Bonn, 25. Februar 2013) am 26. Februar 2013 in Kraft getreten. Das Bundesgesetzblatt kann online eingesehen werden (Achtung Copyright!) - siehe Link unten:

Bundesgesetzblatt (www.bgbl.de) 2013 Teil I Nr. 9: 277-282, Bonn, 25. Februar 2013: Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (vom 20. Februar 2013); Hinweis zur Recherche: Da die Suchfunktion des herausgebenden Verlags (Bundesanzeiger Verlag) nur mit der kostenpflichtigen Version möglich ist hier der Weg zum Ziel: Bundesgesetzblatt Teil I/2013/Nr. 9 vom 25.02.2013

Januar 2013


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AKTUELL: Nummer 02/2013

Koalitionsentwurf zum Beschäftigtendatenschutz (u. a. Verbot der verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz, aber offene Überwachung zulässig)

Das Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hat wie viele andere Institutionen den Gesetzentwurf heftig kritisiert: Hier die Pressemitteilung v.

P R E S S E M I T T E I L U N G

Koalitionsentwurf zum Beschäftigtendatenschutz enttäuscht maßlos

Der am Wochenende von den Koalitionsfraktionen auf Bundesebene vorgelegte Entwurf zum Beschäftigtendatenschutzrecht führte zu großer Enttäuschung beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Er orientiert sich maßgeblich an einem über zwei Jahre alten Regierungsentwurf, der damals wegen mangelnder Praktikabilität und Klarheit, aber insbesondere wegen eines völlig unzureichenden Datenschutzniveaus von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Wissenschaftlern und Praktikern abgelehnt wurde. Die Verbesserungen sind marginal, etwa wenn die verfassungswidrige Einschränkung des Petitionsrechtes von Arbeitnehmern gestrichen wurde.

Die Vorstellung des Entwurfs in der Öffentlichkeit erfolgte unter der verkürzenden, wenn nicht falschen Botschaft, heimliches Videografieren werde künftig im Betrieb verboten. Angesichts der Kritik der letzten zwei Jahre erwies sich die Regierungskoalition bisher als beratungsresistent. Dort, wo aus Praktikabilitätsgründen Datenschützer bereit waren, Zugeständnisse zu machen, etwa bei einer Konzernklausel, wurde auf eine kompensatorische Aufnahme von Schutzregelungen verzichtet.

Thilo Weichert, Leiter des ULD: „Dieser Gesetzestext bringt, nicht zuletzt wegen seiner wortreichen Placeboregelungen, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer mehr Rechtssicherheit. Das Versprechen der Koalitionsvereinbarung, den Arbeitnehmerdatenschutz zu verbessern, wird so nicht umgesetzt. Wer praktisch zwei Jahre alle Diskussionsbeiträge ausgesessen hat, darf diesen Entwurf nun nicht im Schnelltempo durchwinken. Dafür ist das Anliegen des Beschäftigtendatenschutzes viel zu wichtig.“

Die weitgehend weiterhin gültige Kritik des ULD am ursprünglichen Regierungsentwurf ist nachzulesen unter

http://www.datenschutzzentrum.de/arbeitnehmer/20101012-stellungnahme.html

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an:
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
Holstenstr. 98, 24103 Kiel
Tel: 0431 988-1200, Fax: -1223

Unabhängiges Landeszentrum für den Datenschutz: Pressemitteilung v. 14.01.2013

Nachtrag (1.02.2013): Michael Sommer (Vorsitzender des DGB) hat per Mail darüber informiert, daß die Regierungskoalition beschlossen hat, die Verabschiedung des Gesetzentwurfes zum Beschäftigtendatenschutz 1.02.13 im Deutschen Bundestag von der Tagesordnung zu nehmen. Die schwarz-gelbe Koalition will ihre umstrittenen Pläne zum Arbeitnehmerdatenschutz überarbeiten.

Januar 2013


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AKTUELL: Nummer 01/2013

Patientenrechtegesetz

(Teil V)

Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) berichtet in Ihrem Mitgliederrundschreiben 4/2012 über das vom Bundestag verabschiedete Patientenrechtegesetz (Seite 9). Da der Gesetzestext in der verabschiedeten Fassung mit abgedruckt wurde, zitiere ich ihn nachfolgend mit den entsprechenden Kommentaren der DGPT:

Bundestag verabschiedet Patientenrechtegesetz

Wir hatten zuletzt im MitgliederRundschreiben 3/2012, S. 9 ff über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens zum "Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)" informiert. Der damals von uns kommentierte Regierungsentwurf ist in der Fassung vom 15.08. 2012 (Bundestagsdrucksache 17/10488) in den Ausschüssen beraten worden. Die öffentliche Anhörung (gemeinsame Aktion von Gesundheits- und Rechtsauschuss) fand am 22.10.2012 statt, Berufsverbände waren zur Anhörung allerdings nicht geladen. Der Gesundheitssauschuss hat in seiner Sitzung am 28.11.2012 den Gesetzesentwurf endgültig beraten und zehn Änderungsanträge eingearbeitet. Am 29.11.2012 hat der Bundestag schließlich den geänderten Gesetzesentwurf mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet. SPD und DIE LINKE stimmten gegen den Entwurf, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Der jetzt verabschiedete Text ist in den von der DGPT insbesondere kritisierten Paragrafen "630f BGB – Dokumentation der Behandlung und 630g BGB – Einsichtnahme" verändert worden. Sie lauten jetzt wie folgt:

§ 630f - Dokumentation der Behandlung

1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht.

Die von der DGPT dazu eingebrachte Kritik, dass die Dokumentation sich nicht auf die subjektiven Aufzeichnungen des Therapeuten beziehen darf, ist also nicht aufgenommen worden. Dieser Umstand muss von Ihnen daher künftig bei Ihren Aufzeichnungen berücksichtigt werden.

§ 630 g - Einsichtnahme in die Patientenakte

1) Der Patient kann jederzeit Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Gründe Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden.

2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.

3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 seinen Erben zu, soweit sie vermögensrechtliche Interessen des Patienten geltend machen und die Einsichtnahme nicht dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widerspricht. Satz 1 gilt entsprechend für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen des Patienten geltend machen.

Der Regierungsentwurf ließ zumindest ausnahmsweise noch die Auslegung zu, dass die „Rechte des Behandelnden“ der Einsichtnahme entgegenstehen können, etwa weil dessen Persönlichkeitsrechte (Stichwort "Gegenübertragung") tangiert sein können. Nachdem in der jetzt beschlossenen Fassung nur noch "Rechte Dritter" neben therapeutischen Gründen eine Einsicht verhindern können, muss der Therapeut sich darauf einstellen, dass seine eigenen Reaktionen, Emotionen und daraus abgeleiteten Hypothesen dem Patienten ebenfalls zur Kenntnis gelangen, so sie denn aufgezeichnet werden. Hinzu kommt, dass gesonderte Aufzeichnungen über den Patienten ebenfalls zum Einsichtsrecht gehören, weil nunmehr ausdrücklich auf die "vollständige" Patientenakte abgestellt wird.

Schließlich ist für den Fall, dass die Ablehnung auf therapeutische Gründe gestützt wird, eine Begründung erforderlich, was im Zweifel bereits eine Preisgabe zumindest gewisser Details der Dokumentation in der Patientenakte bedeutet.

Im selben Rundschreiben (unmittelbar im Anschluß, Seite 10-14) berichtet die DGPT von der BPtK-Veranstaltung "Patientenrechtegesetz: Auswirkungen auf die Praxis" (27.09.2012).

Ich zitiere nachfolgende das dort vorgetragene Impulsreferat der Kollegin Anne Springer (ehemalige Vorsitzende der DGPT), die aus ihrer Sicht als Gutachterin für die psychoanalytischen Verfahren, wichtige Fragen im Zusammenhang des Gesetzentwurfes aufgreift (insbesondere die Regelungen zur unverzüglichen Einsicht in die Behandlungsunterlagen) und diese sehr differenziert abwägt bzw. beantwortet:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin gebeten worden, aus der Gutachterposition zu sprechen und tue dies als Gutachterin für die psychoanalytisch begründeten Verfahren.

In Bezug auf unsere Debatte zum Patientenrechtegesetz möchte ich nochmals verweisen auf den geplanten § 630g, Absatz 1 : "Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Bedenken oder sonstige erhebliche Bedenken entgegenstehen".

Damit ist auch die gutachterliche Tätigkeit betroffen, da die Berichte an den Gutachter und die gutachterlichen Stellungnahmen und auch inhaltliche Rückfragen an die berichtenden Psychotherapeuten – aber auch sonstige Unterlagen wie der Konsiliarbericht bei Psychologischen Psychotherapeuten (der manchmal auch persönliche Schlussfolgerungen der Konsiliarärzte, wenn sie die PatientInnen, manchmal auch die Familie und die persönlichen Verhältnisse genauer kennen, enthält), Krankenhausentlassungsberichte und sonstige Befundberichte, außerdem die begleitenden Mitteilungen der beauftragenden Krankenkassen mit AU-Zeiten und Diagnosen als Bestandteil der Patientenakte gelten dürften, wobei die Berichte der Psychotherapeuten hier im Vordergrund der Betrachtung stehen (Eine Anmerkung zu den krankheitsbezogenen Mitteilungen der Krankenkassen: das Einsichtsrecht der PatientInnen dürfte sich hier auch positiv auswirken, um unzutreffende Diagnosen aus der Vorgeschichte ggf. korrigieren zu können).

Welche Berichtsteile sind als besonders sensibel in unserem heutigen Kontext zu sehen? Die Patientenangaben zum Behandlungsbegehren dürften unproblematisch sein, ebenfalls die Angaben zur Anamnese und auch weitgehend die Behandlungsplanung. Unser Augenmerk sollten wir allerdings richten auf alle Berichtsteile, die behandlungsbegründende Arbeitshypothesen enthalten, also Strukturdiagnosen, Schilderungen und Hypothesen zum Beziehungsangebot und -verhalten, zur aktuell beobachtbaren Abwehrstruktur und vor allem die Überlegungen zur Psychodynamik. Gerade die Ausführungen zur Psychodynamik verbalisieren die innerpsychische Arbeit der PsychotherapeutInnen, die darin besteht, die vom Patienten erhaltenen Informationen unter Einbeziehung von Übertragungsverstehen und von Gegenübertragungsreaktionen als innerpsychische Antwort auf die PatientInnen zu verdichten und so zu einem vorläufigen Verstehen dieser individuellen Persönlichkeit zu gelangen. Alle diese Arbeitshypothesen werden erst im Behandlungsverlauf verifiziert oder falsifiziert. Den behandlungsplanenden PsychotherapeutInnenen stehen PatientInnen gegenüber, deren innerpsychischer Prozess den genauen Verlauf bestimmt. Dies gilt für alle psychoanalytisch begründeten Verfahren.

Auch die Indikationsstellung resultiert aus der aktuellen Bestimmung des psychodynamischen Status, eine F- Diagnose zieht nicht per se eine Indikation zu einer Behandlung nach sich! Letzteres gilt, soweit mir bekannt ist, für alle wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren.

Kann die bei Verlangen "unverzüglich" zu erfolgende Herausgabe dieser Texte potentiell PatientInnen schädigen? In erster Annäherung muss diese Frage zunächst m. E. bejaht werden. Warum dies? Aller klinischen Erfahrung nach verlangen PatientInnen eine sofortige Einsicht in die Berichte an den Gutachter in Behandlungsphasen, die von überwiegend negativer Übertragung gekennzeichnet sind. In diesen Behandlungsphasen werden sogenannte „negative“ Affekte und Emotionen und Beziehungsphantasien wie Neid, Hass, Gier und noch ungekonnte, aber progressiv wichtige und wertvolle aggressive Strebungen in der therapeutischen Beziehung erprobt, erforscht und im günstigen Fall neu integriert. Gerade für diese Behandlungsphasen ist ein geschützter Raum von eminenter Wichtigkeit für das Patientenwohl. In solchen Phasen neigen PatientInnen aber in sehr nachvollziehbarer Weise zum Inszenieren aggressiv getönter Übertragungen; neurotisch bedingte Kontrollwünsche, schwer zu bearbeitende und nicht rational begründete Misstrauenshaltungen können in Wünschen nach unverzüglicher Aktenherausgabe münden. Damit ist das Arbeitsbündnis nachhaltig gestört. Das Spannungsfeld zwischen Arbeitsbündnis und Vertragsbeziehung, in dem der therapeutische Prozess angesiedelt ist, kollabiert. Der verständliche und grundsätzlich zu unterstützende Wunsch des Gesetzgebers, die Rechte der PatientInnen zu stärken, kann absurderweise so gerade gegen das Patientenwohl, das besser gewahrt wäre, wenn PatientIn und PsychotherapeutIn diese schwierigen Phasen gemeinsam durchstehen, wirken. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine therapeutisch nicht begleitete Akteneinsicht retraumatisierend wirken kann.

Gute – weil aussagekräftige und anschauliche – Berichte an den Gutachter enthalten u. a. Schilderungen dieser Behandlungssequenzen einschließlich der hierhin gehörenden Schilderungen der Gegenübertragungsreaktionen – und Gedanken der PsychotherapeutInnen, also Aufzeichnungen von höchst persönlichen Reaktionen, die eben nicht Privatsache sind, denn in den psychoanalytisch begründeten Verfahren wird grundlegend davon ausgegangen, dass die Therapeutenpersönlichkeit mit ihren möglichst breiten innerpsychischen Denk- und Fühlmöglichkeiten das entscheidende therapeutische Werkzeug darstellt! Wird vielleicht eine in diesem Sinn notwendig ehrliche/offene Berichterstattung an den Gutachter durch die neuen gesetzlichen Vorschriften eingeschränkt?

Nun können Sie natürlich zu Recht einwenden, dass es ja Sache und Aufgabe der PsychoptherapeutInnen ist, gemeinsam mit den PatientInnen den Wunsch nach sofortiger Akteneinsicht prozessbezogen zu verstehen. Dies gelingt auch meistens, aber zweifelsohne kann dies nicht immer gelingen, beide Teile des therapeutischen Paares mögen an ihre Grenzen stoßen, der Patient wird vielleicht fehlbehandelt, die Behandlung entgleist vielleicht, und der Patient wird u. U. in diesem Fall - auch - nachvollziehbar auf seine Rechte pochen und u.a. die Herausgabe aller Unterlagen verlangen. Dann allerdings ergibt sich die Frage nach dem Schutz auch der PsychotherapeutInnen in einem vertretbaren Umfang, der sicher bei Kunstfehlern und/oder Verstößen gegen die Berufsethik eingeschränkt ist.

Wie gehen psychodynamisch arbeitende PsychotherapeutInnen aktuell mit Bitten um eine Herausgabe ihrer Berichte an den Gutachter um? Im Kontext des Patientenrechtegesetzes habe ich mich umgehört unter den Kollegen und Kolleginnen. Die Spannbreite der Strategien ist interessant. Es gibt KollegInnen, die ihre Berichte unaufgefordert von sich aus und grundsätzlich den PatientInnen zu lesen geben, es gibt PsychotherapeutInnen, die auf Verlangen im Behandlungsverlauf die Berichte zum Lesen im Behandlungsraum zur Verfügung stellen, und es gibt PsychotherapeutInnen, die ihre Berichte an den Gutachter dem Patienten auszugsweise – d.h. so wie sie es vertreten können, ohne den Prozess zu gefährden – vorlesen, und es gibt PsychotherapeutInnen, die zz. grundsätzlich ihre Berichte nicht zur Kenntnis geben.

Im potentiellen Konflikt zwischen Patientenrecht und aus Sicht des Psychotherapeuten zu gewährleistendem Patientenschutz (= Schutz des Behandlungsraums) wird der lege artis arbeitende Therapeut sich für das Patientenwohl und für den Schutz der therapeutischen Beziehung einsetzen. Was unter "erheblichen therapeutischen Bedenken" und "sonstige(n) erhebliche(n) Gründe(n)" im § 630g, Abs. 1 zu verstehen ist, wird sich in der Rechtsprechung entwickeln.

Dass die Patientenrechte im Konflikt mit dem nicht lege artis arbeitenden Psychotherapeuten gestärkt gehören, versteht sich von selbst, wobei dann im Konfliktfall auch zu bedenken sein wird, dass die Patientenakte einschließlich der Berichte und gutachterlichen Stellungnahmen weiterhin sensible Daten darstellen. Festzustellen bleibt: Patienten sind Menschen in Not, die eine Abhängigkeit, die nicht verleugnet werden darf, im therapeutischen Prozess, der einen zu schützenden Raum benötigt, riskieren. Sie beginnen die Behandlung mit einem Vorschuss an Vertrauen, das nicht enttäuscht werden darf – Patienten sind keine Kunden! Dies gilt nicht nur für die psychotherapeutische, sondern für jede ärztliche Tätigkeit.

Einer meiner psychoanalytischen Lehrer meinte seinerzeit, man solle nie etwas über Patienten schreiben, was sie grundsätzlich nicht lesen könnten; damit meinte er die Notwendigkeit, den Patienten zu respektieren in allen seinen Facetten. Heute scheint es notwendig zu sein, diese Selbstverständlichkeit in ein Gesetz zu fassen.

Das neue Patientenrechtegesetz ist janusgesichtig: positiv zu sehen ist die Stärkung der Patientenrechte – geboren ist es andererseits aus Misstrauen produzierenden Erfahrungen der Vergangenheit mit der Ärzte-/ Psychotherapeutenschaft.

Mitglieder-Rundschreiben der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e. V. (DGPT), Ausgabe 04/2012: 9 und 10-14

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

Januar 2013


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2013


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AKTUELL: Nummer 20/2012

Patientenrechtegesetz

(Teil IV)

Der Bundestag hat am 29.11.2012 den Gesetzentwurf für das Patientenrechtegesetz abschließend beraten. Im Bundesrat soll er im zweiten Durchgang am 1.02.2013 beraten werden. Trotz vieler Bedenken (etwa auch von Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer) ist der Gesetzentwurf weitgehend unverändert geblieben. Die verabschiedete Fassung finden Sie in der Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschußes (Drucksache 17/11710 v. 28.11.2012) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung hier:

Deutscher Bundestag: Beschlußempfehlung (Gesundheitsausschuß - Drucksache 17/11710 v. 28.11.2012) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 17/10488 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III

Dezember 2012


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AKTUELL: Nummer 19/2012

In einer Grundsatzentscheidung zum Datenschutzes hat das Bundessozialgericht eine Krankenkasse dazu verpflichtet, Versicherten umfassende Auskunft darüber zu geben, welche Daten über sie gespeichert und in welchem Umfang an Dritte weitergegeben wurden (BSG Az.: B 1 KR 13/12 R)

In der verhandelten Sache bestand der Verdacht, die für eine schwerkranke Frau aus Rheinland-Pfalz zuständige Krankenkasse habe dem Arbeitsamt personenbezogene Daten übermittelt - ohne ihre Zustimmung und zudem per unverschlüsselter E-Mail. Eine andere Institution (Rehabilitationsträger) soll zudem mehr Daten bekommen haben als das zur Aufgabenerfüllung notwendig gewesen wäre. Als die Versicherte und Klägerin die AOK aufforderte ihr Auskunft zu geben, wer welche Daten erhalten hat, weigerte sich die Krankenkasse mit Hinweis auf den damit verbundenen "unverhältnismäßigen" Aufwand.

In seiner Grundssatzentscheidung vom 14.11.12 wies das BSG nun daraufhin, daß der Auskunftsanspruch im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetz von Behörden nicht mit Hinweis auf einen hohen Verwaltungsaufwand eingeschränkt werden kann. Vielmehr ist die Dokumentation und Datenverarbeitung organisatorisch so zu gestalten, daß Auskünfte an BürgerInnen mit einem vertretbarem Aufwand erteilt werden können. Die Behörden müßen dabei auch Auskunft erteilen, an wen und auf welche Weise Daten an Dritte übermittelt wurden. Dem Anspruch ist gegebenenfalls durch die Einsicht in vorhandene Akten Rechnung zu tragen.

Bei der Erteilung der begehrten Auskünfte ist ein Verwaltungsakt nicht erforderlich (aus der Sicht des BSK wäre das überflüssige Bürokratie). Ein solche muß jedoch dann ergehen, wenn der Antrag abgelehnt wird - um es Betroffenen zu ermöglichen, Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen und gegebenenfalls vor Gericht zu klagen. In diesem Sinne forderte das BSG die AOK auf, ein Widerspruchsverfahren zuzulassen.

Ärzte Zeitung online (16.11.12): Kasse muss Auskunft geben. BSG-Rüffel für die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - und eine Grundsatzentscheidung zu Gunsten des Datenschutzes: Krankenkassen und Behörden müssen Bürgen mitteilen, wohin sie deren Daten geben. Der Aufwand dafür tut nichts zur Sache.

November 2012


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AKTUELL: Nummer 18/2012

Anfragen der Krankenkassen bei bestimmten Diagnosen nach möglichen Verursachern der Erkrankung

Im Zusammenhang eines Interviews von Prof. Dr. Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm in der Ärzte Zeitung v. 22.10.2012 wurde ich auf eine Problematik aufmerksam, die von erheblicher datenschutzrechtlicher Bedeutung ist. Im Zusammenhang bestimmter Diagnosen (z. B. Posttraumatische Belastungsstörung; Diagnosen im Zusammenhang von Kindesmißhandlung bzw. des - mißbrauchs) stellen die zuständigen Kostenträger automatisch Anfragen an behandelnde ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen mit der Aufforderung, Hinweise zum möglichen Täter oder Verursacher der Erkrankung zu geben.

Rechtsgrundlage ist § 294a SGB V (in Kraft seit 1.1.2004):

Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

(1) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben versichertenbezogen.

Es handelt sich um eine gesetzliche Mitteilungspflicht, weshalb keine unbefugte Offenbarung im Sinne der Schweigepflicht (§ 203 StGB) vorliegt. Ich empfehle aber, solche Fragen keinesfalls sofort und allenfalls im Einzelfall in Abstimmung mit PatientInnen zu beantworten. Denn neben der gesetzlichen Offenbarungspflicht ist immer auch das (ggf. gefährdete) Wohl der PatientInnen auf dem Hintergrund der Garantenstellung der behandelnden ÄrztInnen bzw. PsychotherapeutInnen zu beachten. Sowohl PatientInnen wie Krankenkassen müssen über die weitreichenden Folgen einer Offenbarung in solchen Fällen aufgeklärt werden - darüber hinaus wäre anzuraten, juristische Unterstützung der Justitiare der (Ärzte- bzw. Psychotherapeuten-) Kammern in Anspruch zu nehmen und/oder anderweitigen juristischen Rat einzuholen (Berufs- und Fachverbände, niedergelassene RechtsanwältInnen für Medizinrecht).

Ärzte Zeitung (online) v. 22.10.2012: Warum die Versorgung einer "Realsatire" gleicht. Stolperfallen bei der Behandlung von Missbrauchsopfern: Die Anfragen von Kassen nach den Tätern bringen Ärzte in Gewissenskonflikte, kritisiert der Ulmer Psychiater Professor Jörg Fegert. Jetzt will er sich von einer Kasse verklagen lassen.

Informationen des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein im Zusammenhang des Verdachts auf Kindesmisshandlung: Was müssen Ärzte zukünftig den Krankenkassen und was dürfen dazu Krankenkassen z. B. der Polizei mitteilen?

Oktober 2012


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AKTUELL: Nummer 18/2012

Patientenrechtegesetz - Zur besonderen Problematik der Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen bei tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie)

(Teil III)

Der Vorsitzende des Ausschuss für ethische Fragen und Berufsordnung der Landeskammer für Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten in Hessen (LPPKJPH), Stephan Stanko, hat im Mitgliederrundschreiben der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT: MR 3/2012: 10-12) eine Stellungnahme zum Patientenrechtegesetz abgegeben. Sie ist deshalb von besonderem Interesse, weil die Problematik der sich mit dem geplanten Gesetz verändernden Einsichtsrechte der PatientInnen in Behandungsunterlagen für die psychodynamischen Psychotherapieverfahren (tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie) ein Problem darstellen.

Ich zitiere anschließen zunächst aus dem Beitrag - mit der zwischenzeitlich erfolgten Erlaubnis des Autors, Herrn Stanko, dem ich dafür ausdrücklich danken möchte, kann ich seinen Artikel (ganz unten) vollständig wiedergeben:

Zunächst hieße die Formulierung des Einsichtsrechts wörtlich genommen, dass während oder nach jeder Behandlungsstunde Einsichtnahme in die Dokumentation der Stunde gefordert werden könnte. Für psychotherapeutische und psychoanalytische Behandlungen beinhaltet diese rechtliche Setzung ein Dilemma für den Therapeuten, da eine vollständige und sorgfältige Aktenführung – gerade auch bezüglich der eigenen subjektiven Eindrücke – nur erfolgen kann, wenn die Einsichtnahme des Patienten ausgeschlossen ist. Es ist evident, dass ein solches Procedere eine psychotherapeutische Behandlung zerstören würde. Für psychodynamische Prozesse, die sich möglicherweise innerhalb eines geschützten analytischen Raums bearbeiten lassen, wird ein potentielles, rechtlich normiertes Agierfeld eröffnet. (DGPT-MR 03/2012: 10)

Gerade bei PatientInnen mit traumatischen Erfahrungen und in schwierigen Therapiephasen (Stichworte: Enactments, Verwicklungen in der Gegenübertragung, Projektion, projektive Identifikation und Handlungsdialog) sei es notwendig, den Schutz des "analytisch-symbolischen Raum(es) auch stellvertretend für Patienten bewahren zu können". Deshalb sei fraglich, was passieren würde, wenn 

wenn Patienten, die sich möglicherweise ein Stück Vertrauen erarbeitet haben, in einer kritischen Phase der Behandlung mit einer negativen Übertragung bei einer Einsichtnahme in die subjektiven Aufzeichnungen des Analytikers das projizierte Introjekt nun in der Dokumentation gewissermaßen "wiederfinden"?

Stanko weist sehr zutreffen daraufhin, daß subjektive Eindrücke (er zählt auch den Bericht an GutachterInnen dazu) nicht nur sehr viel Persönliches beinhalten, sondern auch Hypothesencharakter haben.

"Es handelt sich um einen Entwurf, um eine Momentaufnahme eines psychodynamischen Prozesses. Diese subjektiven Daten sind nicht für eine Weitergabe gedacht und sind dennoch als Material für die Selbstreflexion und die Entschlüsselung des aktuellen Übertragungsgeschehens von größter Relevanz."

Der dem Gesetzentwurf zugrundeliegenden Begriff von Autonomie korrespondiert mit dem der Vorstellung eines Gesundheitsmarktes, verstelle aber den Blick auf die damit verbundene ethische Problematik und die mit der Krankheit einhergehende "Krise der Autonomie, Verletzbarkeit, Abhängigkeit" sowie des "Angewiesensein(s) auf Vertrauen als Basis der Behandlung" im Rahmen einer asymmetrischen Beziehung. Letztere beruht jedoch nicht auf einer paternalistischen (väterlich-bevormundenden) Haltung, sondern aus eben dieser Krankheit und dem daraus resultierenden Bewußtsein der Krise und läßt sich nicht im Rahmen "äußere(r) vertragsrechtlich(e) Bestimmungen aufheben, sondern bedarf der Verpflichtung im Binnenverhältnis".

Abschließen beschäftigt sich Stanko mit dem Abstinenzgebot in der Psychoanalyse (im Sinne des Verzichts, Gegenübertragungsgefühle zu befriedigen) welches den symbolischen Raum mitkonstituiert. Hingegen ist deren Bewußtmachung und Reflexion entscheidend dafür, daß sich dieser Raum aufrechterhalten werden kann und ggf. Engleisungen "des Dialogs oder Behandlungsfehler(n)" vermieden werden können.

Dabei hilft die Dokumentation, sei es für Zwecke der Selbstreflexion oder anderer Formen der Triangulierung in Intervision oder Supervision. Ein unbeschränktes und unverzügliches Einsichtsrecht, das unabhängig von einem konkreten und begründeten Verdacht auf einen Behandlungsfehler ausgeübt werden kann, greift in diesen schützenden Rahmen ein. Es stellt im störbaren Gefüge des Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehens selbst eine Grenzüberschreitung dar, die zum Zusammenbruch des symbolischen Raums im Analytiker führt. (DGPT-MR 03/2012: 12)

Anmerkung: Obwohl ich dem Kollegen Stanko in weiten Teilen völlig zustimme, sollte nicht übersehen werden, daß die ‘Gefahr’ der Einsichtnahme nicht allzu groß ist - wenn es denn gelungen ist, eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung herzustellen, die auch Krisen (negative Übertragung, Agieren, Angriffe auf Grenzen der AnalytikerInnen bzw. den Rahmen) übersteht. Dazu dürfte auf Seiten der AnalytikerInnen eine Haltung gehören, die durch einen transparenten, fairen, höflichen und ehrlichen Beziehungsstil im Umgang mit Patientenanliegen geprägt ist. In dem hier vorliegenden Fall geht es um das Ernstnehmen des Wunsches nach Einsichtnahme in den/die Patientin/en betreffenden Unterlagen). Wird an diesem Wunsch gearbeitet (Perspektive des Patientin/en und Perspektive der/s Analytikerin/s - bewußte und unbewußte Bedeutungen für PatientInnen, für AnalytikerInnen und die therapeutische Beziehung) wird es in aller Regel nicht notwendig sein, daß PatientInnen ihr Einsichtsrecht im Sinne eines  (juristischen) Machtkampfs agieren (müssen). Ich habe zuweilen den Verdacht, daß KollegInnen gerade durch einen sehr restriktiven, dann vielleicht auch (unbewußten?) paternalistischen Umgang mit PatientInnen (und eben auch mit deren Rechten bzw. ihrer Autonomie) dieses Feld eröffnen bzw. befeuern - eine Übertragung der PsychoanalytikerInnen auf (bestimmte) PatientInnen!?. Auch handelt es sich bei Wünschen nach Einsicht in Unterlagen keineswegs grundsätzlich - wie zuweilen von KollegInnen unterstellt - ausschließlich oder partiell um einen Widerstand bzw. ein Agieren.

Vollständiger Text:

Stanko, Stephan (Vorsitzender des Ausschusses Ethik und Berufsordnung der LPPKJP Hessen): Kommentar zum Kabinettsentwurf Patientenrechtegesetz. In: Mitgliederrundschreiben DGPT 3/2012: 10-12 (für Mitglieder der DGPT: www.dgpt.de unter Mitgliederbereich/Mitglieder-Rundschreiben.

Der "Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" (Patientenrechtegesetz) wurde am 23. Mai im Bundeskabinett verabschiedet, das Gesetz soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten (6).

Ziel des Gesetzes ist, schutzwürdige Rechte von Patienten (7), die bisher in verschiedenen Gesetzen niedergelegt waren, zu bündeln und im BGB und SGB V rechtsverbindlich zu verankern.

Für den Bereich der Psychotherapie sind vor allem die Regelungen zur Dokumentationspflicht und zur Einsichtnahme bedeutsam.

Im Gesetzesentwurf wird vorgeschrieben, dass die Patientenakten vollständig und sorgfältig zu führen sind und Patienten ein gesetzliches Recht auf eine unverzügliche und uneingeschränkte Akteneinsicht haben.

Die Formulierung lautet in § 630 g BGB zur Einsichtnahme in die Patientenakte:

"(1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Gründe entgegenstehen."

Im Begründungsteil des Gesetzesentwurfs (Patientenrechtegesetz Zuleitungsexemplar) wird ausgeführt, dass "Niederschriften über persönliche Eindrücke oder subjektive Wahrnehmungen des Behandelnden ... grundsätzlich offen zu legen" sind (S. 40, 41). Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung werden die Persönlichkeitsrechte der Behandler zu Gunsten der Patientenrechte aufgegeben. Sie werden in der Abwägung zu den Persönlichkeitsrechten des Patienten als nachrangig gewertet (S. 41).

In Bezug auf das Geltendmachen therapeutischer Gründe wird von besonderen Einzelfällen gesprochen, in denen das Für und Wider sorgfältig zu ermitteln und zu begründen sei (S. 40).

 Dort heißt es auch: "...dem mündigen Patienten (ist) das Recht zuzugestehen, eigenverantwortlich über die Frage entscheiden zu dürfen, wie viel er wissen möchte und wo die Grenzen seines Informationsbedürfnisses erreicht sind" (S. 40).

Das Recht der unbeschränkten Einsichtnahme wird damit zum Regelfall erklärt.

Zunächst hieße die Formulierung des Einsichtsrechts wörtlich genommen, dass während oder nach jeder Behandlungsstunde Einsichtnahme in die Dokumentation der Stunde gefordert werden könnte. Für psychotherapeutische und psychoanalytische Behandlungen beinhaltet diese rechtliche Setzung ein Dilemma für den Therapeuten, da eine vollständige und sorgfältige Aktenführung – gerade auch bezüglich der eigenen subjektiven Eindrücke – nur erfolgen kann, wenn die Einsichtnahme des Patienten ausgeschlossen ist. Es ist evident, dass ein solches Procedere eine psychotherapeutische Behandlung zerstören würde. Für psychodynamische Prozesse, die sich möglicherweise innerhalb eines geschützten analytischen Raums bearbeiten lassen, wird ein potentielles, rechtlich normiertes Agierfeld eröffnet.

Im professionalisierten Arbeitsbündnis sind Psychoanalytiker nicht nur als Rollenträger, sondern grundlegend als ganze Person involviert. Gegenwärtige psychoanalytische Auffassungen des therapeutischen Prozesses betonen, dass Enactments, die Verwicklungen in der Gegenübertragung, grundlegend zum therapeutischen Prozess gehören.

Gerade Patienten mit traumatischen Erfahrungen finden in der Persönlichkeit des Therapeuten Anknüpfungspunkte für die Rekonstellierung ihrer verinnerlichten traumatischen Objekterfahrungen (z.B. in unbewussten Konflikten oder Verletzungen des Analytikers). Hoffnung und Ziel der Behandlung ist es, diese traumatischen Erfahrungen einer Bearbeitung, Veränderung und Neuerfahrung in der therapeutischen Beziehung zuführen zu können. Zugleich ist der Prozess der Etablierung einer Vertrauensbeziehung über Projektion und projektive Identifikation, über Enactments, sehr fragil und oft von paranoiden Ängsten begleitet. Als Analytiker befinden wir uns in Behandlungen häufiger in der Situation, zunächst nicht zu verstehen und sogar über lange Zeit mitagieren zu müssen, bis über den "Handlungsdialog" ein Verstehen möglich wird. Vielleicht hat der Analytiker – auf dem Hintergrund eines aktuell stattfindenden Enactments – gerade Gefühle oder Phantasien notiert, die noch unverarbeitet und nicht integriert sind und in dieser Form denen eines traumatisierenden Objekts gleichen?

In solchen – auch für den Analytiker – sehr belastenden Therapiephasen, muss es möglich sein, einen geschützten Raum aufzubauen und aufrechtzuerhalten und diesen als analytisch-symbolischen Raum auch stellvertretend für Patienten bewahren zu können. Die Verlagerung der affektiven Spannung aus dem Behandlungsprozess in eine Forderung nach Einsichtnahme in die notwendigerweise subjektiven Aufzeichnungen würde den Prozess zerstören, wenn die Einsichtnahme als Patientenrecht geltend gemacht werden kann und die Möglichkeit einer analytisch-therapeutischen Bearbeitung des Wunsches darüber u.U. verloren geht.

Was würde geschehen, wenn Patienten, die sich möglicherweise ein Stück Vertrauen erarbeitet haben, in einer kritischen Phase der Behandlung mit einer negativen Übertragung bei einer Einsichtnahme in die subjektiven Aufzeichnungen des Analytikers das projizierte Introjekt nun in der Dokumentation gewissermaßen "wiederfinden"?

An diesem Beispiel zeigt sich das Dilemma der Dokumentationspflicht: der Forderung nach Umfang und Tiefe der Dokumentation bei gleichzeitig nicht begrenzter, "unverzüglicher" Einsichtnahmemöglichkeit des Patienten. Vieles von dem, was an sog. subjektiven Eindrücken dokumentiert wird – dazu gehört in wesentlichen Teilen auch der Bericht an den Gutachter – hat neben höchst Persönlichem auch Hypothesencharakter: Es handelt sich um einen Entwurf, um eine Momentaufnahme eines psychodynamischen Prozesses. Diese subjektiven Daten sind nicht für eine Weitergabe gedacht und sind dennoch als Material für die Selbstreflexion und die Entschlüsselung des aktuellen Übertragungsgeschehens von größter Relevanz. Eine Offenlegung dieser Hypothesen gegenüber dem Patienten würde das Ziel der Bearbeitung der Inhalte konterkarieren und die Abwehr stärken. Als Patientenrecht gesetzlich verbürgt, wäre die Forderung nach einer Einsichtnahme dann auch schwerlich i.S. eines Widerstands zu bearbeiten.

Wie sollen Psychoanalytiker oder tiefenpsychologisch fundiert arbeitende Therapeuten mit der Forderung nach weitreichender Dokumentation bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Einsichtnahme des Patienten umgehen, auch um Patienten stellvertretend zu schützen?

Mit dem Gedankenexperiment, der Analytiker würde von sich aus den Patienten mit Überlegungen konfrontieren, die weder dem Stand der Behandlung noch dem der Abwehr angemessen sind, wird die Problematik noch deutlicher. Ein solches Vorgehen würde mit Recht als den fachlichen Standards nicht genügend und als Kunstfehler gewertet. In der Dokumentation "sorgfältig gewählte Formulierungen" zu verwenden, wie die Bundespsychotherapeutenkammer in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vorschlägt (8), helfen nicht, das Dilemma zu lösen und führen allenfalls zu einer doppelten Buchführung und einer wenig aussagekräftigen Dokumentation. Und: Was bedeutet es für den analytischen Prozess, wenn der Mitteilung der Grundregel gewissermaßen zensierende Überlegungen zur Dokumentation zur Seite gestellt werden müssen?

Die Problematik, die der Gesetzesentwurf aufwirft, lässt sich nicht losgelöst von dem Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem betrachten. Patienten sollen als "Kunden" über Angebot und Nachfrage auf dem Gesundheitsmarkt mitbestimmen. Konsequent wird daher auch im Gesetzesentwurf auf das Leitbild des "mündigen Patienten" rekurriert, der eigenverantwortlich seine Interessen absteckt. Die Konzeption des Patienten als eines informierten "Marktteilnehmers" führt das BMG in seiner Information zum Patientenrechtegesetz auf seiner Homepage so aus: "Die Rolle der Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsversorgung hat sich gewandelt. Sie sind nicht mehr nur vertrauende Kranke, sondern auch selbstbewusste Beitragszahler und kritische Verbraucher. (...) Er kann Angebote hinterfragen, Leistungen einfordern und so dazu beitragen, dass ein wirkungsvoller Wettbewerb im Gesundheitssystem stattfindet." (9)

Der hier zugrunde gelegte verkürzte Begriff von Autonomie korrespondiert zwar mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, zugleich wird damit jedoch der Blick für eine ethische Problematik verstellt. Als Konsument und Kunde ist der Patient gefordert, strategisch zu denken und misstrauisch zu sein, um seine Interessen am Markt durchzusetzen. Die Tatsache der Krankheit aber führt geradezu zum Gegenteil dessen, was das marktrationale Konstrukts des "kritischen Verbrauchers" impliziert: Krankheit bedeutet eine Krise der Autonomie, Verletzbarkeit, Abhängigkeit und Angewiesensein auf Vertrauen als Basis der Behandlung.

Die Asymmetrie der Beziehung von Arzt oder Therapeut und Patient, die nicht aus einer paternalistischen Haltung, sondern aus der Tatsache der Krankheit und dem Bewusstsein der Krise erwächst, lässt sich nicht durch äußere vertragsrechtliche Bestimmungen aufheben, sondern bedarf der Verpflichtung im Binnenverhältnis. Die innere Verpflichtung, sich am Guten für den Patienten zu orientieren und nicht am Eigennutz oder Fremdnutzen, gehört zum Kern des ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsethos.

Als Abstinenzgebot ist das ethische Gebot in der Psychoanalyse mit dem technischen strukturell verwoben. Der symbolische Raum der Analyse wird durch den Verzicht, Gegenübertragungsgefühle zu realisieren und auszuagieren mitkonstituiert. Phantasien, Wünsche und Gefühle des Patienten können nur dann und deshalb einfließen, weil sie und wenn sie nicht den Reaktionen des Partners wie in einer Realbeziehung unterliegen.

Das Bewusstmachen der Gegenübertragung und ihre Reflexion sind das wichtigste Mittel, den symbolischen Raum aufrechtzuerhalten, d.h. auch, einem Entgleisen des Dialogs oder Behandlungsfehlern vorzubeugen. Dabei hilft die Dokumentation, sei es für Zwecke der Selbstreflexion oder anderer Formen der Triangulierung in Intervision oder Supervision. Ein unbeschränktes und unverzügliches Einsichtsrecht, das unabhängig von einem konkreten und begründeten Verdacht auf einen Behandlungsfehler ausgeübt werden kann, greift in diesen schützenden Rahmen ein. Es stellt im störbaren Gefüge des Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehens selbst eine Grenzüberschreitung dar, die zum Zusammenbruch des symbolischen Raums im Analytiker führt.

Psychoanalytisch denkende und arbeitende Psychotherapeuten werden in anderer Weise als bisher überlegen müssen, ob und wie sie mit ihrer Dokumentation umgehen, da sie mit ihrer bisherigen Praxis der subjektiven Dokumentation ihren Patienten, dem therapeutischen Prozess und möglicherweise auch sich selbst Schaden zufügen können.

6 www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/P/Patientenrechte/120524_Gesetzentwurf_BR_

Patientenrechtegesetz_Zuleitungsexemplar_1707076.pdf

7 zwecks leichterer Lesbarkeit verwende ich im folgenden nur die maskuline Form

8 Unveröffentlichte Stellungnahme der BPtK vom 27.3.2012, S. 15

9 http://www.bmg.bund.de/praevention/patientenrechte/patientenrechtegesetz.html

Archiv: Teil I + Teil II

Oktober 2012


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AKTUELL: Nummer 17/2012

Dokumentation bei Psychotherapie - Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer Hamburg

Die Psychotherapeutenkammer Hamburg hat im Psychotherapeutenjournal 3/2012 ein zunehmend bedeutsames Thema im Bereich der Psychotherapie aufgegriffen: Den Umfang der Dokumentationspflicht für ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen. Festzuhalten ist, daß für jede Behandlung (GKV/PKV) eine Dokumentation zu erstellen ist (Grundlage: Berufsrecht, Zivilrecht/Behandlungsvertrag-Haftung und Strafrecht), daß aber weder entsprechende formale (Datei, Schreibblock, Umfang etc.) noch inhaltliche Vorgaben bestehen.

Die Dokumentation ist vom Inhalt und Umfang her so zu gestalten, daß PatientInnen (oder ggf. auch autorisierte Dritte) in der Lage sind, daraus hinreichende Informationen über die durchgeführte Behandlung (insbesondere Umfang und Art der Therapie sowie jeweils durchgeführte Maßnahmen/Interventionen) entnehmen zu können.

Aus dem "Gebot der Therapiesicherung" leitet die PTK Hamburg (PTKH) die nachfolgend aufgelisteten behandlungsbezogenen und behandlungsrelevanten Informationen ab (PTJ 3/2012: 263):

Die PTKH weist daraufhin, daß die Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie geht über die in den Berufsordnungen der Länderpsychotherapeutenkammern und der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) hinaus. Zugleicht wird die differenzierte Dokumentation in dieser Form von der PTKH - auch im Sinne der Qualitätssicherung - "dringend empfohlen".

Anmerkung 1: Es handelt sich hier um eine erste Überlegung zum Umfang der Dokumentationspflicht. Bereits in der Vergangenheit hat es vereinzelt Urteile gegeben in welchen PsychotherapeutInnen verpflichtet wurden, auch Gesprächsaufzeichnungen bzw. -protokolle auszuhändigen. Im Unterschied zur bisherigen Rechtsprechung (Einsichtnahme nur in objektive Daten, nicht aber in subjektive Gedanken, Gegenübertragungsgefühle etc.) sieht der Entwurf des geplanten Patientenrechtegesetz ein weitgehendes Einsichtsrecht vor, das auch subjektiven Daten beinhaltet. Allerdings wird auch weiterhin (jedoch nur im Einzelfall) ein therapeutischer Vorbehalt geltend gemacht werden können (Gefahr der Schädigung durch die Einsichtnahme). Siehe dazu unten die Links (Archiv).

Anmerkung 2: Anläßlich einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen einer Lehranalysandin und ihrer Lehranalytikerin hinsichtlich der Einsicht in die Aufzeichnungen stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Dokumentation bei Lehranalysen. Ob sich die Ausführungen zum Umfang der Dokumentation (wie oben dargelegt) auch auf die Lehranalyse beziehen ist juristisch (noch) nicht eindeutig zu beantworten. Vieles spricht aber dafür, daß dem so ist - jedenfalls dürfte das Fehlen jeglicher Aufzeichnungen im Streitfall höchst problematisch (für die LehranalytikerInnen bzw. LehrtherapeutInnen) sein. Im Falle einer Auseinandersetzung über 'Behandlungs'fehler (die Frage ist, ob es sich überhaupt - juristisch - um eine Behandlung handelt) könnten die TherapeutInnen kaum nachweisen, daß keine problematischen Interventionen stattgefunden haben.

Anmerkung 3: Auch die Ausschuss Qualitätssicherung: PTK Bayern hat sich Gedanken zum Thema gemacht: FAQ zur Dokumentationspflicht in der Psychotherapie (Fortführung - Stand: Februar 2011); Zugang nur für Mitglieder: www.ptk-bayern.de

Psychotherapeutenjournal 3/2012: Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer Hamburg: 263 ff; direkter Link zu den Mitteilungen über die PTKH

Archiv:

Patientenrechtegesetz Teil I + Teil II

Einsicht in Behandlungsunterlagen: Teil I

Oktober 2012


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AKTUELL: Nummer 16/2012

Patientenfragebögen der Krankenkassen (GKV) im Zusammenhang des Bezugs von Krankengeld - der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert den Umgang der erhobenen Daten

Der stellvertretende Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten (Schaar), Dietmar Müller, hat die im Zusammenhang des Bezugs von Krankengeld von den Krankenkassen an Versicherte verschickte Fragebögen kritisiert. Diese enthielten Fragen, mit dem Krankengeldbezug nicht in Zusammenhang stünden - so etwa, wenn nach familiären Verhältnissen, Urlaubsplänen oder dem Verhältnis zum Arbeitgeber gefragt würde.

Dazu zählen Fragen nach familiären Verhältnissen, Urlaubsplänen oder dem Verhältnis zum Arbeitgeber, so Müller. Ins Visier des Datenschützers sind Kassen aller Größenordnungen geraten. Bereits in seinem Tätigkeitsbericht 2005/2006 hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte diese Verfahrensweise der Krankenkassen kritisiert.

Anmerkung: Ein klassisches Beispiel für die häufig praktizierte Datensammelwut. Nicht die Erhebung von Daten an sich ist problematisch und oftmals auch rechtswidrig, sondern der Umfang der erhobenen Daten (Grundsatz der Datensparsamkeit und Zweckbindung).

Ärzte Zeitung (online) v. 9.10.2012: Zu neugierig. Bundesdatenschützer rüffelt Kassen

Oktober 2012


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AKTUELL: Nummer 15/2012

Datentransparenzverordnung: Datenerhebung für den Bereich Psychotherapie

Obwohl die Sammlung sensibler (hier allerdings anonymisierter) Daten immer mit Vorsicht zu betrachten ist, erscheint die kürzlich in Kraft getretene Datentransparenzverordnung dringend erforderlich, um endlich differenzierte Daten für den Bereich der Psychotherapie als Planungsgrundlage zur Verfügung zu haben.

In einer Pressemeldung der Bundespsychotherapeutenkammer (26.09.2012) heißt es dazu:

Mehr Daten für eine bessere Versorgung

Datentransparenzverordnung in Kraft getreten

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kann zukünftig auf die Daten des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen zurückgreifen. Mit den Daten lassen sich z. B. bestimmte Diagnosen altersbezogen darstellen und damit die psychotherapeutische Versorgung besser analysieren. Am 18. September 2012 ist die dafür notwendige Datentransparenzverordnung in Kraft getreten. Die BPtK gehört danach zu den im SGB V aufgezählten Nutzungsberechtigten. „Bei unserer Arbeit haben wir immer wieder festgestellt, dass bestimmte Daten zur Versorgung schlicht fehlen“, erklärt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter. „Es freut uns sehr, dass es noch gelungen ist, ins Gesetz aufgenommen zu werden. Der Gesetzentwurf sah das zunächst nicht vor.“

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wird als öffentliche Stelle die Aufgaben der Datentransparenz wahrnehmen und die Daten aufbereiten. Bis Ende des Jahres soll das Antragsverfahren ausgestalten sein, mit dem ein Zugriff auf die Daten möglich wird.

Das SGB V sah jahrelang Regelungen zur Datentransparenz vor, die nie umgesetzt wurden. Ursprünglich war die gemeinsame Selbstverwaltung damit beauftragt worden, die Einzelheiten vertraglich festzulegen. Doch eine entsprechende Vereinbarung kam nie zustande. Der Gesetzgeber ermächtigte daher im GKV-Versorgungsstrukturgesetz das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Einzelheiten in einer Verordnung festzulegen. Dies hat das BMG nun mit der Datentransparenzverordnung getan.

Pressemeldung der BPtK (26.09.2012): Mehr Daten für eine bessere Versorgung

September 2012


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AKTUELL: Nummer 14/2012

Verschlüsselung von E-Mails

Wiederholt bin ich auf das Thema Verschlüsselung von E-Mails aufmerksam gemacht worden. Grundsätzlich erscheinen mir nach wie vor Bedenken angebracht, hochsensible Unterlagen von PatientInnen (oder anderweitig schützenswerte Daten) über das Internet zu versenden, andererseits bieten auch herkömmliche Methoden (Briefverkehr, Telefonate/Handy, Fax etc.) keine absolute Sicherheit. Zudem sind mehr und mehr ÄrztInnen und (ärzliche, psychologische, Kinder und Jugendlichen-) PsychotherapeutInnen mit einer Praxis-Webseite einschließlich E-Mail-Adresse im Netz vertreten. Zwar werden in letzterem Fall (Kommunikation zwischen PatientInnen und ÄrztInnen/PatientInnen) in der Regel keine Arztberichte, Befunddaten etc. versandt, doch bereits die Tatsache, daß sich PatientInnen mit Beschwerden psychischer und/oder körperlicher Art an ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen wenden, ist eine ausgesprochen sensible Information.

In jedem Fall aber sind Fragen der Datensicherheit berührt und PatientInnen sollten bei der Kommunikation per (unverschlüsselter) E-Mail immer darauf hingewiesen werden, daß diese keine Sicherheit gegen ein Ausspähen bieten. Das gilt übrigens auch dann, wenn Sie eine verschlüsselte Verbindung zum Versenden und Abrufen Ihrer E-Mails benutzen - denn diese sichert lediglich die Übertragung zwischen Ihrem Computer und den Servern Ihres E-Mail-Providers ab. Die weitere Übermittlung zum Postfach des Empfängers erfolgt jedoch ungeschützt über das Internet.

Lösen läßt sich das Problem allenfalls durch eine E-Mail Verschlüsselung. Wenn Gesundheitsdaten zwischen Institutionen ausgetauscht werden besteht die Möglichkeit von Datentunnels (geschützter Datenverkehr zwischen Sender/Empfänger), der bereits heute zwischen ÄrztInnen und KVen stattfindet (D2D, KV-SafeNet, KV-WebNet). Ein weiteres in Bayern angebotenes 'starkes Authentifizierungsverfahren', mit dem speziell die Abrechnungsdaten an die KVB übermittelt werden können hat den Vorteil, daß es ausgesprochen sicher und kostengünstig ist.

Doch zurück zur E-Mail-Verschlüsselung und der dabei angewandten Technologie:

Die Verschlüsselung von E-Mail erfolgt entweder symmetrisch oder assymmetrisch. Bei symmetrische Verfahren  wird derselbe (geheime) Schlüssel von beiden KommunikationspartnerInnen zum Ver- und Entschlüsseln der der jeweils gesendeten Mails verwendet. Dies geschieht in aller Regel mit Hilfe eines Kennworts. Die Sicherheit des Verfahrens hängt dabei in erster Linie von der Schlüssellänge ab. Bei dem heute üblicherweise angewendeten asymmetrischen Verfahren werden Schlüsselpaare verwendet: Ein öffentlicher Schlüssel (public key) und ein privater bzw. geheimer Schlüssel (private key). Der öffentliche Schlüssel ist einem bestimmten Benutzer zugeordnet und dient zur Verschlüsselung.

Zunächst wird eine Software benötigt, die eine Verschlüsselung Ihrer E-Mails sowie das Lesen empfangener, verschlüsselter E-Mails ermöglicht. Hier gibt es auch kostenlose Programme (siehe unten) - allerdings müssen Sie prüfen, ob die Software direkt in Ihrem E-Mail-Programm (z.B. Windows Mail Live, Outlook Express) oder in ihrem Browser nutzen können (dazu ist eine entsprechende Erweiterung/plug-in) notwendig. Haben Sie ein E-Mail-Konto bei einem Browser (z. B. webmail.de) gibt es oft - allerdings zumeist kostenpflichtige). Im nächsten Schritte wird nun das Schlüsselpaar (öffentlicher & geheimer Schlüssel) erstellt. Der geheime Schlüssel wird aus einer (möglichst langen) Zeichenfolge generiert und selbst verschlüsselt. Er kann dann mittels eines von Ihnen vergebenen Paßworts aktiviert werden.

Nach der Erstellung des Schlüsselpaares können Sie den öffentlichen Schlüssel an die Personen übergeben, mit denen sie verschlüsselte E-Mail austauschen wollen - dazu benötigt der Kommunikationspartner neben Ihrem öffentlichen Schlüssel (diesen können sie per Mail zusenden) dasselbe Verschlüsselungsprogramm. Leider kann es hier, wenn unterschiedliche Betriebssysteme verwendet werden, zu Problemen kommen. Nachdem Ihr Gegenüber sein Schlüsselpaar erzeugt hat, sendet er Ihnen (wiederum z. B. per Mail oder Datenträger) seinen öffentlichen Schlüssel, damit Sie seine verschlüsselten Mails lesen können. Auf den Seiten www.verbraucher-sicher-online.de finden Sie weitergehende Informationen zur Verschlüsselungstechnik.

Ein empfehlenswertes Programm ist die kostenlose, deutschsprachige Software GpG4win (Version 2.1.0); unterstützte Betriebssysteme: Windows XP, Vista und 7 (32 und 64 bit). Sie wird vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik empfohlen (siehe unten Pressemeldung v. 15.03.2011) und kann neben E-Mails auch Dateien und Datei-Ordner verschlüsseln.

Verschlüsselungssoftware Gpg4win (Version 2.1.0)

www.verbraucher-sicher-online.de: Verschlüsselungstechnik

Pressemitteilung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik v. 15.03.2011: Gpg4win 2.1.0: Neue Version der E-Mail- und Datei-Verschlüsselungslösung für Windows

September 2012


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AKTUELL: Nummer 13/2012

Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz - Vertrauliche Unterlagen zugespielt!

(Teil X)

Im Zusammenhang der Petition wurden mir vertrauliche Unterlagen der PKV zugespielt. Durch ein Versehen meinerseits - die Dokumente waren etwas unglücklich bezeichnet - komme ich erst jetzt dazu, die mir schon länger zur Verfügung stehenden Dokumente zu veröffentlichen. Zunächst ein Schreiben des Verbandes der privaten Krankenversicherung (VPK) vom 3. Juni 2011 (Namen, Aktenzeichen und personenbezogene Zeichen wurden entfernt):

Beschluss des Petitionsausschusses des Bundestags

Anforderungen von Behandlungs- und Befundberichten

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat sich für eine Verbesserung des Datenschutzes in der privaten Krankenversicherung ausgesprochen. Die Abgeordneten beschlossen einstimmig, eine entsprechende öffentliche Petition dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesinnenministerium sowie dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Material zu überweisen und den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.

Der Petent, ein Psychotherapeut, beanstandete in seiner Eingabe, dass die privaten Krankenversicherungen bei der Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen persönliche Daten des Versicherten „weitergeben" würden, obwohl dies für die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich sei. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) würden hingegen ein Verfahren anwenden, welches die Privatsphäre der Versicherten besser schütze.

Gemeint ist das Gutachterverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Verfahren ist durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie, auszugsweise in Anlage 1) in Verbindung mit der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte – nachfolgend: Psychotherapie-Vereinbarung, auszugsweise in Anlage 2) festgelegt: Die Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie erfolgt durch die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten. Zu diesem Antrag teilt der Therapeut vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation und beschreibt Art und Umfang der geplanten Therapie. Beantragt der Therapeut eine Langzeittherapie (> 25 Sitzungen) hat die Krankenkasse diesen Antrag einem Sachverständigen zur Begutachtung vorzulegen (§ 11 Abs. 4 S. 5 Psychotherapie-Richtlinie). Dem Antrag auf Langzeittherapie ist ein ausführlicher Bericht für den Gutachter in einem verschlossenen Briefumschlag beizufügen. Dem Gutachter dürfen sowohl vom behandelnden Therapeuten als auch von der Krankenkasse nur solche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, auf denen die Personaldaten des Patienten anonymisiert sind (§ 12 Abs. 11 Psychotherapie-Richtlinie). In der Praxis werden die Daten freilich nicht anonymisiert, sondern pseudonymisiert übermittelt, weil ansonsten Therapeut und Krankenkasse die Rückäußerung des Gutachters keiner versicherten Person zuordnen könnten.

In der Petition wird gefordert, die privaten Krankenversicherungen zu verpflichten, ein gleichwertiges Verfahren einzuführen. Im Ergebnis der parlamentarischen Prüfung der Petition kommt der Ausschuss zu der Einschätzung, dass die privaten Krankenversicherungen tatsächlich zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte, Krankenhausentlassungsberichte und Operationsberichte anfordern würden. „Das betrifft auch die von dem Petenten erwähnten psychotherapeutischen Gutachten oder Berichte, die in der Regel besonders sensible, personenbezogene Daten enthalten", schreibt der Petitionsausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung. Zugleich wird festgestellt, dass es „im Bereich der privaten Krankenversicherungen keine dem Gutachterverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbare Rechtsnorm gibt". Ein zwischen der Versicherungswirtschaft und den Datenschutzbehörden der Länder im Jahr 1993 abgestimmtes Verfahren sehe lediglich vor, dass Behandlungs- und Befundberichte dem beratenden Arzt der Versicherung, nicht jedoch den Sachbearbeitern zugehen sollten. Auch wenn aus Sicht des Petitionsausschusses im Hinblick auf das Verfahren „derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar ist", hegen die Abgeordneten Zweifel, ob die mehr als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung „allen dem Verband der privaten Krankenversicherungen angeschlossenen Versicherungsunternehmen bekannt ist und in der Praxis auch beachtet wird". Vor diesem Hintergrund sei eine Regelung, die dem Gutachterverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, aus Datenschutzsicht „wünschenswert", schreiben die Abgeordneten. Dies gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch sensiblen, personenbezogenen Daten im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich der gleiche Schutz gewährleistet wäre.

Der Vorwurf des mangelnden Datenschutzes in der PKV ist unbegründet. Für die Überprüfung der Leistungspflicht bedarf es der Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten, die gerade im Bereich der Psychotherapie auch besonders sensibel sein können. Wir möchten den Beschluss des Petitionsausschusses aber zum Anlass nehmen, auf das seinerzeit mit den Datenschutzaufsichtsbehörden abgestimmte und mittels Rundschreiben vom 14. Juni 1993 (Anlage 3) kommunizierte Verfahren hinzuweisen und zu bitten, dieses auch weiterhin einzuhalten. Soweit die Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit nicht durch einen Gesellschaftsarzt, sondern durch einen externen Gutachter durchgeführt wird, erfolgt dies auf Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen. Sie ist daher datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl könnte, falls dies nicht ohnehin bei Ihnen so gehandhabt wird, im Sinne eines datenschutzrechtlichen Mehrwerts die Übermittlung pseudonymisiert erfolgen.

In diesem Zusammenhang möchten wir noch darauf hinweisen, dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. unter Beteiligung des PKV-Verbandes mit den Datenschutzaufsichtsbehörden und dem Verbraucherzentrale Bundesverband kürzlich eine neue datenschutzrechtliche Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung konsentiert hat. Danach hat der Versicherer im Fall der Übermittlung personenbezogener Gesundheitsdaten (bzw. von Daten, die der Schweigepflicht nach § 203 StGB unterliegen) an einen medizinischen Gutachter den Versicherten von der Übermittlung zu unterrichten. Von der Unterrichtung kann unseres Erachtens jedoch Abstand genommen werden, wenn dem Gutachter lediglich pseudonymisierte Daten dergestalt übermittelt werden, dass es diesem nicht möglich ist, den Personenbezug des Pseudonyms herzustellen. Auch dies könnte dafür sprechen, an externe Gutachter keine personenbezogenen Daten zu übermitteln.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Referatsleiter

Und in einem weiteren Schreiben, auf das im obigen Schreiben Bezug genommen wird (Anlage 3, 14. Juni 1993), enthält jene Vereinbarungen zum Datenschutz, die mir bislang vorenthalten blieb. Bereits vor Monaten hatte ich den Verband VPK um Übersendung gebeten, was mir jedoch verwehrt wurde (internes Dokument, welches nur den Mitgliedsunternehmen zugänglich ist). Es handelt sich um eine gescannte Fassung des Originalschreibens, das ich in eine Worddatei übertragen habe - auch hier habe ich Namen, Aktenzeichen und personenbezogene Zeichen entfernt.

Vereinbarung zwischen privaten Versicherungen und Datenschutzbehörden zum Datenschutz, Schreiben des VPK v. 14.06.1993

Anmerkung: Es ist schon erstaunlich, mit welcher kühlen Sachlichkeit der zuständige Referatsleiter des Verbandes der privaten Krankenversicherung (VPK) über eine Problematik hinweggeht, die ja das Wohl der eigenen PKV-Versicherten betrifft. Es müßte eigentlich im Interesse der Versicherungen sein, alles zu unterlassen, was potentiell schädigende Folgen für Versicherte haben kann. Stattdessen tendiert die Stellungnahme des VPK zu unsachgemäßen Feststellungen: Niemand wird behaupten, es bedürfe keiner Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten - nur SachbearbeiterInnen der KK bedürfen der im Bericht der PsychotherapeutInnen gemachten Angaben und Feststellungen nicht und GutachterInnen (völlig egal, ob intern oder extern) bedürfen nicht des Namens der Versicherten, um ihren Gutachtenauftrag zu erfüllen (und hat der Referatsleiter selbstverständlich Recht: Natürlich handelt es sich beim Gutachterverfahren der GKV um eine Pseudonymisierung des Patientennamens). Diagnosedaten, Angaben über das gewählte Verfahren etc. müßen der PKV (wie auch der GKV) natürlich vorliegen - weitergehende Angaben zum psychischen Zustand, zu Anamnese, Psychodynamik, Prognose etc. dagegen nicht.

Ich wiederhole meine schon oft geäußerte Kritik: Der Datenschutz wird im Bereich der PKV nach wie vor mit Füßen getreten (Grundsätze der Zweckbindung und Datensparsamkeit). PatientInnen werden – zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine Kostenübernahme erfolgt.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX

September 2012


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AKTUELL: Nummer 12/2012

Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz

(Teil IX)

Wie berichtet (Teil VII und Teil VIII) ist der Bundestag der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922; Pet 2-17-08-7613-001492; Prot. Nr. 17/38) gefolgt und hat am 9.06.11 beschloßen, die Petition.

Das hat allerdings bisher m. W. zu keiner Änderung der Praxis geführt. Ich habe daher das BM der Finanzen und die Bundestagsfraktionen angeschrieben und gebeten mich dahingehend zu informieren, was in dieser Angelegenheit jeweils unternommen wurde.

Auszug aus meinem Schreiben (5.09.12):

Der Deutsche Bundestag ist am 9.06.2011 der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922) gefolgt und hat beschlossen, die Petition

der Bundesregierung – dem BM der Finanzen, dem BM für Gesundheit und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – als Material zu überweisen und

den Fraktionen des Deutschen Bundestages zu Kenntnis zu geben.

Diese Entscheidung war aus meiner Sicht (ich hatte die Petition 2009 mit 722 MitzeichnerInnen eingereicht) ausgesprochen erfreulich, wenn auch fraglich war und ist, ob das etwas am skandalösen Zuständen bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen in der PKV ändert bzw. ändern wird. Der Datenschutz wird hier nach wie vor mit Füßen getreten: Weil die PKV das in der GKV geregelte und bewähre Verfahren anonymisierter Berichte der PsychotherapeutInnen an die/den von der Krankenkasse beauftragte/n GutachterIn nicht durchführt, kommt es zur Weitergabe intimster personenbezogener Daten an GutachterInnen oder sogar an SachbearbeiterInnen der jeweiligen Privatversicherung (wenn gar keine medizinischen GutachterInnen zur Verfügung stehen), ohne daß dies zur Erfüllung des jeweiligen Auftrags (Leistungsabrechnung bzw. Gutachtenerstellung) notwendig wäre. Formaljuristisch ist das durch die Einwilligung der PatientInnen gedeckt. Schon seit Jahren bleiben meine Hinweise, daß dennoch ein Verstoß gegen den Datenschutz vorliegt – Grundsatz der Zweckbindung und Datensparsamkeit – ungehört. PatientInnen werden hier – zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine Kostenübernahme erfolgt.

In seiner Beschlußempfehlung hat der Petitionsausschuß zudem eine höchst problematische Aussage getroffen:

"Hinsichtlich der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand Einigkeit, dass nur die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens inhaltlich Kenntnis erlangen, nicht jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die angeforderten, nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden. Sie entscheiden, ob ein Leistungsanspruch besteht oder nicht." [Hervorhebung vom Verfasser]

Auf meinen (schriftlich formulierten Einwand an den Petitionsausschuß, die Unterlagen an die GutachterInnen sollten ja gerade psyeudonymisiert weitergeleitet werden (analog dem Gutachterverfahren in der GKV) hat mir der zuständige Mitarbeiter (Dr. Waldmann) mit Schreiben v. 21.07.2011 lapidar mitgeteilt, es handle sich bei diesem Absatz um die Beschreibung des Verfahrens, das zwischen Versicherungswirtschaft und den Obersten Aufsichtsbehörden der Länder für den Datenschutz vereinbart wurde. Zwar sehe der Petitionsausschuß "keinen dringenden gesetzgeberischen Bedarf" dennoch halte er "eine Regelung, die dem Bereich der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) praktizierten Gutachterregelung entspricht, für wünschenswert". Diese Argumentation ist im Hinblick auf meinen Einwand logisch wenig überzeugend, zeichnet sich ja gerade das Gutachterverfahren in der GKV durch die Pseudonymisierung aus.

Es ist mir bis heute nicht gelungen, die diesbezügliche Vereinbarung einzusehen (der Verband der PKV hat mir dieses ausdrücklich verweigert). Ich bitte Sie daher, mir diese zur Verfügung zu stellen. [Fassung BMF]

Es ist mir bis heute nicht gelungen, die diesbezügliche Vereinbarung einzusehen (der Verband der PKV hat mir dieses ausdrücklich verweigert). Ich bitte Sie mich dabei zu unterstützen, diese zur Verfügung gestellt zu bekommen. [Fassung Fraktionen]

Seit dem Bundestagsbeschluß ist zwischenzeitlich mehr als ein Jahr vergangen. Da ich bislang von keiner Seite eine Rückmeldung über das weitere Vorgehen erhalten habe, bitte ich Sie mich darüber zu informieren, was Sie in dieser Angelegenheit unternommen haben bzw. unternehmen werden.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

September 2012


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AKTUELL: Nummer 11/2012

Meldegesetz: Der umstrittene Gesetzentwurf wird nach der Sommerpause im Bundesrat beraten

Nach massiven öffentlichen Protesten vor allem von Seiten von Datenschutzorganisationen gegen die geplante Weitergabe von personenbezogenen Daten (z. B. Name und Adresse) durch die Meldeämter an Firmen - ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen - wird der vom Bundestag Ende Juni ohne Beratung beschlossene Gesetzentwurf nach der Sommerpause erneut beraten. Nach Beratungen im Innenausschuß des Bundesrats wird sich der Bundesrat am 21. September 2012 mit dem Gesetz beschäftigen. Schon im Vorfeld hatten mehrere Bundesländer angekündigt, den Gesetzentwurf im Bundesrat zu blockieren bzw. nur mit Korrekturen passieren zu lassen.

Anmerkung 1: Es ist schon erstaunlich wie unsensibel der Bundestag mit diesem Thema umgegangen ist (vermutlich haben die meisten Abgeordneten gar gelesen oder gar verstanden, um was es geht) - erstaunlich aber auch, daß Abgeordnete, die mit der Materie vertraut sind und Datenschutzorganisationen nicht bereits im Vorfeld gegen des Gesetzgebungsverfahren massiv protestiert haben.

Anmerkung 2: Das Bayerische Meldegesetz sieht die Möglichkeit von Auskunfts- und Übermittlungssperren vor. Während Erstere nur unter sehr strengen Voraussetzungen und mit entsprechender Begründung möglich ist - sind Übermittlungssperren im Zusammenhang von

möglich - in schriftlicher und mündlicher Form und ohne Angabe von Gründen. Außerdem besteht das Recht und die Möglichkeit, einer elektronischen Melderegisterauskunft über das Internet ohne Angabe von Gründen zu widersprechen. Nähere Informationen unter: www.behoerdenwegweiser.bayern.de: Auskunftssperren

September 2012


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AKTUELL: Nummer 10/2012

Datenschutz gilt auch für SGB II-EmpfängerInnen (Arbeitslosengeld II)

Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom Januar 2012  (25.01.12 - B 14 AS 65/11 R) datenschutzrechtliche Grundsätze für EmpfängerInnen des Arbeitslosengelds II festgelegt. Wie der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) meldet, dürfen die Träger (Jobcenter) "nicht ohne Zustimmung des Leistungsbeziehers den Vermieter oder andere Dritte, wie Arbeitgeber, kontaktieren und Informationen abfragen (...). Die Leistungsträger sind vielmehr gehalten die schutzwürdigen Interessen des Leistungsbeziehers zu beachten und daher vor Kontaktaufnahme mit dem Vermieter das Einverständnis des Leistungsberechtigten einzuholen". (FORUM sozial I/2012:6)

Urteil des Bundesozialgerichts v. 25.01.12 - B 14 AS 65/11 R

September 2012


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AKTUELL: Nummer 9/2012

Das geplante Patientenrechtegesetz: 30 Jahre Aufbewahrung von Patientenunterlagen?

(Teil II)

Nach einem Bericht der Ärztezeitung online (5.07.12) empfiehlt der Gesundheitsausschuss des Bundesrates in einer Beratungsvorlage zum Patientenrechtegesetz, daß ÄrztInnen (und damit auch nichtärztliche PsychotherapeutInnen) künftig Behandlungsunterlagen grundsätzlich 30 Jahre aufbewahren müßen. Begründet wird dies mit der Verjährungsfrist für Haftungsansprüche, die ebenfalls 30 Jahre beträgt. Nach der Sommerpause wird das Patientenrechtegesetz weiter im Bundestag beraten werden.

Bisher beträgt der Aufbewahrungszeitraum i. d. R. zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), § 9 Abs. 2 Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP), § 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV), soweit nicht spezielle Vorschriften bestehen, die eine längere Aufbewahrungspflicht vorsehen (z. B. bei Röntgenaufnahmen). Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Daten zu löschen – vorher besteht (für PatientInnen) kein Anspruch auf Löschung oder Sperrung der patientenbezogenen Daten.

Interessanterweise empfiehlt die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits heute:

"Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind." (BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 1027)

Nach meines Ansicht stellt diese Rechtsauffassung ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz dar. Demnach sind die Unterlagen/Daten nach der gesetzlich normierten Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. vernichten, weil der Zweck der Speicherung bzw. Verarbeitung entfallen ist. Auf einem anderen Blatt steht, daß damit im Einzelfall die Beweislage für ÄrztInnen, ärztliche PsychotherapeutInnen, PP und KJP beeinträchtigt sein kann.

Anmerkung 1: Zur Klärung der Angelegenheit habe ich mich an den Bundesdatenschutzbeauftragen gewandt (Juli 2012). Dort würde mir bestätigt, daß eine Aufbewahrung der Unterlagen über die geregelte Aufbewahrungszeit hinaus alleine aus Gründen der Beweissicherung nicht mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu vereinbaren ist. (Schreiben v. 1.08.2012). Auch führt eine ordnungsgemäße Vernichtung der Unterlagen nach 10 Jahren nicht zu einer Beweislastumkehr, wenn später von PatientInnen ein Behandlungsfehler geltend gemacht wird (Hinweis auf das Urteil des OLG Karlsruhe v. 11.02.2004 - 7 U 174/02 -).

Anmerkung 2 (3.01.2014): Nun hat sich auch die KBV zu diesem Punkt geäußert (Mail 3.01.2014). Der stellvertretenden Leiter für Rechtsangelegenheiten (Rechtsanwalt) verweist dabei auf das Patientenrechtegesetz  (Aufbewahrung für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen) und auf die nun auch gesetzlich geregelte Beweislastumkehr bei fehlender Dokumentation, die "in zeitliches Hinsicht nur solange eingreift, wie den Arzt auch eine Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht trifft. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erwachsen dem Arzt aus der Vernichtung oder aus dem Verlust der Dokumentation in der Regel keine Nachteile. Allerdings hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 630 f Abs. 3 BGB Folgendes ausgeführt:  

"Soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der gesundheitliche Zustand des Patienten oder die Gegebenheiten im Einzelfall jedoch erfordern, kann die Aufbewahrungsfrist des Absatzes 3 allerdings auch weit über 10 Jahre hinausgehen. Dies kann insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Patienten gelten, die nach der Höchstverjährungsfrist des § 199 Abs. 2 erst nach 30 Jahren verjähren können."

Es ist bekannt, dass die entscheidenden Gerichte auch die Gesetzesbegründungen zur Auslegung der Vorschriften heranziehen. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Gerichte die "Gegebenheiten im Einzelfall" auslegen werden, sehen wir von einer Änderung der Empfehlungen ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen der Bundesärztekammer und der KBV keinen verbindlichen Charakter haben, sondern lediglich eine Hilfestellung für den Arzt bieten sollen. Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben."

Bericht der Ärzte Zeitung online v. 5.07.2012: Ärzte sollen Unterlagen 30 Jahre aufbewahren

BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 19, Mai 2008) 105: A-1026-1030 und Technische Anlage: 1-12)

Archiv: Teil I

Juli 2012


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AKTUELL: Nummer 8/2012

Der 115. Deutsche Ärztetag in Nürnberg beschießt: Die eGK ist gescheitert!

(Teil XVII)

Nicht immer ist man heute sicher, ob Meldungen eine Satire darstellen oder ernstgemeint sind - so auch hier! Aber tatsächlich  lautet der Beschluß des 115. Deutschen Ärztetages so:

Entschließung des 115. Deutschen Ärztetages zur eGK

Nürnberg, 25.05.2012

Der 115. Deutsche Ärztetag hat folgende Entschließung gefasst:

Das politische Projekt "Elektronische Gesundheitskarte" (eGK) ist gescheitert. Der gigantomanische Anspruch, durch eine flächendeckende Elektronifizierung der Patientenversorgung unter der Führung der Krankenkassen sowohl transparente Patienten als auch transparente Ärzte herzustellen, widerspricht elementaren ärztlichen Grundwerten.

Die Vertraulichkeit der Patientenbeziehung ist genauso durch dieses politische Projekt bedroht wie die ärztliche Therapiefreiheit. Der derzeitige Nutzen liegt bei einigen Wenigen, bei Kontrollinteressen von Kassen und Politik und der nach neuen Märkten suchenden Industrie. Der Schaden sowie der Aufwand bleiben bei Versicherten, bei Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis und bei medizinischem Personal. Aus diesem Grund fordert der 115. Deutsche Ärztetag einen Stopp des Projektes und die Förderung längst existierender kostengünstiger dezentraler Kommunikationswege und Speichermedien in der Medizin.

Die eGK-Tests sind in allen Aspekten gescheitert. Mehrfache Versuche des "Neustarts" ziehen sich seit sechs Jahren hin, haben bisher schon Milliarden verschlungen und verdienen keine weiteren Wiederholungen.

Die Verwandlung von Arztpraxen und Klinikambulanzen in Online-Außenstellen der Kassen für das verpflichtende Versicherten Stammdatenmanagement (VSDM) in Arztpraxen und Kliniken wird von der Ärzteschaft bundesweit abgelehnt.

Das ganze eGK-Projekt behindert seit Jahren eine fortschrittliche Weiterentwicklung der Kommunikation im Gesundheitswesen. Die veraltete "Kartentechnologie" stammt aus den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts und hat sich in den Tests als wahres Hindernis
für Praktikabilität erwiesen.

Gelder in Kliniken und Praxen sollten investiert werden in moderne Datenhaltung und deren Schutz vor Ort. Des Weiteren benötigt man für die elektronische ärztliche Kommunikation verschlüsselte Mails, VPN-Leitungen und sichere dezentrale Speichermedien in der Hand des Patienten. All dies ist ebenso für einen geringen finanziellen Mitteleinsatz vorhanden wie die elektronische Signatur.

Grundsätzlich abzulehnen ist jede Form des Sammelns medizinischer Daten einer großen Anzahl von Menschen in zentralen Serverstrukturen. Dieses dient wie das ganze Projekt insgesamt nur der Kontrollfähigkeit aller medizinischen Prozesse im Sinne einer möglichst renditebringenden "Krankenbehandlung" im Interesse von Gesundheitskonzernen. Niemand kann solche Daten auf Dauer schützen.

Wiewohl den Argumenten in vieler Hinsicht beizupflichten ist dürfte die Frage sein, welche Wirkung ein solcher Beschluß haben kann (außer der Frage, ob er ernst gemeint ist). Die an den Verhandlungen beteiligte Bundesärztekammer hat daher auch bereits verlauten lassen, daß sie für den Fall, daß das Projekt weiterverfolgt wird - wovon realistischerweise auszugehen ist - wie schon in der Vergangenheit die Interessen der Ärzteschaft zu wahren - was immer das auch heißen mag, den die Ärzteschaft gibt es nicht und schon gar nicht in dieser Frage!

Bericht der Ärzte Zeitung online v. 25.05.2012: Ärztetag beschließt: E-Card ist gescheitert

Bericht der Ärzte Zeitung online v. 25.05.2012: E-Card: BÄK in der Zwickmühle

Entschließung des 115. Deutschen Ärztetages zur eGK

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + Teil XVI

Mai 2012


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AKTUELL: Nummer 7/2012

Bundesjustizministerium: Referentenentwurf für ein Patientenrechtegesetz

(Teil I)

Das Bundesjustizministerium und das Bundesgesundheitsministerium haben einen Entwurf für ein Patientenrechtegesetz vorgelegt. Es beinhaltet weitreichende Änderungen im Sinne der Stärkung der Rechte von Patientinnen. Neben mehr Transparenz (z. B. umfassende Informations- und Aufklärungpflichten der BehandlerInnen) und Mitwirkung soll die Rechtssicherheit für PatientInnen gestärkt werden. So durch weitgehende Rechte der Einsichtnahme in Patientenunterlagen, der  Beweislast der BehandlerInnen hinsictlich der Aufklärung und Einwilligung sowie der Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern (z. B. bei fehlender/unvollständiger Dokumentation oder groben Verstößen gegen Befunderhebungs- oder Befundsicherungspflichten). Überdies sind die Krankenkassen zukünftig gehalten, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen (bisher lag dies in ihrem Ermessen). In der Begründung zum Entwurf heißt es einleitend:

Im Behandlungsalltag erleben Patientinnen und Patienten (...) immer wieder Defizite. Dies reicht beispielsweise von einer Nichtbeachtung persönlicher Behandlungswünsche, zeitraubenden Bewilligungsverfahren für Leistungen durch die Krankenkassen, der Versagung des Einblicks in die ärztliche Dokumentation bis hin zu Fehlern in der Behandlung. Richtig verstandene Patientenrechte setzen nicht auf rechtliche Bevormundung, sondern orientieren sich am Leitbild der mündigen Patientin, des mündigen Patienten. Diesem Ziel trägt der Gesetzentwurf in zweierlei Weise Rechnung, nämlich zum einen durch Regelungen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Behandlungs- und Arzthaftungsrechts sowie zum anderen durch Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (Referentenentwurf BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 12)

Auch für den Bereich Psychotherapie würden sich weitreichende Änderungen ergeben, etwa im Bereich der Dokumentation und der Einsichtnahme von PatientInnen in die Unterlagen und (damit auch) der Haftung bzw. Beweislast bei Behandlungsfehlern.

Mit dem geplanten Patientenrechtegesetz ist die Einführung eines (formfreien) Behandlungsvertrages als besondere Form des Dienstvertrages im BGB (§§ 630a bis 630h) geplant. Neben den  Vertragsverhältnissen zwischen PatientInnen und ÄrztInnen soll  er auch für Vertragsverhältnisse zwischen PatientInnen und Behandelnden anderer Gesundheitsberufe (u. a. HeilpraktikerInnen, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten) gelten.

Dort (§§ 630a ff BGB) werden u. a.

geregelt. Zunächst zur Dokumentationspflicht (§ 630f BGB). Der Gesetzestext lautet:

Dokumentation der Behandlung

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt.

(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.

(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht. (Referentenentwurf BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 7)

Wirklich gravierend für PsychotherapeutInnen erscheint das in § 630g BGB neu zu regelnde Einsichtrecht in die Patientenakte:

Einsichtnahme in die Patientenakte

(1) Der Patient kann jederzeit Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte verlangen, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Die Einsichtnahme ist dem Patienten unverzüglich zu gewähren. § 811 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Patient kann Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.

(3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 seinen Erben zu, soweit sie vermögensrechtliche Interessen des Patienten geltend machen und die Einsichtnahme nicht dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widerspricht. Satz 1 gilt entsprechend für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen des Patienten geltend machen. (Referentenentwurf BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 7)

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird deutlich, daß klarer als bisher nicht nur objektive Daten (Anamnese, psychische/psychopathologische und körperliche Befunde, Diagnose), sondern auch subjektive Daten (Eindrücke, Überlegungen zur Genese, Psychodynamik - bei psychodynamischen Verfahren insbesondere die Aufzeichnungen zur Gegenübertragung bzw. Gegenübertragungsreaktionen) in das Einsichtsrecht einbezogen sind - auch wenn weiterhin ein sogenannter therapeutischer Vorbehalt besteht: Im Einzelfall kann die Einsichtnahme verweigert werden, wenn zu befürchten ist, daß dies zum Schaden der Betroffenen gereicht. Dies gilt auch, wenn die Rechte Dritte (Informationen die, Dritte, also z. B. Angehörige) berührt sind. Zu diesem Punkt heißt es wörtlich:

Das Einsichtsrecht nach Absatz 1 soll nicht grenzenlos sein. Stehen der Einsichtnahme nach Absatz 1 Satz 1 etwa erhebliche therapeutische Gründe entgegen, kann bzw. muss der Behandelnde die Einsichtnahme partiell oder gar vollständig verweigern können. In diesen besonderen Einzelfällen ist es erforderlich, dass die zu berücksichtigenden Belange sorgfältig ermittelt und auf konkrete und substantiierte Anhaltspunkte gestützt werden können. Ziel dieser Einschränkung ist der Schutz des Patienten vor Informationen über seine Person, die ihm erheblich schaden könnten. Dies dürfte insbesondere für die Bereiche der Psychiatrie und der Psychotherapie relevant sein, bei denen die uneingeschränkte Einsichtnahme in die Dokumentation mit der Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung des Patienten verbunden sein kann. Ist der Gesundheitszustand des Patienten allerdings stabil und ist mit der Einsichtnahme in die Dokumentation keine erhebliche gesundheitliche Schädigung des Patienten zu befürchten, darf der Behandelnde die Einsichtnahme nicht verwehren. Insoweit ist dem mündigen Patienten das Recht zuzugestehen, eigenverantwortlich über die Frage entscheiden zu dürfen, wie viel er wissen möchte und wo die Grenzen seines Informationsbedürfnisses erreicht sind. Es ist nicht die Aufgabe des Behandelnden, diese Frage an Stelle des Patienten zu entscheiden und diesen im Ergebnis zu bevormunden. Hat ein Arzt die Behandlung durchgeführt und besteht die begründete Gefahr, dass die unmittelbare Einsicht dem Patienten einen unverhältnismäßigen Nachteil an der Gesundheit zufügen könnte, kann die Vermittlung der Einsichtnahme durch einen Arzt sinnvoll sein.

Die Grenze des Einsichtsrechts ist weiterhin erreicht, soweit in die Aufzeichnungen Informationen über die Persönlichkeit des Behandelnden oder dritter Personen eingeflossen sind, die ihrerseits schutzwürdig sind (Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage 2009, IX B Rz 59). Weder die Persönlichkeitsrechte Behandelnder noch die Rechte Dritter dürfen verletzt werden. Gleichwohl muss aber auch insoweit das Persönlichkeitsrecht des Patienten Beachtung finden und insbesondere gegenüber dem Interesse des Behandelnden an der Geheimhaltung seiner internen persönlichen Äußerungen abgewogen werden. Im Zweifel erscheint der Behandelnde nicht in dem Umfang schutzwürdig, wie es der Patient ist. Schließlich können Niederschriften über persönliche Eindrücke oder subjektive Wahrnehmungen des Behandelnden betreffend die Person des Patienten letzteren in seinen Persönlichkeitsrechten berühren und sollten dem Patienten daher grundsätzlich offengelegt werden. Möchte es der Behandelnde vermeiden, dass sich der Patient über die persönlichen Eindrücke des Behandelnden informieren kann, so bleibt es Behandelnden unbenommen, solche Aufzeichnungen vollständig zu unterlassen. Ein begründetes Interesse des Behandelnden an der Nichtoffenbarung seiner Aufzeichnungen ist, im Vergleich zu dem Persönlichkeitsrecht des Patienten, im Regelfall nicht gegeben. (Referentenentwurf BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 7)

Anmerkung: Diese Ausführungen sind ungeachtet des sicherlich begrüßenswerten Anliegens (Stärkung der Grundrechte der PatientInnen) im Bereich der Psychotherapie auch problematisch. In der Praxis hieße es, daß PatientInnen nach und auch während der laufenden Behandlung Einsicht in alle sie (ausschließlich) betreffenden Aufzeichnungen nehmen könnten. Gerade in psychoanalytischen begründeten Verfahren wäre dies mit einer Behandlung lege artis kaum zu vereinbaren. Natürlich steht auch hier den Betroffenen grundsätzlich ein Einsichtsrecht zu. Das Wissen um sämtliche Daten (Gegenübertragungsreaktionen, Überlegungen zur Psychodynamik bzw. unbewußten Zusammenhängen) würde aber genau jenen geschützten und freien (Phantasie-) Raum beschädigen, der für den Erfolg der Therapie unabdingbar ist. Auch der Ratschlag auf solche (subjektiven) Aufzeichnungen zu verzichten hilft nicht weiter, da gerade sie in der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie konstituive Bedeutung haben - schon im Bericht an den GutachterInnen sind sie wesentlicher Bestandteil der Darstellung und Begründung der geplanten Behandlung. Im Fall eines Haftungsprozesse wäre überdies zu befürchten, daß dann auch der Vorwurf unvollständiger Aufzeichnungen erhoben werden könnte, da solche Therapien ohne die (dokumentierte) Reflexion unbewußter Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse nicht dem state of the art entsprächen. Ich würde allen KollegInnen deshalb empfehlen, PatientInnen über die Risiken einer solchen Einsichtnahme zu informieren. Nach meiner Erfahrung fühlen sich die Betroffenen bereits dann ernst genommen, wenn eine Bereitschaft besteht, mit Ihnen über Vor- und Nachteile der Einsichtnahme zu sprechen. In diesen Fällen kommt es nur selten zur Forderung der Einsichtnahme. In schwierigen Fällen (therapeutische Krisen, Therapieabbruch, Verdacht schwerer Behandlungsfehler und/oder Grenzüberschreitungen) ist die Sachlage möglicherweise anders.

Zur Frage der Kosten: Nach dem Gesetzestext haben die PatientInnen die Kosten für Abschriften zu tragen (nach der Rechtssprechung sind für gefertigte Kopien max. 50 Cent pro Seite ansetzbar, zzgl. der Portokosten für den Versand; vgl. AKTUELL: Nummer 40/2011). Allerdings könnten PatientInnen diesen Passus umgehen, indem sie sich auf den Auskunftsanspruch aus dem Behandlungsvertrag i. V. m. § 34 (Abs. 8, Satz 1) des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dbeziehen. Siehe dazu: AKTUELL: Nummer 17/2011

Zur Einwilligungsfähigkeit minderjähriger PatientInnen folgende Anmerkung: Der Gesetzestext hinkt hier der Rechtsprechung hinterher. Genauere Ausführungen siehe unter: AKTUELL: Nummer 36/2011.

Ergänzung 1 (5.05.2012): Der bvvp hat in seinem (nur für Mitglieder) zugänglichen Newsletter (4/2012 v. 17.04.2012: 5-11) eine ausführliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf vorgelegt. Zur Frage persönlicher Aufzeichnung widerspricht er der Empfehlung, diese vollständig zu unterlassen (siehe oben) und argumentiert in ähnlicher Weise, wie ich das tue. Zudem weist er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit eines informationellen Selbstbestimmungsrechtes der PsychotherapeutInnen hin und spricht sich für eine Ausnahmeregelung (9 oben). Hinsichtlich der Einsichtnahme (§ 630g) sieht der bvvp einen Regelungsbedarf für minderjährige PatientInnen. Dies ist völlig richtig - Jugendliche müssen ihre Angelegenheiten selbst regeln können, wenn sie vor ihrem Entwicklungstand dazu in der Lage sind. Das gilt für die Einwilligung in die Behandlung ebenso wie für die Einsicht in die Behandlungsunterlagen. Die Einsichtnahme durch Erziehungsberechtigte darf dann nur mit Einwilligung der Jugendlichen erfolgen. Das entspricht der derzeitigen Gesetzeslage sollte aber eigens im Patientenrechtegesetz Erwähnung finden. Der bvvp weist dann auf ein weiteres wichtiges Problem hin (9f): Handelt es sich bei PatientInnen um Kinder, könnten die Eltern in Sorgerechtsstreitigkeiten Einsicht in die Behandlungsunterlagen nehmen bzw. diese als Beweismittel in Familiensachen anführen, was das Vertrauensverhältnis in weitreichender Weise gefährden würde. Insofern spricht sich der bvvp für einen ergänzenden Passus aus, der den BehandlerInnen "erlaubt, das Einsichtsrecht von Personensorgeberechtigten zum Schutz des minderjährigen Patienten einzuschränken bzw. zu verweigern" (10 oben). Zur Haftung (Beweislastumkehr) in § 630h plädiert der bvvp bei Berufsanfängern für die Haftung der aus- und weiterbildungsberechtigten bzw. -verpflichteten Kliniken, Institutionen, Ausbildungsinstitute und SupervisorInnen. Neben diesem sehr berechtigten Hinweis stellt der bvvp die (aus meiner Sicht) überaus wichtige Forderung die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und den Standard der GKV im Rahmen des Beantragungs- und Bewilligungsverfahrens auch auf den Bereich der PKV zu übertragen (11 oben).

Ergänzung 2 (17.05.2012): Die DGPT ( Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) hat in ihrem Rundschreiben (Ausgabe 01/2012) speziell zur Dokumentation (630f) und zur Einsichtnahme (630g) genommen. In einem Schreiben über die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) verweisen der Vorsitzende (Dr. B. Janta) und die Justitiarin (B. Lochner) auf die Problematik der im Gesetzentwurf nicht mehr vorgenommenen Unterscheidung zwischen (bei der Einsichtnahme schwärzbaren) subjektiven und objektiven Daten, was dazu führen könnte "dass die Patienten die vom Therapeuten festgehaltenen eigenen Reaktionen, Emotionen oder daraus abgeleiteten Hypothesen bei Akteneinsicht missverstehen, Irritationen oder im ungünstigsten Falle auch Schaden erleiden" (MR 01/2012: 23). Sie schlagen deshalb vor, im Gesetzestext darauf hinzuweisen, daß "als solche gekennzeichneten subjektive Aufzeichnungen nicht zur Dokumentation im Sinne des Gesetzes gehören, also nicht dem Einsichtsrecht der Patienten unterliegen, andererseits aber für das Verstehen der therapeutischen Prozesse dem Therapeuten zur Verfügung stehen (ebd.). Weiter wird angeregt, § 630g (Einsichtnahme in die Patientenakte) um einen Zusatz in Abs. 1 zu ergänzen  "Der Patient kann jederzeit Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte verlangen, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Bedenken, die Rechte der Behandelnden oder die Rechte Dritter entgegenstehen". Dies ergebe sich aus der Tatsache, daß die subjektiven Eindrücke des Behandelnden nicht immer (wie in der Gesetzesbegründung dargelegt) weniger schutzbedürftig seien, als die Persönlichkeitsrechte der Patienten. Daher sollte auch die entsprechende Passage im Referentenentwurf (Seite 33) gestrichen werden. Anmerkung: Den klaren Ausführungen der DGPT ist nichts hinzuzufügen!

Ergänzung 3 (30.05.2012): Nun mehr liegt auch der Bericht des BPtK-Vorstandes auf dem 20. Deutschen Psychotherapeutentag (12. Mai 2012) vor. Andrea Mrazek, (Vorstandsmitglied der BPtK) informierte über den Stand der Beratungen. Kritisch wird gesehen, daß der Entwurf hinsichtlich möglicher Einschränkungen von Patientenrechten ausschließlich das Beispiel psychischer Erkrankungen anführt: "Damit werde der Eindruck erweckt, dass man die Rechte psychisch kranker Menschen einfacher einschränken könne als die Rechte körperlich kranker Menschen." Zwar unterstützt die BPtK grundsätzlich die Möglichkeit entsprechender Einschränkungen im Einzelfall, so z. B. ein beschränktes Einsichtsrecht in die Patientenakte aus erheblichen therapeutischen Gründen. Diese dürften sich aber nicht auf die Gruppe psychisch kranker Menschen beschränken, sondern müßten alle PatientInnen umfassen: "In beiden Fällen könne es besonders belastende Situationen geben, die eine Einschränkung bestimmter Patientenrechte notwendig mache."
Handlungsbedarf sieht die BPtK  auch bei den Rechten minderjähriger Patienten, die gestärkt werden müßten: "Der Entwurf regele bisher nicht die Behandlung Minderjähriger, obwohl der Entwurf den Anspruch habe, die wesentliche Rechtsprechung zu kodifizieren. Die BPtK werde darauf drängen, dass die Einsichtnahme durch Sorgeberechtigte in zwei Fällen verweigert werden könne: zum einen, wenn Konflikte zwischen dem Patienten und seinen Sorgeberechtigten zentraler Gegenstand der Behandlung sind und zum anderen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einsichtnahme zu dem Zweck erfolgt, sich Informationen für eine Auseinandersetzung zwischen den Sorgeberechtigten zu beschaffen, z. B. mit Blick auf einen Sorgerechtsprozess. Die BPtK habe angeregt, dass ein Ergänzungspfleger das Recht des Minderjährigen wahrnehmen solle, wenn der Minderjährige nicht einwilligungsfähig sei." (Zitate aus der Webseite www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/20-deutsche-1.html,  heruntergeladen am 30.05.12)

Bericht vom 20. Deutscher Psychotherapeutentag am 12.05.12: Psychotherapie stärken – ambulant und stationär (29.05.2012)

Mitgliederrundschreiben 01/2012 der DGPT ( Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.): Referentenentwurf zum Patientenrechtsgesetz liegt vor (22-23)

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)

Bundespsychotherapeutenkammer: Übersicht über politische Initiativen zu Patientenrechten (vor allem Referentenentwurf Patientenrechtegesetz) vom 26.01.2012

April 2012


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AKTUELL: Nummer 6/2012

Versorgungsstrukturgesetz: Versichertendaten werden umfassend zur Versorgungsforschung ausgewertet

Im Rahmen des Versorgungsstruktur-Gesetz hat der Gesetzgeber § 303a ff SGB V umfassend geändert. Demnach werden künftig (ohne direkte Beteiligung der Selbstverwaltung) ausgewählte Daten aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) ausgewertet und für die Versorgungsforschung, Qualitätssicherung und zur Ermittlung von Patientengruppen mit besonderem Versorgungsbedarf genutzt. Nicht betroffen sind Abrechnungs- und Leistungsdaten der Krankenkassen. Allerdings sind (auch) die ausgewerteten Daten des Morbi-RSA patientenbezogen und müssen pseudonymisiert werden.

Für die Verfahrensabläufe wird eine Arbeitsgemeinschaft zuständig sein, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den (damaligen) Spitzenverbänden der Kassen gebildet wird (festgelegt im Gesundheitsmodernisierungs-Gesetz GMG 2004).

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu:

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz werden die Regelungen zur Datentransparenz (§§ 303a ff SGB V) neu konzipiert. Damit wird nun auch die Datengrundlage für die Versorgungsforschung verbessert. Künftig können die Daten aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) auch zu Zwecken der Versorgungsforschung und der Weiterentwicklung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden. Diese Daten enthalten Angaben zum Gesundheitsstand der Versicherten. Sie werden von einer Datenaufbereitungsstelle pseudonymisiert gespeichert und aufbereitet. Zugriff auf die Daten erhalten neben den Partnern der Selbstverwaltung und den Leistungserbringerorganisationen zum Beispiel auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das Institut des Bewertungsausschusses und der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten.

Diese Daten sind deshalb so wertvoll, weil die Versorgungsforschung auf ihrer Grundlage Analysen vornehmen kann, die bei Entscheidungsprozessen über die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland helfen.

Anmerkung: Aktuelle Daten zur Versorgungsforschung sind tatsächlich dringend erforderlich - gerade auch im Bereich der Psychotherapie. Ich habe dennoch ein ungutes Gefühl angesichts der Sensibilität der ausgewerteten Daten: Es wird immer unüberschaubarer, wer mit welchen Daten was macht.

Ärzte Zeitung (online) v. 30.03.2012: Staat will den Datenschatz in der GKV heben

Bundesgesundheitsministerium-BMG: Glossar zum Versorgungsstrukturgesetz (Suchhinweis: Geben Sie in Ihrem Browser 303 ein, dann sind Sie sofort an der richtigen Textstelle.)

März 2012


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AKTUELL: Nummer 5/2012

Notwendigkeit der Einwilligung von PatientInnen bei Abtretung der Forderung aus einer Arztrechnung an ein Abrechnungsunternehmen und weiter an eine Bank (AG Mannheim Urteil vom 21.09.2011; 10 C 102/11)

Mit Zustimmung der u. a. auf Heilberuferecht spezialisierten Kanzlei Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte zitiere ich den nachfolgenden Text:

In seinem Urteil vom 21.09.2011 (10 C 102/11) befasst sich das Amtsgericht (AG) Mannheim mit der Frage, ob sich bei der Abtretung der Forderung aus einer Arztrechnung an ein Abrechnungsunternehmen die Einwilligung des Patienten zu der Weitergabe seiner Daten auch darauf beziehen muss, dass bei einer weiteren Abtretung der Forderung die Patientenunterlagen an eine Bank übermittelt werden.

Der Fall:

In dem konkreten Fall wurde die Zahlung zahnärztlicher Behandlungskosten von einem Abrechnungsunternehmen bei einem Patienten eingefordert. Der Patient wandte gegen die Honorarforderung ein, dass sein Vertragspartner der behandelnde Zahnarzt gewesen sei. Das Abrechnungsunternehmen sei nicht befugt die Forderung geltend zu machen, da die Abtretung unwirksam gewesen sei (keine Einwilligung zur Weitergabe der Daten an ein refinanzierendes Bankinstitut). Zudem machte der Patient geltend, dass die Behandlung z. T. nicht lege artis durchgeführt worden sei, wobei auch einige Leistungen nicht erbracht worden seien.

Die Entscheidung:

Das AG Mannheim gab dem Patienten Recht und wies die Klage des Abrechnungsunternehmens ab. Die verwendete Abtretungserklärung sei gemäß 134 BGB unwirksam, da der Zahnarzt mit der Abtretung gegen das Gebot der ärztlichen Verschwiegenheit gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstoßen habe, weil der Patient ihn nicht wirksam von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit habe.

Unterrichtung über Einschaltung Dritter

Ein wirksames Einverständnis setze voraus, dass der Patient eine im Wesentlichen zutreffenden Vorstellung davon habe, worin er einwilligt, um die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken. Er müsse deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Person von seiner Schweigepflicht entbinde. Der Patient müsse über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein, wobei es für den Patienten in der Regel einen Unterschied ausmache, ob externe und durch den Arzt nicht kontrollierbare Dritte eingeschaltet würden. In Bezug auf den konkreten Fall weist das AG Mannheim dabei darauf hin, dass es für den Patienten eindeutig und zweifelsfrei ersichtlich sein müsse, dass der refinanzierenden Bank sämtliche zur Erstellung der Abrechnung erforderlichen Behandlungsdaten vom behandelnden Arzt zu überlassen werden.

Ausdrückliche Entbindung erforderlich

In Bezug auf das konkret verwendete Abtretungsformular sah das AG Mannheim die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung des Patienten nicht erfüllt. Hinsichtlich der Abtretung an die refinanzierende Bank habe es nicht nur an einer entsprechenden ausdrücklichen Entbindungserklärung gefehlt. Vielmehr sei für den Patienten gerade nicht ersichtlich, dass die sensiblen Patientendaten und -unterlagen zum Zwecke der Forderungsbeitreibung auch an die refinanzierende Bank weitergegeben werden könnten. Der Vertrauensschutz hinsichtlich der sensiblen Patientendaten sei von überragender Bedeutung.

Information der Kanzlei Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte: AG Mannheim: Kein ärztlicher Honoraranspruch bei fehlerhafter Abtretung?

Urteil AG Mannheim Urteil vom 21.09.2011; 10 C 102/11

März 2012


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AKTUELL: Nummer 4/2012

PsychotherapeutInnen im Strafvollzug zwischen Schweigepflicht und Offenbarungspflicht (Hessen)

Im Dezember letzten Jahres hat die PTK Hessen (Ausschuß Beschwerde und Schlichtung) ein zweites interdisziplinäres Kammergespräch zwischen JuristInnen und PsychotherapeutInnen veranstaltet. Im Fokus stand das Spannungsverhältnis zwischen einer auf Vertraulichkeit basierenden therapeutischen Beziehung (und die dadurch geschützten Persönlichkeitsrechte der Strafgefangenen) einerseits und den Offenbarungspflichten, wie sie sich aus dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) und dem seit 2010 bestehenden Hessischen Vollzugsgesetz (Hess.StVollzG) ergeben, andererseits. Auch die im Strafvollzugsgesetz verankerten Unterschied bei der Schweigepflicht von ÄrztInnen und PsychologInnen, sowie die Gefahr einer Rollenkonfusion (gutachterliche und psychotherapeutische Tätigkeiten) waren ein Thema des Fachgespräches.

www.ptk-hessen.de (unter PRESSE & STELLUNGNAHMEN/Berichte zu Veranstaltungen 7.12.2011)

Bericht zur Veranstaltung der PTK Hessen am 7.12.2011: Juristisches Fachgespräch: Psychotherapeuten zwischen Schweigepflicht und Offenbarungspflicht (pdf-Dokument)

März 2012


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AKTUELL: Nummer 3/2012

Bundesverfassungsgericht erklärt die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten für teilweise verfassungswidrig und beschränkt die Zugriffsmöglichkeiten von Ermittlungsbehörden auf Telekommunikationsdaten ein.

In einer aktuellen Entscheidung (24.02.12) hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis der Abfrage von dynamischen IP-Adressen (die privaten Nutzern im Internet zugewiesen werden), Passwörtern und PIN-oder Puk-Codes durch Ermittlungsbehörden als verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, bis Mitte 2013 die gesetzliche Vorgaben zur Regelung des staatlichen Zugriffs auf sensible Nutzerdaten zu erhöhen. Als nicht verfassungswidrig sieht das Gericht hingegen die automatisierte Speicherung und Weitergabe von Rufnummern - auf dem Hintergrund ihrer "begrenzten Aussagekraft" und Bedeutung für die Strafverfolgung bzw. die Gewährleistung von Sicherheit - an. Nach Angaben der Bundesregierung wurden alleine 2006 etwa 26 Millionen automatisierte Anfragen von etwa 100 Behörden bei 120 Telekommunikationsunternehmen abgefragt!

Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) hat das vielgelobte Urteil (u. a. vom Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und der Justizministerin Leuthäuser-Schnarrenberger) heftig - und meines Erachtens völlig zu Recht - kritisiert. In einem Kommentar (24.02.2012) schreibt er:

Keine große Entscheidung

Mit den großen Entscheidungen der vergangenen Jahre, in denen das Gericht ein Sicherheitsgesetz nach dem anderen zerlegte, hat das wenig zu tun. Es besteht die Gefahr, dass aus der informationellen Selbstbestimmung eine informationelle Fremdbestimmung wird, weil sich die Behörden aus dem Teledaten-Vorrat nach Belieben bedienen können.

Gut, der Zugriff auf Passwörter und PIN-Codes wurde ein wenig erschwert. Aber es ist hier so, als genierten sich die Richter auch dafür noch. Sie verstecken die neuen Anforderungen hinter folgender beschwichtigend-unverständlichen Formulierung: Die Auskunftserteilung sei hier "an diejenigen Voraussetzungen zu binden, die bezogen auf den in der Abfragesituation damit konkret erstrebten Sicherungszweck zu erfüllen sind". Wie bitte?

Wenn Karlsruhe will, dass künftig auf Codes und elektronische Postfächer nur mit einer richterlichen Anordnung zugegriffen werden kann, dann möge es dies klar und verständlich sagen. Offenbar hat das Gericht zum 60. Jubiläum eine Entscheidungs-Verschlüsselungs-Anlage geschenkt bekommen.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 24.1.2012, (1 BvR 1299/05)

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts 13/2012 vom 24. Februar 2012

Prantl, Heribert: Der Lorbeer welkt, die Richter sind matt. Süddeutsche Zeitung v. 25./26. Februar 2012: 4; online: www.sueddeutsche.de (Karlsruher Urteil zu Nutzerdaten. Nur ab und zu ein wackliges Stoppschild. Ein Kommentar von Heribert Prantl: 24.02.2012)

Februar 2012


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AKTUELL: Nummer 2/2012

Vertrauensstelle kann fristgerecht mit der Pseudonymisierung von Patientendaten beginnen

Der Gemeinsame Bundesausschuß (G-BA) berichtet in einer Pressemeldung vom 16.2.2012 über Fortschritte bei dem Aufbau der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. Dabei spielen auch Fragen des Datenschutzes eine bedeutsame Rolle - weshalb ich die Presseerklärung hier zitiere:

Berlin, 16. Februar 2012 – Beim Aufbau der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ist ein weiterer wichtiger Schritt fristgerecht erfolgt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat mit heutigem Beschluss die korrekte Umsetzung der Funktion der Pseudonymisierung, die die hierfür eingerichtete Vertrauensstelle wahrnehmen soll, nach eingehender Prüfung bestätigt und die Leistung abgenommen. Voraussichtlich ab April 2012 werden dann erste Daten aus den Bereichen Geburtshilfe, Neonatologie sowie Erst- und Reimplantation von Endoprothesen verarbeitet werden. Auf die Website der Vertrauensstelle www.vertrauensstelle-gba.de wird ab sofort auch von der G-BA-Website aus verlinkt.

Im September 2011 hatten Vertreter des G-BA und der Firma SCHÜTZE Consulting Informationssysteme GmbH (SCI) einen Vertrag über die Errichtung einer unabhängigen Vertrauensstelle für die Pseudonymisierung von Patientendaten unterzeichnet.

Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung wird Längsschnittbetrachtungen von medizinischer Behandlungsqualität im ambulanten und klinischen Bereich ermöglichen. Unter Nutzung eines Pseudonyms werden verschiedene Datensätze derselben Patienten aus unterschiedlichen Behandlungsorten, Sektoren und Behandlungszeiten zusammengeführt.

Für die Datenerhebung bei der Qualitätssicherung besteht die gesetzliche Pflicht zur Pseudonymisierung sämtlicher Daten, anhand derer Patientinnen und Patienten identifiziert werden könnten (§ 299 SGB V). Die Daten werden von der Vertrauensstelle zunächst pseudonymisiert und nach Weiterleitung des Pseudonyms an die Bundesauswertungsstelle gelöscht. Eine Reidentifikation von Patientinnen und Patienten ist ausgeschlossen. Das Verfahren entspricht den Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und wurde mit diesem abgestimmt.

Seit dem 1. Juli 2008 hat der G-BA den gesetzlichen Auftrag (§ 137 und § 137a SGB V), einrichtungsübergreifende, an der Ergebnisqualität ausgerichtete Maßnahmen zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung zu beschließen.

Pressemitteilung des Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) vom 16.02.2012: Vertrauensstelle kann fristgerecht mit der Pseudonymisierung von Patientendaten beginnen

Februar 2012


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AKTUELL: Nummer 1/2012

Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) & Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) : Die Einschränkung der Schweigepflicht von ÄrztInnen bei Gefährdung des Kindeswohls und ihre Tücken

(Teil VI)

Im Deutschen Ärzteblatt (19.01.2012) hat der Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht Dr. Ingo Pflugmacher zur der seit 1. Januar in Kraft getretenen Änderung der Rechtslage im Bereich des Kinderschutzes Stellung genommen. Diese beinhaltet u. a. eine (von mir andernorts - siehe Archiv - kritisierte) Lockerung der Schweigepflicht von ÄrztInnen, die Kinder und Jugendliche behandeln. Wegen der Bedeutung der gesetzlichen Vorgaben für die ärztliche Praxis und die Schweigepflicht zitiere ich den Beitrag nachfolgend fast vollständig:

Ist das Kindeswohl gefährdet, darf die Schweigepflicht aufgehoben werden

In dem Gesetz wird die ärztliche Schweigepflicht partiell aufgehoben, wenn der Schutz des Kindes dies erfordert. Ergeben sich für Ärzte bei der Behandlung von Kindern oder Jugendlichen Anhaltspunkte dafür, dass das Wohl ihres Patienten gefährdet sein könnte, dann sollen sie mit ihm und den sogenannten Personensorge berechtigten, also meist den Eltern, die Situation besprechen.

Soweit erforderlich, sollen sie bei diesen darauf hinwirken, Hilfen in Anspruch zu nehmen - wenn dadurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

Aufgrund dieser Regelungen können Ärzte also mit den Eltern Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung sowohl durch einen Elternteil als auch durch Dritte erörtern, ohne gegen die Schweigepflicht zu verstoßen. Voraussetzung sind "gewichtige Anhaltspunkte" für die Gefährdung des Kindeswohls.

Das ist im Gesetz so unbestimmt ausgedrückt, dass es einen erheblichen Einschätzungsspielraum eröffnet. Es sind nur die Grenzen grob konturiert.

So müssen nur Anhaltspunkte vorliegen, ein Arzt muss also nicht die konkrete Kenntnis von Misshandlungen oder Ähnlichem haben, es muss noch nicht einmal ein dringender Verdacht vorliegen. Die Anhaltspunkte müssen allerdings gewichtig sein.

Ärzte haben zur Einschätzung der Lage einen Beratungsanspruch

Dies bedeutet aber nicht, dass Hinweise auf schwere Kindeswohlgefährdungen vorliegen müssen, da das Gesetz jegliche Gefährdung verhindern will. Die Anhaltspunkte sollten aber bereits in einer Weise valide und konkret sein, dass eine Kindeswohlgefährdung nicht als ganz fernliegend erscheint.

Da diese Einschätzung im Einzelfall sehr schwierig sein kann und der Gesetzgeber dies erkannt hat, haben Ärzte einen Beratungsanspruch.

Sie können zur Einschätzung der Lage, also der möglichen Gefährdung des Kindes, beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Beratung durch eine erfahrene Fachkraft verlangen. Dies schreibt das Gesetz ausdrücklich vor.

Die Kindesdaten sind hierbei zu pseudonymisieren. Ärzte sollten darauf achten, dass ein konkreter Personenbezug tatsächlich nicht mehr besteht. Es sollte also nicht nur der Nachname des Kindes auf den Anfangsbuchstaben verkürzt werden.

Besser ist es, den Namen vollständig zu ersetzen und gegebenenfalls auch ein Pseudonym für Schule oder Stadtteil aufzunehmen, wenn dies eine realistische Einschätzung der Gefährdungslage nicht erschwert.

Unterlassen: Arzt kann wegen fahrlässiger Körperverletzung belangt werden

Ärzte sind also verpflichtet, bei gewichtigen Anhaltspunkten mit dem Kind und den Sorgeberechtigten die Situation zu erörtern - außer, wenn gerade dadurch das Kind möglicherweise gefährdet werden könnte. Auch zu diesem Aspekt kann die Beratung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Anspruch genommen werden. Ärzte sollten dieses Recht auch wahrnehmen.

Denn wenn es am Ende tatsächlich zu einer Kindesmisshandlung kommt, dann könnte beim Verstoß gegen die Pflicht zur Information der Sorgeberechtigten die Frage aufkommen, ob die Kindesmisshandlung bei pflichtgemäßem Verhalten hätte verhindert werden können. Würde dies bejaht, so könnte der Arzt eventuell wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen belangt werden.

Schließlich regelt das Gesetz in einem dritten Schritt das Recht der Ärzte, das Jugendamt mit Namensnennung des Kindes zu informieren. Wenn nämlich die Gefahr fürs Kind durch die Erörterung der Situation mit Kind und Sorgeberechtigten nicht abgewendet werden kann oder erfolglos blieb und der Arzt es für erforderlich hält, dass das Jugendamt tätig wird, darf er das Amt informieren.

Der Gesetzgeber hat dieses Informationsrecht allerdings mit einem für Ärzte schwierigen Vorbehalt verbunden. Die Betroffenen, also Kind und Sorgeberechtigte, sind vorab darauf hinzuweisen, dass die Befugnis besteht, das Jugendamt zu informieren.

Hinweispflicht nur dann, wenn Mitteilung für Kind nicht nachteilig

Diese Hinweispflicht entfällt nur dann, wenn durch den Hinweis der wirksame Schutz des Kindes infrage gestellt würde. Der Arzt muss also einschätzen, ob die Mitteilung des Informationsrechtes für das Kind nachteilig sein könnte.

Eine solche Einschätzung wird häufig sehr schwierig sein, da in der Regel eben nur Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen, der Arzt aber nicht die gesamte komplexe Situation der Familie und des Verhaltens ihrer Mitglieder kennt.

Unterlässt der Arzt den Hinweis auf sein Informationsrecht, so ist auch in Zukunft nicht ausgeschlossen, dass er sich bei dennoch erfolgender Information wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar macht.

Es empfiehlt sich deshalb, pseudonymisiert zunächst vom Träger der Jugendhilfe eine Beratung dazu zu verlangen, ob der Hinweis auf das Recht zur Information des Jugendamtes den wirksamen Schutz des Kindes in Frage stellen könnte.

Wenn diese Beratung nicht schriftlich erfolgt, sollte der Arzt in jedem Fall das Beratungsergebnis protokollieren und von der beratenden Fachkraft der Jugendhilfe gegenzeichnen lassen.

Ärzte Zeitung (online) v. 19.01.2012: Gastbeitrag von Pflugmacher, Ingo: Kinderschutz: Wann Ärzte reden dürfen. Ärzte sind seit Anfang des Jahres rechtlich dazu verpflichtet, notfalls pseudonymisiert, Anhaltspunkte für ein gefährdetes Kindeswohl anzuzeigen. Das steht im Bundeskinderschutzgesetz. In der Praxis kann das durchaus zu einer Gratwanderung werden.

Bundeskinderschutzgesetz (über www.buzer.de): Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG)

Archiv Kinderschutz: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V

Januar 2012


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2012


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AKTUELL: Nummer 40/2011

Rechtsfragen aus dem Praxisalltag: Die KV Thüringen gibt Auskunft über das Einsichtsrecht von PatientInnen in die Behandlungsunterlagen (Rundschreiben 11/2011)

Im Rundschreiben 11/2011 (24.11.11) der KV Thüringen gibt die Rechtsabteilung in der Rubrik "Alles was Recht ist" Antworten auf Fragen aus dem Praxisalltag - in diesem Fall zur Einsichtnahme von PatientInnen in ihre Unterlagen:

Frage 1

 

Hat der Patient einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe seiner Patientenunterlagen?

 

 

Ja, der Patient kann verlangen, seine Patientenakte einzusehen. Darüber hinaus können dem Patienten die Unterlagen auch in Kopie ausgehändigt werden.

Frage 2

 

Hat der Patient einen Anspruch auf Zusendung von Behandlungsunterlagen in Kopie?

 

 

Nein, einen Anspruch hierauf besitzt der Patient nicht. Mit dem Patienten kann aber die Zusendung gegen Erstattung des Portos vereinbart werden. In diesem Fall ist jedoch die Kenntnisnahme dieser Unterlagen durch unbefugte Dritte auszuschließen. Für das Anfertigen der Kopien wird eine Kostenpauschale von 50 Cent pro DIN A4-Seite empfohlen.

Frage 3

 

Kann ein Patient – der die Herausgabe von Patientenunterlagen verlangt – fordern, dass der Arzt die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Unterlagen bestätigt?

 

 

Nein. Hierauf hat der Patient keinen Anspruch (Amtsgericht Waiblingen, Beschluss vom 27.04.2011, Az.: 7 C 286/11).

Die Ärztezeitung (online) berichtet in einem Beitrag vom 30.11.2011 von dem Rundschreiben der Rechtsabteilung der KV Thüringen und führt ein weiteres Urteil des Landgerichts München (Az.: 9 O 5324/08 v. 19.11.2008) an, das die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Herausgabe kopierter Behandlungsunterlagen vor der Bezahlung der nicht unangemessenen Kopierkosten (in diesem Fall 50 Cent pro Seite bei insgesamt 318 Seiten = 159 Euro) bestätigt hat.

Urteil Landgericht München I (Az.: 9 O 5324/08 v. 19.11.2008)

Rundschreiben 11/2011 der KV Thüringen: Alles was Recht ist. Antworten der Rechtsabteilung auf Ihre Fragen aus dem Praxisalltag (Seite 5)

Ärzte Zeitung (online) v. 30.11.2011: Patienten haben Recht auf Einsicht ihrer Praxis-Akte

Dezember 2011


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AKTUELL: Nummer 39/2011

Bundesgerichtshof: Selbstgespräche gehören unter bestimmten Voraussetzungen zum Kernbereich der Privatsphäre und dürfen daher vor Gericht nicht verwertet werden (Az: 2 stR 509/10)

Der BGH (2. Strafsenat) hat am 22.11.2012 ein Urteil (Revision der drei Angeklagten) gefällt, das erst auf den zweiten Blick und speziell für PsychoanalytikerInnen von gewisser Bedeutung ist. Das als Mordgeständnis gewertete Selbstgespräch eines (nicht rechtskräftig) verurteilten Mörders hätte in der Vorinstanz (Landgericht Köln - Az.: 90 Js 196/07 105 – 19/08) nicht verwertet werden dürfen. Der BGH sah in den in der Privatwohnung von der Polizei abgehörten Worten das laute Denken einer Person, die sich alleine und dabei unbelauscht fühlt:

Der Grundsatz, dass 'die Gedanken frei' und dem staatlichen Zugriff nicht zugänglich sind, beschränkt sich nicht allein auf innere Denkvorgänge, sondern erfasst auch ein in – unbewussten oder bewussten, unwillkürlich oder willkürlich geführten – Selbstgesprächen formuliertes Aussprechen von Gedanken, bei welchem sich die Person als 'allein mit sich selbst' empfindet. (Pressemitteilung  206/2011 v. 22.12.2011)

Nach Ansicht des des 2. Strafsenats ergibt sich das Beweiserhebungsverbot unmittelbar aus der Verfassung (hier: Menschenwürde):

Denn mit der heimlichen Aufzeichnung und Verwertung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs war ein Eingriff in den nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit verbunden. (ebd.)

Allerdings ist nicht jedes Selbstgespräch dem "absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen" und damit vor staatlichen Eingriffen geschützt:

Andererseits muss nach den Grundätzen des Schutzes der Menschenwürde und der Freiheit der Person ein Kernbereich privater Lebensgestaltung und Lebensäußerung verbleiben, in welchen der Staat auch zur Aufklärung schwerer Straftaten nicht eingreifen darf. (ebd.)

Der BGH listet in der Pressemitteilung (das Urteil liegt in der gedruckten Fassung noch nicht vor) wichtige Kriterien für die Entscheidung auf, inwieweit "Äußerungen in Selbstgesprächen diesem innersten, unantastbaren Bereich der Persönlichkeit zuzuordnen sind (...) namentlich":

Im Unterschied zu Tagebüchern besteht das Charakteristikum "des in Selbstgesprächen gesprochenen Worts ohne kommunikativen Bezug" in dessen "Flüchtigkeit und Bruchstückhaftigkeit". Selbstgespräche dieser Art unterliegen nicht nur im nach Art. 13 GG geschützten Bereich der Wohnung dem Beweisverwertungsverbot:

Auch außerhalb der Wohnung ist dieser Kernbereich (...) absolut geschützt, wenn andere der genannten Gesichtspunkte in der Wertung überwiegen. (ebd.)

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat daher entschieden, daß das betreffende Verfahren vor dem Landgericht Köln erneut (und ohne die abgehörten Aussagen des Betroffenen) verhandelt werden muß.

Die Süddeutsche Zeitung (22.12.2011) schreibt zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang:

Der BGH hat damit ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Privatsphärenschutzes geschrieben, sieben Jahre nach dem bahnbrechenden Lauschangriff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Lange davor, 1989, hatten die Verfassungsrichter den staatlichen Einblick in innere Vorgänge noch erlaubt: In einer Vier-zu-Vier-Entscheidung hatten sie Tagebuchnotizen als verwertbar erklärt. Der bruchstückhaft artikulierte 'Gedankenfluss' ist laut BGH aber ungleich persönlicher als schriftlich fixierte Gedanken. (Quelle: SZ v. 22.12.11, siehe unten)

Anmerkung: Für PsychoanalytikerInnen ist das Urteil insofern bedeutsam, als die Förderung der freien Assoziation im Sinne eines spontanen und (möglichst) wenig rational gelenkten Aussprechen von Gedanken, innerem Erleben, Gefühlen, Träumen und Assoziationen zentraler Bestandteil der analytischen Behandlung ist. Sie entspricht in vieler Hinsicht den Kriterien des BGH - und damit dem Selbstgespräch, das dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit angehört. Auch wenn von den Richtern vermutlich (und zutreffend) eingewandt würde, daß es sich um eine Kommunikation handelt (PatientIn/AnalytikerIn) so besteht kein Zweifel, daß eben diese Kommunikation in erster Linie dem Zweck dient, gemeinsam Einblick in die innersten Gedanken- und Erlebniswelt der PatientInnen zu nehmen, die eben genau diesen Kernbereich der Persönlichkeit darstellt und daher vor jedem (auch staatlichen) Eingriff geschützt werden muß.

Pressemitteilung BGH: Nr. 206/2011 (22.12.2011)

Süddeutsche Zeitung online (22.12.11): BGH-Urteil zu Selbstgesprächen: Die Gedanken sind frei (Wolfgang Janisch)

Dezember 2011


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AKTUELL: Nummer 38/2011

Bundesverfassungsgericht: Neuregelung strafprozessualer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen verfassungsgemäß (Gesetz zur
Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007) - Beschluß veröffentlicht (12.10.11)

(Teil XV)

Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. Dezember seine Beschluß (v. 12.10.2011) zu verschiedenen Klagen gegen das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 veröffentlicht . Es kommt darin zum Ergebnis, daß die Neuregelung bzw. die mit Gesetz verbundene Änderung einzelner Vorschriften der Strafprozessordnung im Einklang mit dem Grundgesetz steht.

Speziell für ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (und weitere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger) entschied das Gericht, daß diese keinen absoluten Schutz vor einer Erhebung, Verwendung oder Verwertung von Informationen im Rahmen der Telefonüberwachung (Lauschangriff) genießen.

Die Neufassung des § 160a Abs. 1 und 2 StPO (siehe aktuellen Gesetzestext unten) bezweckt - so das Bundesverfassungsgericht - in Anlehnung an das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO) den Schutz des zu BerufsgeheimnisträgerInnen bestehenden Vertrauensverhältnisses. Das Gericht argumentiert:

Mit der Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Berufsgeheimnisträgern trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung zuerkennt, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt und damit auch strafprozessualen Ermittlungen von vornherein entzogen ist: Soweit der Gesetzgeber annimmt, dass der Kontakt zwischen einem Bürger und einem Berufsgeheimnisträger typischerweise den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung berührt, gewährt er absoluten Schutz vor einer Erhebung, Verwendung oder Verwertung von Informationen (§ 160a Abs. 1 StPO). In allen anderen Fällen, in denen zwar ebenfalls eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen Bürger und Berufsgeheimnisträger besteht, der Kernbereich privater Lebensführung zwar berührt sein kann, aus Sicht des Gesetzgebers bei typisierender Betrachtung jedoch nicht notwendig berührt ist, wird nur ein relativer Schutz gewährt (§ 160a Abs. 2 StPO). Soweit bei dieser Personengruppe im Einzelfall der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung tangiert wird, ist auch im Bereich des § 160a Abs. 2 StPO von einer Unzulässigkeit der Ermittlungsmaßnahme auszugehen. (Pressemitteilung 7.12.11 unter 5. und vgl. BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 247)

Deshalb stehen die in § 53 Abs. 1 StPO Satz 1 Ziff. 3 genannten (u. a. ÄrztInnen, Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen) - anders als Geistlichen, StrafverteidigerInnen, Abgeordneten und RechtsanwältInnen (seit 1.02.20011) - kein umfassender Schutz der Vertraulichkeit der berufs- und funktionsbezogenen Kommunikation zu. Vielmehr prüfen die Ermittlungsbehörden im Einzelfall nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das Bestehen eines Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbots (§ 160a Abs. 2). Gegebenenfalls sind private Gesprächsabschnitte zu löschen bzw. sie unterliegen einem Weitergabe- bzw. Verwertungsverbot (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 212) - honi soit qui mal y pense - oder etwas sachlicher: Wo verläuft die Grenze zwischen dem was von den Behörden (noch) als privat, bzw. dem Kernbereich privater Lebensführung zugehörig angesehen wird? Wissenschaftstheoretisch gesprochen geht es um die Problematik des 'erkenntnisleitenden Interesses' ...

Man kann nur hoffen, daß wenigstens für psychotherapeutische Behandlungen gilt: "Bestehen im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren wird, hat sie grundsätzlich zu unterbleiben" (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 210). Im Beschluß geht das Bundsverfassungsgericht an mehreren Stellen auf die Berufsgruppe der ÄrztInnen ein:

Ein ausschließlicher Kernbereichsbezug kann vor allem dann angenommen werden, wenn der Betroffene mit Personen kommuniziert, zu denen er in einem besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis - wie zum Beispiel engsten Familienangehörigen, Geistlichen, Telefonseelsorgern, Strafverteidigern oder im Einzelfall auch Ärzten - steht (vgl. BVerfGE 109, 279 [321 ff.]). Soweit ein derartiges Vertrauensverhältnis für Ermittlungsbehörden erkennbar ist, dürfen Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung nicht durchgeführt werden. (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 215; siehe auch Abs. 265)

Für die Berufsgruppe der Ärzte hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass zwar bestimmte Inhalte, wie etwa Arztgespräche, im Einzelfall dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sein können (vgl. BVerfGE 32, 373 [379]; 109, 279 [323]). Soweit dies der Fall ist, unterliegen die Inhalte nach dem Willen des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 160a Abs. 2 StPO nicht dem Zugriff der öffentlichen Gewalt, weil dann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein Überwiegen der schutzwürdigen Individualinteressen anzunehmen und die Ermittlungsmaßnahme deshalb unzulässig ist. (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 265)

Anders als für die Strafverteidigung, die ihrem Zweck nach insgesamt Kernbereichsbezug aufweist, ist für den ärztlichen Bereich allerdings nur unter besonderen Bedingungen des Einzelfalls der Kernbereich der privaten Lebensführung berührt. Demgegenüber sind etwa ärztliche Aufzeichnungen über Anamnese, Diagnose oder therapeutische Maßnahmen nicht ohne Weiteres dem unantastbaren Intimbereich, sondern grundsätzlich lediglich der Privatsphäre des Patienten zuzuordnen, in die bei zwingenden überwiegenden Belangen des Gemeinwohls eingegriffen werden darf (BVerfGE 32, 373 [379 f.]). Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn auf solche Informationen bei einem Überwiegen des staatlichen Strafverfolgungsinteresses zugegriffen werden darf. (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 266)

Anmerkung: Zum wiederholten Male stelle ich fest, daß das Gericht (wie überhaupt viele mit dieser Frage beschäftigten JuristInnen, etwa die Bundesjustizministerin) die Problematik dieser (seiner) Argumentation nicht erkennt. Ärztliche und psychotherapeutische Behandlung berührt immer und unweigerlich den Kernbereich der privaten Lebensführung, wenn dieses auch nicht (für mehr oder weniger Außenstehende) in jeder Situation erkennbar ist, z. B. etwa wenn Blut abgenommen wird, Laborwerte besprochen werden oder eine Rezept zw. eine Überweisung ausgestellt wird. Eingriffe in den eigenen Körper bzw. die Psyche, sind aber ganz grundsätzlich mit höchstpersönlichen, intimen Vorgängen psychischer Natur (Affekte, Gefühle, Erwartungen, Phantasien, Wünsche, Träume) verknüpft, die zwar keineswegs immer benannt - immer aber wesentlicher Bestandteil der Behandlung sind (selbst wenn das von 'naturwissenschaftlich' orientierten KollegInnen manchmal wenig beachtet wird). Dies gilt umso mehr für psychotherapeutische Behandlungen - wo solche bewußten und unbewußte innerseelische Vorgängen genau den Ausgangspunkt der therapeutischen Interaktion bilden. Hier davon zu sprechen, daß "der Kernbereich privater Lebensführung zwar berührt sein kann, aus Sicht des Gesetzgebers bei typisierender Betrachtung jedoch nicht notwendig berührt ist", scheint nicht nur nicht sachgerecht, sondern verfehlt. Aber sie stellt die in verschiedenen Verfahren zum Tragen kommende Haltung des Bundesverfassungsgerichts dar: "Arztgespräche können im Einzelfall dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sein"  (BVerfGE 109, 279, [322] i. V. m. BVerfGE 32, 273 [378]).

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht v. 7.12.2011

Beschluß v. 12.10.2011: 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08

StPO: § 53 (Quelle: www.gesetze-im-internet.de)

StPO: § § 160a (Quelle: www.gesetze-im-internet.de)

Stellungnahme der Psychotherapeutenkammer Bayern zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 14.12.2011

Stellungnahme der Bundespychotherapeutenkammer (www.bptk.de unter Stellungnahmen nach Themen/weitere Stellungnahmen): Einbeziehung von Psychotherapeuten in den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO v. 15.03.2010

(1)

Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und der Löschung der Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen. Die Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend, wenn durch eine Ermittlungsmaßnahme, die sich nicht gegen eine in Satz 1 in Bezug genommene Person richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte.

(2)

Soweit durch eine Ermittlungsmaßnahme eine in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b oder Nr. 5 genannte Person betroffen wäre und dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen; betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen. Soweit geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. Für die Verwertung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken gilt Satz 1 entsprechend. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Rechtsanwälte, nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen und Kammerrechtsbeistände.

(3)

Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a Genannten das Zeugnis verweigern dürften.

(4)

Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. Ist die Tat nur auf Antrag oder nur mit Ermächtigung verfolgbar, ist Satz 1 in den Fällen des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 anzuwenden, sobald und soweit der Strafantrag gestellt oder die Ermächtigung erteilt ist.

(5)

Die §§ 97 und 100c Abs. 6 bleiben unberührt.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

Dezember 2011


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AKTUELL: Nummer 37/2011

Juristische Expertisen der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (Stand 12/2011)

Die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen hat auf ihrer Webseite eine Reihe von Expertisen zu juristischen Fragestellungen eingestellt, die frei abgerufen werden können:

Speziell für den Bereich Schweigepflicht & Datenschutz liegen folgende Beiträge vor:

Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (www.pknds.de): Rechtliches/Juristische Expertisen

Dezember 2011


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AKTUELL: Nummer 36/2011

Einwilligungsfähigkeit minderjähriger PatientInnen

(Teil I)

Immer wieder stellt sich die Frage der Einwilligungsfähigkeit bei minderjährigen PatientInnen. In der Ärzte Zeitung (online) v. 7.12.2011 gibt der Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Frank A. Stebner (Salzgitter) einen Überblick über die Frage der Einwilligungsfähigkeit in eine ärztliche Behandlung (hier Schwangerschaftsabbruch/Pille danach)

Die Zustimmung der Sorgeberechtigten (Eltern) in die Behandlung ist insoweit nicht erforderlich, als die Einwilligungsfähigkeit bei den minderjährigen PatientInnen im Einzelfall gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn diese "nach ihrer individuellen geistigen und sittlichen Reife unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles" in der Lage sind, die Bedeutung der Behandlungsmaßnahme und ihre Tragweite für ihr eigenes Leben zu erkennen und danach zu handeln. Davon haben sich die behandelnden ÄrztInnen zu überzeugen.

Obwohl es keine starren Altersgrenzen für die Einwilligungsfähigkeit gibt (es ist immer der Einzelfall zu betrachten und zu beurteilen), sind aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einige Anhaltspunkte hervorgegangen (Zitat):

Bei Patientinnen unter 14 Jahren ist grundsätzlich eine Einwilligungsfähigkeit zu verneinen. Hier müssen die gesetzlichen Vertreter (in der Regel die Eltern) die Einwilligung zu einem Schwangerschaftsabbruch erteilen.

Bei Patientinnen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren kann die Einwilligungsfähigkeit im Hinblick auf die individuelle geistige und sittliche Reife im Einzelfall gegeben sein.

Bei Patientinnen ab 16 Jahren kann davon ausgegangen werden, dass sie ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches entscheiden können.

Die Entscheidung darüber, ob die Einwilligungsfähigkeit gegeben ist, und die Grundlagen dieser Entscheidung hat der Arzt sorgfältig schriftlich zu dokumentieren, um seine Entscheidung im Streitfall belegen zu können.

Kommt der Behandler zum Schluß, daß eine Einwilligungsfähigkeit nicht vorliegt, sind die gesetzlichen Vertreter, in der Regel also die Eltern (ggf. auch der jeweils sorgeberechtigte Elternteil), entscheidungsberechtigt und können die Einwilligung für die minderjährigen Kinder erteilen/nicht erteilen.

Anmerkung: Für eine psychotherapeutische Behandlung und insbesondere auch für die Frage der Schweigepflicht gelten diese Grundsätze ebenfalls.

Ärzte Zeitung (online) v. 7.12.2011: Minenfeld Minderjährige: Wie sichern sich Ärzte ab? Bei nicht volljährigen Patienten wird es in der Praxis knifflig: Wann müssen vor einer Behandlung die Eltern eingeschaltet werden? Und wann dürfen Jugendliche selbst entscheiden? Rechtlich gesehen gibt es da feste Regeln. (Frank A. Stebner)

Dezember 2011


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AKTUELL: Nummer 35/2011

eGK: Einführung der online-Anwendungen voraussichtlich im Jahr 2016!

(Teil XVI)

Inzwischen dürften die meisten VertragsärztInnen und -psychotherapeutInnen mit den entsprechenden Lesegeräten ausgestattet sein. Neue eGK scheint es noch nicht allzu viele zu geben, die Kassen hatten sich für 2011 verpflichtet, mindestens 10% der Karten in der neuen eGK-Version auszugeben. Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online/Medica Aktuell vom 17.11.2011 scheitert der baldige Start der eGK-Anwendungen "an der komplexen Infrastruktur aus eGK, elektronischem Arztausweis und Konnektor". Deshalb hält der GKV-Verband den "Wirkbetrieb in der bisher diskutierten Form" erst ab dem Jahr 2016 für möglich.

Daher soll es nach Vorstellung des GKV-Verbands in zwei Modellregionen 2012 eine online-Anbindung geben, die ein Versichertenstammdaten-Update der eGK ermöglicht  - ohne Einsatz und Verwendung des Arztausweises und des Konnektors. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV) lehnt die 'Alternative 2012" in der derzeit diskutierten Version allerdings ab.

Ärzte Zeitung (online) v. 17.11.2011: Spannende Wochen für die E-Card

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV

November 2011


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AKTUELL: Nummer 34/2011

Berichtspflicht von FachärztInnen gegenüber HausärztInnen nur mit Zustimmung der PatientInnen

(Teil III)

In den allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) werden unter der Ziffer 2.1.4 (Berichtspflicht) Leistungen beschrieben, deren Abrechnung einen Bericht (EBM 01600 oder 01601) der erbringenden VertragsärztInnen bzw. VertragspsychotherapeutInnen  an HausärztInnen und/oder ÜberweiserInnen voraussetzt. Hierfür ist eine schriftliche Zustimmung der PatientInnen, die jederzeit widerrufen werden kann, erforderlich (vgl. § 73 Abs. 1b SGB V). "Gibt der Versicherte auf Nachfrage keinen Hausarzt an bzw. ist eine schriftliche Einwilligung zur Information des Hausarztes gemäß § 73 Abs. 1b SGB V nicht erteilt, sind die nachstehend aufgeführten Gebührenordnungspositionen auch ohne schriftliche Mitteilung an den Hausarzt berechnungsfähig." (Zitat EBM 2.1.4 Absatz 1, Satz 2).

Die Übermittlungspflicht gilt auch für ärztliche und nichtärztliche VertragspsychotherapeutInnen (Leistungen des Abschnitts 35.2 - Antragspflichtige Leistungen). Die Berichtspflicht ist hier erfüllt "wenn zu Beginn und nach Beendigung einer Psychotherapie, mindestens jedoch einmal im Krankheitsfall bei Therapien, die länger als ein Jahr dauern, ein Bericht an den Hausarzt entsprechend der Gebührenordnungsposition 01600 bzw. ein Brief entsprechend der Gebührenordnungsposition 01601 erstellt und versendet wird." (Zitat EBM 2.1.4 Absatz 2, Satz 2).

Ein entsprechender Bericht der Ärzte Zeitung online vom 11.11.2011 'verkauft' diese Änderung als Neuigkeit (Gültigkeit angeblich ab 1. Juli 2011). Tatsächlich aber besteht die Regelung bereits seit geraumer Zeit (siehe auch Archiv).

Anmerkung: Ein Bericht an überweisende FachärztInnen ist in der Regel dann nicht erforderlich, wenn die Überweisung lediglich zur Vermeidung der Praxisgebühr erfolgt ist.

Ärzte Zeitung (online): 11.11.2011: Bericht an den Hausarzt? Nur mit Zustimmung des Patienten!

Kassenärztliche Bundesvereinigung: EBM in der Fassung von 09/2011 speziell: I. Allgemeine Bestimmungen: Berichtspflicht Ziffer 2.1.4

Archiv: Teil I + Teil II

November 2011


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AKTUELL: Nummer 33/2011

KBV: IT in der Arztpraxis (ITA) - fortlaufende Aktualisierung (Update für Quartal 1/2012)

Auf der Seite der Kassenärztliche Bundesvereinigung (www.kbv.de) steht ein Portal für ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen zur Verfügung, das umfangreiche Informationen rund um das Thema IT beinhaltet (Anforderungen an Hard- und Software, Datenschutz beachten, bereichsspezifische Zertifizierung von Software). Hinzukommen aktuelle quartalsbezogene Updates.

Kassenärztliche Bundesvereinigung: ITA

November 2011


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AKTUELL: Nummer 32/2011

Lübecker Nachrichten (4.11.2011): Mehrere Tausend sensible Patientendaten psychisch schwer kranker Menschen waren frei im Internet abrufbar

Nach einem Bericht der Lübecker Nachrichten (online-Ausgabe: 4.11.2011) waren mehrere Tausend Patientenakten aus Schleswig-Holstein über längere Zeit frei im Internet abrufbar. Klinikbriefe, medizinische Befunde und Dokumentationen konnten von einer Webseite der Firma Rebus GmbH (Rendsburg) heruntergeladen werden. der Internetdienstleister verwaltet Datenbanken für verschiedene soziale Dienste in Deutschland, so beispielsweise für das  Therapie- und Beratungszentrum 'Die Brücke' in Rendsburg. herunterladen werden können. Hier konnte bis vor kurzem 3600 Dokumente ohne Einschränkung und Zugangskontrolle eingesehen und auch heruntergeladen werden. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Hostein, Dr. Thilo Weichert, überzeugte sich davon, daß die Daten online abrufbar waren und hat umgehend ein Prüfteam des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) mit der Untersuchung des Vorfalls bei der verantwortlichen Firma  beauftragt. Ursache ist offenbar eine Sicherheitslücke bei der von der Firma betriebenen Webseite. Der Server wurde inzwischen abgeschaltet und auch die Firma selbst hat einen externen Sicherheitsexperten eingeschaltet.

Anmerkung: Die im Bericht Bericht der Lübecker Nachrichten und anderen Zeitungen erwähnten heftigen Reaktionen auf die Datenpanne sind nachvollziehbar. Doch geht es m. E. um eine grundsätzliche Frage: Sollen sensible Patientendaten auf Servern zentral gespeichert werden, auf die über das Internet zugegriffen werden kann? Dann nämlich werden sich solche Datenpannen nicht verhindern lassen. Menschen machen Fehler und es wird auch immer wieder (erfolgreiche) Angriffe von Hackern geben (vgl. den Beitrag zu AnonAustria). Es mag in der heutigen Zeit naiv klingen und ist dennoch vielleicht nicht falsch: Die ursprüngliche Papierform oder die elektronische Speicherung auf Computern und Servern ohne Internetzugang (stand-alone) sind deutlich sicherer als noch so ausgeklügelte Datenbanken, auf die mittels von (teil völlig unübersichtlichen) Zugangskontrollen 'öffentlich' zugegriffen werden kann. Deshalb auch halte ich auch die EKG für einen Schritt in die falsche Richtung.

Lübecker Nachrichten (online-Ausgabe: 4.11.2011): Mehrere Tausend Patienten-Akten aus Schleswig-Holstein waren frei im Internet abrufbar. Datenschützer im Norden sind entsetzt

Ärzte Zeitung (online) 4.11.2011: Schwere Panne: 2500 Patientendaten online

November 2011


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AKTUELL: Nummer 31/2011

Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) mit großer Mehrheit verabschiedet (Bundestag 27.10.2011)

(Teil V)

Der Deutsche Bundestag hat am vergangenen Donnerstag (27. Oktober 2011) das Bundeskinderschutzgesetz mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet. Nach langer Diskussion über die Schweigepflicht der an der Behandlung von Kindern beteiligten Berufsgruppen (siehe auch die Beiträge im Archiv unten) sieht das Gesetz in § 4 (Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung) eine Befugnis - nicht aber Pflicht zur Offenbarung in bestimmten Fällen vor:

§ 4 Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung

(1)

Werden

 

1.

Ärztinnen oder Ärzten, Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,

 

2.

Berufspsychologinnen oder -psychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,

 

3.

Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberaterinnen oder -beratern sowie

 

4.

Beraterinnen oder Beratern für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,

 

5.

Mitgliedern oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,

 

6.

staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen oder -arbeitern oder staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen oder -pädagogen oder

 

7.

Lehrerinnen oder Lehrern an öffentlichen Schulen

 

in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorge- berechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

(2)

Die Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.

(3)

Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Personen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen.

Das Gesetz soll im Januar 2012 in Kraft treten. Allerdings droht wegen ungeklärter Finanzierungsfragen Widerstand im Bundesrat und damit ein Scheitern des Gesetzes..

Anmerkung: Angesichts der doch für meine Begriffe unguten Debatte im Vorfeld scheint mir das Gesetz die Schweigepflicht nun doch ausreichend zu berücksichtigen. Es besteht keine Offenbarungspflicht, wohl aber eine entsprechende Befugnis, wenn die Gefährdung des Wohls des Kindes/Jugendlichen nicht anders (insbesondere mittels des 'Hinwirkens zur Inanspruchnahme entsprechender Hilfen') abwendbar ist und zugleich dadurch der Schutz des Kindes bzw. Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Zudem sind die Betroffenen auf die Datenübermittlung vorab hinzuweisen. Die Bestimmung geht insoweit über die bisherige Rechtslage  hinaus, als eine Datenübermittlung nicht nur bei einer "gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr" (§ 34 StGB) möglich ist. Jedoch ist die Offenbarung nach § 4 BKiSchG nur gegenüber dem Jugendamt möglich und auch nur, wenn dadurch nicht der Schutz des Kindes in Frage gestellt wird.

Archiv Kinderschutz: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 30/2011

Krankmeldung bei psychiatrischer Behandlung (ambulant und stationär)

Anläßlich einer Anfrage wurde ich auf die Frage der Arbeitsunfähigkeitbescheinigung bei stationärer psychiatrischer Behandlung aufmerksam. Im vorliegenden Fall war ein Arbeitnehmer nach einer vorausgehenden somatischen Erkrankung in stationärer psychiatrischer Behandlung. Dort wurde ihm vom behandelnden Arzt erklärt, er könne nicht die übliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Der Hinweis auf die psychiatrische Behandlung an den Arbeitgeber sei aber nicht von Nachteil für ihn. Tatsächlich wurde dem Arbeitnehmer aber einige Zeit später gekündigt.

Ich habe mich wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Krankenhäuser sowie an den Bundesdatenschutzbeauftragten gewandt. Zusammengefaßt (E-Mail-Schriftverkehr und eigene Recherchen) haben sich folgende Gesichtspunkte ergeben:

1.

Die Ausstellung Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit erfolgt auf der Grundlage der "Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufen weisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V"

2.

Gemäß § 5 dieser Richtlinien darf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur von VertragsärztInnen oder deren persönlichen VertreterInnen unter Verwendung eines dafür vorgesehenen Vordrucks (Muster 1) ausgestellt werden (siehe oben). In Kliniken insoweit von ÄrztInnen mit entsprechender Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung

3

Der für den Arbeitgeber bestimmte Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Durchschlag) kann durch den dort vorgesehenen Arztstempel einen Hinweis auf den Aussteller (Ärztin/Arzt) enthalten kann. Dieser Stempel wird VertragsärztInnen von den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung gestellt. Er muß seit dem 01.08.2011 folgende Angaben enthalten:

 

Dr. med. xy
Facharzt  für xy (optional: Schwerpunktbezeichnung)
Beispielstraße 123
12345 Musterhausen
Betriebsstätten-Nummer

optional: Tel.-Nr., Fax und Email

4.

Wenn PatientInnen den Hinweis auf eine psychiatrische Behandlung vermeiden wollen, sollten sie den die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende/n Ärztin&/Arzt bitten, einen Stempel ohne Facharzt- bzw. Schwerpunktbezeichnung zu verwenden. Ein gesetzlicher Anspruch oder Urteile, die in diese Richtung deuten, sind derzeit nicht bekannt; es ist jedoch andererseits nicht vorstellbar, dass ein/e behandelnde/r Ärztin/Arzt einem entsprechend begründetem Ansinnen nicht Rechnung tragen würde. Gegebenfalls wäre ein Arztwechsel anzuraten.

5.

Auch wenn der Stempel keinen Hinweis auf die Fachrichtung  und Tätigkeit der/des Ärztin/Arztes enthält ist es in Zeiten des Internets ohne Weiteres möglich, die entsprechenden Daten zu recherchieren. Letztlich gibt es insofern keine Sicherheit, daß der Arbeitgeber nicht doch Rückschlüsse auf die Art der Erkrankung ziehen kann. Andererseits sollte von Seiten der Kliniken alles getan werden, daß die Daten nicht ohne Not übermittelt werden.

6.

Nach Angaben des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (Landesdatenschutzbeauftragter Dr. Thilo Weichert) haben sich die Krankenhäuser gemäß einer zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen Bundesrahmenempfehlung  verpflichtet, PatientInnen auf deren Verlangen eine Bescheinigung über die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung auszustellen, damit diese beim Arbeitgeber vorgelegt werden kann. Wie diese im Fall einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung aussieht ist unklar.

Anmerkung: Es geht hier um eine heikle Frage des Datenschutzes und der Schweigepflicht. Ich werde deshalb noch weitere (auch fachlich) zuständige Gremien (G-BA, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Bundesdirektorenkonferenz) um eine Stellungnahme bitten.

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 29/2011

Vorsicht bei der Beantwortung von Anfragen privater Versicherer!

In einem Beitrag der Ärzte Zeitung online vom 18.10.2011 weist der Fachanwalt für Medizinrecht (Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn) Dr. Ingo Pflugmacher auf die Problematik der Schweigepflichtentbindung der PatientInnen bei Anfragen privater Versicherungen hin. Daß solche Auskünfte nur mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen PatientInnen erfolgen darf dürfte - so ist wenigstens zu hoffen - inzwischen bei ÄrztInnen und ärztlichen bzw. nichtärztlichen PsychotherapeutInnen bekannt sein.

Doch auch wenn eine solche Einwilligung vorliegt können sich nach Ansicht von Pflugmacher gravierende Probleme ergeben. Denn unklar ist, ob die gegenüber der Versicherungsfirma abgegebene Erklärung (noch) wirksam ist. Verläßt sich die/der offenbarende Ärztin/Arzt auf die Angaben der Versicherung (in der Regel handelt es sich um einen entsprechenden Textbaustein) kann das zu ernsten juristischen Folgen führen. Denn denkbar wäre, daß die erteilte Einwilligung unwirksam ist, weil sie vor allzu langer Zeit erteil oder widerrufen wurde. Auch allgemeine (und nicht auf den Einzelfall Bezogene Einwilligungen können unwirksam sein. Zitat

Allerdings versichern die anfragenden Versicherungen regelmäßig in Form eines "Textbausteins", dass eine Schweigepflichtentbindung vorliege. Kann sich der Arzt auf die Richtigkeit dieser Erklärung verlassen? Im Hinblick auf strafrechtliche Konsequenzen wird man dies bejahen können.

Eine strafbare Verletzung von Privatgeheimnissen liegt nicht vor, wenn der Arzt irrig das Vorliegen einer Schweigepflichtentbindung annehmen durfte. Wenn die anfragende Versicherung dies versichert, so wird der Arzt auf die Richtigkeit dieser Aussage vertrauen dürfen. Rechtsprechung hierzu liegt allerdings noch nicht vor.

Schadensersatzansprüche des Patienten bei fahrlässigem Handeln

Aber: Schadensersatzansprüche des Patienten können auch bei fahrlässiger Nichtbeachtung der Schweigepflicht entstehen.

Da inzwischen viele Datenschutzbeauftragte in ihren Veröffentlichungen darauf hinweisen, dass Schweigepflichtentbindungen unwirksam sein können und sie im Übrigen jederzeit widerruflich sind, wird man bei einer unreflektierten Antwort auf die Anfrage der Versicherung fahrlässiges Handeln nicht ausschließen können.

Pflugmacher rät daher, sich von PatientInnen eine schriftliche Einwilligung geben zu lassen oder die Anfrage der Versicherung einschließlich der Antwort den PatientInnen zu übergeben und Ihnen so die Entscheidung über eine Weitergabe zu überlassen.

Anmerkung: Nach meiner Überzeugung sollten Auskünfte an Dritte ganz generell nur mit dem persönlich eingeholten Einverständnis der PatientInnen weitergegeben werden (auch wenn eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung vorliegt, die eine Einwilligung der PatientInnen nicht erfordert). Bei psychotherapeutischen Behandlungen sollte darüber hinaus sorgfältig erwogen (und besprochen) werden, ob die Datenweitergabe (unabhängig vom Wunsch der PatientInnen) den geschützten Raum gefährdet.

Ärzte Zeitung online v. 18.10.2011: Wenn Versicherer Patientendaten begehren. Anfragen zu Patienten, die kommen immer öfter auch von privaten Versicherungen. Das Problem: Fehlt dem Versicherer die Einwilligung des Patienten, könnte Ärzte eine Schadenersatzpflicht treffen.

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 28/2011

Elektronische Akten: Broschüre des bundesweiten Arbeitskreises EPA/EFA

Der bundesweite Arbeitskreis Elektronische Patienten- bzw. Fallakte (EPA/EFA), in dem sich eine Vielzahl privater und öffentlicher IOnstitutionen im Bereich Datenschutz zusammengeschlossen haben (u. a. das Bundesministerium für Gesundheit), hat eine Umfanreiche Dokumentation zum Thema vorgelegt. Auf den Seiten 30-42 wird ausführlich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen "Datenschutzanforderungen an elektronische Akten im Gesundheitswesen" eingegangen.

Die kostenlose Broschüre kann über die E-Mail-Adresse info@ztg-nrw.de bezogen werden.

Download (pdf) der Broschüre Elektronische Akten

Link zur weiteren einschlägigen Dokumenten: Landesinitiative eGesundheit.nrw (Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen)

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 27/2011

Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner und sieht eklatante Verstöße gegen das Urteil des  Bundesverfassungsgerichts (2008) zum Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

Der Hamburger Chaos Computer Club (ccc.de) hat nach eigenen Angaben eine detaillierte Analyse staatlicher Spionagesoftware vorgenommen. In einer Meldung vom 8.10.2011 heiß es dazu (Zitat in blau):

Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware. Aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern entstehen außerdem eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten Rechnern, die auch Dritte ausnutzen können."

 Nicht erst seit das Bundesverfassungsgericht die Pläne zum Einsatz des Bundestrojaners am 27. Februar 2008 durchkreuzte, ist von der unauffälligeren Neusprech-Variante der Spionagesoftware die Rede: von der "Quellen-TKÜ" ("Quellen-Telekommunikationsüberwachung"). Diese "Quellen-TKÜ" darf ausschließlich für das Abhören von Internettelefonie verwendet werden. Dies ist durch technische und rechtliche Maßnahmen sicherzustellen.

Der CCC veröffentlicht nun die extrahierten Binärdateien [0] von behördlicher Schadsoftware, die offenbar für eine "Quellen-TKÜ" benutzt wurde, gemeinsam mit einem Bericht zum Funktionsumfang sowie einer Bewertung der technischen Analyse. [1] Im Rahmen der Analyse wurde vom CCC eine eigene Fernsteuerungssoftware für den Behörden-Trojaner erstellt.

Die Analyse des Behörden-Trojaners weist im als "Quellen-TKÜ" getarnten "Bundestrojaner light" bereitgestellte Funktionen nach, die über das Abhören von Kommunikation weit hinausgehen und die expliziten Vorgaben des Verfassungsgerichtes verletzen. So kann der Trojaner über das Netz weitere Programme nachladen und ferngesteuert zur Ausführung bringen. Eine Erweiterbarkeit auf die volle Funktionalität des Bundestrojaners – also das Durchsuchen, Schreiben, Lesen sowie Manipulieren von Dateien – ist von Anfang an vorgesehen. Sogar ein digitaler großer Lausch- und Spähangriff ist möglich, indem ferngesteuert auf das Mikrophon, die Kamera und die Tastatur des Computers zugegriffen wird.

Es ist also nicht einmal versucht worden, softwaretechnisch sicherzustellen, daß die Erfassung von Daten strikt auf die Telekommunikation beschränkt bleibt, sondern – im Gegenteil – die heimliche Erweiterung der Funktionalitäten der Computerwanze wurde von vorneherein vorgesehen.

Aus der Sich des Chaos Computer Club ist damit die Behauptung widerlegt,

daß in der Praxis eine effektive Trennung von ausschließlicher Telekommunikationsüberwachung und dem großen Schnüffelangriff per Trojaner möglich oder überhaupt erst gewünscht ist (...). Unsere Untersuchung offenbart wieder einmal, daß die Ermittlungsbehörden nicht vor einer eklatanten Überschreitung des rechtlichen Rahmens zurückschrecken, wenn ihnen niemand auf die Finger schaut. Hier wurden heimlich Funktionen eingebaut, die einen klaren Rechtsbruch bedeuten: das Nachladen von beliebigem Programmcode durch den Trojaner.

Meldung des Chaos Computer Club v. 8.10.2011: Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner

Bericht zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2008: Teil I + Teil 2

Nachtrag: Das Softwarehaus Steganos hat einen kostenlosen Anti-Bundestrojaner aufgelegt.

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 26/2011

Piechotta B. & Meier, U. (2002): Zwischen Scylla und Charybdis – Dokumentation psychotherapeutischer Leistungen im Spannungsfeld von Nachweispflicht und Praktikabilität

Der lesenswerte Beitrag ist in der Zeitschrift Psychotherapeutische Praxis (2: 158-164) erschienen.

Link über die Berliner Blätter für Psychoanalyse und Psychotherapie

Link zum Artikel (pdf-Datei): www.psyqm.de/scylla.pdf

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 25/2011

Die österreichische Hackergruppe AnonAustria hat sich offenbar Zugang zu einer Datenbank mit über 600.000 Patientendaten verschafft

Nach einem Bericht der online-Zeitung Die Presse.com (28.09.2011) behauptet die Gruppe mehr "zufällig" über die Datenbank "gestolpert" zu sein. Es handelt es sich um Daten der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) die allerdings angibt, nicht gehackt worden zu sein. Die Daten liegen der Gruppe seit 6 Monaten vor, sollen aber nicht veröffentlicht werden (in anderen Fällen hat AnonAustria dieses bereits getan). Nach einer Sichtung eines Teils der Daten durch einen Vertreter der TGKK versicherte dieser, es handle sich um Datensätze, die eine Sozialversicherungsnummer, Namen und Adressen von Versicherten nicht aber weitergehende Informationen (etwa Krankengeschichten) beinhalten.

Die Presse.com (28.09.2011): Anonymous: 'Haben 600.475 Tiroler Krankenkassendaten'

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 24/2011

Klage eines Psychotherapeuten gegen negativen Kommentar in einem Bewertungsportal: OLG Hamm betont das Recht auf anonyme Meinungsäußerung im Internet und weist den Anspruch auf Entfernung (Unterlassung) und Schadensersatz zurück

Das OLG Hamm hat in einem Beschluß vom 3.08.2001 die Berufung eines Psychotherapeuten zurückgewiesen, der sich gegen eine aus seiner Sicht entwertende Äußerung über seine berufliche Tätigkeit wehrte. Das Gericht verneinte einen Anspruch auf Entfernung bzw. Unterlassung der von Kläger beanstandeten Äußerung sowie materiellen bzw. immateriellen Schadensersatz.

Aus der Sicht des Gerichts (Zitate in blau) entspricht die

für das Internet typische anonyme Nutzung (...) auch der grundrechtlichen Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (...). Es bedarf keiner näheren Ausführung des Senats dazu, dass die Gefahr des Eintritts negativer Auswirkungen insbesondere auch für denjenigen besteht, der sich als Patient aus dem Behandlungsbereich der Psychotherapie unter Angabe seiner persönlichen Daten zu erkennen gibt.

In der Abwägung der Rechtsgüter (Recht auf Kommunikationsfreiheit des Internetnutzers und Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers) gab das Gericht daher dem Recht der Kommunikationsfreiheit Vorrang. Obwohl die betreffende Äußerung des Internetnutzers auch nach Einschätzung des OLG ein Werturteil darstellen, seien sie der Sozialsphäre des Klägers, nicht aber seiner Privat- oder gar Intim- und Geheimsphäre zuzurechnen: "Äußerungen, die lediglich die Sozialsphäre berühren, dürfen aber nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind." Und weiter heiß es im Beschluß:

Bei Berufsbewertungsportalen wird dieser [der durchschnittliche und verständige Empfänger der Äußerung] davon ausgehen, dass mangels objektiver Nachprüfbarkeit regelmäßig subjektive Werturteile der Bewertenden und keine Tatsachenbehauptungen vorliegen, da die Bewertenden mangels eigener fachlicher Kompetenz nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit für ihre Bewertungen erheben, sondern lediglich ihre persönliche Sicht der bewerteten Person und ihrer Eigenschaften darlegen (Schröder, Persönlichkeitsrechtsschutz bei Bewertungsportalen im Internet, Verwaltungsarchiv 2010, 205, 224). Die demzufolge als bloße Meinungsäußerung anzusehende Bewertung des Klägers stellt hierbei weder eine unsachliche Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da hierfür jedweder Anhaltspunkt fehlt.

Eine weitere Berufung wurde wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung und fehlender Notwendigkeit zur Weiterentwicklung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (auch mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH, Beschluß v. 23.06.2009 - VI ZR 196/08) nicht zugelassen.

Anmerkung: Obschon die vom OLG vollzogene Abwägung des Schutzes der Meinungsfreiheit (hier insbesondere auch bei Personen, die andernfalls als PatientInnen erkennbar wären) mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Psychotherapeut) nachvollziehbar ist, erscheint es nicht unproblematisch, daß im Schutz der Anonymität öffentlich erhobene Vorwürfe (die zudem aus dem geschützten Raum der Psychotherapie stammen) nur schwer zu begegnen ist. 

OLG Hamm: Beschluß v. 3.08.2011 (Az.: I-3 U 196/10)

Oktober 2011


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AKTUELL: Nummer 23/2011

Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz. Der Petitionsausschuß hat ein zentrales Problem nicht erfaßt!

(Teil VIII)

Wie berichtet (Teil VII) ist der Bundestag der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922; Pet 2-17-08-7613-001492; Prot. Nr. 17/38) gefolgt. In seiner Beschlußempfehlung hat der Ausschuß allerdings eine höchst problematische Aussage getroffen:

Hinsichtlich der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand Einigkeit, dass nur die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens inhaltlich Kenntnis erlangen, nicht jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die angeforderten, nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden. Sie entscheiden, ob ein Leistungsanspruch besteht oder nicht. (Text und Quelle bei Teil VII)

Auf meinen (schriftlich formulierten Einwand an den Petitionsausschuß, die Unterlagen an die GutachterInnen sollten ja gerade psyeudonymisiert weitergeleitet werden (analog dem Gutachterverfahren in der GKV) hat mir der zuständige Mitarbeiter (Dr. Waldmann) mit Schreiben v. 21.07.2011 lapidar mitgeteilt, es handle sich bei diesem Absatz um die Beschreibung des Verfahrens , das derzeit zwischen Versicherungswirtschaft und den Obersten Aufsichtsbehörden der Länder für de Datenschutz vereinbart wurde. Zwar sehe der Petitionsausschuß "keinen dringenden gesetzgeberischen Bedarf" dennoch halte er "eine Regelung, die dem Bereich der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) praktizierten Gutachterregelung entspricht, für wünschenswert". Diese Argumentation ist logisch und inhaltlich so verwegen, daß ich einen entsprechenden (etwas ungehaltenen) Brief an den Petitionsausschuß geschrieben habe: Dort heißt es u. a.:

Leider muß ich konstatieren, daß ein hochqualifiziertes Gremium wie der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages – trotz der grundsätzlichen Unterstützung meines Anliegens – das zentrale Problem offensichtlich gar nicht verstanden hat. Es war ja gerade meine Argumentation, daß intimste Daten von PatientInnen (Bundesverfassungsgericht: Kernbereich der Persönlichkeitssphäre in den nur in begründeten und gesetzlich geregelten Fällen eingegriffen werden kann) nur anonymisiert/pseudonymisiert an die GutachterInnen weitergegeben werden, weil diese die Namen (Identität) der begutachteten PatientInnen zur Erfüllung ihrer gutachterlichen Tätigkeit nicht benötigen. Die heutige Verfahrensweise verstößt insoweit nicht nur gegen den Datenschutz sondern auch gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Daß hier seit Jahren nichts passiert ist, liegt nur daran, daß PatientInnen (gerade in der sie zu diesem Zeitpunkt schwierigen psychischen Verfassung) noch nie gegen diese Verfahren geklagt haben – und die zuständigen Behörden und Berufsverbände offenbar wenig Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Versicherungswirtschaft bzw. dem Gesetzgeber haben.

Ich habe leider den Eindruck, daß PolitikerInnen (allerdings keineswegs nicht nur sie) von der Komplexität politisch-juristischer Fragen in Verbindung mit der extremen Zunahme von Informationen (Gesetze, Eingaben, Presse etc. etc.) zunehmend überfordert sind. Das für uns alle ein bedenklicher Zustand, der vielleicht doch grundsätzlicher Überlegungen zu unserem Staatswesen bedarf.

Zur Sache bzw. zu Ihrer Argumentation: Wenn Sie schreiben, daß der Petitionsausschuß "zwar keinen dringenden gesetzgeberischen Bedarf sieht" dennoch "eine Regelung, die dem Bereich der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) praktizierten Gutachterregelung entspricht, für wünschenswert" hält, dann sehen Sie offenbar nicht Ihren logischen Irrtum (und den des Petitionsausschusses): Das Gutachterverfahren in der GKV sieht zum Schutz der Anonymität der PatientInnen die Pseudonymisierung vor.

Nachtrag (4.10.2011): Nach einem weiteren Schreiben an mich (wieder von einem anderen Sachbearbeiter) muß ich zur Kenntnis nehmen, daß der Petitionsausschuß nicht Willens ist, sich weiter inhaltlich zur Sache zu äußern. Traurig aber wahr!

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII

September 2011


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AKTUELL: Nummer 22/2011

Vertrauensstelle für pseudonymisierte Daten

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung (online) vom 15.09.2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine unabhängige Vertrauensstelle eingerichtet, die von der Firma Schütze Consulting Informationssysteme GmbH (SCI) in Kooperation mit dem IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ Berlin) umgesetzt wird. Aufgabe der Vertrauensstelle ist die Pseudonymisierung verschiedener Datensätze der-/desselben Patientin/en aus unterschiedlichen Behandlungsorten, -zeiten und Sektoren im Rahmen der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Längsschnittbetrachtung).

Ärzte Zeitung online v. 15.09.2011: Neue Vertrauensstelle für pseudonymisierte Daten

Gemeinsamer Bundesausschuß (www.g-ba.de): Meilenstein bei sektorenübergreifender QS: Vertragsunterzeichnung für Vertrauensstelle (8. September 2011/unter: Presse)

September 2011


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AKTUELL: Nummer 21/2011

Petition zur Einsichtnahme in Krankenunterlagen: Auskunftsrecht für Versicherte soll erweitert werden (Empfehlung des Petitionsausschusses)

Der Bundestag berichtet über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zu einer Petition, in welcher eine Änderung des § 202 des Versicherungsvertragsgesetzes zur direkten Auskunftspflicht gegenüber des Versicherten gefordert wird. In der Petition vom 18.03.2010 (Petent Herr Ernst) heißt es:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den § 202 des Versicherungsvertraggesetz (VVG) insofern zu ändern, dass auch dem Versicherten direkt eine Auskunftspflicht bzw. die Einsichtnahme der Unterlagen ermöglicht wird.

Begründung:

nach dem zur Zeit geltende Recht, darf der VN eine Auskunftspflicht erwirken, jedoch benötigt er dazu einen Arzt oder Rechtsanwalt, dem die Akten übermittelt werden.
Eine direkte Zustellung der Akte -auch in Kopie- ist nicht vorgesehen.

Durch die direkte Zustellung werden Kosten für den VN gespart, er braucht keinen Rechtsanwalt und Arzt.

Der Deutsche Bundestag (hib - heute im bundestag) hat am 7.09.2011 über die entsprechende Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses berichtet (Zitat):

Auskunftsrecht für Versicherte soll erweitert werden (Petitionsausschuss - 07.09.2011)

Berlin: (hib/TYH) Der Petitionsausschuss unterstützt die Forderung, Versicherten eine direkte Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren. Die Abgeordneten beschlossen am Mittwochmorgen einstimmig, eine entsprechende Petition dem Bundesjustizministerium als Material zu überweisen und den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis vorzulegen.

Der Petent hatte in seiner Eingabe gefordert, die Auskunftspflicht des Versicherers dahingehend zu ändern, dass dem Versicherten die Einsicht der Unterlagen direkt gewährt wird. Bislang ist die Einsichtnahme laut Paragraph 202 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), der die Auskunftspflicht des Versicherers regelt, nur möglich, wenn ein Arzt oder ein Rechtsanwalt die Akten übermittelt. Durch eine direkte Zustellung an den Versicherungsnehmer könnten Kosten gespart werden, heißt es in der Eingabe. Sie wurde als öffentliche Petition auf die Internetseite des Ausschusses gestellt und von 374 Mitzeichnern unterstützt.

Nach der parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu dem Schluss, dass ein Auskunfts- und Einsichtsrecht für die versicherte Person selbst zwar nicht zwingend geboten sei. Dennoch sei das Anliegen dazu geeignet, es im Rahmen künftiger Überlegungen zum Versicherungsvertragsgesetz zu diskutieren.

Laut Beschlussempfehlung verfolgt Paragraph 202 VVG ganz allgemein den Zweck, den Patienten durch die Beteiligung eines Dritten vor möglicherweise schädigenden Fehlschlüssen zu schützen. So seien in aller Regel die eingeholten medizinischen Gutachten und Stellungnahmen nur für einen Mediziner wirklich verständlich. Zudem komme der Entscheidung des Arztes, ob eine Aushändigung der Krankenunterlagen an den Patienten medizinisch verantwortbar ist, erhebliches Gewicht zu. Ein Rechtsanwalt könne durch Einsicht der Unterlagen die Erfolgsaussichten bei einem Rechtsstreit besser beurteilen.

Anmerkung: Zur Klarstellung: Es geht hier um den Geltungsbereich der Privaten Krankenversicherung (PKV). Der entsprechende Paragraph - auf den ich erst jetzt aufmerksam wurde - stellt eine weitere Merkwürdigkeit im Umgang mit dem Datenschutz in der PKV dar (siehe meine Petition zum unzureichenden Datenschutz bei der Beantragung einer Psychotherapie bzw. beim Gutachterverfahren). Hier wird Datenschutz nämlich so verstanden, als müßten die PatientInnen/Versicherten vor den sie betreffenden Daten geschützt werden. Deshalb ist zunächst zu begrüßen, daß der Petitionsausschuß ein erweitertes Auskunftsrecht für Versicherte fordert. Aber wer die Beschlußempfehlung liest, muß eigentlich bestürzt sein, welches Bild die Abgeordneten von den PatientInnen (hier der PKV) haben. Ihnen wird letztlich abgesprochen, Einsicht in ihre Unterlagen zu nehmen und eine eigene Entscheidung zu treffen, was sie mit den darin enthaltenen Daten anfangen. Die angesprochene Frage der medizinischen Verantwortbarkeit mag zwar im Einzelfall von Bedeutung sein, aber selbst bei schweren psychischen Erkrankung kann keineswegs grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß eine Einsicht nicht in Frage kommt (vgl. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten 'therapeutischen Vorbehalt'). Wenn schon Abgeordnete in einem solch obrigkeitsstaatlichen Denken verhaftet sind muß es nicht verwundern, daß sich solche Vorstellungen auch in der Privatwirtschaft (nichts anderes ist die PKV) einnisten.

Online - Petition von Ernst, Werner v. 18.03.2010: Versicherungsvertragsrecht - Änderung des § 202 des Versicherungsvertragsgesetzes zur direkten Auskunftspflicht gegenüber des Versicherten (ID: 10884)

Versicherungsvertragsgesetz § 202 (Teil 2 - Einzelne Versicherungszweige, Kapitel 8 Krankenversicherung)

Deutscher Bundestag - Aktuelle Meldungen: hib Nr. 341, Mi, 7. September 2011, 11:00 Uhr

September 2011


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AKTUELL: Nummer 20/2011

GEZ & Datenschutz: Die Datenkrake wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch größer!

Der vorliegende Staatsvertrag (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag), der ab 2013 die bisherige GEZ-Gebühr für Radio- und Fernsehgeräte durch eine Haushaltsabgabe (jeder in einem Haushalt lebende Volljährige zahlt einen monatlichen Beitrag von 17,98) ersetzen soll ist von einer Reihe von Bundesländern bisher noch nicht ratifiziert worden (Frist: 31.12.2011).

Abgesehen von grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die künftige Haushaltsabgabe weist der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christoph Degenhart in einem Interview (SZ v. 27./28.08.11: 21) auf die im Gesetz vorgesehene Ermächtigung zu "weitreichenden Datenauskünften, die noch über das hinausgehen, was bisher gegolten hat. Daten können insbesondere ohne das Wissen der Betroffenen von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen erhoben werden". Aber für noch weitaus gravierender halte ich, worauf Degenhardt dann hinweist: "Man muss nach dem neuen Modell der GEZ nicht nur begründen, warum man keine Wohnung mehr hat, sondern Sie müssen auch den Lebenssachverhalt schildern, aus dem sich ergibt, dass Sie keine Wohnung mehr haben. Bitte wo sind wir denn?". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Auch Vermieter sollen werden künftig als Datensammler instrumentalisiert. Wohnungseigentümer und Grundstückseigentümer werden nach dem Gesetz dazu verpflichten, den Landesrundfunkanstalten mitzuteilen, welche Personen in dem jeweiligen einem Haushalt leben. Dieses wird (Bericht der taz.de vom 17.08.11) nicht nur vom Mieterbund kritisierte, sondern auch vom Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, der die Vermieter auf diese Weise gesetzlich als Denunzianten missbraucht sieht.

Anmerkung: Wenn auch die Vermieter erst dann beigezogen werden, wenn die Daten anderweitig nicht ermittelbar sind (Register der Meldebehörden) und auch die Schilderung des "begründeten Lebenssachverhalt" (keine Wohnung) sich nach Auskunft der für die Länder-Medienpolitik zuständigen rheinland-pfälzischen Staatskanzlei auf eine kurze Angabe des Grundes beschränkt ( siehe Bericht der taz.de), bleibt ein ungutes Gefühl. Während 'whisleblower' in Deutschland einen schlechten Ruf genießen (und auch schnell in die Ecke des Denunzianten oder 'Blockwarts' geraten), obwohl sie häufig skandalöse und auch gesellschaftsschädigende Vorgänge offenlegen, scheinen viele regierende (Landes-) Politiker kein Problem mit einer Institution wie der GEZ zu haben, die in recht eigenartiger Weise die Bevölkerung ausforscht.

Süddeutsche Zeitung v. 27./28.08.11: 21

taz.de (online): Neue Methoden der GEZ. Im Kampf gegen Schwarzseher (17.08.2011)

August 2011


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AKTUELL: Nummer 19/2011

Broschüre "Der Schnelle Überblick: Anfragen von Krankenkassen, MDK und anderen. Rechtsgrundlagen, Vordrucke, Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht, Aufbewahrungsfristen… " (überarbeitete Auflage August 2011)

Die Ärztekammer Niedersachsen und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen haben ihre Broschüre zu Anfragen von Institutionen bzw. Personen an ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in einer überarbeiteten Fassung vorgelegt. Insbesondere im Umgang mit Anfragen verschiedenster Institutionen, z. B. von

ÄrztInnen

PatientInnen/RechtsanwältInnen

Erziehungsberechtigten Minderjähriger

Gesetzlichen Betreuern/Vorsorgebevollmächtigten

Erben/Angehörigen

Gerichten

Polizei

Krankenkassen

Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK)

Sonstigen Kostenträgern (u. a. Bundeswehr, Zivildienst, Bundespolizei, Postbeamte, Bundesbahnbeamte)

Unfallversicherungsträgern

Rentenversicherungsträgern

Arbeitsagenturen

Gesundheitsämtern

Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (Niedersachsen)

Finanzämtern

Arbeitgebern

Privaten Versicherungsgesellschaften/privaten Krankenversicherern

Sonstiger (z.B. Schule, Kindergarten, Sportverein)

Leichenschau

bietet sie Hilfestellungen und Informationen (einschließlich beim Ausfüllen von Vordrucken und Erstellen von Gutachten) an. Einleitend gibt sie einen Überblick über den Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht im Arzt-Patienten-Verhältnis. Im hinteren Teil der Broschüre finden sich dann noch Ausführungen zu den Mitteilungs- und Auskunftspflichten des Krankenhauses, zur Aufbewahrungspflicht und -fristen sowie Musterbriefe.

Die Broschüre kann hier oder über die nachfolgenden Seiten heruntergeladen werden.

www.aekn.de (unter: Stratseite/ Eintrag: Hannover, 15. August 2011)

www.kvn.de (unter Presse/Publikationen/Broschüren und Flyer)

August 2011


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AKTUELL: Nummer 18/2011

ELENA wird eingestellt!!!

Kaum zu glauben aber wahr: Das Verfahren zum elektronischen Entgeltnachweis (ELENA) wird nach einer Absprache zwischen Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministerium eingestellt, weil der für das Verfahren notwendige datenschutzrechtliche Sicherheitsstandard wegen der fehlenden Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur "in absehbarer Zeit nicht flächendeckend" zu erreichen sei. Seit 2010 waren Arbeitgeber verpflichtet, umfangreiche Daten über ihre ArbeitnehmerInnen monatlich an die Deutsche Rentenversicherung zu übermitteln. Etwa 3,2 Millionen Arbeitgeber lieferten so jährlich ca. 60 Millionen Bescheinigungen über Einkommen und Beschäftigung der MitarbeiterInnen. Die Bundesregierung hat zugesichert, daß die bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht und die Arbeitgeber von den bestehenden elektronischen Meldepflichten entlastet werden. Dazu wird das Bundeswirtschaftsministerium in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Anmerkung 1: Der Irrsinn hat (vorläufig) ein Ende - die Frage ist, was das Projekt die SteuerzahlerInnen gekostet hat!

Archiv: Teil I + Teil  II

Juli 2011


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AKTUELL: Nummer 17/2011

Akteneinsichtsrecht versus Auskunftsanspruch bei Patientenunterlagen

(Teil II)

Wie berichtet (Beitrag 43/2010)  hatte ein Patient - mit der Begründung, er wolle sich einen vollständigen Überblick über seine Behandlungen verschaffen - einen Rechtsanwalt beauftragt, umfassende Auskunft hinsichtlich der bei seinem Arzt gespeicherte Akten und Daten einzuholen. Erfragt wurde dabei alle Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse, körperliche und geistige Eigenschaften, Medikation, Operationsberichte, durch medizinische Apparatur gewonnene Datensätze, Urkunde, Aufzeichnungen und Befunde, Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen sowie Angaben zur Herkunft, zum Zweck der Speicherung der Daten und zu etwaigen Empfängern der Daten. Zur Übermittlung wurden Fotokopien angefordert. Der Rechtsanwalt begründete des Auskunftsanspruch aus dem Behandlungsvertrag und mit § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).

Der ärztliche Kollege erklärte sich in einem Schreiben an den Rechtanwalt bereit, die entsprechenden Kopien zu übersenden, stellte jedoch mit Verweis auf (die von mir auf dieser Seite zitierte Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht) Kosten in Höhe von 50 Euro (89 Kopien) in Rechnung.

Der Rechtsanwalt zeigte sich hingegen in seiner schriftlichen Antwort lediglich zur Begleichung der Portokosten bereit und begründete seine Haltung mit § 34 Abs. 8 BDSG nach welchem die Auskunft unentgeltlich zu erfolgen habe.

Meine Anfrage an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Schaar wurde nun (nach einigen Irritationen) nach einem halben Jahr beantwortet:

Demnach richtet sich der Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG gegen nichtöffentliche Stellen (und damit auch gegen ÄrztIinnen sowie nichtärztliche PsychotherapeutInnen). Anwendung findet er jedoch ausschließlich auf "automatisierte Dateien", also Daten die sich auf der EDV der jeweiligen ÄrztInnen befinden oder befunden haben. Schriftliche Aufzeichnungen auf Papier unterliegen der Vorschrift nicht! Für diese besteht jedoch nach der Rechtsprechung des BGH (z. B. Urteil v. 23.11.1982, 85, S. 327[332]) ein Einsichtsrecht als Nebenanspruch aus dem Behandlungsvertrag.

Für die mittels EDV gespeicherten Daten bezieht sich der Auskunftsanspruch auf

Die Auskunft ist schriftlich zu erteilen - nur im Ausnahmefall (etwa im Zusammenhang der psychischen oder physischen Konstitution) darf diese durch eine mündliche ersetzt oder ergänzt werden. Sie ist für den Betroffenen grundsätzlich kostenlos. Die verantwortliche Stelle (ÄrztInnen) hat die durch die schriftliche Auskunftserteilung entstehenden Kosten selbst zu tragen (§ 34 Abs. 8, Satz 1 BDSG).

Anmerkung 1: Damit ist klar, daß bei der Erfüllung  des Auskunftsanspruches nach dem BDSG (und im Unterschied zum Einsichtsrecht aus dem Behandlungsvertrag) etwaige (Kopier-) Kosten nicht geltend gemacht werden können. Die Tatsache, daß sich der Auskunftsanspruch nur auf EDV-Daten bezieht, hat Bedeutung für ärztliche und nichtärztliche PsychotherapeutInnen im Hinblick auf schriftliche Sitzungsaufzeichnungen, die nicht elektronisch gespeichert werden.

Anmerkung 2: Ein zu dieser Frage von dem ärztlichen Kollegen angedachter Beitrag im Deutschen Ärzteblatt wurde dort mit dem Hinweis abgelehnt, dadurch könnten noch mehr Patienten und Anwaltskanzleien animiert werden, Auskünfte auf der Grundlage des BDSG einzufordern. Ich zweifle sehr daran, daß ein solches (an Einzelinteressen orientiertes) Vorgehen den (allgemeinen) Interessen von ÄrztInnen und PatientInnen (Patientenrechte) entspricht.

Archiv: Teil I

Juli 2011


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AKTUELL: Nummer 16/2011

Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz

Der Bundestag hat die Petition beraten, befürwortet sie und hat beschlossen sie verschiedenen Bundesministerien als Material zu überweisen und den Fraktionen zur Kenntnis zu geben!

(Teil VII)

Was lange währt ... tatsächlich aber ist meine Petition (wie ich intern erfahren habe) im Vergleich zu der üblichen Verfahrensdauer recht schnell bearbeitet worden. Der Deutsche Bundestag hat am 9.06.2011 beschlossen, die Petition

Der Bundestag folgt damit der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922, siehe auch Teil VI):

Prot. Nr. 17/38 (Seite 13-16)

Pet 2-17-08-7613-001492

Private Krankenversicherung

Beschlussempfehlung

Die Petition

a)  

 der Bundesregierung – dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesmi­nisterium für Gesundheit, dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – als Material zu überweisen,

b)    

den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.

Begründung

Der Petent, ein Diplompsychologe, beanstandet, dass die privaten Krankenversicherungen bei der Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen persönliche Daten des Versicherten weitergeben, obwohl dies für die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich sei. Die gesetzlichen Krankenkassen wendeten dagegen ein Verfahren an, das die Privatsphäre der Versicherten respektiere. Er fordert, die privaten Krankenversicherungen sollten verpflichtet werden, ein gleichwertiges Verfahren einzuführen.

Zur Begründung beruft sich der Petent im Wesentlichen auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und begehrt eine Verbesserung des Datenschutzes für privat versicherte Patienten.

Zu den Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Petitionsakte Bezug genommen.

Es handelt sich um eine öffentliche Petition, die auf der Internet-Seite des Deutschen Bundestages eingestellt war. Die Petition wurde von 722 Mitzeichnern unterstützt und hat zu 15 Diskussionsbeiträgen geführt.

Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung von Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) wie folgt zusammenfassen:

Die Petition ist erfolgreich und verdient die Unterstützung des Petitionsausschusses.

Es ist in der Tat richtig, dass die privaten Krankenversicherungen (PKV) zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte, Krankenhausentlassungsberichte und Operationsberichte anfordern. Das betrifft auch die von dem Petenten erwähnten psychotherapeutischen Gutachten oder Berichte, die in der Regel besonders sensible, personenbezogene Daten enthalten.

Rechtliche Grundlagen für den Umgang mit den Gesundheitsdaten der Versicherungsnehmer und die Anforderung von ärztlichen Gutachten oder Berichten sind Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärungen der Betroffenen nach § 28 Abs. 6 i.V.m. § 4a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), § 213 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), § 203 Strafgesetzbuch (StGB).

Der Petitionsausschuss macht darauf aufmerksam, dass im Bereich der privaten Versicherungen es keine dem Gutachterverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichbare Rechtsnorm gibt. Zwischen der Versicherungswirtschaft und den obersten Aufsichtsbehörden der Länder für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich ist bereits im Jahr 1993 ein konkretes Verfahren für die Anforderung von ärztlichen Gutachten oder Berichten erörtert und abgestimmt worden. Es sieht vor, dass die privaten Krankenversicherungen den Behandlungs- und Befundbericht zunächst beim Versicherungsnehmer anfordern und damit dessen Information sicherstellen, zugleich aber vorschlagen, den Bericht direkt zu Händen des beratenden Arztes der Versicherung zu senden. Der beratende Arzt soll der Versicherung dann nur das Ergebnis seiner Prüfung mitteilen, nicht jedoch den Bericht nach dorthin abgeben.

Hinsichtlich der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand Einigkeit, dass nur die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens inhaltlich Kenntnis erlangen, nicht jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die angeforderten, nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden. Sie entscheiden, ob ein Leistungsanspruch besteht oder nicht.

Die Einhaltung des damals vereinbarten und heute noch gültigen Verfahrens wird von den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich überwacht. Diese haben gegenüber der Versicherungswirtschaft klargestellt, dass sie im Fall der Nichtbeachtung des abgestimmten Verfahrens gegebenenfalls aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen werden. Erkenntnisse aus der Praxis, ob und inwieweit sich die privaten Krankenversicherungen an das vereinbarte Verhalten halten, liegen dem Petitionsausschuss mit Blick auf die Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder nicht vor.

Der Petitionsausschuss hält fest, dass im Hinblick auf das beschriebene, zwischen den Aufsichtsbehörden der Länder und dem Verband der privaten Krankenversicherungen e. V. abgestimmte Verfahren derzeit wohl kein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar ist. Gleichwohl hegt der Ausschuss Zweifel, ob die mehr als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung zum einen noch allen dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. angeschlossenen Versicherungsunternehmen bekannt ist und zum anderen in der Praxis auch tatsächlich beachtet wird. Vor diesem Hintergrund wäre eine Regelung, die dem Bereich der GKV praktizierten Gutachterverfahren entspricht, aus Datenschutzsicht sicherlich wünschenswert. Dies gilt insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch sensiblen, personenbezogenen Daten im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich der gleiche Schutz gewährleistet wäre.

Aus diesem Grunde wird das mit der Petition vorgetragene Anliegen vom Ausschuss grundsätzlich befürwortet. Der Petitionsausschuss empfiehlt, die Eingabe der Bundesregierung – dem BMF, dem BMG, dem BMI und dem BfDI – als Material zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.

Kommentar: Natürlich bin ich zunächst erfreut, daß der Petitionsausschuß und nun auch der Deutsche Bundestag meine Petition grundsätzlich befürwortet. Daß kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf gesehen wird, halte ich (wie bereits erwähnt, Teil VI) für falsch. Hier geht es nicht um Glühbirnen oder DIN-Normen, sondern den Schutz intimster Daten aus dem Kernbereich der Persönlichkeit, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts größtmöglichen Schutz erfordern. Auch ist eine Regelung im Bereich des Gutachterverfahrens bei Privaten Krankenkassen (analog der GKV) nicht nur "wünschenswert", sondern unabdingbar.

Hoch problematisch ist allerdings, daß der Petitionsausschuß einen zentralen Punkt meiner Argumentation ad absurdum führt: Der Petitionsauschuß schreibt: "Die angeforderten, nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden." Entweder handelt es sich hier um eine sprachliche Fehlleistung oder der Ausschuß hat nicht verstanden, daß es gerade auch darum geht, nur pseudonymisierte Unterlagen an die GutachterInnen weiterzuleiten (analog dem Gutachterverfahren in der GKV). Ärztliche und nichtärztliche GutachterInnen benötigen zur Auftragserfüllung (Gutachten zur Leistungsübernahme) nicht die personenbezogenen Daten der PatientInnen.

Ich werde nicht müde festzustellen, daß dieser Tatbestand auch schon gegenwärtig einen Verstoß gegen geltendes Recht (BDSG) darstellt. Daten dürfe immer nur insoweit weitergegeben werden (und völlig ungeachtet der vorliegenden Einwilligung der PatientInnen), als sie zur Aufgabenerfüllung benötigt werden (Grundsatz der Zweckbindung und Datensparsamkeit).

Unklar bleibt übrigens, auf welches "abgestimmte" Verfahren "zwischen den Aufsichtsbehörden der Länder und dem Verband der privaten Krankenversicherungen e. V." sich der Petitionsausschuß bezieht.

Es bleibt viel zu tun!

Schreiben des Deutschen Bundestags (Petitionsausschuß) v. 21.06.2011

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI

Juni 2011


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AKTUELL: Nummer 15/2011

Landesärztekammer Baden-Württemberg & Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg: Leitfaden zur Schweigepflicht und zum Datenschutz (Stand: 16.03.2011)

Aus der Webseite der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg (unter: "AKTUELLES: Nachrichten 2011"):

29.03.11 Leitfaden Schweigepflicht und Datenschutz für Ärzte und Psychotherapeuten

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg und die Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg haben gemeinsam einen Leitfaden entwickelt, der Ärzten und Psychotherapeuten Informationen an die Hand geben soll, was bei den Themen Schweigepflicht und Datenschutz zu beachten ist.

Dabei wird nicht nur auf die Schweigepflicht im Allgemeinen, sondern beispielsweise auch in strafrechtlichen Verfahren eingegangen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Verwaltung von Patientendaten - ein Thema, das besonders im heutigen digitalen Zeitalter immer wichtiger wird. Der Leitfaden gibt Auskunft über die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Weitergabe von Patientendaten an Krankenkassen, Versicherungen, Arbeitgeber u.v.m.

In Zeiten von Datenklau und Internetkriminalität wird der Schutz von Daten immer wichtiger. Deswegen gibt es zwei eigene Kapitel zu den Themen Praxis-EDV und Datenschutz-Kontrolle.

Der ausführliche Leitfaden gibt einen guten Überblick über die bestehende Rechtslage. Weitere Informationen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung können von der Webseite der LPK-BA heruntergeladen werden.

LPK Baden-Württemberg (Link zur Seite)

Leitfaden (Stand 16.03.2011)

Juni 2011


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AKTUELL: Nummer 14/2011

eGK: Nach technischen Problemen (Datenschutz): Die KVB sagt alle Informationsveranstaltungen mit Ausstellermessen zu neuen Lesegeräten ab und stoppt den Basis-Rollout!

(Teil XV)

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat mit Schreiben v. 1.06.11 alle Informationsveranstaltungen mit Ausstellermessen zu neuen Lesegeräten abgesagt und den Basis-Rollout gestoppt. Wegen einer Schwachstelle bei der PIN-Eingabe des Heilberufeausweises (eHealth-BCS-Terminals) hat die KVB die Hersteller als auch die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) aufgefordert, die Sicherheitslücke durch eine kostenlose Aktualisierung der Software zu beseitigen.

Die KVB empfiehlt daher auf die Abschaffung der neuen Lesegeräte vorerst zu verzichten!

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV

Juni 2011


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AKTUELL: Nummer 13/2011

Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz

Petitionsausschuß: Beschlußempfehlung an den DBT (siehe Anmerkung 3): Mehr Datenschutz bei Privaten Krankenversicherungen gefordert

(Teil VI)

Durch einen Hinweis eines Kollegen (Bayerische Psychotherapeutenkammer) erhielt ich den Hinweis auf die Stellungnahme des Petitionsausschusses zu meiner Ende 2009 eingereichten Online-Petition (Nr. 8674: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz v. 5.12.2009). Hier der Text (Zitat):

Deutscher Bundestag

hib - heute im bundestag Nr. 208

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi, 25. Mai 2011 Redaktionsschluss: 10:45 Uhr

1.  (...)

2.  Mehr Datenschutz bei privaten Krankenversicherungen gefordert

3.  (...)

4.  (...)

5.  (...)

6.  (...)

2. Mehr Datenschutz bei privaten Krankenversicherungen gefordert

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich für eine Verbesserung des Datenschutzes privat krankenversicherter Personen aus. Während der Sitzung am Mittwochmorgen beschlossen die Abgeordneten einstimmig, eine entsprechende öffentliche Petition dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesinnenministerium sowie dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Material zu überweisen und den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.

Der Petent beanstandet in seiner Eingabe, dass die privaten Krankenversicherungen (PKV) bei der Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen persönliche Daten des Versicherten weitergeben würden, obwohl dies für die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich sei. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV), so schreibt der Petent weiter, würden hingegen ein Verfahren anwenden, welches die Privatsphäre der Versicherten respektiere. In der Petition wird daher gefordert, die privaten Krankenversicherungen zu verpflichten, ein gleichwertiges Verfahren einzuführen.

Im Ergebnis der parlamentarischen Prüfung der Petition kommt der Ausschuss zu der Einschätzung, dass die privaten Krankenversicherungen tatsächlich zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte, Krankenhausentlassungsberichte und Operationsberichte anfordern würden. "Das betrifft auch die von dem Petenten erwähnten psychotherapeutischen Gutachten oder Berichte, die in der Regel besonders sensible, personenbezogene Daten enthalten", schreibt der Petitionsausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung. Zugleich wird festgestellt, dass es "im Bereich der privaten Krankenversicherungen keine dem Gutachterverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbare Rechtsnorm gibt". Ein zwischen der Versicherungswirtschaft und den Datenschutzbehörden der Länder im Jahr 1993 abgestimmtes Verfahren sehe lediglich vor, dass Behandlungs- und Befundberichte dem beratenden Arzt der Versicherung, nicht jedoch den Sachbearbeitern zugehen sollten.

Auch wenn aus Sicht des Petitionsausschusses im Hinblick auf das Verfahren "derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar ist", hegen die Abgeordneten Zweifel, ob die mehr als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung "allen dem Verband der privaten Krankenversicherungen angeschlossenen Versicherungsunternehmen bekannt ist und in der Praxis auch beachtet wird". Vor diesem Hintergrund sei eine Regelung, die dem Gutachterverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, aus Datenschutzsicht "wünschenswert", schreiben die Abgeordneten. Dies gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch sensiblen, personenbezogenen Daten im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich der gleiche Schutz gewährleistet wäre.

Nebenbei bemerkt: Ich habe persönlich bis heute (26.05.11) keinerlei inhaltliche Rückmeldung vom Petitionsausschuß erhalten!

Anmerkung 1: Daß der Petitionsausschuß keine Notwendigkeit gesetzgeberischen Handlungsbedarfes sieht, halte ich (das wird kaum überraschen) für falsch. Hier geht es nicht um Glühbirnen oder DIN-Normen, sonder den Schutz intimster Daten aus dem Kernbereich der Persönlichkeit, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts größtmöglichen Schutz erfordern. Auch ist eine Regelung im Bereich des Gutachterverfahrens bei Privaten Krankenkassen (analog der GKV) nicht nur "wünschenswert", sondern unabdingbar. Aber insgesamt erscheint es doch erfreulich, daß die Abgeordneten die Problematik erkannt haben und sich mit entsprechenden Maßnahmen auseinandersetzen.

Anmerkung 2: Heute (27.05.11) habe ich eine erste Mitteilung aus dem Petitionsausschuß erhalten. Darin teilt mit der Bundestagsabgeordnete (der FDP) Thomae (Schreiben v. 25.05.11) folgendes mit (Auszug):

Ihre Petition: Einführung des Gutachterverfahrens in der PKV/Beihilfe (PET: 2-17-08-7613-001492)

Bei der nichtöffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 25. Mai 2011 wurde unter anderem Ihre Petition zum Thema Einführung des Gutachterverfahrens in der Privaten Krankenversicherung/Beihilfe beraten und abgestimmt. Weil wir Ihr Anliegen grundsätzlich für berechtigt halten, haben wir die Petition nicht zurückgewiesen, sondern an die Bundesministerien für Finanzen, Gesundheit und dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Material überwiesen und den Fraktionen zur Kenntnis weiter geleitet. Die Fachausschüsse werden nun prüfen, ob die Eingabe in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbezogen werden kann.

Das ist auch ganz im Sinne der FDP-Bundestagsfraktion. Wir unterstutzen die Forderung nach mehr Wettbewerb bei den Infrastrukturen der Telekommunikation. Insbesondere wollen wir die nötigen technischen Voraussetzungen schaffen, so dass medizinische Daten im Bedarfsfall sicher und unproblematisch von Ärzten, Krankenhäusern und allen anderen medizinischen Fachkräften und Einrichtungen ausgetauscht werden können.

Eine wie ich finde erfreuliche Reaktion!

Anmerkung 3 (23.06.11): Inzwischen habe ich mit dem Sekretär des Petitionsausschusses gesprochen. Er informierte mich darüber, daß es sich bei dem veröffentlichten Text um die Beschlußempfehlung für den DBT handelt. Entscheidend sei aber der Beschluß im Plenum, der mir demnächst mitgeteilt werde. Die Vorabveröffentlichung (hib) ohne Information an den Petenten hielt er auch für ein Problem, das aber angesichts der Vielzahl von online-Petitionen (ca 20.000 pro Jahr) kaum zu vermeiden sei.

Heute im Bundestag: hib Nr. 208, Mi, 25. Mai 2011, 10:45 Uhr

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V

Mai 2011


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AKTUELL: Nummer 12/2011

Verfahren gegen den Chefarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht (hier: BGH)

(Teil III)

Der BGH hat nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung das Urteil des OLG München (4.02.2010 - siehe auch Teil II) gegen Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller zu Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens bestätigt, der dem Kläger (dem Teppichhändler und Juristen Eberhart Herrmann) durch Anfertigung und Weitergabe eines fachärztlichen Attests von Möller (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) entstanden ist. Die Klage gegen den Freistaat Bayern (den Träger und damit Dienstherren Möllers) wurde, wie schon vom OLG München, abgewiesen. Damit sieht sich Prof. Möller einer milionenschweren Schadensersatzforderung ausgesetzt: Der Anwalt Herrmanns (Martin Riemer) bezifferte die Forderung (nachdem das LG München I bereits einen Schaden von 3,34 Mio. festgesetzt hatte) aufgrund der langen Verfahrensdauer (13 Jahre)  auf 7-10 Millionen Euro. Demnächst wird die Schadensersatzklage beim LG München eingereicht. Weitere Berichte folgen!

Archiv: Teil I + Teil II

Mai 2011


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AKTUELL: Nummer 11/2011

Recht auf Einsicht in Patientenunterlagen ungeachtet ausstehender Rechnungen (LG München, Az.: 9 O 5324/08)

Bericht der Ärzte Zeitung online (18.05.2011):

Ärzte müssen Patienten unter allen Umständen Einsicht in die Behandlungsunterlagen gewähren. Das ist auch dann der Fall, wenn Privatpatienten dem Arzt Behandlungshonorar schulden.

In einer rheumatologischen Privatpraxis in Köln hatte eine Patientin ihre Rechnung nicht bezahlt, obwohl sie die Erstattung durch den privaten Krankenversicherer schon erhalten hatte.

Der Arzt teilte der Frau mit, dass er bis zur Begleichung der ausstehenden Beträge die Behandlung nicht fortsetzen würde. Daraufhin wollte die Patientin eine Kopie ihrer Behandlungsunterlagen haben - wahrscheinlich, um sich einen anderen Arzt zu suchen.

Jetzt wollte der Arzt wissen: Sind die offenen Rechnungen ein Grund, der Frau die Herausgabe der Unterlagen zu verweigern? Das sind sie nicht.

"Die Honorarforderung und das Recht des Patienten auf Einsicht in die Unterlagen stehen in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis", erläutert der Justiziar der Ärztekammer Nordrhein Dr. Dirk Schulenburg. Um an sein Honorar zu kommen, bleibe dem Arzt keine andere Möglichkeit, als es zivilrechtlich einzuklagen.

Wenn es um das Kopieren der Unterlagen geht, kann er allerdings auf eine sofortige Kostenerstattung drängen. "Bei den Kopierkosten hat der Arzt ein Zurückhaltungsrecht", sagt Schulenburg.

Nach einem Urteil des Landgerichts München I müssen Ärzte die Kopien nur aushändigen, wenn ihm die Kosten für die Fertigung der Kopien erstatten werden.

Der Jurist weist darauf hin, dass der Arzt seine Kollegen nicht darüber informieren darf, dass die Patientin ihm Honorar schuldet. "Es darf keine schwarzen Listen geben", betont Schulenburg. Schon die Tatsache, dass jemand Patient in einer Praxis ist, unterliegt der Schweigepflicht - und deshalb auch seine Zahlungsmoral.

Anmerkung: Die Entscheidung kommt nicht überraschend - das Verhalten des Arztes schon eher. Und die auch schon zu hörende Forderung einzelner ÄrztInnen eine 'Patienten-Schufa' einzurichten, läßt an der ethischen Haltung und fachlichen Kompetenz dieser ÄrztInnen zweifeln.

www.aerztezeitung.de (18.05.11)

Mai 2011


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AKTUELL: Nummer 10/2011

AOK und Barmer GEK: Arztsuche und Arztbewertung

Die AOK und die Barmer GEK bieten neuerdings ein Portal (arztnavi) an, mittels dessen FachärztInnen gesucht und bewertet werden können. Die jeweiligen Masken sind vom Aussehen her etwas unterschiedlich, inhaltlich aber gleich. Über den Sinn & Unsinn von Bewertungsseiten läßt sich trefflich streiten - nicht zuletzt sind hier auch Fragen des Persönlichkeit- und Datenschutzes angesprochen.

Die Arzt-/Psychotherapeutensuche ist grundsätzlich sehr gut aufgebaut: M. W. erstmalig können dort im Feld "Fachgebiet" unter dem Stichwort "Ärztliche und psychologische Psychotherapie") PsychotherapeutInnen in ihrer Gesamtheit ("Alle Psychotherapeuten") oder je nach ihrem Grundberuf

gesucht werden. Die Datenquelle (www.weisse-liste.de) ist allerdings nicht auf dem neuesten Stand, zudem werden auch KollegInnen erfaßt, die keine Kassenzulassung haben!

www.aok-arztnavi.de

arztnavi.barmer-gek.de

Mai 2011


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AKTUELL: Nummer 9/2011

FHM: Das Patientengeheimnis in der Schweiz ist massiv gefährdet!

Die FMH (Fédération des médecins suisses) ist der Berufsverband der Schweizer Ärzteschaft und die Dachorganisation der kantonalen und fachspezifischen Ärztegesellschaften mit über 35 000 Mitglieder (das entspricht ca. 95% der berufstätigen ÄrztInnen in der Schweiz). In einer Medienmitteilung (20.04.2011) heißt es:

Abschaffung des Patientengeheimnisses

Unter dem Vorwand der Rechnungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle fordern Krankenversicherer Zugang zu allen Patientendaten. Das bedeutet die Abschaffung des Patientengeheimnisses. Erste Signale des BAG bei SwissDRG gehen in die gleiche Richtung. Dabei sind Kontrollen sehr wohl möglich, ohne den Datenschutz zu verletzen. Die FMH appelliert darum an BR [Bundesrat] Burkhalter, das Patientengeheimnis zu schützen.

Interessierte können über den Link auf der Seite der FHM weitere Informationen nachlesen.

www.fmh.ch: Medienmitteilung v. 20.04.2011

April 2011


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AKTUELL: Nummer 8/2011

Kinderschutzgesetz (Bund): Bei der zuständigen Ministerin Schröder setzt sich die Erkenntnis durch, daß eine Offenbarungspflicht für (Kinder-)ÄrztInnen kontraproduktiv ist.

(Teil IV)

Das geplante Bundesgesetz wird nach Aussagen der Ministerin Kristina Schröder keine Offenbarungspflicht der ÄrztInnen beinhalten, die einen Verdacht auf Mißbrauch kindlicher PatientInnen hegen. In einem Interview mit der Ärzte Zeitung (online v. 21.04.2011) sagte sie:

Wir haben über ein Jahr lang in einem sehr konstruktiven fachlichen Prozess unter Einbindung aller Akteure dieses Gesetz vorbereitet. Die "Befugnisnorm" im neuen Bundeskinderschutzgesetz legt nun fest, dass der Arzt das Jugendamt informieren kann, er muss es aber nicht.

Wäre es eine Pflicht, könnte das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Arzt so geschädigt werden, dass die Eltern nicht mehr mit ihrem Kind zum Arzt gehen. (...)

Jetzt kann das Jugendamt bereits dann informiert werden, wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Nach geltendem Bundesrecht ist dies nur möglich, wenn eine akute Gefährdungssituation für Leib oder Leben des Kindes dies dringend erfordert.

Was aber nicht übersehen werden darf: Vorrang hat immer das vertrauensvolle Gespräch des Arztes mit den Eltern. Der Arzt sollte bei den Eltern dafür werben, selbst im Rahmen ihrer elterlichen Erziehungsverantwortung die notwendigen Schritte zum Schutz des Kindes zu unternehmen.

Anmerkung: Erfreulich ist, daß sich die auch von mir vertretene Ansicht - (immer weitere) Einschränkungen der Diskretion & Schweigepflicht weder dazu geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in die Verschwiegenheit der von ihnen in Anspruch genommenen Berufsgruppen (hier: KinderärztInnen) zu stärken, noch die Sicherheit gefährdeter Kinder wesentlich zu verbessern - teilweise bei den ExpertInnen und bei der Ministerin durchgesetzt hat. Ob es eine Befugnisnorm tatsächlich braucht scheint mir allerdings nach wie vor keineswegs eindeutig. Zum Einen: Liegen "gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vor", handelt es sich also nicht um einen vagen Verdacht, dann stellt sich die Frage, ob nicht bereits "eine akute Gefährdungssituation für Leib oder Leben des Kindes" vorliegt - und damit die Voraussetzungen eines Bruches der Schweigepflicht (§ 203 StGB i.V.m. § 34 StGB). Zum Anderen: Sind Eltern und Kind PatientInnen der/s behandelnden Ärztin/Arztes, so besteht im Falle eines Anhaltspunktes für Mißhandlung eine besondere Garantenstellung gegenüber dem Kind - jedenfalls dann, wenn anzunehmen ist, daß weiter Mißhandlungen zu befürchten sind. In diesem Fall wäre auch - wenn der Mißbrauch anderweitig nicht zu verhindern ist - eben durch das ärztliche Gespräche oder eine Therapie der Eltern und/oder des Kindes - ein (angemessener) Bruch der Schweigepflicht möglich. Richtig ist aber, daß eine gesetzliche Befugnisnorm hier Rechtsklarheit schafft. Man sollte sich aber schon vor Augen führen, daß Verletzungen der Schweigepflicht durch ÄrztInnen (und Angehörige anderer verpflichteter Berufsgruppen) an der Tagesordnung sind - ohne daß es je zu einem Straf- oder berufsrechtlichen Verfahren käme. Liegen hingegen gute Gründe für die Verletzung der Schweigepflicht vor, so wäre - selbst für den Fall daß es zu einem Verfahren kommt - eine Verurteilung wenig wahrscheinlich.

Ärzte Zeitung (online): Interview mit der Bundesfamilienministerin (21.04.2011)

Archiv Kinderschutz: Teil I + Teil II + Teil III

April 2011


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AKTUELL: Nummer 7/2011

Vorsicht bei Facebook auf beruflich genutzten Rechnern von ÄrztInnen, (ärztlichen & nichtärztlichen) PsychotherapeutInnen und Angehörigen anderer schweigepflichtiger Berufsgruppen

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Dr. Johannes Caspar hat auf die Gefahr von Facebook-Funktionen auf Rechnern hingewiesen, die beruflich von schweigepflichtigen Berufsgruppen genutzt werden. Im Stiftungsbrief der Stiftung Gesundheit (2. Quartal 2011) schreibt er dazu unter der Überschrift "Vorsicht mit Patientenkontaktdaten bei Facebook":

Soziale Netzwerke boomen. Auch einige Ärzte und Vertreter anderer Heilberufe sind dort aktiv. Doch lauern dabei erhebliche und oft kaum erkennbare Gefahren für den Datenschutz. Insbesondere Facebook sammelt über sein "Freunde-Finder-Verfahren" gewaltige Datenmengen und berechnet daraus Beziehungsgeflechte. So wunderten sich schon mehrere Ärzte darüber, dass ihre Patienten Einladungen zu Facebook erhielten, in denen ihnen andere Patienten mit Name und Bild als "mögliche Bekannte, die schon auf Facebook sind" präsentiert wurden. Der Hintergrund: Die Ärzte hatten einen automatischen Abgleich ihres iPhone-Adressbuchs mit ihrem Account auf Facebook durchgeführt – Facebook nutzte die Daten für eigene Zwecke. Facebook sollte niemals Zugriff auf beruflich genutzte Adressbestände gewährt werden! Auch der Facebook "Like-Button" auf der eigenen Homepage ist bedenklich und wird gegenwärtig geprüft. Noch ist jedoch unklar, welche Daten darüber übertragen werden, daher ist auch hier Vorsicht geboten. Stiftungsbrief 2. Quartal 2011: 1)

In einem Artikel auf der folgenden Seite (Patienten-Informationen vor Facebook schützen. "Gefällt mir"-Button datenschutzrechtlich bedenklich), können weitere Informationen zu diesem Thema nachgelesen werden.

Anmerkung 1: Manchmal staunt der Laie und der Experte wundert sich - wer kommt auf die Idee, auf seinem Praxisrechner zu nutzen? Selbst in Praxen mit zahlreichen (ärztlichen und nichtärztlichen) MitarbeiterInnen sollte klar sein, wo die Grenze zwischen privater und beruflicher Nutzung von PCs verläuft - auch ohne daß es gleich um Vorfälle wie die hier geschilderten (Übermittlung von Patientendaten an Facebook) geht. Weiter ist allerdings auch davon abzuraten, Patientendaten auf einem ständig mit dem Internet verbundenen Rechner einzugeben und zu speichern.

Anmerkung 2 (16.06.2011): In meiner obigen Überlegung hatte ich noch gar nicht berücksichtigt, daß ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen eine berufliche Facebook-Seite einrichten könnten - eine Art Praxisseite. Aber das war nur eine Frage der Zeit - öffentlich bekannt wurde jetzt der Hausarzt Hans Joachim Schirner aus Langenfeld (Bayern), der wie er berichtet, gute Erfahrungen gemacht hat. M. E. gibt es neben den datenschutzrechtlichen Fragen (siehe oben) auch ein grundsätzliches Problem:

Im Bericht der Ärzte Zeitung (online): 14.06.2011 heißt es u. a.:

Mittlerweile hat Schirner sein Praxisprofil komplett freigeschaltet und Patienten können sich jetzt, wenn sie das mögen, an der Kommunikation auf der sogenannten "Pinnwand" beteiligen. "Das muss jeder natürlich für sich entscheiden, ob er offiziell auf meinem Profil erkennbar sein möchte."

Formaljuristisch, ist der Datenschutz und die Schweigepflicht hier nicht berührt (PatientInnen outen sich ggf. auf eigene Initiative). Dennoch halte ich es für ausgesprochen problematisch, wenn der geschützte ärztlich-therapeutische Raum (wenn auch nur partiell) geöffnet wird - wichtig erschiene mir hingegen der dezidierte Hinweis auf dessen Bedeutung und Schutzwürdigkeit, als Voraussetzung einer wirksamen Beziehung/Behandlung. Andernfalls wird unterschwellig ein mehrdeutiges (ambigues) Signal an PatientInnen gesendet.

Ich weise ja auch immer wieder darauf hin (das richtet sich nun in keiner Weise gegen Herrn Schirner), daß insbesondere niedergelassene ÄrztInnen in großer Zahl ihre Schweigepflicht brechen, wenn PatientInnen bei Anrufen in der Praxis den Namen und Teile der Krankengeschichte anderer PatientInnen mithören können oder Einblick in fremde Patientenkarteien (auf dem Tresen) oder fremde Daten auf dem PC-Bildschirm nehmen können. Vertraulichkeit, Diskretion und Schweigepflicht sind entgegen aller Bekundungen von ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen keineswegs immer Fundamente ärztlich-psychotherapeutischen Handelns!

Stiftung Gesundheit: www.stiftung-gesundheit.de

Stiftungsbrief 2. Quartal 2011

Ärzte Zeitung (online): 14.06.2011 (Bericht über die Facebook-Seite des Hausarztes Schirner)

April 2011


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AKTUELL: Nummer 6/2011

Volkszählung 2011

Nach 1987 (BRD) und 1981 (DDR) ist die Volkszählung 2011 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die erste vollständige Erhebung im heutigen Bundesgebiet. Da man sich seit den damaligen Zählungen bei der Ermittlung der aktuellen amtlichen Einwohnerzahl mit dem Statistischen Verfahren der Bevölkerungsfortschreibung beholfen habe, seien diese in der Zwischenzeit ungenau (Quelle: Statistisches Bundesamt 2011).

Anders als häufig in der Öffentlichkeit und in den Medien dargestellt sind keineswegs nur 10% der Bevölkerung von der Volkszählung 2011 betroffen. Tatsächlich geht es um drei Ebenen der Datenerfassung bzw. der Datenübermittlung an das Statistische Bundesamt:

1. Ebene

alle Meldeämter, die Agentur für Arbeit und die nach dem Finanz- und Personalstatistikgesetz auskunftspflichtigen Stellen, das Bundesverteidigungsministerium (im Ausland befindliche Soldaten und andere für die Bundeswehr Tätige), das Bundesinnenministerium (im Ausland befindliche Polizeiangehörige, Geheimdienstler usw.), das Auswärtige Amt (im Ausland befindliche Diplomaten usw.) übermitteln sämtliche Daten der gemeldeten bzw. erfassten Personen (Verknüpfung über Ordnungsnummern) - Stichtag: 1.11.2010 (bereits erfolgt!)

2. Ebene

alle Wohnungs- bzw. HauseigentümerInnen werden befragt (Fragebögen); ca. 17,5 Millionen Menschen
Stichtag: 9. 05. 2011

3. Ebene

repräsentative Stichprobe von bis zu 10% des ermittelten Personenkreises, die detailliert befragt werden; ca. 7,9 Millionen Menschen (per Zufallsverfahren) - Stichtag: 9.05.2011

4. Ebene

Sonderbereich-Befragungen: Befragung aller BewohnerInnen/Insassen in/von Internaten, Studentenwohnheimen, Klöstern, Seniorenwohnheimen, Behindertenwohneinrichtungen, Gefängnissen, psychiatrischen Kliniken, Obdachlosenunterkünfte. Erfragt werden Daten die zum Abgleich mit den Auszügen aus den Melderegistern notwendig sind.

Falls die Betroffenen nicht in der Lage sind, den Fragebogen selber auszufüllen, dürfen die EinrichtungsleiterInnen die Beantwortung der Fragen vornehmen.

Es wird unterschieden in 'sensible' und 'nicht-sensible' Sonderbereiche. Bei nicht-sensiblen Sonderbereichen erfolgt die Befragung durch Volkszähler. Und für sensible Bereiche werden besonders geschulte Volkszähler eingesetzt, die nicht die einzelnen Personen sondern den Anstaltsleiter befragen und dort Einblick in Akten erhalten, ohne dass personalisierte Details in die Beantwortung der Fragebögen einfließen dürfen (Quelle: Zensus11-Stoppt die Vollerfassung)

Stichtag: 9.05.2011

Art der erfragten/übermittelten Daten: Eine Übersicht der erhobenen Daten (und ihrer jeweiligen Quelle) finden sie bei der Aktion Zensus11-Stoppt die Vollerfassung, eine Initiative des AK Vorratsdatenspeicherung, (Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern. und Internetnutzern der in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen überparteilich und unabhängig agiert).

Ein Ziel der Volkszählung besteht darin, eine umfassende und nahezu vollständige Adress-, Wohnungs- und Gebäude-Datenbank zu erstellen, die mit allen erfragten und abgerufenen Daten angereichert wird. Wer sich gegen die Erhebung von Daten wehrt (also Fragebögen nicht ausfüllt, den VolkszählerInnen keine Auskunft gibt) begeht keine Straftat, aber eine Ordnungswidrigkeit, die ein Bußgeld nach sich ziehen kann.

Eine Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus wurde vom Bundesverfassungsgericht  (Beschluss v. 21.09. 2010) nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat in seinem gerade veröffentlichten 23. Tätigkeitsbericht erhebliche Bedenken gegen die Volkszählung 2011 angemeldet (S. 95f). Die Aktion Zensus11-Stoppt die Vollerfassung (AK Vorratsdatenspeicherung) hat die entsprechenden Aussagen (Tätigkeitsbericht und Innenausschuss-Wortprotokoll  vom 20.4.2009 bei dem es um den Gesetzentwurf des Zensusgesetzes) in Auszügen wiedergegeben.

Aktion Zensus11-Stoppt die Vollerfassung: http://zensus11.de

Flyer des AK Vorratsdatenspeicherung: Informationen über den Zensus

Statistisches Bundesamt: www.zensus2011.de

April 2011


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AKTUELL: Nummer 5/2011

Änderung der Beihilfeverordnung Bayern (BayBhV): Einführung der Pseudonymisierung der Patientendaten im Gutachterverfahren Psychotherapie

In Gesprächen mit dem Bayerischen Finanzministerium hat sich die Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten für eine Verbesserung des Datenschutzes im Beihilfeverfahren eingesetzt. Das hat nun erfreulicherweise zu einer Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) geführt. Damit wird Pseudonymisierung der Patientendaten im Gutachterverfahren Psychotherapie verbindlich (Art. 9 Abs. 2 Nr. 3 der neuen Fassung).

§ 9 (Allgemeine Abrechnungsgrundlagen für psychotherapeutische Leistungen)

(2) Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen, die zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren gehören und nach den Abschnitten B und G der Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet werden, sind beihilfefähig, wenn

1.

sie der Feststellung, Heilung oder Linderung von seelischen Krankheiten nach Abs. 1 dienen, bei denen Psychotherapie indiziert ist,

2.

nach einer biographischen Analyse oder Verhaltensanalyse und gegebenenfalls nach höchstens fünf, bei analytischer Psychotherapie bis zu acht probatorischen Sitzungen die Voraussetzungen für einen Behandlungserfolg gegeben sind und

3.

die Festsetzungsstelle vor Beginn bzw. Verlängerung der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf Grund eines auf einem pseudonymisierten Bericht der Therapeutin bzw. des Therapeuten beruhenden vertrauensärztlichen Gutachtens zur Notwendigkeit und zu Art und Umfang der Behandlung anerkannt hat.

Satz 1 gilt nicht für psychotherapeutische Behandlungen im Rahmen von stationären Krankenhaus- oder Rehabilitationsbehandlungen. Für das Erstellen von Gutachten nach Satz 1 Nr. 3 benennt das Staatsministerium der Finanzen geeignete Gutachterinnen und Gutachter und gibt diese durch Verwaltungsvorschrift bekannt.

Wie mir der Justitiar der Kammer mitgeteilt hat werden nach Information des Finanzministeriums die entsprechend überarbeiteten Formblätter in Kürze vorliegen. Die Regelungen zur Psychotherapie (Art. 9 ff. BayBhV) wurden im Rahmen der Novelle der Verordnung umfassend überarbeitet. Die neue Fassung der BayBhV sind über die Webseite der Bayerischen Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Wir über uns / Rechtsvorschriften / Sonstige Rechtsquellen) abrufbar. Den direktem Link finden Sie unten.

Anmerkung: Die von mir Ende 2009 eingereichte Petition hat bis heute kein Ergebnis. Sie ist nach wie vor in Bearbeitung, ohne daß ich bisher eine inhaltliche Rückmeldung erhalten hätte.

Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (letzte berücksichtigte Änderung: mehrfach geändert; F. v. 11.3.2011, 130)

www.ptk-bayern.de (Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten)

April 2011


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AKTUELL: Nummer 4/2011

Diskussion zur Regelung des Zugriffs auf sensible Patientendaten durch die Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen auf der Gesundheits-IT-Messe (conhIT) in Berlin (5.-7.04.2011)

Auf der Gesundheits-IT-Messe (conhIT) in Berlin wurde über zwei Arbeitspapieren der Konferenz der Datenschutzbeauftragten diskutiert. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Regelung des Zugriffs auf sensible Patientendaten durch die Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen - speziell beschäftigten sich die Datenschützer mit Klinikinformationssystemen (KIS). Bei einer stichprobenartigen durchgeführten Überprüfung hatte sich gezeigt, daß in einzelnen Einrichtungen MitarbeiterInnen auf sämtliche (aktuelle und alte) Patientendaten zugreifen konnten. Daher empfehlen sie (auch für andere Einrichtungen, z. B. Gemeinschaftspraxen, MVZs), ein Nutzer- und Zugriffsmanagement einzurichten. Neben der Identifizierung von MitarbeiterInnen, sollen nur diejenigen auf entsprechende Patientendaten zugreifen dürfen, die an der Behandlung unmittelbar beteiligt sind. Krankenhäuser und IT-Industrie reagierten kritisch auf die Stellungnahmen der Datenschützer - so wies der Vorsitzender des Bundesverbands Gesundheits-IT (Andreas Lange), daraufhin, daß zuviel Datenschutz problematische Folgen für die medizinische Versorgung haben könne. Aus seiner Sicht müßte die Patientensicherheit Vorrang vor dem Datenschutz haben.

Den Bericht von Philipp Grätzel von Grätz: "Patientendaten sind hochsensible Informationen, die geschützt werden müssen. Datenschützer empfehlen medizinischen Einrichtungen daher ein umfassendes Nutzer- und Zugriffsmanagement innerhalb ihrer EDV-Struktur" finden Sie in der Ärzte Zeitung (online) v. 07.04.2011.

Anmerkung: Die von den Datenschützen geforderten Regelungen sind eine Selbstverständlichkeit - es ist weder neu noch überraschend, daß (nicht nur im Bereich des Datenschutzes und der Schweigepflicht) ausreichende Regelungen existieren, an die sich viele Zeitgenossen nicht halten: Wo kein Kläger, da kein Richter!

Ärzte Zeitung (online)

April 2011


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AKTUELL: Nummer 3/2011

eGK: Ausgabe der ersten Karten an Versicherte und Pauschalen der KVen zum Erwerb onlinefähiger Lesegeräte

(Teil XIV)

Der Rollout der eGK nimmt durch den auf die Gesetzlichen Krankenkassen ausgeübten (finanziellen) Druck Gestalt an. Die Aktion "Stoppt die e-Card" informiert über den derzeitigen Stand des Projekts (E-Mail v. 8.04.2011). Brisant ist dabei insbesondere die ganz aktuelle Frage der Anschaffung neue Lesegeräte durch niedergelassene VertragsärztInnen und vertragsärztliche PsychotherapeutInnen:

Liebe Praxisärztinnen und Praxisärzte,

Sicher haben auch Sie in den letzten Wochen immer dringendere Aufforderungen von Seiten Ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen bekommen, sich jetzt unverzüglich ein neues Kartenlesegerät anzuschaffen. Es sei damit zu rechnen, dass ab dem 4. Quartal 2011 Einzelne Ihrer Patienten mit neuen „elektronischen Gesundheitskarten“ in Ihrer Praxis erscheinen werden.

Wie ist die Lage? Müssen Sie sich neue Kartenlesegeräte zulegen?

Durch eine Gesetzesänderung in 2011 werden die Krankenkassen jetzt genötigt, „Elektronische Gesundheitskarten“ an 10% ihrer Versicherten ab 01.10.2011 auszugeben. Anderenfalls drohen Millionenstrafen. Nur so konnten die Krankenkassen gezwungen werden, die seit 2006 überfällige neue Karte auszugeben, obwohl sie nach dem Scheitern aller Tests nicht mehr wirklich vom Projekt überzeugt sind. Die erzwungene Ausgabe der „Elektronischen Gesundheitskarten“ soll bis ca. Ende 2013 erfolgen. Für einige Jahre wird es also noch parallel alte und neue Karten geben. Sie müssen ab dem 4. Quartal 2011 nur in der Lage sein, die neuen Karten mit Ihrem Lesegerät auszulesen. Eine Onlineanbindung Ihrer Praxis wird noch lange nicht nötig sein. Und wir hoffen, dass dies auch auf Dauer verhindert werden kann. Man rechnet damit, dass die erste „ Onlineanwendung“, die geplante elektronische Verwaltung der Daten Ihrer Versicherten in Ihrer Arztpraxis frühestens ab 2014 oder 2015 beginnen kann. Wenn überhaupt!

Der „Deutsche Ärztetag“ 2011 hat die e- Card und die Onlinestammdatenverwaltung in den Praxen abgelehnt!

Wir hoffen also noch, dass sich hier Ärzte, Patienten- und Bürgerrechtsverbände endgültig durchsetzen können. Was also ist bis dahin nötig? Ihre Praxis muss nur ein einfaches Kartenlesegerät vorhalten, mit dem Sie die alte KVK und die neue e- Card auslesen können.

Sie brauchen also jetzt kein „onlinefähiges“ Gerät!

Alle Experten gehen überdies davon aus, dass in 3-4 Jahren die jetzt in 2011 eingebauten teuren onlinefähigen „BCS e- health“ Terminals bereits technisch überholt sein werden. Sie müssen also damit rechnen, in 2014 oder 2015 erneut ein technisch weiter entwickeltes Kartenlesegerät kaufen zu müssen, welches dann sicherlich nicht noch einmal von den Kassen bezahlt werden wird.

Gibt es denn einen Grund, dass man sich die neuen Kartenlesegeräte nicht von den Krankenkassen bezahlen lassen soll?

Ja. Es ist wenig bekannt, dass es schon seit 2008 einen Bundesmantelvertrag Ärzte (BMÄ 2008) gibt. Schon damals haben Kassen und die KBV geplant, den Arztpraxen die Verwaltungsarbeit für die Stammdaten aufzuzwingen.

Wenn Sie sich also jetzt die onlinefähigen sogenannten „BCS e-health “ Kartenlesegeräte schenken lassen, wird man Sie später deutlich leichter verpflichten können, die zeitraubende, minutenlange (!) „Stammdatenaktualisierung“ der Daten Ihrer Patienten (Statuswechsel, Adressänderungen etc.) online am Tresen Ihrer Arztpraxen vorzunehmen.

Es ist auch eine Frage des politischen Widerstandes der Ärzteschaft, ob sich die Praxen dem Druck beugen oder nicht. Der bisherige Widerstand von Ärzten und Patienten hat schon jetzt dazu geführt, dass das Projekt insgesamt „ abgespeckt wurde bis aufs Gerippe“. Dieser erfolgreiche Weg sollte weiter beschritten werden!

Welche Geräte sollten Sie jetzt anschaffen?

Wir empfehlen Ihnen, wenn Sie es nicht zufällig schon besitzen sollten, ein sogenanntes MKT+ Terminal (Multikartenterminal) zu nehmen. Diese wurden 2009 für die e-Card zertifiziert. Sie lesen die alten und die neuen Karten aus, sind aber nicht onlinefähig. Damit sind sie nicht geeignet, um Ihr Praxisdatensystem an die Computeranlagen der Krankenkassen anzubinden. Und genau das wollen auch die meisten Arztpraxen nicht, und in diesem Sinne ist z.B. das MKT + Kartenlesegerät von der Firma Cherry MKT + ST- 2052 für den geringen Preis von 60 Euro geeignet. Weitere MKT + Terminals finden Sie in unter gematik.de. Bestehen Sie gegenüber Ihrer Softwarefirma auf den Anschluss eines solchen MKT+ Kartenlesegerätes, das allerdings nicht bezuschusst wird! Aber das sollte Ihnen die Sicherheit Ihrer Praxisdaten wert sein.

Arbeitet die Aktion „Stoppt die e- Card „weiter?

Ja, die bundesweite Bürgerinitiative aus inzwischen 48 Verbänden und Organisationen wird weiter versuchen, dieses unsinnige, teure und gefährliche Projekt der Datenverlagerung aller Krankheitsdaten in große Internetstrukturen zu verhindern. Wir werden Sie auch weiter auf dem Laufenden halten.

Dr. med. Silke Lüder

Gabi Thiess, Patientenvertreterin

Kai-Uwe Steffens, AK Vorratsdatenspeicherung

Dr. Manfred Lotze, IPPNW

Anmerkung 1: Ich teile die Bedenken und Forderungen der Aktion. Allerdings bin ich nicht so sicher, daß der Erwerb eines onlinefähigen Lesegeräts tatsächlich (im Unterschied zur Anschaffung eines Geräts, das nicht online gehen kann) dazu führen wird, daß "man (...) später deutlich leichter verpflichte(n)t" werden kann, die Stammdatenaktualisierung online vorzunehmen. Vermutlich wird diese über kurz oder lang - und trotz aller anderslautender Bekundungen von 'Freiwilligkeit' - verpflichtend eingeführt werden. Und das sicherlich ganz unabhängig von der Frage der bis dahin in der jeweiligen Praxis eingesetzten Kartenlesegeräte.

Anmerkung 2: Die "Freie Ärzteschaft" ruft (Stand 27.03.2011) dazu auf das "Chaosprojekt" zu boykottieren -  nach der jüngsten Änderungsverordnung zur e-Card von Januar 2011 sei diese lediglich noch für Notfalldaten (offline!) und den Versichertenstammdatendienst (VSD) geeignet: "Aber selbst diese beiden Anwendungen sind noch in jahrelanger Ferne, weil am Wiederanfang der Planungsphase!" Die Freie Ärzteschaft empfiehlt daher (auch im Hinblick auf die hohen Kosten der onlinefähigen Geräte und die dadurch verbrauchten Versichertengelder) nicht-onlinefähige Geräte anzuschaffen, mit denen sowohl die alten wie auch die neuen Karten gelesen werden können (z. B. MKT für ca. 65 Euro). Auch könnten viele bisher verwendete Geräte die neue eGK lesen (www.freie-aerzteschaft.de). Das zitierte Dokument (Wollen Sie als Arzt oder Ärztin wirklich zur Außenstelle der Krankenkassen werden?) finden sie unter www.diekrankheitskarte.de.

Anmerkung 3: Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online (13.04.11) wirft "die schleppende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte" nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar datenschutzrelevante Fragestellungen auf. In seinem Tätigkeitsbericht 2009/10 kritisiert er die u. a. die geplante Verschlüsselungstechnik. "Die bisher ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten der Generation 1 sind mit einer Verschlüsselungstechnologie ausgestattet, deren Kryptoalgorithmen nach der maßgeblichen BSI-Richtlinie TR-03116 bis zum Jahr 2015 zulässig sind". Da sowohl die Kassen wie auch die Industrie aus betriebswirtschaftlichen Gründen von einer Mindestlaufzeit der Versichertenkarten von 5 Jahren rechneten müssten bereits Versichertenkarten der Generation 2 ausgegeben werden. Nach Ansicht von Schaar sei nun mit einer Verlängerung der Algorithmen-Laufzeit bis 2017 zu rechnen.

Rundfax (pdf-Datei): Aktion „Stoppt die e- Card" informiert (8.04.2011)

www.stoppt-die-e-card.de

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII

April 2011


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AKTUELL: Nummer 2/2011

Einsatz von Call-Centern in der ärztlichen und psychotherapeutischen Praxis: Verstoß gegen die Schweigepflicht

Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche seltsamen Blüten der Einsatz moderner Kommunikationsmittel - in Verbindung mit einer zunehmend arbeitsteiligen, überwiegend auf Leistung, Effektivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Welt -  treibt. Das betrifft zunehmend auch den ärztlich-psychotherapeutischen Bereich. Neuerdings bietet etwa die im Ausland (Großbritannien: Fareham, südwestlich von London) ansässige Firma cSc (call Service center) an, das Praxispersonal von berufsfremden Aufgaben ("nicht berufsbezogen", "Telefonistin") zu entlasten. Die Vorteile eines solchen Vertrages böten "ein großes Einsparpotential (...), beispielsweise durch einen verbesserten Personaleinsatz und durch eine absolute Erreichbarkeit  der Arztpraxis, auch in den Zeiten in denen die Praxis nicht besetzt ist". Weiter heißt es:

Darüber hinaus bieten wir Ihnen eine zuverlässige und aktive Terminverwaltung an. Ihre Patienten rufen in Ihrer Praxis an, und das Gespräch wird automatisch auf unseren Telefonservice umgeleitet. Wir halten die Anliegen Ihrer Patienten fest und notieren Termine, Terminverlegungen und Terminabsagen sowie Rezept und / oder Überweisungswünsche (Ziatat aus der E-Mail-Werbung 12.02.11, 18:35).

Schon die Begründung, die es handle sich bei der Annahme von Telefonaten und Terminvergabe um eine nicht berufsbezogene Tätigkeit ist absurd. Gerade der Telefonkontakt (die Herstellung und das Halten einer Beziehung) ist eine der zentralen Aufgaben des Praxispersonals. Dabei ist nicht entscheidend, ob es (nur) um einen Termin, Überweisungsschein oder Rezept geht, oder das aktuelle Leiden (körperliche und/oder psychische Beschwerden) mitgeteilt wird.

Nach meiner Ansicht verstoßen ÄrztInnen und nichtärztliche PsychotherapeutInnen, die einen entsprechenden Vertrag mit einer solchen Firma schließen, gegen die Schweigepflicht. PatientInnen müßten zuvor aufgeklärt werden, daß sie mit einer externen (nicht der Praxis zugehörigen Stelle bzw. Person/en) sprechen und ihre jeweilige Zustimmung erteilt haben - genau das ist (bei neuen PatientInnen) aber unmöglich. Bereits die Tatsache, daß PatientInnen einen Termin vereinbaren möchten stellt ein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB dar, das entsprechend gewahrt werden muß. Hinzu kommt, daß meist und gerade schon im Erstkontakt dem Praxispersonal höchst intime Informationen anvertraut werden - im Vertrauen auf den geschützten Raum der Praxis bzw. die Schweigepflicht der ÄrztInnen, ärztlichen/nichtärztlichen PsychotherapeutInnen und des jeweiligen Praxispersonals!

Man muß kein Prophet sein um zu prognostizieren, daß solche Firmen bzw. Angebote auf dem Vormarsch sind. Ich werde daher mit den zuständigen Stellen für den Datenschutz Kontakt aufnehmen.

Bespiel für eine entsprechendes Dienstleistungsangebot: cSc call Service center (www.scs-europa.de)

Februar 2011


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AKTUELL: Nummer 1/2011

Kodierrichtlinien: Konflikt mit dem Bundesdatenschutzgesetz?

Über die Pressemeldung der Bürgerinitiative Gesundheit: Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e. V. (DGVP) wurde ich auf eine datenschutzrechtliche Frage im Zusammenhang der Einführung der ambulanten Kodierrichtlinien (ÄrztInnen und nichtärztliche PsychotherapeutInnen im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung) aufmerksam. Die DGVP weist darauf hin, daß mit den Richtlinien deutlich mehr Diagnosedaten erhoben, verarbeitet und übermittelt werden, als dies bisher der Fall ist. Aus der Sicht der Gesellschaft widerspricht dies § 3a des Bundesdatenschutzgesetzes: Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl und Gestaltung von Datenverarbeitungssystemen sind an dem Ziel auszurichten, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen.

Weiter schreibt die DGVP: "Bereits jetzt existieren gemeinsame geheime Datenbanken der Versicherungsgesellschaften (Uni-Wagnis-Datei bzw. HIS = Hinweis- und Informationssystem), in der gesundheitliche Probleme von Versicherten und Patienten gespeichert werden." (Presseinformation 01/2011: 2)

Anmerkung 1: Wenn sich die Datenmenge durch die Kodierung tatsächlich deutlich erhöht, so scheint der Einwand der DGVP berechtigt. Genau das wird aber von der KBV in ihrer Broschüre Klartext bestritten, unter der Überschrift "Schutz vor Datenmissbrauch" heißt es:

Die Anzahl der Diagnosen, die der Arzt oder Psychotherapeut an die GKV weiterleiten muss, verringert sich durch die Anwendung der AKR. Denn diese sehen vor, dass die Praxis nur noch die Diagnosen weitergibt, wegen derer der Patient im jeweiligen Quartal behandelt wurde. „Eine bereits therapierte Gastritis oder ein vor Jahren kodierter Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit bleiben beim Arzt und werden nicht mitgeschickt, sofern sie für die Behandlung im aktuellen Abrechnungsquartal nicht von Bedeutung waren. Dies bietet einen weiteren Schutz vor Datenmissbrauch“, betont Köhler. Darüber hinaus entscheide weiterhin der Arzt oder Psychotherapeut, welche Diagnosen er an die Krankenkassen weiterleitet. Der Arzt oder Psychotherapeut solle zunächst prüfen, für welche Diagnosen im abzurechnenden Quartal überhaupt Leistungen erbracht wurden und ob er diese nach den gültigen medizinisch-wissenschaftlichen Grundsätzen bereits sichern konnte. „Nicht der Kode bestimmt die Diagnose oder das Handeln des Arztes, sondern umgekehrt. Ist eine Diagnose zum Beispiel noch recht diffus, wird der Arzt auch eine weniger spezifische ICD-Schlüsselnummer auswählen“, erklärt Köhler.

Im Zusammenhang der Problematik des absolut ungenügenden Schutzes höchst intimer Daten bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen bei den Privaten Krankenkassen (PKV) habe auch ich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Datensparsamkeit hingewiesen - die von mir Ende 2009 eingebrachte Petition ist seit etwa einem Jahr in Bearbeitung ohne daß ich bisher eine inhaltliche Rückmeldung erhalten hätte. Allerdings ist das Problem ein sehr grundsätzliches: Der zunehmende 'Datenhunger' verschiedenster privater und öffentlicher Institutionen wird flankiert von einer zunehmenden Bereitschaft von Privatpersonen, freiwillig und gewollt personenbezogene Daten zu veröffentlichen (partiell oder vollständig) - bis hin zur Tendenz von Privatpersonen Daten Dritter ohne deren Wissen und/oder Einwilligung ins Netz zu stellen. Hier scheint ein Zeitgeist am Werke, dem kaum beizukommen ist.

Anmerkung 2: Wenn sich die DGVP über "geheime Datenbanken" mit Versichertendaten ausläßt so ist das solange unseriös, wie sie keine entsprechenden Fakten auf den Tisch legt. Gäbe es solche Datenbanken, wäre das ein Skandal und würde staatsanwaltliche Ermittlungen nach sich ziehen müssen.

Ergänzung 1: In einem Bericht der Ärztezeitung online: Greift die Kodierung in den Datenschutz ein? (13.01.2011 - Zitate aus dem Bericht in blau) äußern sich Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach (Präsidenten der Landesärztekammer Hessen-LÄKH) und Dr. Thilo Weichert (Landesbeauftragter für Datenschutz in Schleswig-Holstein) über die datenschutzrechtlichen Fragen. Die LÄKH sieht erhebliche datenschutzrechtliche Schwierigkeiten und lehnt die Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) ab, da diese "durch die Verschlüsselungstiefe in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient eingreifen" würden. Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach wird mit den Worten zitiert: "Es ist vorstellbar, dass beispielsweise der Abschluss einer Lebensversicherung verweigert wird, weil der Versicherer Einsicht in detaillierte Behandlungsdaten erhalten hat. Ähnliche Schwierigkeiten können sich bei dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung, einer Haftpflichtversicherung oder bei Einstellungen und Verbeamtungen ergeben." Dr. Thilo Weichert äußert sich dazu kritisch: Das Argument hinsichtlich entstehender Probleme beim  Abschluss von Versicherungen hält er für Unsinnig, weil die Daten lediglich an die Krankenkassen und KVen übermittelt würden und nicht an Dritte weitergegeben werden dürften. Und auch, wenn dies mit Einwilligung der PatientInnen geschehe, beträfe das lediglich Diagnosen, nicht aber Abrechnungsdaten und überdies sei der Grundsatz der Datensparsamkeit zu berücksichtigen: "Was Ärzte weitergeben, liegt also in ihrem Ermessen. Sie müssen keine Auskunft in die Tiefe geben", so Weichert. Er habe zwar ein gewisses Verständnis für die vorgebrachten Argumente, verstehe aber die große Aufregung nicht.

Presseinformation Nr. 01/2011 der DGVP v. 5.01.2011

Klartext. Das Magazin der KBV: Ausgabe v.  1.01.2011

Ärztezeitung online (13.01.2011): Greift die Kodierung in den Datenschutz ein?

Januar 2011


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2011


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AKTUELL: Nummer 43/2010

Akteneinsichtsrecht versus Auskunftsanspruch bei Patientenunterlagen

(Teil I)

Auf eine wichtige Rechtsfrage wurde ich von einem (ärztlichen) Kollegen hingewiesen. Ein Patient hatte  - mit der Begründung, er wolle sich einen vollständigen Überblick über seine Behandlungen verschaffen - einen Rechtsanwalt beauftragt, um vollständige Auskunft über die bei dem Kollegen über ihn gespeicherten Akten und Daten zu erhalten. Erfragt wurde dabei alle Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse, körperliche und geistige Eigenschaften, Medikation, Operationsberichte, durch medizinische Apparatur gewonnene Datensätze, Urkunde, Aufzeichnungen und Befunde, Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen sowie Angaben zur Herkunft, zum Zweck der Speicherung der Daten und zu etwaigen Empfängern der Daten. Zur Übermittlung wurden Fotokopien angefordert. Der Rechtsanwalt begründete des Auskunftsanspruch aus dem Behandlungsvertrag und mit § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).

Der Kollege erklärte sich in einem Schreiben an den Rechtanwalt bereit, die entsprechenden Kopien zu übersenden, stellte jedoch mit Verweis auf (die von mir auf dieser Seite zitierte Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht) Kosten in Höhe von 50 Euro (89 Kopien) in Rechnung.

Der Rechtsanwalt zeigte sich hingegen in seiner schriftlichen Antwort lediglich zur Begleichung der Portokosten bereit und begründete seine Haltung mit § 34 Abs. 8 BDSG nach welchem die Auskunft unentgeltlich zu erfolgen habe.

In einem weiteren Schreiben des Kollegen teilte er dem Rechtanwalt mit, daß die zuständige Ärztekammer seine Auffassung teile und verwies auf meine Ausführungen (unter Akteneinsicht):

Herausgabe von Unterlagen: Die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen kann durch Einsicht oder die Herausgabe entsprechender Kopien erfolgen. Die Herausgabepflicht bezieht sich grundsätzlich nicht auf die Originalurkunden sondern Kopien oder ggf. Abschriften derselben (vgl. AG Hagen 25.8.1997: 10 C 33/97). Soweit ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen ein Kopieren nicht ohne weiteres möglich ist, können PatientInnen darauf verwiesen werden, diese selbst anzufertigen (vg. OLG Köln, 12.11.1981: 7 U 96/81).

Kopierkosten:  Pro Seite dürfen je nach Aufwand (Fertigung der Kopien) maximal 50 Cent verlangt werden (Richtwert 30-50 Cent); der weitere Arbeitsaufwand (Heraussuchen der Akten  etc.) kann nicht berechnet werden (vgl. AG Düsseldorf, 7. 11. 2003: 23 C 11795/03; AG Frankfurt 16.10.1998: 30 C 1340/98; OLG Köln, 12.11.1981: 7 U 96/81).

Der Rechtsanwalt antwortete hierauf, die zitierte Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil ein Auskunftsanspruch gemäß § 34 BDSG geltend gemacht werde, der unentgeltlich sei. Eine Entgeltlichkeit sei nur unter den in § 34 Abs 8 Sätze 3-5 BDSG gegeben. Der vertretene Mandant habe nicht seine vertraglichen Akteneinsichtsrechte (§§ 611, 242 BGB), sondern einen von Gesetzes wegen bestehenden Auskunftsanspruch geltend gemacht.

Anmerkung: Es erscheint tatsächlich fraglich, ob bei einem Auskunftsbegehren nach § 34 BDSG Kosten für angefertigte Kopien verlangt werden können. Weiter ist fraglich, ob der Betroffene auf die Möglichkeit verwiesen werden kann, "sich im Rahmen seines Auskunftsanspruchs persönlich Kenntnis über die ihn betreffenden Daten und Angaben zu verschaffen" (§ 34 Abs. 9 BDSG), also etwa durch Einsichtnahme der Akten bzw. Daten in der Praxis. Denn Absatz 9 bezieht sich nur auf besondere Fälle: "Werden die personenbezogenen Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung gespeichert, kann der Betroffene einmal je Kalenderjahr eine unentgeltliche Auskunft in Textform verlangen. Für jede weitere Auskunft kann ein Entgelt verlangt werden, wenn der Betroffene die Auskunft gegenüber Dritten zu wirtschaftlichen Zwecken nutzen kann". Da die Frage in Zukunft von einiger praktischer Bedeutung sein dürfte (Anfragen von PatientInnen und beauftragten RechtsanwältInnen werden vermutlich zunehmen), habe ich beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz Peter Schaar (Bonn) angefragt, wie er die Rechtslage in dieser Angelegenheit sieht.

Archiv: Teil II

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 42/2010

Hoppe: "Ärzte dürfen nicht länger Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse sein" (Pressemitteilung BÄK v. 17.12.2010)

Pressemitteilung der Bundesärztekammer:

Berlin, 17.12.2010

Zum heutigen Votum des Bundesrates für ein „Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozess“, erklärt der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe:

„Patienten müssen mindestens die gleichen Rechte haben wie Mandanten, wenn es um den Schutz ihrer Privatsphäre geht. Sie müssen ihren Ärzten rückhaltlos offenbaren können, was ihre Beschwerden sind und sie müssen ohne jeden Vorbehalt darauf vertrauen können, dass dabei die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt hat die Politik in Frage gestellt, indem sie Ermittlungsbehörden den Lauschangriff auch auf Ärztinnen und Ärzte ermöglicht hat. Mit der heutigen Entscheidung des Bundesrates hat die Politik die Chance vertan, nicht nur Rechtsanwälte vor solchen Ermittlungsmaßnahmen zu schützen, sondern auch Ärzte und ihre Patienten.

Das Gesetz hat zu einem „Zwei-Klassen-System“ von Berufsgeheimnisträgern geführt. Für Ärztinnen und Ärzte gilt nur ein relativer Vertrauensschutz. Sie werden damit schlechter gestellt als Geistliche, Parlamentarier und nun auch Rechtsanwälte, die aus gutem Grund einen absoluten Schutz vor Lauschangriffen genießen. Diese Gründe gelten aber mindestens im gleichen Maße auch für Ärzte. Denn wenn über die Zulassung einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme im Einzelfall entschieden wird, müssen Patienten immer damit rechnen, dass sensible Informationen über sie nach außen dringen können. Das belastet die Vertrauensbeziehung zwischen Ärzten und Patienten.

Wir Ärztinnen und Ärzte dürfen deshalb nicht länger als Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse behandelt werden. Wir appellieren an Bund und Länder, die grundgesetzlich geschützte Arzt-Patienten-Beziehung nicht länger zu gefährden und auch Ärzte umfassend vor Lauschangriffen zu schützen.“

Dem ist inhaltlich nichts hinzuzufügen. Allerdings vergißt Hoppe, daß die vertragsärztliche Versorgung auch von anderen Berufsgruppen (Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen) erbracht wird die insoweit ebenfalls einbezogen werden müssen. Weitergehend sollte der im Interesse von KlientInnen und PatientInnen liegende Schutz der Vertrauensbeziehung für alle in § 203 Strafgesetzbuch (Schutz von Privatgeheimnissen) genannten Berufsgruppen und Tätigkeiten gelten.

Pressemitteilung der BÄK: 17.12.2010

Deutscher Bundestag - Drucksache 17/2637 (22. 07. 2010): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht

Bundesrat (TOP 9 - 17.12.10 ): Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 41/2010

RISKID: Dateibasiertes elektronisches Informationssystem für ÄrztInnen (speziell Kinder- und JugendärztInnen)

Das Projekt RISKID ist aus einer Initiative des Duisburger Kinder- und Jugendarztes Dr. Ralf Kownatzki und dem Kriminalbeamten Heinz Sprenger (Leiter des für Gewaltdelikte zuständigen Kommissariats in Duisburg) entstanden. RISKID funktioniert wie eine virtuelle Großpraxis, in der viele ÄrztInnen Informationen zu Mißbrauchsfällen (oder entsprechenden Verdachtsmomenten) ausgetauscht werden können. Die Webseite www.riskid.de beschränkt sich nicht auf den Duisburger Raum, sondern bezieht das gesamte Bundesgebiet mit ein. Das Projekt dient der (wie die Initiatoren betonen: rechtzeitigen) "Erfassung von Kindern, deren Symptome den Verdacht auf körperliche oder seelische Misshandlung, auf schwere Vernachlässigung oder auf sexuellen Missbrauch lenken". Mit RISKID können sich ÄrztInnen, insbesondere bei vorausgehendem Arztwechsel über etwaige Vorbefunde informieren. Zur Schweigepflicht heißt es:

Unter dem Schirm der ärztlichen Schweigepflicht wird es Ärzten ermöglicht, sich gegenseitig über Befunde und Diagnosen zu informieren. Voraussetzung für diesen Informationsaustausch ist, dass Ärzte zuvor das Anmeldeverfahren bei RISKID durchlaufen haben und zugelassen sind.

(...)

Bei der jetzt vorliegenden Version für die deutschlandweite Anwendung erfolgt anders als beim ursprünglichen Duisburger Pilotprojekt zunächst eine Anfrage an das System, ob ein Kind, das als Patient neu angemeldet wird, bereits vorher von einem anderen Arzt als RISKID Patient eingestuft worden ist.

Anmerkung: Die Problematik der Diskretion und Schweigepflicht haben die Initiatoren augenscheinlich nicht erkannt. Der Austausch stellt (soweit personenbezogene Daten ausgetauscht werden oder die betreffenden Personen anderweitig zu identifizieren sind (und genau das ist ja der Sinn der Sache) eine Straftat dar - die allerdings durch das Anmeldeverfahren kaum zu verfolgen ist. Es gibt hier keinen "Schirm der ärztlichen Schweigepflicht". Ich wundere mich wohin wir uns bewegen: Die zunehmende Tendenz alles und jedes zu kontrollieren kommt nicht mehr nur von staatlicher Seite (siehe oben). Bereits heute kann  die Schweigepflicht gebrochen werden, wenn in der Abwägung der Rechtsgüter das unmittelbar gefährdete Rechtsgut (z. B. körperliche Unversehrtheit) das informationelle Selbstbestimmungsrecht überwiegt und das gefährdete Rechtsgut nicht anderweitig ausreichend (und weniger einschneidend) geschützt werden kann. Befindet sich das Kind in Behandlung (insbesondere ÄrztInnen, nichtärztliche PsychotherapeutInnen) so kommt auch noch die Garantenstellung des Schweigepflichtigen hinzu!

Die Aussage von Rolf Stöckel, Vorstandssprecher der Deutschen Kinderhilfe zum Thema Datenaustausch unter ÄrztInnen im Rahmen von RISKID: "Im Moment befinden wir uns aber noch in einer rechtlichen Grauzone" (Bericht der Ärzte Zeitung online, 16.12.2010 - siehe unten) ist - eindeutig - falsch!.

www.riskid.de

Ärzte Zeitung online: 16.12.2010

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 40/2010

Entwurf eines neuen Kinderschutzgesetzes: Aufweichung der Schweigepflicht

(Teil III)

Nachdem die damalige Ministerin von der Leyen mit ihrem Gesetzentwurf (bei einer Expertenanhörung im Bundestag) scheiterte, hat die gegenwärtige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder Mitte Dezember einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dabei soll unter anderem die Schweigepflicht (§ 203 StGB) erheblich eingeschränkt werden. So soll künftig die Informationsweitergabe von ÄrztInnen und PsychologInnen an das Jugendamt  - für den Fall daß sie Anzeichen von Misshandlungen, Unterernährung oder anderen Gefährdungen bei einem Kind entdecken - einheitlich geregelt werden. Das Gesetz soll 2012 in Kraft treten.

Anmerkung: Es scheint mir fast müßig gebetsmühlenhaft darauf hinzuweisen, daß immer neue Einschränkungen der Diskretion & Schweigepflicht weder dazu geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in die Verschwiegenheit bestimmter Berufsgruppen (insbesondere ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialpädagogInnen) zu stärken, noch die Sicherheit gefährdeter Kinder wesentlich zu verbessern. Es ist zum Standard der Politik geworden reflexhaft auf (schlimme) Einzelfälle zu reagieren - um der hysterischen Woge einer partiell skandalisierenden Presse und Öffentlichkeit zu entgehen.

Bericht: heute.de: 14.12.2010

Ärzte Zeitung online: 14.12.2010

Pressemitteilung der Bundesregierung: 14.12.2010

Archiv Kinderschutz: Teil I + Teil II

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 39/2010

Österreich: Richtlinie zum Umgang von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit patientenbezogenen Informationen aus der Psychotherapie

Der österreichische Psychotherapie-Beirat hat die entsprechende Richtlinie in seiner 68. Vollsitzung vom 19.4.2005 beschlossenen.

Informationsrichtlinie österreichischer Psychotherapie-Beirat 2005

Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP): Archiv Psychotherapiebeirat

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 38/2010

Schweigepflicht und Datenschutz bei StudentInnen: Prüfungsämter verlangen Auskunft über Krankheitssymptome

Nach einem Bericht der Ärztezeitung online (1.12.2010) verlangen Universitäten (Prüfungsämter) zunehmend  die Offenlegung von Krankheitssymptomen ihrer StudentInnen, wenn sie krankheitsbedingt nicht an einer Prüfung teilnehmen können oder diese krankheitsbedingt abbrechen müssen. So würden sich beispielsweise ÄrztInnen in Nordrhein die Praxis von Prüfungsämtern als diskriminierend ablehnen, die vorsehen, daß StudentInnen bei krankheitsbedingter Abwesenheit die Symptome offenlegen müßten. Und an einigen nordrhein-westfälischen Universitäten (z. B. Münster und Düsseldorf) würden die Prüfungsämter in diesem Fall Bescheinigungen von ÄrztInnen verlangen, die auch die Krankheitssymptome beinhalteten:

"Die Beantwortung der Rechtsfrage, ob die nachgewiesene gesundheitliche Beeinträchtigung den Abbruch der Prüfung rechtfertigen kann, ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Arztes; dies ist vielmehr letztlich und in eigener Verantwortung von der Prüfungsbehörde zu entscheiden", heißt es auf einem Formular der Universität Düsseldorf.

Nach Ansicht  von Dr. Christiane Groß (Vorstand der Ärztekammer Nordrhein) ist dies nicht hinnehmbar:

"Ich finde es unmöglich, dass die Prüfungsordnungen so ausgelegt werden, dass sich Studierende so weit entblättern müssen, dass sie ihre Ärzte quasi von der Schweigepflicht entbinden", sagte ÄKNo-Vorstand Dr. Christiane Groß. Sie hatte einen Antrag in die Kammerversammlung eingebracht, dem die Delegierten mit großer Mehrheit gefolgt sind.

Im Antrag wir darauf hingewiesen, daß dieses Vorgehen  "nicht nur beschämend für die Studierenden, sondern auch datenschutzrechtlich bedenklich [sei] und (...) das Recht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung" untergrabe. Und weiter heißt es im Antrag "Wenn diese Symptome dann durch medizinische Laien bewertet werden, führt diese Praxis in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise zu willkürlichen Ergebnissen."

Daher fordern die ÄrztInnen, daß die Universitäten entweder einen ärztlichen Dienst einschalten, oder sich mit einem ärztlichen Attest begnügen, das die Unfähigkeit der Prüfungsteilnahme belegt.

Ärzte Zeitung online 1.12.2010

Dezember 2010


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AKTUELL: Nummer 37/2010

Stellungnahme der Leopoldina-Nationale Akademie der Wissenschaften, acatech-Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, berlin-brandenburgische Akademie der Wissenschaften zur prädiktiven genetischen Diagnostik als Instrument der Krankheitsprävention mit der Forderung nach Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei gleichzeitiger Stärkung der Fürsorgepflicht
 

In einer Stellungnahme zum Gendiagnostikgesetz haben die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina-Nationale Akademie der Wissenschaften, die acatech-Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die berlin-brandenburgische Akademie der Wissenschaften eine ausführliche Stellungnahme zum Gendiagnostikgesetzt vorgelegt. Zum Thema Schweigepflicht heißt es unter dem Stichwort "Schweigepflicht":

Aus dem Respekt vor der Selbstbestimmung des Untersuchten folgt, dass der Betroffene selbst über die Verwendung der Ergebnisse entscheiden kann. Auch hieraus können sich Konsequenzen für die Familienangehörigen ergeben. Sämtliche Ergebnisse unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht, es sei denn der Untersuchte entbindet den Arzt von der Schweigepflicht. Darüber hinaus kann eine Durchbrechung der Schweigepflicht zu Gunsten eines höherrangigen Rechtsgutes erlaubt oder sogar geboten sein, wenn zum Beispiel nur dadurch einer anderen Person die Möglichkeit der Prävention oder der Behandlung gegeben werden kann. In diesem Punkt kann ein Konflikt mit § 11 des Gendiagnostikgesetzes aufkommen (siehe Kapitel 9.8). (Seite 50)

Unter der Überschrift "§ 11 Abs. 3: Mitteilung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen" wird das Problem genauer umrissen:

Die Ärzte, die den Patienten betreut und genetisch beraten haben, haben keine Möglichkeit zu überprüfen, ob der Patient die Information an seine Verwandten weitergegeben hat. Es kommt auch vor, dass ein Patient die Information bewusst nicht innerhalb der Familie weitergibt. Nach § 11 Abs. 3 darf die verantwortliche ärztliche Person das Ergebnis einer genetischen Untersuchung oder Analyse anderen nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Einwilligung der betroffenen Person mitteilen. Das Gesetz stuft die Schweigepflicht gegenüber dem Patienten ohne Ausnahme höher ein als die ärztliche Fürsorgepflicht gegenüber den Verwandten, die ein hohes Risiko für eine bei frühzeitiger Diagnose effektiv behandelbare Krankheit haben.

Bei einer behandelbaren erblichen Krankheit sollte die Fürsorgepflicht des Arztes nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber der Schweigepflicht rangieren. Der Arzt sollte im Einzelfall abwägen, welches Rechtsgut höher einzustufen ist. Das sollte jedenfalls dann gelten, wenn die Risikopersonen unter den Verwandten ebenfalls Patienten des betreffenden Arztes sind, so dass er ihnen gegenüber eine rechtliche Garantenpflicht hat. Aber auch in den Fällen, in denen die Mitglieder einer Familie von verschiedenen Ärzten behandelt werden, sollte der Arzt in konkreten Fällen und bei klarem medizinischem Nutzen die Möglichkeit haben, die Risikopersonen unter den Verwandten eines Patienten mit einer behandelbaren erblichen Krankheit in angemessener Weise auf ihr Risiko hinzuweisen und ihnen eine genetische Beratung zu empfehlen, z. B. durch Zusendung eines Informationsblattes. § 11 Abs. 3 GenDG sollte in diesem Sinne modifiziert werden. (Seite 60f)

Die Leopoldina empfiehlt daher:

In sehr konkreten Fällen und bei klarem medizinischem Nutzen sollte der Arzt erwägen, selber die Risikopersonen unter den Verwandten eines Patienten mit einer behandelbaren erblichen Krankheit in angemessener Weise auf ihr Risiko hinzuweisen und ihnen eine genetische Beratung anzuraten. Die Akademiengruppe empfiehlt, § 11 Abs. 3 GenDG in diesem Sinne zu modifizieren. (Seite IX)

Wiewohl die Ausführungen durchaus differenziert eine Güterabwägung (Schweigepflicht/Fürsorge) vorzunehmen versuchen, ist die Forderung einer Lockerung der Schweigepflicht unangemessen und auch gefährlich. Schon jetzt kann die Schweigepflicht gebrochen werden, wenn eine unmittelbare Gefährdung anzunehmen ist. Der entsprechende Rechtfertigungstatbestand ergibt sich aus § 34 StGB (rechtfertigender Notstand). Auch in Falle einer besonderen Garantenstellung (die Ärztin behandelt neben dem untersuchten Patienten auch gefährdete Angehörige) ist nur insoweit eine Bruch der Schweigepflicht zulässig, als konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Angehörige unmittelbar gefährdet ist (z. B. der Patient teilt seinem Sexualpartner eine zuvor festgestellte HIV-Infektion nicht mit, hat aber weiter Geschlechtsverkehr mit diesem). Würde bereits jede potentielle Gefahr eine Verletzung der Schweigepflicht rechtfertigen wäre das Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen und PatientInnen weitgehend ruiniert. ÄrztInnen und Angehörige anderer schweigepflichtiger Berufsgruppen sind keine Kontrollorgane. Im Gegenteil: Gerade solche Aufgaben würden sowohl dem Individualschutz wie auch dem mittelbaren Vertrauensschutz der Schweigepflicht (§ 203 StGB Verletzungen von Privatgeheimnissen) zuwiderlaufen:

"Entscheidend ist (...), dass der Geheimnisträger mit dem Anvertrauen von Geheimnissen den Angehörigen solcher Berufsgruppen, die bei ihrer Tätigkeit typischerweise mit Geheimnissen in Berührung kommen und in die Privatsphäre eindringen (...), besonderes Vertrauen entgegenbringt (...). Nur mittelbar wird damit auch das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe geschützt, so dass zB der Schutz des ärztlichen Berufsgeheimnisses dem Interesse an einer funktionsfähigen ärztlichen Gesundheitspflege dient, die ohne ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient nicht möglich ist. (Lenckner & Eisele in Schönke & Schröder: Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck 28. Auflage 2010: 1832 RN 3)

Stellungnahme zur prädiktiven genetischen Diagnostik als Instrument der Krankheitsprävention (November 2010)

Gendiagnostikgesetz v. 31.07.2009 (Recherche des Originaltextes im BGBl über www.bmg.bund.de 'Gesetze')

Pressemitteilung von Leopoldina, acatech und BBAW (10.11.10)

November 2010


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AKTUELL: Nummer 36/2010

eGK: Der Basisrollout läuft weiter: Pauschalen für die Lesegeräte beschlossen; Änderung zum  GKV-Finanzierungsgesetz: Bundestag übt Druck auf die Kassen aus

(Teil XIII)

Die Krankenkassen haben sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die Höhe der Pauschalen für die Lesegeräte geeinigt. Danach soll es für die Anschaffung eines stationären Lesegerätes 355 Euro für mobile Geräte 280 Euro geben. Hinzu kommt ein Betrag von 215 Euro für die Installation. Für die entsprechenden Pauschalen soll die Anschaffung geeigneter Geräte möglich sein - etwaige Differenzbeträge für Geräte mit zusätzlicher Ausstattung müssen von den Niedergelassenen selbst übernommen werden. Die ausgehandelten Pauschalen liegen unter jenen, die in der Pilotregion Nordrhein ausgezahlt wurden (430/375; Installation ebenfalls 215 Euro).

Das eGK-Projekt soll nach Nordrhein Westfalen-Lippe nun in den Regionen Niedersachsen, Bremen und Hamburg vorangetrieben werden. Während sich die Krankenkassen bisher zurückhaltend bei der Umsetzung gezeigt haben, hat der Bundestag einen Änderungsantrag zum GKV-Finanzierungsgesetz verabschiedet, der die Kassen verpflichtet, bis Ende 2011 an mindestens zehn Prozent ihrer Versicherten die eGK auszugeben. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden kommt es zu einer Kürzung der Verwaltungsausgaben der Kassen um 2% (2012 gegenüber 2010).

Ärzte Zeitung online 11.11.2010

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November 2010


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AKTUELL: Nummer 35/2010

Urteil des Bundessozialgerichts  (Kassel) vom 2.11.2010: Umfassender Auskunftsanspruch gesetzlich Krankenversicherter gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen (Az: B 1 KR 12/10 R)

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet hat das Bundessozialgericht in Kassel (BSG) am 2.11.2010 entschieden, daß gesetzlich Krankenversicherte umfassende Auskunft darüber verlangen können, welche medizinischen Leistungen für sie abgerechnet wurden. Sowohl die jeweiligen Krankenkassen als auch die beteiligten Kassenärztlichen Vereinigungen sind verpflichtet, alle gespeicherten Sozialdaten herausgeben:

"Der klagende Rechtsanwalt aus Nordrhein-Westfalen benötigte für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung Daten über seine Krankengeschichte. Er bat zunächst seine Krankenkasse um Auskunft, die leitete die Anfrage an die KV weiter.

Im konkreten Fall hatte die KV Nordrhein die Daten der letzten fünf Jahre gespeichert, wollte Auskunft aber nur für ein Jahr erteilen. Dem Anwalt genügte das nicht: Die Versicherung verlange weitere Angaben. Zudem habe er seine Krankenversicherungskarte verloren gehabt und wolle nun prüfen, ob sie von Fremden gefunden und missbraucht worden sei.

Das BSG gab seiner Klage statt: Als Körperschaften des öffentlichen Rechts seien Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen verpflichtet, sämtliche gespeicherten Krankendaten herauszugeben." © afp/aerzteblatt.de

aerzteblatt.de: Umfassender Auskunftsanspruch über eigene Krankendaten (5.11.2010)

Terminbericht des BSG: Nr. 59/10 (Fall 2)

November 2010


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AKTUELL: Nummer 34/2010

Recherchen von PsychotherapeutInnen (über ihre PatientInnen) im Internet

Das Deutsche Ärzteblatt (DÄ-PP 10/20120, 459-461) berichtet unter der Überschrift: "Ethik in der Psychotherapie-Patientenrechte. Die Grenzen sind fließend. Holt der Therapeut Informationen über Patienten im Internet ein, muss bewusst zwischen persönlicher Neugier und beruflichem Nutzen unterschieden werden. Im Vordergrund stehen die Patienteninteressen" (Dr. M. Sonnenmoser) über drei entsprechende Beiträge in englischsprachigen Fachzeitschriften (zwei aus dem Bereich Psychiatrie: Harvard Review of Psychiatry und American Journal of Psychiatry).

Kommentar (entspricht in Teilen einem Leserbrief, den ich an die Redaktion des DÄ-Ausgabe PP geschickt habe):

Die Grenzen der Einholung von Internet-Informationen über PatientInnen sind weitaus weniger fließend, als die Autorin des Artikels und die darin zitierten AutorInnen glauben machen möchten. Diskretion und Vertraulichkeit als grundlegende Voraussetzungen eines förderlichen therapeutischen Prozesses implizieren einen respektvollen Umgang mit den Geheimnissen ebenso wie mit der Privatsphäre der PatienInnen. TherapeutInnen haben sich daher einer Ausforschung der PatientInnen (jedweder Art) zu enthalten. Statt dessen sollten sie - statt entsprechende Impulse zu agieren (vielleicht auch noch unter dem Deckmantel des "Patientenwohls") - diese im Hinblick auf Übertragung und Gegenübertragung bearbeiten. Das entspricht berufsethischen Prinzipien  wie sie in den Musterberufsordnungen der Bundesärztekammer (unter: Ärzte/Berufsordnung) und der Bundespsychotherapeutenkammer dargelegt sind, so etwa die allgemeinen ethischen Grundsätze:

und der spezifische Grundsatz:

Der Berufsstand könnte seine im Interesse der Bevölkerung liegende Tätigkeit wohl kaum mehr leisten, wenn PatientInnen befürchten müßten, daß sie im Rahmen einer Psychotherapie durchleuchtet werden - selbst wenn solche Informationen öffentlich zugänglich sind, was noch keineswegs bedeutet, daß sie im Einverständnis mit den Betroffenen veröffentlicht wurden.

Daß Internetrecherchen als "vertretbar und nötig" bezeichnet werden "wenn Zweifel an den Selbstaussagen eines Patienten aufkommen" (460) scheint mir inakzeptabel. Nach meiner Ansicht würde dies einen eindeutigen Verstoß gegen die Berufsethik darstellen und wäre überdies ein fachliches Armutszeugnis: Denn es wäre in einem solchen Fall dringend notwendig, sich mit den PatientInnen auseinanderzusetzen, weil ein solcher Eindruck, sei er nun gerechtfertigt oder nicht, weitreichende Auswirkungen auf das Arbeitsbündnis hat. Der Rückgriff auf ein drittes Medium bzw. dritte Personen (Internet, Angehörige etc.) stellt hier nicht etwa eine Triangulierung dar (ein im Übrigen häufig mißverstandener psychoanalytischer  Begriff) sondern einen Angriff auf die therapeutische Beziehung und ist geeignet, die therapeutische Beziehung zu zerstören.

Auch die Vorstellung im Notfall (etwa bei Suizidalität oder somatisch/psychischen Krisen) auf Internetdaten zurückzugreifen halte ich sowohl fachlich als auch juristisch für äußerst problematisch: Die Abwägung eines vorzunehmenden Eingriffes (mit, ohne oder gegen den Willen des Betroffenen) muß auf der Grundlage der eigenen unmittelbaren diagnostischen und prognostischen Einschätzung und der entsprechenden Umstände (vgl. rechtfertigender Notstand im Sinne § 34 StGB und Unterbringungsgesetze/PsychKGs) vorgenommen und verantwortet werden. Informationen aus dem Internet sind ebenso wie Informationen anderer Herkunft in hohem Maße unzuverlässig und mit größter Vorsicht zu behandeln.

Es ist auch keineswegs "unbedenklich", wie Sonnenmoser schreibt, "die Homepage eines Patienten oder seine Mitgliederseite aufzusuchen, wenn dieser den Arzt oder Psychotherapeuten ausdrücklich dazu einlädt oder auffordert" (461). Berufsethisch sind hier Fragen der Abstinenz (vgl. § 6 MBO-BPtK) berührt und (ärztliche und nicht-ärztliche) PsychotherapeutInnen wären gut beraten ein solches Anliegen kritisch zu reflektieren, im Hinblick auf bewußte und unbewußte Motive der PatientInnen zu verstehen - und gerade nicht zu handeln. Ich frage mich welche merkwürdige Vorstellung von Psychotherapie hinter solchen Aussagen steht.

Die Feststellung von Frau Sonnenmoser es sei nicht geklärt, ob außerhalb des Therapiesettings von PsychotherapeutInnen eingeholte Informationen über PatientInnen der Schweigepflicht unterliegen, ist so nicht ganz richtig, verweist allerdings zutreffend auf ein gravierendes und wenig beachtetes Phänomen hin:

Ich halte die (juristische) Auffassung von Lenckner für sehr spitzfindig - aber auch wenn eine Differenzierung zwischen beruflichem und privatem Interesse bzw. Zusammenhang vorgenommen werden könnte, bleibt die beschriebene berufsrechtliche Problematik bestehen!

Literatur: Schönke, A. & Schröder H. (2006): Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck 27. Auflage

Oktober 2010


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AKTUELL: Nummer 33/2010

Datenschutz und Schweigepflicht bei sich illegal in Deutschland aufhaltenden Personen

Obwohl auch Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, eine medizinische Versorgung zusteht (Grundlage: Asylbewerberleistungsgesetz), kann gerade deren Inanspruchnahme zur Abschiebung führen. Denn nach § 87 des Aufenthaltsgesetzes sind öffentliche Stellen verpflichtet, eine entsprechende Meldung an die Ausländerbehörde zu machen. Das hat  bei öffentlichen Krankenhäusern zu einer erheblichen Verunsicherung geführt: Sind sie als öffentliche Stellen verpflichtet, entsprechende Daten weiterzugeben? Und müssen die Sozialämter (als Kostenträger) die Ausländerbehörden informieren?

Das scheint bei (öffentlichen) Krankenhäusern nicht der Fall zu sein, wie der Berliner Staatssekretär für Gesundheit in einem Schreiben an die Berliner Krankenhäuser (Dr. B. Hoff, PDS) im November 2008 ausführt: "Voraussetzung für eine solche Übermittlung von Daten an die Ausländerbehörde wäre, dass die Kenntnis dieser Daten (...) in Erfüllung der der öffentlichen Stelle obliegenden Aufgaben (...). Kenntnisse über den aufenthaltsrechtlichen Status von Patientinnen und Patienten, die gelegentlich der medizinischen Versorgung durch eine Ärztin oder einen Arzt erlangt werden, fallen nicht unter die Übermittlungspflicht" (Quelle).

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber auf die offensichtlich bestehende Rechtsunsicherheit reagiert: Im September 2009 hat der Bundesrat eine neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz verabschiedet, die in der Fassung vom 26.10.2009 und dem Erscheinungsdatum vom 31.01.2010 vorliegt (Bundesministerium des Inneren), ist jedoch für juristische Laien nahezu unlesbar. Die entscheidenden Hinweise finden sich in den Nummern folgende. Demnach fallen auch die VerwaltungsmitarbeiterInnen in öffentlichen Krankenhäusern als berufsmäßige Gehilfen vor ÄrztInen unter die Schweigepflicht. Übermitteln sie Daten zum Zweck der Abrechnung an die Sozialämter, so verlängert6t sich der Geheimnisschutz in das Sozialamt und diese dürfen die Daten (illegaler Aufenthalt) nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten.

Das Problem ist jedoch: Handelt es sich nicht um eine Akutbehandlung, dann ist vor der Behandlung eine Kostenzusage beim Sozialamt einzuholen. Weil hier die (ärztliche) Schweigepflicht nicht besteht (die Person wendet sich ja nicht an die stationäre Einrichtung, sondern die MitarbeiterInnen des zuständigen Sozialamts) besteht die verlängerte Schweigepflicht nicht - die Daten über den illegalen Aufenthaltsstatus müssen also der Ausländerbehörde mitgeteilt werden.

Anmerkung: Das ist - wenn ich es einmal moralisch sagen darf - ein pervertierter Rechtsstaat.

Deutsches Ärzteblatt (DÄ-PP 09/2010, 404-406): Versorgung von Menschen ohne Papiere

Bundesministerium des Innern: M. Migration, Integration; Flüchtlinge; Europäische Harmonisierung. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (Vom 26. Oktober 2009)

Flyer der Bundesärztekammer: Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis (Stand: 09/2010)

Oktober 2010


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AKTUELL: Nummer 32/2010

Schutz von Computern

Daß insbesondere Praxiscomputer mit (und ohne) Anschluß an das Internet mit Virenscannern geschützt werden müssen ist bekannt, wird allerdings offenbar nicht immer berücksichtigt. Beispielsweise wäre es ein Fehlschluß anzunehmen, daß der Einsatz einer sicheren Datenverbindung mit der Kassenärztlichen Vereinigung (D2D, KV-Safenet) einen zusätzlichen Schutz des Computers entbehren würde.

Im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung sogenannter Botnetze (Computer werden durch Schad-Software zu Netzwerken zusammengeschlossen - als Teil eines Botnetzes, werden diese Computer dann dazu benutzt, unbemerkt vom PC-Eigentümer auf ferngesteuerte Befehle von Cyberkriminellen zu reagieren).

Das Anti-Botnet-Beratungszentrum (Service von eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. mit Unterstützung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik/BSI) bietet Informationen und kostenlose Scanner zum Erkennen und Beseitigen solcher Schadprogramme an.

Anmerkung 1: Eine sehr empfehlenswerte Seite!

Anmerkung 2: Die Zeitschrift PC-Welt (11/2010: 20) kritisiert die Seite, da der Scanner DE-Cleaner Hunderte von harmlosen und unentbehrlichen Dateien als "Verdächtig" oder "Bösartig" (Zitat) bewerte und das dabei angebotene Säubern den PC unbenutzbar machen könne!

 www.botfrei.de

September 2010


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AKTUELL: Nummer 31/2010

Datenschutz und Schweigepflicht im Zusammenhang der Hausarztverträge

Bereits vor einigen Monaten hat der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte, Dr. Thilo Weichert (Unabhängiges Datenschutzzentrum Kiel) durch sein Verbot (unter Androhung eines Zwangsgeldes von 30.000 Euro) der Datenweitergabe im Rahmen des Hausarztvertrages zwischen AOK und Hausarztverband einigen Wirbel verursacht.

Der Vertrag sieht vor, dass die beteiligten ÄrztInnen eine "Hausärztliche Vertragsgemeinschaft" für die Leistungsabrechnung nutzen müssen, um so von für sie günstigen Hausarztabrechnungen profitieren zu können. Dabei müßten sie auf ihrer jeweiligen Praxis-EDV entsprechende Software installieren. Aus Sicht des Datenschutzbeauftragten hätten die ÄrztInnen somit keine vollständige Kontrolle über die Patientendaten. Damit werde nicht nur der Datenschutz, sondern auch die ärztliche Schweigepflicht verletzt.

Im September 2010 hat nun auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Bremen Bedenken gegen die Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) angemeldet (Ärztezeitung online 2.09.2010).

Anmerkung: In verschiedenen anderen Ländern (z. B. Bayern) wurden die Hausarztverträge bisher datenschutzrechtlich nicht beanstandet. Ich kann hier aus Mangel an genauen Informationen nicht beurteilen, ob die Vertragsgestaltung datenschutzkonform erfolgte oder die rechtliche Beurteilung der Verträge differiert. Jedenfalls scheint mir evident, daß die Frage des Datenschutzes und der Schweigepflicht immer wieder zu wenig berücksichtigt wird und wir uns längst in einem Daten-Nirwana befinden wo Niemand mehr weiß, wo0 welche Daten gespeichert, verarbeitet und gelöscht werden - seien es nun die ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen oder sonstige Leistungserbringer oder auch die Betroffenen selbst - die PatientInnen.

Ärzte Zeitung online 26.07.10, 27.07.10, 02.09.10

September 2010


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AKTUELL: Nummer 30/2010

KVB setzt sich für Datenschutz und Datensicherheit bei Praxisverwaltungssoftware (PVS) ein

Aus der Mitteilung der KBV (Newsletter 1.09.2010):

Sicherheit von Patientendaten hat Priorität

Die KBV möchte sich für den Datenschutz und die Datensicherheit einsetzen. Dieses Ziel hat sie am Dienstag bei einem Treffen mit Anbietern von Praxisverwaltungssoftware (PVS) genannt. Dazu sowie für eine funktionierende sichere Kommunikation von Ärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), Krankenhäusern und Krankenkassen seien einheitliche Standards zwingend erforderlich, sagte KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller.
Ziel der KBV sei eine weitere Sensibilisierung für die Belange des Datenschutzes und der Datensicherheit in der PVS, erklärte Müller. „Viele Vertragsärzte sind extrem skeptisch bezüglich der Online-Übertragung sensibler Patientendaten. Deren Schutz ist sowohl online als auch offline von zentraler Bedeutung“, sagte er. Die Anforderungen an die PVS stiegen in dieser Hinsicht enorm, so der KBV-Vorstand. Dies gelte etwa für die Zugriffsrechte auf Behandlungsdaten und die, auch nachträgliche, Nachvollziehbarkeit des Zugriffs. Auch Abrechnungsdaten unterliegen besonderen Vorschriften. In diesem Zusammenhang erinnerte Müller an die bereits 2008 vom Bundessozialgericht geforderte umfassende gesetzliche Regelung zur Beauftragung privater Abrechnungsstellen, etwa im Rahmen von Selektivverträgen, die nicht über die KVen abgewickelt werden. (KBV-Pressemitteilung, 31. August)

Newsletter KVB 1.09.2010

September 2010


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AKTUELL: Nummer 29/2010

Die Ärzte Zeitung online berichtet im Zusammenhang des Verurteilung die Sängerin Benaissa wegen der Ansteckung eines Sexualpartner mit HIV über die Frage der Schweigepflicht von ÄrztInnen im Zusammenhang mit HIV: "Wie soll der Arzt reagieren, wenn ein HIV-infizierter Patient ihm berichtet, dass er ungeschützten Geschlechtsverkehr hat? Schweigen oder Kontakt mit möglichen Partnern aufnehmen?"

Anmerkung: Das Gespräch mit dem Rechtsanwalt Dr. Ingo Pflugmacher aus Bonn enthält keine neue Informationen, so daß ich interessierten bzw. betroffenen ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen empfehle, den Bericht zu lesen (siehe Link unten).

Ärzte Zeitung online 26.08.2010

September 2010


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AKTUELL: Nummer 28/2010

Klage eines Versicherten gegen die elektronische Gesundheitskarte (eGK)

(Teil XII)

Nach einer Agenturmeldung vom 25. August 2010 berichtet die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrem Newsletter vom 25. August:

Erste bundesweite Klage gegen die elektronische Gesundheitskarte

Ein Versicherter der Bergischen Krankenkasse hat gegen die elektronische Gesundheitskarte (eGK) geklagt. Er beruft sich hierbei auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Sozialgericht Düsseldorf soll eine Entscheidung der Karlsruher Richter in der Grundsatzfrage einholen. Dies ist das bundesweit erste juristische Verfahren gegen die Karte.
Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hatte bereits im Frühjahr bekräftigt, dass sich die Einführung der eGK auf einem guten Weg befände. Die Karte soll einen Notfalldatensatz, einen elektronischen Arztbrief und die Stammdaten des Patienten enthalten. Die AOK Rheinland/Hamburg hat bereits eine Testphase für die Karte gestartet. (Agenturmeldung, 25. August)

Newsletter KVB 25.08.2010

Nachtrag: Aufgrund von Terminproblemen auf Seiten des Düsseldorfer Sozialgerichts wird es erst im kommenden Jahr (2011) zu einer ersten öffentlichen Verhandlung kommen (Ärztezeitung Online, 8.09.2010).

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI

August 2010


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AKTUELL: Nummer 27/2010

Krankenhäuser müssen Patientendaten an Krankenkassen nicht herausgeben, damit diese Schadenersatzansprüche wegen möglicher Behandlungsfehler prüfen können (rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts Celle nach Rücknahme der Revision vor dem Bundessozialgericht)

Nach mehreren Hüftgelenk-Operationen war eine 75 Jahre alte Frau  in einem Krankenhaus in Niedersachsen gestorben. Die genauen Umstände des Todes blieben unklar, jedoch kam es laut Entlassungsbericht bei den Operationen zu Komplikationen. Die zuständige Krankenkasse (DAK) beglich die gesamten Behandlungskosten in Höhe von ca. 152 000 Euro, forderte jedoch zur Prüfung von Regress- und Schadenersatzforderungen die entsprechenden Krankenunterlagen an. Das Krankenhaus verweigerte sich diesem Ansinnen mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht.

Das Landessozialgericht Celle hatte die Klage der DAK auf Herausgabe der Akten abgewiesen.

Die Ärzte Zeitung online berichtet am 12.08.2010 über die Verhandlung vor dem BSG (12.08.10):

Während der knapp einstündigen Verhandlung vor dem BSG gab der vorsitzende Richter Ulrich Hambüchen deutliche Hinweise auf die Rechtsauffassung seines Senats: Im Gegensatz zu einer möglichen Schadenersatzklage durch Patienten gehe es hier nicht um einen zivilrechtlichen Vertrag, sondern um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Klinik und Kasse. Schadenersatz komme daher wohl nicht in Betracht.

Die DAK könne die Sache aber durch den MDK prüfen lassen. Stelle sich heraus, dass die Kasse Leistungen bezahlt habe, die erst durch Behandlungsfehler notwendig wurden, so könne sie die hierfür gezahlten Honorare wohl zurückfordern. Da die Klage auf Herausgabe der Akten an die DAK danach kaum noch Aussicht auf Erfolg hatte, nahm die Kasse ihre Revision zurück; zu einem Urteil des BSG kam es daher nicht.

Anmerkung: Das ganze scheint mir ein 'Hornberger Schießen' gewesen zu sein. Hätte sich die DAK an die Spielregeln gehalten (Prüfung medizinischer Unterlagen durch den MDK) hätte man sich einen langwierigen und teueren Rechtsstreit ersparen können!

Bundessozialgericht, AZ: B 3 KR 16/09 R

Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, AZ: L 1 KR 152/08

Ärzte Zeitung online 12.08.2010

August 2010


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AKTUELL: Nummer 26/2010

Broschüre "Datenschutz bei Frühen Hilfen - Praxiswissen kompakt"

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat eine neue Broschüre zu Fragen des Datenschutz bei Frühen Hilfen aufgelegt.  Das Heft im DIN-A6-Format umfasst 62 Seiten und liegt sowohl als Download wie auch in gedruckter Form vor. Die Druckversion ist kostenlos im Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) oder bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu beziehen.

Die Broschüre wendet sich an Fachkräfte in Geburtskliniken, Arztpraxen, Schwangerschaftsberatungsstellen und kommunalen Ämtern sowie an Hebammen und die Fachkräfte bei freien Trägern der Jugendhilfe.

Wie die Ärzte Zeitung online (19.08.2010) berichtet (sie die Information des NZFH vom 18.08.10 abgeschrieben) wendet sich das Heft wichtigen Fragen im Bereich der Frühen Hilfen zu:

"Was ist, wenn ich das Jugendamt einschalte - verletze ich dann meine Schweigepflicht?" Manche Ärzte, aber auch Hebammen werden über diese Frage nachgedacht haben, wenn sie den Verdacht haben, dass ein Kind von seinen Eltern nicht richtig versorgt wird. Viele fragen sich: Wie entscheide ich zum Wohle des Kindes? Verliere ich den Kontakt zur Familie und damit zu dem Kind, wenn ich den Verdacht anspreche und einen Hinweis weitergebe?

Damit frühe Hilfen dorthin kommen, wo Bedarf besteht, sollen Fachkräfte aus Gesundheitsdiensten und Jugendhilfe kooperieren. Doch je intensiver der Austausch ist, desto häufiger treten Fragen des Datenschutzes auf. Aus diesem Grund haben das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und das Informationszentrum Kindesmisshandlung/Kindesvernachlässigung (IzKK) am DJI die Broschüre veröffentlicht.

Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, erklärt: "Eltern mit Problemen vertrauen sich häufig Ärztinnen und Ärzten sowie Hebammen an. Durch deren Schweigepflicht fühlen sie sich dort sicher. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung muss allerdings zum Wohle des Kindes gehandelt werden. Das neue Nachschlagewerk sagt, was gemacht werden kann, ohne den Datenschutz zu verletzen."

"Gezielte Informationen zu den relevanten Themen Datenschutz und Schweigepflicht stärken die Handlungssicherheit der Fachkräfte. Dies wird sich auch nachhaltig positiv auf die Zusammenarbeit und Vernetzung auswirken", betont Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Die Expertinnen und Experten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) erläutern in dem Nachschlagewerk allgemeine Grundsätze zum Datenschutz wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Datenschutz als Vertrauensschutz sowie das Transparenzgebot. Auch spezifische Rechtsgrundlagen für Jugendhilfe bzw. Gesundheitsdienste, freie Träger und Schwangerschaftsberatung werden angesprochen.

Nationales Zentrum, Frühe Hilfen www.fruehe Hilfen

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: 51101 Köln; Fax: 02 21 / 8 992 257; E-Mail: order@bzga.de; Bestellung der Broschüre (Download und Druckversion)

Ärzte Zeitung online 19.08.2010

August 2010


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AKTUELL: Nummer 25/2010

GKV-Änderung zum Online-Abgleich der Stammdaten (eGK) geplant und jetzt beschlossen!

(Teil XI)

Die Regierungsfraktionen planen einen verpflichtenden Abgleich der Versichertendaten durch die Leistungserbringer (VertragsärztInnen und VertragspsychotherapeutInnen). Durch die Gesetzesänderung (Einfügung in § 291 SGB V; Änderungsantrag zum GKV-Änderungsgesetz - Drucksache 17/1297) werden die Krankenkassen verpflichtet, "Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität [gemeint sind die Versichertenstammdaten] bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der elektronischen Gesundheitskarte aktualisieren können." Während der Abgleich der Stammdaten verpflichtend wäre - bliebe die Online-Anbindung der Praxis-Software (zunächst) freiwillig.

Nachtrag (22.06.2010): Der Bundestag hat am 18.06.2010 den entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen. Danach müssen die Versichertenstammdaten künftig online abgeglichen werden, um deren Gültigkeit zu überprüfen. VertragsärztInnen und VertragspsychotherapeutInnen werden dazu verpflichtet, eine Online-Verbindung vorhalten.

Ärzte Zeitung online 16.06.2010 und 17.06.2010

Ärzte Zeitung online 21.06.2010

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Juni 2010


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AKTUELL: Nummer 24/2010

Veröffentlichung von Krankengeschichten: Verfahren gegen Münchner Psychologie-Professor vor dem Landgericht München I endet mit einer freiwilligen Unterlassungserklärung (16.06.10, AZ: 9 O 25927/09)

Eine Patientin klagte gegen den Psychologie-Propfessor, weil dieser ihren Fall unter einem Allerweltsnamen (Eva) jedoch mit eindeutigen Details über ihre Lebensgeschichte in einem wissenschaftlichen Fachbuch (Traumatherapie) veröffentlicht hatte, das in mehreren Auflagen und Sprachen erschienen war (in der aktuellen Auflage taucht dieser Fall nicht mehr auf). Da sie mehrfach von Bekannten aber auch von Fremden auf die Passage angesprochen worden war sah sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und klagte auf Schmerzensgeld.

Im Verfahren vor dem Landgericht München I am 16.06.2010 stellte sich allerdings heraus, daß die Klägerin der Veröffentlichung zugestimmt und die Druckfahnen vor der Veröffentlichung gelesen hatte. Das Argument, sie sei "damals noch relativ ›angeknackst‹" und habe nicht absehen können, "was passieren würde", ließ der Vorsitzende nicht gelten. Die Klägerin habe an der Entstehung des Buches mitgewirkt und auch die Zweitauflage geduldet. Nur im Falle einer damals bestehenden Geschäftsunfähigkeit bzw. Willenlosigkeit sehe die Sache anders aus. Weil die Klägerin selbst das verneinte sah der Richter eine schwere schuldhafte Persönlichkeitsverletzung nicht gegeben und vermutete es gehe nicht um das Schmerzensgeld, sondern um "etwas Persönliches". Der Beklagte Diplom-Psychologe gab freiwillig eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab in der er sich verpflichtete auch in Zukunft die umstrittenen Passagen nicht mehr zu verwenden.

Quelle: Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 17.06.2010: 52

Anmerkung: Daß sich die Klägerin mit Ihrer Forderung nach Schmerzensgeld nicht durchsetzen konnte, verwundert kaum. Der Beklagte Psychologie-Professor und Diplom-Psychologe hielt sich an das informed-consent-Prinzip (informierte Zustimmung) und war so berechtigt, die ihm anvertrauten und unter Schweigepflicht stehenden Informationen zu veröffentlichen. Allerdings zeigt der Fall auch, wie problematisch das informed-consent-Prinzip in der Praxis ist. Ich habe schon verschiedentlich auf dessen Problematik verwiesen: In der Psychotherapie kommt es immer zu einer besonderen Abhängigkeitsbeziehung (in der psychoanalytischen Terminologie - einer Übertragungsbeziehung). PatientInnen sind gegenüber ihrer/m Therapeutin/en nicht wirklich frei und unbefangen in ihrer Entscheidung eines an sie herangetragenen Wunsches nach einer Veröffentlichung intimer persönlicher Informationen -  schon gar nicht während der Therapie, aber auch nicht nach deren Abschluß. Und die Klägerin hat völlig recht, wenn sie argumentiert, sie sei damals psychisch beeinträchtigt (›angeknackst‹) gewesen und habe nicht absehen können, was (mit ihr) passieren würde [Es besteht ein ähnliches Problem nach Radio- und Fernsehauftritten, bei denen die Betroffenen nach der Sendung in ein tiefes Loch fallen können und ggf. auch eine weitere Traumatisierung erleiden können]. Auch wenn im vorliegenden Fall juristische Regelungen nicht verletzt wurden - ein psychisch verletzlicher Zustand ist nicht per se ein die juristische Geschäftsfähigkeit bzw. Willensbildung einschränkender Zustand - , ist doch und gerade auch bei traumatisierten PatientInnen zu überlegen, ob das informed-consent-Prinzip den Interessen von PatientInnen wirklich nützt oder nicht doch weniger oder mehr schadet. Ich persönlich favorisiere eine anonymisierte Darstellung, die das vorgestellte 'Material' (z. B. Diagnose(n), Anamnese, Psychodynamik, Übertragung) so verändert, daß es nicht zu einer Verfälschung der Behandlung kommt, aber auch die vorgestellten Personen (weder für Angehörige noch Profis, die PatientInnen zuvor behandelt haben) nicht erkennbar werden bzw. identifizierbar sind - natürlich stellt auch diese Vorgehensweise ein nicht zu erreichendes Ideal dar. In solchen Fällen ist eine Zustimmung der PatientInnen nicht erforderlich.

Juni 2010


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AKTUELL: Nummer 23/2010

Bundesarbeitsgericht: Die Schweigepflicht gilt auch über den Tod hinaus - zur Frage der Verwertung ärztlicher Unterlagen in

Mit Beschluß vom 23.02.2010 hat das Bundesarbeitsgericht die Beschwerde über die Nichtzulassung einer Revision gegen das Urteil der Vorinstanz abgewiesen. In dem Streitfall vor dem Landesarbeitsgericht ging es um die gewonnene Kündigungsschutzklage eines jedoch zwischenzeitlich verstorbenen Arbeitnehmers. Der klagende Arbeitgeber war u. a. der Ansicht, die Instanzgerichte hätten die Aussagen der Ärzte des Arbeitnehmers einholen und verwerten können - zumindest sei rechtlich offen, ob das zulässig sei. Aus der Sicht des BAG ist die Frage hingegen einfach zu beantworten und damit nicht klärungsbedürftig:

"Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise, wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.

Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus. Sie darf gegenüber nahen Angehörigen nur ausnahmsweise und lediglich im vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden, soweit einer ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegenstehen. Dabei muss sich der Arzt die Überzeugung verschafft haben, dass der Patient vor diesen Angehörigen keine Geheimnisse über seinen Gesundheitszustand haben will oder ohne die seiner Entscheidung entgegenstehenden Hindernisse hätte haben wollen. Auch gegenüber Erben des Verstorbenen, deren Interesse an der Auskunft oder Einsicht eine vermögensrechtliche Komponente haben kann, hat der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Verstorbenen Vorrang. Nur der behandelnde Arzt kann entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht. Er hat insbesondere darauf abzustellen, welche Geheimhaltungswünsche dem Verstorbenen angesichts der durch seinen Tod veränderten Sachlage unterstellt werden müssen. Der behandelnde Arzt ist in der Frage des Auskunfts- und Einsichtsrechts gewissermaßen die letzte Instanz (vgl. BGH 31. Mai 1983 - VI ZR 259/81 - zu II 3 b, c, f und g der Gründe, NJW 1983, 2627; siehe auch OLG München 9. Oktober 2008 - 1 U 2500/08 - zu A I und III der Gründe, VersR 2009, 982). Bedenken, die es geboten erscheinen ließen, diese Rechtsprechung zu überdenken, bestehen nicht." (BAG 23.2.2010, 9 AZN 876/09, Abs 12 und 13)

Beschluß BAG vom 23.2.2010, 9 AZN 876/09

Ärzte Zeitung online 1.06.2010

Juni 2010


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AKTUELL: Nummer 22/2010

Auskunftspflichten von PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen gegenüber Institutionen des Gesundheitswesens (z. B. Kranken - und Rentenversicherung) und sonstiger Stellen (z. B. Arbeitsämter)

Nach meiner eigenen Erfahrung als vertragärztlicher (Psychologischer) Psychotherapeut nehmen Anfragen der Krankenkassen bzw. des MDK im Zusammenhang mit längerfristiger Arbeitsunfähigkeit und/oder etwaigen Rehabilitationsmaßnahmen in den letzten Jahren deutlich zu. Die Ärzte Zeitung online hat - weil die Zunahme von Anfragen einen allgemeinen Trend darstellt - die Auskunftspflichten gegenüber dritten Stellen einschließlich des Hinweises die etwaigen zu verwendenden Formulare und Honoraransprüche aufgelistet:

Anfragen von gesetzlichen Krankenkassen: Auf welche Kassenanfragen Vertragsärzte antworten müssen oder können, ist in den Bundesmantelverträgen für die Primärkassen (PK) und die Ersatzkassen (EK) geregelt. Demnach müssen Ärzte den Kassen für deren gesetzliche Aufgaben auch Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten erstellen. Allerdings sind für solche Auskünfte die mit KBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Vordrucke zu verwenden. Stehen keine Vordrucke zur Verfügung oder gehen die Informationen, die die Kasse anfordert, über den Vordruck hinaus, muss die Kasse die Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht des Arztes angeben. Wobei der Arzt die Beantwortung ergänzender oder veränderter Fragen auf Vordrucken ablehnen kann. Und hier kann er auch eine zusätzliche Vergütung mit der Krankenkasse nach GOÄ vereinbaren. Letzteres gilt auch für Anfragen, für die es keinen Vordruck gibt. Die Vordrucke hingegen werden nach EBM (Ziffern 01610 bis 01623) vergütet - die entsprechenden EBM-Ziffern müssen auf dem Vordruck vermerkt sein.

Anfragen des MDK: Auf sie müssen Ärzte in der Regel antworten. Allerdings muss auch der MDK die Rechtsgrundlage für seine Auskunftsberechtigung sowie den Zweck, zu dem er die Informationen benötigt, angeben. Für einfache Auskünfte, Bescheinigungen etc. erhält der Arzt keine Vergütung und dafür gibt es auch keine vereinbarten Vordrucke. Anders sieht das bei ausführlichen Berichten aus: Hier ist ein Vordruck vereinbart und die Vergütung erfolgt über die EBM-Ziffer 01621. Geht es um die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit des Patienten sind die Vereinbarungen zwischen den einzelnen KVen und dem jeweiligen MDK vor Ort zu beachten. Denn dort ist auch das Honorar der Ärzte geregelt.

Anfragen von Sozialämtern: Auch das Sozialhilferecht enthält eine Auskunftspflicht für Ärzte - eine vorherige Einwilligung des Patienten ist nicht nötig (Paragraf 38 Abs. 4 S. 3 Bundessozialhilfegesetz). Allerdings darf der Arzt Auskünfte auf nicht vereinbarten Vordrucken verweigern. Und stellt ein Sozialamt eine Anfrage zur Arbeitsfähigkeit eines Patienten, dann muss der Patient doch vorher schriftlich eingewilligt haben. In Sachen Vergütung und Vordrucke sollten sich Ärzte an die zuständige KV wenden. In Westfalen-Lippe gelten für die Abrechnung etwa dieselben Regeln wie für Kassenanfragen.

Anfragen von Rentenversicherungsträgern: Es gibt keine gesetzliche Auskunftspflicht für Ärzte. Das bedeutet für den Arzt, er darf und muss nur dann Auskünfte erteilen, wenn der Patient vorher schriftlich zugestimmt hat und der Rentenversicherungsträger die Infos für die Durchführung seiner Aufgaben benötigt. Freie Berichte und Gutachten werden nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (gem. Anlage 2 zu Paragraf 10 Abs. 1 JVEG) vergütet. Für Befundberichte ohne gutachterliche Äußerung kann der Arzt demnach eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 21 Euro verlangen (JVEG/Anlage 2, Nummer 200). Für das Ausfüllen ärztlicher Befundbögen zum Reha-Antrag wird derzeit hingegen eine Vergütung von 18 Euro plus einer Verwaltungskostenpauschale von 7,20 Euro angeboten.

Anfragen vom Arbeitsamt: Infos darf der Arzt nur weitergeben, wenn die Behörde diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und der Patient vorher schriftlich eingewilligt hat. Die Vergütung erfolgt ebenfalls gemäß Anlage 2 zu Paragraf 10 Absatz 1 JVEG.

Anfragen von Unfallversicherungsträgern: Gegenüber den berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsträgern besteht nach den Paragrafen 201 und 203 SGB VII sowie dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger (Paragraf 46) für Ärzte eine Auskunftspflicht - selbst ohne Einwilligung des Patienten. Dabei ist eine Besonderheit zu beachten: Verweigert ein Arzt die Auskunft, kann ihn der Unfallversicherungsträger mit einer Geldbuße bis zu 2500 Euro belegen. Die Vergütung für die Auskunft ist im Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger geregelt.

Anfragen von privaten Versicherern: Nur, wenn eine konkrete Schweigepflichtsentbindung vorliegt, darf der Arzt Auskunft über einen Patienten erteilen. Pauschale Entbindungserklärungen aller behandelnder Ärzte von der Schweigepflicht - darauf weist die KVWL ausdrücklich hin - werden von der Rechtsprechung und der Literatur als unwirksam angesehen. Der Patient sollte daher im Einzelfall der Auskunftserteilung zugestimmt haben. Abrechnen kann der Arzt den Bericht nach den Ziffern 70 ff. nach GOÄ.

Anfragen von Patienten und Anwälten: Patienten steht ein weitgehendes Einsichtsrecht in ihre Akten, aber eben nur ein Einsichtsrecht, zu. Subjektive Einschätzungen des Arztes über den Patienten können in den Akten geschwärzt werden. Dass heißt, der Arzt muss keine extra Berichte schreiben und Kopien versenden. Der Patient hat aber das Recht, selbst Kopien anzufertigen und mitzunehmen. Auch Rechtsanwälte, die für Patienten tätig werden, sind auf das Einsichtsrecht beschränkt. Bei Anfragen zu Behandlungskosten ist das etwas anders: Hier hat der Vertragsarzt den Patienten nach Paragraf 305 Abs. 2 SGB V über die zu Lasten der Kassen zu zahlenden ärztlichen Honorare, die aus der Behandlung des Patienten entstanden sind, zu unterrichten. Dafür kann er eine Aufwandspauschale von einem Euro plus Versandkosten vom Patienten verlangen.

Weiter wird in dem Beitrag auf eine Broschüre KV Westfalen-Lippe hingewiesen, in der Auskunftspflichten (einschlierßlich der Frage wan diese endet) und Vergütungsansprüche zusammengefasst sind: Ein leidiges Thema: Anfragen von Krankenkassen, MDK, Behörden und anderen - Rechtsgrundlagen, Vordrucke, Vergütungen.

Inhaltsübersicht der Hauptkapitel der Broschüre:

I.

Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht im Arzt-Patienten-Verhältnis

II.

Auskunftsersuchen, Anfragen, Gutachtensaufträge an den Vertragsarzt

III.

Telefaxantworten des Vertragsarztes

IV.

Hinweise zur Umsatzsteuerpflicht und den Befreiungsmöglichkeiten

Quelle: www.kvwl.de unter Mitglieder/ Recht/Verträge und Rechtshinweise.

Es zählt nicht nur der EBM

Für jede Anfrage gelten andere Voraussetzungen und Vergütungen

Anfragende Stelle

Voraussetzung für Auskunft

Vergütung des Vertragsarztes

Krankenkassen

Gesetzliche Erlaubnis oder schriftl. Einwilligung des Patienten

EBM-Ziffern 01620 ff.

MDK

Begutachtungs- oder Prüfauftrag durch die Krankenkasse

EBM-Ziffern 01620 ff.

Gerichte

schriftliche Einwilligung des Patienten

Anlage 2 zu § 10 JVEG

Private Versicherungsgesellschaften/PKV

schriftliche Einwilligung des Patienten

GOÄ-Ziffern 70 ff.

Quelle: KVWLTabelle: Ärzte Zeitung (31.05.2010)

Ärzte Zeitung online 31.05.2010

Broschüre "Ein leidiges Thema: Anfragen von Krankenkassen, MDK, Behörden und anderen" (als pdf-Dokument - 4. Aufl. Stand: 2/2009)

Juni 2010


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AKTUELL: Nummer 21/2010

Verurteilung einer Psychotherapeutin zu Schadenersatz wegen Mitteilung eines Verdachts des sexuellen Mißbrauchs an unzuständige Personen bzw. Institutionen (Verletzung des Persönlichkeitsrechts des  vermeintlichen Täters)

Eine Psychotherapeutin hatte im Zusammenhang der Behandlung eines Kindes den Verdacht, es sei in den Jahren 2004 und 2005 von seinem Fußballtrainer (im Rahmen eines Schülerprojekts) sexuell mißbraucht worden. Hierüber äußerte sie sich nach Abschluß der Behandlung nicht nur gegenüber der zuständigen Fachstelle für Kinderschutz der Stadt X, sondern auch gegenüber zahlreichen weiteren Personen (u. a. Mitarbeiter des Arbeitgebers des Beschuldigten). Der Fußballtrainer und Sozialpädagoge verlor seinen Arbeitsplatz. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren (er  war vor langer Zeit einmal einschlägig in Erscheinung getreten) wurde eingestellt.

Zur Frage, ob ein sexueller Mißbrauch vorlag, äußerte sich das Gericht so:

Die Beklagte hat Belegtatsachen für ihren Verdacht nicht nachvollziehbar vorgetragen, so dass sich eine diesbezügliche Beweisaufnahme verbot; insbesondere reichte der Hinweis darauf nicht aus, dass der Kläger das Kind mit Sportartikeln beschenkte – was im Übrigen streitig ist – und ihm außergewöhnlich viel Zeit widmete. Der Umstand, dass die Beklagte durch den Vortrag der Belegtatsachen ihre psychotherapeutische Schweigepflicht gegenüber dem Kind verletzten würde, kann nicht dazu führen, dass der Kläger die ehrverletzenden Behauptung auch ohne solche Tatsachen als ggf. wahr hinnehmen muss; er würde hierdurch völlig schutzlos gestellt (OLG Frankfurt, 19.05.10, 1 U 49/09, Abs. 24).

Aber auch bei Vorliegen des Tatbestandes eines Mißbrauchs hätte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorgelegen:

Die Äußerungen betrafen den Kernbereich der Intimsphäre des Klägers und waren ungeachtet ihrer Kennzeichnung nicht als feststehende Tatsache, sondern als (dringender) Verdacht zu seiner Stigmatisierung geeignet. Die Beklagte hätte sich demgemäß auf Äußerungen gegenüber Personen beschränken müssen, deren primäre Aufgabe es ist, Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen, mithin die zuständigen städtischen Stellen und die Staatsanwaltschaft. (ebd. Abs. 19).

Nach Ansicht des Gerichts wurde der Kläger durch die Mitteilungen an nichtzuständige Stellen, insbesondere auch den Arbeitgeber in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es verurteilte die beklagte Psychotherapeutin deshalb zur Unterlassung der Behauptung eines sexuellen Mißbrauchs, zum Ersatz des materiellen Schadens und zu einer Entschädigung in Geld. Da Revision nicht zugelassen wurde ist die Entscheidung ist faktisch nicht anfechtbar.

Anmerkung: Das Urteil berührt indirekt auch Fragen der Schweigepflicht. Die Offenbarung des Geheimnisses (hier: Verdacht des sexuellen Mißbrauchs) selbst stellt keine Verletzung der Schweigepflicht dar, weil das Geheimnis selbst eine dritte Person (Geheimnisträger) betrifft. Anders verhält es sich mit den - den Verdacht begründenden - Fakten, welche die Psychotherapeutin vom dem Kind erfahren hat, soweit sie es dieses selbst betrifft, einschließlich der Tatsache, daß es der Psychotherapeutin diese Mitteilungen gemacht hat. Daß mit Daten und Informationen, die nicht PatientInnen, sondern Dritte (Angehörige, Bekannte, Politiker etc.) sorgsam umgegangen werden muß (auch wenn nicht erkennbar ist, daß diese von einer/m PatientIn stammen ist eine Selbstverständlichkeit. Geht es um (insbesondere künftige) Straftaten so sollte vor einem entsprechenden Schritt immer rechtlicher Rat (Justiziare der Berufsverbände) eingeholt werden.

Ergänzung (1/2011): Das Psychotherapeutenjournal (4/2010) greift das Urteil auf: Seite 390-391.

Pressemeldung OLG Frankfurt v. 20.05.2010 (Anmerkung: Die Seite ist nicht direkt erreichbar!)

Beschluß OLG Frankfurt vom 19.05.2010 (1 U 49/09) (Anmerkung: Die Seite ist nicht direkt erreichbar!)

Ärztezeitung online 25.05.2010

Mai 2010


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AKTUELL: Nummer 20/2010

Der 116. Deutsche Ärztetag spricht sich gegen die eGK aus!

(Teil X)

Bericht der Ärzte Zeitung (online) vom 14.05.2010:

Ärztetag fordert das Aus für die E-Card

Delegierte beklagen Verschwendung von Versichertengeld durch Gesundheitskarte

DRESDEN (fuh). Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, das Projekt der elektronischen Gesundheitskarte endgültig aufzugeben.

"Vier Jahre nach dem ursprünglichen Einführungsjahr der E-Card 2006 ist die neue Versichertenkarte noch immer nicht praxisreif", heißt es in der Begründung des mit 105 zu 86 Stimmen angenommenen Entschließungsantrags. 700 Millionen Euro an Beitragsgeldern seien allein im Jahr 2009 für die erste Phase des Rollouts im Gesundheitsfonds eingeplant. Mit dem Stopp des Projekts könnten 14 Milliarden Euro eingespart werden, heißt es weiter.

Die Delegierten wenden sich "gegen die Verwandlung der Arztpraxen in Außenstellen der Krankenkassen durch Verlagerung des Versichertendatenmanagements in die Praxen." In Zeiten drohenden Ärztemangels vor allem in ländlichen Regionen sei dieses Vorhaben kontraproduktiv.

Dr. Franz-Joseph Bartmann, Kammerchef in Schleswig-Holstein und Berichterstatter des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer, hatte zuvor vergeblich vor der Annahme dieses Antrags gewarnt. "Verweigerung oder gar Fundamentalopposition führt zwangsläufig dazu, dass wir als Ärzteschaft auf der Tribüne sitzen, während das Spiel auf dem Feld entscheiden wird", sagte er.

Ärzte Zeitung online 14.05.2010

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX

Mai 2010


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AKTUELL: Nummer 19/2010

eGK: Neue Planungen der gematik

(Teil IX)

Nach der Bestandsaufnahme für den Aufbau der Telematikinfrastruktur hat die Gesellschafterversammlung am 19.04.2010 über das weitere Vorgehen beraten und folgende Maßnahmen beschlossen:

Anmerkung: Bereits zu Beginn hielt ich es für eine Illusion, daß es bei der Freiwilligkeit der eGK-Anwendungen (insbesondere der online-Prüfung der Versichertendaten) bleiben wird. Zwar soll der entsprechende Beschluß der Leistungserbringer berücksichtigt werden. Zu glauben, daß es mit der flächendeckenden Einführung der eGK bei dieser Freiwilligkeit bleiben wird ist nicht nur illusionär sondern schlichtweg naiv. Im Gegenteil ist zu befürchten, daß eine online-Verbindung mit der jeweiligen Praxissoftware angestrebt wird  (und damit eine Zugriffsmöglichkeit auf Patientendaten), auch wenn der derzeitige Bundesgesundheitsminister dies noch ausschließt (Bericht Ärztezeitung online 17.04.2010).

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Quelle: Pressemitteilung der gematik vom 19.04.2010

April 2010


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AKTUELL: Nummer 18/2010

Gutachterverfahren bei der PKV und anderen nicht-gesetzlichen Kostenträgern: Pseudonymisierung der Unterlagen an die GutachterInnen

Aufgrund eines Beitrages des Deutschen Ärzteblatts (PP) zu dieser Problematik (Editorial, Meißner, M.: Gutachterverfahren der Privaten Krankenversicherungen: Datenschutz zweiter Klasse, DÄ-PP 9 [2/2010]: 49) habe ich einen Leserbrief formuliert, der im DÄ-PP April 2004 veröffentlicht wurde (DÄ-PP 9 [4/2010]:174):

Bei Gutachterverfahren der privaten Krankenversicherer werden häufig persönliche Daten des Patienten an den Gutachter weitergeleitet (Heft 2/2010: „Datenschutz zweiter Klasse“ von Marc Meißner).

Es ist erfreulich, dass diesem Thema nun etwas mehr öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Beitrag bedarf allerdings einiger Anmerkungen:

Der Ausdruck „pseudoanonymisierte Berichte“ ist irreführend. Pseudonymisierte Berichte enthalten ein Pseudonym (derzeit eine Kombination aus dem ersten Buchstaben des Nachnamens und der Ziffern des Geburtsdatums), anonymisierte Berichte stellen hingegen keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Patienten her.

Die Auffassung, die Schweigepflichtentbindung rechtfertige das Vorgehen der PKVen und der Beihilfe, ist nur teilweise zutreffend. Zunächst muss die Entbindung beinhalten, welche Daten zu welchem Zweck an wen weitergegeben werden. Doch auch in diesem Fall kommt es zu einem Verstoß gegen den Datenschutz: Die Grundsätze der Zweckbindung -und Datensparsamkeit rechtfertigen eine Datenweitergabe (auch mit Einwilligung der Betroffenen) nur insoweit, als diese zur Erfüllung des angestrebten Zwecks erforderlich sind. Die Kenntnis der Identität der Versicherten ist für die begutachtenden Ärzte/innen zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht erforderlich. Nur zur Erinnerung: Es geht um Daten aus dem Kernbereich der Persönlichkeit, die verfassungsrechtlich höchsten Schutz genießen! Die Preisgabe der Diskretion innerhalb des psychotherapeutischen Raums ist ein Angriff auf die Wirksamkeit des Verfahrens und die Funktion der psychotherapeutischen Berufsgruppen, die ihre Aufgabe nur dann erfüllen können, wenn die Bevölkerung sich ihrer Verschwiegenheit sicher sein kann.

Und jenseits juristischer Fragen: Wenn es stimmt – was ich für möglich halte, aber nicht belegen kann, dass PKVen die Berichte nutzen, um (verschwiegene) Vorerkrankungen zu eruieren, dann werden psychisch beeinträchtigte Patient(inn)en im Zusammenhang mit ihrer höchstpersönlichen Offenbarung gegenüber Psychotherapeut(inn)en bespitzelt. Die jeweiligen Psychotherapeut(inn)en und Gutachter/innen werden ihrerseits, wenn auch unbeabsichtigt, zu Erfüllungsgehilfen eines ethisch mehr als fragwürdigen Vorgehens. Ich fordere die Einführung des Gutachterverfahrens in der PKV (und bei anderen Kostenträgern, wie zum Beispiel den Unfallversicherungsträgern und Kirchen) und ein entsprechend verändertes Gutachterverfahren in der Beihilfe und rufe alle Kolleg(inn)en und Gutachter/innen auf, sich dem bestehenden Verfahren zu widersetzen – etwa durch konsequente Pseudonymisierung der Berichte, die Verwendung verschlossener Umschläge, die Information der Patient(inn)en und entsprechende Anschreiben an die Kostenträger.

Dipl.-Psych. Jürgen Thorwart, (DGPT, Freie Institute), 82223 Eichenau, www.schweigepflicht-online.de

Aus Anlaß einer Nachfrage nach einem entsprechenden Schreiben an die Kostenträger bzw. GutachterInnen finden Sie hier ein Musterschreiben.

April 2010


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AKTUELL: Nummer 17/2010

Schweigepflicht und Obergutachten Psychotherapie (Richtlinienverfahren)

Im konkreten Fall hatte ein Obergutachter seine Ausführungen (Obergutachten) in mehrfacher Ausfertigung an die zuständige Sachbearbeiterin der KK geschickt mit der Bitte das Gutachten an die Therapeutin weiterzuleiten. Der Gutachter hatte darin zur Störung der Patientin, den psychodynamischen Ausführungen der Therapeutin, dem Behandlungsplan und den Ausführungen der Vorgutachterin ausführlich (1,5 Seiten) Stellung genommen. Die Kollegin fragte sich nun, ob die Vorgehensweise  des Gutachters den offiziellen Vorgaben, da aus ihrer Sicht die Schweigepflicht in keiner Weise mehr gewahrt sei und die Patienten für diesen Fall über die Weitergabe ihrer Daten (an die KK) vorab informiert sein müssten.

Zunächst zum Obergutachterverfahren allgemein: Der Therapeut schickt die bisherigen Unterlagen

im roten, verschlossenen Umschlag (wie üblich) an die KK - mit der Bitte diesen an den Obergutachter weiterzuleiten. Das Verfahren ist geregelt und bei Faber/Haarstrick nachzulesen (Rüger & Dahm & Kallinke: Kommentar Psychotherapierichtlinien. München: Urban & Fischer 8. Auflage 2008: 88). Übrigens: Der (neuerliche) Bericht ist abrechenbar (35130/35131).

Wie der Gutachter sein Gutachten erstellt ist hingegen nicht im einzelnen geregelt. Im Kommentar wird ein formalen Aufbau empfohlenen (8. Auflage 2008: 91), auch weil es "ggf. die letzte Station vor einem Sozialgerichtsverfahren" darstellt. Zum Aufbau des Obergutachtens heißt es:

Der Hinweis auf die Schutzwürdigkeit von Patientendaten erscheint in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung, denn wenn sich das Obergutachten auf die beiden Berichte der/s Therapeutin/en bezieht (also etwa darin enthaltene diagnostische oder anamnestische Überlegungen, Psychodynamik, Behandlungsplan, Prognose etc.) dann ist die Frage, wie diese gewährleistet werden kann. M. E. wäre eine 'saubere' Lösung nur gegeben, wenn die ausführliche Stellungnahme ausschließlich an die/den behandelnde/n Therapeutin/en und eine kurze Stellungnahme an die Krankenkasse übersandt würde. Für weitere Schritte der PatientInnen (im Sozialgerichtsverfahren) könnten die Unterlagen dann ggf. diesen (und dann auch der KK) übergeben werden. Angesichts der doch grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage, werde ich die Autoren des Psychotherapiekommentars und den Bayerischen bzw. Bundesdatenschutzbeauftragten um eine Stellungnahme bitten.

April 2010


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AKTUELL: Nummer 16/2010

Bundesdatenschutzgesetz: Auskunfteien (wie die Schufa) müssen Auskunft geben

Die Neuregelung ermöglicht allen BürgerInnen und damit auch ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen Einblick in die über Sie gespeicherten Daten und das Scoring-System zu nehmen.

Quelle: Ärztezeitung online 31.03.2010

März 2010


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AKTUELL: Nummer 15/2010

Nachtrag: Klaus Kinskis Krankenakte - Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Berlin (30.04.2009)

(Teil II)

Der Schauspieler Klaus Kinski (1926-1991) war 1950 für drei Tage in stationärer Behandlung in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Die dabei angelegte Krankenakte, die höchst brisante Informationen zu den Umständen des stationären Aufenthalts und der gestellten Diagnose enthielt (ich verzichte auf die Offenlegung weiterer Details, weil diese unrechtmäßig an die Öffentlichkeit gelangt sind), war vom Krankenhauskonzern Vivantes 2008 - zusammen mit zahlreichen weiteren Akten (ca. 90.000), vor allem aus der NS-Zeit, an das Landesarchiv Berlin übergeben worden. Das Archiv (Leiter Dr. Uwe Schaper) und der Datenschutzbeauftragte Berlin Dr. Alexander Dix hatten die Offenlegung mit dem Hinweis (auf das Landesarchivgesetz) gerechtfertigt: Die zehnjährige Schutzfrist für Patientenakten von Personen der Zeitgeschichte sei (nach ihrem Tod) bereits 2001 abgelaufen.

Der Sohn von Klaus Kinski, Nikolai Kinski hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Herausgabe durch das Berliner Landesarchiv geklagt. Das Verfahren endete mit einem Vergleich: Die Unterlagen aus dem Jahr 1950 dürfen künftig nur nach Absprache mit Nikolai Kinski an Dritte herausgegeben werden. Soweit ein Antrag an das Archiv auf Herausgabe vorliegt, wird das Landesarchiv Nikolai Kinski informiert, damit er sich entsprechend (innerhalb einer Frist von mindestens zwei Wochen) dazu äußern und gegebenenfalls in einem Eilverfahren um vorläufigen Rechtsschutz ersuchen kann. Wie der Gerichtssprecher meinte, könne Kinski dann gegebenenfalls gerichtlich gegen die Weitergabe der Unterlagen vorgehen.

Bereits im Sommer 2008 hatte Kinskis dritte Ehefrau (Minhoi Loanic) Strafanzeige wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) Strafanzeige gegen den Leiter des Landesarchivs und den städtischen Krankenhauskonzern Vivantes gestellt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Dr. Schaper allerdings mit der Begründung ein, daß ein Verbotsirrtum vorliege (er hatte sich auf den Berliner Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Dix verlassen). Der Rechtsanwalt der Witwe (Ferdinand von Schirach) war dennoch im Ergebnis zufrieden gewesen, da sich die Akten weiterhin unter Verschluß befinden (siehe auch Teil I).

Kommentar: Das Urteil des VG Berlin hinterläßt einen faden Nachgeschmack. Gerichtssprecher Groscurth zufolge hat das Gericht den Inhalt der Krankenakten nicht geprüft. Bei einem zukünftigen Fall müsse das jedoch geschehen und das Persönlichkeits- gegen das Informationsrecht abgewogen werden - er sprach in diesem Zusammenhang von "unheimlich schwierigen Rechtsfragen". Ich halte diese Abwägung insoweit für problematisch, als jede Information, die den Kernbereich der Persönlichkeit berührt (siehe Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts), grundsätzlich schwerer wiegt, als das Informationsrecht der Öffentlichkeit. Krankenakten aller Art enthalten immer (auch) solche schützwürdigen Daten - wie sollten sich Personen der Zeitgeschichte (und auch 'Normalbürger') in ärztliche/psychotherapeutische Behandlung begeben, wenn nicht sichergestellt ist, daß diese Tatsache zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen wird - so  wissenschaftlich diese auch begründet sein mögen! Auch das Zeit-Argument mag hier nicht zu überzeugen.

Quelle (u. a.): JuraBlogs 30.04.2009

Archiv: Teil I

März 2010


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AKTUELL: Nummer 14/2010

Selbstdatenschutz

Angesichts der zunehmenden Gefahren, die vom Internet durch die Preisgabe von teils höchst persönlichen Daten durch die NutzerInnen selbst ausgehen, habe ich in der Rubrik Links Webseiten zum Selbstdatenschutz aufgelistet. Die Seiten stammen durchweg von vertrauenswürdigen Institutionen und informieren Einsteiger und Fortgeschrittenen über die Gefahren des Internet, mögliche und notwendige Sicherheitsmaßnahmen sowie über Verhaltensregeln (speziell auch für Eltern und Kinder) für den Umgang mit E-Mails, sozialen Netwerken und Einkaufsplattformen.

März 2010


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AKTUELL: Nummer 13/2010

Elena (Elektronischer Entgeltnachweis): Verfassungsbeschwerde in Vorbereitung

(Teil II)

Die Rechtsanwälte  Reinhard Starostik und Dominik Boecker (Fachanwalt für IT-Recht) haben Verfassungsbeschwerde gegen das am 28.3.2009 im Bundesrat verabschiedete Gesetz eingelegt (früher wurde ELENA auch als Job-Card-Projekt bezeichnet). Danach sind Arbeitgeber seit dem 1.1.2010 verpflichtet, für ihre Beschäftigten (Angestellte, Arbeiter, Beamte, Richter und Soldaten) einmal pro Monat einen umfangreichen Datensatz übermitteln, um den Arbeits- und Sozialämtern (ab 2012) eine schnellere und einfachere Entscheidung  über Sozialleistungen zu ermöglichen. Erfasst werden folgende Daten:

Die Rechtsanwälte Reinhard Starostik (er hat bereits auch in meinem Namen gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt und Erfolg gehabt) und Dominik Boecker (Fachanwalt für IT-Recht) haben Verfassungsbeschwerde  eingelegt. Betroffene (also insbesondere Angestellte, Arbeiter, Beamte, Richter und Soldaten) können eine Vollmacht erteilen und sich der Verfassungsbeschwerde anschließen. Weitere Informationen und Registrierung für die Vollmacht unter: https://petition.foebud.org/ELENA.

Archiv: Teil I

www.starostik.de

März 2010


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AKTUELL: Nummer 12/2010

Europäischer Gerichtshof: Mehrere Bundesländer müssen die Datenschutz-Aufsicht (zuständig für Privatwirtschaft und Verbände) neu regeln

Wie die Ärzte Zeitung berichtet sind die als Datenschutzstellen tätigen Behörden (Regierungspräsidien, Ministerien) der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachen-Anhalt und Thüringen nach Ansicht des EuGH nicht ausreichend unabhängig (Rechtssache C-518/07). Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat das Urteil begrüßt.

Quelle: Ärztezeitung online 9.03.2010

März 2010


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AKTUELL: Nummer 11/2010

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung: Die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internetdaten in der jetzigen Form ist verfassungswidrig!

(Teil XIV)

Am vergangenen Dienstag (2.03.2010) hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Die bevollmächtigten Rechtsanwälte der Kläger (Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der auch in meinem Namen geklagt hat; Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch und Prof. Dr. Jens-Peter Schneider) haben sich damit mit ihrer Rechtsauffassung durchgesetzt. Der durch das Gesetz entstandene Grundrechtseingriff wiegt nach Ansicht des Gerichts besonders schwer, weil die Daten sehr weit gestreut und aussagekräftig im Hinblick auf Gruppenzugehörigkeit, persönliche Neigungen und Schwächen sind und so die Intimsphäre berühren. Zwar steht eine Speicherungspflicht nicht grundsätzlich im Widerspruch zum Fernmeldegeheimnis, der Gesetzgeber ist bei einer gesetzlichen Neuregelung aber verpflichtet, den Zugriff auf gespeicherte Daten auf gravierende Fälle (Ahndung von Straftaten, die überragend wichtige Güter bedrohen; Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter solcherart) zu beschränken. Weitere Kernaussagen des Urteils:

Das Gericht verwies darauf, daß die Bürger nicht total erfaßt und registriert werden dürften:

"Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen. Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, dass sie nicht direkt durch staatliche Stellen erfolgt, dass sie nicht auch die Kommunikationsinhalte erfasst und dass auch die Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen Internetseiten durch kommerzielle Diensteanbieter grundsätzlich untersagt ist. Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlungen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland (...), für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich geringer" (Absatz 218 des Urteils v. 2.03.2010).

Zwei der acht Richter (Präsident Papier, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Kirchhof, Masing) haben gegen das Urteil gestimmt und ein kurzes abweichendes Urteil verfasst.

In einem Kommentar zum Urteil hat Heribert Prantl (Journalist und Rechtsanwalt) bedauert, daß das Gericht die Vorratsdatenspeicherung auch weiterhin für zulässig hält, wenn auch unter strengen Regelungen:

"Seit dem Urteil zur Volkszählung im Jahr 1983 hatte das Gericht immer wieder betont, das Grundgesetz schütze den Bürger »gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner Daten«. Das ist nun nicht mehr der Fall" (Heribert Prantl, SZ v. 3. März 2010: 2).

"Eine Totalerfassung aller Daten ist (...) für die Meinungs-, für die Kommunikations- und für die Pressefreiheit höchst gefährlich. Sie bedroht sämtliche Berufsgeheimnisse.

Das alles weiß das Bundesverfassungsgericht: Die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung sind in seinem langen Urteil anschaulich zusammengefasst - aber die Konsequenzen sind nur halbherzig gezogen worden. Das Urteil ist hart, aber nicht hart genug. Es ordnet zwar an, die bisher gespeicherten Daten zu löschen, lässt aber die Speicherung und Weitergabe der Daten für die Zukunft umfassend zu. Auf der Basis der im Urteil geschilderten Gefahren hätte die Speicherung aber generell verboten werden müssen" (Heribert Prantl, SZ v. 3. März 2010: 4).

Quelle: Süddeutsche Zeitung v. 3. März 2010: 1-2 (66 Jg., Nr. 51) und verschiedene andere Medienberichte (einschl. BVerfG)

Kommentar von Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung v. 3. März 2010: 2, 4 und online: 2.03.2010)

Urteil des Ersten Senats v. 2. März 2010 (- 1 BvR 256/08/1 BvR 263/08/1 BvR 586/08 -)

Pressemitteilung der Bundesverfassungsgerichts (BverfG) v. 2.03.2010

Pressemitteilung der Bundesärztekammer (BÄK) v. 3.03.2010

Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) v. 2.03.2010

Webseite RA Starostik, Berlin: www.starostik.de (aktuelles und historisches zur Vorratsdatenspeicherung)

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII

März 2010


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AKTUELL: Nummer 10/2010

Schweigepflicht auch bei Minderjährigen: Urteil des LG Köln (AZ: 25 O 35/08)

Wie die Ärzte Zeitung berichtet (23.02.2010) gilt die Schweigepflicht nach einem Urteil des Landgericht Köln auch bei Minderjährigen:

Eine 15-Jährige war mit ihrer Mutter bei einer Frauenärztin, um sich ein Kontrazeptivum verordnen zu lassen. Die Ärztin stellte bei dem Mädchen aber bereits eine Schwangerschaft fest.

Die junge Mutter konnte die Ärztin nach der Geburt dennoch nicht zu Schadenersatz heranziehen, da die Ärztin wunschgemäß deren Mutter nichts von der Schwangerschaft gesagt hatte. Es stand fest, dass die 15-Jährige Reife und Einsichtsfähigkeit ihrer Handlungen hatte. Und da die Ärztin eine Beratung zur Abtreibung vermittelt hatte, habe sie ihre Pflicht erfüllt, so das Urteil (Landgericht Köln, Az.: 25 O 35/08).

Das Urteil ist nicht weiter überraschend. Bereits mit dem 14. Lebensjahr besteht die Möglichkeit, eine eigenständige Entscheidung über die Einwilligung der Datenweitergabe an Dritte zu treffen, wenn die dazu erforderliche Reife (Einsichtsfähigkeit in die Handlung und ihre  Konsequenzen) gegeben ist - das ist ab diesem Zeitpunkt üblicherweise der Fall. Auch das verfassungsmäßig verankerte Erziehungsrecht der Eltern und damit die Informationspflicht der ihre Kinder behandelnder ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen ändert daran nichts.

Quelle: Ärztezeitung online 23.02.2010

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 9/2010

Leitfaden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu den Anforderungen an Hard- und Software in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen

Über den Leitfaden schreibt die KBV:

"Das Angebot an moderner Informationstechnologie für Arzt- und Psychotherapeutenpraxen ist riesig. Dabei geht es beim Computereinsatz in der Praxis inzwischen um mehr als die Abrechnung und die ärztliche Dokumentation. Damit sind auch die Anforderungen an eine moderne EDV-Ausstattung gestiegen. Der neue Leitfaden der KBV unterstützt Ärzte und Psychotherapeuten bei der Auswahl der Praxissoftware und Hardware. Er zeigt, worauf sie bei der Computer- und EDV-Einrichtung der Praxis achten sollten und was sie unbedingt benötigen. Der Leitfaden enthält darüber hinaus Hinweise zur sicheren Nutzung von Online-Diensten. Er informiert über das KV-SafeNet, ein KV-übergreifendes Online-Netzwerk, das die Kommunikation zwischen Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen erleichtern soll. Informationen zum Datenschutz und zur Datensicherheit finden sich am Ende des Dokuments."

KBV: Leitfaden (pdf-Dokument) Anforderungen an Hard- und Software in der Praxis (Februar 2010)

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 8/2010

Vorratsdatenspeicherung: Entscheidung des Bundesverfassungsgericht im März 2010!

(Teil XIII)

Das mit Spannung erwartete Grundsatzurteil des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts (Karlsruhe) zur Vorratsdatenspeicherung wird am 2. März 2010 verkündet. Gegen die seit 2008 vorgeschriebene Speicherung von Kommunikationsdaten haben knapp 35.000 BürgerInnen (darunter auch ich selbst) geklagt.

Quelle: Ärztezeitung online 18.02.2010

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 7/2010

Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz

(Teil V)

Erst heute (13.02.2010) komme ich dazu, mich bei den Mitzeichnern der Petition "Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz vom 05.12.2009" zu bedanken. Immerhin 722 BürgerInnen (vermutlich überwiegend ärztliche und nichtärztliche PsychotherapeutInnen) haben bis zum 3. Februar mitgezeichnet - und das trotz der nicht ganz einfachen Prozedur der Registrierung und Mitzeichnung.

Neben psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten, Berufs- und Fachverbänden, Psychotherapeutenkammern, Psychiatrieerfahrene, KV'en, Medien, Datenschutzorganisationen, dem Bundesdatenschutzbeauftragten, dem Bundespatientenbeauftragten habe ich auch alle bayerischen Bundestagsabgeordneten (soweit sie über eine E-Mail-Adresse verfügen) angeschrieben. Dabei haben mehrere Abgeordnete Ihr Interesse an dieser Frage bekundet. Zwei Fraktionen (Die Grünen/Bündnis 90 und die SPD) haben angekündigt, sich mit dem Thema zu befassen.

Derzeit befindet sich die Petition in der parlamentarischen Prüfung. Nach meinem Protest hinsichtlich des Umgangs bei meines ersten Versuch (siehe Archiv), hoffe ich, daß der Petitionsausschuß nun selbst inhaltlich Stellung nimmt. Die Oppositionsfraktionen werden ansonsten sicherlich nachhaken und ggf. einen Bericht des Petitionsausschusses anfordern.

Zwischenzeitlich wurde ich auch darauf hingewiesen, daß es weitere Kostenträger gibt, die das Gutachterverfahren nicht, oder jedenfalls nicht in der Form der GKV (Psychotherapie-Richtlinien/Psychotherapie-Vereinbarungen) anwenden. So liegen mir inzwischen die entsprechenden Unterlagen der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) vor. Hier heißt es:

"Abweichend vom Gutachterverfahren nach der Psychotherapie-Vereinbarung entscheidet der UV-Träger selbst über die Genehmigung der Psychotherapie, ggf. mit Unterstützung seines mit entsprechender Fachkompetenz ausgestatteten Beratenden Arztes und unter Beachtung der Kausalitätsfrage." (Modellverfahren "Einbindung von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren bei psychischen Gesundheitsschäden der Landesverbände der gewerblichen Berufsgenossenschaften"; Fassung November 2004: 11).

Weiter haben PsychotherapeutInnen "beim Versicherten eine umfassende Einwilligungserklärung anzufordern (ebd. Fassung November 2004: 13). M. E. ist es dringend erforderlich, alle Kostenträger psychotherapeutischer Leistungen dahingehend zu überprüfen, wie sie mit den in probatorischen Sitzungen gegenüber PsychotherapeutInnen offenbarten Informationen bei der Beantragung von Leistungen umgehen!

Kürzlich hat auch das Deutsche Ärzteblatt (Ausgabe PP) im Editorial der aktuellen Ausgabe 2/2010 ( das Gutachterverfahren der Privaten Krankenversicherungen als "Datenschutz zweiter Klasse" bezeichnet. Allerdings ist der Beitrag teilweise unrichtig - ich habe bereits einen entsprechenden Leserbrief für die folgende Ausgabe geschrieben.

Zur Petition

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 6/2010

Versorgung Illegaler: ÄrztInnen (und Psychotherapeuten) machen sich nicht strafbar und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, besteht für ÄrztInnen,

"die Patienten ohne gültigen Aufenthaltsstatus medizinisch versorgen, besteht keine Meldepflicht gegenüber den Ausländerbehörden. Die ärztliche Schweigepflicht verbietet ihnen dies sogar. Die Bundesregierung hat jetzt in einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift ausdrücklich klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte sich nicht strafbar machen, wenn sie sogenannte Illegale behandeln, und dass auch das mit der Abrechnung befasste Verwaltungspersonal öffentlicher Krankenhäuser der Schweigepflicht unterliegt.

Die Rechtsabteilung der Bundesärztekammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Sozialämter die ihnen im Rahmen einer Notfallbehandlung von den Krankenhausverwaltungen übermittelten Abrechnungsdaten nicht an die Ausländerbehörde weitergeben dürfen. Ausnahmen gelten, wenn die öffentliche Gesundheit gefährdet ist oder Betäubungsmittel konsumiert werden. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift stelle darüber hinaus klar, dass Personen, die im Rahmen ihres Berufs oder ihres sozial anerkannten Ehrenamtes tätig würden, keine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt leisteten, wenn sich ihre Handlungen auf die Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten oder anerkannten berufsspezifischen Pflichten beschränkten."

Quelle: Deutsches Ärzteblatt 2/2010: 52

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 5/2010

KV Bayerns: Online-Vernetzung nun auch kostengünstig und sicher möglich - KV-Ident

Im Unterschied zu den anderen Verfahren hat sich die KV Bayerns entschlossen neben den kostenaufwendigen auch eine kostengünstige online-Verbindung anzubieten (einmalig 20 Euro für jeweils 3 Jahre). Dies spielt insbesondere für die (derzeit für 2011) zu erwartende Pflicht zur online-Abrechnung eine wichtige Rolle. Dazu die KVB:

"Mit „KV-Ident“ bietet die KVB einen sicheren, einfachen und kostengünstigen Zugriffsweg auf ihr Online-Angebot.

KV-Ident ist ein so genanntes „starkes Authentisierungsverfahren“. Es beruht auf einer doppelten Identitätsprüfung des Anwenders. Jeder Teilnehmer erhält eine KV-Ident Karte (im Scheckkartenformat), mit der er sich neben seiner KVB-Benutzerkennung (Benutzername und Kennwort) beim Einloggen in das Mitgliederportal „Meine KVB“ identifizieren muss.

Während für KV-SafeNet spezielle Hardware-Komponenten angeschafft werden müssen, richtet sich KV-Ident an Praxen, die – statt KV-SafeNet zu kaufen – ihre bereits bestehenden Online-Anschlüsse zur Vernetzung mit der KVB nutzen wollen. Vorteile dieser Zugriffsvariante sind neben den geringen Kosten, die einfache Handhabung sowie die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Nutzung des Online-Angebots der KVB. Außerdem sind für KV-Ident keine zusätzlichen Software-Updates nötig.

Im Gegensatz zu KV-SafeNet sind die Nutzer jedoch selbst für die Absicherung ihrer Praxisrechner, wie etwa gegen Trojaner und Viren, verantwortlich. KV-Ident sichert somit nur den Zugriff auf die bei der KVB hinterlegten Daten ab – der Zugriff durch unbefugte Dritte vom Internet auf Ihre Praxis ist jedoch nicht automatisch geschützt."

Die Teilnahmeantrag für KV-Ident kann von registrierten NutzerInnen (Mitgliederportal "Meine KVB") heruntergeladen und unterschrieben der KV Bayerns zugesandt werden.

Die Übermittlung von Patientendaten (hier vor allem Abrechnungsdaten) ist insoweit sicher, als die NutzerInnen sich selbst darum kümmern, daß ihre Rechner ausreichend gegen Eingriffe von Außen geschützt ist (vgl. Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis der KBV, Mai 2008). Auch der BBP (Berufsverband der Bayerischen PsychoanalytikerInnen) hat in seinem jüngsten Mitgliederrundschreiben (1/2010) auf das Verfahren hingewiesen.

Quelle: www.kvb.de (unter Praxis/KV-Ident)

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 4/2010

Verfahren gegen den Chefarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht

(Teil II)

Wie nicht anders zu erwarten (siehe Bericht in Teil I, September 2009) wurde Prof. Dr. Möller am vergangenen Donnerstag (4.02.2010) vom OLG München zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro (einschl. 4% Zinsen seit 1998) und zur Ersetzung des materiellen Schadens, der dem Kläger (dem Teppichhändler und Juristen Eberhart Herrmann) durch die Anfertigung und Weitergabe des fachärztlichen Attests (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) entstanden ist und entstehen wird, verurteilt. Weitere Schadensersatzansprüche (Schäden durch die Flucht in die Schweiz) wurden ebenso wie die Klage gegen den Freistaat Bayern (den Arbeitgeber Möllers) abgewiesen. Herrmann und sein Anwalt Martin Riemer erwägen (und wohl auch Möller) eine Revision des Urteils. Diese wurde vom Oberlandesgericht allerdings nicht zugelassen, so daß lediglich die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde besteht.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 29 (5.02.2010), Seite 60 und verschiedenen Medienberichte (Internet)

Archiv: Teil I

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 3/2010

Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zum 1.4.2010: Auskunfteien müssen kostenlos Einsicht über die von ihnen gespeicherten Daten geben

Wie die Ärztezeitung online (1.02.2010) meldet können Verbraucher künftig ihre bei Auskunfteien gespeicherten Daten kostenlos einsehen. Bisher war dies zwar auch möglich, die Wirtschaftsauskunfteien forderten für die Selbstauskunft jedoch häufig Gebühren. Bei der Schufa können Verbraucher in Zukunft eine Selbstauskunft einmal jährlich kostenlos anfordern (schriftlich per Formular, telefonisch oder online über die Webseite der Schufa). Weitere - kostenpflichtige - Serviceangebote können auf der Webseite www.schufa.de recherchiert werden. Weiter meldet die Ärztezeitung:

Datenschützer und Verbraucherschützer empfehlen seit Langem, von der Selbstauskunft Gebrauch zu machen. Denn nicht selten haben die Auskunfteien fehlerhafte oder falsche Angaben gespeichert. Schlimmstenfalls können verfälschte Informationen zu einer schlechten Beurteilung innerhalb des sogenannten Scoring-Verfahrens führen.

Quelle: Ärztezeitung online 1.02.2010

Februar 2010


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AKTUELL: Nummer 2/2010

E-Mail Versand & Datenschutz: Wie können die Adressen der Empfänger von Kopien (Cc) unsichtbar gemacht werden?

Aus aktuellem Anlaß (Petition) habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt. Statt einer Kopie (Cc), bei der die Adresse des Empfängers sichtbar ist, kann auch eine blindcopy (Bcc) verschickt werden, bei der die Adresse/n des/r Kopie-Empfänger nicht sichtbar ist:

Damit blindcopy funktioniert, muß die Adressen der Mail-Empfänger im Adressbuch vorhanden sein (Windows Mail, Outlook Express etc.).

Wenn man in der geöffneten neuen E-Mail oben links auf die Schaltfläche "An" Oder "Cc" klickt, öffnet sich die Dialogbox "Empfänger auswählen". Dort stehen dann auf der rechten Seite die Option "An" (Hauptempfänger), "Cc" (carbon copie) und "Bcc" (blind carbon copie) zur Verfügung. Nun können Adressen markiert und in den jeweiligen Bereich (An, Cc, Bcc) eingefügt werden.

Januar 2010


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AKTUELL: Nummer 1/2010

Datenerfassungsprogramm Elena (Elektronischer Entgeltnachweis)

(Teil I)

Nach massiver Kritik des Bundsdatenschutzbeauftragten, der Gewerkschaften und verschiedener Parteien an der zentralen Erfassung von Daten (betroffen sind ca. 40 Millionen ArbeitnehmerInnen) sollen nach Aussagen der Bundesarbeitsministerin Dr. von der Leyen nur noch solche Informationen gespeichert werden, die zwingend zur Berechnung von Sozialleistungen auch erforderlich sind.

Bisher sollten bei dem am 1. Januar beginnenden Datenerfassungs- und Datenvernetzungsprojekt personenbezogene, einkommensrelevante Daten über das Arbeitsverhältnis (u. a. Einkommen, Fehlzeiten, Fehlverhalten, Abmahnungen, Krankheitstage, Kündigungsfristen, Kündigungsgründe, Streiktage, Aussperrungen) zentral im Zentralspeicher der Rentenversicherungsträger in Würzburg gespeichert werden. Alle Arbeitgeber sind verpflichtet, die Daten ihrer Beschäftigten an die Speicherstelle zu melden.

Hintergrund des Projekts - es stammt noch aus der unter der rot-grünen Regierungszeit eingerichteten Kommission 'Moderne Dienstleistung am Arbeitsplatz' unter Vorsitz von Peter Hartz - ist das Anliegen die Beantragung von Sozialleistungen zu vereinfachen:  Arbeitgeber werden von 2012 an von ihrer Pflicht entbunden, Entgeltbescheinigungen für ihre Mitarbeiter auf Papier auszudrucken. Alle Arbeitnehmer erhalten dann stattdessen ab 2012 eine Plastikkarte im Scheckkartenformat (mit Geheimzahl), die bei der Beantragung von Sozialleistungen vorgelegt werden muß. Der Sachbearbeiter kann dann (nachdem der Arbeitnehmer seine Geheimzahl eingegeben hat) die erfassten Daten abrufen, was die Beantragung von Anträgen auf Arbeitslosen-, Eltern- oder Wohngeld vereinfachen und Sozialbetrug verhindern soll.

Quelle: Süddeutesche Zeitung vom 31.12.09/1.1.10 und 2./3. 01.10; siehe auch SZ-online 1.01.2010

Januar 2010


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2010


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AKTUELL: Nummer 27/2009

Petition : Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz

(Teil IV)

Die von mir beim Petitionsauschuß des Deutschen Bundestages eingereichte Petition ist seit 22.12.2010 online einzusehen und kann bis zum 3. Februar 2010 mitgezeichnet werden.

Zur Petition

Anmerkung 1 (15.01.2010): Erfreulicherweise hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, sich nach dem Ende der Mitzeichnung um die Berichterstattung zu dieser Petition zu bemühen.

Anmerkung 2 (30.01.2010): Die Justitiarin der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Frau Lochner hat mir in einem Schreiben mitgeteilt, daß die Petition von der DGPT grundsätzlich mitgetragen wird. Der frühere Justitiar, Herr Schildt hatte bereits früher versucht in Verhandlungen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherer versucht Verbesserungen zu erreichen. Dies sei aber nicht gelungen, weil sich die privaten Krankenversicherungen darauf zurückziehen, dass im Rahmen des Versicherungsvertrages andere Voraussetzungen gelten als im Bereich der GKV. Es gehe auch darum zu prüfen, ob überhaupt eine Leistungspflicht besteht (z. B.  Wegfall der Leistungspflicht durch Verschweigen von Vorerkrankungen). Im Übrigen seien die Mitarbeiter der privaten Krankenversicherungen ebenfalls zur Beachtung der Schweigepflicht verpflichtet.

Wie Frau Lochner weiter schreibt "sehen wir den von Ihnen erhobenen Vorwurf der Verletzung des Datenschutzes im Bereich der Beihilfe zwar auch als gravierend an, aber aus anderen Gründen. Denn immerhin gibt es dort ein formalisiertes Gutachterverfahren (Formblatt 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 Beihilfe-Verordnung – BhV). Zwar ist dort kein vollständig  anonymisiertes Verfahren durch Chiffrierung vorgesehen, der Bericht ist aber in einem als vertrauliche Arztsache gekennzeichneten Umschlag an die Festsetzungsstelle zur Weiterleitung an den Gutachter zu übersenden. Der Festsetzungsstelle ist also bekannt, dass Psychotherapie beantragt werden soll, die intimen Daten des Patienten werden allerdings in aller Regel nicht offen gelegt, obwohl hier leider auch gelegentlich Verstöße gegen die Schweigepflicht vorkommen sollen. Das Verfahren im Rahmen der Beihilfe unterscheidet sich also doch von dem in der PKV, weil dort ein geregeltes Gutachterverfahren nicht vorgesehen ist".

Ich habe Frau Lochner daraufhin geantwortet:

Zu Ihrer Stellungnahme hinsichtlich der Beihilfe: Schon wegen des mangelnden Platzes war eine weitere Differenzierung in der Petition nicht möglich. Ich (und viele KollegInnen) sehen aber anders Sie das geregelte Verfahren in der Beihilfe als völlig unzureichend an. Der Gutachter (das schreibe ich ja in meiner Petition dezidiert) benötigt für sein Gutachten den Namen des Patienten nicht. Da im Bericht Informationen stehen, die den Kernbereich der Persönlichkeit berühren, liegt ungeachtet der Einwilligung in die Weitergabe ein Verstoß gegen den Datenschutz vor (Zweckbindung, Datensparsamkeit). Und auch ethisch ist es nicht hinnehmbar, daß intimste Daten ohne sachliche Notwenigkeit an Dritte weitergegeben werden. Wir haben die gleichen Probleme (nun analog zur PKV) auch bei einer Reihe von Sonderkostenträger: Berufsgenossenschaften, Kirchen, Bundeswehr. Das habe ich bisher nicht im Blick gehabt. KollegInnen haben mich darauf aufmerksam gemacht.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III

Dezember 2009


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AKTUELL: Nummer 26/2009

Hessen: Das neue Polizeiaufgabengesetz ermöglicht den Lauschangriff in ärztlichen Praxen

Nach einer Meldung der Ärzte Zeitung vom 15.12.2009 hat der hessische Landesärztekammerpräsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach kritisiert, daß Ärzte ihren PatientInnen künftig keinen absoluten Vertrauensschutz garantieren können (Zitate in blau):

Der Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) war von den CDU-und FDP-Fraktionen eingebracht und mehrheitlich beschlossen worden. Polizisten dürfen künftig unter anderem Internet-Telefonate abhören und technische Überwachungsgeräte wie Peilsender an Autos in Garagen anbringen. Ärzte sind als Träger von Berufsgeheimnissen nicht mehr geschützt. Wenn Polizisten Eingriffe wie Observationen oder Abhörmaßnahmen in ärztlichen Praxen für notwendig erachten, soll dies künftig möglich sein.

Derartige Eingriffe belasteten nach Ansicht der Hessischen Landesärztekammer das Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnnen und PatientInnen außerordentlich, da Hilfesuchende sich nicht mehr darauf verlassen könnten, daß die im Gespräch mit ÄrztInnen anvertrauten Informationen über körperliche und psychische Symptome vertraulich blieben. "Das neue Gesetz setzt das ärztliche Berufsgeheimnis weitgehend außer Kraft - mit verheerenden Folgen für den Behandlungserfolg," sagte von Knoblauch.

Quelle: Ärztezeitung online 15.12.2009

Dezember 2009


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AKTUELL: Nummer 25/2009

Vorratsdatenspeicherung: Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 15.12.2010 (Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007)

(Teil XII)

Anläßlich der bevorstehenden Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht (15.12.2009) hat der auch in meinem Namen klagende Rechtsanwalt Starostik ein Rundschreiben verfaßt, das die bisherige Entwicklung des Verfahrens zusammenfaßt:

Mandantenrundschreiben – zur Verfassungsbeschwerde Vorratsdatenspeicherung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben sich mit 34.450 weiteren Antragstellerinnen und Antragstellern an der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung beteiligt und mich mit Ihrer Vertretung beauftragt. Damit haben Sie mitgeholfen, ein eindrucksvolles Signal gegen den bisher größten Angriff auf das Recht jedes Bürgers auf Privatheit und unbeobachtete Kommunikation zu setzen.  Zu den Antragstellern unserer Verfassungsbeschwerde gehören auch Abgeordnete aller demokratischen Parteien.

Weitere Verfassungsbeschwerden wurden von bekannten FDP-Politikern, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hirsch, und zahlreichen Bundestagsabgeordneten der Fraktion „Die Grünen“, vertreten durch Prof. Dr. Schneider, eingelegt.

Endlich ist es so weit und das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 15.12.2009 die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Was ist bisher geschehen?

Das Bundesverfassungsgericht hat mit mehreren einstweiligen Anordnungen seit dem 11.03.2008 Auskünfte über die auf Vorrat gespeicherten Telekommunikationsdaten erheblich eingeschränkt, die Vorratsdatenspeicherung selbst aber vorläufig zugelassen.

Praktisch heißt das, dass zurzeit alle Verbindungsdaten von Telefongesprächen, Telefaxen, E-Mail-Abrufen und Internetnutzungen gespeichert werden, Auskunft hierzu wird aber nur unter einschränkenden Voraussetzungen erteilt.

Für alle von Ihnen, die sich über das Verfahren und aktuell über den Verlauf der mündlichen Verhandlung informieren wollen, werden auf der Webseite des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung Informationen angeboten:

http://verfassungsbeschwerde.vorratsdatenspeicherung.de

Am 15.12.2009 wird unter dieser Adresse ab 8 Uhr eine Pressekonferenz der Beschwerdeführer zu sehen sein und wird ab 10 Uhr live aus der Mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts berichtet werden. Darüber hinaus wird der Arbeitskreis am 15.12.2009 einen öffentlichen Informationsraum in Karlsruhe bereitstellen. Sitzplätze im Gerichtssaal sind leider keine mehr vorhanden!

Weitere Informationen zum Verfahren erhalten Sie auch auf meiner Seite: www.starostik.de.

Mit freundlichem Gruß und bestem Dank für Ihre bisherige Unterstützung bin ich Ihr

Meinhard Starostik

Rechtsanwalt

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Dezember 2009


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AKTUELL: Nummer 24/2009

Petition an den Deutschen Bundestag (5.12.2009): Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen (PKV) und der Beihilfe

(Teil III)

Aufgrund der äußerst unbefriedigenden (Nicht-) Behandlung meiner Petition durch den Petitionsausschuß (16. Legislaturperiode) habe ich meine Kritik an dieser Vorgehensweise in einem Schreiben (November 2009) formuliert und den Petitionsausschuß (17. Legislaturperiode)  zu einer inhaltlichen Stellungnahme aufgefordert. Nach einem ergänzenden Hinweis des zuständigen Sachbearbeiters habe ich nun zusätzlich eine öffentliche Online-Petition eingereicht: Sobald diese angenommen und veröffentlicht worden ist, werde ich mich um eine Bekanntmachung an die einschlägigen Institutionen kümmern (Ärzte- und Psychotherapeutenkammern, Fach- und Berufsverbände, Newsletter).

Petition (5.12.2009)

Archiv: Teil I + Teil II

Dezember 2009


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AKTUELL: Nummer 23/2009

BKA-Gesetz (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt): Das BKA fordert klare gesetzliche Grundlagen für die Überwachung von Internet-Telefonaten

Teil V

Die Ärztezeitung online (26.11.14) berichte über die Forderung des BKA nach einer klaren rechtlichen Grundlage für das Abhören von Internet-Telefonaten:

»Die Überwachung der zunehmenden Internet-Telefonie muss zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität zur Strafverfolgung möglich sein«, sagte der Präsident der Behörde, Jörg Ziercke, am Donnerstag auf der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden.

In der Vergangenheit konnten sich die Ermittler lediglich auf eine Rechtsverordnung berufen. Der BKA-Präsident fordert weitere Befugnisse, so  den Zugriff auf die IP-Adressen (personenbezogene Zuordnung von Computern) sowie die Speicherung von Daten aus Telefon- und Internetverbindungen (Vorratsdatenspeicherung).

Dem Gesetz zufolge können Verbindungsdaten sechs Monate lang ohne konkreten Verdacht gespeichert werden. Die Bundesbehörden dürfen aber bis zu einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht darauf zugreifen. Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn sie eine »konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit« abwehren wollen.

Im Dezember wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob das  BKA-Gesetz verfassungsgemäß ist.

Quelle: Ärztezeitung online 26.11.2009

Archiv BKA-Gesetz: Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV

November 2009


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AKTUELL: Nummer 22/2009

Elektronische Gesundheitskarte (eGK): USB-Gesundheitskarte mit Speicher

(Teil VIII)

Auf der Gesundheitsmesse Medica hat die Med-O-Card AG (eine Tochter der israelischen CEPCO Holding Ltd.) eine Gesundheitskarte vorgestellt, die einen (erweiterbaren) 2GB-Speicher enthält mittels dessen die kompletten Daten des Patienten gespeichert werden könnten. Eine Speicherung der Daten auf zentralen Servern wäre damit überflüssig.

Ärztezeitung online 24.11.2009

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII

November 2009


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AKTUELL: Nummer 21/2009

Der neue Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler hat Gespräche mit den VertreterInnen der der Selbstverwaltung (KVB/Dr. Carl-Heinz Müller, GKV/Dr. Doris Pfeiffer) zum weiteren Aufbau der Telematikinfrastruktur aufgenommen. Dabei wird es insbesondere auch um den mögliche Leistungsumfang der Gesundheitskarte auf dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen in den Testregionen gehen.

Pressemitteilung der KVB vom 18.11.2009

November 2009


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AKTUELL: Nummer 20/2009

Koalitionsvertrag 2009: Absichtserklärungen im Bereich Schweigepflicht und Datenschutz

Der zwischenzeitlich veröffentlichte Koalitionsvertrag Wachstum. Bildung. Zusammenhalt (CDU/CSU-FDP - 17. Legislaturperiode) beinhaltet einige Details, die für den Bereich Datenschutz und Schweigepflicht von Bedeutung sind:

Anmerkung: Zweifellos wird nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht auch (so) umgesetzt werden! Die von mir vorgenommene Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

November 2009


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AKTUELL: Nummer 19/2009

Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen (PKV) und der Beihilfe bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen: Petition an den Deutschen Bundestag (13.10.2008) und Initiative der Psychotherapeutenkammer Schleswig Holstein

(Teil II)

Die von mir eingereichte Petition hat bislang wenig Erfolg gezeitigt. In einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) wird darauf hingewiesen, daß Datenschutz eine Querschnittsaufgabe ist und das Bundesministeriums des Inneren (Bundesdatenschutzgesetz) zuständig ist. Zu der von mir geforderten Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts heißt es: "Wie der Petent selbst feststellt, ist das von ihm beanstandete Verfahren der Versicherungsunternehmen gegenwärtig durch die Schweigepflichtentbindungsklausel gedeckt, die jeder Antragsteller für eine private Krankenversicherung unterzeichnen muss. Versicherungsaufsichtsrechtlich können die Unternehmen daher nicht zu einer Änderung ihrer Praxis gezwungen werden". Die Überwachung der Versicherungsunternehmen sei zudem Aufgabe der Datenschutz-Aufsichtsbehörden der Länder(Schreiben  BMF v.  8.05.09).

Nachtrag 1: Tatsächlich hat der Petitionsausschuß (16. Legislaturperiode), wie ich erst in einem Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter erfuhr, die Angelegenheit mit der Weiterleitung der Stellungnahme des BMF für erledigt gehalten! In einem ausführlichen Schreiben (November 2009) habe ich meine Kritik an dieser Vorgehensweise geäußert und den Petitionsausschuß (17. Legislaturperiode) zur Veröffentlichung der Petition im Internet und zu einer inhaltlichen Stellungnahme aufgefordert.

Nachtrag 2: Wie ich vom zuständigen Sachbearbeiter erfuhr, muß die Online-Petition von mir beantragt werden (das habe ich übersehen und werde in Kürze den Antrag stellen), meine Kritik wird an den Ausschuß weitergeleitet (November 2009).

In Schleswig Holstein hat die Psychotherapeutenkammer hingegen erste konkrete Erfolge erzielt: Auf ihre Initiative hin wurde die Rechtsverordnung des Bundesministeriums des Inneren über die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen (BBhV v. 13.02.09) geändert:

§ 51 Bewilligungsverfahren

(1) Über die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Angemessenheit von Aufwendungen nach § 6 entscheidet die Festsetzungsstelle. Sie kann hierzu auf eigene Kosten bei Sachverständigen Gutachten einholen. Ist für die Erstellung des Gutachtens die Mitwirkung der oder des Betroffenen nicht erforderlich, sind die nötigen Gesundheitsdaten vor der Übermittlung so zu anonymisieren, dass die Gutachterin oder der Gutachter einen Personenbezug nicht herstellen kann. Ist für die Begutachtung die Mitwirkung der oder des Betroffenen erforderlich, sind § 60 Abs. 1 Satz 1, § 62 und die §§ 65 bis 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden.

Wie die Kammer berichtet, sind die meisten Beihilfestellen dem nachgekommen und auch die Krankenversorgung der Bahnbeamten soll folgen. Problematisch bleibt, daß völlig unklar ist, wie sich die Beihilfestellen anderer Bundesländer verhalten und daß die PKV nicht von dieser Regelung betroffen ist.

Anmerkung: Ich empfehle allen KollegInnen bei Anträgen an eine Beihilfestelle sich auf die Rechtsverordnung des BMI/BBhV zu beziehen und alle Angaben zu anonymisieren bzw. pseudonymisieren (analog der Richtlinienverfahren).

Psychotherapeutenjournal 3/2009: 335 (Bericht der PKSH)

Archiv: Teil I

Oktober 2009


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AKTUELL: Nummer 18/2009

Insolvenzrecht: Eingeschränkte/r Schweigepflicht und Datenschutz bei Insolvenz (ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluß vom 5. Februar 2009 (Az: IX ZB 85/08) die Auskunftspflicht eines insolventen Facharztes für Psychiatrie (Zusatzbezeichnungen Psychotherapie und Psychoanalyse) gegenüber dem Insolvenzverwalter auch hinsichtlich der Identität der behandelten PatientInnen festgestellt. Die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte der PatientInnen (Schweigepflicht im Sinne des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechtes) trete gegenüber vorrangigen (finanziellen) Belangen der Insolvenzgläubiger zurück.

Bericht der DGPT (Deutsche Gesellschaft für ): Rundbrief 2/2009: 12

Anmerkung: Die Entscheidung kommt nicht weiter überraschend. Schon bisher bestehen Einschränkungen der Schweigepflicht, wenn es um finanzielle Interessen Dritter geht. So können ÄrztInnen und ärztliche/nichtärztliche PsychotherapeutInnen Honorarforderungen gegenüber PatientInnen geltend machen, obwohl damit das Geheimnis der Inanspruchnahme einer ärztlichen/psychotherapeutischen Behandlung öffentlich wird (Mahn-, Vollstreckungsverfahren, Inkasso; Rechtsgrundlage: § 34 StGB). Andernfalls wären PatientInnen durch die Schweigepflicht vorder Geltendmachung (berechtigter) Forderungen geschützt.

Oktober 2009


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AKTUELL: Nummer 17/2009

Entwarnung: Die elektronische Abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung kommt (verpflichtend) erst zum 1.1.2011

(Teil II)

Mit Beschluß von 14.7.09 hat der KVB-Vorstand beschlossen die alternative Abrechnungsmöglichkeit per Diskette für ein weiteres Jahr beizubehalten. Die Einführung der Pflicht zur Onlineabrechnung wird (soweit es nicht zu einer weiteren Fristverlängerung kommt) um ein Jahr verschoben. Für ÄrztInnen und (ärztliche und psychologische) PsychotherapeutInnen, die zu diesem Zeitpunkt (2011) das 63. Lebensjahr vollendet haben, existiert eine Ausnahmeregelung.

Anmerkung: Die KVB Bayern teilte mir vor einigen Wochen telephonisch mit, daß neben den bestehenden und sehr teueren Online-Verbindungen zur KVB (KV-SafeNet, D2D) auch an einer sicheren E-Mail-Übermittlung der Abrechnungsdaten gearbeitet wird.

September 2009


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AKTUELL: Nummer 16/2009

Verfahren gegen den Chefarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht

(Teil I)

Bereits im August 2008 wurde der Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (Nußbaumstraße), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes und Bruches der Schweigepflicht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5000 Euro verurteilt. Er hatte 1994 in einem Attest, das - wie er selbst einräumte -  "vorwiegend auf fremdanamnestischen Informationen"  beruhte, eine psychische Erkrankung eines ehemaligen Münchner Galaristen und Kunsthändlers festgestellt. Diesen hatte er selbst aber nie gesehen (!), das Attest jedoch auf Bitte der Ehefrau ausgestellt (ein an die Polizei gerichtetes "Fachpsychiatrisches Attest" auf dem Briefpier der Psychiatrischen Klinik) und ihr zur Einleitung der Einweisung in die Psychiatrie übergeben.

In der nächsten Instanz vor dem OLG München (beide Parteien hatten  Berufung eingelegt) behaupte Möller, "nicht gewusst zu haben, dass er das Attest nicht an die Ehefrau geben durfte. "Es gibt immer Gründe, die ärztliche Schweigepflicht zu brechen", sagte er und berief sich in der Verhandlung auf einen "Verbotsirrtum"" (Zitat aus dem Online-Bericht der SZ v. 25.06.09).

Abgesehen von der Durchsichtigkeit dieses Manövers ist es ein Skandal, daß sich ein Facharzt und Chefarzt in dieser Frage auf einen Verbotsirrtum beruft - das geschieht übrigens in seiner Klinik im Zusammenhang mit Unterbringungsverfahren nicht zum ersten Mal. Die Weitergabe persönlicher Daten und Geheimnisse (auch) an Angehörige ist von der ausdrücklichen Einwilligung der/des Betroffenen abhängig und kann nur in seltenen Fällen (z. B. Bewußtlosigkeit) auf anderer Rechtsgrundlage erfolgen (§ 203 StGB). Möller hätte dies wissen können und müssen, zumal ein Anruf bei der zuständigen Landesärztekammer gereicht hätte, um etwaige Zweifel zu beseitigen. Das Wissen um die Schweigepflicht gehört zu den Grundlagen ethischen Handelns in Medizin und Psychotherapie. Möller ist Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Ordinarius für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, gehört zu den Senatoren der ersten Stunde an der Deutschen Eliteakademie und ist Autor und Herausgeber vieler einschlägiger psychiatrischer Bücher und Standardwerke (und das sind nur einige wenige Angaben zu seinen Titeln, Funktionen und Arbeiten)!

Vielleicht hätte es aber auch gereicht, wenn Möller (zumindest vor der letzten Verhandlung) in dem von ihm mit herausgegebenen Buch nachgesehen hätte: Im Kapitel biographische und Krankheitsanamnese (Autor P. Hoff) heißt es in einem farblich hervorgehobenen und mit einem großen Ausrufungszeichen versehenen Absatz:

"Jeder Eindruck, dass Dinge hinter dem Rücken des Patienten geschehen, muss sorgfältig vermieden werden. Selbstverständlich gilt die ärztliche Schweigepflicht auch gegenüber den Familienangehörigen, was nicht ausschließt, dass diese nach entsprechender Information des Patienten und mit seinem Einverständnis in die Therapie mit einbezogen werden."

(Möller, H.-J. & Laux, G. & Kapfhammer, H.-P.: Psychiatrie und Psychotherapie. Band 1: Allgemeine Psychiatrie. Springer: Heidelberg 3. Auflage  2008: 418); Online-Recherche über http://books.google.de (im Feld Suche den Begriff Schweigepflicht eingeben)

Es handelt sich bei den hier verhandelten und von Möller inhaltlich nicht bestrittenen Taten ('Ferndiagnose', Bruch der Schweigepflicht) um schwere Verstöße gegen die ärztlichen Berufspflichten!

Vom Kläger Eberhard Herrmann erhielt ich das Gutachten einer auch in Fragen der Schweigepflicht ausgewiesenen Juristin (Prof. Dr. Gabriele Wolfslast, Gießen), die im Verfahren als Sachverständige tätig geworden ist. Mit Datum vom 13.03.2008 schreibt sie zusammenfassend:

"Zusammenfassung und Ergebnis zu § 203

Professor Möller hat sich auch gem. § 203 Abs.1 StGB strafbar gemacht, indem er das von ihm ausgestellte Attest über Herrn Eberhard Herrmann dessen Ehefrau, der Polizei und dem Ermittlungsrichter zuleitete.

Gesamtergebnis

Professor Möller hat sich strafbar gemacht gem. §§ 278, 239 Abs.1, 2, 203 Abs. 1 StGB."

§ 278 StGB Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses

§ 239 StGB versuchte Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 14./15/16.08.09 (Druckversion) wurde die für den 13. August 2009 anberaumte Entscheidung überraschend vertagt. Am 1.10.09 soll die Verhandlung mit der Einvernahme einer Zeugin (Ehefrau des Kunsthändlers) fortgesetzt werden. Die Richterin zeigte sich schon bei dem Verhandlungstermin im Juni 2009 von der Rechtswidrigkeit des Handelns von Möller überzeugt, die Zeugenbefragen soll nun die Frage des durch das Attest angerichteten Schadens klären - der Kläger fordert eine Entschädigung in Millionenhöhe.

Süddeutsche Zeitung 21.08.2008

Süddeutsche Zeitung 25.06.2009

Spiegel-online 20.12.2008

Archiv: Teil II

September 2009


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AKTUELL: Nummer 15/2009

Einschränkung der Schweigepflicht für TherapeutInnen, die verurteile Personen im Rahmen der Führungsaufsicht auf Grundlage einer Weisung nach § 68b Abs. 2S. 2 StGB psychiatrisch, psychotherapeutisch oder sozialtherapeutisch behandeln

Von der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurden im Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 Offenbarungspflichten für TherapeutInnen, die verurteilte Personen auf Grundlage einer gerichtlichen Weisung psychiatrisch, psychotherapeutisch oder sozialtherapeutisch behandeln (analog bei Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB), eingeführt und die Schweigepflicht entsprechend eingeschränkt.

Betroffen sind insbesondere

soweit sie Führungsaufsichtsprobanden im Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 2S. 2 StGB betreuen bzw. behandeln. In diesen Fällen haben sie fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des Behandlungs- bzw. Betreuungsverhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, unter bestimmten Voraussetzungen der Führungsaufsichtsstelle, dem Gericht und dem zuständigen Bewährungshelfer zu offenbaren.

Zu weiteren Details verweise ich auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit v. 18.06.2009 (Dr. Walzel) an die  Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die Bayerische Landesärztekammer und die Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Nach (wohl zutreffender) Ansicht des Staatsministeriums sind die entsprechenden Regelungen bei den vor Ort therapeutisch Tätigen, aber insbesondere auch bei den Trägern und den MitarbeiterInnen entsprechender Therapieeinrichtungen kaum bekannt.

§ 68a StGB: Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz

§ 68b StGB: Weisungen

Anmerkung: Bereits verschiedentlich habe ich darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber die Schweigepflicht mit immer neuen Regelungen (zumeist auf dem Hintergrund einer punktuellen öffentlichen Hysterie) einschränkt. Hier also ein weiteres Beispiel! Im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums ( 18.06.09) heißt es dazu lapidar: "Der Gesetzgeber hat (...) das Interesse an einer effektiven Betreuung der Führungsaufsichtsprobanden und an einer Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten der Probanden für gewichtiger gehalten als die Vermeidung der mit der Einschränkung der Schweigepflicht verbundenen Belastung des therapeutischen Behandlungsverhältnisses".

Nachtrag 1: Die Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz informiert im Psychotherapeutenjournal  über "Schweigepflicht und Führungsaufsicht" (Psychotherapeutenjournal 3/2009, 327-328).

Nachtrag 2: Die Psychotherapeutenkammer Bayern hat ebenfalls Informationen zu diesem Thema zusammengestellt. Mitglieder finden diese unter Service: Rechtliche Themen/Schweigepflicht: Führungsaufsicht Schweigepflicht (Stand 2009).

September 2009


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AKTUELL: Nummer 14/2009

Das Einsichtsrecht von PatientInnen in die Aufzeichnungen von PsychotherapeutInnen

Der Rechtsanwalt und Justitiar der Psychotherapeutenkammer Bremen Bernd Rasehorn hat sich im aktuellen Heft des Psychotherapeutenjournals (2/2009: 153-155) dieses Themas angenommen. Unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung beschäftigt er sich mit dem sogenannten 'therapeutischen Vorbehalt', dem Persönlichkeitsrecht der PsychotherapeutInnen, der praktischen Durchführung des Einsichtsrechts, der Bedeutung des Einsichtsrechts für die therapeutische Praxis und mit dem Umgang mit Einsichtsverlangen von Seiten der PatientInnen.

Zum Artikel: Recht Aktuell. Zum Einsichtsrecht von Patienten in die persönlichen Aufzeichnungen eines Psychotherapeuten.

Anmerkung: Auch wenn ich nicht mit allen Details einverstanden bin (siehe Akteneinsichtsrecht/Auskunfts- bzw. Einsichtsrecht der PatientInnen) scheint mir der Artikel eine gute Grundlage für die intensivere Beschäftigung mit dieser hochbrisanten Frage.

Juli 2009


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AKTUELL: Nummer 13/2009

Datenschutz und Schweigepflicht

In unregelmäßigen Abständen weise ich auf die für niedergelassene ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen einschlägigen Empfehlungen der

hin.

Hinweis: Seit Mitte 2006 besteht die Pflicht zur Benennung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragter, wenn mehr als neun (vorher vier) Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind.

Juni 2009


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AKTUELL: Nummer 12/2009

BKA-Gesetz (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)

Teil IV

Zwischenzeitlich wurde die Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ich zitiere nachfolgend aus der Mitteilung der DGPT-Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (Frau Rechtsanwältin Brigitta Lochner, 28.04.2009):

Verfassungsbeschwerde gegen sog. BKA-Gesetz mit prominenter Unterstützung

Unser Mitglied Jürgen Hardt, Präsident der Landeskammer für Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten Hessen, hat gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, den Rechtsanwälten Gerhart R. Baum (Bundesminister a. D.), dem Fernsehjournalisten Christoph Maria Fröhder, ZEIT-Herausgeber Dr. Michael Naumann und Ulrich Schellenberg (Vorsitzender des Landesverbands Berlin des Deutschen Anwaltvereins) Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz), erhoben. Vertreten werden die Beschwerdeführer von Rechtsanwalt Gerhart R. Baum und den Rechtsanwälten Dr. Dr. Burkhard Hirsch (Innenminister NRW a. D.) pp.. Nach Einschätzung von Bundesinnenminister a. D. Gerhart Baum sei das BKA-Gesetz in vielen Punkten verfassungswidrig. Hervorzuheben seien insbesondere die Ausweitung von Sicherheitsbelangen auf Kosten der Freiheit der Bürger, insbesondere die Möglichkeit der Online-Durchsuchung und die Quellentelekommunikationsüberwachung, die Verletzung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und die Relativierung des Schutzes von Patienten, Mandanten, Informanten in den Berufsgruppen der Ärzte, Anwälte und Journalisten. Hier wird insbesondere kritisiert, dass Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete Schutz vor Überwachung genießen, Notare, Ärzte und damit auch PP / KJP, Steuerberater und Journalisten aber nicht. Nach Einschätzung Rechtsanwalt Baums sind von den Auswirkungen des Gesetzes nicht nur die Angehörigen der verschiedenen Berufsgruppen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland betroffen. Der Deutsche Journalistenverband unterstützt die Verfassungsbeschwerde und betont: „Zusammen mit den Ärzten und Anwälten haben wir bereits im Gesetzgebungsverfahren gegen das BKAGesetz deutlich Position bezogen. Es ist leider unumgänglich, dass wir uns jetzt an das Bundesverfassungsgericht wenden müssen“. Die Beschwerdeführer sehen dem Ausgang des Rechtsstreits mit Zuversicht entgegen. Wir werden über den weiteren Fortgang des Verfahrens auch an dieser Stelle berichten.

Anmerkung: Zwischenzeitlich habe ich den Text der Verfassungsbeschwerde erhalten und Herr Hardt hat seine Einwilligung erteilt diese hier online zu stellen. Ich verweise insbesondere auf seine Begründung zur Notwendigkeit der Diskretion bei Psychologischen Psychotherapeuten. Hardt greift hier auf die Ausführungen Freuds zum Behandlungsvertrag (Abriß der Psychoanalyse) zurück, was -  wie er mir mitteilte  - nun dazu führt, daß Freuds Haltung verfassungsrechtlich überprüft werden muß (Verfassungsbeschwerde Baum/Schantz/Hirsch 2009). Nachfolgend der entsprechende Passus:

"Die Vertraulichkeit des Verhältnisses eines psychologischen Psychotherapeuten zu seinem Patienten ist hierfür konstitutiv, denn der psychotherapeutische Heilberuf ist wesentlich auf das Konzept „absoluter Vertraulichkeit“ und „absoluter Diskretion“ angewiesen. Psychische Leiden sind oft mit großer Scham und Schuldgefühlen verbunden. Die absolute Vertraulichkeit des Gespräches mit einem psychologischen Psychotherapeuten ist die Vorbedingung dafür, dass ein Mensch sich öffnen kann und sich offenbaren kann. Die Erleichterung etwas Belastendes jemandem mit bewusster Aufrichtigkeit erzählt zu haben ist an sich schon ein psychologischer Wirkfaktor und damit wichtiger Teil der Therapie. Zu dieser bewussten Aufrichtigkeit auf der Seite des Patienten kann es nur kommen, wenn sie auf der Seite des Therapeuten mit absoluter Vertraulichkeit beantwortet werden kann, die man auch einem Seelsorger zugesteht. Anderenfalls wäre es weder fachlich noch ethisch verantwortbar, vom Patienten absolute Aufrichtigkeit zu fordern. Die Forderung nach völliger Aufrichtigkeit als Voraussetzung des therapeutischen Prozesses einer psychoanalytisch psychotherapeutischen Behandlung gilt daher bis heute als bewegendes Motiv des psychoanalytischen Prozesses und wesentliches Moment für eine wirksame therapeutische Beziehung, wie sich sowohl in der wissenschaftlichen Literatur zur psychotherapeutischen Behandlung sowie den entsprechenden berufsrechtlichen Vorschriften widerspiegelt. Zwingend für den Behandlungserfolg und damit die berufliche Tätigkeit eines psychologischen Psychotherapeuten ist, dass sich zu seinem Patienten eine dynamische Vertrauensbeziehung aufbauen kann. Diese geht über das Anvertrauen bestimmter Tatsachen noch weit hinaus; vielmehr vertraut sich der Patient als Person dem Therapeuten an. Kommt es zu einer Aushöhlung der behandlungstechnischen Diskretion, bedeutet dies eine Behinderung oder gar Beendigung der Berufstätigkeit des Therapeuten" (Verfassungsbeschwerde Baum/Schantz/Hirsch 2009, 41).

Pressemeldung der PTK Hessen (23.04.2009)

Archiv BKA-Gesetz: Teil I + Teil II  + Teil III

Mai 2009


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AKTUELL: Nummer 11/2009

Kinderschutzgesetz soll Schweigepflicht der Ärzte lockern

(Teil II)

Bericht der Ärzte Zeitung online vom 29.04.2009:

BERLIN (bee). Der Bundestag hat zum ersten Mal über einen Entwurf zu einem neuen Kinderschutzgesetz beraten. Der Entwurf der Regierung sieht unter anderem vor, dass die Schweigepflicht von Ärzten gelockert wird. Ärzte sollen enger mit den Behörden zusammenarbeiten, wenn sie bei Kindern Hinweise auf Misshandlungen feststellen.

Laut Hermann Kues (CDU), Staatssekretär im für den Entwurf zuständigen Familienministerium, müssen Ärzte nicht befürchten, wegen Bruchs der Schweigepflicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Die FDP-Abgeordnete Miriam Gruß äußerte in der Debatte die Sorge, dass sich kein Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Kindern aufbauen kann.

"Es sollte vermieden werden, dass Betroffene wegen der fehlenden ärztlichen Schweigepflicht gar keine Hilfe suchen", sagte sie. Die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz stimmte dem zu. Wie auch Caren Marks von der SPD merkte Deligöz an, dass viele Kinderschutzexperten das geplante Gesetz in der jetzigen Form kritisieren. Eine Anhörung soll am 25. Mai stattfinden.

Anmerkung:  Auf den ersten Blick erscheint das Anliegen eines besseren Schutzes mißhandelter Kinder sinnvoll. Das in der Diskussion häufiger gebrauchte Argument die Schweigepflicht diene bisher mehr den Tätern als den Opfern zeigt allerdings, wie wenig die Bedeutung der Schweigepflicht im Bewußtsein der Bevölkerung, PolitikerInnen und auch vieler ÄrztInnen verankert ist. Durch § 203 StGB "(...) strafrechtlich geschützt ist (...) nicht nur und auch nicht in erster Linie das Individualinteresse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen (...): Schutzgut ist in erster Linie das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können". (Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3). Schon bisher ist eine Verletzung der Schweigepflicht zulässig, wenn bei Abwägung der unmittelbar bedrohten Rechtsgüter (hier: Schweigepflicht/Recht auf informationelle Selbstbestimmung versus köperlich-seelische Unversehrtheit) der Schutz des höherwertigen Rechtgutes einen rechtfertigen Notstand (§ 34 SGB) begründet. Dies gilt allerdings aus guten Gründen nicht für potentielle Gefahren und schon gar nicht zur Ermittlung von Straftaten in der Vergangenheit.

Nachtrag:  Das Gesetzesvorhaben ist gescheitert (30.06.2009)! Die Koalition konnte sich nicht auf einer Verschärfung der Pflicht der Jugendämter zu Hausbesuchen in Gefährdungsfällen einigen.

Archiv Kinderschutz: Teil I

April 2009


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AKTUELL: Nummer 10/2009

"Die Abrechnung von Leistungen in den Hausarztverträgen nach Paragraf 73b SGB V in Baden-Württemberg und Bayern über die privatrechtlich organisierte Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) ist rechtswidrig" (Ärzte Zeitung online 29.04.2009)

Nach Ansicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Schleswig-Holstein (Thilo Weichert) ist die Übertragung der Abrechnung von hausärztlichen Behandlungen aufgrund der Sensibilität der dabei verarbeiteten Daten per Gesetz den KVen übertragen. Wie Weichert bei der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltsvereins in München erklärte führe die Übertragung dieser Tätigkeit auf privatrechtliche Arztverbände und Dienstleister dazu, daß der Schutz des Sozial- und des Patientengeheimnisses rechtlich wie technisch nicht mehr sichergestellt sei.

Ärzte Zeitung online (29.04.2009): Datenschützer bemängelt Abrechnung durch Verband. "Nur KV oder Kasse dürfen 73 b-Verträge abrechnen!"

Nachtrag:  Inzwischen hat auch  der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung/KBV (Dr. Andreas Köhler) bei einem Pressegespräch am 14. Mai 2009 zum diesem Thema Stellung genommen. Aus seiner Sicht sind die Daten der TeilnehmerInnen/ÄrztInnen (und damit der behandelten PatientInnen) an Selektivverträgen bei privaten Abrechnungsstellen gefährdet, da diese nicht die Datensicherheit bieten, wie sie bei den Kassenärztlichen Vereinigungen gewährleisten ist. Köhler erklärte in diesem Zusammenhang seine Bereitschaft (bzw. die der KVen und der KBV) eine Abrechnung auf höchstem Datenschutzniveau über die KVen und KBV vorzunehmen.

April 2009


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AKTUELL: Nummer 9/2009

BGH: Im Insolvenzverfahren besteht die Pflicht zur Mitteilung der zur Durchsetzung von Gläubigerforderungen erforderlichen Daten von Privatpatienten. Das gilt auch bei einem Verfahren über das Vermögen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse.

Mit Beschluß vom 5.02.2009 (IX ZB 85/08) hat der IX. Zivilsenat des BGH entschieden, daß die "Verpflichtung, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung privatärztlicher Honorarforderungen erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und die Forderungshöhe mitzuteilen, (...) auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse" besteht (Zitat aus dem Wortlaut der Entscheidung, Seite 1). Es besteht kein Zweifel, das dieser Grundsatz auch für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen gilt.

Ärzte Zeitung online (20.04.2009): Gläubigeranspruch hat Vorrang vor Arztgeheimnis. Insolvenzverwalter dürfen laut Richterspruch auf Daten von Privatpatienten zugreifen

April 2009


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AKTUELL: Nummer 8/2009

Online-Abrechnung für ÄrztInnen und (ärztliche/nichtärztliche) PsychotherapeutInnen in der kassenärztlichen Versorgung ab 2010

(Teil I)

Ab dem 1. Januar 2010 ist die elektronische Abgabe der Abrechnungsdaten einschließlich der Sammelerklärung und sonstiger Begleitpapier verpflichtend vorgeschrieben ( KBV-Richtlinie gemäß § 295 Absatz 4 SGB V in der Änderung vom 19. Februar 2008). Derzeit stehen verschiedene Verfahren zur Diskussion (z. B. D2D-Technik, Mitgliederportal), die von den jeweiligen KVen angeboten werden (zum Teil mit hohen einmaligen und laufenden Kosten!). Der elektronische Versand von papiergebundener Dokumente wird vermutlich erst später beginnen, da eine rechtsverbindliche elektronische Unterschrift die technische Möglichkeit der Erzeugung einer elektronischen Signatur mittels Signaturkarte oder Heilberufsausweis voraussetzt.

April 2009


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AKTUELL: Nummer 7/2009

Richtlinie zur Datenspeicherung auf Vorrat: Verwaltungsgerichts Wiesbaden wendet sich an den Europäischen Gerichtshof (Vorratsdatenspeicherung - Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007)

(Teil XI)

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online (17.03.2009) sieht das Gericht in der Datenspeicherung einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz (bei den nachfolgenden beiden Absätzen handelt es sich um Zitate aus dem Bericht) :

 "Der Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung eingeschüchtert werden", heißt es in der am Montag bekanntgewordenen Begründung zu einer Entscheidung des Gerichts. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht gewahrt, daher sei eine entsprechende EU-Richtlinie nichtig.

Die Kritik an der Vorratsdatenspeicherung stammt aus der Begründung zu einer Entscheidung, bei der es um die Veröffentlichung von Namen und Anschriften der Empfänger von Agrarbeihilfen im Internet ging. Diese Veröffentlichungen hatte das Wiesbadener Gericht für unzulässig erklärt, das Verfahren aber ausgesetzt und diese Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (Az.: 6 K 1045/08.WI).

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X

März 2009


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AKTUELL: Nummer 6/2009

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Beginn des Basisrollouts in Nordrhein: Konflikt zwischen Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung

(Teil VII)

In den nächsten Monaten wird der so genannte Basis-Rollout in Nordhein beginnen. Etwa 18.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Nordrhein werden in den nächsten Tagen Erstattungsformulare erhalten, mit denen sie die Pauschalen für die neuen (eGK-fähigen) Lesegeräte abrechnen können.

Die Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) empfiehlt in einer Mitteilung vom 10.03.2009 den ÄrztInnen im Rheinland, zunächst keine Geräte zum Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte anzuschaffen: "Nach Auffassung der ÄkNo ist eine Denkpause erforderlich, solange wesentliche Systemfragen offen sind. Zum Beispiel ist unklar, wie die Forderung der Krankenkassen nach einer Online-Aktualisierung der Versichertenstammdaten mit der Vertraulichkeit der Patientendaten zu vereinbaren ist. Hier muss es nach Auffassung der ÄkNo eine Trennung der von den Krankenkassen zu Verwaltungszwecken geforderten Daten von den medizinischen Patientendaten in der Praxis geben".

Darüber hinaus haben im Februar 2009 nach einem Bericht der Ärzte-Zeitung online (13.03.2009) rund 45 ärztliche Organisationen/Verbände im Bereich Nordrhein per Faxaktion zu einem Lesegeräte-Boykott aufgerufen.

Demgegenüber hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) trotz verschiedener anderslautender Voten der Ärztekammer Nordrhein, der VV  und zweier Ärztetagsbeschlüsse für den Basis-Rollout ausgesprochen und wird dementsprechend am 15. März 2009 die Erstattungsformulare verschicken.

Im April werden die Beteiligten (Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ärztliche Verbände, Datenschützer und Krankenkassen)  über das weitere Procedere beraten (Moderation: Landesgesundheitsministerium).

Weitere Informationen auch unter: www.stoppt-die-e-card.de.

Ärzte Zeitung online (13.03.2009): Kassen könnten den Datenerfassern Geld zahlen

Ärzte Zeitung online (11.03.2009): Lesegeräte für E-Card spalten Ärzte in Nordrhein. Ärztekammer und KV streiten über den Einsatz der Lesegeräte in den Praxen / Anforderungen an Online-Nutzung noch unklar

Ärztekammer Nordrhein: Pressemitteilung vom 10.03.2009

Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein: Praxen in Nordrhein installieren neue Lesegeräte (9.03.2009)

Anmerkung:  Bisher ist den ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen die Teilnahme am Projekt eGK ausdrücklich freigestellt. Allerdings ist die Frage, ob sich das (wie schon von einzelnen Krankenkassen gefordert) ändern wird, wenn der Basis-Rollout in Nordrhein (Testregion) und weiter flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt.

Nachtrag 1:  In einem Presseinfo (16.03.2009) informieren die Internationalen Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) über eine Resolution zur Elektronischen Gesundheitskarte, die auf dem Jahrestreffen der IPPNW kürzlich  beschlossen wurde. Sie appellieren darin an die Delegierten des vom 18.-22.5.2009 in Mainz stattfindenden 112. Ärztetages ihre Ablehnung der eGK in der bestehenden Form erneut zu bekräftigen.

Nachtrag 2:  Die DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.) hat mit Datum vom 30.03.2009 eine Stellungnahme zur Frage des Einsatzes der Telematik im Gesundheitswesen vorgelegt. Sie zeigt sehr deutlich die Gefahren dieser Technologie auf:

"Entwicklung im Bereich der Telematik: Die aktuelle Entwicklung im Bereich Telematik hat die DGPT zu intensiver Beschäftigung mit der Thematik veranlasst. Die Stellungnahme der DGPT zu diesem Thema finden Sie hier. Besondere Sorge bereitet nach wie vor die zentrale Speicherung der Daten. Außerdem wird die Freiwilligkeit der online-Anbindung  von gesetzlichen und privaten Krankenkassen in Frage gestellt und im Falle des Erhalts der Freiwilligkeit mit dem Ausstieg aus dem Projekt gedroht. Wir sind der Ansicht, dass die kommenden Monate für die Umsetzung der Pläne zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundenen Technologie entscheidend sein werden" (Zitat aus der Webseite www.dgpt.de/News).

Nachtrag 3:  Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online (30.03.09) läuft der Rollout sehr schleppend an, nach Aussage der KV Nordrhein (Gilbert Mohr) hätten lediglich 130 von 15.000 Praxen sich ein Lesegerät angeschafft.

Nachtrag 4:  Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bleibt bei seinem grundsätzlichen Ja zur eGK, die Einführung einer elektronischen Patientenakte (über die eGK) werde voraussichtlich noch Jahre dauern: Ärzte Zeitung online (22.04.09).

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI

März 2009


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AKTUELL: Nummer 5/2009

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Vertretung der Bundespsychotherapeutenkammer in der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik)

(Teil VI)

Durch das Verwaltungsverfahrensvereinfachungsgesetz wurden die PsychotherapeutenInnen in den Kreis der Zugriffsberechtigten für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) aufgenommen (§ 291a Abs. 4 SGB V). Bereits im März 2005 hat die Bundespsychotherapeutenkammer in einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Organisationsstruktur der Telematik im Gesundheitswesen darauf verwiesen, daß in der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) die betroffenen Heilberufekammern vertreten sind - mit Ausnahme der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die vom Gesetzgeber nicht  berücksichtigt wurde. Bis heute ist der Gesetzgeber dieser Forderung nicht nachgekommen! Die Bundespsychotherapeutenkammer ist damit weder Gesellschafter der Gematik, noch deren Fachausschuß vertreten! Eine Beteiligung erfolgt lediglich im Rahmen des unterstützenden Beirats.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V

März 2009


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AKTUELL: Nummer 4/2009

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Freiwilligkeit der Teilnahme von der AOK Rheinland/Hamburg in Frage gestellt

(Teil V)

Die AOK Rheinland/Hamburg hat in Nordrhein den Start des Basisrollouts (erste Region, in der die eGK flächendeckend ausgegeben wird) von der verpflichtenden Teilnahme der ÄrztInnen an der Startphase des Projekts abhängig gemacht. Die KBV beharrt hingegen nach einem Bericht der Ärztezeitung online (6.02.09) auf der Freiwilligkeit einer Teilnahme.

Anmerkung: Man kann sich nur wundern, welche merkwürdige Verhandlungsstrategien die Beteiligten auf beiden Seiten an den Tag legen. Wenn ÄrztInnen zu einer Teilnahme an der eGK nicht verpflichtet sind, dann macht das Projekt grundsätzlich (und unabhängig von etwaigen Fragen des Datenschutzes) keinen Sinn und stellt lediglich eine grandiose Verschwendung von Versichertengeldern dar.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

Februar 2009


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AKTUELL: Nummer 3/2009

Datenschutz bei ArbeitnehmerInnen

Angesichts der bekanntgewordenen Überprüfungen von Arbeitnehmerdaten (Deutsche Bahn Telekom) haben der Bundesdatenschutzbeauftrage Schaar und der DGB (Vize-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock) ein eigenständiges Gesetz zum Schutz der ArbeitnehmerInnen gegen eine massenhafte Überprüfung ihrer Daten und die gezielte Beobachtung am Arbeitsplatz, im Arbeitsumfeld sowie den Zugriff der Arbeitgeber auf Internet und E-Mail der Beschäftigen gefordert.

Ärzte Zeitung online (5.02.2009): Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer gefordert (Bundesdatenschutzbeauftragter)

Ärzte Zeitung online (5.02.2009): DGB pocht auf Gesetz für Arbeitnehmerdatenschutz

Februar 2009


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AKTUELL: Nummer 2/2009

Der Gemeinsame Bundesausschuß (G-BA) beschließt die Veränderung der bisherigen Praxis bei der Weiterleitung von Entlassungsberichten von Rehabilitationskliniken

Der G-BA berichtet in einer Pressemitteilung (01/2009) vom 22.01.2009:

"Entlassungsberichte gesetzlich versicherter Patientinnen und Patienten, die sich einer medizinischen Rehabilitation unterzogen haben, werden künftig lediglich der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt und auf Wunsch den Versicherten selbst übergeben. Einen entsprechenden Beschluss, der die Rehabilitations-Richtlinie den aktuellen Datenschutzbestimmungen anpasst, fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag in Berlin.

Bisher werden diese Berichte, die unter anderem auch sensible Patientendaten enthalten, von den Rehabilitationseinrichtungen den behandelnden Vertragsärztinnen und -ärzten und auch den zuständigen Krankenkassen zugeleitet, damit diese ihren Aufgaben nach Beendigung einer medizinischen Rehabilitation nachkommen können. In Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wurde der Datenfluss nun verringert.

Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach erfolgter Nichtbeanstandung nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Der Beschlusstext sowie eine entsprechende Erläuterung werden in Kürze im Internet (...) veröffentlicht".

Anmerkung: So erfreulich dieser vom Bundesgesundheitsministerium (Ulla Schmidt) noch nicht bestätigte Beschluß ist, so merkwürdig ist die bisherige Praxis der Weiterleitung solcher Berichte an die Krankenkassen. Wieso ist es in einem Rechtsstaat möglich, daß Daten höchst intimer Art (sie gehören nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE 80: 367ff] zum unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts) an Institutionen weitergeleitet werden, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benötigen (Verletzung der Grundsätze des BDSG: Datensparsamkeit, Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung)?

Januar 2009


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AKTUELL: Nummer 1/2009

Die Informationsfreiheit als 'Schwester' des  Datenschutzes

Weitgehend unbemerkt hat der Gesetzgeber vor nun drei Jahren das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beschlossen. Es setzt dem historisch aus dem absolutistischen Herrschaftsanspruch der deutschen Fürsten stammenden Grundsatz des Amtsgeheimnisses das Recht der BürgerInnen auf Information entgegen. Bundesbehörden werden damit zu Transparenz und Offenheit verpflichtet: "Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen" (§ 1 Abs. 1 IFG) - jedenfalls soweit einzelne schutzwürdige Interessen (öffentliche Belange, behördliche Entscheidungsprozesse, personenbezogene Daten, geistiges Eigentum, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse; siehe §§ 3, 4, 5, 6 IFG) nicht betroffen sind.

Wer sich in seinen Rechten auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz verletzt sieht,  kann sich an den Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit wenden; diese Funktion wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz (und Informationsfreiheit) wahrgenommen (§ 12 IFG). Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar kritisiert (nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung Nr. 303 v. 31 12.2009, 5) das IFG in seiner derzeitigen Fassung. Die Verwaltung gehe noch immer davon aus, Akten seinen ihr Eigentum und schirmten sich von den Bürgern ab. Es gebe zu viele Ausnahme, die dem Informationsanspruch entgegenstünden. Ein Problem besteht auch darin, daß für nicht einfache Auskünfte (diese sind kostenfrei) Gebühren bzw. Auslagen erhoben werden (§ 10 IFG).

Auf Länderebene gibt es unterschiedliche Regelungen. Viele Länder haben eigene Landes-IFG-Gesetze verabschiedet (Landesbehörden), fünf Länder (darunter Bayern) habe dies nicht getan. In Bayern gibt es stattdessen beispielsweise ein Gesetz für den Bereich der Umwelt: das Landes-Umweltinformationsgesetz (UIG) - der ursprünglich gute Gedanke föderalistischer Staatsstrukturen - das zeigt sich nicht nur an diesem Beispiel - ist längst zu einem technokratischen Monster verkommen.

Ergänzung: Ganz aktuell hat die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) Verbrauchern die Einsicht in personenbezogene Daten von Auskunfteien erleichtert. Schon bisher (seit 2005) war es anfragenden BürgerInnen möglich, online ihre personenbezogenen Daten einzusehen. Seit 15. Januar 2009 können zusätzlich die Daten anderer Auskunfteien (u. a. Deutsche Telekom, Bertelsmann und den Allianz-Konzern) abgefragt werden; auch eine Korrektur fehlerhafter Daten ist so möglich. Der online-Zugriff ist allerdings im Unterschied zur persönlichen Einsichtnahme der gespeicherten Daten bei einer Schufa-Verbraucherservicestelle (siehe www.schufa.de) kostenpflichtig (derzeit einmalig 15,60 Euro für den unbefristeten Zugang). Die Schufa verwaltet kreditrelevante Daten von über 65 Millionen Bundesbürgern und bietet Unternehmen bestimmte Branchen (z. B. Banken) Informationen zur Beurteilung der Bonität ihrer KundInnen.

Januar 2009


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2009


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AKTUELL: Nummer 33/2008

Bundestag und Bundesrat beschließen  BKA-Gesetz (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)

Teil III

Das vom Vermittlungsausschuß (marginal) geänderte BKA-Gesetz wurde vom Bundestag (18.12.2008) und Bundesrat in seiner heutigen Sitzung (19.12.2008) mit äußerst knapper Mehrheit (35 zu 34 Stimmen) verabschiedet. Damit kommt es zu Zwei-Klassen-System von Berufsgeheimnisträgern. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den betroffenen Berufsgruppen nicht ganz so ausgeprägt, wie das auf den ersten Blick erscheinen könnte (vgl. Teil I, Nachtrag 4)

Der ehemalige Bundesinnenminister Baum (FDP) und  der ehemalige Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Hirsch (FDP) haben eine Klage vor den Bundesverfassungsgericht angekündigt (im unmittelbaren Anschluß an die Unterzeichung des Gesetztes durch den Bundespräsidenten im Januar 2009) angekündigt (aerztezeitung.de 18.12.08 und 29.12.08).

Archiv BKA-Gesetz: Teil I + Teil II

Dezember 2008


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AKTUELL: Nummer 32/2008

Bundeskabinett beschließt neues Datenschutzgesetz

Das Kabinett hat am 10. Dezember 2008 einen Entwurf von Innenminister Schäuble (CDU) verabschiedet. Er sieht unter anderem vor, daß persönliche Daten nur  mit Zustimmung der Betroffenen weitergegeben werden dürfen. Bislang galt eine Regelung, nach der private Daten (z.B.  Adresse, Alter, Kontonummern) verkauft werden könnten, wenn die Betroffenen dem nicht widersprachen.

Link zum vollständigen Text der aerztezeitung.de (10.12.08)

Dezember 2008


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AKTUELL: Nummer 31/2008

Nach der eGK die eFA: Pilotprojekt zur elektronischen Fallakte

Die elektronische Fallakte scheint in überschaubarer Zukunft Realität zu werden - möglicherweise mit der Tendenz als technischer Standard zur Behandlungsdokumentation in der stationären und ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt zu werden.

Anmerkung: Obwohl die Beteiligten betonen, daß die Daten sicher sind, dezentral gespeichert werden und nur mit  Zustimmung der PatientInnen abgerufen werden können - das Projekt wird zudem in Abstimmung mit den zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten durchgeführt - ist Skepsis angebracht. Denn es geht eben keineswegs nur um administrative und medizinische Daten sondern auch um hochsensible intime Daten, die dem Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen sind. Ich meine, solche Daten gehören ganz grundsätzlich auf keinen (zentralen oder dezentralen) Server!

Link zum vollständigen Text der aerztezeitung.de (9.12.08)

Dezember 2008


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AKTUELL: Nummer 30/2008

"Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx fordert EU-weit einheitliche und hohe Sicherheitsstandards für den Schutz von Patientendaten bei Auslandsbehandlungen. Die von der Europäischen Kommission geplanten Datenschutzregelungen für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung hält Hustinx für unzureichend".

Link zum vollständigen Text der aerztezeitung.de (9.12.08)

Dezember 2008


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AKTUELL: Nummer 29/2008

Bundessozialgericht (Kassel): Die Daten gesetzlich versicherter PatientInnen dürfen grundsätzlich nicht an private Abrechnungsstellen übergeben werden

Das Bundessozialgericht in Kassel hat in einer Entscheidung vom 10.12.2008 (Az.: B 6 KA 37/07 R) die Weitergabe der Daten von in der gesetzlichen Krankenkassen Versicherten (ungeachtet etwaiger vorliegender Einwilligungen der PatientInnen) für unzulässig erklärt. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf eine fehlende Spezialvorschrift - die allgemeinen Datenschutzregelungen, die die Weitergabe mit Einwilligung der Betroffenen zulassen, sind in diesem Fall nicht anwendbar. Eine Übergangsregelung besteht für Leistungserbringer, die bereits über private Abrechnungsstellen mit den KV'en abrechnen, bis Mitte 2009.

Anmerkung: Die Entscheidung bezieht sich auf gesetzlich Versicherte. Anders liegt der Fall im Bereich der Privatversicherungen, wo die Abrechnung über private Abrechnungsstellen zulässig ist, jedoch nur mit Einwilligung der PatientInnen erfolgen darf (vgl. § 17 Abs 3 Satz 2 KHEntgG). Das Urteil liegt noch nicht vor - ein Medienbericht, sowie das Sitzungsprotokoll des 6. Senats kann über den obigen Link recherchiert werden (eine Verlinkung war nicht möglich).

Dezember 2008


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AKTUELL: Nummer 28/2008

NAV Virchov-Bund (Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands) fordert Datenschutzpaket im Gesundheitsbereich

Angesichts des "scheibchenweisen Abbau(s) von Datenschutz und Bürgerrechten im Gesundheitswesen" und des "schleichenden Prozess(es) des Übergriffes der 'Krake Staat' auf das Gesundheitswesen" fordert der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte, Dr. Klaus Bittmann eine konzertierte Aktion von DatenschützerInnen, ÄrztInnen und PatientenvertreterInnen mit dem Ziel der Erarbeitung eines  Konzepts zum Erhalt von Vertrauensschutz und Datensicherheit im Gesundheitswesen. Dabei gehe es insbesondere um

Anmerkung 1: Den Forderungen des NAV Virchow-Bundes schließe ich mich inhaltlich an - angesichts der Vielzahl von Einschränkungen des Vertrauensschutzes und der Datensicherheit im Gesundheitswesen wäre noch eine Reihe weiterer Punkte in ein solches Paket aufzunehmen. Nachdenklich macht mich andererseits, daß gerade die Beschäftigten im Gesundheitswesen tagtäglich gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Gerade ÄrztInnen, die ja häufig und gerne über die Zustände im Gesundheitswesen (und hier über Versäumnisse des Datenschutzes) klagen, verstoßen tagtäglich gegen die Schweigepflicht, wenn sie (bzw. die Arzthelferinnen) Patientenkarteien am Tresen ablegen, wo sie von anderen PatientInnen eingesehen werden könnten, oder wenn bei Telephonaten die Namen der in der Praxis anrufenden PatientInnen für Dritte hörbar genannt werden. Beides sind Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches (§ 203 StGB); im ersteren Fall, weil bereits die Möglichkeit der Einsichtnahme den Straftatbestand erfüllt!

Anmerkung 2: Eine den Forderungen des NAV Virchow-Bundes ähnliche Resolution wurde am 27.11.2008 vom Deutschen Anwaltverein (DAV), dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) und dem Hartmannbund verabschiedet (siehe auch unten den Beitrag zum BKA-Gesetz, Nachtrag 3).

Mitteilung des NAV Virchow-Bundes vom 14.11.2008

November 2008


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AKTUELL: Nummer 27/2008

Die Große Koalition beschließt das BKA-Gesetz (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)

Teil I

Mit den Stimmen der CDU/CSU (geschlossen) und der SPD (20 Gegenstimmen, 6 Enthaltungen) hat der Bundestag am 12.11.2008 in namentlicher Abstimmung das BKA-Gesetz gegen die Stimmen der Opposition beschlossen; insgesamt stimmten 375 Parlamentarier für und 168 gegen das Gesetz, 6 Abgeordnete enthielten sich.

Innenminister Schäuble sprach im Zusammenhang der Kritik an den neuen Regelungen von einer "Diffamierungskampagne" und Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) von "Panikmache“ und einem  "Kreuzzug gegen die Online-Durchsuchung". Schäuble verstieg sich zu der Aussage, das Gesetz diene der "Verteidigung der Freiheitsrechte". Man kann sich nur wundern!

Nachtrag 1: Nach der angekündigten Enthaltung Sachsens ist es inzwischen fraglich, ob das Gesetz den Bundesrat (Sitzung am 28.11.2008) passieren wird.

Nachtrag 2: Der Gesetzesentwurf wurde heute (28.11.2008) vom Bundesrat abgelehnt; die Weiterleitung in den Vermittlungsausschuß wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt. Grundsätzlich kann nun die Bundesregierung und auch der Bundestag ein Vermittlungsverfahren einleiten um noch einen Kompromiß mit dem Bundesrat zu erzielen. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, den Ausschuß anzurufen; Innenminister Schäuble möchte noch vor Weihnachten (!) zu einer Einigung kommen.

Nachtrag 3: Kaum zu glauben aber wahr: Bereits heute (3.12.08) liegt eine geänderte Fassung des BKA-Gesetzes vor, die auch weiterhin bei der Aufteilung der Berufsgeheimnisträger in zwei Klassen bleibt. Nach dem Bericht der KVB räumt die Koalition "Ärzten, Journalisten und Rechtsanwälten auch in der jüngsten geänderten Fassung des BKA-Gesetzes kein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Dieses gilt weiterhin nur für Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat sich laut SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann auf drei andere Änderungen geeinigt. So soll Online-Durchsuchungen auch in besonders eiligen Fällen eine richterliche Anordnung vorausgehen. Das gilt auch für den Schutz des unantastbaren Kernbereichs der Privatsphäre. Außerdem sollen die Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts und der Landeskriminalämter klarer voneinander abgegrenzt sein. Der Vermittlungsausschuss muss den geänderten Entwurf nun wieder an den Bundestag zur Abstimmung überweisen. Oppermann geht davon aus, dass das Gesetz im kommenden Jahr in Kraft tritt. (Agenturmeldung, 3. Dezember)".

Auch die Resolution des Deutschen Anwaltvereins (DAV), des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) und des Hartmannbunds am 27.11.2008, in der ein absoluter Schutz der Berufsgeheimnisträger vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen gefordert wurde ist ungehört verhallt. Ob der in einem gemeinsamen Forum in Berlin an den Bundesrat gerichtete Appell, das BKA-Gesetz abzulehnen, Gehör findet, darf bezweifelt werden.

Nachtrag 4: Zwar wird es ungeachtet der vorgenommenen Änderungen (Nachtrag 3) zwei Klassen von Berufsgeheimnisträgern geben. Allerdings sind die Unterschiede nicht ganz so ausgeprägt, wie das auf den ersten Blick erscheinen könnte. Denn auch den von etwaigen Maßnahmen verschonten Berufsgruppen (Geistliche, Strafverteidiger, Abgeordnete) drohen solche, wenn dies "zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist" (§ 20u Abs.1 mit Verweis auf § 20c Abs. 3 BKA-Gesetz); siehe dazu auch die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung Nr. 209 v. 13./14.12.2008, 8.

§ 20 u Abs. 1 des BKA-Gesetzes genannten Berufsgruppen

Informationen des Deutschen Bundestages (14.11.08)

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BT-Drucksache 16/9588 v. 17.06.2008)

Marburger Bund zum BKA-Gesetz ( Bericht aerztezeitung.de, 13.11.08)

Bericht der aerztezeitung.de vom 13.11.08 zum BKA-Gesetz

Bericht der aerztezeitung.de vom 17.11.08: Ist der Parlamentarier wirklich wichtiger als ein Arzt? (Pro und Contra)

November 2008


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AKTUELL: Nummer 26/2008

Kritik an den Plänen der Großen Koalition zur Novellierung des BKA-Gesetzes (Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten)

Teil II

Die von der Koalition (CDU/CSU, SPD) geplante Änderung des BKA-Gesetzes ist vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe scharf kritisiert worden. "Die Koalitionspläne für ein neues BKA-Gesetz sind ein Angriff auf die Bürgerrechte, die ärztliche Schweigepflicht und das Patient-Arzt-Verhältnis".

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 8.11.2008

Archiv BKA-Gesetz: Teil I

November 2008


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AKTUELL: Nummer 25/2008

Bundesverfassungsgericht: Einstweilige Anordnungen zur Vorratsdatenspeicherung (Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007)

(Teil X)

Das Bundesverfassungsgericht (2. Senat) hat am 15.10.2008 zwei Anträge verschiedener Personen (Rechtsanwalt, angestellte Klinikärzte, Schwerbehinderte, NutzerInnen von Telekommunikationsmittel zu Informations- und Unterhaltungszwecken, Gymnasiallehrer) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich verschiedener Regelungen  des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (insbesondere § 100a Abs. 2 und Abs. 4, § 100f, § 110 Abs. 3, § 160a StPO) abgelehnt. Mit dem Eilantrag hatten die Antragsteller das Ziel verfolgt, das Abhören der Telekommunikation und die Überwachung außerhalb der Wohnung (abhören und observieren)  sofort zu untersagen. Das lehnte das Gericht mit Hinweis auf die Folgen (Unmöglichkeit der Verwertung notwendiger Informationen zur Aufklärung schwerer Straftaten) ab, verwies jedoch auf das noch ausstehende Hauptsacheverfahren bei dem eine Prüfung vorgenommen werden müsse, inwieweit Grundrechte sogenannter BerufsgeheimnisträgerInnen (u.a. JournalistInnen, AnwältInnen, NotarInnen, ÄrztInnen, PsychologInnen) durch das Gesetz verletzt würden.

Pressemitteilung (93/2008) des Bundesverfassungsgerichts vom 7.11.2008

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.10.2008 (BVerfG, 2 BvR 236/08 und 2 BvR 237/08)

In einer weiteren Entscheidung hat der 1. Senat am 28.10.2008 einem Antrag auf Erlaß einer erweiterten einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten teilweise stattgegeben. Demnach werden die Verbindungs- und Standortdaten im Bereich der Telekommunikation zwar weiterhin ohne Anlaß (Verdacht) protokolliert, die Weitergabe an Dritte (insbesondere Polizei und Geheimdienste) ist jedoch "einstweilen nur unter engeren Voraussetzungen zulässig als von Bundestag und den Landtagen in Bayern und Thüringen gewollt". Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ist "nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom März und Oktober dieses Jahres (...) zuversichtlich, dass die exzessive Totalspeicherung unserer Verbindungs-, Standort- und Internetdaten auch weiterhin schrittweise in sich zusammen fallen wird". Weiterhin hat der Arbeitskreis "am 23.10.2008 alle Anbieter von Telefon-, Handy-, Internet-, E-Mail- und Anonymisierungsdiensten aufgerufen, dem Beispiel der British Telecom zu folgen, die Vorratsdatenspeicherung zu boykottieren und erforderlichenfalls gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen" (Zitate aus der Mitteilung des AK Vorrat - siehe Link).

Pressemitteilung (92/2008) des Bundesverfassungsgerichts vom 6.11.2008

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.10.2008 (BVerfG, 1 BvR 256/08)

Mitteilung  des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 6.11.2008: Gerichtliche Eilentscheidung: Schrittweiser Kollaps der Vorratsdatenspeicherung erwartet

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX

November 2008


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AKTUELL: Nummer 24/2008

Die Privatsphäre von ÄrztInnen (und damit auch von PsychotherapeutInnen) ist hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt (Internetportale)

Zu dieser Einschätzung gelangte der sachsen-anhaltischen Datenschutzbeauftragten Harald von Bose bei dem Symposion "Medizin 2.0 - Bewertungsportale und Versorgungsqualität" der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) in München. Nach dem Bericht der online-Zeitschrift "Ärztliche Praxis" (31.10.08) müssen sich ÄrztInnen "Bewertungen in teils windigen Internetportalen gefallen lassen (...). Werden einige Regeln eingehalten, können die Portale sich auf die Meinungsfreiheit berufen".

Weil die Arbeit in der Praxis der Berufssphäre zuzuordnen ist, läuft die Berufung auf die Privatsphäre ins Leere. Die Berufssphäre genießt als Teil der Gesellschaft und der sozialen Realität weniger Schutz als die Meinungsfreiheit. Insofern müssen ÄrztInnen es hinnehmen, wenn öffentlich (z. B. in Internetportalen) Urteile über sie gefällt werden, jedenfalls soweit gewisse Standards eingehalten werden (unzutreffende Tatsachenbehauptungen sind beispielsweise nicht zulässig). Jedoch müssen ÄrztInnen nach Ansicht von von Bose vor der ersten eingestellten Bewertung informiert werden: "Einfach nur vorauszusetzen, dass die Mediziner von der Existenz der Portale wissen, genügt dem Datenschützer nicht" (Bericht aerztlichepraxis.de vom 31.10.08)

November 2008


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AKTUELL: Nummer 23/2008

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Test von USB-Sticks als Speichermedium

(Teil IV)

Nach einem Bericht der Ärztezeitung vom 20.10.2008  wird die Betreibergesellschaft gematik ein Konzept zum Test von USB-Sticks als Alternative zur Server-gestützten Datenspeicherung vorlegen. Dies hat die die Gesellschafterversammlung der gematik einstimmig im Zusammenhang mit einem entsprechenden Antrag der Bundesärztekammer (Forderung der Erprobung von Speichermedien, die bei den Versicherten verbleiben) beschlossen. Ausführlicher Bericht in der aerztezeitung.de (24.10.08); der Beitrag kann leider nur von registrierten NutzerInnen gelesen werden (Registrierung kostenlos!).

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III

Oktober 2008


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AKTUELL: Nummer 22/2008

Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen und der Beihilfe bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen: Petition an den Deutschen Bundestag (13.10.2008)

(Teil I)

Nach wie vor wird der Datenschutz bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen mit Füßen getreten: Weil die PKV und die Beihilfe das in der GKV geregelte und bewähre  Verfahren anonymisierter Berichte der PsychotherapeutInnen an die/den von der Krankenkasse beauftragte/n GutachterIn nicht durchführen, kommt es zur Weitergabe intimster personenbezogener Daten, ohne daß dies zur Erfüllung des Auftrags (Gutachtenerstellung) notwendig wäre. Nachdem auch der Bundesdatenschutzbeauftragte bisher nichts in dieser Sache ausrichten konnte, habe ich eine Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht und werde über eine entsprechende Rückmeldung zu gegebener Zeit berichten.

Petition (13.10.2008)

Archiv: Teil II

Oktober 2008


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AKTUELL: Nummer 21/2008

DGVP (Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten): Unterwanderung des Datenschutzes und Bruch der ärztlichen Schweigepflicht bei der Abrechnung von Laborleistungen (Bundesmantelvertrag-Ärzte/BMV-Ä)

Das Abrechnungsverfahren bei Laborleistungen wurde bisher zwischen den auftraggebenden ÄrztInnen und der jeweiligen KV abgewickelt. Durch eine Veränderungen im Bundesmantelvertrag (in Kraft ab dem 4. Quartal 2008) wird nunmehr die Direktabrechnung der Labors mit den KVen eingeführt. Das hat weitreichende Auswirkungen für den Schutz von Patientendaten. Wurde das Verfahren bislang pseudonymisiert durchgeführt (Kennzeichnung des zu untersuchenden Materials mittels eines von den auftraggebenden ÄrztInnen angebrachten Barcodes) werden nunmehr die für die Abrechnung des Labors mit der KV notwendigen Patientendaten übermittelt. Dabei ist fraglich, ob die Übermittlung von PatientInnendaten an Laborgemeinschaften, die nicht Mitglied der KV sind, zulässig ist. Wenn überhaupt, so kann die Übermittlung nur (wie auch schon bisher, wenn externe Laborärzte Material untersuchten - siehe UnabhängigesZentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein), nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen erfolgen.

Anders, als die DGVP vermutet, handelt es sich nicht um einen Bruch der ärztlichen Schweigepflicht. Die Weitergabe (Offenbarung) von Geheimnissen (Patientendaten) ist ja gerade dann zulässig, wenn eine Offenbarungsbefugnis vorliegt (§ 203 StGB). Eine solche liegt mit Einführung der entsprechenden Bestimmungen des BMV-Ä vor bzw. dann, wenn PatientInnen ihre Einwilligung (schriftlich) erteilt haben. Den Vorwurf der Unterwanderung des Datenschutzes (und einer weiteren Gefährdung der vertraulichen Arzt-PatientBeziehung) halte ich hingegen für zutreffend.

Es ist tatsächlich erschreckend, daß höchst sensible Daten einer zunehmend steigenden Anzahl von Personen und Institutionen bekanntgegeben werden, ohne daß dies zwingend notwendig, den Betroffenen (PatientInnen und BürgerInnen) im Einzelnen klar wäre oder sie auch eine realistische Chance hätten, dem zu widersprechen (asymmetrische Beziehung PatientInnen-ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen, die u. a. impliziert, daß PatientInnen auf bestimmte Leistungen bei gleichzeitiger Pflicht zur Mitwirkung angewiesen sind). Hier wird in gröblicher Weise der Grundsatz des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 3: Datensparsamkeit und -vermeidung) mißachtet.

Pressemeldung der DGVP (26.09.2008)

Oktober 2008


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AKTUELL: Nummer 20/2008

Ein Blick in die Zukunft: Google Health

Im Mai 2008 hat Google die bisher nur englischsprachig verfügbare Beta-Version von Google Health frei geschaltet. Wer (in Deutschland oder in einem beliebigen Land) über einen Google Account (Benutzername und Passwort) verfügt, kann sich sofort auf seine persönliche Google Health Seite einloggen. Damit setzt Google einen Trend fort, der mit Microsofts Patientenportal Health Vault begonnen hat.

Auf dem Portal von Google kann ein komplettes Gesundheitsprofil vom Benutzer eingegeben werden (körperliche Merkmale, Zustand, Medikation, Allergien, Behandlungen, Laborergebnisse, Immunisierungen). Bei Eingabe verschiedener Medikamente werden deren mögliche Wechselwirkungen angezeigt. Ein Datenexport in andere Gesundheitsportale ist möglich, ebenso können Daten (Arztbriefe, Krankenhausberichte, Arzneimitteldaten von Apotheken etc.) importiert werden. Letzteres ist allerdings nur möglich, wenn ein Kooperationsvertrag mit Google besteht - entsprechende Verträge gibt es bisher nur wenige. Schließlich ist eine Suche nach ÄrztInnen und Krankenhäuser möglich.

Der Zugang zur persönlichen Google Health Seite ist dem Benutzer und Dritten (z. B. ÄrztInnen und Kliniken, die die Zugangsdaten erhalten haben) nur über den Benutzernamen und das Paßwort möglich. Zwar versichert Google Inc., daß die Daten der Patienten ebenso sicher sind wie jene im Gesundheitssystem gesammelten Informationen, sie unterliegen aber nicht den Gesundheitsdatenschutzgesetzen der USA. Deshalb ist beispielsweise nicht auszuschließen, daß Google auf die Herausgabe von Informationen verklagt werden kann. Unklar ist weiter, ob Google selbst Zugang zu den abgespeicherten Informationen hat und wie sicher die Informationen gegen den unbefugten Zugang Dritter (Hacker, ehemalige MitarbeiterInnen von Google) geschützt sind. Auch wird sich die Frage stellen, ob Daten (z B. für statistisch-epidemiologische Zwecke oder Krebsregister etc.) anonymisiert weitergegeben oder -verkauft werden (können). Die Versuche an die Daten zu gelangen werden sicher zahlreich sein - immerhin geht es hier um Daten von höchst privater und intimer Natur.

Google Health ist bereits in der Beta-Version recht übersichtlich und einfach zu handhaben. Es wird (weltweit) sicherlich viele NutzerInnen finden, schon weil das Portal im Unterschied zu anderen Anbietern (z. B. die Gesundheitsakte Produkt Life Sensor oder die World Medical Card, die beide auch in Deutschland angeboten werden; aus Deutschland stammt die vita-X-Gesundheitsakte, der sich bereits auch nichtärztliche PsychotherapeutInnen angeschlossen haben und die auch mit der eGK kompatibel sein wird ) kostenlos ist. Vermutlich bevorzugen viele Anwender auch eine von Ihnen selbst verwaltete, zentrale Datenbank. Google Health wirft allerdings in datenschutzrechtlicher Hinsicht einige Fragen auf; hinzu kommt, daß hier zentral eine nahezu unvorstellbar große Menge an Daten zusammenkommen wird. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine deutschsprachige Version vorliegen wird.

September 2008


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AKTUELL: Nummer 19/2008

Frankreich plant in Verbindung mit der Zusammenlegung zweier Geheimdienste (RG und DST) den Aufbau einer Datenbank mit dem Namen EDVIGE (Exploitation Documentaire et Valorisation de l’Information Genérale; Dekret vom 27. Juni 2008). Die Datei ist beim  französische Inlands-Geheimdienst DCRI angesiedelt, erfaßt werden sollen Personen ab 13 Jahren (!), wenn ihr (individuelles oder kollektives) Verhalten eine mögliche (künftige) Störung der öffentlichen Ordnung  befürchten lässt. Neben Angaben über Familienstand und Beschäftigung, Adresse, Telefonnummern, E-Mailadressen, physische Merkmale, Photos und Verhalten, Identitätsnachweise, Autonummernschilder, Steuerinformationen und Erbinformationen, Umzüge und rechtliche Aktenvermerke sollen auch Angaben über die sexuelle Orientierung und den HIV-Status gespeichert werden.

In ihrem Artikel "Le fichier Edvige inquiète les associations de défense des droits des homosexuels" (Die Datei Edvige beunruhigt Organisationen, die die Rechte der Homosexuellen verteidigen) berichtete Le Monde am 23.07.08 über den Widerstand (nicht nur von Datenschützern) gegen die Datei und eine entsprechende Petition, die bereits von mehr als 40.000 Bürgern und über 300 Organisationen unterzeichnet wurde.

Während die Innenministerin Michèle Alliot-Marie die Speicherung von Daten über Gesundheit und sexuelle Orientierung gerechtfertigt hat, wurden zahlreiche Einsprüche vor dem Conseil d'Etat (oberstes französische Verwaltungsgericht) mit dem Ziel eingelegt, das EDVIGE-Dekret zu annullieren.

(Kurzer) Bericht der Online-Ärztezeitung (www.aerztezeitung.de) vom 3.09.2008.

September 2008


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AKTUELL: Nummer 18/2008

Weitergabe von DAK-Patientendaten  an eine private Gesundheitsfirma (Healthways); Bericht Report München  (18.08.2008)

Die Deutsche Angestellten Krankenkasse hat der deutschen Tochter des US-Dienstleisters Healthways 200 000 Datensätze von PatientInnen übermittelt, die neben administrativen Daten auch Behandlungsdaten enthielten. Wie der Geschäftsführer von Healthways International GmbH, Michael Klein, gegenüber Report Mainz (Sendung am 18.08.08) erklärte, habe er habe die Daten von der DAK ohne Einverständniserklärung der Patienten  erhalten. Neben den Stammdaten (Name und Adresse) lägen ihm auch Behandlungsdaten der jeweiligen PatientInnen ( Krankenhausdaten, Arzneimitteldaten und die Diagnose) vor. Das Unternehmen kontaktierte mittels der Daten chronisch kranke Patienten, um sie für ein spezielles Betreuungs- und Schulungsprogramm zu gewinnen. Die Beratung von PatientInnen erfolgt nach dem Bericht von Report Mainz über ein Call-Center von Healthways in der Nähe von Berlin (Brandenburg). Dort werden die PatientInnen telephonisch durch Krankenschwestern und Pfleger beraten, nicht aber durch ÄrztInnen (ein interviewter Hausarzt hielt das Vorgehen, telephonisch medizinische Ratschläge zu erteilen, für skandalös). Ziel des Projekts sei es, die Krankenkassenmitglieder zu einer besseren Lebensführung anzuhalten, um langfristig Klinikeinweisungen zu vermeiden und auf diese Weise Kosten zu sparen. Es richtet sich an PatientInnen mit Diabetes, Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheiten und schweren Atemwegserkrankungen. Die DAK hatte zunächst argumentiert, es liege eine Einverständniserklärung der jeweiligen Betroffenen vor - zudem handle es sich um eine Weitergabe an und Datenverarbeitung 'im Auftrag' durch eine 'gleiche Stelle'. Nach der Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und einer entsprechenden Beanstandung des  Bundesversicherungsamtes (Unzulässigkeit der Übermittlung von Leistungsdaten vor einer Aufnahme in Spezialprogramme und Aufforderung an die DAK, den ersten Versicherungskontakt selbst zu übernehmen) hat die DAK reagiert. Nunmehr sollen die Erstanrufe bei Patienten, laut eines Sprechers der DAK,  mit dem Angebot zur Teilnahme an dem Spezialprogramm vorläufig nicht mehr von Healthways getätigt werden.

Anmerkung:

Der eigentliche Skandal besteht in der Argumentation der DAK: Den Mitgliedern wurde bei dem entsprechenden Informationsschreiben (das überdies offenbar nur ein Teil der Betroffenen erhalten hat; siehe auch die Aussagen des Geschäftsführer von Healthways) versichert, die Daten würden nicht an Dritte weitergegeben. Die formaljuristische Argumentation, es handle sich um eine gleiche Stelle, die im Auftrag Daten verarbeitet, zeigt wohin formaljuristische Argumentationen führen können. Ohne Zweifel zerstören solche Vorgange das Vertrauen in den sorgsamen Umgang mit Versichertendaten.

Die Sendung von Report Mainz können Sie unter diesem Link ansehen.

Der NAV Virchov-Bund hat in einer scharfen Reaktion auf die Datenweitergabe eine Verschärfung des Datenschutzes und eine bessere Patientenaufklärung gefordert (Presseerklärung v. 22. 08.2008).

August 2008


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AKTUELL: Nummer 17/2008

Veröffentlichung von Patientenakten: Schweigepflicht bei verstorbenen Personen der Zeitgeschichte

(Teil I)

Etwa 90 000 Akten der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik aus aus den Jahren 1880-1960 wurden kürzlich an das Landesarchiv Berlin übergeben und stehen damit zu Forschungszwecken zur Verfügung. Aus der Sicht der Berliner Ärztekammer stellt die Veröffentlichung dieser Akten, darunter jene des Schauspielers Klaus Kinskis (1926-1991) einen klaren Rechtsbruch dar. Sie unterstützt damit die von der Witwe Kinskis diesbezüglich gestellte Strafanzeige (aerztezeitung.de 8.08.2008 unter: Ärztekammer: Patientenschutz gilt auch für prominente Tote). Die Presseerklärung der Berliner Ärztekammer vom 6.06.2008 finden Sie hier.

Das Landesarchiv Berlin vertritt (naturgemäß) eine andere Auffassung. In einer Stellungnahme weisen der Direktor, Dr. Uwe Schaper gemeinsam mit dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Dr. Alexander Dix, darauf hin, "daß der Umgang mit Patientenakten äußerst sensibel erfolge(n)" und nicht alle Akten veröffentlicht worden seien: "Das wird auch in Zukunft nicht geschehen". Das Archiv habe auf gesetzlicher Grundlage gehandelt (§ 8 des Archivgesetzes des Landes Berlin) nachdem "grundsätzlich jeder das Recht hat, Archivgut nach Ablauf bestimmter Schutzfristen zu nutzen. Allerdings bedarf die Nutzung in jedem Einzelfall der Genehmigung des Landesarchivs Berlin. Die Genehmigung wird den Betroffenen und ihren nächsten Angehörigen stets erteilt, anderen jedoch nur, wenn die jeweiligen Schutzfristen abgelaufen sind".

Zusätzlich, so Dr. Schaper und Dr. Dix, unterliegen personenbezogenen Unterlagen wie Patientenakten besonderen Bedingungen, denn Personen genießen bis zum Ablauf von zehn Jahren über ihren Tod hinaus den Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre ("postmortaler Persönlichkeitsschutz"). Das Landesarchiv hat dabei den Schutz des Patientengeheimnisses sicherzustellen. Auch danach endet der Schutz nicht automatisch, sondern er ist mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) abzuwägen: Je länger der Zeitpunkt des Todes einer Person zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Recht der Öffentlichkeit auf freien Zugang zu Wissen und Information zu. Akten über Patienten, an denen kein vergleichbares öffentliches Interesse besteht, dürfen auch künftig selbst nach Ablauf der Schutzfristen grundsätzlich nicht in personenbezogener Form genutzt werden. Darauf können die Patienten vertrauen" (vollständiger Text des Landesarchivs Berlin unter: Gemeinsame Presseerklärung).

Anmerkung:

Ich verfolge schon seit langer Zeit die Diskussion um die Abwägung zwischen (postmortalem) Persönlichkeitsrecht und Informations-,  Wissenschafts- bzw. Forschungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) mit großer Sorge. Heutigen oder 'künftigen' Personen der Zeitgeschichte wäre auf dem Hintergrund der aktuell herrschenden Rechtsmeinung zu raten, sich weder in ärztliche, schon gar nicht in psychotherapeutische oder gar psychoanalytische Behandlung zu begeben. Was mit solchen Unterlagen passieren kann, zeigt nicht nur das obige Beispiel. Überdies ist zu bezweifeln, daß Unterlagen von und über PatientInnen, die nicht Personen der Zeitgeschichte waren, so geschützt sind, wie die entsprechenden Gesetze dies vorsehen. Und auch bei niedergelassenen ÄrztInnen und nichtärztlichen PsychotherapeutInnen sind solche Unterlagen keineswegs sicher, wenn der Forschergeist (einschließlich des mit der Aufdeckung verbundenen narzißtischen Gewinns) durchbricht. Beispielhaft sei dafür die Deanonymisierung historischer PatientInnen in einer (damals) neuen Edition des Freud-Ferenczi-Briefwechsels erwähnt, den Gerhard Fichtner unmißverständlich und überzeugend kritisiert hat (Fichtner, G. [1994]: Fragen an die Edition des Freud/Ferenczi-Briefwechsels. Psyche 48: 738-745).

Es gibt darüber hinaus auch Fälle, in welchen Psychoanalytiker (nicht von ihnen behandelte) lebende und verstorbene Personen der Zeitgeschichte zum Gegenstand ihrer Betrachtungen gemacht haben (z.B. P. Matussek: Analytische Psychosentherapie. Band 2: Anwendungen. Heidelberg: Springer 1997). Auch wenn dabei keine gesetzlichen Regelungen verletzt werden bleibt die Frage, ob ethische (ggf. auch berufsrechtliche) und auch fachliche Prinzipien hier nicht unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung mit Füßen getreten werden.

August 2008


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AKTUELL: Nummer 16/2008

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Aktion: Stoppt die e-Card!

(Teil III)

Die Aktion: Stoppt die e-Card! hat eine Patientenverfügung vorgelegt mit der ÄrztInnen untersagt werden soll Krankheitsdaten jetzt und in Zukunft auf zentralen Computern außerhalb der Arztpraxis zu speichern. Auf der Startseite (oben oder im Menu 'Downloadmanager') finden Sie diese ebenso wie eine Patienteninformation und Unterschriftenlisten als pdf-Dokument.

Ergänzung: Auf der Basis der Beschlüsse des 111. Deutschen Ärztetags (2008) hat die Bundesärztekammer einen Forderungskatalog der Ärzteschaft zum Projekt elektronische Gesundheitskarte an das Bundesministerin für Gesundheit übermittelt (Schreiben des Präsidenten der Bundesärztekammer vom 30. Juli 2008).

Archiv: Teil I + Teil II

Juli und August 2008


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AKTUELL: Nummer 15/2008

Empfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis

In einer Bekanntmachung im Deutschen Ärzteblatt hat die KBV Ihre neuesten Empfehlungen zu diesem Thema veröffentlicht (DÄ Ausgabe PP, 6/2008; das Dokument im pdf-Format können Sie in dem sich öffnenden Fenster des DÄ auf der rechten Seite anklicken).

Anzumerken ist, daß die Ausführungen zur Aufbewahrung patientenbezogener Unterlagen (bis zu 30 Jahren) problematisch sind. Die Verjährungsfrist (3 Jahre) beginnt erst mit dem Ende des Jahres, "in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind". Ich werde mich in dieser Frage an den Bundesdatenschutzbeauftragten wenden.

Die Überlegungen zum Einsichtsrecht (5.1.) spiegeln eine konservative juristische Haltung der KBV wider, wie Sie (speziell unter ÄrztInnen) lange Zeit vorherrschend war (und offenbar noch ist). In meinen Ausführungen zu diesem Thema (Akteneinsicht; siehe unter: Auskunfts- bzw. Einsichtsrecht der PatientInnen) erfahren Sie mehr und differenzierter, wie sich die Rechtsprechung auf diesem Gebiet geändert hat und vermutlich auch noch weiter ändern wird.

Juni 2008


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AKTUELL: Nummer 14/2008

Keine Schweigepflicht für ÄrztInnen, Hebammen und Entbindungspfleger in Bayern bei gewichtigen Anhaltspunkten für Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch von  Kindern und Jugendlichen

(Teil I)

Von der (betroffenen) Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat der Bayerische Landtag im April 2008 den von der Bayerischen Staatsregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge und des Kinderschutzes verabschiedet (Information des Bayerischen Staatsministerium für Arbeits- und Sozialordnung). Die darin geregelte Mitteilungspflicht für ÄrztInnen, Hebammen und EntbindungspflegerInnen tangiert die Schweigepflicht in ihrem Wesensgehalt. Die praktischen Folgen im Hinblick auf die Arzt-Patient-Beziehung sind noch nicht absehbar. Im Art. 14 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung - GDVG), der den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen regelt, heißt es im Absatz 6:

Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, gewichtige Anhaltspunkte für eine Misshandlung, Vernachlässigung oder einen sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen, die ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung bekannt werden, unter Übermittlung der erforderlichen personenbezogenen Daten unverzüglich dem Jugendamt mitzuteilen.

Erläuterung: Schon nach bisherigem Recht können ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (sowie alle in § 203 StGB erwähnten Berufsgruppen) im Falle einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leib und Leben eines Kindes ihre Schweigepflicht brechen, wenn andere und weniger einschneidende Möglichkeiten der Gefahrenabwehr nicht bestehen (rechtfertigender Notstand, § 34 StGB). Unter den genannten Voraussetzungen bestand eine Offenbarungsbefugnis, in bestimmten Fällen (etwa, wenn das Kind von der/m Psychotherapeutin/en selbst behandelt wurde) aufgrund der sich daraus ergebenden Fürsorgepflicht (Garantenstellung) eine Offenbarungspflicht. Aus der Offenbarungsbefugnis (i. S. der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter) ist mit Art 14 GDVG eine generelle Mitteilungspflicht ('nur') für ÄrztInnen an das Jugendamt geworden, die zudem nicht mehr alleine auf eine unmittelbar (in der Zukunft) drohende Gefahr abstellt. Mitgeteilt werden muß also auch eine zurückliegende Tat bzw. gewichtige Anhaltspunkte dafür. Auch psychotherapeutisch tätige ÄrztInnen, vor allem jene, die Kinder psychotherapeutisch behandeln, werden von der Mitteilung erfasst. Das Gesetz sieht für Verstöße gegen die Mitteilungspflicht keine Sanktionen (Ordnungswidrigkeit, vgl. Art 33 GDVG) vor. Allerdings wären zivilrechtliche Forderung denkbar, wenn der Mitteilungspflicht in fahrlässiger Weise nicht nachgekommen wird  und infolgedessen Kinder bzw. Jugendliche zu Schaden kommen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit habe ich Kontakt mit der Rechtsabteilung der DGPT (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) aufgenommen.

Juni 2008


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AKTUELL: Nummer 13/2008

Gefahren des Kopierens patientenbezogener und vertraulicher Dokumente

Wie ein Fernsehbericht ein weiteres Mal dokumentiert hat, können kopierte Unterlagen jederzeit von Dritten ausgelesen werden, wenn es sich um Geräte mit einer Festplatte handelt. Das ist bei den heute eingesetzten digitalen Geräten durchweg der Fall. Die vervielfältigten Dokumente werden gescannt und gedruckt; eine Datei verbleibt im Arbeitsspeicher und/oder auf der Festplatte. Solche Geräte sind daher sicherheitstechnisch wie PC's einzustufen; auch eine Vernetzung der Geräte ist möglich, was die Möglichkeit eröffnet, die jeweiligen Daten bzw. Festplatten per Intra- oder Internet einzusehen bzw. zu steuern. Das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein hat bereits 2005 auf die entsprechenden Gefahren hingewiesen (zum Artikel).

Juni 2008


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AKTUELL: Nummer 12/2008

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Mitteilung des NAV-Virchow-Bundes zu Alternativen

(Teil II)

Der NAV-Virchow-Bund (Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands) weist in einer aktuellen Mitteilung darauf hin, daß die eGK technisch mit Hilfe der USB-Technologie schneller einzuführen sei, als die Systematik der Gematik mit zentralen Servern. Damit wäre die zentrale Speicherung hochsensibler Patientendaten (einschließlich der dadurch potentiell gegebenen Möglichkeit der Datenverwertung durch Dritte) verzichtbar (Mitteilung von 2.06.08).

Archiv: Teil I

Juni 2008


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AKTUELL: Nummer 11/2008

Gesetzespaket zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)

Teil IX)

Den Wortlaut der einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Mai 2008


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AKTUELL: Nummer 10/2008

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) aktualisieren ihren Leitfaden zu Datenschutz und Datenverarbeitung in Arztpraxen (Pressemitteilung vom 9.05.2008)

In der Pressemitteilung wird die aktualisierte Fassung der Richtlinien von 1996 vorgestellt  (Pressemitteilung v. 9.05.2008). Unter anderem wird  dort Dr. Carl-Heinz Müller, Vorstand der KBV, mit den Worten zitiert: „Bisher galt: Praxisrechner, die Patientendaten verwalten, dürfen nicht ans Internet. Dies ist nun nicht mehr zwingend, wenn Provider einen entsprechenden Schutz durch Firewalls garantieren. Dies ist zum Beispiel im Rahmen des Hochsicherheitsdatennetzes der KVen, dem KV-Safenet der Fall“.

Hierzu ist zweierlei zu sagen: Zunächst entbehrt die Behauptung, Praxisrechner mit Patientendaten hätte bisher nicht an das Internet gedurft jeder (juristischen) Grundlage. Entscheidend war und ist, daß die notwendigen Sicherungsvorkehrungen (Anti-Virensoftware, Firewall, Anti-Spyware) gegen den unbefugten Zugriff auf geschützte Patientendaten getroffen werden (so auch die Haltung verschiedener KV'en). Dem widerspricht nicht, daß ich die Einrichtung sogenannter 'stand-alone-Rechner' Rechner für die patientenbezogenen Daten unbedingt empfehle (ggf. auch die Verwendung externer Festplatten; nähere Informationen unter Computer), weil die Gefahr unbefugter Zugriffe (insbesondere bei Computer-Laien, die mit der Konfiguration der Abwehrsoftware vielfach Probleme haben) nicht unterschätzt werden sollte.
Zudem scheint mir die Verheißung einer Garantie durch den Provider (hier zugleich eine willkommene Werbung für das KV-Safenet ) ebenso zweifelhaft wie die zunehmenden Bestrebungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Patientendaten zu sammeln (
Elektronische Gesundheitskarte-eGK; geplante online-Abrechnung).

Die wichtigsten Neuerungen des Leitfadens sind in der aktuellen Ausgabe des Ärzteblattes (Nr. 19 vom 9. Mai 2008: A 1026-1030) nachzulesen. Die Empfehlungen von BÄK und KBV einschließlich  einer Anlage mit technischen Sicherheitshinweisen finden sie hier.

Mai 2008


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AKTUELL: Nummer 9/2008

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Überwachung (Fortsetzung)

(Teil II)

Das Bundesverfassungsgericht hat wie berichtet (siehe unten Teil I) die Klage einer Journalistin (und Mitglied der Partei DIE LINKE, LV NRW) und dreier Rechtsanwälte gegen Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen für weitgehend begründet erachtet und die Regelungen im Verfassungsschutzgesetz NRW zur Online-Durchsuchung und zur Aufklärung des Internet für nichtig erklärt (Urteil vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07). In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme postuliert: Aufgrund der überragenden Bedeutung der Entscheidung zitiere ich die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts nachstehend (den Beschluß im vollständigen Originalwortlaut können Sie hier nachlesen):

Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 27. Februar 2008 (- 1 BvR 370/07 - und - 1 BvR 595/07 -)

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

  2. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen.

  3. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems ist grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.

  4. Soweit eine Ermächtigung sich auf eine staatliche Maßnahme beschränkt, durch welche die Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz erhoben oder darauf bezogene Daten ausgewertet werden, ist der Eingriff an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.

  5. Verschafft der Staat sich Kenntnis von Inhalten der Internetkommunikation auf dem dafür technisch vorgesehenen Weg, so liegt darin nur dann ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, wenn die staatliche Stelle nicht durch Kommunikationsbeteiligte zur Kenntnisnahme autorisiert ist.
    Nimmt der Staat im Internet öffentlich zugängliche Kommunikationsinhalte wahr oder beteiligt er sich an öffentlich zugänglichen Kommunikationsvorgängen, greift er grundsätzlich nicht in Grundrechte ein.

Archiv: Teil I

April 2008


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AKTUELL: Nummer 8/2008

!!! Das Bundesverfassungsgericht erläßt eine einstweilige Anordnung !!!

Gesetzespaket zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)

(Teil VIII)

Als einem von 34.451 Beschwerdeführern hat mir Rechtsanwalt Starostik (Berlin) am 15.03.2008 mitgeteilt, daß für die eingelegte Verfassungsbeschwerde der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zuständig ist. Über den (weiteren) Antrag, den Vollzug des Gesetzes bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichtes auszusetzen, wird der erste Senat voraussichtlich Ende März oder Anfang April entscheiden. Das Aktenzeichen für das Verfahren lautet: 1 BVR 256/08.

Kaum hatte ich das geschrieben hat das Bundesverfassungsgericht am 19. März 2008 in einer einstweiligen Anordnung den Zugriff auf die (6 Monate) gespeicherten Daten auf die Strafverfolgungsbehörden in Fällen einer schweren Straftat und nur mit Genehmigung des Ermittlungsrichters beschränkt. Der entsprechende § 100a StPO Strafprozeßordnung geht allerdings sehr weit und umfaßt beispielsweise auch Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung und mißbräuchliche Asylantragstellung. Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 37/2008 vom 19. März 2008 (1 BVR 256/08):

"Aufgrund eines Abrufersuchens einer Strafverfolgungsbehörde hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). In den übrigen Fällen ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen."

Das Gericht hat mit der Eilentscheidung das beschlossenen Gesetz teilweise außer Kraft gesetzt, weil es die dort nahezu schrankenlose Erfassung und Verwendung personenbezogener Daten für verfassungswidrig hält. Die Politik (bzw. die in der Sache zuständigen PolitikerInnen) reagiert darauf wie in letzter Zeit häufiger und nicht nur bei Entscheidungen des Verfassungsgerichts mit einem Reflex:

"Sie preist die Entscheidung lauthals und tut so, als habe diese das Gesetz bestätigt. Sowohl Bundesinnenminister Schäuble als auch Bundesjustizministerin Zypries haben sich am Mittwoch so verhalten: Es handelt sich um Missachtung durch Lob. Man nimmt die Kritik der Richter gar nicht mehr zur Kenntnis" (Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 20./21.03.2008, 2) .

Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung aufgegeben, ihm zum 1. September 2008 über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und der vorliegenden einstweiligen Anordnung zu berichten. Mit der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache ist voraussichtlich erst nach diesem Termin zu rechnen.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII

März 2008


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AKTUELL: Nummer 7/2008

Mitteilungspflichten von VertragsärztInnen, ärztlich geleiteten Einrichtungen und Krankenhäusern (§ 108 SGB V) bei missglückten Schönheitsoperationen oder Folgeerkrankungen bei Piercings

(Teil II)

Künftig sollen VertragsärztInnen verpflichtet sein, den Krankenkassen Fälle missglückter Schönheitsoperationen oder Folgeerkrankungen bei Piercings zu melden, die von ihnen behandelt werden. Schon bisher bestand eine entsprechende Verpflichtung im Falle von Berufskrankheiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (einschließlich Spätfolgen), bei Arbeitsunfällen (einschließlich Spätfolgen), bei sonstigen Unfällen, bei Körperverletzungen, bei einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (§ 294a SGB V). Der NAV-Virchow-Bund (Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands) weist in diesem Zusammenhang auf die Gefährdung des Arzt-Patient-Verhältnisses hin, da ÄrztInnen ihre Schweigepflicht brechen und den Krankenkassen "petzen" müßten. Zudem werde das Verschuldensprinzip eingeführt (Pressemitteilung vom 12.03.2008). Hintergrund ist die durch die Neuregelung entstehende Möglichkeit der Krankenkassen  etwaige Behandlungskosten von PatientInnen zurückzufordern.

Archiv: Teil I

März 2008


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AKTUELL: Nummer 6/2008

Gesetzespaket zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)

(Teil VII)

Wie berichtet (Januar 2008) wurde die Verfassungsbeschwerde per Eilantrag am 31. Dezember 2007 über den  beauftragten Rechtsanwalt Starostik (Berlin) eingelegt. Am 29.02.2008 wurden nun die über 34.000 Vollmachten von Rechtsanwalt Starostik dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe übergeben. Es handelt sich damit um die zahlenmäßig größte Verfassungsbeschwerde, die es bisher gegeben hat. Der Eilantrag soll noch im März entschieden werden. Weitere Informationen: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

März 2008


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AKTUELL: Nummer 5/2008

Die Heilberufskörperschaften in Hessen (heilen & helfen) unterstreichen die Kritik des Hessischen Datenschutzbeauftragten hinsichtlich des unzureichenden Schutzes der Berufsgeheimnisträger

Der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch hat in seinem 36. Datenschutzbericht deutliche Kritik am Bundes- und Landesgesetzgeber (Hessen)  hinsichtlich des unzureichendes Schutzes der Berufsgeheimnisträger geübt, zu denen auch die Heilberufe zählen. Der Zusammenschluß der Heilberufskörperschaften hat sich dem angeschlossen und auf die drohende Gefahr von Eingriffen in das Vertrauensverhältnis zwischen den Angehörigen der Heilberufe und ihren PatientInnen gewandt:  Presseerklärung des Zusammenschlusses heilen & helfen vom 26.02.2008.

Februar 2008


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AKTUELL: Nummer 4/2008

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Überwachung

(Teil I)

Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage einer Journalistin (und Mitglied der Partei DIE LINKE, LV NRW) und dreier Rechtsanwälte gegen Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen für weitgehend begründet erachtet und die Regelungen im Verfassungsschutzgesetz NRW zur Online-Durchsuchung und zur Aufklärung des Internet für nichtig erklärt (Urteil vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07). In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme postuliert: Pressemitteilung Nr. 22/2008 vom 27. Februar 2008.

Weitere Informationen folgen!!!

Februar 2008


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AKTUELL: Nummer 3/2008

Neues zur Berichtspflicht (Richtlinienpsychotherapie/EBM)

(Teil II)

Mit Einführung des neuen EBM (an 1.01.2008) wurde die Regelung zur Berichtspflicht modifiziert. Danach muß künftig zu Beginn und am Ende der Therapie ein Bericht (siehe die bisher abrechenbaren Ziffern 01600 und 01601) sowie einmal im Jahr (bei entsprechend längerfristigen Therapien). Ein Bericht ist also, solange nur probatorische Sitzungen durchgeführt werden, nicht erforderlich.

Achtung: Die Berichtsziffern können nicht neben der Grundpauschale (sie ersetzt die bisherigen Konsultationsziffern) abgerechnet werden - sie sind also in der Grundpauschale enthalten! Die Abrechnung der Berichtsziffer wäre nur für den (theoretischen) Fall möglich, daß ein persönlicher Arzt-Patient-Kontakt nicht stattgefunden hat.

Anmerkung: Da die Abrechnungsziffern im Normalfall nicht mehr abgerechnet werden können, sind die Kassenärztlichen Vereinigungen in Zukunft nicht mehr in der Lage zu kontrollieren, ob die Berichtspflicht erfüllt wurde. Eine weitere Veränderung betrifft die Einwilligung der PatientInnen. Wurde diese bislang vorausgesetzt, mit der Möglichkeit der Berichtspflicht zu widersprechen, muß nun das Einverständnis vorliegen. Die neue Regelung befindet sich nunmehr in den Psychotherapie-Vereinbarungen (§ 9 Abs. 3), dort heiß es:

"Mit schriftlicher Zustimmung des Patienten, die widerrufen werden kann, erstattet der Therapeut zu Beginn und nach Beendigung einer Psychotherapie, mindestens jedoch einmal im Krankheitsfall einen Bericht an den Hausarzt entsprechend der Leistung nach der Nr. 01600 bzw. einen Brief entsprechend der Leistung nach der Nr. 01601 BMÄ/EGO".

Archiv: Teil I

Februar 2008


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AKTUELL: Nummer 2/2008

Gesetzespaket zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)

(Teil VI)

Nachdem der Bundestag am 9. November 2007 den Gesetzentwurf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossen hat, wurde eine entsprechende Verfassungsbeschwerde (Eilantrag) am 31. Dezember 2007 (mit über 34.000 Vollmachten) über den  beauftragten Rechtsanwalt Starostik (Berlin) eingelegt.

Bevor der Eilantrag entschieden werden kann, muß derzeit zunächst geprüft und entschieden werden, ob der Erste oder der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts für die Verfassungsbeschwerde zuständig ist - offenbar gibt es intern Meinungsverschiedenheiten, wer sich mit der Angelegenheit befassen 'darf' (siehe auch Informationen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung zum Stand des Verfahrens).

Achtung: Eine Teilnahme an der Verfassungsbeschwerde ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Januar 2008


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AKTUELL: Nummer 1/2008

Elektronische Gesundheitskarte (eGK)

(Teil I)

Es ist nicht ganz leicht den Überblick über den Stand dieses Mammutprojekts im deutschen Gesundheitswesen zu behalten. Ursprünglich war vorgesehen, die heutige Krankenversicherungskarte zum 1.01.2006 durch die eGK zu ersetzen (291a SGB V). Der Starttermin für die bundesweite Einführung ist derzeit für das Jahr 2010 angepeilt (Testphase Sachsen: 2008). Ausführliche Informationen zum organisatorischen Stand des Projekts erhalten Sie (als betroffene ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und Vertreter anderer Heilberufe)  aus dem Deutschen Ärzteblatt PP (Heft 1, Januar 2008: 16-17).

Abgesehen von der Frage, ob das mit sehr hohen Investitions- und Unterhaltskosten verbundene Projekt (die Finanzierung ist noch keineswegs vollständig geklärt) in einer vernünftigen Relation zum medizinischen und wirtschaftlichen Nutzen steht, bleiben grundsätzliche Fragen des Umgangs mit hochsensiblen Daten von PatientInnen. Entsprechende Informationen kritischer Art erhalten Sie unter folgendem Link:

www.die-krankheitskarte.de (Freie Ärzteschaft e.V.)

Am 5.01.2008  haben die nachfolgenden Organisationen eine Erklärung zum Verzicht auf und Boykott gegen die eGK unterzeichnet:

Freie Ärzteschaft e.V., IPPNW - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e. V., NAV Virchow-Bund - Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung , Ärztegenossenschaft Hamburg eG, Ärztegenossenschaft Nord-West eG, Bundesverband der Ärztegenossenschaften, Chaos Computer Club, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP), Fibromyalgieverband Rheinland-Pfalz und Saarland e.V., FoeBuD e.V., Hausärzteverband Hamburg, Selbsthilfegruppe "Fibromyalgie-Syndrom" Hamburg-Harburg, UnderDOCs SH. Den Text finden Sie hier und über die oben erwähnte Seite www.die-krankheitskarte.de.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte sieht in diesem Fall kein Problem des Datenschutzes. Er schreibt zuletzt am 25.01.2006:

"Die elektronische Gesundheitskarte enthält bereits in ihrer Einführungsphase zum Schutz gegen Missbrauch ein Lichtbild des Versicherten und eine einheitliche Versichertennummer, die auch bei einem Kassenwechsel beibehalten wird. In einer nächsten Stufe werden Rezepte von Ärzten und Notfalldaten auf der Karte gespeichert. In den letzten Stufen soll die Karte dann Zugang zu Daten über bisher verordnete Arzneimittel, elektronischen Arztbriefen und Patientenakten gewähren. Die einzige Pflichtanwendung ist das elektronische Rezept. Alle anderen medizinischen Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Versicherten gespeichert werden. Bereits Anfang des Jahres 2005 hat die gemeinsame Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) gegründet, die grundlegende Entscheidungen zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte treffen soll." (zum Artikel: Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der eGK)

Der 110. Deutsche Ärztetag (2007) hat die zentralserverbasierte eGK (die gespeicherten Daten werden über die eGK in Verbindung mit dem elektronischen Arztausweis von einem zentralen Server abgerufen) abgelehnt und einen Neustart des gesamten Projekts gefordert (Entschließung-Drucksache V-65).

Schließlich scheint es ungeachtet aller juristischen und wirtschaftlichen Fragen notwendig, sich ganz grundsätzlich mit den unter der Oberfläche der elektronischen Speicherung von Daten und Informationen wirksamen Prinzipien von Macht und Kontrolle zu beschäftigen. Dies hat u.a. Dr. Oliver Decker (Universität Leipzig, Medizinische Psychologie und Soziologie) getan: Er versteht die Telematikmedizin und speziell die eGK als Ausdruck von "eGovernment". Allerdings ist es keineswegs nur der Staat (respektive die Krankenkassen), der hier mit "repressiven Überwachungsmöglichkeiten" regiert: Wie Decker unter Bezug auf die Theorien von Foucault ausführt, wird mit dieser  Technik der Kontrolle (Panoptismus) "das überwachte Subjekt in seine Kontrolle und Disziplinierung eingebunden" und die Kontrolle so verfeinert (Decker, O.: Alles auf eine Karte setzten: Elektronisches Regieren und die Gesundheitskarte. In: Psychotherapeutenjournal 4/2005: 338-347).

Archiv: Teil II

Januar 2008


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2008


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AKTUELL: Nummer 16/2007

Einsichtnahme des Patienten in Behandlungsunterlagen – hier: Stundenprotokolle: Urteil des LG Frankfurt v. 8.01.2007 (AZ: 2-24 S 127/06); Teilabdruck in Monatsschrift für Deutsches Recht 9/2007, 511

Da mir das Urteil inzwischen im Original vorliegt, habe ich den entsprechen Abschnitt nochmals überarbeitet und die (weitergehende) Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (das die generelle Begrenzung der Einsichtnahme auf objektive Befunde für nicht zulässig erachtet) ergänzt.

November 2007


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AKTUELL: Nummer 15/2007

Bundestag beschließt Gesetzespaket zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)

(Teil V)

Gegen den Widerstand der Opposition, des Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar, der ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und Hebammen hat der Bundestag das Gesetzespaket zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. In namentlicher Abstimmung  votierten am Freitag (9.11.2007) 366 von 524 Abgeordnete für die neuen Bestimmungen, aufgrund derer Verbindungsdaten von Telefonaten oder E-Mails sechs Monate gespeichert werden müssen und Telefonate auch der Angehörigen schweigepflichtiger Berufsgruppen (Ausnahme SeelsorgerInnen und VerteidigerInnen) abgehört werden können. Der von des Bundesjustizministerin ins Feld geführte richterliche Vorbehalt bei der Anordnung von Abhörmaßnahmen erweist sich (abgesehen von der Problematik lapidarer, formelhafter oder fehlender Begründungen der RichterInnen - siehe Mitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Nr. 0938/2006, 19.06.1006) als unzureichend, weil Abhörmaßnahmen der Geheimdienste nicht unter diesen Vorbehalt fallen. Im weiteren Gesetzesverfahren muß das Gesetzespaket vor dem Inkrafttreten den Bundesrat passieren und vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Führende liberale Politiker, so der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch, der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (alle FDP) haben Klagen gegen das Gesetzespaket angekündigt.

Ich rufe hiermit aller BürgerInnen, PatientInnen und Angehörige  schweigepflichtiger Berufsgruppen (§ 203 StGB) auf, sich an der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetzespaket zu beteiligen (es entstehen keine Kosten !!!). Der Entwurf einer entsprechenden Verfassungsklage liegt vor. Bisher haben sich mehr als 7200 BürgerInnen der Sammelklage angeschlossen. Ich habe mich angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des Themas bereits vor einiger Zeit zu diesem Schritt entschlossen.

www.starostik.de

Hier finden Sie weitere Informationen über das das Gesetzespaket, den Entwurf der Verfassungsklage und zur Kanzlei von Herrn Rechtsanwalt Starostik. Den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert) erreichen Sie über die Adresse:

www.vorratsdatenspeicherung.de

Nach  dem Anklicken des Textes : "Beteiligen Sie sich an der Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung" können Sie sich in das Formular eintragen. Nach der (sofortigen) Registrierung wird ein Vollmachtsvordruck angezeigt. Diesen Vordruck müssen Sie ausgefüllt und unterschrieben über den Postweg an Herrn Rechtsanwalt Meinhard Starostik (siehe oben) senden. Mit der Unterschrift bevollmächtigen Sie ihn zur Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

November 2007


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AKTUELL: Nummer 14/2007

Stellungnahmen verschiedener Institutionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG

(Teil IV)

Die diesbezügliche Mitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) vom 17. 09. 2007 können Sie unter vorstehendem Link nachlesen. Sie finden dort weiterführende Links zur Pressemitteilung der BPTK, zur Stellungnahme der BPTK, zum Brief der BPTK an Frau Zypries sowie zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Im Newsletter der BPTK (Ausgabe 3/2007) informiert die Kammer unter dem Titel Psychotherapeuten im Visier verdeckter Ermittler über den Gesetzentwurf. Eine weitere Pressemitteilung gab die BPTK einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag (9.11.2007) heraus: "Staatliche Schnüffelei bei Psychotherapeuten verfassungswidrig".

Die Stellungnahme der Bundesärztekammer  (BÄK) vom 19. September 2007  und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Pressemitteilung v. 19.10.07, können Sie unter den jeweiligen Links nachlesen.

Oktober 2007


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AKTUELL: Nummer 13/2007

Telekommunikationsdienstgesetz (Vorratsdatenspeicherung)

(Teil III)

Zwischenzeitlich habe ich den jenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (8.03.1972 -2 BvR 28/71-) eingesehen, auf das sich der Senat (und Justizministerin Zypries - siehe unten) bei seinem Zitat "Arztgespräche können im Einzelfall dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sein (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>)". beruft. Dabei fällt auf, daß dieser Beschluß das Zitat kaum untermauern kann. Vielmehr unterstreicht die Entscheidung aus dem Jahr 1972 (es ging um die - verfassungswidrige - Beschlagnahme einer Patienten-Karteikarte bei dem Nachfolger des behandelnden, verstorbenen Arztes), daß die in der Kartei enthaltenen Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen "zwar nicht die unantastbare Intimsphäre, wohl aber den privaten Bereich des Patienten" betreffen (379). Die weitere Ausführungen scheinen mir für die gegenwärtige Diskussion so grundlegend, daß ich sie hier in einem längeren Auszug wiedergebe:

"Damit nehmen sie [Angaben aus der Karteikarte] teil an dem Schutz, den das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG dem Einzelnen vor dem Zugriff der öffentlichen Gewalt gewährt. Insbesondere gilt das für die Erkenntnis, die der Arzt durch seine berufliche Tätigkeit über den Gesundheitszustand des Patienten gewinnt und schriftlich niederlegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob derartige Aufzeichnungen Krankheiten, Leiden oder Beschwerden verraten, deren Offenbarung den Betroffenen mit dem Verdacht einer Straftat belastet, ihm in anderer Hinsicht peinlich oder seiner sozialen Geltung abträglich ist. Vielmehr verdient ganz allgemein der Wille des Einzelnen Achtung, so höchstpersönliche Dinge wie die Beurteilung seines Gesundheitszustandes durch einen Arzt vor fremdem Einblick zu bewahren (vgl. BGHZ 24,72 [81]. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muß und darf erwarten, daß alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt, weil es die Chancen der Heilung vergrößert und damit - im ganzen gesehen - der Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge dient." (BVerfGE 32, 379f)

Zwar ist die Karteikarte dem Zugriff der öffentlichen Gewalt grundsätzlich entzogen. Jedoch, so die Verfassungsrichter, können überwiegende Belange des Gemeinwohls dazu führen, daß das schützwürdige Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen zurücktreten muß. Beispiele hierfür sind:

Aber auch in diesen Fällen ist zu prüfen, inwieweit der Eingriff in die Privatsphäre unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Und schließlich halten die Richter fest: " Andererseits läßt sich ein solcher Eingriff nicht generell mit dem Interesse an der Aufklärung von Straftaten rechtfertigen, die alleine dem Patienten zur Last gelegt werden" (381).

Es zeigt sich, das der beschließende Senat (Urteil 2004) mit seinem Zitat den Wesensgehalt des Beschlusses aus dem Jahr 1972 nicht erfaßt hat.

Anmerkung:

Die im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts von 1972 erwähnte Entscheidung des BGHZ (24,72 [81]) stand im Zusammenhang mit der Herausgabe eines ärztlichen Zeugnisses durch den bei einer Versicherung beschäftigten Beklagten an einen Rechtsanwalt. Letzterer vertrat seinerseits die Interessen eines vom Kläger der Körperverletzung beschuldigten Autofahrers und zeigte angesichts der Widersprüche in den ihm zugänglich gemachten ärztlichen Unterlagen den Kläger wegen (Versicherungs-) Betrugs an. Der BGH sah die Persönlichkeitsrechte des Klägers in diesem speziellen Fall (unter Abwägung der widerstreitenden Interessen) nicht verletzt. Der Argumentation der Vorinstanz, eine Verletzung der sittlichen Würde des Klägers käme durch die Bekanntgabe an den Rechtsanwalt schon deshalb nicht in Betracht, "weil es sich bei den gesundheitlichen Folgen des Unfalls vom 3. Februar 1951 um nichts anderes als um eine Gehirnerschütterung nebst Prellungen des Kopfes und im Brustbereich, Verstauchung des rechten Daumens und des rechten Beines sowie Schürfwunden am linken Kniegelenk verbunden mit einem Kniegelenkserguß gehandelt habe" begegnete der BGH hingegen, ebenso wie der Überlegung des Oberlandesgerichts, "wer sich einer strafbaren Handlung in solchem Maße verdächtig gemacht habe wie hier der Kläger, werde in seiner Würde nicht verletzt, wenn die ärztlichen Unterlagen zum Gegenstand der Untersuchung gemacht würden", mit erheblichen Bedenken:

"Bei der Frage, ob die Würde des Menschen durch die Offenbarung ärztlicher Zeugnisse über seinen Gesundheitszustand verletzt wird, kommt es nicht sowohl auf die Art des bescheinigten Befindens als vielmehr auf die Mißachtung des Willens an, so höchstpersönliche Dinge wie die gesundheitliche Verfassung vor fremdem Einblick zu bewahren. Ärztliche Bescheinigungen sind daher nicht etwa nur dann geheimzuhalten, wenn sie Feststellungen enthalten, die für den Betroffenen peinlich sind. Etwas anderes mag gelten, wenn es sich nur um belanglose Verletzungen oder Krankheitserscheinungen alltäglicher Art handelt, die den körperlichen und geistigen Habitus nicht weiter berühren und an deren Geheimhaltung vernünftigerweise kein Interesse besteht. Die hier festgestellten Unfallfolgen sind jedoch keineswegs unerheblich und für das Erscheinungsbild des Klägers bedeutungslos gewesen.

Mißverständlich ist auch, daß der Kläger darum in seiner Menschenwürde nicht habe verletzt werden können, weil er sich einer strafbaren Handlung verdächtig gemacht habe. Wollte das Berufungsgericht damit sagen daß die Menschenwürde dessen, der einer Straftat verdächtig ist, mindere Achtung verdiene als die unverdächtiger Menschen, so würde dies nicht gebilligt werden können. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen gilt uneingeschränkt auch für den einer Straftat Verdächtigen" (BGHZ 24, 81 Urteil vom 2.04.1957, VI ZR 9/56, NJW 1957, 1146).

Das Bundesverfassungsgericht ging demgegenüber einen Schritt weiter, wenn es feststellte, daß PatientInnen erwarten dürfen und müssen, "daß alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt" (Hervorhebung v. Verf.; Quelle siehe oben).

Oktober 2007


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AKTUELL: Nummer 12/2007

Bundesjustizministerin Zypries nimmt Stellung zum Telekommunikationsdienstgesetzt (Vorratsdatenspeicherung) und den Auswirkungen für Ärzte

(Teil II)

Im Deutschen Ärzteblatt/PP 09/2007 (analog DÄ 40/2007) versuchte Frau Zypries den Eindruck zu erwecken, das geplante Gesetz der Bundesregierung werde den Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses  nicht verschlechtern, sondern sogar verbessern (zum Artikel). In einem Leserbrief an das Deutschen Ärzteblatt (Teilabdruck in DÄ 47/A-3246, 23.11.2007 und DÄ-PP 12/2007, 561-562) habe ich zu den Aussagen der Justizministerin Stellung genommen:

Zunächst vorweg: Ich finde es ausgesprochen erfreulich, daß die Bundesjustizministerin zu der geplanten Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und ihren Auswirkungen für ÄrztInnen im Deutschen Ärzteblatt persönlich Stellung nimmt.

Weniger erfreut mich die Argumentation von Frau Zypries. Der Versuch zwischen weniger geschützten (administrativen) Daten, mehr geschützten (medizinischen) Daten und unantastbaren Daten aus dem Kernbereich privater Lebensführung (Gefühle, Träume, Tagebuchaufzeichnungen etc.) zu unterscheiden entspringt einer formaljuristischen Vorstellung ('Sphärentheorie'), die den inneren Bezug zum Wesen der Arzt/Psychotherapeut-Patient-Beziehung vermissen läßt. Die Begegnung mit Angehörigen einer ärztlichen und/oder therapeutischen Berufsgruppe beinhaltet immer Informationen aus verschiedenen 'Informationssphären', seien sie nun verbaler oder nonverbaler (z.B. Affektexpression durch Mimik oder Körperhaltung) Art – einschließlich jener Facetten, die dem Patienten selbst nicht bewußt sind. Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, daß Ermittlungsmaßnahmen dort unterbleiben müssen, "wo das Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen mit Wahrscheinlichkeit zu einer Kernbereichsverletzung führen wird". Dem ist zuzustimmen, allerdings heißt es wenig später: "Arztgespräche können im Einzelfall den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sein" (BverfG 1 BvR 2378/98 v 3.03.2004, Abschnitt 139 und 148). Hier irrt das Bundesverfassungsgericht und die Bundesjustizministerin, die sich auf das Urteil und letzteren Satz beruft (und es durch das Einfügen des Wortes "(nur)" verfälscht), gewaltig. Bei ärztlichen und psychologischen PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen, NervenärztInnen, ÄrztInnen für psychotherapeutische Medizin u. a. sind Gespräche, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung umfassen, die Regel – anders würde ihre Inanspruchnahme keinen Sinn machen. Bei allen anderen ÄrztInnen (z.B. GynäkologInnen, UrologInnen, Ärzte mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie, HausärztInnen) sind sie jedenfalls keine Seltenheit – selbst wenn das den PatientInnen (und vielleicht auch zuweilen den ÄrztInnen) nicht klar ist, weil sie glauben, es ginge nur um einen Schnupfen.

Daß Abgeordnete gegen Ermittlungsmaßnahmen umfassend geschützt werden ist im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaats sinnvoll und notwendig. Ich kann jedoch nicht erkennen, weshalb ein Unterschied zwischen VerteidigerInnen und SeelsorgerInnen auf der einen und ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen auf der anderen Seite besteht. Der Schutz beruflicher Vertrauensverhältnisse ist, wie Frau Zypries betont, "ein wichtiger Eckpfeiler des Rechtsstaats". Insofern muß das absolute Verbot der Erhebung und Verwertung von Informationen für alle in § 203 StGB genannten Berufsgruppen gelten. Andernfalls, wenn nur einzelne ärztliche und oder psychotherapeutische Gespräche unter das Verbot fielen, würde der primäre Schutzzweck der strafrechtlich geschützten Schweigepflicht außer Kraft gesetzt: "Das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, (…) als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können" (Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3 zu § 203 StGB). Das Vertrauen zu Angehörigen ärztlicher und therapeutischer Berufsgruppen kann da nicht entstehen, wo wir (PatientInnen) jederzeit befürchten müssen, daß der geschützte Raum jederzeit zur Disposition von Ermittlungsbehörden zum Zweck konkreter oder vorbeugender Ermittlungsmaßnahmen steht. Dies gilt übrigens um so mehr, als PatientInnen tatsächlich mit Straftaten in Verbindung stehen (Drogen, Körperverletzung, Mißbrauch von Kindern etc.) und sich deshalb um medizinische bzw. therapeutische Hilfe bemühen: Ließen sie sich aus solchen Erwägungen nicht behandeln, würden sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen und den Opferschutz ad absurdum führen.

Es erscheint mir zynisch, wenn Frau Zypries ihren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung (darum geht es im Kern) als Stärkung des Schutzes beruflicher Vertrauensverhältnisse anpreist. Denn der politische Hintergrund der Gesetzesinitiative, einschließlich der entfachten medialen und machtpolitischen Hysterie, ist hinreichend bekannt und steht zudem in einer logischen Reihe bereits in Kraft getretener Gesetze steht, welche die Schweigepflicht aushöhlen. Auf diese Art und Weise wird weder das Vertrauen in die Angehörigen schweigepflichtiger Berufsgruppen noch dasjenige in den Rechtsstaat gefördert.

Ich rufe alle KollegInnen auf, sich an der geplanten, und als Entwurf bereits vorliegenden, Verfassungsbeschwerde von Rechtsanwalt Starostik (Berlin) zu beteiligen – es entstehen keine Kosten! Weitere Informationen:

www.starostik.de

www.schweigepflicht-online.de (unter "Aktuelles")

J. Thorwart

Psychologischer Psychotherapeut

Psychoanalytiker

Oktober 2007


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AKTUELL: Nummer 11/2007

Protest gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte: Initiative "Arzt-Patient-Beziehung schützen"

Die Initiative "Arzt-Patient-Beziehung" der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. haben im September 2007 eine Unterschriftenaktion zur Ablehnung der elektronischen Gesundheitskarte (Adressat: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt) gestartet. Unter dem nachfolgenden Link zur IPPNW erhalten Sie weitere Informationen.

Oktober 2007


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AKTUELL: Nummer 10/2007

Ärztliche Meldepflicht bei 'selbstverschuldeten' Krankheiten

(Teil I)

Nachfolgend zitiere ich einen Bericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Sie auch im Internet abrufen können: KBV Kompakt, Newsletter vom 04. Oktober 2007

Das Bundesgesundheitsministerium steht wegen seines umstrittenen Plans, nach dem Ärzte und Krankenhäuser Komplikationen nach sogenannten selbst verschuldeten Krankheiten an die Kassen melden sollen, weiter massiv in der Kritik. „Die ärztliche Schweigepflicht wird ausgehöhlt, die vertrauensvolle Beziehung von Patienten zu ihren Ärzten geht verloren“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Andreas Köhler, in Berlin. Das Ministerium wies die Kritik zurück. Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Dagmar Kaiser, erklärte, mit der Regelung werde für eine datentechnische Umsetzung der Gesundheitsreform gesorgt. Sie sei bereits mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz abgestimmt und sei keinesfalls als Anschlag auf die ärztliche Schweigepflicht zu werten.
Nach einem am Wochenende bekannt gewordenen Referentenentwurf zur Pflegereform sollen Ärzte und Krankenhäuser den Kassen künftig Komplikationen melden, die nach Schönheitsoperationen und unnötigen Eingriffen auftreten. Mediziner- und Sozialverbände hatten die Pläne scharf kritisiert und sie als Anschlag auf die ärztliche Schweigepflicht bezeichnet. Der Tagesspiegel berichtete unter Berufung auf Expertenkreise, man habe offenbar im Ministerium befürchtet, dass es Umsetzungsprobleme mit einer Vorgabe der zum 1. April in Kraft getretenen Gesundheitsreform gebe. So seien die Kassen zwar verpflichtet worden, die Patienten bei selbst verschuldeten Krankheiten künftig in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern. Die Mediziner aber hätten keinen Anlass, diese Fälle den Krankenkassen auch mitzuteilen.

Pressemeldung KBV 1.10.2007

Die ärztliche Schweigepflicht wird ausgehöhlt, die vertrauensvolle Beziehung von Patienten zu ihren Ärzten geht verloren. Ärzte sind keine Hilfspolizisten der Krankenkassen, und Arztpraxen keine Abhörstationen der Kassengeschäftsstellen.“ Mit deutlichen Worten kommentierte Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, Mediziner im Falle sogenannter selbst verschuldeter Krankheiten ihrer Patienten zur Mitteilung an die gesetzlichen Krankenkassen zu verpflichten.

Dies soll durch eine Gesetzesänderung ermöglicht werden, die zusammen mit der Pflegereform verabschiedet werden soll. Betroffen davon wären beispielsweise Patienten, die infolge einer Schönheitsoperation oder einer Tätowierung sich Folgeerkrankungen zugezogen haben. Sie sollen für die Behandlungskosten von den Kassen in Regress genommen werden.

Oktober 2007


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AKTUELL: Nummer 9/2007

Einsichtnahme des Patienten in Behandlungsunterlagen – hier: Stundenprotokolle: Urteil des LG Frankfurt v. 8.01.2007 (AZ: 2-24 S 127/06); Teilabdruck in Monatsschrift für Deutsches Recht 9/2007, 511

Die beklagte Psychotherapeutin (Diplom-Psychologin) wurde verpflichtet, dem Kläger Einsicht in ihre Stundenprotokolle (Behandlungszeitraum 1/2000 bis 3/2003) zu gewähren. Ausgenommen wurden dabei jene Teile der Dokumentation, die "rein subjektive Eindrücke der Beklagten dokumentieren". Die Gewährung der Einsicht kann wahlweise durch Herausgabe der Originalurkunden oder durch Fotokopien, "gegebenenfalls unter Abdeckung derjenigen Passagen, die ausschließlich subjektive Eindrücke der Beklagten dokumentieren", erfolgen. Der Kläger ist seinerseits dann zur Erstattung der Fotokopierkosten verpflichtet. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Gesprächsprotokolle (die, soweit sie nicht rein subjektive Einschätzungen der Therapeutin beinhalten, im Interesse des Patienten bzw. "im Interesse einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Behandlungsvertrages" erstellt wurden) ergibt sich aus der vertraglichen Nebenpflicht des psychotherapeutischen Behandlungsvertrags, sowie aus § 810 BGB. Die Verweigerung der Einsichtnahme in diese Teile der Dokumentation liefe dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Klägers zuwider. "Billigenswerte Gründe für die Verweigerung der Einsichtnahme hat die Beklagte nicht dargetan". Die Argumentation der Psychologin, eine Offenlegung ihrer Aufzeichnung sei "für die persönliche Entwicklung des Klägers nachteilig" war nach Ansicht des Landgerichts nicht hinreichend substantiiert: Sie hätte ihre Bedenken zwar nicht im Detail, jedoch aber nach Art und Richtung darlegen müssen. Da dies nicht der Fall war, sind die Protokolle dem Kläger zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

Den Einwand der Psychotherapeutin es handle sich "nicht um eine »medizinische« Behandlung mit den daraus resultierenden Dokumentationspflichten" wies das Landgericht zurück. Zwar könne es zutreffen, daß eine Dokumentationspflicht nicht in dem Ausmaß bestehe, wie das bei einer "klassischen ärztlichen Behandlung" der Fall sei. Da die Dokumentation aber unstreitig vorgenommen wurde, ist sie mit Ausnahme der subjektiven Eindrücke der Psychotherapeutin auch offenzulegen.

Das Landgericht hat die Revision mit Hinweis auf die fehlende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zugelassen. Auch erfordere "weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts".

In ihrem Mitgliederrundschreiben 3/2007 hat die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) die Einschätzung geäußert, daß die Verurteilung erfolgt sei, weil eine Trennung der objektiven von rein subjektiven Eindrücken nicht vorgenommen worden war. Die DGPT empfiehlt daher, objektive und subjektive Inhalte der Behandlung getrennt zu halten. Diese Einschätzung scheint mir nur partiell zutreffend, da das Bundesverfassungsgericht die generelle Begrenzung des Einsichtsrechts auf objektive Befunde für unzulässig ansieht (siehe dazu weiter unten.)

Anmerkung:

Die Unterscheidung von objektiv und subjektiv in Stundenprotokollen (und ganz allgemein in psychotherapeutischen Behandlungsunterlagen) hat einige Tücken. Könnte man wörtliche Gesprächsnotizen (soweit diese nachträglich vom TherapeutInnen oder PatientInnen überhaupt noch entzifferbar sind) noch als objektiv (i. S. von so oder so ähnlich gesprochen) bezeichnen, wird es schwierig, wenn die/der TherapeutIn das Thema einer Sequenz zusammenfaßt – etwa nach dem Subtext bzw. der von ihm vermuteten unbewußten Mitteilung hinter den gesprochenen Worten. Denkbar wäre allenfalls folgende Vorgehensweise: Während der Hauptteil der Seite (Block etc.) ausschließlich gesprochenes Wort bzw. thematische Zusammenfassungen des gesprochenen Wortes (der PatientInnen und ggf. auch PsychotherapeutInnen) enthält einschließlich weiterer Aufzeichnungen über die psychische und körperliche Befindlichkeit, (zusätzliche) anamnestische Daten, Setting und sonstige Therapie-Vereinbarungen, werden am Rand (Kennzeichnung etwa durch eine Linie, wie Sie in Schulheften oder Studentenblocks bereits vorgesehen ist) jene Informationen festgehalten, die subjektiver Natur sind: Eindrücke und Hypothese über PatientInnen, Gegenübertragungsreaktionen, diagnostische Fragestellungen, vorläufige Deutungen etc.

Bei allem Verständnis für die Rechte der PatientInnen stellt sich die grundsätzliche Frage, wie weit es Sinn macht, Einsicht in die Aufzeichnungen der AnalytikerInnen/PsychotherapeutInnen zu verlangen. Sie dienen letzteren insbesondere als Gedächtnisstütze (z.B. anamnestische Daten), zur Dokumentation des Behandlungsverlaufs (Entwicklung der Symptomatik sowie der bewußten und unbewußten strukturellen Entwicklung anhand von Einfällen, Träumen etc.) und der Aufzeichnung von Gegenübertragungsreaktionen (als einer wichtigen Informationsquelle für unbewußte Vorgänge in der/m Patientin/en und der Therapeut-Patient-Beziehung). Müßten PsychotherapeutInnen/AnalytikerInnen jederzeit mit der Einsicht durch die PatientInnen in ihre persönliche Aufzeichnungen rechnen, so führte dies u. U. zu einer erheblich verkürzten Aufzeichnung im Rahmen der Dokumentationspflicht - schon weil der Aufwand, ausführliche  Aufzeichnungen vor der Einsichtnahmen zu lesen und subjektive Teile zu schwärzen, nahezu unvertretbar ist. Das wäre letztlich auch nicht im Sinne der PatientInnen, weil TherapeutInnen ebenso einen geschützten Denk- und Assoziationsraum benötigen, wie er den PatientInnen (zumindest im Rahmen einer tiefenpsychologisch fundierten oder analytischen Psychotherapie) zur Verfügung steht, um einer erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten.

Zu bedenken ist, daß hinter einer etwaigen Auseinandersetzung um die Einsicht in die Stundenprotokolle letztlich ein Beziehungskonflikt steht, der von PatientInnen (z.B. Mißtrauen, Kontrollverlustängste), aber auch von TherapeutInnen (Abweisung von Fragen der PatientInnen zu dem über sie erstellten Berichten, Aufzeichnungen etc.) ausgehen kann und die therapeutische Beziehung und hier besonders das Arbeitsbündnis beeinträchtigt. In diesem Fall erscheint es unumgänglich, daß die TherapeutInnen dem Konflikt nicht ausweichen. Neben der Deutung unbewußter Motive bzw. Konflikte der Patientin/en ist eine Reflexion des eigenen (bewußten und unbewußten) Anteils der TherapeutInnen unumgänglich - einschließlich der Beantwortung von Fragen zu den Aufzeichnungen. Hilfreich erscheint auf jeden Fall ein Hinweis im Rahmen der probatorischen Sitzungen (Paktgespräch) damit die PatientInnen wissen, wozu die Aufzeichnungen dienen und was mit ihnen geschieht (Schweigepflicht, Aufbewahrung etc.).

Schließlich ist zu bedenken, daß sich das Einsichtsrecht nicht generell auf objektive Daten begrenzen läßt. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1998 im Zusammenhang der Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die Verweigerung der Einsicht in psychiatrische Krankenunterlagen hingewiesen. Diese Haltung hat das Bundesverfassungsgericht auch in einem weiteren Beschluß aus dem Jahr 2006 (2 BvR 443/02, 9.01.2006) vertreten. Die generelle Beschränkung des Einsichtsrechts auf sogenannte objektive Befunde ist danach  im Hinblick auf die notwendige Abwägung grundrechtlich geschützter Güter (Einsichtsrecht  der PatientInnen, Persönlichkeitsrecht er TherapeutInnen) im Einzelfall nicht zulässig.

"Soweit der Einsichtnahme (...) Persönlichkeitsrechte der Therapeuten deshalb entgegenstehen könnten, weil  (...) in den Akten Feststellungen zu Übertragungen und Gegenübertragungen dokumentiert sind, die viel über die Person des Therapeuten aussagen, kann diese Erwägung eine Beschränkung der Akteneinsicht auf die sogenannten objektiven Befunde schon deshalb nicht rechtfertigen, weil eine solche Beschränkung dem Umfang nach über das zum Schutz personenbezogener Daten des Therapeuten gegebenenfalls Erforderliche hinausginge. Objektive Befunde sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die die angegriffenen Entscheidungen sich stützen, die naturwissenschaftlich objektivierbaren Befunde sowie die Aufzeichnungen über Behandlungsmaßnahmen, insbesondere Angaben über Medikation und Operationsberichte (vgl. BGHZ 85, 327 <333 f.>; 106, 146 <152>); von der Einsicht ausgeschlossen sein sollen dagegen diejenigen Dokumentationen, die bewertungsabhängige und insofern subjektive Beurteilungen des Krankheitsbildes durch die behandelnden Ärzte betreffen (BGHZ 85, 327 <336>; 106, 146 <152>). Letztere sind aber nicht notwendigerweise durchweg von der Art, dass sie Einblick in die Persönlichkeit des Behandelnden geben und ihre Offenlegung daher dessen Persönlichkeitsrecht berühren könnte" (Hervorhebung v. Verfasser; BVerfG 2 BvR 443/02, Abs. 39).

Weitere Informationen hierzu und zur Akteneinsicht im Allgemeinen erhalten Sie unter dem Link.

September 2007


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AKTUELL: Nummer 8/2007

Arztberichte mit Zweckbindung:

Streng vertraulich

Weitergabe an Dritte bzw. an den

Patienten selbst nur mit

Zustimmung des Berichterstellers

Einen solchen Stempel enthielt ein mir von einer stationären Reha-Einrichtung  zugesandter, ausführlicher Entlassungsbericht (Deutsche Rentenversicherung; der Patient hatte mich als behandelnden Psychotherapeuten angegeben). Meine Nachfrage bei der KVB (Datenschutzbeauftragter) ergab folgende Rechtsgrundlage: § 78 SGB X. Nach dieser Vorschrift können übermittelte Daten an Dritte, die nicht Leistungsträger i. S.. von § 35 SGB I sind, mit einer Zweckbindung versehen werden. Ich habe die Frage auch dem Bundesdatenschutzbeauftragten zu Prüfung vorgelegt. Der zuständige Mitarbeiter hielt eine Zweckbindung durch die Einrichtung für vertretbar, da § 78 SGB X Anwendung auf niedergelassenen Praxen finde (juristisch gesehen fallen sie nicht unter Einrichtungen die Sozialdaten erheben; vgl. § 35 SGB I). Während eine Zweckbindung gegenüber Dritten denkbar sei (auch wenn diese für Personen, die ihrerseits durch § 203 StGB verpflichtet sind, praktisch kaum eine Bedeutung hat) gelte das gegenüber dem Patienten nicht. Ich habe mich daher an die Deutsche Rentenversicherung mit der bitte gewandt, den Stempel entsprechend abzuändern.

September 2007


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AKTUELL: Nummer 7/2007

Die Vorschriften zum automatischen Kontenabruf verstoßen teilweise gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz; Grundsätze zum Recht der informationellen Selbstbestimmung

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Juni 2007 festgestellt, daß § 93 Abs. 8 der Abgabenordnung, der die Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt, an einem Bestimmtheitsmangel leidet. "Die Norm legt den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt fest. Im Übrigen aber ist die Eingriffsermächtigung des § 93 Abs. 8 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere genügt sie - soweit der Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" (aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts 12.07.07, siehe unten). Der Eingriff in des Recht der informationellen Selbstbestimmung ist nur insoweit zulässig als der Anlaß, Zweck und Grenzen genau und eindeutig festgelegt sind. Das ist bei obiger Regelung nicht der Fall, weshalb eine entsprechende Gesetzesänderung erforderlich und angeordnet ist. Andere angefochtene Regelungen entsprechen hingegen dem Bestimmtheitsgebot, weshalb die entsprechenden Verfassungsbeschwerden abgewiesen wurden.

Aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichtes ist Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf dem Hintergrund der Allgemeinwohlbelange der angefochtenen Regelungen (hier: Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Mißbrauchs von Sozialleistungen) nicht verletzt - auch nicht hinsichtlich der Heimlichkeit der Durchführung der Kontenabfrage. Auch war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die jeweils Auskunft ersuchenden Behörden zu verpflichten, die Betroffenen nach dem  Kontenabruf zu informieren. Soweit der Kontenabruf für den Betroffenen  ohne nachteilige Folgen bleibt, wiege sein "Feststellungs- und Unterlassungsinteresse nicht so schwer, dass ihm stets aktiv die für eine gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Kenntnisse verschafft werden müssten" (Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht 12.07.07).

Kommentar: Diese Überlegung des Bundesverfassungsgerichts erscheint mir höchst problematisch. Auch wenn die formaljuristische Argumentation nachvollziehbar erscheint, so beeinträchtigen heimliche Maßnahmen, insbesondere dann, wenn nachträglich keine Information erfolgt, das Vertrauen der Bürger in einen 'offenen' und integeren Rechtsstaat und fördert paranoide Phantasien. Allerdings scheint sich dieses 'psychologische' Rechtsgut in unserer Parteienlandschaft (eine Ausnahme sind hier einige Politiker der FDP) kaum mehr großer Beliebtheit zu erfreuen. Laut Süddeutscher Zeitung (159/13.07.2007, 1) wurden bis Ende Juni 48 563 Kontoanfragen gestellt. Die erfaßten Kontostammdaten beinhalten insbesondere Name, Adresse und Kontonummer nicht aber Kontostand und Geldbewegungen.

Von einiger Bedeutung ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht allerdings in anderer Hinsicht. Denn sie beruft sich auf die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1983, in dem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 'geboren' wurde (siehe bei Urteile) und führt dazu aus: "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar sind. Solche Gefährdungen drohen insbesondere dann in hohem Maße, wenn Informationsbestände für eine Vielzahl von Zwecken genutzt oder miteinander verknüpft werden können. Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar" (Beschluß v. 13. Juni 2007, siehe unten). Unter diesem Gesichtspunkt dürften die Gegner des geplanten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung (siehe weiter unten) neue Munition für die geplante Verfassungsbeschwerde bekommen haben. Daß der Datenschutz mit diesem Urteil 'wiederauferstanden' sei, so Heribert Prantl in einem Kommentar, (SZ v. 159/13.07.07, 4) scheint mir allerdings stark übertrieben - sein Siechtum ist allenfalls ein wenig gelindert.

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts/Pressestelle Nr. 78/2006 vom 12. Juli 2007

Beschluß vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05 –

Juli 2007


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AKTUELL: Nummer 6/2007

Lockerung der Schweigepflicht bei der Führungsaufsicht

Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (DGPT) berichtet in ihrem Mitgliederrundschreiben (2/2007, 18f) über das vom Bundestag beschlossenen Gesetzt zur Reform der Führungsaufsicht:

"Wir hatten im Mitgliederrundschreiben 1/2007 auf Seite 23 über den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht berichtet. Ziel der Reform ist es, eine effizientere praktische Handhabung der Führungsaufsicht zu gewährleisten, etwa durch neue Möglichkeiten der vorübergehenden stationären Behandlung oder die Förderung der forensischen Ambulanzen. Ausdrücklich hat sich die DGPT in einer Stellungnahme gegenüber dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gemeinsam mit der Gruppe der Kollegen, die im Maßregelvollzug und in der anschließenden Nachsorge tätig sind, aber gegen die beabsichtigte Aufhebung der Schweigepflicht in bestimmten Bereichen der Führungsaufsicht ausgesprochen. Das u. a. vorgetragene Argument, dass eine derartige Kontrolle das Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patienten bei einer Psychotherapie schwerwiegend beeinträchtigen werde, wenn nicht sogar zur Zerstörung der Therapiebeziehung führen könne, konnte sich aber leider nicht durchsetzen. Das jetzt im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz, das auf einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses beruht, trägt diesen Bedenken nicht Rechnung. Es hält vielmehr die Lockerung der Schweigepflicht aufrecht und sieht sogar noch eine Verschärfung vor! So ist in § 68 a Abs. 8 StGB minutiös geregelt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanzen sich nicht nur untereinander zu offenbaren haben, „soweit dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden!“, sondern auch, dass diese gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht informieren müssen, ob z.B. das Verhalten oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen zum Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung oder zur Änderung der Dauer der Führungsaufsicht erforderlich erscheinen lässt. Der Gesetzgeber verlangt also jetzt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz, zu entscheiden, ob sie Inhalte der Behandlung mitteilten müssen, damit eine der in Absatz 8 genannten Maßnahmen in die Wege geleitet werden kann. Die Entscheidungsebene wird somit vom Gericht auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanzen verlagert. Es scheint auf der Hand zu liegen, dass diese Regelung die Gefahr in sich birgt, dass sich entweder niemand bereit finden wird, für eine forensische Ambulanz tätig zu sein oder dass im Zweifel viel zu viel aus dem Behandlungsverhältnis mitgeteilt wird, um nicht befürchten zu müssen, gegen § 68 a Abs. 8 StGB gehandelt zu haben.

Eine weitere Verschärfung zum ursprünglichen Entwurf ist dadurch eingetreten, dass sich die Offenbarungspflicht bisher „nur“ auf die in der forensischen Ambulanz arbeitenden Therapeutinnen und Therapeuten bezog. Nun ist in § 68 b Abs. 5 ausdrücklich vorgesehen, dass in Fällen, in denen das Gericht die verurteilte Person angewiesen hat, sich zu bestimmten Zeiten bei einem Arzt, einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder eine Therapieweisung (psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung) erteilt hat, § 68 a Abs. 8 entsprechend gilt. Auch externe Behandler trifft also nun die Offenbarungspflicht.

Fazit: Obwohl in der Begründung der Empfehlung des Rechtsausschusses durchaus betont wird, dass die Schweigepflicht von Ärzten oder Therapeuten ein hohes Rechtsgut sei, hatte die These des „Schutzes der Allgemeinheit“ offenbar weit aus mehr Gewicht. Die ohnehin schwierige Arbeit mit unter Führungsaufsicht stehenden Patienten dürfte durch die Gesetzesänderung noch schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, werden."

Juli 2007


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AKTUELL: Nummer 5/2007

Grenzen des Zeugnisverweigerungsrechtes

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die vom OLG Düsseldorf verhängte Beugehaft  zur Erzwingung der Aussage eines Geistlichen (es handelte um ein Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte wegen Versicherungsbetrugs im Zusammenhang der Finanzierung des Terrornetzwerks Al Qaeda) nicht zur Entscheidung angenommen. Der in einer Haftanstalt beschäftigte Seelsorger sollte die Frage beantworten, ob er für einen Gefangenen im Internet Versicherungsadressen recherchiert habe, was dieser unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht ablehnte. Nach Ansicht des BverfG ist die Ansicht des OLG nicht zu beanstanden, daß diese Tatsache bzw. Information (Adressenrecherche)  objektiv nicht zur Seelsorge zählt. Auch sind "die aus der Beantwortung der an den Beschwerdeführer gestellten Frage zu erwartenden Erkenntnisse (...) nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechen, in den einzugreifen dem Staat verwehrt ist" (aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts).

Kommentar: Zunächst erscheint die Argumentation der beider Gerichte nachvollziehbar, daß die (ihrerseits möglicherweise schon eine Straftat darstellende) Internetrecherche des Seelsorgers die Grenzen eines seelsorgerlichen Gesprächs überschreitet und die entsprechenden Informationen insofern nicht mehr unter dem Schutz des Zeugnisverweigerungsrechtes stehen. Es erscheint allerdings dann doch höchst problematisch wenn darüber hinaus der Versuch gemacht wird, bei den einem Schweigepflichtigen anvertrauten Informationen zwischen solchen zu unterscheiden, die durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützt (Kernbereich privater Lebens-Gestaltung) und solchen Informationen bzw. Geheimnissen, bei denen das nicht der Fall ist.  Eine solche Unterscheidung sollte nicht zur Disposition von Juristen stehen, weil andernfalls das "allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können" (Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3.) gefährdet wäre.

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts/Pressestelle Nr. 9/2007 vom 29. Januar 2007

Beschluß vom 25. Januar 2007 – 2 BvR 26/07

Juni 2007


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AKTUELL: Nummer 4/2007

Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung

(Teil I)

Die Regierungskoalition (Justizministerin Zypries) plant einen Gesetzesentwurf mit dem es künftig möglich sein soll, Telekommunikationsverbindungen (Telefon, Handy, Computerverbindungen im Internet, E-Mail) innerhalb der zurückliegenden 6 Monate zu speichern. Auch wenn lediglich die Verbindungsdaten (und nicht Inhalte) aufgezeichnet werden stellt dies einen erheblichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar. Bei Handy-Telefonaten und SMS'en werden zudem auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten (bei gleichzeitigem Verbot von Anonymisierungsdiensten).

Wie der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) - ein bundesweiter Zusammenschluß von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert – weiter ausführt, können "mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten (…) Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff auf die Daten sollen Polizei, Staatsanwaltschaft, Nachrichtendienste und ausländische Staaten erhalten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen" (Quelle: www.vorratsdatenspeicherung.de). Der Bundesdatenschutzbeauftragte (Schaar) hat in einem Interview im Stern (8. Mai 2007) diesen Verdacht für Internetverbindungen geäußert: "Internetanbieter müssen dann speichern, welcher Nutzer mit welchem Computer wann im Netz war. Führt man dies mit den Protokollen der Websites zusammen, lassen sich daraus Schlußfolgerungen über mein Privatleben, meine Interessen und Gewohnheiten ziehen. Die neue Qualität besteht darin, daß der Staat sagt: Auch völlig normales Verhalten - telefonieren oder im Internet surfen - muß registriert werden, um im Falle einer Straftat oder einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf diese Daten zugreifen zu können. Es werden nicht wie bisher vorhandene Daten bei einem konkreten Anlaß ausgewertet, sondern die Anbieter müssen Daten für ein halbes Jahr auf Vorrat aufbewahren, die sie selbst nicht mehr brauchen".

Nach der derzeitigen Rechtslage ist eine Speicherung von Verbindungsdaten durch die Telekommunikationsanbieter nur insoweit zulässig, als dies zur Abrechnung erforderlich ist. Deshalb ist es auch bislang möglich, durch Pauschaltarife und den Verzicht auf den Einzelverbindungsnachweis die Speicherung von Verbindungsdaten zu vermeiden. Dieser Umstand ist von erheblicher Bedeutung für die Tätigkeit von Berufsgruppen und Institutionen, die der Schweigepflicht unterliegen oder in besonderer Weise ein Interesse an der Anonymität der sie kontaktierenden oder von ihnen kontaktierten Personen bzw. Institutionen haben.

Insbesondere auch für den Bereich der medizinischen, psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung stellt der Gesetzesentwurf einen tiefgreifenden Eingriff in die Vertraulichkeit der von KlientInnen und PatientInnen anvertrauten Informationen und damit in ihr Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. Denn bereits die Tatsache, daß sie sich an eine entsprechende Stelle (z.B. Drogenberatung, Erziehungsberatung, psychiatrisches Krankenhaus, Psychologischer Psychotherapeut) wenden, ist eine schutzwürdiges Datum (im Sinne des Bundes-Datenschutzgesetzes, des Sozialgesetzbuches und  des Strafgesetzbuches/§ 203 ). Noch problematischer als dieses (Einzel-) Interesse an der Geheimhaltung ist aber der gesellschaftliche Schaden, der so entsteht:

Durch § 203 StGB "(...) strafrechtlich geschützt ist (...) nicht nur und auch nicht in erster Linie das Individualinteresse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen (...): Schutzgut ist in erster Linie das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können".

Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3.

Da hier eine sehr grundsätzliche Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht berührt ist, weise ich auf die in Vorbereitung befindliche Verfassungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht hin. Rechtsanwalt Starostik (Berlin) hat diese bereits im Entwurf verfaßt. Interessierte KollegInnen und BürgerInnen können sich per Vollmacht an der Sammelklage beteiligen (es entstehen keine Kosten!).

Weitere Hinweise zur Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung finden Sie unter:

www.starostik.de (Sie finden dort weitere Informationen und die Vollmacht für RA Starostik)

www.vorratsdatenspeicherung.de  (Entwurf der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat), ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert.

Mai 2007


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AKTUELL: Nummer 3/2007

OLG Karlsruhe: Die ärztliche Schweigepflicht umfaßt auch die Identität von Mitpatienten

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 11.08.2006 der Verpflichtung zur Wahrung der Anonymität eines Mitpatienten Vorrang gegenüber der nachvertraglichen Nebenpflicht des Arztes zur Mithilfe bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen diesen Mitpatienten eingeräumt.

Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 16.08.2006:

Die Klägerin unterzog sich in einer von der Beklagten betriebenen Fachklinik für psychogene Erkrankungen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Dabei nahm sie mit anderen Patienten an einer ärztlich verordneten Tanztherapie teil. Bei einer der unter der Aufsicht einer Mitarbeiterin der Beklagten durchgeführten Tanzübungen kollidierte die Klägerin mit einem Mitpatienten, kam zu Fall und zog sich erhebliche Verletzungen am rechten Bein zu. Der Unfallhergang ist streitig. Die Klägerin kennt lediglich den Vornamen des Mitpatienten. Die Klägerin hat vorgetragen, der Mitpatient, der neben ihr mit einer anderen Patientin Bewegungsübungen mit einem Tuch gemacht habe, sei ausgelassen und unachtsam zu Fall gekommen und hierbei gegen ihr Bein gestoßen. Sie selbst sei deshalb gestürzt und habe sich am Bein erheblich verletzt. Durch den Sturz sei ein Dauerschaden entstanden, sie verlange Schmerzensgeld i. H. v. 5.500 Euro und Schadensersatz wegen eines Haushaltsführungsschadens, wegen Umbau-Kosten für das Badezimmer, Betreuungskosten,  Telefonkosten und Fahrtkosten für ihren Ehemann i.H.v. ca. 25.000 Euro. Für den Unfall sei auch der Mitpatient verantwortlich, er selbst habe ihre Unfallschilderung bei einem Krankenhausbesuch bestätigt und sich entschuldigt. Die Beklagte müsse deshalb Name und Anschrift dieser Person mitteilen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass vermutlich infolge eigenen Übermutes die Klägerin ihr Tuch schwingend rückwärts gelaufen und mit dem Mitpatienten zusammengestoßen sei. Dabei seien sowohl die Klägerin als auch der Mitpatient zu Fall gekommen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Mitpatienten sei nicht erkennbar. Die ärztliche Schweigepflicht stehe der begehrten Auskunftserteilung entgegen. Das LG hat die Auskunftsklage zur Identität des Mitpatienten und die Schadensersatzklage gegen die Betreiberin der Klinik abgewiesen. Die Berufung der Klägerin zum OLG Karlsruhe – Senate in Freiburg – blieb hinsichtlich der Auskunft ohne Erfolg. Das Auskunftsverlangen ist nicht begründet. Grundsätzlich ist zwar richtig, daß aufgrund einer sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag ergebenden nachwirkenden Treuepflicht ein Auskunftsanspruch der Klägerin zu Umständen bestehen kann, die für die Durchsetzung ihrer Rechte von Bedeutung sind. Die Ungewissheit der Klägerin über die Identität des Mitpatienten ist nach Auffassung des Senats entschuldbar und ein Auskunftsanspruch kann auch nicht verneint werden mit der Begründung, der Ermittlungsaufwand sei unzumutbar, denn ein Blick in die Patientenkartei würde hierfür genügen. Dennoch hat die Beklagte die begehrte Auskunft nicht zu erteilen, da der Name zu dem durch § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützten Rechtsgut gehört. Nach dieser Vorschrift ist es dem Arzt und seinen berufsmäßigen Gehilfen untersagt, ein im Rahmen der Berufsausübung bekannt gewordenes, den persönlichen Lebensbereich betreffendes Geheimnis des Patienten zu offenbaren. Dazu gehört auch der Umstand, dass sich der Patient überhaupt einer ärztlichen Behandlung unterzieht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich im Strafprozeß das Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes auch auf die Identität des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung bezieht. Dieselbe Wertung liegt § 203 Abs. 1 StGB zugrunde. Eine Einwilligung des Mitpatienten in die Nennung seines Namens hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Ein Notstand, der ohne oder gegen den Willen des Mitpatienten die Bekanntgabe seiner Identität rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Hier sind für den Arzt gegenüber verschiedenen Patienten bestehende und miteinander kollidierende Pflichten abzuwägen. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, da die Therapiegruppe überbesetzt und der Übungsraum überbelegt gewesen sei, ist die Klage noch nicht entscheidungsreif. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Beschluß des OLG Karlsruhe v. 11.08.06 (14 U 45/04)

April 2007


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AKTUELL: Nummer 2/2007

Online-Hausdurchsuchung

Der BGH (3. Strafsenat) hat die verdeckte, heimliche Durchsuchung (Durchsicht und Speicherung) der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Dateien mittels eines ohne Wissen des Betroffenen aufgespielten Programms (Trojaner) für unzulässig erklärt. Ein solches Vorgehen sei mit der Strafprozeßordnung nicht vereinbar. Es fehle an der für einen solchen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Das hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs Ende Januar 2007 auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen einen Beschluß entschieden, mit dem der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Antrag auf eine verdeckte Online-Durchsuchung abgelehnt hatte.

Der Verfassungsschutz des Bundeslandes NRW kann in Fällen von Aktivitäten, die sich gegen die demokratische Grundordnung richten, ohne richterliche Anordnung und Wissen der Betroffenen einen PC durchsuchen (und zwar unabhängig davon, wo der Computer steht! (Quelle: PC-Welt 3/2007, 20-22; "Der Staat als Hacker" und "Neues Überwachungsgesetz: Interview mit Rechtsanwalt Dr. Roggan").

Pressemitteilung Bundesgerichtshof 17/07 (5.02.07)

Beschluß des BGH v. 31.01.07 (1StB 18/06)

April 2007


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AKTUELL: Nummer 1/2007

Berichtspflicht im Rahmen der Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen

(Teil I)

Der Bewertungsausschuß hat in seiner 119. Sitzung eine für Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und ärztliche Psychotherapeuten höchst problematische Entscheidung zur Berichtspflicht getroffen. Demnach können psychotherapeutische Leistungen (Kapitel 35.1 und 35.2) nur abgerechnet werden soweit im Behandlungsfall (=Quartal) ein Bericht an den Hausarzt erstellt wurde (dieser kann dann auch von nicht-ärztlichen PsychotherapeutInnen abgerechnet werden (Nr. 01600 mit 100 Punkten: Bericht über das Ergebnis einer Patientenuntersuchung; Nr. 01601 mit 200 Punkten: Individueller ärztlicher Brief mit abschließender Beurteilung des Krankheitsfalles). Ganz offensichtlich soll auf diese Weise die bereits bestehende (aber offenkundig weitgehend ignorierte) Berichtspflicht nun mit dem Druck eines Leistungsinhaltes, ohne dessen Ausführung die Abrechnung nicht mehr möglich ist, durchgesetzt werden. Dahinter steht wohl die Stärkung der HausärztInnen in ihrer Funktion als 'Lotse' im Gesundheitswesen.

Der Beschluß kann im Deutschen Ärzteblatt (A-3135 / B-2731 / C-2615; Ausgabe PP: Heft 12/2006, 566ff) und hier nachgelesen werden.

Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V (DGPT) ist ungeachtet der Offenbarungspflicht ein etwa entgegenstehender Wille der PatientInnen zu beachten (vgl. Allgemeine Bestimmungen des EBM Ziff. 2.1.4 Abs. 3); nachlesbar im Mitgliederrundschreiben DGPT 4/2006, 8-9; Formulare der Patientenerklärung sind für Mitglieder im Mitgliederbereich abrufbar). Angesichts der Neuerungen habe ich eine überarbeitete Fassung des Formblattes entwickelt, das den PatientInnen zu Beginn des Quartals vorgelegt werden kann. Vorsichtshalber (Empfehlung der DGPT) sollte in der Abrechnung ein Hinweis erfolgen, wenn eine Datenübermittlung von einer/m Patientin/-en nicht gewollt ist (siehe weiteres unten!).

KV Bayern: Eine Kennzeichnung, daß PatientInnen mit der Berichtsübermittlung nicht einverstanden sind, muß nicht erfolgen, d.h. die Leistungen können auch ohne die Berichtsziffer(n) abgerechnet werden. Eine schriftliche Dokumentation des Patientenwillens sollte jedoch unbedingt (für den Fall von Prüfungen) erfolgen.

Eine Übersicht der in den verschiedenen KV'en geltenden Abrechnungskennzeichnungen hat Psyprax (Abrechnungsprogramm: www.psyprax.de) zusammengestellt (Stand Februar 2003):

KV

Kennzeichnung

Briefschreibung im Folgequartal

Schleswig Holstein

Keine

Begründungstext „Vorquartal“

Baden-Württemberg

Begründungstext bei Ordinationsziffer

Kreativer Text im Begründungsfeld

Bayerns

Keine

Begründungstext („Vorquartal“)

Berlin

Keine

Bericht darf nur einmal pro Quartal abgerechnet werden

Brandenburg

Keine

im Folgequartal abrechnen

Bremen

Unter SPEZ bei der berichtspflichtigen Leistungen „k. HA.“

Nicht quartalsübergreifend abrechnen à Nachzügler

Hamburg

Keine

Kennzeichnung unter Begründung,  Bericht vom Vorquartal

Hessen

98999

Nicht quartalsübergreifend abrechnen à Nachzügler

Meck-Vorpommern

Keine Dokumentation

Nicht quartalsübergreifend abrechnen à Nachzügler

Niedersachsen

99930

Briefziffern im Folgequartal abrechnen

Nordrhein

99970

Nicht quartalsübergreifend abrechnen à Nachzügler

Rheinland-Pfalz

Keine

Keine Kennzeichnung

Saarland

98999

Eintrag kann am Anfang und am Ende erfolgen

Sachsen

Begründungstext: z.B. „Pat. wünscht keine Übermittlung“

Begründungstext: Bericht erfolgt am xx.xx.xx

Sachsen-Anhalt

Keine

Keine Kennzeichnung

Thüringen

Keine

Keine Kennzeichnung

Westfalen-Lippe

01600A

Keine Kennzeichnung

Januar 2007


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2007


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AKTUELL: Nummer 1/2006

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schweigepflicht im Rahmen des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung vom 23.10.2006  (1BvR 2027/02):

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (Pressestelle) Nr. 110/2006 vom 10. November 2006

"Versicherungsvertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung muss Möglichkeit zu informationellem Selbstschutz bieten

Die Beschwerdeführerin schloss mit einem Versicherungsunternehmen einen Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Nach den Versicherungsbedingungen des Unternehmens hat der Versicherte, wenn er Versicherungsleistungen beantragt, Ärzte, Krankenhäuser, sonstige Krankenanstalten, Pflegeheime, bei denen er in Behandlung oder Pflege war oder sein wird, sowie Pflegepersonen, andere Personen-Versicherer und Behörden zu ermächtigen, dem Versicherungsunternehmen auf Verlangen Auskunft zu geben. 1999 beantragte die Beschwerdeführerin, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden war, Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dabei lehnte sie es ab, die vom Versicherungsunternehmen verlangte Schweigepflichtentbindung abzugeben und bot stattdessen an, Einzelermächtigungen für jedes Auskunftsersuchen zu erteilen. Das Versicherungsunternehmen teilte daraufhin mit, dass es auf dieser Grundlage den Versicherungsfall nicht feststellen könne. Die Klage der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass das Versicherungsunternehmen nicht berechtigt sei, die Abgabe einer Schweigepflichtentbindung zu verlangen, wurde von den Fachgerichten [der Vorinstanzen] abgewiesen.

Ihre Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffenen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts auf, da sie die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung verletzen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Zwischen der Beschwerdeführerin und dem Versicherungsunternehmen bestand bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein derart    erhebliches Verhandlungsungleichgewicht, dass die Beschwerdeführerin ihren informationellen Selbstschutz nicht eigenverantwortlich und   selbstständig sicherstellen konnte. Die Vertragsbedingungen der Versicherer sind praktisch nicht verhandelbar. Die Versicherungsnehmer können hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zwar die Produkte verschiedener Versicherer im Hinblick auf die – teilweise erheblich voneinander abweichenden – Vertragsbedingungen vergleichen. Dass ein Wettbewerb über die daten-schutzrechtlichen Konditionen im Versicherungsfall stattfände, ist aber nicht ersichtlich. Der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, um des informationellen Selbstschutzes willen einen Vertragsschluss zu unterlassen. Angesichts des gegenwärtigen Niveaus gesetzlich vorgesehener Leistungen im Fall der Berufsunfähigkeit sind die meisten Berufstätigen auf eigene Vorsorge, insbesondere darauf angewiesen, für diesen Fall durch den Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrags privat vorzusorgen, um ihren Lebensstandard zu sichern. Hat in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken. Dazu sind die gegenläufigen Belange einander im Rahmen einer umfassenden Abwägung gegenüberzustellen.

2. Die Annahme der erkennenden Gerichte, die versicherungsvertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung ordne in der gefundenen Auslegung die gegenläufigen Belange von Versicherungsunternehmen und Versichertem einander in angemessenem Verhältnis zu, steht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang.

a) Wenn die Versicherung von der Beschwerdeführerin die Abgabe der begehrten Schweigepflichtentbindung verlangen kann, wird deren  Interesse an wirkungsvollem informationellem Selbstschutz in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt. Die in der formularmäßigen Erklärung genannten, zum Teil sehr allgemein umschriebenen Personen und Stellen können über sensible Informationen über die Beschwerdeführerin verfügen, die deren Persönlichkeitsentfaltung tief greifend berühren. Mit der Schweigepflichtentbindung begibt sich die Beschwerdeführerin auch der Möglichkeit, die Wahrung ihrer Geheimhaltungsinteressen selbst zu kontrollieren, da wegen der weiten Fassung der Erklärung für sie praktisch nicht absehbar ist, welche Auskünfte über sie von wem eingeholt werden können.

Das Gewicht der Interessenbeeinträchtigung wird nicht dadurch gemindert, dass von der Beschwerdeführerin lediglich verlangt wurde, ihr Einverständnis zur Erhebung sachdienlicher Informationen zu erklären. Aufgrund der Weite des Begriffs der Sachdienlichkeit kann der Versicherungsnehmer nicht im Voraus bestimmen, welche Informationen aufgrund der Ermächtigung erhoben werden können.

b) Dem Interesse der Beschwerdeführerin an informationeller Selbstbestimmung steht ein Offenbarungsinteresse der Versicherung von gleichfalls erheblichem Gewicht gegenüber. Es ist für das Versicherungsunternehmen von hoher Bedeutung, den Eintritt des Versicherungsfalls überprüfen zu können. Diesem Interesse genügt allein die Obliegenheit, bereits mit dem Leistungsantrag Angaben zum Versicherungsfall zu machen und zu belegen, nicht in jedem Fall.

c) Die erkennenden Gerichte haben nicht hinreichend geprüft, ob dem Überprüfungsinteresse des Versicherers auch in einer Weise genügt werden kann, die die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, ihr Interesse wirksam wahrzunehmen. Es liegt nicht auf der Hand, dass es für das Versicherungsunternehmen unmöglich oder unzumutbar ist, bestimmte Aufklärungsmaßnahmen im Voraus zu beschreiben und dem Versicherungsnehmer vorzulegen. Wenn es aufgrund eines solchen Vorgehens zu Verzögerungen bei der Bearbeitung des Leistungsantrags kommen sollte, schadet das in erster Linie der Beschwerdeführerin als Versicherungsnehmerin und nicht dem Versicherungsunternehmen. Selbst wenn von der Annahme ausgegangen wird, das von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verfahren, Einzelermächtigungen einzuholen, verursache einen unangemessenen Aufwand, hätten die erkennenden Gerichte in Erwägung ziehen müssen, ob andere Vorgehensweisen in Betracht kommen, die das Selbstschutzinteresse der Beschwerdeführerin wahren. So könnte das Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit der Mitteilung, welche Informationserhebungen beabsichtigt sind, dem Versicherten die Möglichkeit zur Beschaffung der Informationen oder jedenfalls eine Widerspruchsmöglichkeit einräumen.

d) Im Übrigen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, eine Schweigepflichtentbindung wie die hier umstrittene vorzusehen und dem Versicherten die denkbaren Alternativen freizustellen. Dem Versicherten muss allerdings die Möglichkeit zu informationellem Selbstschutz geboten werden, die er auch ausschlagen kann. Es wäre verfassungsrechtlich auch unbedenklich, den Versicherten die Kosten tragen zu lassen, die durch einen besonderen Aufwand bei der Bearbeitung seines Leistungsantrags entstehen. Die damit verbundene Kostenlast darf allerdings nicht so hoch sein, dass sie einen informationellen Selbstschutz unzumutbar macht."

Kommentar (Administrator):

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist an sich nicht überraschend, sondern entspricht vielmehr einer Weiterentwicklung der Grundsatzentscheidung zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG 1981; siehe bei Urteile). In den Kommentaren zum Strafgesetzbuch wird bereits seit Jahren auf die Ungültigkeit pauschaler Einwilligungserklärungen verwiesen. Überraschend (und eigentlich skandalös) ist jedoch die Tatsache, daß die Klägerin alle Prozesse bis zum BGH verlor!

Weitere Quellen:

Süddeutsche Zeitung 260 v. 11./12.11.2006, S. 27

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Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion I Dr. Jürgen Thorwart

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