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Datenschutz, Diskretion und Schweigepflicht
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Die
Regelungswut von Gesundheitsminister Spahn wird von Gesundheitsminister
Lauterbach noch übertroffen. Am 14.12.2023 hat der Deutsche Bundestag zwei
Gesetze verabschiedet, die zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystem
einen wichtigen Beitrag leisten sollen. Während das E-Rezept die Ärzt*innenschaft
betrifft und möglicherweise tatsächlich Vorteile für Patient*innen hat, betrifft
die die elektronische Petient*innenakte alle in der vertragsärzlichen Versorgung
tätigen Psychotherapeut*innen - und vor allem alle gesetzlich versicherten
Patient*innen. Wie schon oft ist die Politik vom ursprünglichen Plan abgewichen
(zu Zeiten von Gesundheitsminister Spahn war eine Opt-in-Lösung
vorgesehen): Mit dem Gesetz zur Digitalisierung des Gesundheitswesens" und dem
"Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten" wird die ePA für alle
Versicherten zum 1.1.2025 eingeführt. Die Versicherten können dem
widersprechen (Opt-out), andernfalls sind die Behandler*innen verpflichtet die
ePA ihrer Patient*innen zu befüllen.
Einsichtnahme in die
Patient*innenakte: Neben den Patient*innen können auch die Behandler*innen
Einsicht nehmen. Aber auch die Wissenschaft und Unternehmen können die (dann pseudonymisierten) Daten nutzen, wenn das Ziel der Forschung gemeinnützig ist.
Wer welche Daten erhält wir ein eigenes Gremium entscheiden.
Gesundheitsdaten sind gemäß Art. 9 DSGVO zu den
besonders sensiblen Daten und sind daher besonders zu schützen.
Das
größte Problem der
von Lauterbach vorgelegten Gesetze besteht darin, daß die Daten nicht mehr wie
bisher Ende-zu-Ende verschlüsselt werden.
Auf diese Weise wären auch gehackte Dateien nicht
lesbar. Doch darauf wird zum Zweck der komfortableren Nutzung der ePA nun
verzichtet. Das sieht auch der
Bundesdatenschutzbeauftragte
sehr kritisch.
Europäischer Gerichtshof: Kostenfreie Kopie der
Patient*innenakte
Die
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) berichtet am 2.11.2023 auf ihrer
Webseite über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Erste Kammer) v.
26.10.2023:
Europäischer Gerichtshof: Patienten müssen
erste Kopie der Patientenakte nicht bezahlen
02.11.2023 - Patienten haben gegenüber
Ärzten Anspruch auf eine kostenlose Erstkopie ihrer Patientenakte. Das hat der
Europäische Gerichtshof am vergangenen Donnerstag entschieden und damit der
nationalen gesetzlichen Regelung in Deutschland widersprochen. Das Gericht
verweist in seinem Urteil auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO),
die das Recht auf eine unentgeltliche Erstkopie impliziere. Ärzte dürfen
demzufolge nur dann eine Gebühr verlangen, wenn der Patient schon einmal eine
Kopie kostenlos erhalten hat. Dies gilt auch für Psychotherapeuten.
Patienten brauchen Antrag nicht begründen
Zudem stellt der Europäische Gerichtshof
(EuGH) fest, dass Patientinnen und Patienten nicht verpflichtet sind, ihren
Antrag zu begründen. Und: Die in der Patientenakte befindlichen Dokumente müssen
unter Umständen vollständig kopiert werden. Denn das Gericht hat auch
entschieden, dass der Patient in der Lage sein muss, die Daten zu verstehen und
deren Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Hierfür kann eine
vollständige Kopie erforderlich sein. Dies schließt Informationen wie Diagnosen,
Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu
Behandlungen ein.
DSGVO: Auskunftsrecht nicht durch
wirtschaftliche Interessen einschränken
Hintergrund der Entscheidung ist die
Klage eines Patienten gegen eine Zahnärztin auf eine kostenlose Kopie seiner
Patientenakte, um Haftungsansprüche wegen vermeintlicher Behandlungsfehler
geltend zu machen. Die Zahnärztin wollte ihm den Aufwand – wie nach deutschem
Recht vorgesehen – berechnen (siehe § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB). Die
DSGVO sieht dagegen vor, dass
Auskünfte unentgeltlich erfolgen müssen (siehe Art. 12 Abs. 5). Nur bei
offenkundig unbegründeten oder wiederholten Anträgen ist ein angemessenes
Entgelt zulässig. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe legte den Fall dem EuGH zur
Vorabentscheidung vor, um
dessen Auslegung der DSGVO
zu berücksichtigen. Dieser hat entschieden, dass nationale Regelungen zum Schutz
wirtschaftlicher Interessen von Verantwortlichen nicht im Einklang mit der
DSGVO stehen, wenn dadurch
Kosten für die Auskunft entstehen. Demnach dürfen den Patientinnen und Patienten
nicht die Kosten einer ersten Kopie ihrer Patientenakte auferlegt werden.
Das Urteil v. 26.10.2023 in der Sache ECLI:EU:C:2023:811: "Vorlage zur Vorabentscheidung – Verarbeitung
personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 12, 15 und 23 – Recht
der betroffenen Person auf Auskunft über ihre Daten, die Gegenstand der
Verarbeitung sind – Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Kopie dieser
Daten – Verarbeitung der Daten eines Patienten durch seinen Arzt – Patientenakte
– Gründe für den Auskunftsantrag – Verwendung der Daten, um haftungsrechtliche
Ansprüche gegen den Behandelnden geltend zu machen – Begriff 'Kopie'" kommt zu
folgendem Ergebnis:
Aus diesen Gründen hat der
Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15
Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der
Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass
die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich
eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer
Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der
betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes
der Verordnung genannten Zwecken begründet wird.
2. Art. 23 Abs. 1 Buchst. i der
Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die vor
dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen wurde, in den Anwendungsbereich
dieser Bestimmung fallen kann. Eine solche Möglichkeit erlaubt es jedoch nicht,
eine nationale Regelung zu erlassen, die der betroffenen Person zum Schutz der
wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen die Kosten für eine erste Kopie
ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung durch den
Verantwortlichen sind, auferlegt.
3. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der
Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines
Arzt-Patienten-Verhältnisses das Recht auf Erhalt einer Kopie der
personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, umfasst, dass
der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller
dieser Daten überlassen wird. Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie
der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und unter
anderem diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie
erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und
Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu
gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt
dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer
Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen,
Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr
vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.
Anmerkung:
Schon bislang hatten Patient*innen
volles Einsichtsrecht in ihre Behandlungsdokumentation und/oder Kopien davon.
Der Kostenersatz ist in
§ 630g Abs. 2 Satz 2 BGB
geregelt. Bisher
konnten Kopierkosten bis max. 50 Cent pro Kopie in Rechnung gestellt werden
(jedoch kein Ersatz des Arbeitsaufwands).
Das wird künftig nicht mehr möglich sein. Grade für
umfangreiche Dokumentationen und Langzeitbehandlungen (insbesondere analytische
Psychotherapie) kann das im Einzelfall einen überaus hohen Aufwand bedeuten.
Hinzu kommt, daß die Aufzeichnungen lesbar sein müssen. Handschriftliche
Aufzeichnungen sind ggf. in Maschinenschrift zu übertragen.
Nach heftigen
öffentlichen Diskussionen (u.
a.
D64 – Zentrum
für digitalen Fortschritt e.V.,
LOAD
e.V. - Verein für liberale Netzpolitik,
Forum
InformatikerInnen
für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V., Gesellschaft für
Informatik (GI) e.V.,
Chaos Computer Club e. V. (CCC),
Stiftung Datenschutz)hat
Bundesgesundheitsminister
Spahn
eingelenkt - die über die
Corona-Warn-
bzw.
tracing-App
gesammelten Daten werden nicht zentral auf einem Server gespeichert werden.
Der
Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, wurde erst spät vom
Robert-Koch-Institut (RKI)
in Prozeß
einbezogen - er kritisiert,
daß
das
RKI
nach bisherigem Stand Zugriff auf Klarnamen auf den Servern der
Fitness-App-Bereitsteller
hat und diese erst auf dem
RKI-Server
pseudonymisiert
würden. Aus seiner Sicht ist eine
Pseudonymisierung
hier erforderlich, eine Anonymisierung sei hingegen nicht realisierbar, da
andernfalls die regelmäßig fließenden Datensätze nicht zugeordnet werden
könnten, um festzustellen, was sich bei einer bestimmten Person verändert. Im
Hinblick auf Sicherheitslücken in der
Bluetooth-Implementation
mahnt der
Bundesdatenschutzbeauftragte
Updates des Betriebssystems (bei den Smartfonnutzer*innen) an, um zusätzlichen
Angriffsrisiken durch die Öffnung der
Bluetooth-Schnittstelle
zu
vermeiden.
Zur Frage, ob die Daten
zentral auf einem Server oder dezentral nur auf den Mobilgeräten der Nutzer
gespeichert werden sollten sagte Kelber:
Gegenüber der Bundesregierung und in einer Stellungnahme
der europäischen Datenschutzbehörden haben wir gesagt, beide Architekturen – die
zentrale und die dezentrale Speicherung – können datenschutzkonform
implementiert werden. Aber wir haben auch klar gemacht, dass die dezentrale
Variante die datenschutzfreundlichere ist, weil sie weniger potenziellen
Angriffen ausgesetzt ist und dem Prinzip der Datenminimierung entspricht, weil
die Daten auf dem eigenen Gerät verbleiben und dort auch gelöscht werden, wenn
man sich nicht infiziert. Daher sind wir mit der Entscheidung der Regierung für
die dezentrale Variante sehr zufrieden.
Interview mit Ulrich Kelber:
Was der Datenschutzbeauftragte über die
Corona-App denkt (U. Thiede)
Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines
Patientendatenschutzgesetzes (PDSG)
an den Bundestag weitergeleitet.
In Zeiten von Corona gibt es auch noch andere Themen – vielleicht
nicht ganz umsonst (honi
soit qui mal y pense) hat das Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines
Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergeleitet.
Hierzu der
Bericht aus der Ärztezeitung vom 1.04.2020 (Auszug):
Patientendaten-Gesetz
Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte.
E-Rezept, digitale Überweisung, Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der
elektronischen Patientenakte: Die Bundesregierung macht Tempo bei der
Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt hat der Bundestag das Wort.
Von
Anno Fricke
Veröffentlicht: 01.04.2020, 11:25 Uhr
Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte
Die
Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr nach Einführung rund 20 Prozent
der etwa 72 Millionen GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte nutzen
werden.
Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwochvormittag den Entwurf eines
Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergereicht.
Mit
dem Gesetz soll der Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen vorangetrieben
werden. Ziel der Regierung ist laut Entwurf eine weitestgehende Zusammenarbeit
und Vernetzung der Gesundheitsberufe. Mit dem Gesetz sollen die Weichen dafür
gestellt werden, die Vorsorge- und
Rehakliniken,
die Bundeswehrmedizin und die Pflege an die
Telematikinfrastruktur
anzuschließen. Zugriffsmöglichkeiten sollen auch Hebammen und Physiotherapeuten
erhalten. Das Gesetz muss nicht vom Bundesrat abgesegnet werden.
(…)
Elektronische Patientenakte:
Mit dem 1. Januar 2021 startet die elektronische Patientenakte. Das Gesetz ist
daher von Gesundheitsminister Jens
Spahn
als „besonders eilbedürftig“ eingestuft worden. Die gesetzlich Versicherten
sollen mit dem aktuellen Gesetzentwurf des
PDSG
klar geregelte Ansprüche gegenüber Vertragsärzten, Krankenhäusern und weiteren
Leistungserbringern erhalten, dass alle für ihre Versorgung relevanten Daten in
die Akte übertragen werden. Die Nutzung der Akte soll aber freiwillig bleiben.
In
einer ersten Umsetzungsstufe werden die zugriffsberechtigten Leistungserbringer
alle Daten des Patienten einsehen können, es sei denn er löscht sie. Ab Januar
2022 sollen die Akten ein "feingranulares
Berechtigungsmanagement" ermöglichen. Das bedeutet, dass der Versicherte dann
die in der Akte enthaltenen Dokumente jeweils für einzelne Ärzte und weitere
Leistungserbringer
freischalten
kann. Die Versicherten sollen zudem die Möglichkeit erhalten, ihre Daten oder
Auszüge daraus der Forschung zur Verfügung zu stellen.
Um
Menschen ohne
Smartphone
zu ermöglichen, ihre Akten zu führen, sollen die Krankenkassen verpflichtet
werden, in ihren Geschäftsstellen Terminals für den Zugang zu den elektronischen
Patientenakten aufzustellen. Auf freiwilliger Basis sollen das auch Arztpraxen,
Krankenhäuser und Apotheken tun dürfen.
Die
Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr rund 20 Prozent der rund 72
Millionen gesetzlich Versicherten die elektronische Patientenakte tatsächlich
nutzen werden, die Quote dann aber auf mehr als 50 Prozent steigen wird. Nach
fünf Jahren Laufzeit sollen in einer Evaluation sowohl die Zahl der Nutzer als
auch der möglicherweise erreichte Mehrwert abgefragt werden.
Bei
den Ärzten herrscht Skepsis. „Wir halten es nicht für sinnvoll, dass Versicherte
Teile ihrer Akten komplett löschen können“, sagte der Vorsitzende des
Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen,
Professor Ferdinand Gerlach, Ende Februar im Interview mit der "Ärzte Zeitung".
Ärzte könnten dann nicht erkennen, dass in der Akte etwas gestanden habe, was
unter Umständen lebenswichtige Informationen enthielt.
Anmerkung:
Nicht nur daß der Bundesgesundheitsminister an der
übereilten Einführung der
ePA
festhält (die Regelung der Zugriffsrechte ist nach wie vor technisch noch nicht
möglich) – und der Widerstand gegen die flächendeckende Digitalisierung in
Zeiten von Corona abnimmt: Die Ansicht von Professor Ferdinand Gerlach bedeutet
aus meiner Sicht eine fatale Rückkehr zu alten
paternalistischen Zöpfen – Ärzt*innen, die darüber entscheiden wollen, über
welche (eigenen!) Daten Patient*innen frei verfügen können und über welche
nicht!
Ärztezeitung.de
(1.04.2020):
Kabinett
beschließt Regeln für die Patientenakte. E-Rezept, digitale Überweisung,
Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der elektronischen Patientenakte: Die
Bundesregierung macht Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt
hat der Bundestag das Wort.
Es ist schon erstaunlich,
welche Aktivitäten
Bundesgesundheitsminister Spahn entfaltet. Bei der Flut von Gesetzen drängt sich der
Eindruck des Aktionismus auf mit dem wichtige Fragen des Gesundheitswesens zwar
aufgegriffen werden - dabei jedoch weder grundlegend überdacht erscheinen, noch
der Brisanz der zu regelnden bzw. geregelten Tatbestände gerecht werden. Insbesondere bei der Digitalisierung scheint der Minister kein Gespür zu
haben (oder haben zu wollen), daß es hier um einen äußerst sensiblen Bereich
geht, der von zentraler Bedeutung für ein funktionierendes Gesundheitswesen hat.
Denn Vertrauen zwischen Patient*innen und Behandler*innen ist das Agens jedweder
ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Maßnahme.
Erstaunlich ist aber auch der
Widerstand von Teilen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft
gegen die
Telematik und die
ePA
- ich meine hier nicht die kritische Haltung gegenüber den Bestrebungen des
Gesetzgebers, die ich teile und immer geteilt habe, sondern die Art, wie
hier diskutiert wird. Zum Teil werden völlig wirre Argumente vorgebracht - wie
etwa jenes, mit dem am 7.11.2019 verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz (I)
werde die (berufliche) Schweigepflicht verletzt oder gar abgeschafft. Aber auch beunruhigende,
hämische und aggressive Töne gegen die (in Anführungszeichen gesetzten)
"Volksvertreter*innen" und Vertreter*innen der Berufsgruppen, Kammern und
Berufsverbände - und die (angeblich) willfährigen, respektive naiven oder
wegschauenden, Kolleg*innen, die sich an die Telematik
angeschlossen haben - werden verbreitet. Nicht zu übersehen ist, daß es auch
entwertende Äußerungen gegenüber den die Telematik ablehnenden Kolleg*innen
gibt.
Auffällig ist gerade im
Hinblick auf die Diskussion über die Telematik-Infrastruktur,
daß es in den letzten Jahren m. W. überhaupt keinen Widerstand der Ärzte- oder
Psychotherapeutenschaft
gegen die Übermittlung von Patientendaten (neben den administrative Stammdaten
auch Diagnosen und Leistungsdaten) auf die zentralen Server der KVen
gegeben hat - vielleicht weil es hierum eigene finanzielle Interessen geht? Und
ebenso wenig auch gegen die Regelung im SGB, nach der die Gesetzlichen
Krankenkassen die Daten ihrer Versicherten an das Bundesversicherungsamt
übermitteln, das die Daten dann seinerseits pseudonymisiert
dem DIMDI übermittelt - so jedenfalls beschreibt es das DIMDI in einer Übersicht
über das Verfahren nach
§§ 303 a-e SGB V und die Datentransparenzverordnung/DaTraV
(https://www.dimdi.de/static/.downloads/deutsch/basisinfo-versorgungsdaten.pdf).
Die Krankenkassen haben sich dem (wie ich aus gut unterrichteten Kreisen
erfahren habe) widersetzt - wohl auch deshalb ist es nun unter Bundesgesundheitsminister
Spahn zu einer neuen, datenschutzrechtlich ebenso
problematischen, Regelung gekommen.
Daher möchte ich
stellvertretend für andere Verbände und Institutionen die Resolution des GK II (Zusammenschluß
von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden) wiedergeben, der bereits
im Oktober letzten Jahres alle Problembereiche aufgreift:
Resolution
von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden zum Datenschutz
Die
zweite diesjährige Sitzung des
Gesprächskreises II (GK II),
eines Zusammenschlusses von 35 Fach- und Berufsverbänden, fand am 26.10.19 in
Berlin statt. Die Sitzung wurde dieses Mal von der
DGVT
organisiert und ausgerichtet. Bis zur nächsten Sitzung im Frühjahr 2020 hat die
DGVT
auch die Geschäftsführung inne. Themen waren
u.a.
die Abstimmung verschiedener Resolutionen.
Resolution
zum Datenschutz
GK
II,
Oktober2019,Berlin
Der Gesprächskreis II (GK
II) ist ein Zusammenschluss von 35 psychotherapeutischen Verbänden und vertritt
über 60.000 Mitglieder. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die
bevorstehende Anwendung der elektronischen Patientenakte sind für die Mitglieder
bedeutsame Prozesse.
Die Verbände
des GK II befürworten grundsätzlich eine Modernisierung und Weiterentwicklung
von Abläufen und Anwendungen in der Versorgung der GKV-Versicherten. Sie stellen
dabei je doch folgende Forderungen auf:
1.
Rollout
der
elektronischenPatientenakte(ePA)nurmitallenangekündigten
Versichertenrechten:
Patientinnen und Patienten müssen differenzieren können, wer welche Daten (z.B.
Klinikbericht nach stationärer psychosomatischer Behandlung,
Schwangerschaftsabbruch etc.) einsehen darf. Dies sieht auch der
Bundesdatenschutzbeauftragte
Kelber
so.(1) Der GK II
fordert hier: Die
ePA
muss für die Versicherten freiwillig bleiben. Versicherte müssen selektive
Zugriffsrechte für Dokumente in der
ePA
vergeben können. Krankenkassen müssen ihre Versicherten zukünftig gezielt und
verständlich zu ihren Rechten bei der Verwendung der
ePA
informieren.
2. Schutz
der
sensiblenDatenaus
psychotherapeutischenBehandlungen:
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind immer noch von Diskriminierung
bedroht. Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen sind sehr sensibel und
besonders zu schützen.
Der GK II fordert: Die
Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an Gutachter
gehören nicht in die
ePA.
3. Keine
Herabsetzung
deshohen
Sicherheitsstandardsder
TelematikInfrastrukturbeiAnwendungen auf
mobilen Endgeräten:
Die aktuell geplanten Identifizierungsverfahren zur mobilen Nutzung der
ePA
sind nach Meinung des Bundesdatenschutzbeauftragten nicht ausreichend sicher.
Der GK II fordert:
Bei der zukünftigen mobilen Nutzung der
ePA
müssen zusätzliche Identifizierungsverfahren mit höchstem Sicherheitsstandard
zur
Anwendung kommen.
4. Einsatz
von
digitalen
Gesundheitsanwendungennurnach
Indikationsstellungdurchapprobierte
Leistungserbringer:
Der vorgesehene Einsatz von
Gesundheitsanwendungen allein aufgrund der Genehmigung der Krankenkasse ist
zurückzuweisen: Zum Schutz von Erkrankten liegt die Verantwortung für den
Gesamtbehandlungsplan allein bei approbierten Leistungserbringern.
Der GK II fordert: Die
digitalen Gesundheitsanwendungen dürfen nicht aufgrund der Genehmigung der
Krankenkasse, sondern erstnach
Indikationsstellung durch Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen undPsychotherapeuten
eingesetzt werden.
5. Digitale
Gesundheitsanwendungen
müssenWirksamkeitundNutzennachgewiesen
haben:"Positive
Versorgungseffekte" alleine genügen nicht, um eine gute Versorgung für
Patient*innen sicherzustellen. Die digitalen Gesundheitsanwendungen müssen
zumindest einen Wirksamkeitsnachweis und einen Nachweis des medizinischen
Nutzens im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Produkts erbringen.
Der GK II fordert: Digitale
Gesundheitsanwendungen dürfen nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie Wirksamkeit
und Nutzen nachgewiesen haben.
6. Keine
verdeckte
WeitergabevonNutzerdatenbei derVerwendungvon
Gesundheits-Apps:
Die von Stiftung Warentest und weiteren IT-Sicherheitsanalysten bestätigten
erheblichen Sicherheitsmängel bei der Verwendung von
Gesundheits-Apps
sind nicht hinnehmbar. (2)
Der GK II fordert: Es ist
sicherzustellen, dass bei der Nutzung der
Gesundheits
Apps
keinerlei Nutzerdaten über dahinterliegende Infrastrukturen weitergegeben
werden.
7. Keine
Kapitalbeteiligungen
derKrankenkassenanStart-
ups:
Start-ups
handeln der Natur der Sache nach gewinnorientiert, während die Krankenkassen die
Aufgabe haben, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen
oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern und dabei zu wirtschaftlichem
Handeln angehalten sind.
Der GK IIfordert:
Krankenkassen dürfen sich nicht mit Versichertengeldern an Unternehmen
beteiligen, da diese nicht die Gesundheit der Versicherten, sondern primär ihre
wirtschaftlichen Eigeninteressen zum Ziel haben.
8. Aufnahme
der
BPtK
alsVertretungder
Psychotherapeut*innenalsstimmberechtigtes
Mitglied in den
Gesellschafterkreis der
gematik:
Unter
Aufsicht der gematik
wird die Struktur der zukünftigen
ePA
entwickelt. Psychotherapeut*innen sind als einziger Heilberuf nicht in der
Betreibergesellschaft der
Telematik
Infrastruktur (gematik)
stimmberechtigt
vertreten. Obwohl das BMG mittlerweile die Mehrheitsanteile in der
gematik
hält, ist die 'Stimmlosigkeit' unseres Heilberufes nicht hinzunehmen. Die
Verbände des GK II fordern die längst überfällige Aufnahme der BPtK in den
Gesellschafterkreis der
gematik.
Die
Diagnose
App
ADA-Health überträgt z. B. Besuchslänge und Seiteninteraktionen an
Analysedienste. Vgl. Hartmut
Gieselmann: Risiken und
Nebenwirkungen,
c’t –
magazin
für
computertechnik 17/2019
(2) Bei
der Nutzung von
Deprexis wurde die
Identifikationsnummer des
Android-Endgeräts an
den Betreiber des Programms weitergegeben; bei
Get-On wurden die
Identifikationsnummer des Endgeräts und der Mobilfunkanbieter an den
US-Profidatensammler
Flurry übermittelt.
Vgl. test 07/2019 von Stiftung Warentest.
Psychotherapieverbändeim
Gesprächskreis
II:
AVM:
Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation e.V.
BAG:
Berufsverband der Approbierten Gruppenpsychotherapeuten e.V.
bkj:
Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten e.V.
BPP/DGPT:
Berufsverband der Psychologischen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in
der DGPT
BVKP:
Bundesverband der Klinikpsychotherapeuten
bvvp:
Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten
BVKJ:
Bundesvereinigung Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter e.V.
DFT:
Deutsche Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte/Psychodynamische
Psychotherapie
DGAP:
Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie
D3G:
Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie
DGH:
Deutsche Gesellschaft für Hypnose
und
Hypnotherapie
e.V.
DGIP:
Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie
dgkjf:
deutsche
gesellschaft
für kinder- und
jugendlichenpsychotherapie
und familientherapie
e.V.
DGK:
Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie e.V.
DGPs/FachgruppeKliPs:
Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Fachgruppe Klinische Psychologie und
Psychotherapie
DGPSF:
Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung
DGfS:
Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung e.V.
dgsps:
Deutsche
Gesellschaft für Suchtpsychologie
DGSF:
Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie
DGVT:
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V.
DPG:
Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft
DPV:
Deutsche Psychoanalytische Vereinigung
DPGG:
Deutsche Psychologische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie
DPtV:
Deutsche
PsychotherapeutenVereinigung
DDGAP:
Deutscher Dachverband Gestalttherapie für approbierte Psychotherapeuten e.V.
DFP:
Deutscher Fachverband für Psychodrama e.V.
DVT:
Deutscher
Fachverband für Verhaltenstherapie
GNP:
Gesellschaft
für Neuropsychologie
GwG:
Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung
M.E.G.:
Milton Erickson
Gesellschaft für Klinische Hypnose
NGfP:
Neue Gesellschaft für Psychologie
SG:
Systemische Gesellschaft - Deutscher Verband für systemische Forschung,
Therapie, Supervision und Beratung e.V.
VIVT:
Verband für Integrative Verhaltenstherapie
VPP/BDP:
Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im
BDP
e.V.
VAKJ
P:
Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten
Anmerkungen:
Nicht in der Resolution erwähnt
wird die Übermittlung aller Patientendaten der Gesetzlichen Krankenversicherung
über eine Datensammelstelle beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die sie
dann
pseudonymisiert
an ein Forschungsdatenzentrum weiterleiten soll. Auch hier hat der
Bundesdatenschutzbeauftragte mittlerweile kritisch Position bezogen.
Zur Problematik der Anonymisierung/Pseudonymisierung:
Da die Abrechnungsdaten so detailliert und einmalig sind können wenige Details
ausreichen Patient*innen identifizierbar zu machen. Zwar könnte man die Daten
durch ein Verfahren, wie das der "Verrauschung", anonymisieren und so die Sicherheit
(deutlich besser) gewährleisten, dann aber wären sie für die Versorgungsforschung
wertlos. Das gilt auch für die Psychotherapieforschung, die ja inzwischen für
alle Therapieverfahren von großer Bedeutung ist. Dieses
Dilemma ist nicht (einfach) zu lösen, es ist in jeden Fall erforderlich, daß
sich hier (Krypto-)
Expert*innen sich mit allen Fragen der Datensicherheit intensiv beschäftigen, um
(ausreichend) sichere Verfahren zu entwickeln.
Zu Ziffer 2 der Resolution
(Schutz
der
sensiblen Daten aus
psychotherapeutischen Behandlungen),
hier heißt es:
"Der GK
II fordert: Die Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an
Gutachter gehören nicht in die
ePA."
Natürlich
ist es legitim, eine solche Forderung zu erheben, m. E. macht sie aber wenig
Sinn. Denn wenn Patient*innen/Bürger*innen aus freien Stücken entscheiden, daß
solche Dokumente in Ihrer Akte enthalten sein sollen - wäre es auch Ausdruck
einer
paternalistischen
Haltung ihnen dieses Recht vorzuenthalten. Umgekehrt macht es allerdings auch
Sinn, Patient*innen (und Bürger*innen) über Risiken aufgeklärt sind - die sie
dann (wie wir alle) eingehen können oder nicht.
Im Übrigen - noch mal zurück zu Ziffer 2 der Resolution - ist für mich nicht
nachvollziehbar, daß andere (nicht im Rahmen einer Psychotherapie erhobene
Diagnosen - z.B. Erektionsstörungen, Dyspareunie; gynäkologisch/urologische
Untersuchungsergebnisse etc.) weniger schützenswert sein sollten, als Daten aus
psychotherapeutischen Behandlungen.
Auf einer ganz anderen Ebene
scheint es wichtig, den gesellschaftlichen Wandel und Gefahren im Umgang mit
Daten zu reflektieren und auch über damit verbundene unbewußte
Strebungen (Stichworte: Machbarkeitsphantasien, Bedürfnis nach Aufmerksamkeit
und Gesehenwerden, Schau- und Zeigelust, Voyeurismus und Exhibitionismus)
nachzudenken. Das gilt im Übrigen auch für schweigepflichtige Berufsgruppen.
Denn es ist schon erstaunlich, daß Schweigepflichtverletzungen bei Kolleg*innen
(die sich ja genau auf diese berufen) an der Tagesordnung sind. Und eine nicht unerheblicher Zahl von Kolleg*innen verletzt
auch die Schweigepflicht im Umgang mit den neuen - auch von Psychotherapeut*innen genutzten digitalen
Möglichkeiten - da deren Risiken weder kennen, noch adäquat damit umgehen
können. Gerade in den Praxen
niedergelassener Kolleg*innen herrschen vielfach datenschutzrechtlich
katastrophale Zustände - und die Bereitschaft hier Zeit und Geld zu investieren
ist keinesfalls ausgeprägt.
Ich habe mich in der Vergangenheit verschiedentlich mit solchen Fragen
beschäftigt - hier eine Auswahl:
Thorwart,
J.
(2019):
Psychoanalyse und Internet. Anmerkungen zu ethischen
Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien.
Psyche – Z Psychoanal 73-9: 852–878
Thorwart, J.
(2018):
Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion in der
webbasierten Psychotherapie.
PiD
– Psychotherapie im Dialog 19: 46–50
Thorwart, J. (2015):
Diskretion, Schweigepflicht und Psychoanalyse. Über
Schwierigkeiten des Umgangs mit anvertrauten Geheimnissen. Psyche –
Z Psychoanal 69: 295–327
Resolution des GK II und weitere wichtige Resolutionen/Stellungnahmen:
Resolution des 35. Deutschen
Psychotherapeutentags in Berlin (16.11.2019):
Digitale-Versorgung-Gesetz
(DVG):
Keine
Experimente mit psychisch kranken Patientinnen und
Patienten!
Keine
Aushöhlung des Gesundheitsdatenschutzes!
Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung
Wie bereits berichtet (AKTUELL: Nummer
16/2018) will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Patienten-, Abrechnungs- und
Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung
nutzen. Mit dem jetzt von ihm vorgelegten Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgungs-Gesetz
sollen die Gesundheitsdaten der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in
Deutschland künftig für
die Forschung verwendet werden - ohne ihr Einverständnis.
Die Gesetzlichen Krankenkassen
müssten demnach die personenbezogenen Daten einschließlich aller
Behandlungsdaten der Versicherten an den Spitzenverband der Kassen weiterleiten,
der sie dann
pseudonymisiert
und anschließend
zu Forschungszwecken zur Verfügung stellt. Die Verwaltung der Daten wird von
einem beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt Forschungsdatenzentrum
übernommen.
Die Daten sollen laut Gesetzentwurf für "Forschung, insbesondere für
Längsschnittanalysen über längere Zeiträume, Analysen von Behandlungsabläufen
oder Analysen des Versorgungsgeschehens" genutzt werden und können von Behörden,
Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken, nicht aber von der
Industrie genutzt werden.
Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag
verabschiedet werden und ist bereits auf heftige Kritik gestoßen.
Politiker*innen der Grünen und Patientenschützer*innen
kritisierten den Entwurf und fordern einen strengeren Datenschutz sowie eine
Widerspruchsmöglichkeit für Patient*innen. Auch der Bundesrat hat eine kritische
Stellungnahme zu Spahns Gesetzentwurf abgegeben und eine Überprüfung in Hinblick
auf den Datenschutz gefordert. "Es fehlt an einer klaren Regelung zur Abwägung
des angestrebten Nutzens mit dem Re-Identifikationsrisiko und dem
Persönlichkeitsrecht der Betroffenen", heißt es dazu in einer Stellungnahme der
Länderkammer zu dem nicht-zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf.
Offenbar hat sich der Bundesgesundheitsminister vorab mit dem
Bundesdatenschutzbeauftragten, Ulrich Kälber, abgestimmt - aufgrund der
geplanten Anonymisierung der Daten und entsprechender Vorkehrungen beim
Datenschutz scheinen hier keine grundsätzlichen Bedenken zu bestehen. In diesem
Sinne hat sich auch der Medizininformatiker Professor Fabian Prasser geäußert,
der Anfang September von München an die Berliner Uniklinik Charité und das
Berlin Institute of Health (BIH) wechselte. Er besetzt dort die sechste
Professur im Bereich Digital Health und beschäftigt sich insbesondere mit der
Frage, wie Daten der Krankenversorgung für die medizinische Forschung noch
besser nutzbar werden können.
ZEIT online (2.11.19
- 15:18 Uhr):
Bundesgesundheitsminister:
Daten von Krankenversicherten sollen der
Forschung zugänglich sein.
Jens Spahn will die Daten von gesetzlich
Versicherten der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Grüne und Patientenschützer
kritisieren fehlende Widerspruchsmöglichkeiten.
Ärztezeitung.de
(12.09.19
- 11:14 Uhr):
Digital Health. Daten nutzen für die Forschung.
Datensicherheit und Digitalisierung seien kein Widerspruch, so
ein Medizininformatiker
Bericht der Datenethikkommission stärkt Datenschutz
In einer Pressemeldung vom
23. Oktober 2019 (Ausgabe
24/2019) meldet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BfDI),
Ulrich Kälber, der selbst auch Mitglied der Datenethikkommission ist:
Im heute vorgelegten Abschlussbericht betont die
Datenethikkommission (DEK) die
herausragende Rolle des Datenschutzes im digitalen Zeitalter und gibt eine Reihe
zukunftsweisender Handlungsempfehlungen. Der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)
hofft, dass die Bundesregierung die Ergebnisse des Berichts bei ihrer künftigen
Datenpolitik als Leitlinien aufgreift und umsetzt.
Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- Pressemitteilung v. 23.10.19 (Ausgabe24/2019): Bericht der
Datenethikkommission stärkt Datenschutz
Riesiges Leck bei
Gesundheitsdaten - auch deutsche Patient*innen sind betroffen
Nach
Recherchen des Bayerischen Rundfunks
(BR Recherche/BR Data) und der US-Investigativplattform ProPublica lagen
Millionen hochsensibler medizinischer Daten, darunter auch solche von
Patient*innen aus Deutschland und den USA, jahrelang auf ungesicherten
Internetservern. Die personenbezogen Daten (Geburtsdatum, Vor- und Nachname,
Untersuchungstermin und Informationen über behandelnde Ärzt*innen, die
Behandlung und die dazugehörigen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen) konnten mit
Hilfe einer kostenlos herunterladbaren Software, die von auch medizinischem
Personal und Ärzt*innen verwenden wird, im Internet
eingesehen und heruntergeladen
werden. Herausgefunden hat das
Dirk Schrader, Experte für
Informationssicherheit der Firma Greenbone Networks.
Die von
einer Kassenärztlichen Vereinigung angeforderten Patientendaten zur
Qualitätsprüfung dürfen von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen pseudonymisiert
werden (Beschluss des BSG vom 15.5.2019, Az. B 6 KA 27/ 18)
Das Bundessozialgericht
hat mit Beschluss vom 15.5.2019 entschieden, daß ein ÄrztInnen bei der
Anforderung von Patientendaten durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im
Rahmen der Qualitätsprüfung diese mit Hinweis auf den Datenschutz
pseudonymisieren dürfen - ohne daß sie deshalb in Regress genommen und ihnen
Leistungen gekürzt werden.
Im dem der Entscheidung
zugrundeliegenden Fall forderte die KV von einem zur hausärztlichen Versorgung
zugelassenen und in der suchtmedizinischen Grundversorgung tätigen Arzt eine
Stichprobenprüfung von Substitutionsbehandlungen. Dazu wurden
Behandlungsdokumentationen von mehreren namentlich bezeichneten PatientInnen
(nach dem Zufallsprinzip) angefordert. Der betroffene Arzt wies dieses Ansinnen
unter Hinweis auf den Datenschutz seiner PatientInnen mehrfach zurück. Daraufhin
forderte die KV die Vergütung für die zur Stichprobe ausgewählten PatientInnen
zurück und forderte zugleich den Arzt auf, auch für das folgende Quartal
weitere Behandlungsunterlagen bestimmter Patienten vorzulegen.
Dagegen
klagte der Arzt und argumentierte, daß die der Forderung der KV zugrundeliegende
Richtlinie des G-BA nicht mehr den Vorgaben des neu gefassten § 299 SGB V
zur Pseudonymisierung versichertenbezogener Daten im Rahmen von
Qualitätsprüfungen entspreche.
Das Sozialgericht Berlin wies
hat die Klage zunächst ab. Auf die Berufung des Klägers hat das
Landessozialgericht diese Entscheidung sowie den angefochtenen Bescheid der
Beklagten aufgehoben. Eine Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht
zugelassen.
Die KV legte
Nichtzulassungsbeschwerde ein und machte unter anderem geltend, die Sache habe
grundsätzliche Bedeutung.
In seiner Entscheidung
verneinte das Bundessozialgericht jedoch eine grundsätzliche Bedeutung, wies den
Antrag zurück und stützte sich dabei auf die Argumentation des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Nach der geltende Gesetzeslage (§ 299
Abs.1 S.1 Nr.1 und 2, Abs. 2 SGB V) sind bestehende Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses dahingehend zu ändern, dass patientenbezogene Informationen im
Rahmen von Qualitätsprüfungen pseudonymisiert werden müssen. Dabei muß
hingenommen werden, daß Qualitätsprüfungen dadurch nur unter erschwerten
Bedingungen durchführbar sind.
Bundessozialgericht Beschluß
v.
5.5.2019, Az.
B 6 KA 27/ 18 (Volltext) über www.sozialgerichtsbarkeit.de
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat eine sehr
übersichtliche und informative Broschüre "Praxis-Info Datenschutz 2018"
vorgelegt, die auch die für PsychotherapeutInnen wichtigen Regelungen der
Europäischen Datenschutzgrundverordnung beinhaltet:
Gesetzliche Vorschriften
Praxisorganisation
Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten
Praxishomepage
Dokumentation der Maßnahmen zur Datensicherheit
Datenschutz-Folgenabschätzung
Verträge mit Dienstleistern
Auftragsverarbeitung
Reinigungsfirmen und andere Dienstleister
Verhältnis zum Patienten
Grundsätzliche Rechte des Patienten
Datenverarbeitung bei Diagnostik und Behandlung
Weitere Datenverarbeitung
Einwilligung der Patienten in die Datenverarbeitung
Informationspflichten – Patienteninformation der Praxis
Dokumentation und Aufbewahrung
Exkurs: Schweigepflicht
Regeln bei Datenpannen
Sanktionen und Haftung
Bundespsychotherapeutenkammer:
Datenschutz 2018 (1. Aufl., Juli 2018)
Am 6. Februar 2019 hat die Europäische Kommission
Empfehlungen für ein einheitliches europäisches Austauschformat für
elektronische Patientenakten (ePA)
vorgelegt. Über das Ziel :
Die Ermöglichung eines sicheren Zugangs zu Patientenakten und
deren Weitergabe über die Grenzen hinweg innerhalb der Union wird den Bürgern in
einer Reihe grenzübergreifender Situationen das Leben erleichtern, z. B. jenen
Bürgern und deren Familien, die derzeit aus beruflichen Gründen in einem anderen
Mitgliedstaat leben, oder Rentnern, die in einem anderen Land leben, und die
somit Zugang zu Patientenakten aus den Mitgliedstaaten erhalten, in denen
sie ihren Wohnsitz hatten bzw. haben. Dies wird die Versorgungsqualität auch in
Situationen verbessern, in denen auf Reisen innerhalb der Union medizinische
Behandlungen erforderlich werden bzw. in denen sie im Rahmen einer
grenzüberschreitenden Vereinbarung erbracht werden.
(Seite 1: Abschnitt 3)
Mit dieser Empfehlung wird ein Rahmen für die Entwicklung
eines europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten festgelegt,
um einen sicheren, interoperablen, grenzüberschreitenden Zugang zu und Austausch
von elektronischen Gesundheitsdaten in der Union zu erreichen.
(Seite 6: Abschnitt 1)
Denn es bringe Vorteile,
wenn
Bürger und Gesundheitsdienstleister auf elektronische Patientenakten (EPA), d.
h. Sammlungen von longitudinalen Patientenakten oder ähnliche Unterlagen einer
Person in digitaler Form, zugreifen und diese innerhalb der Grenzen und
grenzüberschreitend austauschen können: Verbesserung der Versorgungsqualität für
die Bürger, Senkung der Gesundheitsversorgungskosten für die Haushalte und
Unterstützung der Modernisierung der Gesundheitssysteme in der Union, die sich
aufgrund des demografischen Wandels, der steigenden Erwartungen und der
Behandlungskosten unter Druck befinden. (Seite 1: Abschnitt 2)
Im Abschnitt 13 (Seite 4)
äußert sich die Europäische Kommission zur Frage der Umsetzung des
grenzüberschreitende Datenaustauschs auf dem Hintergrund des Bemühens um eine
Verbesserung des Vertrauens der europäischen BürgerInnen
in elektronische
Patientendatensysteme:
Die
Verwendung von sicheren elektronischen Identifizierungs- und
Authentifizierungsmitteln gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des
Europäischen Parlaments und des Rates (eIDAS) sollte den Zugang, die Sicherheit
und das Vertrauen in elektronische Patientendatensysteme verbessern.
(Seite 4, Abschnitt 13)
Um die Interoperabilität und Sicherheit der nationalen
Gesundheitssysteme zu verbessern und den sicheren grenzüberschreitenden
Austausch von Gesundheitsdaten zu unterstützen, sollte jeder Mitgliedstaat ein
nationales Netz im Bereich des digitalen Gesundheitswesens mit Vertretern der
zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der regionalen Behörden
einrichten, die sich mit Fragen des digitalen Gesundheitswesens und der
Interoperabilität der elektronischen Patientenakten sowie der Sicherheit von
Netzen und Informationssystemen sowie mit dem Schutz personenbezogener Daten
befassen. (Seite 7, Abschnitt 6)
Im Hinblick auf die
Gewährleistung des sicheren Zugangs zu elektronischen Patientendatensystemen
sollen die Mitgliedsstaaten
dafür sorgen, dass die elektronischen
Patientendatensysteme hohen Standards in Bezug auf den Schutz von
Gesundheitsdaten und auf die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, auf
die sich solche elektronischen Patientendatensysteme stützen, genügen, um
Datenschutzverletzungen zu vermeiden und die Risiken von Sicherheitsvorfällen zu
minimieren (Seite 6: Abschnitt 2) und
sicherstellen, dass die Bürger und ihre
Gesundheitsfachkräfte Online-Zugang zu ihren elektronischen Patientenakten haben
und sich dabei sicherer elektronischer Identifizierungsmittel unter
Berücksichtigung des durch die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffenen Rahmens
für Sicherheit und Vertrauen bedienen können.
(Seite 6: Abschnitt 3)
Bei den Grundsätze(n) für
den Zugang zu und den grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen
Patientenakten heißt es:
Den Mitgliedstaaten wird
nahegelegt, den Bürgern die Entscheidungsmöglichkeit zu geben, wem sie Zugang zu
ihren elektronischen Gesundheitsdaten gewähren, und auf welche
Einzelinformationen zur Gesundheit gemeinsam zugegriffen werden kann.
(Seite
7: Abschnitt 9)
Fraglich wie ernst gemeint dieser
Grundsatz sein kann, wenn das
Bemühen der Europäischen
Kommission um Interoperabilität als Voraussetzung des grenzüberschreitenden
Austausch von Patientenakten keineswegs nur uneigennützigen Zielen verpflichtet
ist. Neben der Hoffnung der unmittelbaren Senkung von
Gesundheitsversorgungskosten (dann
auch für die nationalen Krankenversicherungssysteme) geht es auch um die
Schaffung der Voraussetzung für Big-Data:
Die Digitalisierung
von Patientenakten und die Ermöglichung ihres Austauschs könnten auch die
Schaffung großer Patientendatenstrukturen unterstützen, die in Kombination mit
der Nutzung neuer Technologien wie der "Big-Data"-Analyse und der künstlichen
Intelligenz die Suche nach neuen wissenschaftlichen Entdeckungen unterstützen
können. (Seite 5:
Abschnitt 18)
Europäische Kommission (6.02.19):
EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 6.2.2019 über ein europäisches Austauschformat für
elektronische Patientenakten
Ärzteblatt.de (20.02.19):
Empfehlungen für
grenzüberschreitende elektronische
Patientenakte
Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Telematik und E-PA
Trotz heftiger Proteste von
Seiten der Ärzteschaft und der PsychotherapeutInnen gegen das geplante TSVG (u.
a. gegen die "gestufte und gesteuerte Versorgung" bei der psychotherapeutischen
Behandlung psychisch Kranker und die Ausweitung der Sprechstunden von 20 auf 25
Wochenstunden) setzt Bundesgesundheitsminister Span seinen konfrontativen Kurs
fort. Das gilt auch für die Telematik-Infrastruktur, die er beschleunigen
weiter will. Seine aktuellen Änderungsanträge zum TSVG sehen einen Umbau der
zuständigen Betreibergesellschaft gematik vor. Bislang waren die Bundesärztekammer (BÄK), die
Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), der Deutsche Apothekerverband
(DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband
Gesellschafter der gematik. Nun kommt das BMG als weiterer Gesellschafter hinzu
- mit 51% der Stimmanteile. Weil gleichzeitig das Prozedere bei Abstimmungen
verändert werden soll - alle Abstimmungen erfolgen dann mit einfacher
Mehrheit - hat das
Bundesgesundheitsministerium immer das
letzte Wort! Der Spitzenverband der Krankenkassen soll 24,5 %, die übrigen
Gesellschaften zusammen ebenfalls 24,5 % der Stimmenanteile erhalten.
In seiner Begründung führt der
Bundesgesundheitsminister u.a. aus:
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen,
insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen
Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent
umgesetzt werden. Hierzu sollen Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft für
Telematik effektiver als bisher gestaltet werden. Um dies zu erreichen, soll das
Bundesministerium für Gesundheit den Entscheidungsprozess stärker mitgestalten.
Daher wird der Eintritt der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das
Bundesministerium für Gesundheit, als Mehrheitsgesellschafter in die
Gesellschaft für Telematik festgeschrieben.
Der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit soll die Möglichkeit erhalten, vor
solchren Beschlussfassungen, die Belange des Datenschutzes berühren, Stellung zu
nehmen.
Auch in Sachen
elektronische Patientenakte
(e-PA) will Span den Druck erhöhen. Der Änderungsantrag sieht vor, daß künftig
alleine die KBV (die dazu finanzielle Mittel der gematik erhält) die inhaltliche
Entwicklung der e-PA steuern und entsprechende Entscheidungen über Inhalt,
Standards und Interoperabilität treffen
soll. Diese waren dann auch in der Regel für die anderen Gesellschafter
verbindlich.
Die Anwendungen müssen in zwei
Jahren (1.01.2021) zugelassen und einsatzbereit sein.
Die Gesetzlichen Kassen werden
verpflichtet, ihre Versicherten zu informieren und eine e-PA zur Verfügung zu
stellen. Kommen sie dem nicht fristgerecht nach, müssen sie mit einer Kürzung
der Zahlungen aus dem
Gesundheitsfonds rechnen (zunächst 2,5 % ).
Ärztenachrichtendienst online (29.01.19):
BMG bestimmt künftig die
Marschrichtung
Ärzte Zeitung online (30.01.19):
Spahn will gematik an die kurze Leine nehmen
Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung
Nach einem Bericht der Ärzte
Zeitung online vom 14.12.18 hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Vorstoß
zum Zweck der besseren Nutzbarmachung von Patienten-, Abrechnungs- und
Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung
angekündigt: Die Zeitung schreibt dazu:
„Dafür müssen wir
einen Rahmen setzen, der den Datenschutz und die Souveränität des Einzelnen
hochhält, aber gleichzeitig eine gute und schnelle Nutzung möglich macht“, sagte
Spahn bei der Konferenz „Zukunft E-Health“ der Unions-Fraktion am Mittwoch in
Berlin. Zu diesem Rahmen sollen auch die Themen Datenspende und die
Monetarisierung von Daten gehören. Dazu sei er mit dem Forschungsministerium im
Gespräch.
Verhältnisse wie in
China wolle er aber nicht, betonte der Minister. Dort hat der Staat weiten
Zugriff auf alle Daten der Bürger.
Anmerkung: Das
ist doch überaus erfreulich, daß Herr Spahn keine Verhältnisse wie in China
will!
Ärzte Zeitung online (14.12.18):
Spahn will Patientendaten für Forschung und Entwicklung nutzen.
Gesundheitsminister Spahn kündigt an, Gesundheitsdaten für Forschung und
Produktentwicklung zugänglich zu machen. Der gematik steht außerdem eine Reform
ins Haus.
Datenethikkommission
ist für die rasche Einführung der Patientenakte
Wie berichtet (AKTUELL: Nummer
10/2018) haben Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer
im Sommer diesen Jahres eine Datenethikkommission einberufen. Sie besteht aus 16
Mitgliedern (Bereiche Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik,
Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus). Sie sollte
binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für
Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen
Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".
Nun hat die
Datenethikkommission eine
erste Empfehlung zur ePA gegeben (28.
11.18):
Die
Datenethikkommission befürwortet ausdrücklich die Entwicklung einer ePA und
hofft auf eine baldige Realisierung. Die ePA kann dazu beitragen, die
Datensouveränität der Versicherten zu erhöhen und die Qualität der
Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Die
Datenethikkommission empfiehlt, bereits bei der Entwicklung der ePA die Vielfalt
ethischer Aspekte als integralen Bestandteil im Rahmen eines "ethics by, in and
for design"-Ansatzes zu berücksichtigen. Der Entwicklungsprozess der ePA ist ein
konkreter Anwendungsfall der Empfehlung der Datenethikkommission vom 9.10.2018
zur Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung.
Die
Datenethikkommission begrüßt den Anspruch der Beteiligten, größtmögliche(n)
Datenschutz, Datenqualität und Datensicherheit sicherzustellen. Ethische Aspekte
umfassen jenseits der Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Implikationen und
der Vorgaben der DS-GVO zudem Aspekte der Datensouveränität, der digitalen
Gesundheitskompetenz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie zu
berücksichtigende Präferenzen der Versicherten. Diese können sich beispielsweise
auf die Festlegung der einzubeziehenden Datenarten und deren jeweilige Zuordnung
zum Standard, Kassen und Versicherten-Bereich sowie möglichen Unterbereichen der
ePA beziehen. Sie betreffen auch den Umfang und den Prozess individueller
Nutzerentscheidungen über unterschiedliche Möglichkeiten der Datennutzung und
Datenportabilität.
Für die
Entwicklung eine ePA sollten daher Patientinnen und Patienten von Beginn an am
Gestaltungsprozess teilnehmen und ihre Bedarfe sowie Präferenzen in einem
partizipativen Prozess einbringen können. In diesem Zusammenhang sollten auch
privat versicherte Patientinnen und Patienten einbezogen werden, da der Nutzen
einer patientenzentrierten ePA nicht von der Art der Versicherung abhängt.
Die Überzeugung
der Kommission, daß rechtliche und ethische Überlegungen, soweit diese "von
Beginn an in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, gestalterische und
integrative Kraft entfalten und so auch gebotene und wünschenswerte Anwendungen
unterstützen" wirkt ein wenig naiv. Vor allem, wenn anschließend darauf
verwiesen wird, daß dies insbesondere für den Fall gelten sollte, daß die
"Entwicklung staatlich initiiert und gefördert ist."
Und das in Zeiten, in denen die Datensicherheit von dem Aufwand abhängig ist,
den Hacker oder Staatstrojaner treiben ...
Ob die abschießende Überlegung
wirklich Sinn macht kann bezweifelt werden:
Gelingt
eine die Interessen aller Beteiligter berücksichtigende, rechtlich und ethisch
fundierte Gestaltung der ePA, stellt dies nicht nur sicher, dass diese den
Nutzern und Anwendern zum nachhaltigen Vorteil gereicht. Sie legt auch die
Grundlage für das Vertrauen, das für den Erfolg des Vorhabens unerlässlich ist.
Wenn
Interessen der Beteiligten hinsichtlich der rechtlichen und ethisch Gestaltung
berücksichtigt werden, stellt das noch keineswegs sicher, daß eine ePA PatientInnen "zum nachhaltigen Vorteil" gereicht. Damit könnte jeder Blödsinn
gerechtfertigt werden, etwa der freie Zugang aller Bundesbürger zum Weltall oder
zum Mond - natürlich juristisch und ethisch legitimiert. Eine solch krude
Argumentation stärkt ganz sicher nicht das Vertrauen in die ePA. Und es ist auch
nicht zu erkennen, daß sich die Ethikkommission mit den ethischen Implikationen
der Sammlung hochsensibler Daten auf zentralen Servern auseinandergesetzt hat.
Empfehlung der Datenethikkommission für eine partizipative Entwicklung der
elektronischen Patientenakte (ePA) v. 28.11.2018
Ärzteblatt.de (11.12.18):
Datenethikkommission für rasche Einführung der Patientenakte
Datenschutzgrundverordung - Einwilligung in die Datenverarbeitung bei
Minderjährigen (Art. 8)
Das Rechtsreferat
der Bundespsychotheraputenkammer vertritt die Auffassung, daß Artikel 8 der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) keine Auswirkungen auf die Behandlung
minderjähriger Patienten hat. Nach dieser Bestimmung können Minderjährige erst
ab dem Alter von 16 Jahren wirksam in die Verarbeitung von Daten einwilligen.
Bei Minderjährigen unter 16 Jahren ist daher immer eine vorherige Einwilligung
der Eltern notwendig. Art. 8 DSGVO wirkt sich jedoch nicht im Rahmen einer
Psychotherapie aus, da er nur für "Dienste der Informationsgesellschaft" gilt.
Das sind Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt, im Fernabsatz, also
ohne gleichzeitige (physische) Anwesenheit, elektronisch erbracht werden.
Gemeint sind insbesondere der Verkauf von Waren über das Internet, der
Online-Abruf von Videos und soziale Netzwerke.
Bei einer
Psychotherapie sind die Regelungen daher nicht relevant. Ausschlaggebend sind
weiterhin die Regelungen zur Einsichtsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen
sowie § 36 SGB I (Antragsrecht ab 15 Jahre).
Wie die
Ärzte Zeitung online berichtet (28.11.2018)
beschäftigen sich sich 13 Wissenschaftler der Helmholtz-Zentren Saarbrücken und
Bonn mit der Frage, wie sich diagnostische und andere Gesundheitsdaten in großem
Stil verarbeiten lassen ohne daß dadurch die Privatsphäre der betroffenen
PatientInnen verletzt wird. Zu diesem Zweck wurde eine eigenes Institut
gegründet, das Helmholtz Medical Security and Privacy Research Center (HMSP).
„Wir entwickeln
effiziente Methoden, mit denen medizinische Daten in einer Vielzahl von
verschiedenen Anwendungsszenarien sicher und vertrauenswürdig verarbeitet werden
können“, kündigt Gründungsdirektor Professor Michael Backes an. Finanziert werde
das neue Institut von den beiden genannten Helmholtz-Zentren, sei aber „für
weitere Partner offen“.
Informationspflicht gegenüber PatientInnen beim Eingang von Berichten mit
bedrohlichen Befunden
Zwar erhalten PsychotherapeutInnen
(ÄrztInnen, PP, KJP) eher selten Arztbriefe oder Klinikberichte direkt von den
jeweiligen Institutionen (Praxen, Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen), aber es
kommt durchaus vor. In solchen Fällen sind auch PsychotheapeutInnen
verpflichtet, sicherzustellen, daß die jeweiligen PatientInnen die
entsprechenden Informationen erhalten - in jeden Fall, wenn gravierdende und
behandlungsbedürftige Symptome bzw. Erkrankungen mitgeteilt werden. Das hat der
Bundesgerichtshof (BGH) am 26.06.20128 entschieden (AZ. VI ZR 285/17).
In dem verhandelten Verfahren hatte
ein Patient seine langjährigen Hausärztin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz
verklagt, weil diese ihn über einen ihr zugegangenen Klinikbericht nicht
informiert hatte. Zuvor hatte sie den Patienten wegen Schmerzen im linken Bein
und Fuß an einen Facharzt
überwiesen. In einer Klinik wurde später ein bösartiger Tumor entdeckt. Dieses
teilte die Klinik aber ausschließlich der Hausärztin (und nicht dem behandelnden
Facharzt) mit. Erst knapp
eineinhalb Jahre später sprach die Hausärztin ihren Patienten im Zusammenhang
einer Handverletzung auf die frühere Erkrankung an und erst danach wurde der
Mann in einem Universitätsklinikum wegen des Tumors weiterbehandelt.
Im Leitsatz des BHG heißt es
dazu:
Der Arzt
hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden
- und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn
diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der
Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den
Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht
eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie
ebenfalls erhalten hat.
Elektronische
Patientenakte (ePA): KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit
dem Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische
Patientenakte verständigt
Nach einem Bericht des
Handelsblatts v. 12.10.18 (Interview mit dem
Vorstandsvorsitzenden des
AOK-Bundesvesbands, Martin Litsch) haben sich die Beteiligten auf eine Patientenakte
geeinigt, die auf dem Berechtigungsprinzip beruht: PatientInnen können den
behandelnden ÄrztInnen erlauben, jeweils relevante Daten herunterzuladen. Auf
diese Weise soll auch verhindert werden, daß sie mit überflüssigen Informationen
überschüttet werden.
Die Daten sollen zentral auf
einen oder mehrere gesicherte Server außerhalb der Praxissoftware übertragen und
gespeichert werden, damit ein Zugriff auf Praxis-Computer ausgeschlossen ist.
Die genauer Standards für die
e-PA sollen im Dezember zwischen den Beteiligten ausgehandelt werden.
Der Ärztenachrichtendienst
berichtet dazu am 15.10.18 weiter, daß Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für
den Fall einer gegenseitigen Blockade von Kassen und ÄrztInnen die Ausgestaltung
der Digitalakte an sich ziehen wolle.
Zu den weiteren Vereinbarungen,
die in einer dreiseitigen Präambel verschriftlicht wurden, schreibt der
Ärztenachrichtendienst:
Am Aufbau der
Patientenakte sollen die KBV, der GKV-Spitzenverband und die Gematik
gleichermaßen beteiligt sein. Letztere soll sich laut Absichtserklärung um die
Architektur der ePA kümmern. Diese solle "einheitlich für alle Anbieter" sein,
soweit dies für Sicherheit, Interoperabilität und Praktikabilität notwendig sei.
"Die gematik definiert daher technische Standards und Schnittstellen für die
Hersteller von Konnektoren und ePAs", heißt es. Auch die Zulassungen für die
Betreiber und Anbieter erfolgen demnach durch die Gesellschaft.
Aufgabe der KBV wird
es sein, Details zur Datenspeicherung "im Benehmen" mit den anderen
„Leistungserbringern“, dem GKV-Spitzenverband und der Gematik festzulegen.
Darüber hinaus soll ein Arbeitskreis der Krankenkassen die Struktur der
Patientenakte entwickeln – unter Federführung des GKV-Spitzenverbandes. Neben
einem Standardbereich für medizinische Informationen aus der Versorgung, etwa
Arztbefunde oder Röntgenbilder, soll es einen Kassenbereich für Quittungen oder
Informationen zu Bonusprogrammen geben. Auch einen "Bereich für die Ablage
jeglicher Daten, die vom Versicherten bereitgestellt werden", soll es laut
Absichtserklärung geben. Dort können die Versicherten zum Beispiel Fitnessdaten
speichern.
Anmerkung: Obwohl das Konzept in der vorliegenden Form zu begrüßen
ist, bleibt die Frage der Datensicherheit nach wie vor ein großes Problem,
insbesondere auch, weil hochsensible Daten auf zentralen Servern gespeichert
werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Hackerangriff erfolgreich sein
wird.
Handelsblatt online (12.10.18):
Digitale Patientenakte
– „Ein Zurück ohne Gesichtsverlust gibt es nicht“. AOK-Chef Martin Litsch
glaubt, dass die Einigung von Kassen und Ärzten auf ein technisches Konzept für
die digitale Patientenakte Bestand haben wird (von
Gregor Waschinski)
Ärztenachrichtendienst (15.10.18):
Einigung auf
Standards bei e-Patientenakte.
KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit dem
Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische
Patientenakte (ePA) geeinigt. Vertreter der Krankenkassen und der KBV zeigen
sich zufrieden (sk)
Nach einem Bericht des Ärzteblatts
online v. 6.09.18 ist die neue Datenethikkommission unter Anwesenheit von
Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer an diesem Tag zu ihrer
ersten Sitzung in Berlin zusammengekommen. Die Kommission besteht aus 16
Mitgliedern aus den Bereichen Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik,
Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus, die vom
Bundesinnenministerium im Juli berufen wurden (das Ministerium hat deren
Lebensläufe veröffentlicht). Sie soll
binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für
Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen
Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".
Nach Angaben des
Bundesinnenministeriums birgt "der Einsatz von Algorithmen, Künstlicher
Intelligenz und digitalen Innovationen (...) große Potenziale. Gleichzeitig
stellen sich zahlreiche ethische und rechtliche Fragen. Die Datenethikkommission
der Bundesregierung soll hierauf Antworten geben." (Webseite
Datenethikkommission - siehe Link unten).
Nach der bestürzenden Stellungnahme
des Deutschen Ethikrates zu "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als
informationelle Freiheitsgestaltung (siehe
AKTUELL: Nummer 15/2017)
wird es interessant sein, wie die Datenethikkommission sich zu solchen Fragen
stellt.
Ärzteblatt.de (6.09.18):
Politik: Experten sollen Regierung Vorschläge für ethischen Umgang mit Daten
machen.
Elektronischen Übertragung
von Krankheitsdaten - Gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für
den Datenschutz in der Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt
der ärztlichen Schweigepflicht einsetzen
In einer
gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für den Datenschutz in der
Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt der ärztlichen
Schweigepflicht einsetzen und über die Freie Ärzteschaft veröffentlicht wurde,
wird der "Spahnsinn“ - gemeint sind die Pläne von Gesundheitsminister
Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten kritisiert:
"Das ist Spahnsinn" –
Datenschützer, Patienten und Ärzte kritisieren die Pläne von Gesundheitsminister
Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten
Seit wenigen Tagen liegt ein
Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vor.
Datenschützer und Patienten sind alarmiert: "Bundesgesundheitsminister Spahn
will eine auf zentralen Servern liegende 'elektronische Patientenakte' mit
Zugriff sowohl über die Gesundheitskarte und ihre Telematikinfrastruktur als
auch über das Internet", erklärt Dr. Silke Lüder vom Bündnis "Stoppt die e-Card".
"Das bedeutet eine gigantische Sammlung sensibler Daten auf einem zentralen
Server – für Datendiebe ein extrem attraktives Ziel mit hohem finanziellen Wert.
Patienten, deren Daten dort gespeichert werden, werden quasi enteignet", ergänzt
Dr. Elke Steven, Geschäftsführerin von "Digitale Gesellschaft".
Außerdem bergen beide
Zugriffswege Risiken: Der Zugang über die Gesundheitskarte erfordert ein
zentrales Register aller vorhandenen elektronischen Akten in der
Telematikinfrastruktur. So kann man leicht nachprüfen, welche Versicherten keine
elektronischen Akten haben. Bei Versicherten mit elektronischer Akte kann man
über dieses Zentralregister mindestens feststellen, wo ihre Akte zu finden ist.
Der nun zusätzlich
vorgesehene Zugang per Smartphone oder Tablet über das Internet bedeutet offene
Schnittstellen in der Telematikinfrastruktur, welche aus Sicherheitsgründen als
geschlossenes Netz geplant war. Damit vervielfältigt sich die Gefahr unbefugter
Zugriffe auf die elektronischen Patientenakten. Die übertragenen Daten auf den
oft unzureichend gesicherten Mobilgeräten sind weiteren Gefahren ausgesetzt:
Zugriffe durch Schadsoftware, Staatstrojaner und persönliche Assistenten (wie z.
B. Cortana oder Siri) der Internetkonzerne.
Auch die
Einwilligungsregelung soll sich ändern: Mit der Übertragung von Daten in die
elektronische Akte durfte bislang erst begonnen werden, wenn der Betroffene
gegenüber einem Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker eingewilligt
hatte und die Einwilligung auf der Gesundheitskarte dokumentiert war. Dies
setzte voraus, dass die Patienten auch tatsächlich in der Lage sein mussten,
ihre Entscheidung bewusst und in Kenntnis der Risiken einer Offenlegung ihrer
Daten zu treffen – was bei Kranken und Hilfsbedürftigen nicht ohne Weiteres
vorausgesetzt werden kann. Nach dem Gesetzentwurf soll nicht einmal diese
Möglichkeit mehr gegeben sein. Denn die Patienten sollen ihre Zustimmung auch
pauschal auf anderen Wegen oder nur gegenüber der Krankenkasse erklären können.
Dies macht es schwer nachvollziehbar, ob tatsächlich eine Einwilligung vorliegt
oder ob sie eventuell sogar widerrufen wurde.
Außerdem soll eine
"elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" (eAU) eingeführt werden. Das
bedeutet, dass alle Angaben, die bisher vom Versicherten auf Papier an die
Krankenkasse geschickt wurden, künftig unter Angabe der Diagnose über eine
Telematikinfrastruktur geleitet werden sollen. Der Versicherte hat so keine
Möglichkeit, sich gegen diese elektronische Übertragung sensibler Daten zu
entscheiden.
"Die
zentrale Speicherung mit Onlinezugang im Browser, ohne ausreichende
Verschlüsselung vereint das Schlechte aus zwei Welten“, fasst Anwalt und
IT-Fachmann Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins Patientenrechte und
Datenschutz e. V., zusammen. „Die beabsichtigte Einwilligungsregelung und eine
elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefährden die informationelle
Selbstbestimmung des Versicherten. Wir bewerten diese Vorschläge als 'Spahnsinn'."
Unterstützende
Organisationen:
Die Aktion "Stoppt die
e-Card" www.stoppt-die-e-card.de ist ein breites Bündnis von mehr als 50
Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern, Patienten und Ärzteverbänden.
Die Bündnispartner sehen in der elektronischen Gesundheitskarte eine Gefahr
für die ärztliche Schweigepflicht, die informationelle Selbstbestimmung der
Bürger und für eine gute medizinische Versorgung. Das Bündnis ist seit 2007
aktiv.
dieDatenschützer Rhein
Main https://ddrm.de/ – eine lokale Gruppe des Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung und Partner der Aktion: Stoppt die e-Card! Die
aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind u. a. die unzulässige Videoüberwachung
des öffentlichen Raums, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die
Digitalisierung des Gesundheitswesens, der Sozialdatenschutz, z. B. bei
Job-Centern, und die Überwachung durch Geheimdienste und andere staatliche
Stellen.
Der Digitale
Gesellschaft e. V. hat sich der gerechten und demokratischen Teilhabe aller
Menschen am digitalen und vernetzten Zeitalter verschrieben. Wir setzen uns
gegen einseitige Sicherheits- und Urheberrechtspolitik, für Transparenz und
Fairness, gegen Hinterzimmerlobbyismus und für Nutzerrechte ein. Wir wollen
Grund- und Freiheitsrechte in der digitalen Welt verteidigen und ausbauen.
Die
Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) www.freie-aerzteschaft.de ist ein Verband, der
den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt
mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte
sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland
Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin,
bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche
Schweigepflicht gewahrt bleibt.
Die Humanistische Union
e. V. – Landesverband Berlin-Brandenburg http://berlin.humanistische-union.de/
ist eine unabhängige Bürgerrechtsorganisation. Seit unserer Gründung 1961
setzen wir uns für den Erhalt und Ausbau der Grundrechte in Deutschland ein.
Wir sind für die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Leben und
Sterben.
Komitee für Grundrechte
und Demokratie e. V. http://www.grundrechtekomitee.de Aktiv, streitbar,
couragiert und – wenn menschenrechtlich geboten – zivil ungehorsam engagiert
sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Im Themenbereich
"Gesundheitssystem/Bioethik" treten wir für Datensouveränität und
Patient*innenrechte ein und haben uns u. a. kritisch mit Big Data im
Gesundheitswesen und der e-Card auseinander gesetzt.
LabourNet Germany:
http://www.labournet.de/ Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job,
basisnah, gesellschaftskritisch
Patientenrechte und
Datenschutz e. V. https://patientenrechte-datenschutz.de/ ist ein
Zusammenschluss von Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen, die die
elektronische Gesundheitskarte und die geplante Vernetzung im
Gesundheitswesen, die sog. "Telematikinfrastruktur", aus Datenschutzgründen
kritisieren.
Thure von
Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin https://uexkuell-akademie.de/ Auf
der Suche nach einem passenden Modell, um die Spaltung der Medizin in eine
für seelenlose Körper und eine für körperlose Seelen zu überwinden, haben
sich in der Akademie Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Fachrichtungen
zusammengetan. In Regionalgruppen, Workshops, Modellwerkstätten und Tagungen
werden die Grundgedanken des entstehenden Modells (wissenschaftstheoretische
Ansätze der Semiotik, des Konstruktivismus und der Systemtheorie) vertieft,
diskutiert und in ihrer Brauchbarkeit überprüft. Ziel ist die Entwicklung
einer Theorie der Humanmedizin, die die individuelle Wirklichkeit der
Beteiligten reflektiert.
Derzeit streiten sich die AOK
mit der KBV um die Art der künftigen Datenspeicherung im Zusammenhang der
ePatientenakte - und hier geht es nicht um eine Nebensächlichkeit: Bei dem von der AOK
vorgeschlagenen Modell lägen die Behandlungsdaten auf Servern der KVen,
ÄrztInnen, Ärzte-Netzen oder Krankenhäusern und würden bei einer autorisierten
Abfrage von einem
Suchalgorithmus abgeholt und zusammengeführt werden. Das Modell der KBV hingegen sieht vor, daß
sich PatientInnen ihre Daten bei den behandelnden ÄrztInnen selbst abholen und
sie in ihrer ePA sammeln. Im Bedarfsfall könnten sie dann den BehandlerInnen
Zugang zu ihrer ePA gewähren.
Es dürfte unschwer zu erraten sein,
wo ich hier stehe: Im Sinne der Datensicherheit und der Patientenautonomie kann
der Weg nur der sein, den die KBV vorschlägt!
Derzeit sind drei Modelle im
Gespräch:
AOK-Modell: Ähnliche Lösungen im Einsatz gibt es beispielsweise
in Österreich und Estland
TK-Modell:
TK Safe wurde gemeinsam mit IBM (unter Beteiligung von Generali und Signal
Iduna) entwickelt. Die Daten sollen auf Servern in Deutschland liegen.
Vivy-Modell: Hier geht es um
eine App, die Daten sollen zentral gespeichert werden.. Hauptgesellschafterin
ist die Allianz. Beteiligt sind die DAK sowie 90 weitere Krankenkassen und
private Versicherer.
Ärzte Zeitung online (30.08.2018):
Bewegung im Zwist um die E-Akte. Die Tür bleibt offen: Trotz fundamentaler
Unterschiede beim Aufbau der elektronischen Patientenakte sprechen KBV und
AOK-Verband noch miteinander.
Telematik-Infrastruktur: ePatientenakte (ePA) und Patientenfach
Derzeit
bestimmt die Diskussion um die elektronische Patientenakte die
gesundheitspolitische Diskussion. Die in diesem Zusammenhang eingetretene
Begriffsverwirrung (elektronische
Fallakte, Patientenakte, Gesundheitsakte oder elektronische Patientenfach) hat
auch damit zu tun, daß sich unterschiedlichste Anbieter mit außerordentlich
unterschiedlichen (wirtschaftlichen) Interessen auf dem Markt tummeln: Private
und gesetzliche Krankenversicherungen (z. B. AXA; in Planung: AOK Nordost, TK,
sowie DAK, Innungskrankenkassen und einige PKVen: Vivy) sowie Medienunternehmen
(Apple, Google, Microsoft).
Das erste Projekt von Google
Google Health scheiterte 2008. Den NutzerInnen sollte ursprünglich ermöglicht
werden, Daten verschiedener Anbieter zentral an einem Ort zu sammeln. Da es
zuwenig Nachfrage gab, wurde das Projekt im Januar 2012 eingestellt.
Inzwischen hat Google ein neues Angebot gestartet: Google Fit. Hier geht es nun
allerdings nicht mehr um einen Zentralisierung (aller) Gesundheitsdaten. Apple
will hingegen gezielt in den Medizinmarkt einsteigen, hat bereits eine Reihe von
Komponenten gestartet und strebt eine Zusammenarbeit mit Epic Systems an. Das
Privatunternehmen verwaltet etwa die Hälfte aller Patientendaten in den USA!
Mit dem Gesetz für sichere digitale
Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)
soll sichergestellt werden, daß nur diejenigen Leistungen erhalten können, die
auch tatsächlich gesetzlich versichert sind (online-Stammdatenabgleich durch
niedergelassenen ÄrztInnen und Krankenhäuser). Auf der Gesundheitskarte können künftig
Notfalldaten und ein Medikationsplan gespeichert werden. Weiter ist die
Einführung der elektronischen Patientenakte und eines Patientenfachs geplant.
Auf diese Weise sollen PatientInnenen besser über ihre Diagnosen und Therapien
informiert sein. Sie bekommen zudem erstmals die Möglichkeit, auch selbst
Daten an ÄrztInnen zu übermitteln, denn über die digitale Infrastruktur sollen
alle ÄrztInnen, ZahnärztInnen, Krankenhäuser, Apotheken und Versicherte
angeschlossen sein. Derzeit
plant der Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder
der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und
Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten (siehe Auch Beitrag AKTUELL: Nummer
5/2018).
Weiter besteht eine
Vorgabe von Gesundheitsminister Jens Spahn, daß Kassen ihren Versicherten bis
Anfang 2021 eine Patientenakt zur Verfügung stellen müssen, die auch bei
Kassenwechsel mitgenommen werden kann.
ePatientenakte:
Nach derzeitigem Stand
sollen PatientInnen selbst
darüber bestimmen soll, welche Daten gespeichert werden. Der Zugriff auf
die Daten soll nur durch das gleichzeitige Authentifizierung des elektronischen
Arztausweises und der Versichertenkarte im Lesegerät erfolgen können. Der (noch
nicht vorliegende) zweite Teil des E-Health-Gesetzes wird sich diesem Thema
widmen.
Patientenfach:
"Zur Patientenautonomie
gehört auch, dass der Patient das Recht hat, die medizinischen Daten seiner
Gesundheitskarte einzusehen. Das können Patienten künftig nicht nur in der
Arztpraxis, sondern auch in ihrem digitalen Patientenfach. Durch den Einblick in
ihre Gesundheitsdaten haben Patienten die Möglichkeit, sich umfassend über ihre
Diagnose und Therapie zu informieren und damit besser über ihre Gesundheit
mitzuentscheiden. Zusätzlich können sie eigene Daten ins Patientenfach
einpflegen, wie z. B. Blutzuckerwerte oder Patiententagebücher." (Zitat aus der
Webseite des
Bundesministerium für Gesundheit:
Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)
Gesundheitskarte:
"Der Schutz der sensiblen
Gesundheitsdaten der Versicherten steht an erster Stelle. Die medizinischen
Daten sind nicht einfach auslesbar, da sie verschlüsselt gespeichert werden. Nur
mit der Gesundheitskarte, auf der der individuelle Schlüssel des Versicherten
gespeichert ist, hat der Patient es selber in der Hand, die Daten wieder lesbar
zu machen. Der Zugriff auf die Daten der Gesundheitskarte darf nur zum Zwecke
der medizinischen Versorgung erfolgen. Zugriff hat nur ein enger, gesetzlich
festgelegter Personenkreis. Hierzu gehören insbesondere Ärzte und Zahnärzte.
Um auf die medizinischen Daten
der Gesundheitskarte zugreifen zu können, gilt das sogenannte
Zwei-Schlüssel-Prinzip. Das bedeutet, dass sowohl der elektronische
Heilberufsausweis des Arztes als auch die elektronische Gesundheitskarte des
Versicherten notwendig sind. (Ausnahme: Der Patient greift außerhalb der
Arztpraxis eigenständig auf das Patientenfach zu; hierfür sind besondere
Verfahren vorgesehen.)
Der Versicherte stimmt dem
Zugriff des Arztes zu, indem er seine Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät
des Arztes steckt und seine PIN eingibt (Ausnahmen sind das Auslesen der
Notfalldaten und – wenn der Patient dies wünscht – der Medikationsplan). Da
außer dem Patienten selber niemand über den Schlüssel der Gesundheitskarte
verfügt und es keinen "Generalschlüssel" gibt, können unberechtigte Dritte
(Versicherungen, Behörden, Unternehmen) nicht auf die sensiblen medizinischen
Daten des Versicherten zugreifen. Es ist immer klar, wer auf die Daten der
Gesundheitskarte zugegriffen hat, weil die letzten 50 Zugriffe auf der Karte
gespeichert werden." (Zitat aus der Webseite des
Bundesministerium für Gesundheit:
Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)
Ein Argument, daß immer wieder zu
hören ist: Digitale Vernetzung führt zu mehr Effizienz im
Gesundheitswesen! Doch stimmt das? Klare verifizierende Belege für die Hypothese
sind ebenso wenig zu haben, wie eine Falsifikation. Zu befürchten ist, daß die
Flut der Daten (z. B. mit unterschiedlichen Diagnosen mit zudem
unterschiedlichen Erhebungszeiten) keineswegs dazu führt, daß es zu einer
Arbeitserleichterung der sich untereinander austauschenden Leistungserbringer
(Vorbefunde und -behandlungen) kommt.
Den Einsatz von E-Health-Anwendungen
mit der Steigerung der Versorgungsqualität gleichzusetzen ist auch angesichts
der Erfahrungen in anderen Ländern (insbesondere nordische und baltische
Staaten) gewagt und weckt Erwartungen, die vermutlich nicht nur nicht
befriedigt, sondern enttäuscht werden dürften.
Bundesministerium für Gesundheit:
Gesetzliche Rahmenbedingungen
der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des Aufbaus der
Telematikinfrastruktur
TI in Österreich: Ein Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen
Nach heftiger Kritik hat die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Nachbesserungen
bei der Gesetzesnovelle angekündigt, die die Weitergabe von
Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ermöglichen hätte.
Sie sprach sich nun gegen die Weitergabe von ELGA-Daten für Forschungszwecke aus
und kündigte einen entsprechenden
Abänderungsantrag für das Gesetz an.
Die
Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) reagierte mit Erleichterung und begrüßte die Bereitschaft des Österreichischen
Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Ärzteschaft grundsätzliche
Verbesserungen des e-Befundes der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA zu
evaluieren. Denn dieses befinde sich nicht auf dem aktuellen technischen Stand, biete keinen guten Ein- und
Überblick über die Krankengeschichte von PatientInnenen und erfordere einen
hohen Zeiteinsatz der ÄrztInnen, die dann nicht zur Behandlung zu
Verfügung stehe.
Ärztenachrichtendienst (12.04.18):
Telematik in Österreich.
Zuständige Ministerin rudert zurück. Nach heftiger Kritik an einer Gesetzesnovelle, die
die Weitergabe von Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA)
ermöglichen würde, kündigt die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein jetzt
Nachbesserungen an. (Der Zugang zum
Ärztenachrichtendienst ist
beschränkt!)
Bereits seit vielen
Jahren berichte ich regelmäßig über die mit der Telematik zusammenhängende Fragen (E-Health-Gesetz,
eGK etc.), nicht zuletzt auch die Telematik-Infrastruktur. Durch widersprüchliche
Äußerungen des neuen Gesundheitsministers Jens Span (seit März 2018 im Amt)
konnte man in den letzten Monaten den Eindruck haben, als solle das Projekt (TI
und eGK) gestoppt oder zumindest ein Moratorium eingeleitet werden.
Inzwischen aber ist
der Bundesgesundheitsminister auf die alte Linie eingeschwenkt und will das am
1.01 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz wie geplant umsetzen. Neben dem
Stammdatenabgleich sind eine Reihe von Anwendungen geplant (Medikationsplan,
Telemedizinische Anwendungen, elektronischer Arztbrief, Notfalldaten auf der
eGK, elektronische Patientenakte und Patientenfach). Derzeit plant der
Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder
der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und
Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten.
Die Installation
der Telematik-Infrastruktur stockt, da bislang nur wenige
Konnektor-Zertifizierungen vorliegen. Daher ist sehr fraglich, ob die Zeitpläne
zur flächendeckenden Einführung eingehalten werden können.
Interessanterweise
gibt es inzwischen einen Anbieter, der ein (allerdings mit 2.500 Euro nicht
sonderlich kostengünstiges) Paket zur Selbstinstallation anbietet - unabhängig
von der verwendeten Praxissoftware:
www.koco-shop.de. Die Softwarehäuser (so z. B. Psyprax) weisen allerdings
daraufhin, daß es Probleme mit der Schnittstelle zur Abrechnungssoftware geben
kann und der Support bei fremden Angeboten nicht sichergestellt ist.
Zuletzt hat die KBV mit den Krankenkassen über
eine Anpassung der Erstattungspauschalen verhandelt, damit auch ab dem dritten
Quartal 2018 der Anschluß ohne Eigenbeteiligung (so die gesetzliche Regelung)
sichergestellt ist (www.kbv.de:
Praxisnachrichten 31.05.18).
Die
teils sehr berechtigten Proteste vieler KollegInnen gegen die TI (z. B.
überhöhte Kosten, veraltete Technik, mangelnde Datensicherheit, Gefahr der
Speicherung hochsensibler Daten auf zentralen Servern) lassen zumeist völlig
außer Acht, daß nahezu alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden
KollegInnen, bereits heute über die online-Abrechnung deutlich mehr
personenbezogene Daten auf die Server der KVB überspielen (quartalsweise werden
Stammdaten, Abrechnungsziffern, ICD-Diagnosen übermittelt) als das mit der
Telematik geplant ist (Stammdatenmanagement). Allerdings können mit den
geplanten Anwendungen in Zukunft weitaus mehr Daten übermittelt werden - im
Unterschied zum Standatenabgleich ist hier allerdings die Einwilligung der
PatientInnen erforderlich.
Hinweise und
Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der
Arztpraxis (Neuauflage 2018) und
Datenschutz-Check 2018
Die Hinweise und Empfehlungen zur Schweigepflicht,
Datenschutz und Datenverarbeitung
sind aktualisiert worden (Stand 16.02.2018). Neu ist die
"Datenschutz-Check 2018: Was müssen
Arztpraxen angesichts der neuen
Vorschriften zum Datenschutz tun?" Beide Veröffentlichungen sind über die
Webseiten der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) abrufbar und wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren tritt am
25.05.2018 die Europäische
Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Zudem wurde das Bundesdatenschutz geändert
bzw. angepaßt.
Mit der Datenschutzverordnung werden
Unternehmer (auch ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) aber auch Vereine verpflichtet,
Datenverarbeitungsprozesse zu systematisieren. Stichworte:
Verzeichnis
von
Verarbeitungstätigkeiten
Datenschutz-Verpflichtung
von Beschäftigten
Informations- und
Auskunftspflichten
Löschen von Daten
Sicherheit
Auftragsdatenverarbeitung
Meldung von
Datenschutzverletzungen
Ein/e Datenschutzbeauftragte/r
muß benannt werden, wenn mehr als ein/e MitarbeiterIn ständig
personenbezogene Daten verarbeitet. Nach Ansicht des zuständigen
Bayerischen Landesamts für
Datenschutzaufsicht gilt das nicht für eine ärztliche Einzelpraxis, da
weniger als 10 Personen im
regelmäßigen Umgang mit personenbezogenen Daten umgehen (Muster
5: Arztpraxis).
Derzeit ist davon auszugehen, daß
auch die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für Psychotherapie (Ausbildung
zum PP und KJP, Weiterbildung in Ärztlicher Psychotherapie) eine/n
Datenschutzbeauftragte/n
benötigen. Eine von mir gestellte Anfrage wurde noch nicht beantwortet. Die
Frist zur Benennung einer/s Datenschutzbeauftragten wurde
vom Bayerischen Landesamts für
Datenschutzaufsicht bis
in den Herbst 2018 verlängert.
In Bayern bestehen zwei Behörden im
Bereich des Datenschutzes:
Der Bayerische
Datenschutzbeauftragte für den Datenschutz (derzeit: Prof. Dr. Thomas
Petri) ist für den öffentlichen Bereich in Bayern zuständig (Behörden und
staatliche Stellen, Körperschaften des öffentlichen Rechts etc.).
Das Bayerische Landesamt für
Datenschutzaufsicht (Thomas Kranig) ist für die
Einhaltung des
Datenschutzrechts im nicht-öffentlichen Bereich in Bayern, zuständig, also für
private Wirtschaftsunternehmen, FreiberuflerInnen, Vereine, Verbände und im
Bereich des Internets.
Das Bayerische Landesamt für
Datenschutzaufsicht hat eine Hotline
für Vereine und ehrenamtlich Tätige in Bayern
eingerichtet:
Tel.: 0981/53-1810 (Servicezeit
von Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 19:00 Uhr).
Anmerkung:
Die beiden nachfolgenden Links stammen von einem privatwirtschaftlichen
Unternehmen - ich habe sie aufgrund der übersichtlichen Darstellung der Gesetze
ausgewählt:
Text der
Datenschutzgrundverordnung (Anbieter: Intersoft Consulting):
www.dsgvo-gesetz.de
Text des neuen
Bundesdatenschutzgesetzes (Anbieter: Intersoft Consulting):
www.dsgvo-gesetz.de/bdsg
Noch nie gab es in der
Geschichte der Bundesrepublik einen größeren, umfassenderen, weitreichenderen,
heimlicheren und gefährlicheren Grundrechtseingriff: Das Bundeskriminalamt hat
damit begonnen, sogenannte Staatstrojaner auf privaten Computern, Laptops und
Handys zu installieren. Damit können sämtliche Daten ausgeleitet, damit kann das
gesamte Computer-Nutzungsverhalten eines Menschen in Gegenwart und Vergangenheit
überwacht werden.
Vor dem Zugriff ist
nichts und niemand sicher; auf verschlüsselte Informationen - wie bei Whatsapp -
wird schon zugegriffen, bevor sie verschlüsselt werden. Möglich ist auch der
Live-Zugriff, also der heimliche Blick über die Schulter des Betroffenen. Die
Eingriffsintensität sprengt alles bisher im Rechtsstaat Bundesrepublik
Dagewesene.
So schreibt Heribert Prantl im
seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung (27./28.01.2018). Ich kann dem nur
zustimmen. Zwar geht die größte Gefahr des Mißbrauchs von personenbezogenen
Daten heute von jenen aus, die Daten abgreifen, welche die Betroffenen selbst
mehr oder weniger wissentlich (in sozialen Medien, Rabattkarten, ebay,
online-Einkäufe, google, beim online-Zeitunglesen etc.) oder unwissentlich
(z. B. Leserbriefe, die ohne entsprechende Hinweise online gestellt werden) ins
Internet eingespeist haben.
Doch hier greift der Staat Daten ab
und dies auf äußerst perfide Art. Zwar geschieht dies nur mit richterlicher
Genehmigung (die allerdings wohl nur selten verweigert werden dürfte, schon weil
RichterInnen kaum Zeit für eine sorgfältige Prüfung haben) und - darauf weist
Prantl hin:
die Voraussetzungen
sind vage und die Fähigkeiten der Trojaner entfalten sich außer Kontrolle
der Richter; die Betroffenen erfahren vom Zugriff irgendwann in ferner. Zukunft,
wenn keine "Zweckgefährdung" mehr zu befürchten ist. Der Staatstrojaner ist der
lebende Beweis dafür, dass in Terrorzeiten das staatliche Sicherheitsbedürfnis
strukturell unstillbar ist. Deshalb ist die furchtbarste Eigenschaft des
Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte
auf.
Das wäre an sich ein Grund für eine
Demonstration gegen dieses Gesetz - doch der Aufschrei bleibt aus. Wir haben uns
daran gewöhnt, daß sich das aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit (Art. 2 Grundgesetz) abgeleitete Recht auf informationelle
Selbstbestimmung in Zeiten des Terrors (den es immer gab, wenn auch in anderen
Formen), des Sicherheitsdenkens bis hin zum -wahn und des Internets im Zustand
des Siechtums befindet.
Es ist bezeichnend, wenn das BKA und PolitikerInnen statt von Staatstrojanern
von der "Quellen-Telekommunikations-Überwachung" sprechen. Denn so wird versucht
zu verdecken und zu verharmlosen worum es geht: Das Aushebeln von Grundrechten,
die immer auch Abwehrrechte der Bürger gegen staatliche Eingriffe in ihre
Freiheit und Rechte sind (status negativus). Völlig richtig also, wenn Prantl in
seinem Kommentar "Staatstrojaner:
Die digitale Inquisition hat begonnen" schreibt:
Wie schrieb das Verfassungsgericht einmal: Die freie und geschützte
Kommunikation sei eine "elementare Funktionsbedingung eines auf
Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten
freiheitlichen Staatswesens." Vorbei. Und das "Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme", das die vom
Bundesverfassungsgericht 2008 in seinem Urteil zur
Online-Durchsuchung proklamiert hat, ist nicht mehr viel wert.
Süddeutsche Zeitung (Druckausgabe v. 27./28.01.2018: 4):
Heribert Prantl: des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte
auf
Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe
26.01.18): Heribert Prantl: Überwachung: Der Staatstrojaners frisst
die Grundrechte
auf
Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe
27.01.18) Heribert Prantl: Staatstrojaner: Die digitale Inquisition hat
begonnen
Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe
26.01.18) Reiko Pinkert und
Hakan
Tanriverdi:
Überwachung: Polizei
spioniert Handynutzer mit Trojaner aus
Akten
des Zulassungsausschusses: Kein
Anspruch auf Datenlöschung (SG Düsseldorf, LSG
Nordrhein-Westfalen 2017)
In einem Verfahren vor dem
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) wurde die Berufung eines Arztes
gegen das Urteil der Vorinstanz (Sozialgericht Düsseldorf,
Beschluß vom 12.10.2016 Az.: S 33 KA 625/12) abgewiesen (Beschluß vom
28.06.17, Az.: L 11 KA 3/17), da diese nicht fristgerecht erhoben worden war
(die Voraussetzungen für
die Zulassung der Revision lagen nicht vor).
Der Arzt war der Ansicht, die
über ihn gespeicherten Daten (es ging insbesondere um Vorgänge im Zusammenhang
eines mehr als 10 Jahre zurückliegenden Zulassungsentzug) dürften vom Zulassungsausschuß nicht weitergegeben werden.
Die Akten enthielten unter anderem Informationen
aus mehreren Strafverfahren sowie aus Verfahren über die Anordnung des Ruhens
der Approbation und Entscheidungen des Zulassungs- und des Berufungsausschusses.
Darunter befanden sich auch Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein, der Kläger habe mehrfach bzw. kontinuierlich seine vertragsärztlichen
Pflichten verletzt.
Der Arzt hatte sich zuletzt
bei verschiedenen KVen vergeblich um die Zulassung als Vertragsarzt beworben.
Aus seiner Sicht handelte es sich bei der Weiterleitung der nicht mehr aktuellen
Sachverhalte um üble Nachrede oder eine falsche Verdächtigung; Akten über Sachverhalte, die
mehr als zehn Jahre zurück lägen, dürften innerhalb der vertragsärztlichen
Institutionen nicht weiter gegeben werden. Auch für ÄrztInnen dürfe die Aktenführung
und Weitergabe von Akten nicht über die in anderen Lebensbereichen üblichen
Bestimmungen hinausgehen.
Der Beschluß des LSG faßt das
Urteil der Vorinstanz zusammen (Zitat aus dem Beschluß
vom 28.06.17):
Mit Urteil vom
12.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger in der mündlichen
Verhandlung auf eine isolierte Leistungsklage umgestellte Klage sei unzulässig.
Die Entscheidung über die Löschung von Daten stelle einen Verwaltungsakt im
Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, weshalb nicht die
allgemeine Leistungsklage statthaft, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erheben
sei. Hierfür fehle es an einem abgeschlossenen Verwaltungs- und Vorverfahren als
notwendiger Prozessvoraussetzung. Ob die ursprünglich formulierte
Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, könne dahin gestellt bleiben, weil der
Kläger trotz entsprechender Hinweise auf den in der mündlichen Verhandlung
formulierten Antrag bestanden habe. Jedenfalls sei die allgemeine Leistungsklage
unbegründet, da das Begehren des Klägers einer rechtlichen Grundlage entbehre.
Weder die für die Aktenführung des Beklagten in erster Linie maßgebliche
Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) noch das SGB X oder das
Datenschutzgesetz NRW enthielten Regelungen, die nach Ablauf bestimmter Fristen
einen Anspruch auf Löschung von Daten vorsähen. Die Begründung von
Mindestaufbewahrungsfristen in § 43 Ärzte-ZV sei nicht gleichzusetzen mit einer
Verpflichtung zur Löschung von Daten bzw. Vernichtung von Akten nach
Fristablauf. Auch § 84 SGB X sowie § 19 Datenschutzgesetz NRW enthielten keine
Regelung, nach der Daten oder Aktenbestandteile nach Ablauf konkreter Fristen
auf Antrag zu löschen wären. Aus den beiden Vorschriften ergebe sich allein,
dass die speichernde Stelle Daten dann zu löschen habe, wenn sie die Kenntnis
zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötige. Zulassungsgremien müssten jederzeit
in der Lage sein, das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen,
namentlich der Geeignetheit des Vertragsarztes, zu überprüfen. Dabei seien sie
auf die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanten Umstände angewiesen. Ein
Rechtssatz, dass einzelne Informationen nach Ablauf bestimmter Fristen für diese
Beurteilung keine Relevanz mehr hätten, existiere nicht. Ob und welche rechtlich
vertretbaren Schlüsse aus länger zurück liegenden Sachverhalten gezogen werden
könnten, sei vielmehr in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des
Einzelfalles zu beurteilen und daher Gegenstand des jeweiligen, die Zulassung
betreffenden Verfahrens. Auch § 58a Heilberufsgesetz NRW begründe den geltend
gemachten Anspruch des Klägers nicht. Die Regelung beziehe sich allein auf die
Verfahren zur Ahndung berufsrechtswidrigen Verhaltens von Angehörigen der
Kammern für Heilberufe. Die spezialgesetzliche Regelung beanspruche keine
Allgemeingültigkeit und könne nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden.
Entsprechendes gelte auch für die weiteren vom Kläger herangezogenen
Vorschriften.
Er beantragte wie schon in der
Vorinstanz vor dem den Zulassungsausschuß zu verpflichten, Daten aus berufsrechtlich relevanten
Verfahren, die nicht unmittelbar mit der Ausübung des ärztlichen Berufs in
Zusammenhang stehen, in Fällen ohne Gerichtsverhandlung nach vier Jahren und in
Fällen mit Gerichtsverhandlung nach zehn Jahren zu löschen.
Das LSG NRW wies die Klage
wegen Fristversäumnis ab, der Beschluß des SG Düsseldorf ist damit
rechtskräftig.
Anmerkung:
Üblicherweise müßen personenbezogene Daten dann gelöscht werden, wenn der Zweck
zu dem sie erhoben und verarbeitet wurden, erfüllt bzw. entfallen ist (vgl.
Landesdatenschutzgesetze und § 20 Abs. 2 Ziff. 2 Bundesdatenschutzgesetz, § 84
SGB X). Zwar ist richtig, daß es hier keine Fristen gibt und im konkreten Fall
ein Interesse der Zulassungsauschüsse bestehen kann, daß für die Zulassung
relevante Daten über lange Zeit gespeichert und auch (an andere
Zulassungsausschüsse) weitergegeben werden können. Tatsächlich stellt sich aber
auch die Frage, ob das 'Recht auf Vergessen' nicht auch hier eine wichtige (und
auch verfassungsrechtliche) Bedeutung hat.
Beschluß Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen vom 28.06.17, Az.:
L 11 KA 3/17
Mit der
seit September 2012 bestehende Datentransparenzverordnung (DaTraV) wurde das
Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
beauftragt (auch die Gesetzliche Krankenkassen hatten sich darum beworben). Das
DIMDI hat nach § 2 die Aufgabe der Datenaufbereitung und Vertrauensstelle
(zuständig für die weitere Pseudonymisierung der bereits anonymisierten Daten,
damit keine Rückschlüsse auf Versicherte sind) übernommen, räumlich, organisatorisch und
personell jeweils eigenständig, d. h. getrennt durchgeführt werden müssen.
Hintergrund der Verordnung ist die
Regelung in § 303a ff SGB V (Wahrnehmung der Aufgaben der Datentransparenz); sie
wurde im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes 2012 eingeführt und löste die
seit 2004 (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) geltende Regelung ab
(Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz: Spitzenverbände der
Krankenkassen, später GKV-Spitzenverband und KBV).
Die Überarbeitung der Verordnung wird
damit begründet, daß die vom Bundesversicherungsamt an das DIMDI gelieferten
Daten zu wenig aktuell sind, das Datenangebot soll zudem für die Öffentlichkeit
transparenter werden und auch in den Räumen des DIMDI einsehbar sein. Es gibt
allerdings grundsätzliche Kritik am Verfahren, das bislang - und möglicherweise
auch weiterhin - nicht in der Lage ist/sein wird interessenneutrales
Versorgungswissen zu generieren.
Bundesministerium der Justiz und den
Verbraucherschutz: Gesetze im Internet -
Verordnung zur Umsetzung der Vorschriften über die
Datentransparenz
Bundesministerium der Justiz und den
Verbraucherschutz: Gesetze im Internet -
§§ 303a ff SGB V
Big Data und der Ethikrat -
eine subtile Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung? Stellungnahme
des Deutschen Ethikrats "Big Data und Gesundheit
– Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung"
vom 30.11.17
In einer
ausführlichen Stellungnahme
"Big Data und Gesundheit
– Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung"
vom 30.11.17
schlägt der Deutsche Ethikrat eine weitreichende Reform im Umgang mit
Gesundheitsdaten vor. Es geht dabei um eine neues, anspruchsvolles und
innovationsoffenes Regelungs- und Gestaltungskonzept, das sich vom geltenden
Datenschutzrecht deutlich, man könnte auch sagen diametral, unterscheidet:
Wo sich tradierte
Instrumente – wie die bislang gängige strikte Orientierung an
Datensparsamkeit
und enger Zweckbindung – als dysfunktional erweisen, müssen deshalb
andere Möglichkeiten, individuelle Freiheit und Privatheit zu wahren und eine
gerechte und solidarische Gesellschaft zu gestalten, in den Vordergrund treten.
(173)
Der Ethikrat sieht die von ihm als
Leitkonzept vertretene Datensouveränität als Möglichkeit, "Chancen, die Big Data
im Gesundheitsbereich eröffnet, zu nutzen und zugleich den Risiken neuer Formen
asymmetrischer Macht und dadurch bedingten Verlusten an individueller
Selbstbestimmung sowie möglicher Benachteiligung und Diskriminierung wirksam
entgegenzutreten" - durch hinreichender und geeigneter Schutzmechanismen und
Gestaltungsstrategien (173).
Fatalerweise nimmt er dafür sogar in Kauf, daß
Eigentumsrechte der Betroffenen an ihren personenbezogenen Daten eingeschränkt
werden! (siehe Abschnitt "B1.3 Rechtsprobleme eines vermeintlichen
Eigentums an Daten klären": 177f).
Noch drastischer wird es, wenn sich
der Ethikrat in seinen Empfehlungen (S. 173 ff) unter der Überschrift
"B. Individuelle Freiheit und
Privatheit sichern" einleitend schreibt:
Die
Bereitschaft, personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen, ist als Teil der
informationellen Freiheitsgestaltung der Datengeber zu verstehen. Deshalb müssen
sie dazu befähigt werden, souverän mit diesen Daten umzugehen und ihre
Privatsphäre zu gestalten. Zudem müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden,
um entsprechend angemessene Handlungsspielräume zu garantieren.
(177)
Hier wird nicht mehr von
Menschen, von BürgerInnen eines Rechtsstaates gesprochen, sondern von
"Datengebern" (ein Begriff mit Potential für das "Unwort des Jahres"). Und diese
'Objekte' müssen befähigt werden, mit ihren Daten und ihrer Privatsphäre
umzugehen - von einem Staat, der die Daten der Datengeber zu gesundheits-,
forschungs- und versorgungspolitischen Zwecken benötigt und verwendet.
Der Absatz erinnert
an eine den gesundheits-
und forschungspolitischen Interessen angepaßte Fassung von Orwells 1984. Aus meiner Sicht ist die
Haltung, die hier zum Ausdruck kommt, eines Gremiums, das sich als "Deutscher Ethikrat"
bezeichnet, nicht würdig.
In einem Sondervotum hat Dr. med.
Christiane Fischer (als eines von 26 Mitgliedern des Ethikrates) die
Stellungnahme kritisiert. Sie schreibt einleitend:
Analog zur
medizinischen Ethik, die den Nutzen für das Individuum in den Mittelpunkt stellt
und nach dem Grundsatz nihil nocere die Schadensabwehr in jedem einzelnen Fall
zur obersten Maxime macht, gilt es auch im Umgang mit den Chancen und Risiken
großer Datenmengen, die unveräußerlichen Rechte des Individuums und seine
Selbstbestimmung als Maßstab für gesellschaftlichen Fortschritt zu nehmen. Diese
Rechte stehen nicht im Widerspruch zum Gemeinwohl, sie sind vielmehr für einen
freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat konstitutiv. Die Bedürfnisse der (Gesundheits-)Wirtschaft
nach immer umfassenderem Einblick in die Lebensäußerungen der Menschen sind dies
nicht. (...)
Big Data
erweist sich erst dann als nutzbringend für die Gesundheitsvorsorge und die
Medizin, wenn der oder die Einzelne als EigentümerIn seiner/ihrer
personenbezogenen Daten zu jedem Zeitpunkt entscheiden kann, wem er oder sie
diese in welchem Umfang auch im Falle der Sekundärnutzung offenlegen will.
(186)
Aus ihrer Sicht bedarf es einer
Bestätigung und Ausweitung der Prinzipien der Datensparsamkeit und Zweckbindung,
da diese einen Ausbau des Persönlichkeitsschutzes und des Datenschutzes und
somit die Implementierung einer bestmöglichen Datensouveränität gewährleisten:
Diese muss einen
höheren Stellenwert auch gegenüber Forschungsinteressen behalten.
Sie spricht sich in diesem
Zusammenhang für eine Datenschutz-Folgenabschätzung sowie eine Datensouveränität
aus, die im Gegensatz zur Empfehlung des Ethikrats (Abschnitt B1.3) "auch das
Eigentum an personenbezogenen Daten und somit eine absolute Ausschlussmacht
gegenüber Dritten bedeutet". Die Datensouveränität ist ein so hohes Gut, daß
diese auch strafrechtlich abzusichern ist.
Nur so kann die der
informierten Einwilligung zugrunde liegende Selbstbestimmung gewährleistet
werden.
Im Hinblick auf die "technische
Realisierung der Auswertung von Datenmassen" gehe es um eine rechtlich Be- bzw.
Einschränkung, damit "Anwendungen möglich sind, jedoch personenbezogener
Missbrauch verhindert wird". Notwendig
seien analog dem Gendiagnostikgesetz "dezidierte Verbote von
diskriminierenden Verwendungen personenbezogener Daten (...). Die Speicherung
und Analyse personenbezogener Daten sollte daher nur im eng definierten Rahmen
erlaubt sein. Missbräuchliche Datenzugriffe auch bei Sekundärnutzung müssen
strafrechtlich sanktioniert werden" (wirksame Abschreckung durch die finanziell
effektive Ahndung von Verstößen).
Erfreulicherweise äußert Frau
Fischer auch Kritik an der bestehenden Rechtslage im Bereich den Umganges mit
Gesundheitsdaten:
Festzustellen ist weiterhin, dass es in diesem Bereich weniger ein Regeldefizit
als ein massives Vollzugsdefizit gibt. (187)
Wer sich wie ich seit mehr als
30 Jahren mit Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht im psychosozialen
Bereich und im Gesundheitswesen beschäftigt weiß, daß nicht nur administrative,
sondern den Kernbereich der Persönlichkeit berührende Daten - oft auch ohne
jedes Unrechtsbewußtsein - unbefugt an Dritte übermittelt werden! Besonders
erschreckend dabei ist, daß dies auch bei Angehörigen von Berufsgruppen der Fall
ist, bei denen Vertraulichkeit eine, wenn nicht die zentrale Voraussetzung für
ihre berufliche Tätigkeit darstellt: ÄrztInnen, Psychologische
PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen,
PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen.
Abschließend formuliert die
Autorin in ihrem Sondervotum Bedingungen, die aus ihrer Sicht entscheidend dafür sind, ob Big
Data im Gesundheitsbereich eher Chancen oder vermehrt Risiken bietet (187ff):
keine zentrale Speicherung
von PatientInnendaten
Zustimmung der Versicherten
hat Priorität vor anderen, auch vor Forschungsinteressen
Bedingungen für eine
Datenspende zur Vermehrung des Gemeinwohls
Eigentum an Daten.
Ich stimme dem Sondervotum und
dem Fazit zu, das Frau Fischer zieht:
Sollte ein
umfassender Datenschutz, die Umsetzung effektiver Anonymisierungs- und
Pseudoanonymisierungsstandards und das Recht auf Vergessen nicht gewährleistet
werden können, wäre ein Verzicht auf die Nutzung von Big Data zu
Forschungszwecken oder anderen Anwendungen die notwendige Folge.
(189)
Anmerkung:
Was ich über die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates hinaus erschreckend
finde ist, daß es kaum Kritik an ihr gibt! Das ist kein gutes Zeichen, denn es
deutet darauf hin, daß sich unsere Gesellschaft (und auch andere Gesellschaften
weltweit) in einem weitreichenden Wandel befindet, der eine Erosion
grundgesetzlich geschützter Werte - insbesondere das allgemeine
Persönlichkeitsrecht und speziell das daraus abgeleitete Recht der
informationellen Selbstbestimmung - beinhaltet.
Deutscher Ethikrat: Big Data und
Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung.
Stellungnahme 30. November 2017
Ärzte Zeitung online v.
30.11.2017:
Ethikrat - Datenschutz-Konzept für Big Data. Statt der informationellen Selbstbestimmung
schlägt der Rat das forschungsfreundliche Konzept der "Datensouveränität" vor.
Von Florian Staeck
Änderung
des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen:
Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen
(Teil
II)
Im Beitrag
5/2017
habe ich bereits über das Thema ausführlich berichtet. Die Rechtsvorschrift
wurde nun geändert und ist mit Wirkung zum 9.11.17 in Kraft getreten.
Die
Bundespsychotherapeutenkammer hat in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte"
zu diesem Thema Stellung genommen:
Schutz von Patientendaten bei Mitwirkung von
Dritten
Verpflichten Sie alle Personen zur Geheimhaltung, die an Ihrer Berufsausübung im
weitesten Sinne mitwirken. Tun Sie das nicht, setzen Sie sich dem Risiko aus,
sich strafbar zu machen (§ 203 Strafgesetzbuch „Verletzung von
Privatgeheimnissen“). Dies hat der Gesetzgeber im "Gesetz zur Neuregelung des
Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung
schweigepflichtiger Personen" neu geregelt.
Bisher gab es Unklarheiten, wie es zu bewerten ist, wenn ein Psychotherapeut
beispielsweise einen EDV-Dienstleister nutzt, der über Administratorrechte auch
Zugriff auf Patientenakten hat. Eigene Angestellte des Psychotherapeuten durften
bisher Zugriff auf Patientendaten haben, ohne dass dies zur Strafbarkeit des
Psychotherapeuten führte. Nicht ausdrücklich geregelt war jedoch, wie sich das
bei externen Dienstleistern darstellt.
Psychotherapeuten dürfen jetzt ausdrücklich "fremde Geheimnisse gegenüber
sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen
Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der
sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist". Wenn also ein
EDV-Dienstleister Administratorrechte haben muss, um die EDV zu betreuen, dann
macht sich der Psychotherapeut nicht strafbar, wenn er dem EDV-Dienstleister
diese einräumt. Allerdings muss er dann den EDV-Dienstleister verpflichten, alle
Daten geheim zu halten, die er im Rahmen des Auftrags erhält. Erfolgt dies
nicht, so macht sich der Psychotherapeut strafbar, wenn der EDV-Dienstleister
die Daten weitergibt.
(Broschüre Praxis-Info
Patientenrechte 1. Auflage, Stand: November 2017: 19)
Bundesgesetzblatt (BGBL)
2017 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 8. November 2017: Gesetz zur
Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der
Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (vom
30. Oktober 2017)
Bundesministerium
der Justiz und für den Verbraucherschutz:
Gesetzgebungsverfahren 30. Oktober 2017: Gesetz zur Neuregelung des Schutzes
von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung
schweigepflichtiger Personen
BPtK
gibt Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag
Die
Bundespsychotherapeutenkammer informiert in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte"
über die zentralen rechtlichen Anforderungen, die sich insbesondere aus dem
Patientenrechtegesetz ergeben.
Die
Broschüre enthält dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Psychotherapeuten.
Die behandelten Themen reichen vom Abschluss des Behandlungsvertrages über die
Aufklärung und Information des Patienten sowie die Dokumentation in einer
Patientenakte und deren Einsichtnahme bis hin zur Aufbewahrung nach Abschluss
der Behandlung. Auf die Frage der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger
Patienten wird ebenso eingegangen wie auf die neuesten Änderungen im
Strafgesetzbuch zur Schweigepflicht bei der Mitwirkung von Dritten.
In der übersichtlichen
Broschüre werden PsychotherapeutInnen über die wesentlichen Aspekte der
Partientenrechte informiert. Aus dem Inhalt:
Behandlungsvertrag,
(Behandlung und Honorar, grundsätzlich nicht schriftlich, Behandlungskosten,
Privatversicherte,
IGeL-Leistungen und
Selbstzahler)
Information und Aufklärung des
Patienten
(Informationspflichten, Ausnahmen von der Informationspflicht,
Kriseninterventionen, Patient verzichtet, Behandlungsfehler,
Beweisverwertungsverbot)
Einwilligung
Aufklärung
(wesentliche Umstände, Alternativen zur Behandlung, mündlich, rechtzeitig, nicht
zwingend durch den Behandelnden, Ausnahmen)
Einwilligungsunfähige
Patienten
(Einwilligungsfähigkeit bei Minderjährigen, Unterschied zwischen einwilligungs-
und geschäftsfähig, Zustimmung beider Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht,
Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil)
Dokumentation
(unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang, Inhalt der Dokumentation)
Einsichtnahme
(gesamte Patientenakte, erhebliche therapeutische Gründe, Stempel von Kliniken
auf Arztbriefen, "Geheimnisse" von Jugendlichen und Eltern, keine
Einschränkung zum Schutz des Psychotherapeuten, Kopien der Patientenakte,
Einsichtnahme nach Tod des Patienten)
Die (verfassungsrechtlichen)
Grenzen des Rechts auf Einsicht in die Behandlungsdokumentation (§ 630g BGB)
Teil III (Archivtitel: Einsichtnahme
Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)
Im November 2015 beschloß der
74. Bayerische Ärztetag den Entschließungsantrag des Vorstands zur Änderung der
Berufsordnung (BO) für die bayerischen ÄrztInnen. Demnach sollte § 10 Absatz 2
Satz 1 BO künftig lauten:
Der Arzt hat
dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation Einsicht
zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe
odererhebliche Rechte des Arztes oder Dritter entgegenstehen.
Die Rechtsaufsicht
(Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) hatte bereits im
Vorfeld Bedenken gegen diese Änderung erhoben und regte eine Modifizierung an,
um die Versagung der Genehmigung (gemäß § 20 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz)
zu vermeiden. Das Ministerium schlug die folgende Formulierung vor:
Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme
ausnehmen, wenn und soweit diese Einblicke in seine Persönlichkeit geben und
sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des
Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.
Ungeachtet dessen wurde die
ursprüngliche Fassung vom Ärztetag verabschiedet und die Genehmigung von der
Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) bei der Rechtsaufsicht beantragt. Diese
versagte mit Bescheid vom 12.11.15 die Genehmigung.
Im Dezember 2015 klagte die
BLÄK vor dem Verwaltungsgericht München (BayVG) gegen den Bescheid.
Das BayVG urteilte im
September 2016, daß
die in der Berufsordnung
geplante Beschränkung des Einsichtsrechts unter Berufung auf "erhebliche
Rechte des Arztes" gegen höherrangiges Recht (§ 630g BGB - Einsichtnahme in
die Patientenakte) verstoße, da die Rechte von ÄrztInnen unzulässigerweise
mit Rechten Dritter und der Verweigerung der Einsichtnahme aus
therapeutischen Gründen gleichgesetzt werden.
ÄrztInnen können sich nur
ausnahmsweise und im Einzelfall auf den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte
berufen.
Das Gericht stellt in seiner
Begründung auf den Gesetzestext des § 630g BGB und die zugehörige
Gesetzesbegründung ab, nach der auch persönliche Eindrücke des Behandelnden
grundsätzlich offen zulegen sind und ein begründetes Interesse an einer
Einsichtsverweigerung im Regelfall nicht besteht. Auch die herangezogene
Kommentarliteratur zu § 630g BGB gehe nach Ansicht des Gerichts davon aus, daß
persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der ÄrztInnen von
PatientInnen (da Ausnahmen vom Gesetz insoweit nicht vorgesehen sind)
"angesichts des starken Schutzbedürfnisses von dessen grundrechtlich geschützten
Informationsinteresse offenzulegen" sind. "Der Arzt soll sich ausnahmsweise im
Einzelfall auf [den] Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrecht berufen
können." (MedR 2017, 35: 583).
Interessant ist, daß das
Gericht dem Argument der BLÄK, wortgleiche Regelungen seien in anderen
Bundesländern rechtsaufsichtlich genehmigt worden bzw. würden geduldet, keine
Bedeutung beimißt: der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte hier nicht und
"entscheidend sind alleine Vorgaben des BGB" (ebd.).
Auf dem 76. Ärztetag (November 2017)
wurde nunmehr eine Neufassung der Änderung der Berufsordnung (mit Wirkung zum
1.1.2018) beschlossen:
Der Arzt hat
dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation
unverzüglich Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche
therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.
Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme
ausnehmen, wenn sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das
Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.
Damit übernimmt nähert sich die BLÄK
der Formulierung der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Bayern (und der
Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer) in § 11 Abs 2, Satz 2 und
3 an:
Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne
Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine
Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht
berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und
soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des
Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der
Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme
überwiegt.
Anmerkung:
Ganz im Sinne von Shakespeare: Viel Lärm um Nichts! (Protagonist; ein
verbitterter, eifersüchtiger Don Juan). Das Geld der ÄrztInnen für das Verfahren
hätte man sich sparen können - auch und vor allem angesichts der Tatsache, daß
sich bereits viele Juristen und Psychotherapeutenkammern mit der Angelegenheit
ausführlich beschäftigt haben!
Das VG München stellt in
seinem Beschluß auf die Berufsgruppe der ÄrztInnen ab (Anlaß war ja ein Beschluß
des Bayerischen Ärztetages). Die Entscheidung bezieht sich aber auf alle
Berufsgruppen, die durch den zivilrechtlich geregelten Behandlungsvertrag (§§
630a-f BGB) erfaßt werden, insbesondere auch Psychologische
PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und
HeilpraktikerInnen (oder HP beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie).
Speziell für PsychotherapeutInnen,
die ein Verfahren anwenden, daß auf der Psychoanalyse (bzw. Tiefenpsychologie)
beruht, in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind das die tiefenpsychologisch
fundierte sowie die analytische Psychotherapie, spielt die
Rechtsauffassung des Gerichts (und in der Kommentarliteratur) eine wichtige
Rolle: Geht es bei einer Aufzeichnung um höchstpersönliche Daten der
BehandlerInnen (z. B. Gegenübertragungseinfälle, welche die Gefühle der/s
Behandlerin/s betreffen oder eigene biographische Erlebnisse betreffen;
Gegenübertragungsträume), wird eine Verweigerung der Einsichtnahme in diesen
Teil der Aufzeichnung erwogen werden können.
Allerdings ist zu bedenken, daß es
hier um das Berufsrecht ging und keineswegs sicher ist, daß sich Zivilgerichte
bei entsprechenden Verfahren (Klage auf Schadensersatz/Schmerzensgeld) der
Ansicht des VG München anschließen würden - was aus meiner Sicht sehr
wünschenswert wäre! In diesem Sinne äußert sich auch
J. Rautschka-Rücker (ehemaliger Justitiar der
hessischen Kammer) in seinen Anmerkungen zu dem Urteil in der Zeitschrift
Medizinrecht (35: 583f).
Bayerisches Verwaltungsgericht
München: Urteil vom 27.09.2016 - M 16 K 15.5630; In: Medizinrecht-MedR (2017)
35: 581-584
Die Ausstattung von Praxen,
Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Apotheken mit TI-Konnektoren
und eHealth-Kartenterminals steht kurz
bevor
Trotz erheblicher Bedenken im
Hinblick auf den Datenschutz, die Datensicherheit (zentrale Server) und die
(immensen) Kosten steht die Ausstattung von
Praxen, Krankenhäusern, Kliniken, Rehabilitationszentren und Apotheken mit neuer
Hardware (sogenannten TI-Konnektoren und
stationäre Kartenterminals (eHealth-Kartenterminals) unmittelbar bevor. In einem ersten Schritt müßen
mit der neuen Technologie die Gesundheitskarten der Versicherten online
verifiziert werden (Versichertenstammdatenabgleich). Der Gesetzgeber hat mit dem eHealth-Gesetz die
Anbindung der Praxen und anderen Einrichtungen an die Telematikinfrastruktur
(TI) der gematik vorgeschrieben.
In einem Beitrag in der
Zeitschrift Ossietzky hat sich
Prof. Dr. Rudolph Bauer
(ehemals Uni Bremen) kritisch mit den dem Projekt und insbesondere auch mit den
wirtschaftlichen Verflechtungen beschäftigt: "Pleiten, Pech und Pannen – plus Profite"
(der Autor und der Verlag haben mir freundlicherweise erlaubt, den Beitrag hier
als pdf-Dokument zur Verfügung zu stellen.
Für Kopien der Patientenakte
können Kosten auch vorab in Rechnung gestellt werden (OLG Saarland)
Neben der Einsichtnahme in die
Patientenakte können PatientInnen auch Kopien des (vollständigen) Inhalts
verlangen. Sie haben dann die entsprechenden Kosten (keine Arbeitszeit, sondern
Kopierkosten sowie Portokosten) zu tragen (vgl. § 630g BGB).
Das Oberlandesgericht des
Saarlandes hat mit Urteil vom 16.12.16 (AZ 1U 57/16) nicht nur bekräftigt, daß
die Kosten zu erstatten sind, sondern, daß auch - mit Verweis auf § 811 BGB -
eine Vorleistungspflicht desjenigen besteht, der die Kopien verlangt hat (in der
Regel also die/der PatientIn). Im aktuellen Fall ging es um den nach einer
stationären Behandlung einige Monate später verstorbenen Ehemann und die Frage
der Geltendmachung etwaiger Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruche durch
die Ehefrau; die Klinik stellte Kopierkosten in Höhe von 549,17 € in Rechnung.
Die Höhe der Kosten war nicht Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung.
Urteil des Oberlandesgericht des
Saarlandes v. 16.12.16 (AZ
1U 57/16)
Die Vorratsdatenspeicherung ist
ausgesetzt! Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17 (Az. 13 B 238/17)
Auf dem Hintergrund eines
Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen hat die für
die für die technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen zuständig
Bundesnetzagentur die ab Juli geltende Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung für
Internetprovider und Telefonanbieter – bis zum Urteil im Hauptverfahren –
ausgesetzt.
Das OVG NRW hat am 27.06.17
entschieden, daß ein
Internet-Zugangsanbieter (der Internetprovider SpaceNet aus München) von der
Pflicht zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung befreit ist, weil das Gesetz
zur Vorratsspeicherung aus Sicht der Richter "unterschiedslos ohne jede
personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung nahezu sämtliche Nutzer"
treffe. Damit greife es unverhältnismäßig tief in europäische Grundrechte ein.
Angesichts der "bereits feststehenden
objektiv-rechtlichen Unrechtswidrigkeit der Speicherpflicht" besteht daher
"schon im Ausgangspunkt keine legitimen öffentlichen Interessen an einem
vorläufigen Vollzug" des Gesetzes.
Zusammenfassung (des Gerichts):
Die im Dezember 2015
gesetzlich eingeführte und ab dem 1. Juli 2017 zu beachtende Pflicht für die
Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die bei der Nutzung
von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer
Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw.
– im Fall von Standortdaten – 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im
Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung
gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht
vereinbar. (Az.
13 B 238/17)
Urteil
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17: Az.
13 B 238/17
AK Vorratsdatenspeicherung:
www.vorratsdatenspeicherung.de
Auseinandersetzung um den digitalen Nachlaß einer 15-jährigen bei Facebook: Die
Eltern haben keinen Anspruch auf Zugriff (Urteil des KG Berlin
v. 31.05. 2017, Az. 21 U 9/16)
Nach dem Tod ihrer 15-jährigen
Tochter wollten die Eltern Einblick in deren Facebook-Konto nehmen. Die junge
Frau starb auf ungeklärte Weise auf den Gleisen der U-Bahn und die Eltern
erhofften sich in den Nachrichten und Posts auf Facebook Hinweise auf die
Umstände ihres Todes. Hinzu kam, daß der betroffene U-Bahn-Fahrer Schmerzensgeld
und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls gegen die Eltern geltend gemacht
hatte. Die Eltern verfügten zwar über die Zugangsdaten, konnten jedoch auf das
in den "Gedenkzustand" gesetzte Konto nicht zugreifen und Facebook verweigerte
den Zugriff.
Ende 2015 hatte das Landgericht
Berlin zunächst zugunsten der Eltern (hier Mutter) entschieden und Facebook dazu
verpflichtet, den Eltern als Erben der verstorbenen Tochter und
Facebook-Nutzerin Zugang zu deren Benutzerkonto (einschließlich dessen Inhalte)
zu gewähren.
Die Richter waren der Ansicht,
der Vertrag mit Facebook sei, wie hinterlassene Briefe und Tagebücher, Teil des
Erbes. Das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Kindes stehe dem nicht
entgegen, denn als Sorgeberechtigte hätten die Eltern das Recht zu wissen,
worüber ihr minderjähriges Kind im Internet kommuniziere - zu Lebzeiten und nach
seinem Tod.
Bei einer weiteren Klage von
dem KG Berlin scheiterte eine Einigung der Streitparteien. Facebook befürchtete,
daß durch die Offenlegung von Nachrichten Dritte betroffen wäre, die mit
15-Jährigen in der Annahme gechattet haben, in der Annahme dass die Inhalte
vertraulich bleiben würden. Umgekehrt verweigerten sich die Eltern dem Vorschlag
der Richter, die Chatverläufe mit geschwärzten Namen an die Eltern
herauszugeben. Sie fürchteten aber, dass Facebook nicht nur Namen unkenntlich
machen könnte, sondern darüber hinaus auch wichtige Textpassagen - die nach
Ansicht von facebook Rückschlüsse auf die jeweiligen KommunikationspartnerInnen
zulassen könnten.
Letztinstanzlich hat nun das
Kammergericht (KG) Berlin für Facebook entschieden und die Klage abgewiesen. Aus
der Sicht des Kammergerichts steht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses dem
Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit
Dritten zu erhalten. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde zugelassen.
Anmerkung: Beide Entscheidungen sind partiell überaus
problematisch. Nach Ansicht des LG Berlin überwiegt das Sorgerecht das
Persönlichkeitsrecht der 15-Jahrigen. Da in der Regel (Ausnahmen sind durchaus
denkbar, wurde hier aber nicht erörtert) Kinder in diesem Alter in der Lage sind
selbständig über ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht zu entscheiden
(entscheidend ist die Einsichtsfähigkeit) muß für Facebook gelten, was auch für
die Einsicht in etwaige Behandlungsunterlagen (ärztliche, psychotherapeutische
Behandlungen) gilt. Ein Zugriff nach dem Tod ist in der Regel nicht zulässig, es
sei denn, es ginge um vermögensrechtliche Ansprüche der Erben (z. B.
Behandlungsfehler). Das könnte in diesem Fall allerdings gegeben sein (siehe
Anspüche des U-Bahnfahrers gegen die Eltern als Erben).
Das KG Berlin verweigert den
Zugriff - im Grundsatz richtig - aber eben mit der Einschränkung, daß geprüft
hätte werden müssen, ob etwaige vermögensrechtliche Ansprüche der Erben ein -
wie auch immer geartetes - Einsichtsrecht begründen.
Urteil des Kammergerichts
Berlin v. 31.05. 2017:
Az. 21 U 9/16
Rechtsanwalt Thomas Wiedemann: Die Patientenakte und ihr sicherer Umgang
Unter dieser etwas
verwirrenden Überschrift informiert der Rechtsanwalt für Medizinrecht der PVS
holding, Thomas Wiedemann, kurz und für Laien verständlich über das
Einsichtrecht in die Behandlungsdokumentation.
Kritisch anzumerken ist, daß
es bei der Frage, ob Eltern Einsicht in die Behandlungsunterlagen ihrer Kindern
nehmen können, nicht auf deren Geschäfts(un)fähigkeit ankommt, sondern auf ihre
Einsichtsfähigkeit. Kinder können in aller Regel ab dem 14. Lebensjahr
selbständig entscheiden, ob Dritte (auch die sorgeberechtigten Eltern!) Einsicht
nehmen können, da die entsprechende Einsicht ab diesem Alter vorliegt (die
Schweigepflichtigen müssen sich allerdings im Einzelfall davon überzeugen, daß
kein Ausnahmefall vorliegt).
Anmerkung: Die
PVS holding ist ein privater Dienstleister zur Abrechnung
ärztlicher/psychotherapeutischer Leistungen.
Änderung des
§ 294a Sozialgesetzbuch, Buch V (SGB V): Mitteilung von Krankheitsursachen und
drittverursachten Gesundheitsschäden
Am 16.2.2017 hat der Bundestag
die Mitteilungspflicht von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen (die im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung tätig werden) gegenüber den Krankenkassen (§ 294a
SGB V) in Fällen gesundheitlicher Folgen von Misshandlung und sexueller Gewalt
bei Erwachsenen (sexuelle Übergriffe, Nötigungen, Vergewaltigungen)
eingeschränkt und von der ausdrücklichen Einwilligung der (volljährigen)
Betroffenen abhängig gemacht. Die Änderung ist am 11.4.2017 in Kraft getreten
(siehe Satz 2):
Satz 1:
Liegen
Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der
gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder
Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung,
einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens
im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf
drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach §
108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über
Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.
Satz 2:
Bei Hinweisen
auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines
sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung,
einer Vergewaltigung oder einer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
sein können, besteht keine Mitteilungspflicht nach Satz 1.
Satz 3:
Bei Hinweisen
auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines
sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder
einer Vergewaltigung einer oder eines volljährigen Versicherten sein können,
besteht die Mitteilungspflicht nach Satz 1 nur dann, wenn die oder der
Versicherte in die Mitteilung ausdrücklich eingewilligt hat.
Bei Kindern und Jugendlichen
bestand (Gesundheitsschäden infolge von Mißhandlung, sexueller Gewalt oder
Vernachlässigung) bestand schon bisher keine Meldepflicht.
Geplante Änderung
des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen:
Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen
(Teil
I)
Von der Fachöffentlichkeit weitgehend
unbemerkt hat der Bundestag hat am 27. April 2017 den
Gesetzentwurf der Bundesregierung zurNeuregelung
des Schutzes von Geheimnissenbei
der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen
in erster Lesung beraten. Die Vorlage wurde im Anschluß in den
federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung
übermittelt und soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Hintergrund der Änderung ist der
zunehmend notwendige Einsatz von Hilfskräften (etwa NotarInnen,
SteuerberaterInnen, WirtschaftsprüferInnen) und auch der Einsatz von
IT-ExpertInnen bei BerufsgeheimnisträgerInnen. Zum
Betrieb,
zur Einrichtung, Wartung
und Anpassung entsprechender informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und
Systeme sind die Berufsgehilfen (z. B. Praxispersonal) in aller Regel nicht in
der Lage, so daß die Dienste von Dritten, die nicht der Schweigepflicht
unterliegen, in Anspruch genommen werden müßen.
Daher soll ein neuer Absatz 3 in §
203 StGB eingefügt werden:
Kein
Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den
Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen
berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den
Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2
Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen
offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit
mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der
sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für
sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen
bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den
Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.
Damit würde
das Offenbaren von
(geschützten) Geheimnissen gegenüber Personen, die an der beruflichen oder
dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken, soweit dies zur
ordnungsgemäßen Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Personen
erforderlich ist - auch ohne Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen
- keine Straftat darstellen. Dafür ist im Gegenzug vorgesehen, die Mitwirkenden
in die Strafvorschrift mit einzubeziehen. Sie würden bei einem Verstoß gegen §
203 StGB eine Straftatbegehen. Weiter werden strafbewehrte Sorgfaltspflichten
der BerufsgeheimnisträgerInnen bei der Einbeziehung und Kontrolle Dritter
eingeführt.
Zur Begründung des Gesetzentwurfes
heißt es aus dem Bundesjustizministerium:
§ 203 des Strafgesetzbuches (StGB)
stellt den Schutz von Geheimnissen vor unbefugter Offenbarung sicher, die
Angehörigen bestimmter Berufsgruppen (zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte,
Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit
anvertraut werden. Insbesondere die Digitalisierung hat es in den letzten
Jahrzehnten möglich und erforderlich gemacht, in weiterem Umfang als bisher
anfallende Unterstützungstätigkeiten nicht durch eigenes Personal erledigen zu
lassen, sondern durch darauf spezialisierte Unternehmen oder selbständig tätige
Personen. Hierzu gehören beispielsweise auch die Einrichtung, der Betrieb, die
Wartung und die Anpassung informationstechnischer Anlagen. Die Heranziehung
dritter, außerhalb der eigenen Sphäre stehender Personen zu diesen
unterstützenden Tätigkeiten ist für Berufsgeheimnisträger aber nicht ohne
rechtliches Risiko, sofern diese Personen damit von geschützten Geheimnissen
Kenntnis erlangen können. Der Entwurf sieht daher eine Einschränkung der
Strafbarkeit nach
§ 203
StGB vor. Ausdrücklich nicht der Strafbarkeit unterfallen soll zukünftig
das Offenbaren von geschützten Geheimnissen gegenüber Personen, die an der
beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken,
soweit dies für die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden
Personen erforderlich ist. Im Gegenzug sollen diese mitwirkendenden Personen in
die Strafbarkeit nach
§ 203
StGB einbezogen werden. Darüber hinaus werden für Berufsgeheimnisträger
strafbewehrte Sorgfaltspflichten normiert, die bei der Einbeziehung dritter
Personen in die Berufsausübung zu beachten sind.
Begleitend soll mit
dem Entwurf für die Berufsgeheimnisträger im Bereich der rechtsberatenden Berufe
normiert werden, unter welchen Voraussetzungen sie Dienstleistungen auslagern
dürfen, bei deren Erbringung der Dienstleister Kenntnis von Daten erhält, die
der Verschwiegenheit unterliegen. Hierbei soll auch festgelegt werden, welche
Pflichten dabei im Hinblick auf die Wahrung der Verschwiegenheit zu beachten
sind. Hierzu sollen die
Bundesrechtsanwaltsordnung, die
Bundesnotarordnung und die Patentanwaltsordnung angepasst werden.
(siehe Link:
Bundesjustizministerium
15.Februar 2017)
Anmerkung:
Grundsätzlich ist die Initiative der Bundesregierung zu begrüßen, beseitigt sie
doch einen Zustand, der in der Vergangenheit und Gegenwart viele
PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen zu StraftäterInnen macht bzw. gemacht hat:
Erfolgt eine Zugang eines Softwarehauses zum Praxiscomputer (vor Ort oder über
Fernwartung, was heute bereits Standard ist) stellt dieses - soweit nicht von
allen betroffenen PatientInnen eine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt
- eine unbefugte Offenbarung und mithin eine Straftat vor.
Noch unklar und diskussionswürdig
sind allerdings die strafbewehrten Sorgfaltspflichten, die in diesem
Zusammenhang zu beachten sind. Denn: Es geht hier um außerordentlich sensible
Informationen, die nur punktuell und wenn dies nicht anders zu bewerkstelligen
ist Dritten zugänglich gemacht werden dürfen. Dabei muß u. a. sichergestellt
sein, daß die Daten nicht einem größeren Personenkreis bekant werden, nicht
gespeichert oder in nicht angemessener Weise verarbeitet werden.
Meine Begeisterung hält sehr
dennoch in Grenzen (frei
nach Queen Elizabeth II: 'I'm not amused'). Der Gesetzgeber neigt dazu,
Offenbarungsbefugnisse und -pflichten zunehmend detaillierter zu regeln
und weicht damit die Schweigepflicht immer weiter auf. Es wird zunehmend
unübersichtlich, wer was von jenen Geheimnissen erfahren kann, darf oder muß,
die ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in einem geschützten Raum von
PatientInnen anvertraut wurden. Hinzu kommt, daß die Betroffenen durch die
fehlende ausdrückliche Einwilligung auch nicht mehr genau wissen, wer davon
erfährt und was genau diese Personen über sie erfahren.
Deutscher Bundestag, Drucksache
18/11936 (12.04.17): Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines
Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung
Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen
Ebenfalls am 27. April 2017
hat der Bundestag das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs.
18/11163) mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Mit dem Gesetz wird das
Urteil des
Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) und die
EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten (April 2016) umgesetzt und zugleich auch
die Einführung der
elektronischen Fußfessel für
sogenannte Gefährder geregelt. Das Gesetz muß noch den Bundesrat passieren, die
mehrheitliche Zustimmung der Länder wird erwartet.
Geistliche, Abgeordnete,
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände (bisher nur Strafverteidiger) sind von
staatlichen Überwachungsmaßahmen im Rahmen des BKA-Gesetzes absolut ausgenommen.
Trotz umfangreicher Bemühungen auf allen Ebenen (Bundesärztekammer,
Bundespsychotherapeutenkammer, ärztliche und psychotherapeutische Berufs- und
Fachverbände) ist es nicht gelungen, PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen
als BerufsgeheimnisträgerInnen in den Kreis einzubeziehen. Auch ich selbst habe
(vergeblich) in einem Berufsverband an den Bemühungen hinter den Kulissen
mitgewirkt.
In der Pressemitteilung der
Bundespsychotherapeutenkammer heißt es dazu wörtlich:
Der Bundestag hat am 27. April 2017 das umstrittene Gesetz
zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163)
beschlossen. Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände
sind von staatlichen Überwachungsmaßahmen absolut ausgenommen. Der gleiche
Schutz bleibt Psychotherapeuten und Ärzten jedoch weiterhin versagt.
"Grundlage einer erfolgversprechenden Psychotherapie ist
ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut"
kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer
(BPtK), das Bundeskriminalamtgesetz. "Alle Patienten brauchen die Möglichkeit,
sich jederzeit und insbesondere in Krisensituationen, an einen Psychotherapeuten
zu wenden. Sie müssen sich der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche sicher
sein können. Das Gesetz untergräbt die therapeutisch wesentliche Zusicherung der
Psychotherapeuten an ihre Patienten, nach der kein Wort aus den Gesprächen nach
außen dringt".
Die BPtK kann nicht nachvollziehen, weshalb zwar Gespräche
mit Rechtsanwälten oder Geistlichen vor staatlichem Abhören absolut geschützt
sind, nicht jedoch Gespräche mit Psychotherapeuten oder Ärzten. Alle diese
Berufsgruppen sind als Zeugnisverweigerungsberechtigte nach § 53 StPO geschützt.
Dieser Schutzgedanke hätte auch im Bundeskriminalamtgesetz nachvollzogen werden
müssen. Die BPtK hatte sich bei den Gesetzesberatungen für den absoluten Schutz
der Psychotherapeuten eingesetzt.
Diesen Ausführungen ist
uneingeschränkt zuzustimmen!
Anmerkung: Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse,
Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) hat sich intensiv mit
diesem Thema beschäftigt und eine Pressemeldung sowie eine ausführliche
Stellungnahme, an der ich persönlich mitgearbeitet habe (beides siehe unten).
Letztere wurde verschiedenen PolitikerInnen übergeben um die (geringe) Chance
einer dahingehenden Änderung zu nutzen.
Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer vom
23.02.2017 (Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Ausschussdrucksache
18(4)781)
Pressemitteilung der
Bundespsychotherapeutenkammer v.
28.04.2017: Bundestag verabschiedet Reform des
Bundeskriminalamtgesetzes. Berufsgeheimnisträger bleiben
unzureichend geschützt.
Bericht aus dem Deutschen
Bundestag (27.04.17):
Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes verabschiedet (unter
2./3. Lesung)
Pressemitteilung DGPT (1.03.17):
Presseinformation: Das Berufsgeheimnis von Ärzten und Psychotherapeuten muss
absolut geschützt werden. Die Novelle des BKA Gesetzes erfüllt diese notwendige
Voraussetzung für die Arbeit der Ärzte und Psychotherapeuten nach wie vor nicht!
Weitere
Eilanträge in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" blieben erfolglos
Das Bundesverfassungsgericht
hat in einer Pressemitteilung (Nr. 28/2017 vom 13. April 2017) mitgeteilt, daß
weitere Eilanträge zur "Vorratsdatenspeicherung" erfolglos geblieben sind
(Beschlüsse vom 26.03.17 - 1 BvR 3156/15, 1 BvR 141/16).
Die
Antragsteller haben sich mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung erneut gegen das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer
Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 gewandt. Sie wollten
insbesondere mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union
vom 21. Dezember 2016 (Rs. C-203/15 und C-698/15) erreichen, dass die durch
dieses Gesetz eingeführte Vorratsspeicherung von
Telekommunikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit außer
Kraft gesetzt wird. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Anträge auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs
der Europäischen Union stellen sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen
Bewertung der angegriffenen Regelungen Fragen, die nicht zur Klärung im
Eilrechtschutzverfahren geeignet sind.
Pressemitteilung BverfG
Nr.
28/2017 vom 13. April 2017: Weitere Eilanträge in Sachen
"Vorratsdatenspeicherung" erfolglos
Bereits 2015
ist das 3. Opferschutzreformgesetz in Kraft getreten. Einzelne Teile traten erst zu Beginn diesen Jahres
in Kraft - so das im Gesetz neu geschaffene Rechtsinstitut der psychosozialen
Prozessbegleitung (§ 406g StPO)
eingeführt, die bei bestimmten Straftaten auf Antrag des Verletzten eingerichtet
wird (Beiordnung). Kosten entstehen nicht und der/m psychosozialen ProzessbegleiterIn ist es
gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung
gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein.
Liegt beispielsweise eine Straftat
gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff) vor, besteht ein Antragsrecht
des Opfers - jedoch
nur, soweit es zum
Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen
selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann
(§
406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 StPO).
Bei versuchtem Mord oder
Totschlag (und anderen Straftaten) ist eine Beiordnung auf Antrag vorgesehen,
soweit die besondere
Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert
(§
406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 1-3 StPO).
Doch nun kommt das
entscheidende Problem: Zwar werden die Rechte der Opfer (nicht nur an dieser
Stelle) gestärkt, aber
die/der psychosoziale ProzessbegleiterIn verfügt nicht über ein
Zeugnisverweigerungsrecht. Das bedeutet: Auch wenn der Verletzte selbst das
nicht möchte, müßte die/der psychosoziale
ProzessbegleiterIn im Verfahren ggf. als Zeuge aussagen.
Die Durchführung psychosoziale Prozessbegleitung
wurde im "Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
(PsychPbG)" geregelt, es ist Teil des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im
Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21. Dezember 2015.
(1)
Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besondere Form der nicht
rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige
Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die
Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung
im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der
Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden.
(2)
Psychosoziale Prozessbegleitung ist geprägt von Neutralität gegenüber dem
Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung. Sie umfasst
weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf
nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der
Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende
Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu
Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.
Schon die notwendige
Qualifikation der ProzeßbegleiterInnen (Hochschulausbildung/Berufsausbildung
Sozialpädagogik, Soziale
Arbeit, Pädagogik, Psychologie mit anschließender anerkannter Aus- oder
Weiterbildung zur/m psychosozialen ProzessbegleiterIn) zeigt, daß Unklarheiten
vorprogrammiert sind, sind doch gerade diese Berufsgruppen (mit Ausnahme der
PädagogInnen) strafrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 203 StGB).
Allerdings verfügen sie (mit ganz wenigen Ausnahmen bei bestimmten Tätigkeiten)
nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO.
RA
Henriette Lyndian schreibt dazu:
Er [der
Prozeßbegleiter/J.T.] hat zwar in der Ausübung seiner Begleitung eine
Verpflichtung zur Vertraulichkeit, dieses gilt aber nicht in Bezug auf das
Strafverfahren. Dieses ist sehr wichtig, um eine Transparenz der Begleitung
zu schaffen, die es gegebenenfalls dem Gericht und den anderen
Prozessbeteiligten, insbesondere dem Angeklagten und seinen Verteidigern,
ermöglicht, zu überprüfen, ob eine Einflussnahme, sei sie bewusst oder
unbewusst, auf den Zeugen stattgefunden hat.
Man muß sich fragen, ob einen
solche theoretische juristische Konstruktion tatsächlich den Umständen gerecht
wird, in welchen sich die Betroffenen, es handelt sich zum Opfer schwerer
Straftaten, befinden.
Zwar kann eine Aussage der/des psychosozialen
Prozessbegleiterin/s durchaus von Vorteil für das Opfer sein. Aber es kann nicht
selbst darüber entscheiden, ob es zur Aussage kommt oder nicht - und genau dieses
Selbstbestimmungsrecht ist Hintergrund und Sinn des Zeugnisverweigerungsrechts
aus beruflichen Gründen.
Insgesamt kommt mir das Modell
gut gemeint aber wenig durchdacht vor – es ist für Opfer viel zu nahe an der
Justiz. Auch bleibt unklar, warum die Stellung der bestehenden ehrenamtlichen
Organisationen im Bereich der Opferberatung nicht (weiter) gestärkt wird. Das
wäre – auch auf dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips – deutlich sinnvoller
gewesen.
Gesetze im Internet
(Bundesjustizministerium), Abruf: 5.03.17, 20:26 : §
406g StPO
Gesetz über die psychosoziale
Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG):
Artikel 4 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 55, ausgegeben zu Bonn am
30. Dezember 2015, Seite 2529-2530
Änderung der Datenübermittlung an die Medizinischen Dienste der gesetzlichen
Krankenkassen
Bislang wurden
ärztliche/psychotherapeutische Unterlagen von den LeistungserbringerInnen in
einem separaten Umschlag mit der Aufschrift "Nur vom Medizinischen Dienst zu
öffnen" an die zuständige Krankenkasse geschickt. Von dort sollte der
ungeöffnete Umschlag an den MDK weiterleitet werden.
Aufgrund der Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten (bei
Kontrollen waren erhebliche Verstöße
der Krankenkassen gegen den Datenschutz ans Tageslicht gekommen) wurde die
maßgebliche Regelung in § 276 Abs. 2 SGB V geändert.
Nunmehr werden
die Unterlagen für
gutachterliche Stellungnahmen einschließlich eines eigens entwickelten
Weiterleitungsbogen der Krankenkassen von den VertragsärzInnen und
-psychotherapeutInnen direkt an den MDK gesandt. Dazu schreibt die KBV
(Praxisnachrichten 22.12.16):
Vorgangsnummer
und Patientendaten
Für die
Übermittlung der Befunde erhalten Vertragsärzte ab Januar von der Krankenkasse
des Versicherten neben dem Schreiben, aus dem der Grund für die Begutachtung
hervorgeht, einen bereits vollständig ausgefüllten Weiterleitungsbogen (Muster
86). Dieser enthält unter anderen die Anschrift des MDK, eine Vorgangsnummer und
die Daten des Patienten.
Kassen stellen
Freiumschlag bereit
Vertragsärzte
fügen dem Weiterleitungsbogen lediglich die angeforderten Unterlagen in Kopie
bei und schicken diese direkt an den MDK – nicht mehr wie bisher in einem
separaten Umschlag an die Krankenkasse. Für den Versand stellen die Krankenkasse
den Ärzten weiterhin einen Freiumschlag zur Verfügung – ab 1. April 2017
verbindlich im Format C5. Das Problem, dass die Umschläge mitunter zu klein
sind, ist damit behoben.
Versand nur mit
Weiterleitungsbogen
Der
Weiterleitungsbogen dient sowohl der korrekten Adressierung an den zuständige
Medizinischen Dienst als auch der automatisierten Zuordnung der übermittelten
Unterlagen zum Versicherten beim MDK, sodass die eingehenden Befunde und
ärztlichen Unterlagen korrekt zugeordnet werden können. Ein Versand der
Unterlagen an den MDK ohne Vorlage dieser Informationen ist vor allem mit Blick
auf den Datenschutz nicht zulässig.
Liegen beim
Arzt weitere für die Beurteilung durch den MDK relevante Informationen oder
Besonderheiten vor, können diese formlos den Unterlagen für den Gutachter
beigefügt werden.
Den genannten Vordruck finden Sie bei
untenstehendem Link (wenn sie die Vordrucksammlung geöffnet haben, ist das
Muster 86 auf der letzten von 103 Seiten).
KVB Praxisnachrichten (22.12.16): Übermittlung von Befunden an
MDK ab 2017 neu geregelt
Hier kommen Sie direkt zur
Vordruckmustersammlung mit Weiterleitungsbogen (Muster 86); Stand:
Psychotherapeutenjournal 4/2016: Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der
Verhinderung von Straftaten
Martin Klett (KJP und
Vizepräsident der PTK Baden-Württemberg) & S. Tessmer (Ass. jur., Leiterin der
Rechtsabteilung der PTK Baden-Württemberg) haben im aktuellen
Psychotherapeutenjournal (4/2016: 380-386) in der Rubrik
Recht: aktuell einen sehr lesenswerten Beitrag zur Frage einer möglichen
(und politisch wiederholt geforderten) Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck
der Verhinderung von Straftaten veröffentlicht.
Zusammenfassung [Zitat]:
Die
jüngste politische Diskussion um eine Lockerung der Schweigepflicht stößt bei
Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und
Ärzten auf massiven Widerstand, löst aber auch Verunsicherung bei Patienten und
bei den Angehörigen des Berufsstandes über die Rechtslage aus. Dieser Artikel
wird nach einer Einleitung die bestehenden standesrechtlichen und gesetzlichen
Regelungen zur Schweigepflicht darstellen sowie im Folgenden die wichtigsten
Möglichkeiten der Durchbrechung der Schweigepflicht aufzeigen. Es werden die
aktuellen politischen Forderungen nach einer Lockerung der Schweigepflicht
aufgegriffen und dargestellt, welche Folgen ihre Realisierung haben könnte. Die
Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Änderung der bestehenden Rechtslage
nicht erforderlich ist und der politischen Zielsetzung einer Verhinderung von
Straftaten sogar zuwiderlaufen würde.
Ich habe bereits mehr mehrfach auf
den von den AutorInnen dargelegten Umstand hingewiesen (eine
Änderung der bestehenden Rechtslage ist nicht erforderlich ist und könnte der
politischen Zielsetzung einer Verhinderung von Straftaten sogar zuwiderlaufen):
Beitrag
AKTUELL: Nummer
8/2015:
Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche)
Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von
Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15) Teil
I
Psychotherapeutenjournal (4/2016:
380-386): Recht aktuell. Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der
Verhinderung von Straftaten (Martin Klett und Stephanie Tessmer)
Vorratsdatenspeicherung: Der Gerichtshof der Europäischen
Union
(EuGH) hält die voraussetzungslose
Vorratsdatenspeicherung nicht mit Unionsrecht vereinbar -
die vorbeugende und gezielte Vorratsspeicherung von Daten zum alleinigen
Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten ist jedoch zulässig(Urteil vom
21.12.2016, - C-203/15 und C-698/15 - )
Teil XIX
Bereits 2014 hatte der
Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem die Richtlinie über die Vorratsspeicherung
von Daten für ungültig erklärt., weil der Eingriff in die Grundrechte auf
Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten durch die mit dieser
Richtlinie vorgeschriebene allgemeine
Verpflichtung zur
Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nach seiner Überzeugung nicht
auf das absolut Notwendige beschränkt war.
In zwei weiteren Verfahren
befaßte sich der EuGH nun mit der Frage der Zulässigkeit einer den Betreibern
elektronischer Kommunikationsdienste in Schweden und im Vereinigten Königreich
auferlegten allgemeine Verpflichtung, Daten elektronischer
Kommunikationsvorgänge auf Vorrat zu speichern - diese war noch in der für
ungültig erklärten Richtlinie vorgesehen.
Aus der Pressemitteilung 145/16
(Luxemburg, 21.12.16):
Das Unionsrecht
untersagt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs-
und Standortdaten. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, vorbeugend eine
gezielte Vorratsspeicherung dieser Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung
schwerer Straftaten vorzusehen, sofern eine solche Speicherung hinsichtlich der
Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der
betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Speicherung auf das absolut
Notwendige beschränkt ist. Der Zugang der nationalen Behörden zu den auf Vorrat
gespeicherten Daten muss von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, zu denen
insbesondere eine vorherige Kontrolle durch eine unabhängige Stelle und die
Vorratsspeicherung der Daten im Gebiet der Union gehören.
Zu den weiteren Ausführungen
(Pressemeldung)
Der
Gerichtshof weist außerdem auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der
Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass sich die
Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige
beschränken. Der Gerichtshof wendet diese Rechtsprechung sowohl auf die
Regeln über die Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Regeln über den Zugang
zu den gespeicherten Daten an.
In Bezug
auf die Vorratsspeicherung stellt der
Gerichtshof fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue
Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat
gespeichert wurden, gezogen werden können.
Der Grundrechtseingriff, der mit einer
nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und
Standortdaten vorsieht, ist somit als besonders schwerwiegend anzusehen. Der Umstand, dass die Vorratsspeicherung
der Daten vorgenommen wird, ohne dass die Nutzer elektronischer
Kommunikationsdienste darüber informiert werden, ist geeignet, bei den
Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer
ständigen Überwachung ist. Deshalb vermag allein die Bekämpfung schwerer
Straftaten einen solchen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.
(...)
Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Datenschutzrichtlinie einer
nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Bekämpfung schwerer
Straftaten eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermöglicht,
sofern diese Vorratsspeicherung hinsichtlich der Kategorien von zu
speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen
und der vorgesehenen Speicherungsdauer auf das absolut Notwendige beschränkt
ist. Dem Gerichtshof zufolge muss jede nationale Regelung, die derartiges
vorsieht, klar und präzise sein und hinreichende Garantien enthalten,
um die Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Die betreffende Regelung muss
angeben, unter welchen Umständen und Voraussetzungen eine Maßnahme der
Vorratsspeicherung von Daten vorbeugend getroffen werden darf, um so zu
gewährleisten, dass der Umfang dieser Maßnahme in der Praxis tatsächlich auf das
absolut Notwendige beschränkt ist. Eine solche Regelung muss insbesondere auf
objektive Anknüpfungspunkte gestützt sein, die es ermöglichen diejenigen
Personen zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen Zusammenhang mit schweren
Straftaten aufzuweisen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten beizutragen oder eine
schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern.
Anmerkung:
So positiv das Urteil in seinem Tenor ist - die Möglichkeit der
Vorratsdatenspeicherung zum Zweck der
Bekämpfung schwerer Straftaten
eröffnet eine (weitere) Tür, die den - vermeintlichen - Sicherheitsinteressen
des Staates (der BürgerInnen?) dient und dafür Eingriffe in Grundrechte
hinnimmt. Das Problem ist dabei nicht der Einzelfall, sondern die Erosion des
Vertrauens der BürgerInnen in staatliches Handeln, das sich ja auch den
Einblicken (sogar der das für vorgesehenen Institutionen, wie dem
Parlamentarischen
Kontrollgremium des
Bundestags bzw. der Länderparlamente) entzieht.
Gerichtshof der Europäischen Union:
Pressemitteilung Nr. 145/16 (Luxemburg, den 21. Dezember 2016): Urteil in
den verbundenen Rechtssachen C-203/15, Tele2 Sverige AB / Post- och
telestyrelsen, und C-698/15, Secretary of State for the Home Department / Tom
Watson u. a.
Gesetzliche Unfallversicherung:
Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten
Die Bundespsychotherapeutenkammer
(BPtK) hat eine Änderung im Sozialgesetzbuch VI (Gesetzliche Unfallversicherung)
initiiert: Auf der Webseite stellt die BPtK dazu fest:
23. November 2016
Patientendaten in der gesetzlichen Unfallversicherung
Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten
Psychologische
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die an der
Heilbehandlung eines Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung beteiligt
sind, brauchen zukünftig keine schriftliche Einverständniserklärung mehr, um der
Unfallversicherung Auskünfte über die Behandlung zu erteilen. Dazu gehören
personenbezogene Daten über die Heilbehandlung, soweit sie für die Prüfung der
Leistungsvoraussetzungen und die Abrechnung erforderlich sind.
Diese
Verfahrenserleichterung gilt mit dem Inkrafttreten des 6. SGB
IV-Änderungsgesetzes am 17. November 2016 (BT-Drs. 18/8487). Damit ist eine
wichtige Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den anderen Heilberufen
vollzogen. Bisher waren die Psychotherapeuten nicht ausdrücklich in § 201 SGB
VII genannt.
Die
Psychotherapeuten sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über den Zweck der
Erhebung dieser Daten und über die Pflicht zur Auskunft nach § 201 SGB VII zu
informieren sowie darüber aufzuklären, dass der Patient vom
Unfallversicherungsträger die Unterrichtung über die übermittelten Daten
verlangen kann.
Die
Bundespsychotherapeutenkammer hatte in einem Schreiben an das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Änderung in
§ 201 Absatz 1 SGB VII zur Gleichstellung der Psychotherapeuten notwendig ist.
Beschränkung des Einsichtsrechts
in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden
Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen; Urteil Landgericht München I v.
13.09.2016
Teil II
Wie im Beitrag
Aktuell: Nummer 12/2015 berichtet,
kam es vor dem Amtsgericht München zu einer ungewöhnlichen Klage eines
Psychotherapiepatienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen.
Ein Patient, der bei einer
Psychotherapeutin einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der
Beendigung der Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der
betroffenen Kollegin) - die
Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot
(nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der
Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der
Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung
für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten
Bayerns;
www.ptk-bayern.de).
Die Psychotherapeutin widersetzte sich nicht dem Einsichtsbegehren, wohl aber
einer Einsichtnahme in ihrer Praxis bzw. in ihrer Anwesenheit, sondern übergab
die Unterlagen der Staatsanwaltschaft, nachdem sich die zuständige
Psychotherapeutenkammer geweigert hatte, die Unterlagen aufzubewahren und ggf.
Einsicht zu gewähren.
Das Amtsgericht München hatte die
Klage
am 1.04.2015 zurückgewiesen: In seiner Entscheidung bezog
sich das AG München nicht auf die Berufsordnung, sondern argumentierte, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im
vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein
Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe
entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund
der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass
bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann
vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen
Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei
nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf
diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die
Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die
Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte,
Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht - zuzumuten gewesen, dort
"Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der
Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen".
Gegen das Urteil legte der
Patient Berufung ein, die nun mit Endurteil vom 13.09.16 vom Landgericht München
1 (AZ13 S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) als unbegründet zurückgewiesen
wurde. Dabei führt das Berufungsgericht u. a. aus:
In der
Klageerwiderung vor dem Amtsgericht München hat die Beklagte [die
Psychotherapeutin] der Akteneinsicht entgegenstehende
therapeutischen Gründe in ausreichender Weise (s. hierzu BGH Urteil vom
06.12.1988, VI. ZR 76/88) dargelegt. Diese Gründe sind nach Art und Richtung
näher zu kennzeichnen, ohne dabei ins Detail gehen zu müssen. (Seite 5)
Den Vortrag der Klagepartei
[ehemaliger Patient] zur Berufung hielt das Gericht für weder ausreichend noch
widerspruchsfrei. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Damit hat sich das Gericht den
Ausführungen inhaltlich der Vorinstanz angeschlossen. Tatsächlich wurde dem
Patienten das Einsichtsrecht keineswegs grundsätzlich versagt, sondern in Art
und Umständen der Einsicht (hier bei der Staatsanwaltschaft, da die
Psychotherapeutenkammer nicht zur Verfügung stand). Das war hier nicht nur
angemessen, sondern auch notwendig, den die Kollegin wurde Opfer eines auch
objektiv festgestellten Stalkings.
Anmerkung: Der Rekurs des LG München I auf die Rechtsprechung des BGH
scheint deshalb auch wenig hilfreich. Weder wurde das Einsichtsrecht völlig
bestritten, noch steht die frühere Rechtsprechung des BGH in Einklang mit der
Zielrichtung des Patientenrechtegesetzes (wobei nicht feststand, ob das Gesetz
aus zeitlichen Gründen hätte Anwendung finden können), das - wie im Namen
erkennbar - die Rechte der PatientInnen stärken soll und die früher wenig
patientenfreundliche Entscheidungspraxis des BGH zum Einsichtsrecht
konterkariert. Ein vollständiger und zeitlich unbefristeter Ausschluß der
Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen - wie er früher unter Berufung auf
den sogenannten "therapeutischen Vorbehalt" bei psychiatrischen PatientInnen
üblich war (teils auch bei PatientInnen, die sich in psychotherapeutischer
Behandlung befanden) - sollte mit Inkrafttreten des § 630g
(26.02.2013)
obsolet sein!
Urteil
Landgericht München 1 (AZ13
S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) v. 13.09.16
Die
EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) ist verabschiedet (April 2016)
(Teil
V)
Wie schon im Beitrag 6/2016
berichtet, wurde seit Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO)
gearbeitet, die die bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Das
Europäische Parlament hat sie bereits am 14. April 2016 mit großer Mehrheit
verabschiedet.
Die wichtigsten Änderungen
nach Information des Europäischen Parlaments):
Recht auf Vergessenwerden
Verarbeitung der Daten nur
nach ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Person
Recht auf
Datenübertragbarkeit (an einen anderen Dienstleister)
Recht der Betroffenen, bei
Verletzung des Schutzes der eigenen Daten darüber informiert zu werden
Datenschutzbestimmungen
müssen in klarer und verständlicher Sprache erläutert werden, und
bei Verstößen wird härter
durchgegriffen; im Fall eines Unternehmens werden Strafen von bis zu 4 %
seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen
Geschäftsjahrs verhängt.
Weiter enthält das
Datenschutzpaket eine
Richtlinie über die Datenübertragungen zu polizeilichen und gerichtlichen
Zwecken (Datenübertragungen innerhalb der EU mit Mindeststandards für die
Datenverarbeitung) zum Schutz des Einzelnen (Opfer, Kriminelle oder Zeugen).
Festgelegt werden klare Rechte und Einschränkungen in Bezug auf
Datenübertragungen zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder
Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung auch hinsichtlich des
Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.
Die Mitgliedstaaten haben zwei
Jahre Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Ausnahmen haben Dänemark und Großbritannien im Bereich Justiz und Inneres
ausgehandelt (eingeschränkte Geltung), Dänemark wurde auch ein Entscheidungsraum
von 6 Monaten zugebilligt um zu entscheiden, ob es die Richtlinie in nationales
Recht umgesetzt wird.
In der Mitgliederzeitschrift
des Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) hat der emeritierte Prof. Dr.
Titus Simon (Hochschule
Magdeburg-Stendal) einen sehr
lesenswerten Beitrag zum Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgruppe der
SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen veröffentlicht:
Sozialarbeit benötigt
unverändert ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. 50 Jahre bislang
vergebliches Bemühen um eine bessere Rechtsstellung.
Neben den geltenden Rechtsnormen gibt
der Beitrag einen Überblick über die Bemühungen die Schweigepflicht (§ 203 StGB)
zu stärken, den Vertrauensschutz in der Jugendhilfe (§ 65 bzw. 67 ff SGB VIII)
zu wahren und das (strafrechtliche) Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)durch
eine Änderung der Strafprozeßordnung zu etablieren - durch die Hereinnahme der
Sozialarbeit generell oder bestimmte Gruppen (SozialarbeiterInnen in
Fanprojekten) in die dort genannten BerufsgeheimnisträgerInnen.
Anmerkung: Ich kann mich
diesen Ausführungen nur anschließen!
FORUM Sozial 2/2016 (37-40):
Sozialarbeit & Zeugnisverweigerungsrecht als
pdf-Datei (mit freundlicher Zustimmung des Autors und des Verlags)
Donald Trump
und die Goldwater-rule der American Psychiatric Association
(APA)
Anmerkung: Obwohl es hier nicht unmittelbar um Schweigepflicht und
Datenschutz geht scheint mir das Thema insofern berührt, als mit den
Informationen die wir (und natürlich insbesondere Personen des öffentlichen
Lebens - und das kann ja heute, wenigstens für kurze Zeit, jeder sein) in der
Öffentlichkeit bewußt und unbewußt preisgeben umgehen.
Im Zusammenhang der Wahlen zum
Präsidentenamt in Amerika, haben amerikanische PsychiaterInnen und
PsychologInnen - vermutlich aus (durchaus verständlicher) Sorge um die
politische Entwicklung in Amerika - bei dem nominierten republikanischen
Präsidentschaftsbewerber Donald Trump eine Mischung von Persönlichkeitsproblemen
identifiziert, darunter Grandiosität, Empathiemangel und maligner Narzißmus.
Die klinischen Beleidigungen gingen soweit, daß sich die Präsidentin der American
Psychiatric Association (APA), Maria
A. Oquendo, Anfang des Monats dazu veranlaßt sah, einen Blog-Beitrag
einzustellen: "Weshalb es unethisch und unverantwortlich ist, die
'Goldwater-rule' zu brechen". Neben der Gefahr eines Verlustes des Vertrauens
der Öffentlichkeit in die Psychiatrie und der Stigmatisierung der Betroffenen,
gehe es auch um das (bedrohte) Vertrauen der PatientInnen in ihre/n
behandelnde/n Ärztin/Arzt, die/der sich in einer solchen Weise in der
Öffentlichkeit äußerten.
1964 hatten mehr als 1000
PsychiaterInnen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Senator Barry
Goldwater aufgrund schwerer Persönlichkeitsdefekte (Paranoia, großspuriges
Verhalten und ein gottgleiches Selbstbild eingeschlossen) in einer Umfrage bei
mehr als 12.000 befragten PsychiaterInnen als für das Amt ungeeignet erklärt.
Im Zuge dieses Vorfalls hat
die American Psychiatric
Association (APA) 1973 in den
Principles of Medical Ethics
with Annotations Especially
Applicable to Psychiatry
eine (weitere)
Anmerkung veröffentlicht, die als 'Goldwater-rule' bekannt geworden ist.
Sie steht unter Ziffer
3 der 7. Sektion:
Section 7
A physician
shall recognize a responsibility to participate in activities contributing to
the improvement of the community and the betterment of public health.
3. On occasion psychiatrists are asked for an opinion
about an individual who is in the light of public attention or who has disclosed
information about himself/herself through public media. In such circumstances, a
psychiatrist may share with the public his or her expertise about psychiatric
issues in general. However, it is unethical for a psychiatrist to offer a
professional opinion unless he or she has conducted an examination and has been
granted proper authorization for such a statement.
Übersetzung (J. Thorwart):
Ein Arzt
soll eine Verantwortung anerkennen an Aktivitäten teilzunehmen, die zur
Entwicklung des Gemeinwesens und Verbesserung der öffentlichen Gesundheit
beitragen.
3.
Gelegentlich werden Psychiater nach ihrer Meinung über eine Person des
öffentlichen Lebens oder eine Person, die Informationen über sich mittels
öffentlicher Medien enthüllt hat, gefragt. Unter solchen Umständen kann ein
Psychiater seine/ihre Expertise über allgemeine psychiatrischen Themen mit der
Öffentlichkeit teilen. Jedoch ist es unethisch für einen Psychiater, eine
professionelle Meinung zu vertreten , es sei denn, er oder sie hat eine
Untersuchung durchgeführt und ihm oder ihr wurde die Befugnis für ein solches
statement erteilt.
Auch in Deutschland gibt es
immer wieder PsychotherapeutInnen, die in den Medien zu Personen des
öffentlichen Lebens - meist im Zusammenhang schockierender Straftaten - Stellung
nehmen. Ich wundere mich immer wieder, was da für haarsträubende 'Erkenntnisse'
(alleine auf der Grundlage von Medienberichten) zum besten gegeben werden.
Zuletzt meinte der behandelnde Heilpraktiker für Psychotherapie des Attentäters
von Ansbach (24.07.2016) über seinen Patienten berichten zu müssen. Unabhängig
von der Frage seiner fachlichen Qualifikation auch noch ein Verstoß gegen die
Schweigepflicht (als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag).
Ich habe mich in der
Vergangenheit bereits verschiedentlich sehr kritisch darüber geäußert, daß
beispielsweise auch PsychoanalytikerInnen Personen der Zeitgeschichte (lebende,
noch nicht lange verstorbene oder historische Personen) diagnostizieren und
analysieren. Beispielhaft sei hier auf die Veröffentlichungen und Vorträge von
Paul Matussek hingewiesen, der sich über den 'Kreml-Flieger' und die
"Modellfälle" Grillparzer, Claudel, Gould, Jung, Heidegger und Axel Springer
äußert - und das auf eine m. E. sehr unangenehm
psychopathologisch-diskreditierenden Weise (vgl. z. B. Band 2: 34).
Matussek, P. [Hrsg.] (1992):
Analytische Psychosentherapie. Band 1: Grundlagen [FranzGrillparzer,
Camille Claudel, Glenn Gould - Mitautor: Peter Matussek; Matthias Rust: S. 114].
Berlin: Springer 4. Nachdruck 2001
Matussek, P. [Hrsg.] (1997):
Analytische Psychosentherapie. Band 2: Anwendungen [Carl Gustav Jung, Martin
Heidegger und Axel Springer; Mitautor bei Heidegger: Peter Matussek]. Berlin:
Springer
Anmerkung
1
(5.09.16): In der ZEIT v.
1. September 2016
(Nr. 36/2016, 25. August 2016, Seite
29) hat Benedict Carey einen Beitrag zu diesem Thema
geschrieben:
Ist es fair, Donald Trump aus der Ferne zu analysieren? Psychologen und
Psychiater in den USA sind uneins über die ethischen Grenzen ihrer Disziplin.
Online-Version:
www.zeit.de/2016/36/psychologie-donald-trump-ferndiagnose.
Anmerkung
2 (8.10.16): Ich möchte noch aus einem Vorwort zitieren, daß
Alexander Mitscherlich im Jahr 1954 der Psychopathologie des Alltagslebens
vorangestellt hat und das gerade auch in diesem Zusammenhang noch hochaktuell
ist:
Eine dritte und
letzte Bitte an den Leser muß an dieser Stelle noch ausgesprochen werden, soll
die Methode der Aufklärung nicht Unheil bringen: Wenn Sie über sich und andere
zu einem besseren Verständnis zu kommen trachen, betreiben Sie Ihre Bemühungen
nicht mit der Absicht der Entlarvung, als Spionage.
Freud empfahl
dem, der mit seinen Erkenntnissen in der Praxis arbeitet, eine wohlwollende
Bereitschaft, die Not des Kranken anzunehmen. Hier in dieser Abhandlung geht es
nicht um große schmerzliche Selbstoffenbarungen, sondern um winzige Fragmente,
blitzhaftes Aufleuchten verborgener Innenwelt. Wer über den Splittern im Auge
des Nächsten die Balken im eigenen vergißt, bleibt auch diesmal blind. Und da
die Hellhörigkeit für die Fehlleistungen sich schon recht weit ausgebreitet hat,
kann er sicher sein, daß er in die für den lieben Nachbarn gedachte Grube fallen
wird.
Rationale
Analyse, das Durchschauen eines Prozesses ist in unserer Zivilisation fast
zwanghaft mit machtmehrender Ausbeutung dieses Wissens verknüpft. Wenn jetzt
auch das vermehrte Wissen um Doppelläufigkeit der menschlichen Verhaltensweisen,
um den Spannungszustand zwischen Bewußtem und Unbewußtem in den Strudel der
Machtpolitik gerät, welche die Menschen sich untereinander nicht ersparen
können, dann ist die Psychoanalyse ihrerseits am unbeabsichtigten anderen Ende
ihrer Verwirklichung angelangt. Es wird ertragen werden müssen. Aber man soll
nicht leichtfertig dieser Korruption anheimfallen.
Die
Psychoanalyse ist aus der spezifischen Not des zeitgenössischen Menschen
hervorgegangen. Netze unerhörter neuer Machtansprüche werden über ihn geworfen.
Die Not seiner Selbstverborgenheit wächst mit all seinen Fortschritten der
Bemächtigung. Man kann dem zynisch gegenüberstehen und mit tiefenpsychologischer
Kenntnis auf die Schwächen seiner Mitmenschen zielen. Auch Erkenntnisse haben
ihre großen und kleinen Schicksale. Nicht zu vergessen wäre aber, daß die
Psychoanalyse eine ärztliche Wissenschaft ist. Nil nocere: niemandem zum
Schaden, ist immer das Memento großen Arzttums gewesen. Wer ein Stück teilhat an
ärztlichem Wissen, sollte auf den Eid des »nil nocere« schwören. Viele
Heilmittel sind Gifte: über die Wirkung entscheidet die Kunst des Wissenden.
Wer mit Wohlwollen dem Autor bis
in das zuweilen Absurde seiner Kombinatorik folgt, wird diesmal in der schönsten
Lage sein, ihn noch durch die Absurdität, die ihm selbst gelegentlich
unterläuft, zu übertrumpfen. Wo immer er dem Possenspiel der unbeabsichtigten
Sentenzen, seiner Tücke, die Objekte fehlzuleiten begegnet, mag er fortan Freud
dankbar sein für die Winke, wie man über sich selbst lachend, staunend
Erkenntnis gewinnen kann – statt einen Fluch auszustoßen.
Alexander Mitscherlich
Mitscherlich, A.
(1954): 50 Jahre später. Einige Empfehlungen an den Leser. In: Freud, S.
(1901b): Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen,
Vergreifen, Aberglauben und Irrtum. Frankfurt/M.: Fischer (TB 6079): 7-12 (hier
11f)
American Psychiatric Association
(APA): The Principles of Medical Ethics with Annotations Especially Applicable
to Psychiatry (2013
Edition)
Zeugnisverweigerungsrecht der BerufshelferInnen: Auch wenn ÄrztInnen selbst
beschuldigt werden, bleiben sie hinsichtlich der Ausübung des
Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53a
StPO ihrer Berufshelferinnen entscheidungsbefugt (Berufsgericht
für Heilberufe Münster v. 2.9.2015 - 16 K 1399/14.T)
Aufgrund der Aussagen zweier
ArzthelferInnen (medizinische
Fachangestellte) hatte von der Ärztekammer Westfalen-Lippe im Juni 2014 die
Eröffnung eines berufsrechtlichen Verfahrens wegen Verletzung der ärztlichen
Berufspflichten gegen einen Gynäkologe (den Chef der Arzthelfernnen) beantragt. Dem Arzt wurde vorgeworfen,
„im
Rahmen des in der Notfalldienstpraxis in M. am 4. Januar 2014 durchgeführten
Notdienstes zwei minderjährige Patientinnen vor der [damals noch erforderlichen]
Verschreibung der „Pille danach“ gynäkologisch äußerlich untersucht, auf die
Durchführung der äußerlichen Untersuchung trotz kritischer Nachfrage der
Patientinnen zur Erforderlichkeit der Untersuchung bestanden und zudem
detaillierte Fragen zum Geschlechtsverkehr gestellt habe.“ (Zitat aus dem
Urteil VG Münster, zitiert wird die Ärztekammer
Westfalen-Lippe
Der Antrag auf Verfahrenseröffnung wurde
vom Verwaltungsgericht Münster (Heilberufsgericht 2. Kammer) am 2.09.2015 gemäß §§ 204 Abs. 1, 203 StPO, § 112 HeilBerG
(NRW) abgelehnt, da der
Beschuldigte aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend verdächtig war, "gegen
Berufspflichten verstoßen zu haben. Der Sachverhalt, den die Antragstellerin dem
Beschuldigten vorhält, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu
beweisen. Taugliche Beweismittel bestehen nicht."
Da die beiden minderjährigen
PatientInnen als ZeugInnen nicht zur Verfügung standen, hätten alleine die
Aussagen der medizinischen Fachangestellten Aufschluß über das Geschehen geben
können. Diese hatten aber eine Einwilligung der PatientInnen zu einer
entsprechenden. und waren auch anderweitig nicht ermächtigt, "über
die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen auszusagen.":
Nach § 53 a
Abs. 1 StPO, § 112 HeilBerG stehen dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt (§
53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO) ihre Gehilfen und damit die als Zeuginnen benannten
medizinischen Fachangestellten gleich. Über die Ausübung des Rechts dieser
Hilfspersonen, das Zeugnis zu verweigern, dürfen jedoch nicht die Zeuginnen
entscheiden. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungsberechtigung allein dem
zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt übertragen, es sei denn, dass diese
Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann (§ 53a Abs. 1
Satz 2 StPO). Dies entspricht dem Zweck der Vorschrift. § 53a StPO soll eine
Umgehung des § 53 StPO verhindern. Eine solche Zustimmung liegt nicht vor.
Leitsätze (Zitat aus der
Urteilsveröffentlichung: www.nrw.de: Justiz-online.
NRWE-Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Nordrhein-Westfalen (Link
- siehe auch unten):
Dass der
Beschuldigte der nach § 53a Abs. 1 Satz 2 StPO entscheidungsberechtigte Arzt
ist, begründet nicht die Rechtsfolge, dass die als seine Berufshelferinnen
eingesetzten medizinischen Fachangestellten berechtigt sind, über die Ausübung
des Zeugnisver-weigerungsrechts zu entscheiden. Das Zeugnisverweigerungsrecht
greift auch in einem Verfahren ein, das gegen den zur Zeugnisverweigerung
Berechtigten geführt wird.
Das
Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)- und die Zeugnisverweigerungspflicht der
Berufshelferinnen (§ 53a StPO) - ist nicht beschränkt auf den Schutz der Daten
zur Identität der Patientinnen. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO, auf den § 53a
StPO verweist, beschränkt das Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf bestimmte
Kenntnisse; der Gesetzeswortlaut streckt das Zeugnisverweigerungsrecht auf
alles, "was" den Berufsangehörigen "anvertraut oder bekannt geworden" ist.
Anmerkung: Auch wenn das Urteil im Ergebnis nicht zufriedenstellend
erscheint - es bestätigt den hohen Wert des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung, das u. a. durch die Schweigepflicht (§ 203 StGB) und das
Zeugnisverweigerungsrecht des Schweigepflichtigen und seiner BerufshelferInnen
(§§ 53 und 53 a StPO) zum Ausdruck kommt.
Urteil des Berufsgerichts für
Heilberufe Münster vom
2.09.2015,
16 K 1399/14.T
Urteil des Berufsgerichts für
Heilberufe Münster vom
2.09.2015, 16 K 1399/14.T (Leitsatz
& Tenor)
Datenschutz im Gesundheitswesen - das E-Health-Gesetz
Das im Zusammenhang der
zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen - einschließlich der damit
verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Datensicherheit - beschlossene und im
Januar 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz bringt eine Reihe von Änderungen
für PatientInnen, aber auch für die LeistungserbringerInnen. Auf der Seite des
Bundesgesundheitsministerium werden die wesentlichen Inhalte dargestellt (ich
zitiere daraus, habe den Text allerdings gekürzt und vielfach umformuliert):
Stammdatenmanagement (eGK)
Online-Prüfung und
Aktualisierung von Versichertenstammdaten über das Einlesen der elektronischen
Gesundheitskarte (eGK) in Praxen und Krankenhäusern
Einführung bis
Mitte 2018 (ab 1. Juli 2018 sind pauschale Kürzungen der Vergütung der Ärzte und
Zahnärzte vorgesehen, die nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten
teilnehmen!)
Speicherung
medizinischer Notfalldaten (eGK)
Ab 2018 auf Wunsch
des Versicherten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Bereits ab
Oktober 2016 haben PatientInnen, die 3 oder mehr Arzneimittel einnehmen bzw.
anwenden Anspruch auf einen Medikationsplan (dieser soll ab 2018 auch von der
eGK abrufbar sein).
Ausgabe von
Heilberufsausweisen
ÄrztInnen sollen
damit auf die sensiblen Daten der Gesundheitskarte zugreifen können;
elektronische Arztbriefe werden bereits vor Einführung der
Telematik-Infrastruktur gefördert, wenn hierfür ein elektronischer
Heilberufsausweis mit elektronischer Signatur verwendet wird.
Einstieg in die
elektronische Patientenakte
Bis Ende 2018
sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Daten der PatientInnen
(z.B. Arztbriefe, Notfalldaten, Daten über die Medikation) in einer
elektronischen Patientenakte bereitgestellt werden können. PatientInnen sind
dann in der Lage, ihre BehandlerInnen über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten zu
informieren.
Patientenfach
PatientInnen
entscheiden nicht nur, welche medizinischen Daten mit der Gesundheitskarte
gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Sie haben außerdem einen
Anspruch darauf, daß ihre mittels Gesundheitskarte gespeicherten Daten in ihr
Patientenfach aufgenommen werden. Dort können auch eigene Daten z.B. ein
Patiententagebuch über Blutzuckermessungen oder Daten von Wearables und
Fitnessarmbändern, abgelegt werden.
Bis Ende 2018
sollen die Voraussetzungen für die Nutzung des Patientenfachs mit der
elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden, damit Patienten ihre Daten
auch außerhalb der Arztpraxis eigenständig einsehen können.
Förderung der
Telemedizin
Die
telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen wird ab April 2017,
die Online-Videosprechstunde ab Juli 2017 in die vertragsärztliche Versorgung
aufgenommen.
Nutzung von
Smartphones und andere mobile Endgeräte
Bis Ende 2016 soll
prüfen werden, ob Versicherte solche Geräte etwa zur Wahrnehmung ihrer
Zugriffsrechte und für die Kommunikation im Gesundheitswesen einsetzen können.
Auf die sensiblen Daten der
eGK soll nach dem Zwei-Schlüsselprinzip - mit dem Heilberufeausweis und der
persönlichen PIN der Versicherten - zugegriffen werden können.
Anmerkung: DatenschutzexpertInnen (so beispielsweise Thilo Weichert,
Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein und damit Leiter des Unabhängigen
Landeszentrums für Datenschutz in Kiel) halten den Datenschutz gewährleistet und
"fast vorbildlich".
Bundesministerium für
Gesundheit: Das
E-Health-Gesetz (Abrufdatum: 16.05.16)
Gesetz für sichere digitale
Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer
Gesetze (vom
21. Dezember 2015)
Datenschutz im Gesundheitswesen - ein zunehmend wichtiges Thema - auch in
Europa:
Die
EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO)
(Teil
IV)
Auf dem Hintergrund der
zunehmenden Erfassung, Übermittlung und Archivierung von patientenbezogenen
Daten in Dateien beschäftigt sich der Gesetzgeber mit entsprechenden Regelungen
zum Schutz der BürgerInnen vor der Einschränkung seiner Privatsphäre und dem
Mißbrauch seiner personenbezogenen Daten. In Deutschland traten das
IT-Sicherheitsgesetz
(im Juli 2015) und das
E-Health-Gesetz (im
Januar 2016) - siehe Beitrag
7/2016
in Kraft. In Europa wird seit
Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gearbeitet, die die
bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Die neue Verordnung wird, im
Unterschied zur bisherigen Richtlinie, ab ihrem In-Kraft-Treten (voraussichtlich
Mitte 2018) unmittelbare Gültigkeit für alle EU-Mitgliedsstaaten haben. Im
Dezember 2015 haben sich das EU-Parlament, der EU-Rat und die EU-Kommission auf
einen einheitliche Entwurf geeinigt. Derzeit findet die technische Überarbeitung
der Verordnung statt, die 2018 abgeschlossen sein soll.
Viele Regelungen stehen im
Detail noch nicht fest. Klar ist, daß beispielsweise die Einwilligung der
VerbraucherInnen bzw. BürgerInnen dadurch mehr Gewicht erhält, daß sie
beweispflichtig dokumentiert werden muß. Eingeführt werden sollen
Sonderregelungen für Kinder bis zu einer bestimmten Altersgrenze (13 Jahre), die
Internetdienste (z. B. facebook) nur mit Zustimmung der Eltern nutzen können.
Weitere Regelungen der Verordnung:
Verbesserung der
Transparenz (Angabe der Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung, der Dauer
der Speicherung)
leichte Verständlichkeit
und Barrierefreiheit,
Recht auf Vergessen
Auskunftsrechte
Verpflichtung Betroffene
(und Aufsichtsbehörden) bei Datenpannen zu informieren
Verpflichtung von
Krankenhäusern und Praxen zu einem IT-Sicherheitskonzept.
Deutsches Ärzteblatt Heft 6 v.
12.02.16, 113: A218-219:
Datenschutz im
Gesundheitswesen. Viele Neuregelungen stehen bevor (H. E. Krüger-Brand)
BKA-Gesetz vor dem
Bundesverfassungsgericht - Urteil vom 20.04.16: Die Verfassungsbeschwerde hat
teilweise Erfolg!
Teil VII
Ich habe bereits häufiger über
das BKA-Gesetz berichtet (siehe unten: Archiv). Das Bundesverfassungsgericht
hat am 7.07.15 erstmals über Klagen gegen das Bundeskriminalamts-Gesetz
verhandelt. Das 2009 in Kraft
getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und
Onlinedurchsuchungen zur Terrorabwehr.
Die Verfassungsbeschwerde
hatte nun teilweise Erfolg: Nach Ansicht des
Bundesverfassungsgerichts (BverfG) ist die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum
Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des
internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar.
Allerdings genügt das Gesetzt in seiner derzeitigen Ausgestaltung von
Befugnissen in verschiedener Hinsicht nicht dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
Hinsichtlich der
Voraussetzungen für die Durchführung sind die im Jahr 2009 eingeführten
Vorschriften teilweise zu unbestimmt und zu weit; auch fehlt es zum Teil an
flankierenden rechtsstaatlichen Absicherungen, insbesondere zum Schutz des
Kernbereichs privater Lebensgestaltung oder zur Gewährleistung von Transparenz,
individuellem Rechtsschutz und aufsichtlicher Kontrolle. Die Vorschriften zur
Übermittlung von Daten sind ‑ sowohl hinsichtlich inländischer als auch
hinsichtlich ausländischer Behörden ‑ an etlichen Stellen nicht hinreichend
begrenzt. Da die Gründe für die Verfassungswidrigkeit nicht den Kern der
eingeräumten Befugnisse betreffen, gelten die beanstandeten Vorschriften jedoch
mit Einschränkungen überwiegend bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 fort. (Pressemitteilung
Nr.
19/2016 vom 20. April 2016)
Im Hinblick auf
BerufsgeheimnisträgerInnen hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg:
Bei Maßnahmen, die tief in die
Privatsphäre eingreifen, sind - als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
- übergreifenden Anforderungen an ihre Ausgestaltung zu stellen:
Insbesondere
müssen Befugnisse auf den Schutz gewichtiger Rechtsgüter begrenzt bleiben und
sind nur in den Fällen verfassungsmäßig, in denen eine Gefährdung dieser
Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist. Auf nichtverantwortliche Dritte
aus dem Umfeld der Zielperson dürfen sie sich nur unter eingeschränkten
Bedingungen erstrecken. Für Befugnisse, die typischerweise dazu führen können,
in den strikt geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung einzudringen,
bedarf es besonderer Schutzregelungen. Auch bedarf es eines hinreichenden
Schutzes von Berufsgeheimnisträgern. Überdies unterliegen die Befugnisse
verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz
und aufsichtliche Kontrolle. Hierzu gehören Benachrichtigungspflichten an die
Betroffenen nach Durchführung der Maßnahmen, richterliche Kontrollbefugnisse,
eine regelmäßige aufsichtliche Kontrolle sowie Berichtspflichten gegenüber
Parlament und Öffentlichkeit. Schließlich müssen die Befugnisse mit
Löschungspflichten flankiert sein.
(...) Diesen
Anforderungen genügen die angegriffenen Vorschriften in verschiedener Hinsicht
nicht. (Pressemitteilung Nr.
19/2016 vom 20. April 2016)
Das Bundesverfassungsgericht
weist zwar darauf hin, daß der Schutz von Berufsgeheimnisträgern im vorliegenden
Gesetz nicht ausreicht, bezieht sich dabei aber im wesentlichen auf die Gruppen
der Strafverteidiger und anderer Rechtsanwälte:
Verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist insoweit allerdings die Ausgestaltung
des Schutzes der Vertrauensverhältnisse von Rechtsanwälten zu ihren Mandanten.
Die vom Gesetzgeber herangezogene Unterscheidung zwischen Strafverteidigern und
den in anderen Mandatsverhältnissen tätigen Rechtsanwälten ist als
Abgrenzungskriterium für einen unterschiedlichen Schutz schon deshalb
ungeeignet, weil die in Frage stehenden Überwachungsmaßnahmen nicht der
Strafverfolgung, sondern der Gefahrenabwehr dienen, die Strafverteidigung also
hier gerade nicht entscheidend ist. (Urteil
BverfG 20.04.16, Abschnitt 257)
c) Darüber hinaus sind
Grundrechtsverletzungen durch § 20u BKAG nicht zu erkennen. Ein Anspruch auf
strikteren Schutz ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für
Medienvertreter (vgl. BVerfGE 107, 299 <332 f.>). Weitere Grenzen ergeben sich
auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber darf die Zuerkennung eines
strengeren Schutzes vor Überwachungsmaßnahmen als Ausnahme für spezifische
Schutzlagen verstehen, hinsichtlich derer er einen erheblichen
Einschätzungsspielraum hat. Die Anerkennung einer solchen besonderen
Schutzbedürftigkeit von Geistlichen und Abgeordneten gegenüber anderen
Berufsgruppen wurde durch die Entscheidung des Zweiten Senats vom 12. Oktober
2011 als zumindest tragfähig angesehen. Eine Pflicht zur Ausweitung dieses
besonders strikten Schutzes auf weitere Gruppen kann hieraus nicht abgeleitet
werden (vgl. BVerfGE 129, 208 <258 ff., 263 ff.>). Unberührt bleibt, dass in die
für die anderen Berufsgeheimnisträger gebotene Abwägung auch unter
Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG die Vertrauensbedürftigkeit der
jeweiligen Kommunikationsbeziehungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich
einzufließen hat und darüber hinaus eine Überwachung - etwa für
psychotherapeutische Gespräche - auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs
privater Lebensgestaltung ausgeschlossen sein kann (siehe oben C IV 3 a).
(Urteil BverfG v. 20.04.16, Abschnitt 258)
Fazit: Enttäuschenderweise sieht das Bundesverfassungsgericht den
Gesetzgeber nicht in der Pflicht, die besondere Schutzbedürftigkeit von
Geistlichen und Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen Gründen auf andere
Berufsgruppen auszuweiten. Im Einzelfall muß jedoch auch bei anderen
BerufsgeheimnisträgerInnen eine Abwägung unter Berücksichtigung der
Berufsfreiheit (Artikel 12) und der jeweiligen
Vertrauensbedürftigkeit der Kommunikationsbeziehungen
vorgenommen werden. Darüber hinaus kann eine Überwachung, beispielsweise von
psychotherapeutischen
Gesprächen, auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung ausgeschlossen sein. Aus psychotherapeutischer Sicht ist klar,
daß alles, was im Rahmen der Psychotherapie ge- bzw. besprochen wird zum
Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört. Allein, aus juristischer Sicht
(und noch mehr aus der Sicht des BKA) wird das anders beurteilt werden. Nach der
Sphärentheorie werden Gesundheitsdaten in verschiedene Gruppen eingeteilt:
administrative, medizinische und intime Daten mit je unterschiedlicher
Schutzintensität. (siehe dazu meine Übersicht zur
Sphärentheorie, 2002-2011).
Die DGPT weist in ihrer
Stellungnahme daraufhin, daß das Gesetz jetzt überarbeitet werden muß; das BVerfG erlaubt den
Behörden die Anwendung der Maßnahmen unter gewissen im Urteil genannten Maßgaben
nur noch bis zum 30. Juni 2018.
Die DGPT plant
unter Mitarbeit von Jürgen Hardt eine eigene Stellungnahme zu erarbeiten, um für
die Überarbeitung des Gesetzes die Aufnahme der Psychotherapie in den
Kernbereich privater Lebensgestaltung und einen Schutz der psychotherapeutischen
Tätigkeit bei Gleichstellung mit den besonders geschützten Berufsgruppen zu
erreichen. Darüber hinaus wird es unseres Erachtens auch nötig sein, zumindest
den Versuch einer erneuten Aufklärungsarbeit hinsichtlich einer entsprechenden
Novellierung des Gesetzes im Sinne der Psychotherapie zu unternehmen; das Wissen
um unsere Belange ist ernüchternd gering.
(Stellungnahme der DGPT v. 4.05.2016)
Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom
20.04.2016 (1
BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09)
Pressemitteilung
Bundesverfassungsgericht
(Nr.
19/2016 vom 20. April 2016):
Verfassungsbeschwerden
gegen die Ermittlungsbefugnisse des BKA zur Terrorismusbekämpfung teilweise
erfolgreich
Stellungnahme der DGPT (4.05.2016):
Die psychotherapeutische
Behandlungsbeziehung muss als Teil des persönlichen Kernbereichs der Patienten
unantastbar bleiben!
Oberlandesgericht Karlsruhe - Zum
Zeugnisverweigerungsrecht des behandelnden Arztes im Zusammenhang einer
Risikolebensversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers (Patienten)
Nach dem Tod des Versicherungsnehmers machte die
Versicherung Zweifel an den Voraussetzungen der Auszahlung der einige Jahre
zuvor zugunsten der Ehefrau abgeschlossenen
Risikolebenspolice geltend. Sie forderte die Behandlungsunterlagen
des behandelnden Arztes an, die dieser auch der Versicherung übergab.
Der Verstorbene hatte bei Vertragsabschluss zwar
seine Herzerkrankung angegeben, dabei aber nicht erwähnt, daß er eigenmächtig
die vom Arzt verordneten Medikamente abgesetzt hatte.
Die Versicherung verweigerte deshalb die Zahlung wegen des Verdachts einer
arglistigen Täuschung.
Die Ehefrau verklagte den
Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme und bekam diese, einschließlich
der Kosten für die anwaltliche Tätigkeit, zugesprochen.
In seiner Entscheidung verwies
das OLG Karlsruhe darauf, daß der Versicherer zur Anfechtung eines
Risikolebensversicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung auf dem
Hintergrund der unrichtigen Beantwortung von Gesundheitsfragen dann nicht
berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer diese zwar objektiv nicht richtig
beantwortet hat, jedoch nicht ersichtlich ist, dass er dies aus Gründen der
Beeinflussung der Entscheidung des Versicherers tat. Im hier vorliegenden Fall
wurden Gesundheitsfragen nicht schon deshalb unrichtig beantwortet, weil der
Versicherungsnehmer die Frage nach der Einnahme von Medikamenten verneinte und
nicht angab, daß er ein ärztlich verordnetes Medikament aufgrund eigener
Verantwortung bzw. Entscheidung nicht eingenommen hat. Nach dem Tod des
Versicherungsnehmers ist eine Entbindung des behandelnden Arztes von der
Schweigepflicht nicht mehr möglich. Von einer mutmaßlichen Einwilligung bzw.
Entbindung von der Schweigepflicht kann dann nicht ausgegangen werden, wenn die
Beweislast zur Anfechtung eines Versicherungsvertrages
(Risikolebensversicherung) beim Versicherer liegt. Denn es liegt nicht im
Interesse des Verstorbenen, daß die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner
Angaben in einer Beweisaufnahme geklärt werden.
Anmerkung: Im vorliegenden Fall ging es primär um die Klage gegen den
die Zahlung verweigernden Versicherer und nur am Rande um die Schweigepflicht -
hier des behandelnden Arztes - gegenüber dem Versicherer. Diese wurde gebrochen,
da eine mutmaßliche Einwilligung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht nicht
vorlag!
Apple weigert sich trotz eines Gerichtsbeschlusses, das iPhone eines
mutmaßlichen Attentäters zu entschlüsseln
Die Regierung der Vereinigten
Staaten hatte einen Gerichtsbeschluß erwirkt, nach dem Apple verpflichtet wurde,
das iPhone des mutmaßlichen Attentäters Sayed Farook zu entschlüsseln, der mit Ende
letzten Jahres mit seiner Ehefrau im kalifornischen San
Bernardino 14 Menschen erschossen hatte.
Das FBI hatte untersucht, ob der Attentäter in Verbindung mit dem Islamischen
Staats stand und wollte mittels des Handys etwaige Beweise sichern.
Apple hatte sich aber
geweigert dem Gerichtsbeschluß nachzukommen. Der Chef von Apple, Tim Cook,
begründete das damit, daß so ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte. Apple
habe die Pflicht die Daten der KundInnen vor einem Zugriff durch staatliche
Behörden zu schützen.
Nun wurde die
Auseinandersetzung dadurch beendet, daß zunächst das FBI und dann auch das
US-Justizministerium mittelte, die Hilfe von Apple werde nicht länger benötigt
würde. Das FBI bekam laut eigener Aussage Hinweise von Dritten, wie die
Verschlüsselung umgangen werden kann. Die in dem Verfahren zuständige
Bundesstaatsanwältin Eileen Decker erklärte daraufhin, die Ermittlungen gegen
Apple seien abgeschlossen.
Anmerkung 1: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ein
Technologiekonzerne in die Situation gerät, die Daten seiner KundInnen vor dem
Zugriff staatlicher Behörden schützen zu wollen. In anderen Situationen (wenn es
um eigenen Interessen geht) ist auch der Apple-Konzern, der viel Wert auf den
Datenschutz legt, deutlich weniger zimperlich
(vgl.
den Beitrag von S. Gaycken v. 14.03.16).
Anmerkung 2 (2.04.16): Inzwischen mehren sich Medienberichte, daß es
einschlägigen ExpertInnen längst gelungen ist die Verschlüsselung zu umgehen und
Apple Sicherheitslücken nicht geschlossen hat. Nun kann man sich fragen: Ging es
bei dem Verfahren gegen Apple um den Versuch, Druck auf
Telekommunikationsanbieter auszuüben mit dem Ziel jederzeit ohne große Mühe an
die entsprechenden Daten zu kommen - oder verfügt das FBI nicht über ExpertInnen
die in der Lage sind, sich die entsprechende Software zur Entschlüsselung zu
beschaffen (oder beides)?
spiegel.de (29.03.16):
Apple: FBI knackt iPhone von San-Bernardino-Attentäter. Das FBI wollte
Apple per Gerichtsbeschluss dazu zwingen, das Handy eines islamistischen
Terroristen zu entschlüsseln. Nun haben die US-Behörden selbst das iPhone
geknackt.
faz.net (14.03.16)
S. Gaycken:
Apples
Doppelmoral. Dass Apple sich im Streit mit dem FBI als Datenschützer gibt,
demonstriert die schlichte Doppelmoral des Konzerns. Denn in China hat die
Regierung längst Zugriff auf die iPhones. Ein Gastbeitrag.
Einschränkung der
Schweigepflicht durch Offenbarungspflicht gegenüber Dritten bzw. dem Arbeitgeber
(Abschlußbericht der
französischen Untersuchungsbehörde zum Absturz der Germanwings-Maschine)
Teil
III
Im
Abschlußbericht der
französischen Untersuchungsbehörde BEA zum Absturz der Germanwings-Maschine
(vorgelegt am 13.03.16) wird die Forderung nach klaren internationalen Regeln im
Falle einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Krankheit eines
Patienten erhobenen. Angesichts international unterschiedlichen Regelungen zur
ärztlichen Schweigepflicht sollten Gesundheitsdienstleister aufgefordert werden,
die jeweiligen Behörden zu informieren (Ärztezeitung
14.03.16).
Der Präsident der
Bundesärztekammer, Montgomery, sieht im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse
Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen, hat sich aber gegen eine generelle
Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht ausgesprochen (Ärztezeitung
14.03.16).
Der Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Prof. Hans Drexler (Erlangen)
hat die Debatte als "schädlich und wenig qualifiziert" bezeichnet. Vermutlich
hätte der Absturz weder durch eine Mitteilungspflicht verhindert werden können,
noch mache es Sinn, alle Menschen mit depressiven Episoden und Suizidgedanken
als nicht geeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung anzusehen - denn
dann wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeitsfähig. Hinzu kommt die
Unsicherheit prognostischer Aussagen. Im Bereich der Arbeitsmedizin sieht er die
die Frage einer Aufhebung der Schweigepflicht als besonders problematisch an.
Würden sich PatientInnen nicht mehr auf die Verschwiegenheit der
ArbeitsmedizinerInnen verlassen können, würden sich PatientInnen nicht mehr mit
entsprechenden Informationen anvertrauen, was zu einer verringerten Sicherheit
Dritter und auch dazu führen würde, daß ÄrztInnen die jeweilige Gefahr durch
Therapien und anderen Hilfsangeboten Gefahren nicht mehr abwenden könnten (Ärztezeitung
16.03.16).
Auch die
Bundespsychotherapeutenkammer hat sich ähnlich zu dieser Frage geäußert. In der
Pressemitteilung v. 16.03.16 heißt es:
Die
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnt davor, die Schweigepflicht für
Psychotherapeuten und Ärzte einzuschränken. „Das größte Risiko wäre, dass sich
psychisch kranke Menschen nicht mehr behandeln lassen, weil sie befürchten, dass
Arbeitgeber oder Behörden von ihrer Erkrankung erfahren“, erklärt Dr. Dietrich
Munz, Präsident der BPtK. „Erst das offene Gespräch mit einem Psychotherapeuten
oder Arzt macht es möglich, eine psychische Krankheit zu behandeln und mögliche
Suizide zu verhindern.“
Die
BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei
Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht
entbunden sind. Psychotherapeuten müssen zwischen dem Schutz der Patienten, dem
Schutz von Dritten sowie dem Allgemeinwohl abwägen und gegebenenfalls tätig
werden. „Diese Abwägung muss sehr sorgfältig getroffen werden“, stellt
BPtK-Präsident Munz fest. Dazu gehöre, dass man sich im Zweifel bei einem
Kollegen fachlich rückversichert. Drohe, dass ein Patient sich selbst oder
andere gefährde, müsse notfalls auch eine Zwangseinweisung in ein
psychiatrisches Krankenhaus erfolgen. Im Fall des schwer depressiven
Germanwings-Copiloten, der vor einem Jahr ein Flugzeug mit 150 Menschen
abstürzen ließ, mussten die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten auf
Grundlage der ihnen bekannten Befunde eine solche Abwägung vornehmen und
begründen. Dies können Gerichte überprüfen.
„Die
Entscheidung, ob ein Patient sich oder andere gefährdet, muss eine Entscheidung
des behandelnden Psychotherapeuten oder Arztes bleiben“, fordert Munz.
„Grundsätzliche gesetzliche Meldepflichten vergrößern dagegen die
Wahrscheinlichkeit, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr in Behandlung
begeben. Die Behandlung eines psychisch kranken Menschen verringert seine Leiden
und kann eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindern. In den seltenen Fällen,
wo psychisch kranke Menschen befürchten, dass sie sich oder andere Menschen
gefährden könnten, ist eine Behandlung auch der beste Schutz für die
Allgemeinheit.“
Nur einem Satz möchte ich
widersprechen: Die BPtK-Musterberufsordnung
regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst
oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind.
Genau dieser Automatismus ist in der Musterberufsordnung nicht der BPtK
enthalten (§ 8 Abs. 4 M-BO). Die notwendige Abwägung (vgl. auch §
34 StGB i.V.m. 203 StGB) wird dann zutreffend in den folgenden Sätzen der
Presseerklärung erläutert. Dieser eine Satz führt jedoch zu einer Verwirrung,
die dem Thema nicht gerecht wird.
Ärztezeitung (14.03.16):
Germanwings-Absturz.
Ärztliche Schweigepflicht im Fokus
Ärztezeitung (14.03.16):
Abschlussbericht über
Germanwings-Absturz. Montgomery will keine Aufweichung der Schweigepflicht
Ärztezeitung (16.03.16):
Gegen jede Lockerung der
Schweigepflicht. Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht wird von
Arbeitsmedizinern kategorisch abgelehnt. Für die Sicherheit sei dies eher
schädlich.
BPtK Aktuell (16.03.2016): Schweigepflicht
nicht weiter durchbrechen. Mehr Sicherheit durch eine
grundsätzliche Meldepflicht nicht möglich
Schweigepflicht und Diskretion in der Arztpraxis - ein dunkles Kapitel
Daß
in ärztliche Praxen mit der Schweigepflicht fahrlässig umgegangen wird, davon
können sich PatientInnen problemlos selbst überzeugen. Kaum ein Arztbesuch, bei
dem man nicht etwas über die anderen PatientInnen erfährt, oder umgekehrt. Ich
weise auf diesen Umstand seit Jahren hin - geändert hat sich kaum etwas! Nun hat die
Stiftung Warentest sich des Themas angenommen und kommt zu Ergebnissen, die
eigentlich bei den ärztlichen Berufsverbänden und Ärztekammern Entsetzen
auslösen müßten. Doch ich fürchte auch weiter wird sich wenig verändern.
Ärzte Zeitung, (26.02.16):
Zu offener Umgang mit Patientendaten? Die Stiftung Warentest hat die Diskretion
in Hausarztpraxen getestet. Das Ergebnis: In jeder zweiten geprüften Praxis
waren Patientengeheimnisse nicht sicher aufgehoben. Zeitschrift "test" (3/2016)
EU-Datenschutz-Grundverordnung:
Grundsatz der Zweckbindung bedroht!
(Teil III)
Die Zeit berichtet in der aktuellen
Ausgabe (v. 10.09.15) über den von den Staats- und Regierungschefs vorgelegten
Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung, die die bislang geltende Richtlinie
95/46/EG ablösen soll und eine vollständige Neuordnung des europäischen
Datenschutzes beabsichtigt. Beunruhigend ist der Passus des Entwurfs, der (nicht
näher definierte) Interessen der Unternehmen betrifft. Überwiegen diese die
Interessen der betroffenen Personen, können personenbezogene Daten - ohne
Zustimmung und Wissen der Betroffenen - weitergegeben werden. Eine Reihe von
ExpertInnen haben (nicht nur) das kritisiert und werfen der Bundesregierung vor,
zu sehr die Interessen der Wirtschaft vertreten zu haben. Insbesondere
problematisch erscheint, daß der deutsche Grundsatz der Zweckbindung nicht im
Entwurf steht. Das bedeutet. Stimmt man einer Datenverarbeitung zu so gilt eben
nicht mehr der Grundsatz, daß die Daten nur zu dem Zweck gespeichert,
verarbeitet und weitergegeben werden dürfen zu dem sie offenbart wurden.
Allerdings scheint auch
Justizminister Heiko Maas nicht vom Entwurf überzeugt und will am Grundsatz der
Zweckbindung als zentralem Pfeiler des Datenschutzrechts festhalten; allerdings
liegt die Federführung der Verhandlungen beim Bundesinnenministerium.
Wie die Zeit berichtet, wird ab der
kommenden Woche (14.09.15) in Brüssel im Trialogverfahren zwischen den
verschiedenen Gremien verhandelt (europäisches Parlament, europäischer Rat und
europäische Kommission).
Der Entwurf kann online eingesehen
werden (siehe den Link unten): Es handelt sich um ein sehr umfangreiches
Dokument! Die Frage der Interessensabwägung findet sich in Artikel 6
(Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Absatz 1 Buchstabe f (Seite 50f).
Die Zeit (Nr. 37 v. 10.09.15: Oh. der
hat Herzprobleme! Neue EU-Regeln bedrohen den Datenschutz: Firmen sollen
Kundendaten ohne Zustimmung weitergeben dürfen. Versicherungen bereiten sich vor
(v. R. Rehage): Seite 25
Europäische Kommission:
Vorschlag für
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien
Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung). Brüssel,
25.01.12
Unabhängige Patientenberatung:
Kritik an ÄrztInnen und Krankenkassen
Trägerwechsel bei der Unabhängigen
Patientenberatzung (UPD)
Die Unabhängige Patientenberatung hat
in ihrem Jahresbericht eine kritische Bilanz. In einer nicht unerheblichen Zahl
von Fällen wurden
Behandlungen sowie die Einsicht in Patientenakten verweigert, es kam zu
Behandlungsfehlern und Leistungsversprechen der Kostenträger wurden gebrochenen.
In
3554 Fällen wandten sich PatientInnen an die UPD,
weil ihnen im Krankenhaus oder bei niedergelassenen ÄrztInnen die Einsicht in
die Behandlungsunterlagen verweigert wurde. Nach Ansicht der UPD wissen
ÄrztInnen auch zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetz
oft nichts vom Recht ihrer PatientInnen auf Einsicht in ihre Patientenakte.
Das ist nicht wirklich neu - leider
waren ÄrztInnen noch nie Vorreiter eines vorsichtigen Umgangs mit Patientendaten
und verletzten oftmals ihre Schweigepflicht - ich könnte dazu unzählige
Beispiele nennen, die mir im Laufe meiner über zweieinhalb Jahrzehnte
andauernden Beschäftigung mit dem Thema untergekommen sind. Erstaunlicher ist,
daß die ethische, berufs-, zivil- und strafrechtliche Dimension völlig
ausgeblendet wird. Vermutlich auch, weil Beschwerden und Klagen die Ausnahme
sind.
Nach derzeitigem Stand geht die
Unabhängige Patientenschaft ab 2016 in eine neue Trägerschaft über:
Die 1. Vergabekammer beim
Bundeskartellamt hat am 3.09.15 den Nachprüfungsantrag der aktuellen Träger der
UPD zurückgewiesen. Sie hatten sich gegen die Vergabe (in öffentlicher
Ausschreibung) an den privaten Anbieter von Telefondienstleistungen Sanvartis
gewandt.
Innerhalb von zwei Wochen
besteht für den Sozialverband VdK, die Verbraucherzentrale Bundesverband und den
Verbund unabhängiger Patientenberatung die Möglichkeit die Entscheidung vor dem
Oberlandesgericht anzufechten. Andernfalls wird Sanvartis zum 1.01.2016 den
Zuschlag für sieben Jahre erhalten und 63 Millionen Euro Fördermittel in
Anspruch nehmen können.
Nach einem Bericht der Ärzte
Zeitung online (wird die
Sanvartis GmbH eine gemeinnützige UPD GmbH gründen, die eine inhaltliche
Einflussnahme vollständig ausgeschließen soll: Ein umfangreiches Regelwerk wird
sicherstellen, dass die Sanvartis GmbH keinen Zugriff auf die UPD, deren
Geschäftsführer und Mitarbeiter oder deren Daten und das IT-System haben wird.
Außerdem ist eine umfassende kontinuierliche Überwachung durch eine neutrale
Kontrollinstanz vorgesehen",
Ärzte Zeitung online (3.09.15):
UPD-Bericht. Ärzte und Kassen verletzen Patientenrechte: Verweigerte
Behandlungen, verweigerte Einsicht in Akten: Bei der Einhaltung der
Patientenrechte hapert es. Der Jahresbericht der Unabhängigen
Patientenberatung nimmt Ärzte und Kostenträger ins
Visier
Die Bundespsychotherapeutenkammer
berichtet in einer Mitteilung vom
27. Juli 2015 über eine gemeinsame Initiative der
Bundesärztekammer, Bundeszahnärztekammer, Bundesapothekerkammer und der
Bundespsychotherapeutenkammer gegen die von der Bundesregierung geplante
Vorratsdatenspeicherung. In einem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten im
Rechts- und Gesundheitsausschuss fordern diese sie auf, dem Gesetz nicht
zuzustimmen.
Anmerkung
(1.08.15): Meinhard Starostik, einer
bevollmächtigten Rechtsanwälte
der
auch in meinem Namen erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt hat
(weiter: Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch
und Prof. Dr. Jens-Peter
Schneider) - siehe Teil XIV
- hat seine vorläufige
Bewertung des
Referentenentwurfs in einem
Referat vor Bundestagsabgeordneten
und Journalisten (19.05.15) abgegeben:
www.strarostik.de:
Stellungnahme zum
Referentenentwurf eines neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.
Anmerkung
(4.11.15): Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Vorratsdatenspeicherung (BT-Drucksache 18/5088), der eine Speicherung der
Verkehrsdaten für 10 Wochen vorsieht finden Sie hier:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/050/1805088.pdf. Er wurde vom
Bundestag am 6. Oktober 2015 verabschiedet. Berufsgeheimnisträger (z. B.
ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) sind nicht in die Ausnahmeregelung
einbezogen, die für Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder
kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern telefonische
Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten, gilt.
Bundespsychotherapeutenkammer
Aktuell:
27. Juli 2015Gemeinsame Initiative der
Heilberufekammern: BPtK kritisiert geplante Vorratsdatenspeicherung
Schreiben der Heilberufekammern
an die Mitglieder des
Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und des Ausschusses für Gesundheit
vom
10. Juli 2015.
Süddeutsche Zeitung (16.04.15):
Vorratsdatenspeicherung.
O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4
Das Bundesverfassungsgericht
hat am 7.07.15 erstmals über
Klagen gegen das
Bundeskriminalamts-Gesetz (BKA-Gesetz) verhandelt. Das 2009 in Kraft
getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und
Onlinedurchsuchungen zur Terrorabwehr.
Eine Gruppe von KlägerInnen (unter
anderem der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der ehemalige
Kulturstaatsminister Michael Naumann, Jürgen Hardt,
Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Rechtsanwälte, Grünen-Politiker und ein
Arzt) ist der
Ansicht, daß der Schutz von Geistlichen, Abgeordneten und
BerufsgeheimnisträgerInnen nicht ausreichend geschützt ist um das
Vertrauensverhältnis von ÄrztInnen, RechtsanwältInnen und PsychotherapeutInnen
gegenüber ihren PatientInnen und MandantInnen zu wahren bzw. zu sichern.
Außerdem fordert sie
Schranken für das Ausspähen von Computern und für den Lauschangriff in
Wohnungen.
Daß das Gericht dem Gesetz
durchaus kritisch gegenübersteht wurde u. a. auch durch die Frage des Richters
Ferdinand Kirchhof
(Vorsitzender Richter
des Erstes Senats
und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts) "Wie
viel Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen
und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern?"
In der Verhandlung stellten die
Richter der Bundesregierung eine Reihe von Fragen und listeten einen Katalog
klärungsbedürftiger Punkte auf. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)
verteidigte wie zu erwarten die Regelungen des BKA-Gesetzes. Das
Bundeskriminalamt arbeite im Rahmen der Gesetze entschlossen, jedoch mit
Augenmaß für die Erhaltung des Rechtsstaats; Deutschland sei, so de
Maizière, kein Überwachungsstaat. Seit 2009 seien auch wegen der Möglichkeiten
BKA-Gesetzes zwölf Terroranschläge misslungen oder vereitelt worden.
Erschreckend ist, daß der Schutz des Kernbereichs
privater Lebensgestaltung aus der Sicht der Bundesregierung nicht in jedem
Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf. Das Gesetz stelle
sicher, dass die vor Ort ermittelnden Beamten kernbereichsrelevante
Informationen nicht zur Kenntnis nähmen (siehe
Pressemeldung des
Bundesverfassungsgerichts
Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015:
letzter Absatz). Wer so argumentiert hat wenig von verfassungsmäßigen Rechten
der StaatsbürgerInnen verstanden.
Das
Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst erwartet.
Anmerkung (13.09.15): Auch das
Psychotherapeutenjournal 3/2015
berichtet über die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht und die von
Jürgen Hardt (Gründungspräsident der PTK Hessen, PP, Psychoanalytiker) dort
vorgetragene Stellungnahme. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich den Text
hier:
Stellungnahme von Jürgen Hardt vor dem Bundesverfassungsgericht
Herr
Vorsitzender, hoher Senat!
Ich
möchte mit einer kurzen Bemerkung auf den Zusammenhang zwischen dem
"Kernbereichsschutz" und dem "Schutz von Berufsgeheimnisträgern" aus meiner
fachlichen Sicht eingehen. Meine Bemerkungen mögen Ihnen juristisch naiv
erscheinen, fachlich sind sie zwingend. Sie sollen zeigen, dass der "verschieden
ausgestaltete Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen" bei der Ausübung
von Psychotherapie keine Anwendung finden darf. Ich bin Psychologischer
Psychotherapeut und Psychoanalytiker, das heißt Vertreter eines alten,
juristisch noch jungen Berufes. (Das Psychotherapeutengesetz ist am 1.1.1999 in
Kraft getreten!)
Psychologische Psychotherapeuten unterliegen als Berufsgeheimnisträger ebenso
wie Ärzte der absoluten Verschwiegenheitsverpflichtung, gerade deswegen, weil
sie sich mit ihren Patienten im geschützten Kernbereich des Privaten bewegen.
Die verbindlichen Regelungen der verschiedenen Berufsordnungen schreiben
deswegen Maßnahmen zum Vertrauensschutz vor, die den Zugang von Dritten zu
Aufzeichnungen von Behandlungsinhalten und -verläufen, auch über den Tod hinaus,
verwehren. Auch dürfen Computer mit Internetzugang nicht zur Aufzeichnung von
Inhalten der Behandlungen benutzt werden.
Für
die psychotherapeutische Heilkunde ist der absolute Vertrauensschutz von
essenzieller Bedeutung:
Psychotherapeuten
halten die Patienten zu völliger Aufrichtigkeit an und dulden aus
therapeutischen Gründen keine Geheimnisse. Im Gegenzug sichern sie
absolute Diskretion zu.
Nur so ist es
möglich, ein umfassendes Bild der inneren Situation eines Menschen zu
gewinnen, was notwendig ist, um die seelische Gesundheit der Patienten
zu befördern, das heißt auch Seele, Leib und Leben zu schützen.
Dabei geht es aber
nicht nur um Geheimnisse, die wir vor anderen bewahren! In der
Psychotherapie geht es um das, was wir uns selbst nicht zugestehen
wollen/können, also vor uns selbst geheim halten.
So wird in der
Psychotherapie der permanente innere Dialog der Menschen, wie ihn zum
Beispiel Nietzsche beschrieben hat, zu einem zwischenmenschlichen
Ereignis. Das ist nur in absoluter Diskretion zu verantworten; ebenso
wie im Beichtstuhl.
Hohes
Gericht, ich danke für die Möglichkeit, diese Gedanken vorzubringen!
Jürgen Hardt, Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen,
Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker; Wetzlar
Bundesverfassungsgericht:
Pressemeldung
Nr. 41/2015 vom 12. Juni 2015: Mündliche Verhandlung in Sachen „BKA-Gesetz“am Dienstag, 7. Juli 2015, 10:00 Uhr (Az.:
1 BvR 1140/09 und 966/09)
Bundesverfassungsgericht:
Pressemeldung
Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015: Ergänzende Informationen und
Verhandlungsgliederung in Sachen „BKA-Gesetz“
Die ZEIT online (7.07.15,
14:12): Prozesse. Karlsruhe
sieht Polizeibefugnisse zur Terrorabwehr kritisch.
Ärzte
Zeitung online (7.07.15):
Trojanergesetz. Sind Patienten
geschützt?
Psychotherapeutenjournal (3/2015):
Verfassungsbeschwerde zum fehlenden Abhörschutz für Psychotherapeutinnen und
-therapeuten (von J. Rautschka-Rücker): 252-253 (mit Abdruck der Stellungnahme
von Jürgen Hardt)
25. Tätigkeitsbericht der
Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an der "Psychosoziale
Komfortbetreuung" der Krankenkassen ohne Rechtsgrundlage
Die
Bundesdatenschutzbeauftragte hat in ihrem Tätigkeitsbericht 2013-2014 Kritik
daran geübt, daß auch außerhalb des "Krankengeldfallmanagements" (siehe
vorausgehenden Beitrag AKTUELL: Nummer 15/2015)
die Tendenz bei den gesetzlichen Krankenkassen zu beobachten war auch
jenseits der gesetzlichen Kernaufgaben den Versicherten medizinische
Betreuungsangebote zu machen. In einem Fall übermittelte eine Krankenkasse nach
Einwilligung (Datenschutz) der PatientInnen die Daten der Versicherten [Vor- und
Zuname, Anschrift, Geburtsdatum und Versichertennummer, Name, Adresse und ggf.
Telefonnummer der behandelnden Ärzte (optional), Name, Adresse und ggf.
Telefonnummer nahe stehender Personen/Angehöriger (optiona)] an an einen
privaten Dienstleister, der die telefonische Betreuung der Versicherten
durchführte.
Die Betreuung erfolgt über
einen Zeitraum von zwölf Monaten und umfasst u. a. regelmäßige Telefongespräche
die Erstellung eines persönlichen Versorgungsplanes sowie die Unterstützung bei
der Organisation von Therapien. Von den im Rahmen der Betreuungsgespräche von
dem Dienstleister erhobenen Gesundheitsdaten des Versicherten oder
Gesprächsergebnissen erhält die Krankenkasse keine Kenntnis.
In ihrer Bewertung kommt Frau Voßhoff
zu folgendem Ergebnis:
Bei den beschriebenen
Programmen handelt es sich um ein datenschutzrechtlich unzulässiges
Fallmanagement. Eine erforderliche gesetzliche Grundlage für die mit der
Durchführung der Programme einhergehende Datenerhebung, -verarbeitung und
-nutzung ist nicht vorhanden. Insbesondere können diese nicht auf § 11 Absatz 4
SGB V gestützt werden (vgl. Nr. 13.7). Da sich die Krankenkasse selbst auf keine
einschlägige Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung
berufen kann, ist auch die Betrauung eines privaten Dritten mit dieser Aufgabe
im Wege der Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X unzulässi
Ärzte Zeitung online (24.06.15):
Tätigkeitsbericht. Der
Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei
der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer
wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen.
Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten
(von Hauke Gerlof)
25. Tätigkeitsbericht der
Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik am "Krankengeldfallmanagement" der
Krankenkassen (§ 44 Abs 4. SGB V, geändert durch das
GKV-Versorgungsstärkungsgesetz)
Aus der Sicht der
Bundesdatenschutzbeauftragten ist das mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
(zum damaligen Zeitpunkt noch) geplante "Krankengeldfallmanagement"
datenschutzrechtlich fragwürdig, da es die sinnvolle bzw. notwendige Trennung
von Aufgaben und Datenerhebung der Krankenkassen und des MDK durchbricht. Zwar
sollen die Krankenkassen die entsprechenden Sozialdaten arbeitsunfähigen
Versicherter, die
Krankengeld beziehen
oder bei denen ein solcher Bezug droht, nur mit Einwilligung der Betroffenen
PatientInnen erheben können, es bleibt aber problematisch, daß Krankenkassen
solche Daten überhaupt erheben.
Der im Versorgungsstärkungsgesetz
zwischen verabschiedete Passus zum Krankengeld (§ 44 abs. 4 SGB V) hat folgende
Fassung erhalten:
(4) Versicherte
haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die
Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1
und die dazu erforderliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener
Daten dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung und nach vorheriger
schriftlicher Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann
jederzeit schriftlich widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben
nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen. Das
Bundesministerium für Gesundheit legt dem Deutschen Bundestag bis zum 31.
Dezember 2018 einen Bericht über die Umsetzung des Anspruchs auf individuelle
Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen nach diesem Absatz vor.
Damit hat sich Frau Voßhoff wie schon
von ihr vermutet nicht im Gesetzgebungsverfahren mit ihrer Ansicht durchsetzen
können. Hoffnung besteht allenfalls im Zusammenhang des im Gesetz geregelten
Berichts zu dem die Bundesdatenschutzbeauftragte sicherlich auch Stellung nehmen
wird.
Ärzte Zeitung online (24.06.15):
Tätigkeitsbericht. Der
Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei
der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer
wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen.
Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten
(von Hauke Gerlof)
25. Tätigkeitsbericht der
Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an den Krankenkassen hinsichtlich
des Umgangs mit für den MDK bestimmten Unterlagen
Die
Bundesdatenschutzbeauftragte für den Datenschutz Andrea Voßhoff hat im
Zusammenhang mit für den MDK bestimmten Unterlagen heftige Kritik an den
Krankenkassen (und auch am MDK) geübt. In ihrem Tätigkeitsbericht (25.
Tätigkeitsbericht 2013-2014) erläutert sie unter der Überschrift
13.8 „Good Will“ des Datenschutzes führte zu
Fehlentwicklungen beim sog. Umschlagsverfahren, die Krankenkassen hätten
sich Zugang zu Unterlagen verschafft, die dem Medizinischen Dienst vorbehalten
sind. Zudem hätte aber auch der MDK die in einem verschlossenen Umschlag
erhaltene Unterlagen an die Krankenkasse zur dortigen Ablage offen
zurückgegeben, wodurch Krankenkassen Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen erhalten
hätten.
Daher hat die
Bundesdatenschutzbeauftragte
nun folgende Regelung erlassen:
Das sog.
Umschlagsverfahren konnte in der Praxis nicht verhindern, dass medizinische
Unterlagen nur vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
zur Kenntnis genommen werden. Zukünftig sind die Leistungserbringer
verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen direkt dem MDK zu übersenden (25.
Tätigkeitsbericht 2013-2014: 201)
Ergänzend schreibt Frau Voßhoff:
Weiter dürfen
die Unterlagen auch zu einem späteren Zeitpunkt vom MDK nicht den Krankenkassen
zugeleitet bzw. von ihnen zur Kenntnis genommen werden. Die vom MDK erhobenen
und gespeicherten Sozialdaten müssen in seinem Zuständigkeitsbereich verbleiben
und sind nach fünf Jahren zu löschen.
Fazit:
Unterlagen an den MDK sind nicht an die Krankenkassen, sondern an den
Medizinischen Dienst zu übersenden!
Anmerkung 1:
Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, ob die
Bundesdatenschutzbeauftragte Kenntnis von Fällen hat in welchen die Unterlagen
an die/den Gutachterin (Richtlinien-Psychotherapie) von den Krankenkassen
geöffnet wurden.
Anmerkung 2:
Angesicht der Zustände in der PKV, wo ein geregeltes Verfahren nicht besteht und
PKV-MitarbeiterInnen intimste Daten, z. B. aus dem Bericht der
PsychotherapeutInnen (Beantragung einer Psychotherapie) lesen und ein
Medizinischer Dienst keineswegs regelmäßig besteht, handelt es sich hier um
'Peanuts' - denen man allerdings zweifellos nachgehen muß. Aber wer kümmert sich
um den Datenschutz/Schweigepflicht in der PKV. Eine Petition meinerseits war
zwar durchaus erfolgreich, hat die Situation aber nicht ändern können (vgl.
AKTUELL: Nummer
13/2012).
Ich wiederhole meine schon oft geäußerte Kritik:
Der
Datenschutz wird im Bereich der PKV nach wie vor mit Füßen getreten (Grundsätze der Zweckbindung und Datensparsamkeit). PatientInnen werden
– zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine
sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine
Kostenübernahme erfolgt.
Anmerkung 3:
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat aufgrund der Ausführungen von
Frau Voßhoff Empfehlungen für die bayerischen Praxen erarbeitet:
Das bisher von einigen Krankenkassen angewandte
sogenannte Umschlagverfahren, bei dem für den Medizinischen Dienst der
Krankenkassen (MDK) bestimmte Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag mit
dem Hinweis – nur vom MDK zu öffnen – angefordert und über die Krankenkassen an
den MDK weitergeleitet werden, wurde von der Bundesbeauftragten für den
Datenschutz (BfDI) moniert.
Die bundesunmittelbaren Krankenkassen sind daher
aufgefordert, künftig nur noch einen an den MDK adressierten Umschlag
zuzusenden. Für bayerische Krankenkassen ist das Umschlagverfahren dagegen nach
Auskunft des bayerischen Datenschutzbeauftragten noch möglich.
Ab 01.01.2016 ist eine Neuregelung des § 276 SGB V
geplant, wonach die Vertragsärzte und -psychotherapeuten verpflichtet werden
sollen, für den MDK bestimmte Unterlagen mit versichertenbezogenen Daten
ausschließlich unmittelbar an den MDK zu übermitteln.Bis zu einer
entsprechenden Gesetzesänderung ist es aus unserer Sicht möglich, beide
Verfahren anzuwenden.
Anmerkung 4:
Die Deutsche
Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V. und der DGVT-Berufsverbands
Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V. hat am
21.07.2015 eine Stellungnahme zu den Verstößen gegen den Datenschutz durch
Krankenkassen veröffentlicht: Informationsaustausch zwischen Krankenkassen und MDK – DGVT und
DGVT-Berufsverband sehen skandalösen Vertrauensbruch zu Lasten der PatientInnen.
Siehe auch "Rosa
Beilage. Aktuelles aus der psychosozialen Fach- und Berufspolitik" (Hrsg.:
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V. & Deutsche
Gesellschaft für Verhaltenstherapie - Berufsverband Psychosoziale Berufe
(DGVT-BV) e. V.) findet sich in der Ausgabe
3/2015 (11.08.2015) eine Stellungnahme von DGVT und DGVT-BV: Verstöße gegen
den Datenschutz durch Krankenkassen: Skandalöser Vertrauensbruch zu Lasten der
PatientInnen (Seite 6ff).
Anmerkung 5
(2.09.15):
Im Hinblick auf das
sogenannte "Umschlagverfahren", bei dem gutachterliche Stellungnahmen über die
Krankenkassen an den Medizinischen Dienst der Kassen (MDK) gesendet werden,
ist für Anfang 2016 eine gesetzliche Neuregelung geplant. Nach
Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, ist eine Änderung des§ 276 SGB
V geplant, die vorsieht, daß VertragsärztInnen und
-psychotherapeutInnen verpflichtet werden, die für den MDK bestimmten
Unterlagen direktan den MDK zu übermitteln
(vgl. Ärzte Zeitung
online v.
5.08.15).
Die KBV hat darauf hingewiesen,
daß von der Stellungnahme der Bundesdatenschutzbeauftragten das
Gutachterverfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie nicht betroffen ist (vgl.
Ärzte Zeitung online v.
21.07.15). Bislang ist m. W. kein Fall bekannt geworden, bei dem der Bericht
an die/den GutachterIn in der Krankenkasse geöffnet worden wäre.
Ärzte Zeitung online (24.06.15):
Tätigkeitsbericht. Der
Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei
der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer
wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen.
Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten
(von Hauke Gerlof)
Ärzte Zeitung online v. (21.07.15):
Ärzte,
aufgepasst: Patientendaten künftig direkt an MDK.
Ärzte Zeitung online v.(5.08.15):
Gesetzesänderung: Besserer Schutz für Daten für den MDK
Gesundheitsminister plant besseren
Schutz für ausgelagerte Patientendaten
Nach einem Bericht der Ärzte
Zeitung (1.06.15) plant Gesundheitsminister Gröhe den Schutz ausgelagerter Daten
(bei IT-Dienstleistern) zu verbessern. Er läßt beim Bundesjustizministerium
prüfen, ob die Schweigepflicht auf IT-Dienstleister ausgeweitet werden muß. Denn
bislang sind digitale Patientendaten gegen gegen den Zugriff von Behörden
(Beschlagnahme) nicht geschützt.
Ärzte Zeitung - online (1.06.15):
Gröhe plant: Besserer Schutz für ausgelagerte Patientendaten. Bisher sind
digitale Patientendaten nur im direkten Umfeld des Arztes gegen den Zugriff von
Behörden geschützt. Das könnte sich bald ändern.
Beschränkung des Einsichtsrechts
in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden
Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen
Teil I
Einen ungewöhnlichen Fall der Klage eines Patienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen hatte das
Amtsgericht München (1.04.2015; Az: 242 C 20527/14) zu entscheiden. Ein Patient, der bei einer Psychotherapeutin
einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der Beendigung der
Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der
betroffenen Kollegin) - die
Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot
(nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der
Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der
Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung für die Psychologischen
Psychotherapeuten (genau handelt es sich um
Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten
Bayerns;
www.ptk-bayern.de).
Das Gericht
bezog sich in seiner Entscheidung nicht auf die Berufsordnung. Es argumentierte
vielmehr, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im
vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein
Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe
entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund
der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass
bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann
vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen
Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei
nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf
diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die
Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die
Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte,
Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht - zuzumuten gewesen, dort
"Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der
Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen". Das Urteil ist bislang
noch nicht rechtskräftig.
Bereits im Vorfeld
der gerichtlichen Entscheidung hatte die Psychotherapeutin versucht, die
Behandlungsunterlagen an die die zuständige Psychotherapeutenkammer zu übergeben, bei der
sie Mitglied ist, damit der Patient dort gegebenenfalls Einsicht hätten nehmen
können. Die Psychotherapeutenkammer lehnte die Aufbewahrung der
Behandlungsunterlagen jedoch ab.
Anmerkung:
Wenn es auch in der Mehrzahl der Fälle PatientInnen sind, die Übergriffen
seitens ihrer BehandlerInnen ausgesetzt sind, gibt es auch eine nicht
unerhebliche Zahl von Fällen, in welchen PsychotherapeutInnen bzw.
BehandlerInnen Opfer von Übergriffen werden. Interessanterweise wird darüber
kaum gesprochen. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, daß KollegInnen das
Verhalten der PatientInnen schuldhaft mit Schamgefühlen verarbeiten - als
vermeintliche Reaktion der PatientInnen auf eine fehlerhafte, unzureichende
Behandlung. Selbst wenn das im zu prüfenden Einzelfall so wäre, würde das
grenzüberschreitende Verhalten der PatientInnen damit nicht legitimiert. Ähnlich
wie im Fall der Grenzüberschreitungen von TherapeutInnen kommt offenbar es zur
Schuldumkehr: Nicht der Täter ist verantwortlich für die Grenzüberschreitung,
sondern das Opfer hat die Grenzüberschreitung provoziert.
Auch wenn es sich in Relation zu
Grenzüberschreitungen bei PatientInnen um eine kleine Zahl von Fällen handelt,
scheint es mir sinnvoll diesen KollegInnen Hilfe anzubieten - hier sind die
Ärzte- und Psychotherapeutenkammern gefragt. Vermutlich sind in besonderer Weise
Psychotherapeutinnen (Frauen) betroffen, die von Übergriffen ihrer Patienten
(Männer) betroffen sind. Auch darauf wäre Rücksicht zu nehmen (weibliche
Ansprechpartnerinnen).
118. Deutscher Ärztetag: Änderung
der Muster-Berufsordnung zur Einsicht in Behandlungsunterlagen
Teil II
(Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der
BehandlerInnen)
Der 118. Deutsche Ärztetag hat eine
Änderung der Muster-Berufsordnung in vier Punkten beschlossen. Bei der
Einsicht in die Dokumentation wurde hinsichtlich möglicher Ausnahmen ein Passus
zu
Rechten der ÄrztInnen.
§ 10 Abs. 2 Satz 1 der MBO-Ä lautet
damit:
Ärztinnen und Ärzte
haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen in die sie betreffende
Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche
therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter
entgegenstehen.
Anmerkung: Die Gesetzesbegründung sieht ÄrztInnen
ausdrücklich nicht als Dritte – und ihre
Rechte damit an dieser Stelle auch nicht als schutzwürdig an. In der
Bundespsychotherapeutenkammer wurde im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte
der PsychotherapeutInnen (KJP/PP) einerseits und die juristischen Vorgaben
andererseits lange um eine entsprechende Änderung der Muster-Berufsordnung
gerungen. Die verabschiedete Version
24. Deutschen Psychotherapeutentag
(15.05.2014)
lautet nun:
§ 11 Einsicht in
Behandlungsdokumentationen
(1) Patientinnen und Patienten
ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich
Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1
zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der
Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in der Patientenakte
dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der
Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten
haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder diesem Kopien und
elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen. Die
Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener
Kosten fordern.
(2)
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder
teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische
Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die
Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen
von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit
geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt
dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem
Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz
ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der
Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.Eine
Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder
dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen
nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber
verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt.[Hervorhebung vom Verfasser]
Diese Version wird den juristischen
Vorgaben aus dem BGB deutlich gerechter, als die Formulierung in der M-BO für
ÄrztInnen. Allerdings
ist die M-BO für PP/KJP im
Hinblick auf den Satz
"Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die
Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen" aus
Datenschutz- bzw. strafrechtlichen Gründen äußerst bedenklich: Eine Einsichtnahme
in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund
gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von
Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnten durch eine Überprüfung
der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen
betroffen sein bzw. verletzt werden.
In der Berufsordnung für die KJP/PP
Bayern (Fassung v. 18.12.2014) wurde in § 11 Abs. 2 (Einsichtnahme in die
Patientenakte) folgende Formulierung gewählt:
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder
teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische
Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die
Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen
von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit
geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt
dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem
Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz
ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der
Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine
Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder
dem Patienten zu begründen.
Pressemitteilung: 118. Deutscher Ärztetag
14.05.2015: (Muster-) Berufsordnung: Änderungen beschlossen
Berufsordnung
für für die
Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns (Stand:
18.12.2014): www.ptk-bayern.de
AKTUELL: Nummer
16/2014: 24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der
Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen
PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei
Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von
der Einsichtnahme ausnehmen.
Man glaubt es kaum. Trotz des
Scheiterns aller bisherigen Bemühungen (zuletzt durch das
Grundsatzurteil des Europäischen
Gerichtshofes, das die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig
erklärt hat - siehe Teil XVI),
will jetzt die Bundesregierung einen neuen Vorstoß unternehmen. Justizminister
Maas, bislang ein erklärter Gegner des Vorhabens ist - vermutlich im
Zusammenhang der Koalitionsdisziplin - umgefallen und 'bastelt' an einem neuen
Gesetz. Ziel ist es, die vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen
Gerichtshof gezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit so zu berücksichtigen, daß
ein verfassungskonformes Gesetz verabschiedet werden kann. Zudem soll es so
abgefaßt werden, daß keine Zustimmungspflichtigkeit der Länder gegeben ist.
Für BerufsgeheimnisträgerInnen
(ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, RechtsanwältInnen, Abgeordnete und
JournalistInnen) ist geplant, die Verbindungsdaten aus Gründen der technischen
Umsetzbarkeit zu speichern, deren Nutzung jedoch zu untersagen. (Kommentar:
Es ist mehr als fraglich, ob die Daten letztlich nicht doch im Einzelfall
genutzt werden - zumal eine Kontrolle, ob das geschehen ist, kaum möglich sein
wird.)
Heribert Prantl weist in seinem
Kommentar (Suddeutsche Zeitung v. 16.04.15: 4) auf die Filmkomödie "Und täglich
grüßt das Murmeltier" hin, in der ein Wetteransager in einer Zeitschleife
fest hängt (Anmerkung: Ein sehr sehenswerter Film - einschließlich
der psychologischen Momente im Hinblick darauf, wie es dem Mann schließlich
gelingt, aus der - vermeintlich äußeren - Sackgasse heraus zu kommen). Prantls
Fazit: "Ein Grundrechtsverstoß bleibt ein
Grundrechtsverstoß auch dann, wenn er künftig nur noch vier beziehungsweise zehn
Wochen dauern soll; das sind die jetzt vorgesehenen Speicherfristen. Der
E-Mail-Verkehr soll ausgenommen bleiben." Für besonders problematisch
hält er den Umstand, daß auf die Daten nicht nur bei schwersten Straftaten
zurückgegriffen werden kann, sondern auch bei leichteren Straftaten,
insbesondere dann, wenn diese zur Vorbereitung schwerer Straftaten erfolgen.
Man muß kein Prophet sei um eine
weitere längere Auseinandersetzung bis vor das Bundesverfassungsgericht und den
Europäischen Gerichtshof für den Fall zu prognostizieren, daß das Gesetz im
Bundestag verabschiedet wird.
Anmerkung 1:
In der SZ vom 17.04.15 ist unter dem Stichwort "Klagefreude" zu lesen, daß
sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Wolfgang Kubicki und Gerhard Baum
(beide FDP) Verfassungsklagen angekündigt haben (SZ v. 17.05.15: 5)
Anmerkung 2
(1.08.15): Die SZ (Robert Rossmann) berichtet am 11.06.15
(Seite 4) unter
der Überschrift "Parlaments-Juristen rügen Vorratsdaten-Gesetz. Gutachten des
Bundestags: Entwurf missachtet an mehreren Stellen die verfassungs- und
europarechtlichen Vorgaben." über Bedenken der Bundestagsjuristen am
Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Moniert würden im Gutachten u. a. die
Information der Betroffenen und der Schutz von Anwälten und anderen
Berufsgeheimnisträgern (Seite 4).
Süddeutsche Zeitung (16.04.15):
Vorratsdatenspeicherung.
O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4
Ergänzungen zu
AKTUELL: Nummer
8/2015: Nietzsche & Wild Tales
- Pasternak
Teil
II
Zwar nicht direkt ein
Thema der Schweigepflicht aber doch ein Aspekt der Angelegenheit: Vor wenigen
Tagen las ich ein Zitat von Nietzsche, das angesichts des - nicht nur im
Zusammenhang dieser furchtbaren Tat zutage tretenden - 'Erklärungswahns'
bzw. 'Erklärungswahnsinns' einer sich als aufgeklärt bezeichnenden Gesellschaft
doch so zutreffend erschien, daß ich es hier veröffentliche:
116.
Die unbekannte Welt des "Subjects". —
Das, was den Menschen so schwer zu begreifen fällt, ist
ihre Unwissenheit über sich selber, von den ältesten
Zeiten bis jetzt! Nicht nur in Bezug auf gut und böse, sondern
in Bezug auf viel Wesentlicheres! Noch immer lebt der uralte
Wahn, dass man wisse, ganz genau wisse, wie das menschliche Handeln
zu Stande komme, in jedem Falle. Nicht nur "Gott,
der in’s Herz sieht", nicht nur der Thäter, der seine That
überlegt, — nein, auch jeder Andere zweifelt nicht, das
Wesentliche im Vorgange der Handlung jedes Andern zu verstehen.
"Ich weiss, was ich will, was ich gethan habe, ich bin frei und
verantwortlich dafür, ich mache den Andern verantwortlich, ich
kann alle sittlichen Möglichkeiten und alle inneren Bewegungen,
die es vor einer Handlung giebt, beim Namen nennen; ihr mögt
handeln, wie ihr wollt, — ich verstehe darin mich und euch
Alle!" — so dachte ehemals Jeder, so denkt fast noch Jeder. (…)
Die Handlungen sind niemals Das, als was sie uns erscheinen! Wir haben so viel
Mühe gehabt, zu lernen, dass die äusseren Dinge nicht so sind,
wie sie uns erscheinen, — nun wohlan! mit der inneren Welt steht
es ebenso! Die moralischen Handlungen sind in Wahrheit "etwas
Anderes", — mehr können wir nicht sagen: und alle Handlungen
sind wesentlich unbekannt. Das Gegentheil war und ist der
allgemeine Glaube: wir haben den ältesten Realismus gegen uns;
bis jetzt dachte die Menschheit: "eine Handlung ist Das, als was
sie uns erscheint." (…).
Eine Kollegin wies mich kürzlich auf
eine Episode im Film Wild Tales hin: Pasternak
In einem Flugzeug
flirtet der Fluggast Salgado mit einer Frau. Im Verlauf ihres Gespräches
stellen sie
fest, daß sie einen gemeinsamen Bekannten haben: Gabriel Pasternak. Während
ihrer Unterhaltung schaltet sich eine andere Frau ein, weil auch sie Pasternak
kennt. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, daß ihn alle Passagiere an Bord
kennen und ihm in irgendeiner Art und Weise etwas angetan haben. Auch weil
niemand die Reise selbst gebucht hat kommen den Passagieren erste böse
Vorahnungen, die sich bestätigen, als die Stewardess mitteilt, daß der
Flugbegleiter Gabriel Pasternak im Cockpit sitzt und die Tür verschlossen ist.
Im Garten eines Bungalows sitzt ein älteres Ehepaar - offensichtlich handelt es
sich um die Eltern von Pasternak. Dann ist im Hintergrund ist das herannahende
Flugzeug zu sehen, das direkt auf das Haus zurast.
Es handelt sich um eine von sechs
unabhängigen Kurzgeschichten, die sich mit den Themen Gewalt, Rache und
Vergeltung auseinandersetzen. Dabei wiederholt sich die Konstellation von
tiefgreifend gekränkten Menschen, die bei ihnen zu destruktiven Ausbrüchen von
Gewalt und Sexualität führen - teils in Form 'heißer Wut', teils mit
'kaltem Haß'. Dabei erinnert die 4. Episode "Bombita" sehr an Kleists Novelle
Michael Kohlhaas aus dem Jahr 1810.
Der Film
Wild Tales – Jeder dreht mal durch!
(Originaltitel: Relatos salvajes) ist eine schwarze Tragikkomödie des
Regisseurs und Drehbuchautors Damián Szifron (2014).
Der Film hatte bei seiner Premiere in
Argentinien großen Erfolg und war der
meistgesehene Film des Jahres 2014. Bei den
Festspielen in Cannes, Toronto und San Sebastian hatte er großen Erfolg
und wurde als argentinischer Beitrag für den Preis "Bester ausländischer Film"
für die 87. Oscar-Verleihung (2015) ausgewählt. In Großbritannien kam es bei dem
für den 27. März 2015 geplante Kinostart zu Kontroversen, weil drei Tage zuvor
die Maschine von Gemanwings abgestürzt war. Der Kinostart wurde allerdings nicht
verschoben.
Weder wissen wir, ob der Pilot von
Germanwings, der das Flugzeug offenbar willentlich zum Absturz gebracht hat den
Film gesehen hat (und es sich insoweit um eine Art von Nachahmungstat handelt),
noch halte ich es für statthaft über etwaige Diagnosen des Piloten zu
spekulieren (Depression, narzißtische Persönlichkeitsstörung, Psychose etc.).
Was bleibt? Schmerz, Wut, Trauer,
Ohnmacht und Nachdenklichkeit über das Wesen, die Widersprüchlichkeit und
Absurdität der menschlichen Existenz. Währenddessen sind weitere 400 Menschen im
Mittelmeer ertrunken -
afrikanische Flüchtlinge vor der Küste Libyens, die in Seenot gerieten, weil ihr
Schiff kenterte. Die italienische Küstenwache konnte lediglich 144 der
wahrscheinlich mehr als 500 Menschen retten.
Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche)
Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von
Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15)
Teil
I
Am 24.03.15 ist ein Airbus
A320 (Flug 4U9525) der deutschen Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg von
Barcelona nach Düsseldorf mit 150 Menschen in schwer zugänglichem Gelände der
französischen Alpen (Département Alpes-de-Haute-Provence) abgestürzt. Zwei Tage
nach dem Absturz nach einer erstens Auswertung des Voice-Recorders hat sich die
Staatsanwaltschaft in Marseille auf die wahrscheinliche Ursache des Absturzes -
eine Suizidhandlung des deutschen Copiloten - festgelegt. Demnach hat dieser die
Tür des Cockpits für den kurz abwesenden Kapitän willentlich nicht mehr geöffnet
und den Sinkflug eingeleitet. Der Code an der Tür war nach Angaben des
Staatsanwalts nicht zum Öffnen der Tür, sondern lediglich zur Identifizierung
der Zugangsberechtigten bestimmt. Danach seien die Atemgeräusche des Copiloten
und - kurz vor dem Aufprall - die Geräusche der an die Tür hämmernden Crew und
Flugkapitäns, der Alarm für die rasche Annäherung der Maschine an den Boden
sowie die Schreie der Passagiere zu hören.
Eine nur
unzulänglich mit Worten zu beschreibende Situation, die an die Vorgänge in den
Twin-Towers kurz von deren Einsturz erinnert. Ich möchte hier einen Moment
innehalten - im Gedenken an die Menschen, die so sterben mußten und ihre
Angehörigen (Verwandte, Freunde, KollegInnen), die mit diesen Gedanken und
Bildern leben müssen.
Am 26.03.16 hat die
Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Wohnung des Copiloten durchsucht und dabei
eine zerrissene, den Tag des Absturzes einschließende, Krankschreibungen, nicht
aber einen Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben gefunden. Hingegen fanden
sich Hinweise auf eine bestehende Erkrankung und die Behandlung in einer
Düsseldorfer Klinik. Die Klinik hat eine "diagnostische Abklärung" im Zeitraum
von Februar bis 10. März 2015 bestätigt und die Dokumentation der Staatsanwalt
übergeben. Dementiert wurde allerdings, daß der Copilot wegen Depressionen
behandelt worden sei. Weitere Einzelheiten unterlägen der ärztlichen
Schweigepflicht. (Stand 31.03.2015).
Schon an dieser Stelle halte
ich die Schweigepflicht (hier der Klinik) für gebrochen - jenseits der Frage,
wie es überhaupt sein kann, daß unter Verdacht stehende Menschen mit vollem
Namen, Wohnort und Details aus seinem Privatleben in die Öffentlichkeit gezerrt
werden.
Doch nun dreht sich der Zirkus
der Aufgeregtheiten. Noch bevor die Umstände annähernd geklärt sind, werden
Stimmen laut, die (ärztliche) Schweigepflicht für "sensible Berufe"
einzuschränken. So äußerte etwa der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer
gegenüber der Rheinischen Post: "Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom
Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und
dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein". Der
Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) soll eine
Expertenkommission zur Klärung der Frage vorgeschlagen haben, wie mit ärztlichen
Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten
umzugehen sei - insbesondere im Fall psychischer Erkrankungen und einer
möglichen Selbstmordgefahr. Und der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl
Lauterbach vertrat in einer Zeitung (auf deren namentliche Erwähnung ich
wegen ihres unerträglichen journalistischen Stils verzichte) die Meinung, wenn
Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei "der Arzt verpflichtet, den
Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren".
Letzteres ist zwar eindeutig falsch - aber auf solche Nebensächlichkeiten
scheint es derzeit nicht anzukommen.
Der Arbeitsrechtsexperte des
Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, sprach sich im
"Tagesspiegel" für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten
Fällen aus: "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten,
psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon
erfahren". Eine solche Stelle könne (wie bei Meldung von Seuchen) das
Gesundheitsamt sein.
Andere, so der Präsident der
Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery warnen vor
"vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen. (...) Die ärztliche
Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte
Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland ein Menschenrecht".
Auch die Piloten-Gewerkschaft
sprach sich gegen eine Lockerung der Schweigepflicht bei Piloten aus. In der
Rheinischen Post soll ihr Präsident, Ilja Schulz, erklärt haben:
"Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat. (...) Wenn
mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein
Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt". Nur
wenn die Schweigepflicht bestehe, könne der Arzt echte Hilfe anbieten.
Auf Anfrage der Ärzte Zeitung
sagte der der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Prof. Rainer
Richter: "Die Schweigepflicht ist nicht das Problem. Das Problem ist das
Erkennen der Fremdgefährdung. Dafür gibt es keine absolut verlässliche Methode.
Ärzte und Psychotherapeuten sind heute schon verpflichtet zu melden, wenn ein
Patient beabsichtigt, andere zu töten" (siehe dazu auch das Interview
der Deutschen Presse-Agentur (dpa) v.
30.03.15). Auch Dieter Best,
stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung
warnte im Gespräch mit der Ärzte Zeitung davor, voreilige Schritte zu
unternehmen: "Dies ist eine Diskussion der Hilflosigkeit. Die Schweigepflicht
muss für alle Patientengruppen gelten. (...) Damit würde man bestimmte
Berufsgruppen von der Psychotherapie ausschließen. Nur auf Basis von Vertrauen
kann eine gute Therapie gelingen". Auch der Vertreter des Hartmannbundes,
Dr. Klaus Reinhardt, argumentierte ähnlich: "Eine Lockerung dieses
besonderen Rechtsschutzes kann unter anderem auch dazu führen, dass Patienten
sich überhaupt erst gar nicht in Behandlung begeben oder sich gegenüber ihrem
Arzt öffnen".
Anmerkung: Ich habe oben aus verschiedenen Presseberichten berichtet,
insbesondere aus der Ärzte Zeitung online; da die Qualität der journalistischen
Berichterstattung kein Ruhmesblatt der deutschen Pressegeschichte darstellt
(auch seriöse Zeitungen berichten unter Nennung der Namen von Beteiligten) kann
ich keine Gewähr für die Richtigkeit geben.
In der
Ärztezeitung (siehe unten) äußert sich der Medizinrechtler Dr. Ingo
Pflugmacher zu den Voraussetzungen (des rechtfertigenden Notstands gemäß § 34
StGB) unter denen die Schweigepflicht gebrochen werden kann.
Weitere Stimmen dazu:
Berliner Zeitung (31.03.15) :
"Schweigepflicht. Das Arzt-Patientenverhältnis muss geschützt werden". Im
Interview mit Daniela Vates sah der Professor für Medizinrecht in Göttingen, Gunnar Duttge, die Schweigepflicht des Uniklinikums Düsseldorf sowohl
standesrechtlich wie auch strafrechtlich verletzt: "Das
gilt für die Bekanntgabe von Terminen des Patienten über die Andeutung des
Grunds der ärztlichen Behandlung bis zur Übergabe der Krankenakte an die
Staatsanwaltschaft." Auf die Frage, ob die Vorschrift zum
rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) geändert werden sollte, meinte er: "Aus
meiner Sicht nicht. Der Datenschutz ist ein hoher Wert, insbesondere im
Arzt-PatientenverhäItnis. Beim Arzt offenbaren sich Menschen in einer Weise wie
sonst nie gegenüber Fremden. Sie müssen sicher sein, dass diese Daten geschützt
werden." Und auf die Frage, ob man so viel Rücksicht auf den Datenschutz
eines Einzelnen nehmen könne, wenn 149 andere Menschen vielleicht durch ihn
gestorben seien, antworte Prof. Duttge: "Mit
der gleichen Logik könnten Sie bei anderen Ermittlungen Beschuldigte foltern.
Wir schützen Menschenrechte, gerade dann, wenn es zum Konflikt kommt, wenn es
Druck gibt. Dazu gehören auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Wir
bräuchten keine ärztliche Schweigepflicht, wenn es niemanden gäbe, der Interesse
an den Daten haben könnte."
Ärzte Zeitung - online (2.04.15):
"Diskussion über Schweigepflicht ist schädlich". Der
Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Professor Hans Drexler,
warnte davor, "das hohe Rechtsgut des
Vertrauensverhältnisses von Arzt und Klient durch eine wenig differenzierte
Diskussion um eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber
Arbeitgebern zu gefährden" und bezeichnete die Diskussion in der
Öffentlichkeit als "wenig qualifiziert bis schädlich".
Wenn Patienten sich nicht mehr gegenüber den behandelnden ÄrztInnen offenbarten,
weil sie befürchten müßten, daß der Arbeitgeber davon erfahre, würde das
"mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten"
bedeuten.
aerzteblatt.de (30.03.15): "Eine
Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht ist der falsche Weg". Prof. Frank Ulrich Montgomery
warnte im Interview vor einer "Aushöhlung
der ärztlichen Schweigepflicht". Sie sei "eine
Verpflichtung des Arztes und ein Menschenrecht der Patienten. Wir wollen doch
nicht, dass in Zukunft jede depressive Verstimmung sofort zu einem Flugverbot
führt. Hier muss die Kirche im Dorf gelassen werden." Zur Problematik der
Flugtauglichkeit unterscheidet Montgomery zwischen der (gutachterlichen)
Tätigkeit eines Fliegerarztes, der mit Einwilligung des Piloten seine
Einschätzung abgibt und einem "therapeutische(n)
Setting, bei dem ein Patient zu einem Arzt seines Vertrauens geht, um eine
medizinische Problematik zu besprechen. In diesem Fall muss der Arzt dem
Patienten raten, dass er nicht fliegen sollte. Deswegen schreibt er ihn krank.
So viel Vertrauen in menschliches Verhalten und so viel Einsicht, dass der
Patient die Krankschreibung auch an seinen Arbeitgeber weitergibt, müssen wir
dabei schon erwarten." Und weiter: "Man
sollte vor allem nicht glauben, dass man suizidales Verhalten mit
hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen kann. Bilanzselbstmorde geschehen aus
einem Affekt heraus und selbst Menschen, die sich in intensivster Psychotherapie
befinden, begehen Suizid. Hier wird durch politische Schnellschüsse wie die
Einrichtung von Expertenkommissionen oder die Aushöhlung der Schweigepflicht,
versucht, ein Gefühl der Pseudosicherheit zu schaffen."
Psychotherapeutenkammer
Hessen (Pressemitteilung v.
2.04.15): Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie
Katastrophen zu verhindern?
www.sueddeutsche.de (31.03.15
- 09:17): "Konsequenzen aus dem Flugzeugunglück. Ärztliche Schweigepflicht
muss streng bleiben. Nach der Germanwings-Tragödie wäre eine gelockerte
Schweigepflicht für Ärzte und Psychologen der falsche Weg. Das würde die
Grundlage des Arzt-Patienten-Verhältnisses erschüttern (von Werner Bartens)."
Abgesehen davon, daß der Autor offenbar den Unterschied zwischen PsychologInnen,
Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen nicht kennt, ein lesenswerter Kommentar.
Ergänzung 13.06.15
Die Süddeutsche berichtet in einem
ausführlichen Beitrag unter der Überschrift "Blind vor Angst" (SZ 12.06.13 Nr.
132:3) über die Vielzahl an Fehlinformationen und Falschaussagen, die über den
Piloten berichtet wurden - ob nun wiederum diese Informationen verläßlich sind
...
Sichtbar wird an diser Stelle ein
Phänomen der modernen Informationsgesellschaft, die erregt danach giert,
Informationen zu generieren, zu verbreiten und aufzunehmen - sofort und mit dem
Anspruch auf 'Wahrheit'. Manche Beiträge von JournalistInnen, aber auch von
PsychologInnen/PsychotherapeutInnen/ÄrztInnen und Anderen, die glauben berufen
zu sein, sich über die Psyche anderer Menschen auszulassen, wirken wie eine Art
masturbatorischer Betätigung (bei VerfasserInnen und Publikum), welche dem
Nicht-spüren-müssen von Leere und Angst angesichts von Nicht-Wissen und Ohnmacht
dienen. Letztlich werden wir durch solche Taten an die eigenen (aggressiven bzw.
destruktiven) inneren Abgründe erinnert, die in der modernen Welt ihren Ausdruck
einerseits in roher Gewalt finden und andererseits in mehr oder weniger subtilen
destruktiven Handlungen (Risikoverhalten im Straßenverkehr, Shitstorms, Mobbing,
Stalking, gefährliche Sportarten, Steuerhinterziehung etc.).
Doch
worum geht es eigentlich:
Katastrophen
stellen einen Angriff auf unser Kohärenzgefühl dar. In der von Antonovsky
entwickelten Theorie der Gesundheit ("Health, stress, and coping") spielt der
Kohärenzsinn ("sense of coherence") eine zentrale Bedeutung. Er bezeichnet eine
"globale Orientierung, die zum Ausdruck bringt, in welchem Ausmaß eine Person
über ein durchdringendes, überdauerndes aber doch dynamisches Gefühl des
Vertrauens verfügt, dass die eigene innere und äußere Umwelt vorhersagbar sind
und dass sich die Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit so entwickeln werden, wie
man es vernünftigerweise erwarten kann" (Antonovsky 1979, 123; Übers. d. Verf.).
Existenz und Ausprägung des Kohärenzsinns sind von entscheidender Bedeutung
dafür, an welchem Ort sich eine Person im Kontinuum von "Health Ease/Dis-ease"
befindet.
Im Unterschied zu
'alltäglichen' Katastrophen (Unfälle, Krankheit, Trennungen, Tod, Kränkungen
etc.), die bei den unmittelbaren Betroffenen (einschließlich des psychosozialen
Umfelds) zu einer Beeinträchtigung des Kohärenzgefühls und weitergehend zu einer
physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung bzw. Erkrankung führen können,
werden die durch Medien an jeden Ort der Welt verbreiteten
'Großschadensereignisse' (ein grauenhafter Begriff!) von Großgruppen
wahrgenommen, die als Zuschauer 'teilnehmen'. Die Erleben der einzelnen
Individuen wird dabei durch die (je nach Medium und Redaktion/Eigentümer)
unterschiedliche Art der Darstellung beeinflußt und auf bestimmte Details
gelenkt oder auch von solchen abgelenkt.
Zunächst
konfrontiert uns das Geschehen mit der dem Individuum jederzeit drohenden, nun
aber unmittelbar wahrgenommenen Gefährdung unserer Existenz - und weitergehend -
auch der Endlichkeit unserer Existenz. Bewußt erlebt wird die Ohnmacht
angesichts dessen, was geschieht und was wir nicht oder nur sehr partiell zu
beeinflussen vermögen. Um diese Ohnmacht nicht aushalten zu müßen, liegt es
nahe, einen Zustand anzustreben, der von der Vorstellung, von der Illusion
getragen ist, (wieder) Einfluß nehmen zu können.
Die insbesondere
bei Journalisten zu beobachtende Tendenz, sofort nach Ursachen und Schuld zu
suchen (und über verschiedenste Möglichkeiten, möglichst mit 'ExpertInnen'
verschiedenster Herkunft zu spekulieren) kommt dem Bedürfnis der
'KonsumentInnen' entgegen, möglichst wenig mit der Ohnmacht des Augenblicks und
den damit einhergehenden Affekte und Gefühle (Trauer, Wut, Angst und Panik)
konfrontiert zu werden.
Nicht anders ist
der Versuch zu verstehen, daß PolitikerInnen, betroffenen Verbände,
Gewerkschaften und andere Beteiligte Personen und Institutionen sofortige
Maßnahmen fordern, die häufig wenig mit den kausalen (zumeist vorerst oder
dauerhaft unklaren) Ursachen für das Eintreten des Ereignis zu tun haben. Hinzu
kommt, daß einfache Erklärungen kaum zu erwarten sind - meist handelt es sich ja
um überaus komplexe und schwer zu durchschauende (psychologische) Vorgänge, die
oft schon von den Protagonisten (PolitikerInnen, Journalisten etc.) nur
ansatzweise verstanden werden und weder dem Format journalistischer Beiträge
(Rundfunk, Fernsehen, Zeitung und Internet) noch dem Interesse und Verständnis
der breiten Leser-, Hörer bzw. Seherschaft entsprechen. Daß dabei auch andere
Faktoren eine Rolle spielen (narzißtische Bedürfnisse, Machtstreben, Erwartung
durch Medienpräsenz den Status und/oder Wahlchancen zu erhöhen) spielt zuweilen
wohl auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht zuletzt scheinen gerade
PolitikerInnen, aber auch andere Beteiligte auf vermeintliche oder reale
Vorwürfe (häufig in Boulevardzeitungen lanciert) zu reagieren, sie würden
'wieder einmal nichts zu tun'.
Bei mehr oder
weniger namhaften FachkollegInnen muß man sich schon sehr wundern, mit welcher
(vermeintlichen) Selbstsicherheit sie sich mit Erklärungen zu den
psychologischen Hintergründen von Handlungen in die Öffentlichkeit wagen, ohne
die genauen Tatvorgänge oder die daran beteiligten Personen zu kennen.
Im Hinblick auf die
Schweigepflicht muß noch etwas anderes bedacht werden. Dieter Best von der
Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), ein berufspolitisch sehr aktiver
Verhaltenstherapeut meint im Zusammenhang des Flugzeugabsturzes und die
Möglichkeiten, PatientInnen von etwaigen suizidalen Handlungen abzuhalten:
"Instrumente dafür gibt es bereits, dafür muss die Schweigepflicht nicht
gelockert werden. (...) Konkrete Gefahren können Psychotherapeuten mit einiger
Berufserfahrung sehr gut einschätzen". Hier deutet sich eine weitere
Illusion an, die wirklich gefährlich ist - als könnten (?), sollten (?) müßten
(?) PsychotherapeutInnen könnten eine 'Gefährlichkeitsprognose' abgeben.
Abgesehen davon, daß suizidale Handlungen überwiegend ausschließlich gegen die
eigene Person gerichtet sind wären statistisch zu erwartende Effekte (fasch
positiv und richtig negativ) unumgänglich. Denn: Eine Prognose ist eine Prognose
ist eine Prognose - auch wenn man mit noch so viel Sorgfalt vorgeht.
Zunächst: Das Auftreten von Suizidgedanken im Verlauf eines Lebens ist,
gerade in Zeiten von Krisen (auch der Pubertät) nichts genuin Ungewöhnliches
oder gar Pathologisches. Deutlich
seltener als Suizidhandlungen, die sich gegen die eigene Person richten - und
oft auch Appellcharakter haben (oftmals Suizidversuche/Suizidanten), sind
erweiterte Suizide bei denen Dritte mit in den Tod gerißen werden (Angehörige,
insbesondere eigene Kinder) und solche, bei denen auch Unbeteiligte vom
Suizidenten getötet werden (Amokläufe, Selbstmordattentate, geplanter
Flugzeugabsturz).
Zwar sind erfahrene
PsychotherapeutInnen sicherlich geschulter (als die Allgemeinbevölkerung)
Anzeichen für krisenhafte Zuspitzungen, fremd- oder autoaggressive Handlungen
bzw. Suizidgedanken zu erkennen (präsuizidales
Syndrom).
Und bei der Behandlung von PsychotherapiepatientInnen gilt es, auf Zeichen
und Hinweise (oder intuitives Erleben im eigenen Inneren) zu achten - und
entsprechende Gedanken des Patienten oder eigene Überlegungen anzusprechen und
zu bearbeiten - gerade auch im Hinblick auf die Frage, wie drängend
Suizidgedanken im Hinblick auf ihre Umsetzung sind oder werden könnten. Doch
kommt es nach meiner Erfahrung (15 Jahre Sozialpsychiatrie, 14 Jahre Psychotherapiepraxis)
sehr selten zu
konkreten Suizidhandlungen oder konkreten Plänen - und nicht selten erfährt man von diesen erst im Nachhinein.
Es wäre aber auch eine Größenphantasie zu glauben, durch entsprechende
Vorsichtsmaßnahmen entsprechende Absichten immer verhindern zu können - auch
PsychotherapeutInnen (selbst PsychoanalytikerInnen!) können nicht in ihre
PatientInnen hineinschauen.
In einer Zeit, die dem Popanz
der Machbarkeit verfallen ist - wird Nicht-wissen, Nicht-erklären-können,
Nicht-verstehen-können als eine Demonstration der Ohn(e)-Macht erlebt, die
bekämpft und ausgemerzt
werden muß. Aushalten-können und containen (wie wir als PsychoanalytikerInnen
sagen) sind nicht mit Nichts-tun zu verwechseln und sind vielleicht gerade jene
Eigenschaften (der TherapeutInnen), die Ausgangspunkt wirklicher Veränderung
sein können.
Wer ernsthaft glaubt, durch
Einschränkungen der (ärztlichen) Schweigepflicht könnten solche Taten verhindert
werden, hat von ihrer behandlungstechnischen Bedeutung wenig verstanden: Erst der (auch) durch die Vertraulichkeit geschützte Therapieraum eröffnet die
Möglichkeit sich offen mit bewußten und oftmals auch unbewußten (auto-)
aggressiven Impulsen auseinandersetzen zu können.
Ärzte Zeitung
- online (30.03.15):
Andreas L. einst selbstmordgefährdet. Politiker fordern Lockerung der ärztlichen
Schweigepflicht. Der Co-Pilot der abgestürzten
Germanwings-Maschine galt vor Jahren als selbstmordgefährdet und war in
psychotherapeutischer Behandlung, berichtet die Staatsanwaltschaft Düsseldorf.
Die neuen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand haben eine Debatte um die Grenzen
der ärztlichen Schweigepflicht entfacht.
Ärzte Zeitung - online (31.03.15):
Gefahrenquelle Patient.
Wann Ärzte ihre Schweigepflicht brechen müssen.
Hätten die behandelnden Ärzte von Andreas L. das Gefahrenpotenzial erkennen
können und die Behörden darüber informieren müssen? Die ärztliche
Schweigepflicht verbietet es, sich Dritten zu
offenbaren - in der Regel, denn es gibt Ausnahmen. Welche, schildert ein
Medizinrechtler. (Von Dr. Ingo Pflugmacher)
Ärzte Zeitung - online (31.03.15):
Diskussion um
Schweigepflicht geht weiter. Hätte eine Lockerung der
ärztlichen Schweigepflicht die
Germanwings-Katastrophe verhindern können? Darüber ist unter Politikern und
Ärzten eine Diskussion entbrannt. Jetzt melden sich auch Piloten zu Wort.
Interview
Prof. Dr. Rainer Richter (Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer mit der
Deutschen Presse-Agentur (30.03.2015)
zur Schweigepflicht auf dem Hintergrund des Interviews ist der Flugzeugabsturz
in den französischen Alpen.
Psychotherapeutenkammer Hessen
Wiesbaden (Pressemitteilung v.
2.04.15): Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie
Katastrophen zu verhindern?
Psychotherapeut verschickt Postkarte, die den Adressaten als Patienten
identifiziert
Aus Anlaß eines
Berichts in den Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein im
Psychotherapeutenjournal (PTJ 1/2015: 105) habe ich einen Leserbrief
geschrieben:
Im Bericht über
"Beschwerden in 2014" berichten Mitglieder der Kammervorstands über eine vom
Therapeuten verschickte Postkarte deren Inhalt den Adressaten als
Psychotherapiepatient identifizierte und schreiben dazu: "Landläufig würde man
wohl davon ausgehen, dass hier ein Verstoß gegen die Schweigepflicht vorliegt.
Dem ist aber nicht so. Um einen Verstoß gegen die Schweigepflicht hätte es sich
nur dann gehandelt, wenn nachgewiesen werden könnte, dass eine unbefugte Person
tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt der Postkarte erlangt hätte, diese also
tatsächlich gelesen hätte. Hierfür gab es aber keine Hinweise, sodass hier
lediglich ein nicht hinreichend sorgsamer Umgang mit schützenswerten Daten
festgestellt werden konnte."
Diese Auffassung
ist aus meiner Sicht zumindest fragwürdig: Der Strafrechtskommentar
Schönke/Schröder (28. Aufl. 2010: 1837, RN 20, Bearbeiter Lenkner/Eisele) führt
dazu aus: "Da die Sonderpflicht des § 203 nicht lediglich auf Verschwiegenheit,
sondern (…) auf die Wahrung des Geheimnisses gerichtet ist, ist ein Offenbaren
auch durch Unterlassen möglich, so zB wenn der Arzt die Einsichtnahme in
seine Krankenblätter oder gar deren Mitnahme nicht verhindert (…). Das bloße
Herumliegenlassen mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte genügt
dafür aber für sich genommen noch nicht (…), vielmehr sind hier entsprechend dem
positiven Tun die Voraussetzungen des § 13 nur erfüllt, wenn der Dritte von dem
Inhalt des Geheimnisses entweder tatsächlich Kenntnis genommen oder das
fragliche Dokument usw. in seinen Gewahrsam gebracht hat und dies von dem
Schweigepflichtigen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde (…).
Andere
Kommentatoren sehen den Tatbestand der Verletzung der Schweigepflicht schon
durch das Herumliegen von Krankenblättern mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme
als erfüllt an. In dem geschilderten Fall scheint mir kaum ein Zweifel daran zu
bestehen, daß sich die fragliche Postkarte (vorübergehend) im Gewahrsam
unbefugter Personen befand und dies von dem Schweigepflichtigen zumindest
bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde.
Daneben kann man
sich fragen, ob nicht noch weitere Berufspflichten verletzt wurden, so etwa die
in der Berufsordnung der PTK Schleswig-Holstein dargelegten Grundsätze zu
Behandlungsmaßstäben und Sorgfaltspflichten (§ 10).
Dr. Jürgen Thorwart
Johann-Sebastian-Bach-Weg 9
82223 Eichenau
www.schweigepflicht-online.de
Psychotherapeutenjournal
1/2015: 105: Beschwerden in 2014:
Psychotherapeutenkammer Berlin: MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht.
Aussagepflicht vor Gericht? Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)
Bei Recherchen habe
ich den folgenden Beitrag der Psychotherapeutenkammer Berlin gefunden, der sich
mit dem Zeugnisverweigerungsrecht vor Zivilgerichten und Strafgerichten bezieht;
zum Teil verweist er auch auf Bestimmungen aus der Berufsordnung der PTK Berlin.
Psychotherapeutenkammer Berlin:
MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht. Aussagepflicht vor Gericht?
Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)
Psychotherapeut (Diplom-Psychologe) verletzt durch Bescheinigung beim
Familiengericht seine Schweigepflicht
Die Recklinghäuser Zeitung berichtet
in einem Beitrag vom
14. März
2015, 14:07 Uhr (Zitat):
RECKLINGHAUSEN Wegen eines "Geheimnis-Verrates" landete jetzt ein Recklinghäuser
Psychotherapeut vor Gericht. Ein Vater hatte Strafanzeige gestellt, weil er in
einem Sorgerechts-Streit eine Verletzung der Schweigepflicht des Therapeuten
ausgemacht hatte.
Der
Psychotherapeut (53) aus Recklinghausen ist nur knapp an einer Verurteilung
wegen Verstoßes gegen die Schweigepflicht vorbeigeschrammt.
Vize-Amtsgerichtsdirektor Manfred Borgstädt bestätigte: Gegen Zahlung von 3 600
Euro Geldauflage wurde das Verfahren eingestellt.
„Bescheinigung zur Vorlage beim Familiengericht.“ Es war diese Widmung zur
Informationsweitergabe auf einem Schreiben an eine Patientin, die die Bochumer
Staatsanwaltschaft veranlasst hatte, gegen den Diplom-Psychologen wegen
„Verletzung von Privatgeheimnissen“ zu ermitteln. Da das Schreiben keineswegs
nur Infos aus Therapiegesprächen mit der eigentlichen Patientin, sondern
wunschgemäß auch Mitteilungen über Persönlichkeitsdefizite ihres Mannes
enthielt, sorgte es Ende 2014 vor dem Oberlandesgericht in Hamm für Riesenärger.
Dort stritten die Patientin und ihr Mann um das Sorgerecht für ein Kind. Der
Mann, der bei dem Psychotherapeuten einmal auch ein gemeinsames
Paartherapiegespräch mitgemacht hatte, fühlte sich durch dessen Bescheinigung,
er habe „Alkoholprobleme“ und sei „manipulativ“, verraten – und erstattete
Strafanzeige.
Vor Gericht zeigte sich der Therapeut einsichtig, mit der Info-Preisgabe damals
wohl über das Ziel hinaus geschossen zu sein. Mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren gegen Zahlung von 3600 Euro eingestellt.
Damit behält der Therapeut seine strafrechtlich weiße Weste.
Anmerkung:
Die Verletzung der Schweigepflicht berührt hier zwei Ebenen: Die unbefugte
Weitergabe von Geheimnissen, die der Sphäre des Ehemannes angehören (z.B.
möglicher Alkoholkonsum, Verhalten gegenüber Kindern) von welchen der
Psychotherapeut im Rahmen eines Paargespräches Kenntnis erlangt hat; die
Weitergabe ist selbstverständlich nur mit Einwilligung des Ehemanns zulässig.
Hätte dieses Gespräch nicht stattgefunden und wäre die Offenbarung von
Geheimnissen des Ehemanns ausschließlich über die Patientin erfolgt, würde das
am Ergebnis nichts ändern. Denn die den Ehemann betreffenden Geheimnisse
unterliegen alleine seiner Verfügungsgewalt - eine Weitergabe wäre demnach nur
mit seiner Einwilligung möglich. Insbesondere auch im Bereich der Behandlung von
Kindern und Jugendlichen durch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen ist
bei Stellungnahmen an das Familiengericht Vorsicht geboten.
Die Schweigepflicht gegenüber dem Finanzamt -
Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4.
Dezember 2014 (V R 16/12)
Wiederholt ist mir von KollegInnen im
Rahmen von Betriebsprüfungen mitgeteilt worden, daß die PrüferInnen
Original-Rechnungen mit Patientendaten (Name, Anschrift, teilweise auch mit
Diagnosen) einsehen wollten. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die
Rechnungen nicht mit Rechnungsnummern versehen wurden, weil dann die
Buchungsbeträge nicht eindeutig zuzuordnen sind. Zur Vermeidung solcher
'Zwischenfälle' sollte dies also unbedingt geschehen. Die Rechtmäßigkeirt dieser
Einsichtnahme ist umstritten (siehe den Beitrag von RA Dr. Rüping, juristische
Beraterin der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen 2004: Müssen PP/KJP
dem Finanzamt Patientennamen offen legen?).
Auf dem Hintergrund einer aktuellen
Entscheidung des
Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 (V R 16/12)
mehren sich nun die Anzeichen dafür,
daß die Schweigepflicht Vorrang vor dem Auskunftsinteresse der Finanzbehörden
hat: Dabei hat der BFH
entschieden, daß Kliniken und ÄrztInnen Namen von PatientInnen nicht nennen
müssen, um Steuerfreiheit zu erreichen. Es ging dabei um (üblicherweise
umsatzsteuerpflichtige) Schönheits-Operationen, für die Steuerfreiheit erreicht
werden sollte.
In der Pressemeldung des BFH
heißt es dazu:
Darüber
ist auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen zu entscheiden. Das
Regelbeweismaß ist auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" zu verringern.
(...) Eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung darf
nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten
Patienten genannt werden. Stattdessen ist auf der Grundlage der anonymisierten
Patientenunterlagen ein Sachverständigengutachten über die mit der Operation
verfolgte Zielsetzung einzuholen. Der BFH betont auch die den Steuerpflichtigen
(Klinik oder Arzt) treffenden Mitwirkungspflichten. Dieser muss --auf
anonymisierter Grundlage-- detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen
Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung
machen.
Der BFH hob dementsprechend das
Urteil der Vorinstanz auf, "das eine Beweiserhebung von einer Benennung der
behandelten Patienten abhängig gemacht hatte. Die Sache wurde an das
Finanzgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Mit einem weiteren
Urteil vom gleichen Tag hat der V. Senat ebenfalls zur Steuerfreiheit von
Schönheitsoperationen entschieden (V R 33/12)." (Pressemeldung des BFH v.
18.02.2015).
Bundesarbeitsgericht (Erfurt): Grenzen der Observation durch einen Detektiv mit heimlichen
Videoaufnahmen
In der Pressemeldung (7/15) hat das
Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Haltung so formuliert:
Ein
Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit
einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt
rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei
heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen
Geldentschädigungsanspruch ("Schmerzensgeld") begründen.
Die Entscheidung erging mit
Datum vom 19. Februar 2015 - 8
AZR 1007/13 - (Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 -)
Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor
dem Start in den online-Betrieb
(Teil
XIX)
Seit Jahresbeginn ist die Vorlage
einer egK verpflichtende Voraussetzung der Inanspruchnahme ärztlicher und
psychotherapeutischer Listungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Nur in
Ausnahmefällen kann eine schriftliche Bestätigung der jeweiligen Krankenkasse
vorgelegt werden).
Während das
Bundesgesundheitsministerium
demnächst ein "E-Health-Gesetz" vorlegen möchte (geregelt werden sollen u. a.
Fristen für die online-Anwendungen wie Notfalldaten, Entlaßbriefe,
Arzneimanagement, aber auch entsprechende Finanzierungsregelungen), hat der
GKV-Spitzenverband beschlossen die für die eGK vorgesehenen Gelder (57 Millionen
Euro für den Haushalt der Betreibergesellschaft der Gesundheitskarte - gematik)
zu sprerren. (Anmerkung: Die Sperre wurde
nach wenigen Tagen wieder aufgehoben; Arzte Zeitung v. 19.01.15.)
Für den Herbt diesen Jahres ist eine
große Online-Testphase (Rollout Stufe 1)
geplant (getestet wird der Abgleich
der Versichertenstammdaten und die qualifizierte elektronische Signatur),
ab Mitte 2016 soll der online-Abgleich der Versichertenstammdaten dann
flächendeckend erfolgen.
Ärztezeitung v.
8.01.2015: Ist die Kassen-Drohung nur ein Hilferuf? Neuer Zoff um die
E-Card: Der GKV-Spitzenverband will der Betreibergesellschaft der elektronischen
Gesundheitskarte den Geldhahn zudrehen. Doch geht es dabei wirklich nur darum,
Druck auf die Ärzteschaft auszuüben?
Die Fraktion Die Linke (Harald
Weinberger u. a.) hat eine Kleine Anfrage beim Bundeskanzleramt eingereicht.
Hintergrund ist die Absicht eines privaten Versicherungskonzerns
(Generali-Gruppe) Verfgünstigungen für Versicherte einzuführen (Rabatte,
Prämiennachlässe für Krankenversicherungspolicen), die der elektronischen
Datenübermittlung (Fitness, Ernährung, Lebnensstil) an den Versicherer zustimmen
und z. B. Sport treiben, Nicht rauchen oder Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch
nehmen. Die Übermittlung der Daten würde in digitaler Form (etwa mittels von
Apps) erfolgen. Auch der Axakonzern hat Pläne, di in dieselbe Richtung gehen: Er
schloß kürzliche eine Koopertionsvereinbarung
mit Samsung, die vorsieht, daß
die vom Elektronikhersteller
angebotene
Armbanduhr "Gear 3" mit Hilfe eines
Samsung-Smartphone Fitnessdaten aufzeichnet und an den Versicherer überemittelt.
Die Abgeordneten möchten von der
Bundesregierung wissen, wie sie zu solchen Plänen bzw. Vorhaben steht, welche
Regulierungsmaßnahmen in diesem Bereich vorgesehen sind und ob diese Konzepte
der Prämienkalkulation nach Einschätzung der Bundesregierung zu einer
Diskriminierung von
Menschen mit Behinderungen führen könnte.
Ärztezeitung v.
14.01.2015: Was macht die PKV mit Gesundheitsdaten? Die Fraktion Die Linke
will von der Bundesregierung wissen, was sie gegen einen möglichen Missbrauch
von Gesundheitsdaten zu tun gedenkt, die von privaten Krankenversicherungen
gesammelt werden.
Der Bundesnachrichtendienst hat Daten von BundesbürgerInnen jahrelang an die
NSA weitergeleitet
Nach Informationen des NDR, WDR
und der Süddeutschen Zeitung (4./5.10.2014) wurden von 2004-2009 Daten
weitergeleitet, die am Internetknoten Frankfurt abgefangen wurden, nachdem die
NSA darauf gedrungen hatte. Nach der zwischen den Diensten getroffenen
Vereinbarung sollten dabei die grundgesetzlich geschützte Kommunikation
herausgefiltert werden, was aber technisch nur teilweise gelang. Der Umfang der
auf diese Weise rechtswidrig in die USA gelangten Informationen ist nicht
bekannt und soll nun vom zuständigen NSA-Untersuchungsausschuß des Deutschen
Bundestages ermittelt werden. Die für Zugriffe auf Kommunikationsdaten
zuständige G-10-Kommision des Bundestages hat zwar das Abhören des Knotenpunkts
Frankfurt durch den BND genehmigt, wurde aber nicht darüber informiert, daß die
Daten an die NSA weitergeleitet wurden. Auch das Parlamentarische
Kontrollgremium des Bundestages war offenbar nicht über die Operation 'Eikonal'
informiert. Genehmigt wurde sie vom damaligen Kanzleramtsminister (Steinmeier)
und bereits damals soll es sogar im BND Bedenken gegeben haben (SZ v.
4./5.10.2014: 1).
Heribert Prantl spricht in
einem Kommentar zur Operation 'Eikonal' vom "Totalverlust eines Grundrechts
(...). Der Wesensgehalt des Artikels 10, Fernmeldegeheimnis, ist offensichtlich
nicht nur angetastet, er ist schon ziemlich zerstört" (SZ v. 4./5.10.2014: 4).
Als Eikonal (altgriechisch: εἰκώνeikon = Bild, Abbild) wird in der geometrischen Optik die Strecke
eines Lichtstrahls zwischen Ausgangs- und Endpunkt bezeichnet (wikipedia.org).
Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die
Anwesenheit von Medizinstudenten während einer Geburt verletzt ohne die
ausdrückliche Zustimmung der Mutter deren Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens(Art. 8
EMRK - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens); Urteil v. 9.10.2014 (Az.: 37873/04)
Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat einer zum
Zeitpunkt der Geburt 18-jährigen Russin, die in einer Klinik in ihrem Heimatland
entbunden hat, eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil
bei der gut halbstündigen Geburt entgegen ihrem Willen mehrere Medizinstudenten
im Kreißsaal anwesend waren, die offensichlich auch über ihren gesundheitlichen
Zustand und die bisherige Behandlung informiert worden waren. Die
Klinikbroschüre
enthielt eine Information über das Ausbildungsprogramm der Klinik, an dem alle
Patienten beteiligt würden.
Zuvor hatte die Frau schon in
Russland wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte gegen die Klinik
geklagt, war jedoch abgewiesen worden. Der EGMR sah hingegen ihr Recht auf
Privatleben verletzt (§
8 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EGMR). Die Teilnahme von
Studenten bei einer Geburt sei zwar grundsätzlich durchaus zulässig und nach
russischem Recht auch vorgesehen gewesen. Damals (1999) sei die entsprechende
Regelung aber einseitig auf die mediziniche Ausbildung fokussiert und die Rechte
der PatientInnen nicht ausreichend geschützt gewesen. Zudem sei der Eindruck
erweckt worden, die Teilnahme der Studenten sei zwingend und alternativlos.
Anmerkung:
Das Urteil ist insofern bemerkenswert, als die Frau den Mut hatte eine Klage in
Rußland und dann in Straßburg anzustrengen. Ich bin überzeugt - und weil es auch
aus eigener Erfahrung - daß PatientInnen in der Regel weder informiert werden,
ob an der Behandlung nicht unmittelbar Beteiligte (die PatientInnen ebenfalls
bekannt sein müssen) anwesend sind, geschweige denn in diesem Fall ihre
Zustimmung eingeholt wird.
Urteil des Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) v. 9.10.2014 (Az.:
37873/04)
Datenschutz in der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet
Frau
Prof. Dr. med. Renate Schepker vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg hat im
Deutschen Ärzteblatt einen Artikel veröffentlicht, der auf die Risiken durch
eine immer detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie hinweist.
Betroffen ist die besonders vulnerable Gruppe psychisch erkrankter Menschen.
Mit dem - freundlicherweise erteilten
- Einverstänbdnis der Autorin gebe ich hier den aus meiner Sicht außerordentlich
wichtigen Beitrag in der Fassung des Deutschen Ärzteblatt (siehe unten) wider:
Datenschutz in
der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet
Eine immer
detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie birgt Risiken für die
besonders vulnerable Patientengruppe.
Der mündige Bürger
vertraut darauf, dass er ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat.
Dazu gehört eine volle Aufklärung über die Weitergabe von Sozialdaten nach § 4 a
des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Diese erfordert die Schriftform und ist
„nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht“. Nach
§ 3 BDSG bedarf es darüber hinaus einer ausdrücklichen Einwilligung, soweit
besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder
genutzt werden, zu denen „Angaben über die rassische und ethnische Herkunft,
politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen,
Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben“ zählen. In keinem Fall,
könnte man daraus schlussfolgern, würden also besonders sensible oder
schambesetzte Daten ohne eine Zustimmung des Patienten an seine Krankenkasse
geraten, etwa Daten, die mit dem Sexualleben zu tun haben, mit einem
Selbstmordgedanken oder mit der Tatsache, dass ein Patient nach Alkoholgenuss
gewalttätig wird.
Weit gefehlt. Im
Gegenteil, sie müssen es sogar. Die Datenübermittlung gestattet derzeit
theoretisch jedem bei den Krankenversicherungen beschäftigten Sachbearbeiter –
im Jahr 2009 waren das 137 513 Personen (1) –,
Kombinationen von Diagnosen und Leistungen und damit Fallverläufe
nachzuvollziehen. Dies lässt sich an drei Beispielen illustrieren (Kasten).
Weitgehend
unbemerkt von der Öffentlichkeit und bereits beginnend mit dem Jahr 1998 wurde
in Spezialgesetzen eine eigene Befugnisnorm etabliert. 2008 stellte das
Bundessozialgericht klar (2), dass „nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (. . .) das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet (ist).
Vielmehr muss der Einzelne solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die
durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind; diese Beschränkungen
bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage“. Hinsichtlich
der Sozialgesetzgebung verweist das Bundessozialgericht darauf, dass durch die
bereichsspezifischen Regelungen innerhalb der Sozialgesetzbücher die
allgemeineren Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ihre Gültigkeit verlören.
So führt das BSG im
oben genannten Urteil aus, dass der Gesetzgeber sich verpflichtet gesehen habe,
„Grundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit
Leistungsabrechnungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu
schaffen“. In § 284 ff. SGB V sollte dem Recht der Versicherten auf
informationelle Selbstbestimmung im Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen
Datenverwendung und -verarbeitung Rechnung getragen werden, da es sich – hier
wird im Urteil auf die damaligen Debatten im Bundestag verwiesen (3)
– bei der Verarbeitung personengezogener und großteils
schweigepflichtsgeschützter Gesundheitsdaten um besonders sensible Daten
handele. Weiter interpretiert das BSG-Urteil den Willen des Gesetzgebers
folgendermaßen: „Die Erfassung, Verwendung und Übermittlung von Leistungs- und
Gesundheitsdaten werde ausschließlich für die im Gesetz bezeichneten Zwecke
zugelassen und im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum
beschränkt“ (Hervorhebung durch die Verfasserin) (4).
In § 301 (1)
SGB V ist eine Verpflichtung der Krankenhäuser geregelt – diese ist somit nicht
zustimmungspflichtig durch die Patienten –, unter anderem an die Krankenkassen
in Verbindung mit den nicht anonymisierten Patientendaten folgende Angaben zu
übermitteln: „den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die
Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der
Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen (. . .), Datum und Art der im
jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren (.
. .)“. Beispiele für Verzeichnisse der „Operationen und Prozeduren“ bei
psychischen Erkrankungen siehe (5).
Diese harmlos
klingenden Formulierungen sollen nachvollziehbar das Leistungsgeschehen und die
Abrechnungswege zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen regulieren. Auch für
psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser und Abteilungen gilt die
Pflicht zur Übermittlung dieser Daten bereits, denn § 301 (2)
SGB V legt die Gültigkeit auch für die Krankenhäuser nach § 17 d
Krankenhausfinanzierungsgesetz fest. Obwohl die Prozeduren für die
Leistungsabrechnung derzeit nur für die sogenannten Optionshäuser relevant sein
könnten, werden sie bereits übermittelt, wie aus den regelmäßig zwischen der
Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen
Krankenversicherung vereinbarten Schlüsselfortschreibungen zur Vereinbarung nach
§ 301 Abs. 3 SGB V hervorgeht (letzter Entwurf vom 1. April 2014). Die derzeit
von allen Kliniken erhobenen und übermittelten OPS-Daten sind nicht
abrechnungsrelevant und dienen ausschließlich der Entwicklung des
PEPP-(Pauschalierende Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik-)Systems.
Die Formulierungen
im § 301 SGB V wurden verabschiedet und fortgeschrieben, bevor die
außergewöhnlich hohe Differenzierung des Psych-OPS-Leistungskatalogs (siehe
Stichwort „Operationen und Prozeduren“) entwickelt und vom DIMDI – Deutsches
Institut für Medizinische Dokumentation und Kommunikation veröffentlicht wurde,
so dass sich bisher kein Datenschützer dafür interessiert zu haben scheint.
Spezielle Datenschutzvorkehrungen für Patienten mit psychischen Erkrankungen
sind nicht getroffen worden.
Ob unter den
Informationen aus den Beispiel-Datenfiles nun eine Informationsübermittlung zu
verstehen ist, die sich „im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck
unerlässliche Minimum beschränkt“, erscheint mehr als fraglich. Ärzteschaft,
Fachvertreter und Ärztekammern wären sehr wohl beraten, in der weiteren
Entwicklung der OPS für die Psychiatrie und Psychosomatik weniger „kleinteilig“
vorzugehen und mehr Komplexleistungen zu entwickeln.
Das Mitteilen
psychiatrischer Diagnosen und Nebendiagnosen an sich ist bedenklich genug. Es
erscheint im Sinne des Patientenschutzes derzeit vor allem bedenklich, dass weit
vor der Relevanz dieser Kodes für die Vergütung von Krankenhausleistungen all
solche Informationen in aller Breite übermittelt werden. Schon bei der
Erprobung, also im Hinblick darauf, ob Kodes überhaupt eine Relevanz für das
neue Abrechnungssystem haben, müssen sämtliche psychiatrischen und
psychosomatischen Kliniken in Deutschland jahrelang diese Daten jeder Abrechnung
der Behandlung eines Patienten beifügen.
Den Patienten und
ebenso den Patientenverbänden dürfte nicht bekannt sein, dass gerade aus den
besonders sensiblen Leistungskodes für psychische Erkrankungen deutlich mehr
ablesbar ist als aus denen des DRG-Systems.
Prof. Dr. med.
Renate Schepker
Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg
Literatur:
(1)
BSG, Urteil vom 10. 12. 2008 - B 6 KA 37/07 R
(2)
BT-Drucks 11/3480, S. 29 zu „Transparenz“
(3)
BT-Drucks 11/3480, S. 67 zu §§
292 bis
312 SGB V
(4)
Bundesministerium für Gesundheit (2009): Gesetzliche Krankenversicherung.
Personal- und Verwaltungskosten 2007 (Ergebnisse der GKV-Statistiken KG1/ 2007
und KJ1/ 2007). Bericht vom 28. Januar 2009. Eigendruck, Berlin
(5)
In 2014 gültige OPS psychiatrischer Behandlungen für Erwachsene und für Kinder
und Jugendliche:
Nach §
100 SGB X (siehe unten) besteht ein Anspruch der Bundesagentur für Arbeit (und
aller Leistunggsträger) gegenüber
ÄrztInnen und VertragspsychotherapeutInnen auf Auskunft über die für ihre
Aufgabenerfüllung notwendigen Angaben. Die
Bundespsychothrapeutenkammer hat - wie schon früher die Bundesärztekammer - eine
Rahmenvereinbarung zur Übermittlung von Daten an dern Ärztlichen Dienst der
Bundesagentur für Arbeit abgeschlossen (rückwirkend
zum 1.1.2014).
Für die
Ausstellung des vollständigen Befundberichts
(Formular) und die Übermitung an den Ärztlichen Dienst (innerhalb von 10
Werktagen) wurde ein Honorar i. H. von EUR 32,50 (zzügl. Kopierkosten)
vereinbart.
§ 100 SGB
X:
Auskunftspflicht des Arztes oder Angehörigen eines anderen Heilberufs
(1) Der Arzt oder Angehörige eines
anderen Heilberufs ist verpflichtet, dem Leistungsträger im
Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die
Durchführung von dessen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch
erforderlich und
1. es gesetzlich zugelassen ist
oder
2. der Betroffene im Einzelfall
eingewilligt hat.
Die Einwilligung bedarf der
Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere
Form angemessen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für
Krankenhäuser sowie für Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtungen.
(2) Auskünfte auf Fragen, deren
Beantwortung dem Arzt, dem Angehörigen eines anderen Heilberufs
oder ihnen nahe stehenden Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der
Zivilprozessordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer
Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden,
können verweigert werden.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zur berufsrechtlichen Würdigung
einer möglichen Verletzung der Dokumentation und Abstinenz (Beschluß vom
10.02.2014; AZ: 13 E 494/12 T)
Das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen (OVG-NRW) hat eine Beschwerde einer jungendlichen Patientin
mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Rüge der Vorinstanz (Berufsgericht
für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht -
Beschluß v. 7.11.11) gegen die frühere Behandlerin (Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutin) wegen Verletzung der Dokumentationspflicht sowie
des Abstinenzgebots und das Ordnungsgeld (500 Euro) aufrechterhalten bleibt.
Zur Fallkonstellation: Die
Psychotherapeutin behandelte von 2005-2010 eine 1994 geborene Jugendliche
(einschließlich Elterngespräche); von
Januar 2008 bis November 2019 war die Mutter in
einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (Sekretärin) für die
Psychotherapeutin tätig war. Wegen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen
kam zur Kündigung von Seiten Psychotherapeutin. Im Januar 2010 erhob die Mutter
Klage (Lohnansprüche und Arbeitszeugnis), mit Schreiben vom 28. Januar 2010
teilte die Psychotherapeutin der Mutter der jugendlichen Patientin mit, daß sie
die Therapie mit ihrer Tochter beenden müsse.
Aufgrund des
derzeitigen Konflikts zwischen den Eltern der Patientin und ihr sei keine Basis
für ein tragfähiges Arbeitsbündnis gegeben. Es bestehe keine Möglichkeit, die
notwendigen und für die Eltern auch bei der Krankenkasse beantragten
Bezugspersonenstunden innerhalb der Therapie im für alle Beteiligten wertfreien
und neutralen Rahmen durchzuführen. Die Grundlage für eine effektive Therapie,
eine gute Beziehung zum Familiensystem, sei gestört. Eine Weiterbehandlung sei
zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz in H. oder in N.
möglich. (Zitat aus dem Beschluß: Absatz 5)
Hierauf erhob der
Vater eine förmliche Aufsichtsbeschwerde bei der Psychotherapeutin und rügte
insbesondere den rechtswidrigen Abbruch der Behandlung seiner Tochter und
forderte Einsicht in die Behandlungsdokumentation. Da nichts geschah beschwerte
er sich im Dezember 2010 beim zuständigen Ministerium über die Untätigkeit der
Psychotherapeutin. Diese verwies mit Schreiben vom 11. Januar 2011 darauf, daß
eine Beschwerde nur durch die Tochter selbst erhoben werden könne. Daraufhin
wandte sich die Jugendliche (15.01.11) mit einer entsprechenden Beschwerde an
ihre frühere Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.
In ihrer
Stellungnahme vom 14. März 2011 führte die Antragstellerin aus, sie habe
zunächst versucht, den arbeitsrechtlichen Konflikt mit der Mutter und dem als
Sprachrohr auftretenden Vater von der Therapie zu trennen. Nach Erhalt der
Klageschrift sei dies allerdings nicht mehr möglich gewesen, so dass sie sich
entschlossen habe, die Therapie zu beenden. Dies habe sie auch der
Beschwerdeführerin ausführlich erklärt. Insbesondere habe sie mit ihr erörtert,
dass für eine optimale Therapie im Laufe der Zeit auch Elterngespräche notwendig
seien, für die nun keine neutrale Grundlage mehr bestehe. Die Patientin habe
etwas bedrückt gewirkt, ihres Erachtens die Entscheidung jedoch akzeptiert. Über
den Therapiestand von M. habe aufgrund der Beschäftigung der Mutter in ihrer
Praxis stets die Möglichkeit des Austausches bestanden, was auch bis zur ersten
Krankschreibung von Frau I. am 3. September 2009 zeitweise formlos genutzt
worden sei. Auch habe Frau I. bis zu diesem Zeitpunkt stets in die vollständige
Akte Einsicht nehmen können. (Absatz
)
Im weiteren Verlauf rügte die
Psychotherapeutenkammer NRW die Psychotherapeutin (9. Mai 2011) und verhängte
ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 Euro (1. Abstinenzverletzung im Zusammenhang
eines Anstellungsverhältnisses-außertherapeutischer Kontakt und 2.
Vorteilsnahme; 3. Verletzung der Schweigepflicht, da die Psychotherapeutin der
Mutter Einblick in die Unterlagen der Tochter gewährt habe und 4. Verletzung der
Dokumentationspflict).
Der Antrag der
Psychotherapeutin, die ihr erteilte Rüge aufzuheben, hob das Berufsgericht für
Heilberufe (beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - Beschluss vom 7.
November 2011) das mit der Rüge verhängte Ordnungsgeld auf (Reduzierung auf 500
Euro)und wies den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung ab. Aus der Sicht sea
Berufsgerichts lag weder eine Vorteilsbahme noch eine Abstinenzverletzung, nocj
eine Verletzung der Schweigepflicht vor - "weil die einwilligungsfähige M. I.
[jugendliche Patientin] sie konkludent davon entbunden habe." (Absatz 9).
Lediglich ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht liege vor, da keine keine
Fallkonzeptualisierung für die Patientin vorliege. Die Psychotherapeutin sei
insowit "mit einem maßvollen Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro zur Erfüllung
ihrer Pflichten anzuhalten" (Absatz 9)
Im Mai 2012 erhob die Patientin
Beschwerde gegen den Beschluß des Berufsgerichts für Heilberufe v. 7.11.11,
beschränkte diesen auf die Feststellungen zu den Verstößen gegen das
Abstinenzgebot und die Schweigepflicht und begründete dies mit einem zu engen
Verständnis des Abstinenzgebots und das Vorliegen eines Verstoß gegen § 8 Abs. 1
Satz 1 BO-NRW (Schweigepflicht), da sie die ihre Psychotherapeutin nicht
konkludent von ihrer Schweigepflicht entbunden habe.
Fortsetzung folgt!
Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen
v. 10.02.2014; AZ: 13
E 494/12 T (über: www.openjur.de)
Die Krankenkassen fordern mit
zunehmender Tendenz Auskünfte und Informationen von ÄrztInnen und
PsychotherapeutInnen über ihre Versicherten. Grundsätzlich besteht im Bereich
der GKV eine Verpflichtung (und auch Berechtigung) für VertragsärztInnen
Anfragen zu beantworten
sowie Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten zu erstellen
soweit dies
zur Erfüllung der gesetzlichen
Aufgaben der Krankenkassen erforderlich ist (§ 36 Abs. 1 BMV-Ä, § 6 Abs. 3 EKV).
Die Kassenärztliche Vereinigung
Bayerns hat eine Broschüre auifgelgt, in der über des Verfahren (Formulare,
formlose Anfragen, Vergütung etc.) informiert zugleich aber auch darlegt, in
welchen Fällen Auskünfte verweigert werden können bzw. müssen. Dazu liegen zwei
Musterbriefe an die anfragenden Krankenkassen vor.
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns:
Anfragen von Krankenkassen.
Wann Praxen berechtigt sind, die Auskunft zu
verweigern
(Stand 2/2014)
Die Zeitschrift info praxisteam (Der
Treffpunkt für die Arzthelferin) präsentiert in seiner aktuellen Ausgabe
(3/2014: 12) Informationen
über Datenverwaltung
und Datenschutz in der Arztpraxis und verweist dabei auch auf die einschlägigen
Veröffentlichungen der KBV und der BÄK. Keine neuen Informationen aber für
Einsteiger in das Thema geeignet.
Urteil des Kammergerichts Berlin zur Schweigepflicht von
ÄrztInnen bei Verdacht von Kindesmißhandlungen (27.06.13; 20 U 19/12).
Das Berliner Kammergericht hat mit
Urteil vom 27. Juni 2013
die Berufung eines Elternpaars gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom
6.12.11 – 13 O 423/09 wegen der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht
zurückgewiesen und keine Revision zugelassen.
Im vorliegenden Fall war ein
vier Monate altes Baby von den Eltern wegen eines Krampfanfalls in die
Notaufnahme einer Klinik gebracht worden. Die behandelnden Ärzte kamen zum
Ergebnis, daß beidseitige subdurale Blutungen und Netzhautablösungen vorliegen.
Weiter wurde festgestellt, daß die Fontanelle vorgewölbt war. Ob auch der von
den ÄrztInnen angenommene Schädelbruch vorlag, konnte im Rechtsstreit nicht
geklärt werden, da die Eltern anzweifelten, daß die vorgelegten Rötgenaufnahmen
die ihres Kindes seien.
Als Ursache der festgestellten
Verletzungen gaben die Eltern an, das Kind habe sich
nach der Herausnahme des Sitzverkleinerers zu
großen Babyschale ("Maxi Cosi")
beim Autofahren (Linkskurve)
den Kopf gestoßen.
Hingegen waren die ÄrztInnen davon überzeugt, daß im vorliegenden Fall das
klassische
Erscheinungsbild einer Kindesmisshandlung im Säuglingsalter vorliege. Obwohl
sich die Eltern zunächst kooperativ zeigten, lehnten sie in der Folge weitere
Gespräche mit dem Sozialdienst der Klinik ab. Daraufhin wurde das
Landeskriminalamt und das Jugendamt informiert, daß für ein Schütteltrauma
typische Verletzungen vorlägen, deren Herkunft ungeklärt sei. Im Anschluß wurden
die Eltern vorläufig festgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts
der Kindesmisshandlung eingeleitet - das Kind wurde zeitweilig bei Pflegeeltern
untergebracht .
Das Verfahren wurde jedoch
eingestellt, weil sich nicht sicher feststellen ließ, ob die Eltern das
Schütteltrauma bei ihrem Kind verursacht hatten - im Gegenzug verklagten die
Eltern die behandelnden ÄrztInnen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Dabei spielte die Frage eine zentrale
Rolle, ob die ÄrztInnen durch die Verdachtsmitteilung an das LKA und das
Jugendamt ihre Schweigepflicht gebrochen haben. Nach Ansicht des KG Berlins
waren die
Ärzte "nach
§ 34 StGB berechtigt, Polizei und Jugendamt einzuschalten, weil aus ex ante
Sicht ein ernstzunehmender Verdacht einer dem Kläger zu 1.
[Kind]
zugefügten Kindesmisshandlung bzw. zumindest vorsätzlichen Körperverletzung
bestand und insoweit - was regelmäßig anzunehmen ist - Wiederholungsgefahr
bestand."
Das Urteil kann online
nachgelesen werden. Nachfolgend die Leitsätze:
Haftung von
Ärzten wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht: Information von
Jugendamt und Landeskriminalamt bei Verdacht einer Kindesmisshandlung
Leitsatz:
1. Kommen Ärzte
bei einer Behandlung von Kindern nach ärztlichem Standard zu dem
ernstzunehmenden Verdacht einer Kindesmisshandlung, so ist die Verletzung der
ärztlichen Schweigepflicht durch Information des Landeskriminalamtes und des
Jugendamtes entsprechend § 34 StGB gerechtfertigt.
2. Zur
Rechtfertigung muss eine Misshandlung nicht erwiesen sein, auch ein
hinreichender Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 StPO ist nicht erforderlich.
3. Es ist nicht
Aufgabe der Ärzte, einen Verdacht auszuermitteln. Ausreichend ist, ob die
festgestellten Verletzungen typischerweise durch eine Kindesmisshandlung
hervorgerufen werden können, ein begründetet Verdacht vorliegt.
Anmerkung: Ich
bin nicht weiter von dem Urteil überrascht (anders: Ärzte Zeitung v.
4.06.14: Wann man die Schweigepflicht brechen darf. Bei Verdacht auf
Kindesmisshandlung oder Gewaltdelikte geraten Ärzte schnell in Konflikt mit der
Schweigepflicht. Doch jetzt hat ein Kammergericht eine entscheidende Grenze
gezogen - und war dabei überraschend großzügig). Zwar darf die Schweigepflicht
im Regelfall nicht gebrochen werden, wenn es um eine Tat in der Vergangenheit
geht (ÄztInnen/PsychotherapeutInnen sind grundsätzlich keine Erfüllungsgehilfen
der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft). Liegen jedoch ernsthafte Anhaltspunkte
dafür vor, daß es zu weiteren Taten kommt, kann die Schweigepflicht unter den
strengen Voraussetzungen des
§ 34
StGB gebrochen werden. Im Sinne der besonderen Garantenstellung der
BehandlerInnen ist sogar davon auszugehen, daß gehandelt werden muß, um eine
weitere Schädigung zu verhindern. Das muß allerdings nicht durch einen Bruch der
Schweigepflicht geschehen, andere - mildere - Maßnahme sind immer zu prüfen. Die
Problematik betrifft insbesondere auch Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen, die vom sexuellen Mißbrauch und/oder der
körperlichen Mißhandlung ihrer PatientInnen Kenntnis erlangen.
www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de:
Urteil KG Berlin 27.06.13;
20 U 19/12
Ausspähen von Daten und Mißbrauch von E-Mail-Adressen im
Internet
Wiederholt wurden im Internet Daten (Paßwörter,
E-Mil-Adressen etc.) von Privatpersonen auf Servern von privaten und
öffentlichen Institutionen in großem Stil gehackt (zuletzt: ebay). Oft werden
die gestohlenen Daten anschließend im Internet veröffentlicht - um dann als
Grundlage illegaler Handlungen bzw. Straftaten zu dienen.
Das Hasso-Plattner Institut
in Potsdam (Public-Private-Partnership mit der Landesregierung Brandenburg) hat
eine Seite geschaltet, in der eine E-Mail-Adresse daraufhin überprüft werden
kann, "ob Ihre E-Mailadresse in Verbindung mit anderen
persönlichen Daten (z.B. Telefonnummer, Geburtsdatum oder Adresse) im Internet
offengelegt wurde und missbraucht werden könnte" (Zitat aus der
Webseite).
Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV): 30 Jahre Aufbewahrung von Patientenunterlagen?
Nach geltendem Recht beträgt der Aufbewahrungszeitraum i.
d. R. zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), § 9
Abs. 2 Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP),
§ 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10
Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV), soweit nicht spezielle
Vorschriften bestehen, die eine längere Aufbewahrungspflicht vorsehen
(z. B. bei Röntgenaufnahmen). Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind
die Daten zu löschen – vorher besteht (für PatientInnen) kein Anspruch
auf Löschung oder Sperrung der patientenbezogenen Daten.
Nun empfiehlt die
Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
bereits seit 2008 in ihren Empfehlungen zur ärztlichen
Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis:
"
Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche
Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist
grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit
dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis
erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im
Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher
sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene
Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine
Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind." (BÄK
& KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 1027)
Nach meines Ansicht stellt diese Rechtsauffassung ein Verstoß gegen das
Bundesdatenschutzgesetz dar. Demnach sind die Unterlagen/Daten nach der
gesetzlich normierten Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. vernichten, weil der
Zweck der Speicherung bzw. Verarbeitung entfallen ist. Auf einem anderen Blatt
steht, daß damit im Einzelfall die Beweislage für ÄrztInnen, ärztliche
PsychotherapeutInnen, PP und KJP beeinträchtigt sein kann (siehe auch den
Beitrag
AKTUELL: Nummer
9/2012)
In
den aktualisierten Empfehlungen von BÄK & KBV (2014) wird eine weitgehend
analoge Empfehlung gegeben:
Zu beachten sind zudem die
zivilrechtlichen Verjährungsfristen, die etwa für einen
Schadensersatzanspruch eines Patienten wegen eines Behandlungsfehlers des
Arztes gelten. Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt drei
Jahre. Sie beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Patient
von den anspruchsbegründenden Umständen der fehlerhaften Behandlung Kenntnis
erlangt oder die Kenntnisnahme grob fahrlässig versäumt hat. Erlangt der
Patient beispielsweise erst 20 Jahre nach der Behandlung Kenntnis von einem
ärztlichen Behandlungsfehler, kann er einen etwaigen Schadensersatzanspruch
gegenüber dem Arzt auch noch nach diesem Zeitraum geltend machen, es sein
denn, er hat die späte Kenntniserlangung grob fahrlässig verschuldet. Erst
wenn seit der fehlerhaften Behandlung 30 Jahre vergangen sind, verjähren
mögliche Schadensersatzansprüche endgültig (§ 199 Abs. 2 BGB). Es sind daher
Konstellationen denkbar, in denen es aus Sicht des Arztes erforderlich sein
kann, einzelne Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene
Aufbewahrungsfrist hinaus aufzubewahren. (BÄK
& KBV (2014): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 965f)
Anmerkung 1: Zur Klärung der
Angelegenheit habe ich mich an den Bundesdatenschutzbeauftragen gewandt
(Juli 2012). Dort würde mir bestätigt, daß eine Aufbewahrung der
Unterlagen über die geregelte Aufbewahrungszeit hinaus alleine aus
Gründen der Beweissicherung nicht mit den datenschutzrechtlichen
Vorschriften zu vereinbaren ist. (Schreiben v. 1.08.2012). Auch führt
eine ordnungsgemäße Vernichtung der Unterlagen nach 10 Jahren nicht zu
einer Beweislastumkehr, wenn später von PatientInnen ein
Behandlungsfehler geltend gemacht wird (Hinweis auf das Urteil des OLG
Karlsruhe v. 11.02.2004 - 7 U 174/02 -).
Anmerkung 2 (3.01.2014): Nun
hat sich auch die KBV zu diesem Punkt geäußert (Mail 3.01.2014). Der
stellvertretenden Leiter für Rechtsangelegenheiten (Rechtsanwalt)
verweist dabei auf das Patientenrechtegesetz (Aufbewahrung für die
Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach
anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen) und auf die
nun auch gesetzlich geregelte Beweislastumkehr bei fehlender
Dokumentation, die "in zeitliches Hinsicht nur
solange eingreift, wie den Arzt auch eine Befunderhebungs- und
Befundsicherungspflicht trifft. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist
erwachsen dem Arzt aus der Vernichtung oder aus dem Verlust der
Dokumentation in der Regel keine Nachteile. Allerdings hat der
Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 630 f Abs. 3 BGB
Folgendes ausgeführt:
"Soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der
gesundheitliche Zustand des Patienten oder die Gegebenheiten im Einzelfall
jedoch erfordern, kann die Aufbewahrungsfrist des Absatzes 3 allerdings auch
weit über 10 Jahre hinausgehen. Dies kann insbesondere unter Berücksichtigung
der Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Patienten gelten, die nach
der Höchstverjährungsfrist des § 199 Abs. 2 erst nach 30 Jahren verjähren
können."
Es ist bekannt, dass die entscheidenden
Gerichte auch die Gesetzesbegründungen zur Auslegung der Vorschriften
heranziehen. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Gerichte die
"Gegebenheiten im Einzelfall" auslegen werden, sehen wir von einer Änderung
der Empfehlungen ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die
Empfehlungen der Bundesärztekammer und der KBV keinen verbindlichen
Charakter haben, sondern lediglich eine Hilfestellung für den Arzt bieten
sollen. Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben."
Anmerkung 3 (29.05.2014): Auch wenn
die Argumentation der KBV juristisch nicht völlig abwegig ist - die
Empfehlung ist es allemal. Sie führt nur zu Verwirrung: Welche Unterlagen
sollen aufgehoben werden, welche nicht - was sind das für Konstellationen,
unter denen Unterlagen weiter aufbewahrt werden sollen?
Schadensersatzansprüche können in jedem Behandlungsfall geltend gemacht
werden - sollen also alle Unterlagen über die geregelte Ffrist hinaus
aufbewahrt werden? - datenschutzrechtlich nicht akzeptabel! Und: Wenn selbst
die BÄK & KBV die entsprechende Aufbewahrung im Einzelfall für angemessen
halten, dann werden Gerichte ggf. genau in solchen (Einzel-) Fällen nicht
nur auf die Gesetzesbegründung sondern auf diese Empfehlung zurückgreifen.
Eine fatale Haltung!
Anmerkung 4 (28.06.2014): Aus diesem
Grund habe ich mich nun erneut an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit (seit 12/2013 Andrea Voßhoff) gewandt.
BÄK & KBV (2008):
Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches
Ärzteblatt (Heft 19, Mai 2008)
105: A-1026-1030 und Technische Anlage: 1-12 (Achtung:
Der Link ist nicht mehr gültig!)
BÄK & KBV (2014):
Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online:
www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft
21, Mai 2014) 111:
A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972 (s.a.
Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über
www.aerzteblatt.de
Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV): Aktualisierte Empfehlungen zur ärztlichen
Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis 2014
Die
Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV) haben (nach der letzten Fassung von 2008, siehe
Beitrag
AKTUELL: Nummer
9/2012)
eine aktualisierte Fassung der Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht,
Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis vorgelegt.
BÄK & KBV (2008):
Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online:
www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft
21, Mai 2014) 111:
A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972 (s.a.
Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über
www.aerzteblatt.de
24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der
Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen
PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei
Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von
der Einsichtnahme ausnehmen
Teil I
(Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der
BehandlerInnen)
Auf dem
Hintergrund des im Patientenrechtegesetz bei der Einsicht in die
Behandlungsunterlagen (§ 630g BGB) nicht berücksichtigten
Persönlichkeitsrechts der BehandlerInnen wurden dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel)
zwei Anträge zu diesem Thema vorgelegt. Der Antrag des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
beinhaltete die Einfügung der Formulierung des § 630g Absatz 1 Satz
1 BGB in die Musterberufsordnung, der Antrag einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15)
lautete:
§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der
Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:
(2) Psychotherapeuten können die Einsicht
ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche
therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter
entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne
Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine
Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht
berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und
soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines
Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der
Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2
ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz
2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]
Die Anträge wurden nicht abgestimmt,
da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine
klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war. Zugleich wurde der Vorstand
beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT vorzulegen, der
den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt.Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:
Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und
Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit
knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu
überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für
den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass
die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass
Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie
und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK
Aktuell v. 27.11.13)
Auf dem 24. Deutschen
Psychotherapeutentag (15.05.2014) hat der Vorstand und eine Gruppe von
Delegierten einen (Kompromiß-) Antrag zur Neufassung von
§ 11 der
Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer
vorgelegt, der bei der Abstimmung
eine Mehrheit gefunden hat:
§ 11 Einsicht in
Behandlungsdokumentationen
(1) Patientinnen
und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin
unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach
§ 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive
Wahrnehmungen der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in
der Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem
Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin
oder des Patienten haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder
diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen.
Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener
Kosten fordern.
(2)
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder
teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische
Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die
Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen
von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit
geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt
dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem
Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz
ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der
Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.Eine
Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder
dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen
nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber
verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt.[Hervorhebung vom Verfasser]
Die Regelung zur Überprüfung des Vorliegens der
Voraussetzungen der Verweigerung der Einsichtnahme durch die Kammer war der
Befürchtung vieler Delegierter geschuldet, PsychotherapeutInnen könnten sich zu
extensiv auf die Ausnahmeregelung berufen und war Voraussetzung des vorliegenden
und nun verabschiedeten Änderungsantrags.
Ob die 12 Landespsychotherapeutenkammern (www.bptk.de)
die Formulierung der Musterberufsordnung in ihre (für PP und KJP verbindlich
geltende) Berufsordnung übernehmen werden, ist derzeit (noch) nicht bekannt.
Anmerkung:
Der im Antrag
vorgeschlagene Satz
"Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die
Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen." ist aus
datenschutz- bzw. strafrechtlicher Sicht äußerst bedenklich. Eine Einsichtnahme
in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund
gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von
Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnte durch eine Überprüfung
der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen
betroffen sein bzw. verletzt werden.
Gesetzestext - Bürgerliches
Gesetzbuch:
§§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)
Bundesärztekammer: Handreichung für den Umgang mit den
(neuen) sozialen Medien
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat im
Februar eine
Handreichung zum Thema: "Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und
Medizinstudenten bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten" vorgelegt.
Sie informiert über die Tücken der Nutzung der
neuen sozialen Medien für ÄrztInnen (und damit auch für PsychotherapeutInnen),
so über die ärztliche Schweigepflicht, die Problematik der Diffamierung,
Online-Freundschaften und deren Grenzen (Arzt-Patient-Verhältnis,
interkollegialer Austausch über soziale Netzwerke,), weitere berufsrechtliche
Aspekte, Datenschutz und Datensicherheit sowie über weitere rechtliche Aspekte.
Handreichung der Bundesärztekammer (BÄK):
Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und Medizinstudenten bei der Nutzung
sozialer Medien achten sollten (Stand
Februar 2014)
Sozialbehördliches Auskunftsersuchen und Schweigepflicht
im Bereich des Sozialgesetzbuches (SGB)
Der Rechtsanwalt Jan Frederichs
berichtet in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über die Problematik von
behördlichen Auskunftsersuchen im Bereich des Sozialgesetzbuches.
Im Bereich der ambulanten Richtlinien
Psychotherapie (ärztliche PsychotherapeutInnen, PP, KJP) sind Anfragen der
Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen klar geregelt und
werden mittels von Formularen abgefragt. Allerdings können im Einzelfall
durchaus Unklarheiten bzw. Zweifel bestehen, ob die angeforderten Informationen
tatsächlich zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Hier rät Frederichs davon
ab, die Einwilligung der PatientInnen einzuholen. Dies wäre ethisch und
sozialdatenschutzrechtlich problematisch. Denn das Einholen einer
Schweigepflichtentbindung könnte im Extremfall eine "rechtswidrige Umgehung
abschließender Regelungen über Informationsflüsse" darstellen (er nimmt dabei
Bezug auf ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichts).
Insgesamt stellt sich die Frage, ob
PsychotherapeutInnen (und andere schweigpflichtige Berufsgruppen) überhaupt
dafür zuständig sind, bei Auskunftsersuchen eine Schweigepflichtentbindung ihrer
PatientInnen/KlientInnen einzuholen - zwar gebe es hier keine klare Regelung
(vgl. § 100 SGB X), doch sei die Auskunftspflicht schweigepflichtiger Personen
das Gegenstück des Auskunftsersuchens des Leistungsträgers, der wiederum einen
(zu begründenden) Verwaltungsakt darstellt. Damit ist es aber Aufgabe der
Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eingriff in das
Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen vorliegen. Schweigepflichtige Personen
können dies in der Regel nicht überblicken und laufen überdies Gefahr, ihre
PatientInnen bzw. KlientInnen des Rechtsschutzes zu berauben.
Frederichs rät daher bei Zweifeln an
der Auskunftspflicht, diese der auskunftsersuchenden Behörde mitzuteilen und
PatientInnen/KlientInnen darüber zu informieren, damit diese gegebenenfalls
gegen das Auskunftsersuchen vorgehen können.
Anmerkung:
Ich warne immer wieder davor, PatientInnen in bestimmten Fällen zu
Schweigepflichtentbindungen zu 'motivieren'. Nicht nur in dem von Frederichs
beschriebenen Fällen kann das außerordentlich problematisch sein, sondern vor
allem auch dann, wenn Interessen der PsychotherapeutInnen betroffen sind. So ist
es heute üblich im Wege des 'informed consent' die Einwilligung zu
Videoaufnahmen (Ausbildungsfälle), Veröffentlichungen in Büchern oder
Fachzeitschriften, Audioaufnahmen bei Forschungsprojekten einzuholen. M. E. wird
dabei viel zu wenig das Abhängigkeitsverhältnis der PatientInnen (KlientInnen)
bedacht. Eine wirklich freie Entscheidung ist bei laufender Therapie (Beratung),
aber auch nach Abschluß der Behandlung (Beratung), kaum vorstellbar. In jedem
Fall ist die Entscheidung und ihre jeweiligen Konsequenzen ausführlich zu
bearbeiten.
Frederichs, Jan:
Sozialbehördliches Auskunftsersuchen
und Schweigepflicht. Psychologen sollen bei Zweifeln nicht selbst die
Einwilligung der Betroffenen einholen (Report Psychologie,
Heft 2-2014: 74f)
Schweigepflicht bei konfligierenden
Vertrauensverhältnissen
Der Rechtsanwalt Jan Frederichs
berichtet in einem Beitrag in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über eine
Fallkonstellation, wie sie nicht ganz selten auftritt: Freunde oder Angehörige
von KlientInnen/PatientInnen wenden sich ohne deren Wissen an die/den
Schweigepflichtige/n (hier: Psychologin/e) und fragen ihrerseits um Rat (etwa im
Umgang mit der Klientin/Patientin).
Abgesehen davon daß eine Beratung
dritter Personen, die in Kontakt mit der/m Klientin/en bzw. Patientin/en stehen,
nicht möglich ist (vgl. auch Musterberufsordnung PP/KJP, § 6 Abs. 6 i.d. F
2006/2007), verstößt die Mitteilung an KlientInnen/PatientInnen, daß sich
Dritte an die/den Schweigepflichtigen gewandt haben nicht gegen die
Schweigepflicht gegenüber der kontaktaufnehmenden Dritten, da diese "ein berechtigtes
Vertrauensverhältnis voraussetzt". Auch wenn die dritte Person die
Verschwiegenheitspflicht der/des Therapeutin/en in Anspruch nehmen möchte muß
sie gleichwohl davon ausgehen, daß dies aufgrund der bereits bestehenden
Vertrauensbeziehung zwischen KlientIn/PatientIn und Schweigepflichtiger/m nicht
möglich ist und auch eine Mitteilung über den Kontakt erfolgen muß.
Anders wäre die
Situation einzuschätzen, wenn es um gleichberechtigte Vertrauensverhältnisse
geht, etwa, wenn erst im Laufe der Zeit klar wird, daß zwei KlientInnen/PatientInnen
miteinander verwandt oder sich anderweitig nahe stehen. Hier besteht die
Schweigepflicht, allerdings wäre zu prüfen, inwieweit unter diesen Umstanden,
die Beratung/Therapie mit beiden KlientInnen/PatientInnen fortgesetzt werden
kann.
Frederichs, Jan:
Diverses aus der Rechtsabteilung -
Schweigepflicht bei konfligierenden Vertrauensverhältnissen (Report Psychologie,
Heft 11/12-2013: 455)
Muster-Berufsordnung (M-BO) für die
Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
in der Fassung der Beschlüsse des 7. Deutschen Psychotherapeutentages in
Dortmund am 13. Januar 2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am
10.
November 2007
M-BO PP/KJP i.d.F. vom 13. Januar
2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am 10. November 2007: Auszug aus § 6
(Abstinenz), Abs 6:
Die
abstinente Haltung erstreckt sich auch auf die Personen, die einem Patienten
nahe stehen, bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf dessen
Eltern und Sorgeberechtigten.
Historisches Grundsatzurteil des Europäischen
Gerichtshofes zum Datenschutz: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für
ungültig erklärt (AZ: C-293/12 ua)
(Teil
XVI)
Der Europäische Gerichtshof
(EuGH) in Luxemburg
hat in einem Urteil v. 8.04.2014 die in den europäischen Mitgliedsstaaten geltende
Pflicht zur Speicherung der Telefon- und Internetverbindungsdaten für
ungültig erklärt, da sie gegen die Grundrechte
verstoße. Das Verfahren wurde vom irischen High Court und dem österreichische
Verfassungsgerichtshof in Gang gesetzt, die den EuGH auf dem Hintergrund der
durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten
Grundrechten (und hier des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens sowie des
Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten) um die Prüfung der Zulässigkeit
der Richtlinie ersucht hatten.
Die (in Deutschland aufgrund
des Widerstands von FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)
nicht umgesetzte Richtlinie 2006/24/EG sah vor, in allen EU-Staaten sämtliche
Verbindungsdaten elektronischer Kommunikation ohne konkreten Anlaß über einen
Zeitraum von 6 bis 24 Monate lang zu speichern.
Dies ist nach Ansicht des EuGH
nicht hinzunehmen. "Aus
der Gesamtheit
dieser Daten können sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren
Daten auf Vorrat gespeichert werden, gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des
täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in
anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale
Beziehungen und das soziale Umfeld. " (alle Zitate in blau aus der
Presseerklärung des EuGH - siehe unten)
Bei der bisher bestehende
Verpflichtung zur Vorratsspeicherung
und der Gestattung des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu diesen
Daten sei ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte auf
Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten:
Außerdem ist der
Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten und ihre spätere Nutzung
vorgenommen werden, ohne dass der Teilnehmer oder der registrierte Benutzer
darüber informiert wird, geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen,
dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.
Zwar sei "die
nach der Richtlinie vorgeschriebene Vorratsspeicherung von Daten nicht geeignet
(...), den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf
Schutz personenbezogener Daten anzutasten" und diene in ihrer Zielsetzung
"dem Gemeinwohl (...), und zwar der Bekämpfung schwerer
Kriminalität und somit letztlich der öffentlichen Sicherheit" jedoch habe
"der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie (...)
die Grenzen überschritten (...), die er zur Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit einhalten musste".
Angesichts "der
besonderen Bedeutung
des Schutzes personenbezogener Daten für das Grundrecht auf Achtung des
Privatlebens und des Ausmaßes und der Schwere des mit der Richtlinie verbundenen
Eingriffs in dieses Recht" sei "der
Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers eingeschränkt (...), so dass die
Richtlinie einer
strikten Kontrolle unterliegt." Ein
Eingriff von solchem Ausmaß muß nach Ansicht des EuGH "auf
das absolut Notwendige" beschränkt bleiben.
Der EuGH kritisiert in diesem
Zusammenhang die Datenerfassung bzw. -speicherung ohne jede Differenzierung,
Einschränkung oder Ausnahme mit dem Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten.
Weiter gebe es keine
objektiven Kriterien zur
Beschränkungen des
Zugangs der zuständigen
nationalen Behörden zu den Daten, welche den Eingriff in die betroffenen
Grundrechte jeweils rechtfertigen könnten.
Auch die Speicherungsfristen
(mindestens 6 bis maximal 24 Monate) werde nicht - im Sinn einer "
Unterscheidung zwischen den Datenkategorien anhand der
betroffenen Personen oder nach Maßgabe des etwaigen Nutzens der Daten für das
verfolgte Ziel" differenziert.
Da keine Speicherung der Daten im
Unionsgebiet vorgeschrieben sei, gewährleiste die Richtlinie "nicht
in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und
der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die
Charta dies ausdrücklich fordert."
Und schließlich stellt der EuGH fest,
dass die Richtlinie
keine hinreichenden Garantien dafür bietet, dass die Daten wirksam vor
Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder
unberechtigten Nutzung geschützt sind. Unter anderem gestattet sie es den
Diensteanbietern, bei der Bestimmung des von ihnen angewandten
Sicherheitsniveaus wirtschaftliche Erwägungen (insbesondere hinsichtlich der
Kosten für die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen) zu berücksichtigen,
und gewährleistet nicht, dass die Daten nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist
unwiderruflich vernichtet werden.
Im Urteilstext des EuGH
vom
8. April 2014findet sich zudem ein wichtiger Hinweis auf die
berufliche Schweigepflicht:
Die Richtlinie 2006/24 betrifft nämlich zum einen in
umfassender Weise alle Personen, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen,
ohne dass sich jedoch die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden,
auch nur mittelbar in einer Lage befinden, die Anlass zur Strafverfolgung geben
könnte. Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür
besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten
Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sieht sie keinerlei
Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen gilt, deren Kommunikationsvorgänge
nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen.
(Abschnitt 58)
Anmerkung:
Kann man sich eine heftigere 'Watschn' für die BefürworterInnen der
Richtlinie 2006/24/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates
vorstellen?
In seinem Tenor erinnert das Urteil
an den wegweisenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum
Volkszählungsurteil 1983 (15.12.1983; 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83),
insbesondere aber an die Entscheidung aus dem Jahr 2010 (Erster Senat v. 2. März
2010 - 1
BvR 256/08/1 BvR 263/08/1 BvR 586/08 -) zur Verfassungswidrigkeit
des (deutschen) Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung - siehe
AKTUELL: Nummer
11/2010.
Heribert Prantl meint in seinem
Kommentar (Süddeutsche Zeitung v. 9.04.14: 4 HBG): "Die
anlasslose staatliche Ausspähung und Speicherung der Kommunikation kann und darf
(...) nicht Normalität werden. Das ist die Lehre des Luxemburger Urteils. Das
ist nicht revolutionär, das ist eigentlich selbstverständlich." und "Es
wird schwer sein, ein Gesetz zu formulieren, dass diese Anforderungen [des
Urteils] erfüllt. Das ist gut so, weil es in einem Rechtsstaat schwer sein muss,
in Grundrechte einzugreifen. Es gibt den Schutz der Privatsphäre, auch in
Europa."
In einem Gastbeitrag - Aussenansicht:
"Speichern verboten. Das jüngste Urteil des Europäischen
Gerichtshofs zeigt: Beim Datenschutz geht die EU voran" (SZ Süddeutsche
Zeitung v. 12./13.04.14: 2) spricht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von einem
"Paradigmenwechsel:
Gerichtshof der Europäischen
Union: Pressemitteilung
Nr.
54/14, Luxemburg, 8. 04.2014
Urteil des
Europäischen Gerichtshofs (Große Kammer) vom
8. April 2014 (Rechtssachen C‑293/12 und C‑594/12)
Richtlinie 2006/24/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die
Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher
elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl.
L 105, S. 54)
Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (2010/C
83/02). Amtsblatt
der Europäischen Union (DE),
C 83/389, 30.3.2010.
Einsichtnahme in Aufzeichnungen der Lehranalyse bzw.
-therapie
(Teil
III)
Aufgrund der Bedeutung der
aktuellen BGH-Entscheidung zum Einsichtsrecht von AusbildungskandidatInnen in
die von ihrer/m LehranalytikerIn bzw. LehrtherapeutIn angefertigten
Aufzeichnungen (siehe die entsprechenden Beiträge im Archiv) habe ich einen
Beitrag im Psychotherapeutenjournal (1/2014: 10-12) geschrieben:
Keine Pflicht
zur Dokumentation, aber Recht auf Einsicht in vorhandene Aufzeichnungen. BGH
stärkt die Rechte von Absolventen einer Lehrtherapie (Urteil v. 7.11.2013, II ZR
54/13
Seit Anfang 2014 besteht die
Webseite www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de,
die vielfältige Informationen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit in Praxen
anbietet. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative des Landesbeauftragten
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und der
Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz.
Auf der Startseite heißt es dazu:
Der Landesbeauftragte
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und die
Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz lassen die Ärzte und
Psychotherapeuten bei ihrer Verpflichtung, die Vorgaben der ärztlichen
Schweigepflicht auch im 21. Jahrhundert zu gewährleisten, nicht alleine. Aus
diesem Grund haben sie die Initiative "Mit Sicherheit gut behandelt" ins Leben
gerufen.
Kernstück
der Initiative ist die Website, auf der Sie sich gerade befinden. Darin stellen
die Kooperationspartner zahlreiche Informationen, Handlungshilfen, Checklisten
und Links bereit, die aus ihrer Sicht bei der Gewährleistung von IT-Sicherheit
und Datenschutz im Zusammenhang mit einem Praxisbetrieb von Bedeutung sind.
Darüber hinaus bieten beide Institutionen mehrere
regionale Veranstaltungen
zum Thema IT-Sicherheit und Datenschutz in der Arzt-/Psychotherapeutenpraxis an.
Einzelthemen werden in redaktionellen Beiträgen in Fachzeitschriften
aufgegriffen. Heilberufskammern und IT-Hersteller wurden frühzeitig eingebunden,
um auch deren Potential bei der Verbesserung von IT-Sicherheit und Datenschutz
in den Praxen zu nutzen.
Über die Initiative
wird in einem Flyer umfassend informiert, der zum Download bereit steht.
Patientendaten in der Cloud: Überaus problematisch und
nicht empfehlenswert
In einem Beitrag der Ärzte
Zeitung (online) wird die Problematik der sich zunehmend etablierenden Dienste
im Bereich des Cloud Computing im Zusammenhang der Auslagerung von Daten in
Arztpraxen erläutert.
Weil in diesem Fall
Daten von PatientInnen erhoben,
verarbeitet und genutzt werden, findet das Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)
Anwendung und ist nur mit dem Einverständnis derjenigen PatientInnen zulässig,
deren Daten in der Cloud verarbeitet werden.
Auch wenn die Daten nicht auf dem
Server eines entsprechenden Diensteanbieters verarbeitet bzw. gespeichert
werden, sondern lediglich Soft- und Hardwareleistungen genutzt werden (Software
as a Service - SAS) gilt das Datenschutzgesetz.
Ärzte Zeitung online (17.03.14).
Rebekka Höhl :
Rechtssicher in die Cloud. Sobald ein Betrieb Rechnerleistung auslagert, kommt
er in Berührung mit dem Datenschutzgesetz - und den entsprechenden
Haftungsfragen. Für Arztpraxen kann das besonders kritisch werden.
Ergänzung 1
(10.09.14): In einem ausfühlichen Beitrag beschäftigt sich die Ärzte
Zeitung online (10.09.14)
ein weiteres Mal mit den Voraussetzungen unter welchen eine
Cloud Computing in der
Arztpraxis (und damit auch in der Praxis von PsychotherapeutInnen) möglich
erscheint. M.E. ist die weit überwiegnde Mehrheit der ÄrztInnen und
PsychotherapeutInnen überhaupt nicht in der Lage die technischen Vorgänge zu
verstehen oder sie gar zu kontrollieren - unter diesen Voraussetzungen rate ich
daher dringend von der Nutzung dieser Technik ab.
Ergänzung 2
(30.09.14): In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich die Ärzte Zeitung
online (30.09.14)
mit
Haftungsrisiken und der daraus resultierenden Notwendigkeit, sich vor der
Nutzung der Cloud vertraglich besonders abzusichern.
Österreich: Der österreichische Hausärzteverband (ÖHV)
tritt aus dem Vernetzungsprojekt der flächendeckenden elektronischen
Gesundheitsakte (ELGA) aus
Bericht der Ärzte Zeitung
online v. 13.01.2014:
Ärzteverband
tritt aus Gesundheitsakte aus
WIEN. Schlappe für die flächendeckende elektronische
Gesundheitsakte (ELGA) in Österreich: Nur wenige Tage nach dem offiziellen Start
von ELGA hat die gesamte Spitze des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV)
ihren Austritt aus dem Vernetzungsprojekt eingereicht.
Die ärztliche
Schweigepflicht sei mit ELGA Geschichte, begründet der Berufsverband in einer
Mitteilung den "Opt-Out". Zu fürchten sei nicht nur Cyber-Kriminalität, sondern
der ganz legale Gebrauch der Daten durch Ämter und Behörden, der vom Gesetzgeber
jederzeit bedarfsgerecht adaptiert werden könne.
Auf der
Portalseite der am 2. Januar gestarteten ELGA sowie auf der Website des
österreichischen Gesundheitsministeriums sind dazu allerdings keine Infos zu
finden. Hier heißt es: Die Patienten könnten die Zugriffsrechte selbst
bestimmen.
Zudem sei der
Kreis der allgemein zum Zugriff Berechtigten gesetzlich festgelegt. Neben den
Patienten sollen dies nur Gesundheitsdienstanbieter und hier speziell
Krankenanstalten und Pflegeheime, Ambulatorien, niedergelassene Ärzte, Zahnärzte
sowie Apotheker sein. Die Daten werden im österreichischen System zudem
dezentral gespeichert.
Doch der ÖHV
bemängelt noch mehr: In einem Pamphlet mit zehn Gründen für den Austritt aus
ELGA moniert der Verband, dass die immer wieder proklamierte Rolle des
Hausarztes als Drehscheibe" durch ELGA völlig verloren gehe. "Der
Allgemeinmediziner verkommt zum Verwalter elektronischer Daten", heißt es.
(reh)
Bundespsychotherapeutenkammer: Patientenrechtegesetz. Eine
Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Die im September 2013 erstellte
Broschüre "Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten" stellt nach meiner Ansicht die bisher differenzierteste und
klarste Information über das im Februar letzten Jahres in Kraft getretene
Patientenrechtegesetz für Ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen und
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen dar. Ich empfehle allen KollegInnen
dringend Sie intensiv zu studieren.
Ich habe aus diesem Anlaß nochmals
auch den Gesetzestext (Behandlungsvertrag: §§ 630a ff BGB) als Word
97-2003-Dokument eingestellt (siehe unten) sowie ein von mir konzipiertes
Formular, das zur Unterstützung der Dokumentation von Information, Aufklärung
und Einwilligung als 'Laufzettel' verwendet werden kann; beide Dokumente (Word
97-2003) können heruntergeladen und nach eigenen Wünschen verändert werden!
Bundespsychotherapeutenkammer (09/2013):
Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten
Gesetzestext - Bürgerliches
Gesetzbuch:
§§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)
Großbritannien: Gesundheitsdaten müssen an den staatlichen
Gesundheitsdienst 'National Health Service' (NHS) übermittelt werden
Die britische Regierung hat eine
landesweite Aktion zum
Datenaustausch beschlossen. Unter Berufung auf das Gesetz "Health and Social
Care Act" sollen die etwa 75.000 staatlichen HausärztInnen des NHS ab März 2013
vertraglich verpflichtet werden, vertrauliche Patientendaten an einen zentralen
NHS-Rechner weiterzugeben. Dieses Ansinnen hat bereits zu erheblichen Protesten
der betroffenen MedizinerInnen geführt. Auch der britische Ärztebund 'British
Medical Association' (BMA) hat darauf hingewiesen, daß sich bereits zahlreiche
HausärztInbnen kritisch zu Wort gemeldet hätten.
Nach Angaben des
Londoner
Gesundheitsministeriums sei der Datenschutz gewährleistet. Die Sammlung der
Daten diene der Optimierung der diagnostischen und therapeutischen
Versorgungsangebote.
Die betroffenen PatientInnen können
allerdings der Weitergabe widersprechen und so die Übermittlung ihrer
persönlichen Daten an die NHS verhindern.
Anmerkung:
Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis es auch in anderen europäischen
Staaten und auch in Deutschland zu einer solchen Diskussion kommt. Nachdem für
britische Verhältnisse eher ungewöhnlichen Protest von ÄrztInnen und
PatientInnen ist noch ungewiss, ob es tatsächlich zu der von der Regierung
Cameron geplanten Maßnahme kommt.
Ärzte Zeitung online (14.02.14):
Britische Hausärzte rebellieren gegen Big Data. Mit Überwachung hatten die
Briten bislang kein Problem - die Kameras an Straßen und Bahnhöfen sind ihnen
egal. Doch jetzt ist die Regierung zu weit gegangen: Ärzte sollen bald ihre
Patientendaten an den NHS weiterleiten - und zwar verpflichtend. Der Protest
wird größer. Jetzt rufen die Hausärzte zur Revolte.
Nicht nur aus gegebenem Anlaß (NSA -
Snowdon) ist es notwendig, sich immer wieder Gedanken hinsichtlich des Schutzes
der eigenen (privaten und beruflichen) und Dritte (Angehörige, Freunde,
KollegInnen, KundInnen, PatientInnen etc.) betreffenden Daten zu machen.
Die von Markus Mandalka aufgebaute
Seite www.selbstdatenschutz.info
informiert in übersichtlicher und verständlicher Weise über wichtige
Aspekte des Selbstdatenschutzes:
Weshalb Selbstdatenschutz?
Wichtiges in Kürze
Datenspuren
Wirtschaft &
Datenkraken
Staatliche
Überwachung
Datenmissbrauch
Kommunikation
verschlüsseln
E-Mail-Konto
schützen
E-Mail und
Dateianhänge verschlüsseln
Chats
verschlüsseln mit Linux
Verschlüsselt chatten
mit Windows
Internettelefonie
verschlüsseln
Datenspuren &
Datenschmutz
Auf meiner
Festplatte
Bei der
Kommunikation
Einkaufen oder
Bezahlen
Im Internet
Soziale
Netzwerke
Datenträger verschlüsselln
Festplatte
verschlüsseln mit Linux
Externe Festplatte
verschlüsseln mit Linux
USB-Stick oder
Speicherkarte verschlüsseln mit Linux
Festplatte
verschlüsseln mit Windows
Externe Festplatte
verschlüsseln mit Windows
USB-Stick oder
Speicherkarte verschlüsseln mit Windows
Datenspeicherung vermeiden
Tracking erschweren
Suchmaschine
Anonym surfen
Spyware meiden
Cloud verschlüsseln
Cloud- &
Onlinespeicher verschlüsseln
Daten schützen & verschlüsseln
Wichtiges in Kürze
Sichere Passwörter
Fallen und Tücken
Über sich selbst schreibt Herr
Mandalka:
Ich arbeite in
Berlin und anderswo als freier Journalist zu Politik, Neonazis, selbstbestimmter
Informationstechnik und Datenschutz sowie als Medieninformatiker im mit
und an selbstbestimmten und datenschutzfreundlichen Wissenswerkzeugen rund um
kollaborative Wissensarbeit, Vernetzung und Wissensnetzwerk SmallData42 digitale
Kommunikation zumeist für WissensarbeiterInnen in Journalismus,
Bildungseinrichtungen, Wissenschaft, Sozialer Arbeit oder gemeinnützigen
Vereinen, Stiftungen und Non-Profit-Organisationen bzw.
Non-Government-Organisationen (NGO).
Hinweise zum Selbstdatenschutz für
BürgerInnen finden sich auch auf der Seite des Bundesamts für Sicherheit in der
Informationstechnik
www.bsi-fuer-buerger.de.
Die Bundespsychotherapeutenkammer
berihtet in ihren EuropaNews (15.01.2014) über die ltzten Entwicklungen der
geplanten Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Der
Bericht wird nachfolgend wiedergegeben:
EP-Bericht zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung
berücksichtigt Anliegen der Freien Berufe
Der federführende Ausschuss für Bürgerfreiheiten, Justiz
und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hat sich am 21. Oktober 2013 auf
eine Kompromissfassung zum Entwurf des im Januar 2012 von der EU-Kommission
vorgelegten Entwurfs einer Europäischen Datenschutz-Grundverordnung geeinigt.
Nach gut anderthalb Jahre dauernden Verhandlungen haben die Abgeordneten damit
überraschend schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Freiberuflich relevante
Kernpunkte sind in den Beratungsprozess eingeflossen. So wird die spezielle
Situation der Berufsgeheimnisträger und deren Verschwiegenheitspflichten
aufgegriffen und diesem besonderen Verhältnis Rechnung getragen. Die
Verhandlungen des Europäischen Parlaments mit dem Europäischen Rat und der
EU-Kommission zur Datenschutzreform gestalten sich allerdings schwierig. Ein
Treffen der Justizminister in Brüssel am 6. Dezember 2013 hat gezeigt, dass es
in zentralen strittigen Punkten – z. B. die, ob der öffentliche Sektor
weitgehend ausgeklammert werden soll – keine Annäherung gibt. Von daher ist
fraglich, ob der neue Rahmen zu einem einheitlichen europäischen Datenschutz
noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres
verabschiedet werden kann.
Patientenakte: Eine unzureichende Dokumentation führt zur Beweislastumkehr
(Zivilrecht) und gegebenenfalls auch weiteren disziplinarischen Folgen
Der Medizinrechtler (und Justiziar der
Bundespsychotherapeutenkammer) Prof. Dr. Martin Stellpflug berichtet in der
Ärzte Zeitung v. 6.01.2014 über die nun auch im
Patientenrechtegesetz (§ 630f BGB) aufgenommene Pflicht zur Dokumentation
der Behandlung.
Danach ist der Arzt verpflichtet, in zeitlich
unmittelbarem Zusammenhang zur Behandlung eine Patientenakte auf Papier oder
elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Akten-Eintragungen
sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt,
wann sie vorgenommen wurden. Das gilt auch für elektronische Patientenakten.
Die Dokumentation selbst muss sämtliche für die
aktuelle und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse
beinhalten, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen,
Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe
und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.
Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
Unterbleibt die Dokumentation einer medizinisch gebotenen wesentlichen
Maßnahme und ihr Ergebnis oder kann die Patientenakte innerhalb der
zehnjährigen Aufbewahrungsfrist nach Abschluss der Behandlung nicht
vorgelegt werden, so wird vermutet, dass der Arzt diese Maßnahme nicht
getroffen hat (Beweislastumkehr). (Abs. 5-7 des Berichts v. 6.01.14
in der Ärzte Zeitung)
Stellpflug weist darauf hin, daß eine unzureichende oder fehlende
Dokumentation weitreichende Konsequenzen haben kann. Neben der schon
erwähnten Beweislastumkehr kann es zu disziplinarischen Folgen kommen.
Diese können von Honorarrückforderung bis hin zu
einem Widerruf der Abrechnungsgenehmigung bzw. dem Entzug der
Kassenzulassung reichen.
Bei einer EDV-gestützten Dokumentation erwarten die Gerichte besondere
Sorgfalt:
So beurteilte etwa das Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg einen Zulassungsentzug als rechtmäßig, weil die
Dokumentationspflichten gröblich verletzt wurden.
Der Kläger hatte auf jegliche schriftliche
Behandlungs-Dokumentation verzichtet und sich vollständig auf eine
elektronische Dokumentation mittels Festplatte verlassen - ohne
Sicherungskopien anzulegen.
Das Gericht sah darin bereits eine schwerwiegende
Pflichtverletzung, weil eine derart ungesicherte elektronische
Dokumentation, auch wenn sie für sich genommen fehlerfrei erfolgt ist, in
hohem Maße fehleranfällig sei und bei etwaigem technischen Versagen eine
nachträgliche Überprüfung der Behandlungshistorie erheblich erschwert oder
sogar unmöglich sein könnte.
Da der Vertragsarzt für eine peinlich genaue und im
Nachhinein auch vollständig nachprüfbare Dokumentation sorgen müsse, hielt
es das Gericht für zweifelhaft, ob eine ausschließlich elektronisch geführte
Patientenakte diese Anforderungen überhaupt erfüllt. (Abs. 11-14 des
Berichts v. 6.01.14 in der Ärzte Zeitung)
Stellpflug empfiehlt daher u. a. eine Dokumentations-Software anzuwenden,
bei der "jederzeit erkennbar ist, wann und mit welchem Inhalt ursprüngliche
Eintragungen verändert oder ergänzt wurden" und regelmäßig Sicherungskopien
zu erstellen.
Anmerkung:
Obwohl sich der Betrag an (Haus-) ÄrztInnen richtet, trifft er Ärztliche,
Psychologische und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in gleicher
Weise.
Der Beitrag stammt aus der Serie "Compliance
in der Arztpraxis" in der Medizinrechtler der Berliner Kanzlei DIERKS +
BOHLE (u. a.
Prof. Dr. iur. Martin Stellpflug, M.A.) juristische Fragen der
Praxisführung anhand von Beispielen aus der Praxis ausloten.
Ärzte Zeitung v.
6.01.2014 :
Neue Patientenakte. Der Teufel steckt im Detail
Formlose Anfragen der Krankenkassen künftig nur mittels
Rahmenformular
Im Zusammenhang der Änderung des einheitlichen
Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) zum 1.10.20123 müssen die Krankenkassen
künftig bei formlosen Anfragen, die auf die Erteilung von Auskünften,
Bescheinigungen, Gutachten oder Bescheinigungen mit gutachterlicher
Fragestellung gerichtet sind, für deren Zweck jedoch kein gesonderter
Vordruck vereinbart worden ist, ein Rahmenformular verwenden
(§ 36 Abs. 5).
Aus dem Formular soll sich die Rechtsgrundlage der Anfrage und die
Vergütung für das Ausfüllen ergeben. Weder die zwischen KBV und Kassen zu
verhandelnde Vergütung noch das Formular selbst sind bislang vereinbart.
Anmerkung: Der BMV-Ä
führt die bisher gültigen Bundesmantelverträge mit den Primär- und
Ersatzkassen (BMV-Ä und BMV-Ä/EKV) zusammen. Damit gibt es nunmehr einen Vertrag, der die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Versorgung
regelt.
KBV (www.kbv.de): Bundesmantelvertrag BM-Ä unter
Rechtsquellen/Bundesmantelvertrag.
Ärzte Zeitung v.
1.10.2013:
Neues Rahmenwerk tritt in Kraft. Ab dem 1. Oktober
gilt der neue Bundesmantelvertrag. Er bringt viele relevante Änderungen für
Arztpraxen mit sich.
Datenschutz im privaten Versicherungsrecht (Berufsunfähigkeitsversicherung):
Das Bundesverfassungsgericht betont das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung im Bereich des Privatrechts (Urteil v. 17.07.2013 1
BvR 3167/08)
Die Beschwerdeführerin machte gegenüber der Beklagten
(Lebensversicherungsunternehmen) Ansprüche wegen eingetretener
Berufsunfähigkeit aufgrund von Depressionen geltend
(Berufsunfähigkeitsversicherung).
Die auf dem Antragsformular der Beklagten vorgedruckte
Schweigepflichtentbindungserklärung, die eine Ermächtigung zur Einholung
sachdienlicher Auskünfte bei einem weiten Kreis von Auskunftsstellen
enthielt, strich die Beschwerdeführerin durch und unterschrieb das
Antragsformular nur im Übrigen. Anschließend korrespondierten die Beklagte
und die Beschwerdeführerin mehrfach über eine Schweigepflichtentbindung. Die
Beschwerdeführerin erklärte sich durch ihren damaligen Rechtsanwalt zur
Erteilung von Einzelermächtigungen bereit. Daraufhin übersandte die Beklagte
ihr folgende, vorformulierte Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung ihrer
Krankenkasse, zweier Ärztinnen sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund
(...)
Die Beklagte forderte von der Beschwerdeführerin für
die Mehrkosten im Zusammenhang mit den Einzelermächtigungen eine
Kostenbeteiligung in Höhe von 20 Euro je Ermächtigung. Der Leistungsantrag
werde nach Eingang der Ermächtigungen und des Gesamtbetrages weiter
bearbeitet. Die Beschwerdeführerin bat um Konkretisierung der gewünschten
Auskünfte. Dem kam die Beklagte nicht nach; der Leistungsantrag könne erst
nach Erhalt der unterschriebenen Schweigepflichtentbindungen sowie des
geforderten Betrages weiter bearbeitet werden. (Urteil
Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 4, 8)
Die Beschwerdeführerin klagte daraufhin auf Zahlung der monatlichen Rente
aus der Versicherung. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht
Nürnberg wiesen die Klage ab.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folge aus dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung eine Schutzpflicht. Diese gebiete:
es, dafür Sorge zu tragen, dass informationeller
Selbstschutz für Einzelne tatsächlich möglich ist. Zwar steht es dem
Individuum frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren oder sich vertraglich
dazu zu verpflichten. Hat aber in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein
solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen
kann, so ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der
Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu
verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine
Fremdbestimmung verkehrt (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13
- online Version: Abs. 20).
Da der hier zu entscheidende Versicherungsfall vor dem 31. Dezember 2008
eingetreten war, fand das zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung
der VersicherungsnehmerInnen beschlossene Gesetz zur Reform des
Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (noch) keine Anwendung (§ 213
VVG). Daher bestand zwischen Beschwerdeführerin und Beklagter
bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein
Verhandlungsungleichgewicht, das es der Beschwerdeführerin nicht
ermöglichte, ihren informationellen Selbstschutz eigenverantwortlich und
selbständig sicherzustellen (Urteil Bundesverfassungsgericht v.
17.07.13 - online Version: Abs. 24).
Auch der verfassungsrechtlich gebotene
Ausgleich zwischen den betroffenen
Grundrechtspositionen (informationeller
Selbstschutz einerseits und Interesse an der
Offenlegung von Informationen i. S. der
Berufsfreiheit) sei in den von der
Beschwerdeführerin angegriffenen
Entscheidungen nicht ausrechend
berücksichtigt.
Das Bundesverfassungsgericht rügte
insbesondere den Umstand, daß durch die von
den vorformulierten Einzelermächtigungen
vorgesehene Schweigepflichtentbindung der
Beklagten ermöglichen würden, "auch
über das für die Abwicklung des
Versicherungsfalls erforderliche Maß hinaus
in weitem Umfang sensible Informationen über
die Beschwerdeführerin einzuholen."
Die in den Formularen benannten Auskünfte
(z. B. Gesundheitsverhältnisse,
Arbeitsunfähigkeitszeiten und
Behandlungsdaten) - seien "so
allgemein gehalten, dass sie kaum zu einer
Begrenzung des Auskunftsumfangs führen"
(Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13
- online Version: Abs. 27).
Zur Lösung der Problematik schlägt das
Bundesverfassungsgericht (die Sache wurde an
das Landgericht Nürnberg-Fürth
zurückverwiesen) vor:
Jedoch ließe sich in
Betracht ziehen, die von den
Einzelermächtigungen umfassten Informationen
etwa zunächst auf solche weniger
weitreichenden und persönlichkeitsrelevanten
Vorinformationen zu beschränken, die
ausreichen, um festzustellen, welche
Informationen tatsächlich für die Prüfung
des Leistungsfalls relevant sind. Eine
zumindest grobe Konkretisierung der
Auskunftsgegenstände könnte so den
erheblichen Umfang der durch die
Einzelermächtigungen zugänglichen,
überschießenden Informationen begrenzen und
damit dem Recht der Beschwerdeführerin auf
informationelle Selbstbestimmung Rechnung
tragen. Die Verfahrenseffizienz würde durch
eine solche Konkretisierung der
Auskunftsgegenstände nur geringfügig
beeinträchtigt. Angesichts des Umfangs der
bei der Krankenkasse der Beschwerdeführerin
und der Deutschen Rentenversicherung Bund
vorliegenden Unterlagen ist es ohnehin
wahrscheinlich, dass die Beklagte den
Auskunftsgegenstand im Rahmen einer Anfrage
an diese präziser formulieren würde als in
den Einzelermächtigungen. (Urteil
Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 -
online Version: Abs. 29)
Anmerkung:
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht
überrascht im Grundsatz nicht. Schon bislang
war völlig klar, daß nur solche
Einwilligungserklärungen zulässig sind, die
beinhalten wer über was Auskunft geben soll.
Interessant ist eher, daß der Inhalt der
angefragten Informationen sehr klar begrenzt
sein muß und allgemeine Angaben (z. B.
Gesundheitsverhältnisse,
Arbeitsunfähigkeitszeiten und
Behandlungsdaten) hier nicht ausreichen,
weil sie den Umfang der zur Beurteilung
notwendigen Informationen überschreiten bzw.
nicht ausreichend begrenzen.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts v.
17.07.2013 (1
BvR 3167/08)
Bundesgerichtshof: Die Abtretung
des Anspruchs auf Betreuervergütung durch eine zum
Betreuer bestellte Rechtsanwältin an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ohne
Einwilligung der Betreuten verstößt nicht gegen die
Schweigepflicht (Urteil v. 19. Juni
2013 XII ZB 357/11)
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2013 über
folgenden Fall entschieden: Eine Rechtsanwältin wurde durch Beschluss vom 5.
Mai 2009 zur Betreuerin einer mittellosen Betroffenen bestellt. Sie trat den
ihr zustehenden Vergütungsansprüche - ohne Einwilligung der Betroffenen - an
eine anwaltliche Verrechnungsstelle ab. Letztere beantragte die Festsetzung
und Auszahlung der für das erste Halbjahr angefallenen Betreuervergütung in
Höhe von 1.650 €.
Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht der Betreuerin/Rechtsanwältin gemäß §
203 Strafgesetzbuch (StGB) lag nach Ansicht des BGH nicht vor:
Denn
die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen gehörenden Daten sind der
Betreuerin nicht "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB
anvertraut oder bekannt geworden (...). Die Informationen sind unabhängig
von der spezifischen Berufsausübung erlangt und begründen damit keine
weitergehenden Geheimhaltungspflichten, als wenn der Betreuer keiner der in
§ 203 Abs. 1 StGB aufgeführten Berufs- und Tätigkeitsgruppen angehört. Ob
und inwiefern diese Einschränkung auch für andere Be-rufsgruppen einschlägig
ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2004, 1390 - Sozialarbeiter als
Verfahrenspfleger), bedarf hier keiner Entscheidung.
Auch die
von der Vorinstanz (LG Limburg) angenommene Verpflichtung zur
Verschwiegenheit (aus § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG)
liege nicht vor:
Nach § 1901 Abs. 2 Satz 1
BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie
es dessen Wohl entspricht. Bei der Geltendmachung der Betreuervergütung
handelt es sich hingegen schon nicht um eine Angelegenheit des Betroffenen,
sondern um eine Angelegenheit des Betreuers, die dieser ausschließlich im
eigenen Interesse wahrnimmt.
Weiter
äußert sich der BGH zur Stellung der BetreuerInnen im Unterschied zu jener
von ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen:
Die
mit der Abtretung verbundenen Angaben beschränken sich bereits weitgehend
auf Umstände, die der Betreuer bei einem Tätigwerden für den Betroffenen
nach außen (gegenüber einem grundsätzlich unbeschränkten Personenkreis)
ohnehin offenbaren muss, um sich als zuständiger Betreuer auszuweisen und
die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen; das gilt auch für den
Aufenthaltsort des Betroffenen und dessen wirtschaftliche Verhältnisse.
Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Betreuers wesentlich von der
eines Arztes oder Rechtsanwalts. Schließlich unterliegt die
Verrechnungsstelle jedenfalls grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht
(vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Selbst eine - unterstellt - pflichtwidrige
Weitergabe personenbezogener Daten seitens der Betreuerin an die
Verrechnungsstelle könnte daher nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit der
Abtretung (...) führen.
Das Verfahren wurde "zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens," an das Land-gericht Limburg
zurückverwiesen.
Bundesgerichtshof: Urteil
v. 19. Juni 2013
XII ZB 357/11
Bundesdatenschutzbeauftragter
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit:
Peter Schaar wird von Andrea Voßhoff abgelöst
Nach zwei fünfjährigen Amtszeiten (eine dritte Amtszeit ist nicht möglich)
ist der frühere Bürgerrechtler Peter Schaar von der Juristin und
CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff abgelöst worden. Voßhoff war seit 1998
Bundestagsabgeordnete verlor aber ihr Mandat mit der letzten Bundestagswahl.
Als Abgeordnete hat sie für die Vorratsdatenspeicherung, für
Internetsperren, die Online-Durchsuchung und die Erweiterung der Kompetenzen
der Geheimdienste gestimmt. Sie wurde mit den Stimmen der großen Koalition
mit 403 von 587 abgegebenen Stimmen gewählt. Aus den Reihen der Opposition
(Linke und Grüne) kam bereits heftige Kritik gegen ihre Wahl im Bundestag.
Voßhoff
äußerte sich nach ihrer Wahl Ende letzter Woche gegenüber dem Spiegel
bereits dahingehend, daß sie einer datenschutzkonformen
Vorratsdatenspeicherung positiv gegenüber stehe und diese für ein wirksames
Instrument der Kriminalitätsbekämpfung halte.
Ärzte Zeitung (23.12.2013):
Erstmals eine Frau als oberste
Datenschützerin.
BGH stärkt Rechte von LehranalysandInnen (Urteil v. 7.11.2013,
III ZR 54/13): Keine Pflicht zur Dokumentation aber Recht auf Einsicht in
vorhandene Aufzeichnungen
(Teil
II)
Der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat die Revision der von Beklagter (Lehranalytikerin) und Klägerin (Lehranalysandin)
zum Urteil des OLG Celle (4.01.2013 - AZ 1 U
61/12 - ) abgewiesen und das Urteil der Vorinstanz bestätigt
(Urteil v. 7.11.2013, III ZR 54/13). Damit
hat die Lehranalysandin einen Anspruch in die Aufzeichnungen, welche die
Lehranalytikerin im Zusammenhang der Lehranalyse angefertigt hat. Der BGH hat
sich die Argumentation des OLG Celle zu eigen gemacht, daß im Hinblick
auf Inhalt und Methodik kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Behandlung
und Lehranalyse besteht und daher auch die Grundsätze des Einsichtsrecht in
Behandlungsunterlagen auf Lehranalysen übertragen werden können:
Es mag zwar sein,
dass eine Dokumentationspflicht für die Durchführung der Lehranalyse nicht
besteht. Da sich
aber Lehranalyse und therapeutische Analyse inhaltlich
und methodisch weitgehend entsprechen und der Sinn der Dokumentation darin
besteht, den Verlauf psychotherapeutischer Prozesse festzuhalten, liegt es
nahe, dass auch Dokumentationen über Lehranalysen, sofern sie erfolgen,
höchst sensible Informationen aus den intimsten Bereichen des
Lehranalysanden zum Gegenstand haben. Unabhängig von der Weitergabe an
Dritte wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon mit
Erhebung dieser Daten das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die
Intimsphäre des Betroffenen berührt, so dass ein berechtigtes Interesse auf
Einsichtnahme in diese Unterlagen nicht von der Hand zu weisen ist, und sein
Informationsinteresse auch schon darin zu sehen ist, überhaupt davon
Kenntnis zu nehmen, was an intimsten Informationen über ihn festgehalten
ist. Dementsprechend kommt es auch für die Frage eines Anspruches auf
Einsichtnahme nicht darauf an, ob die Daten zur Weitergabe an Dritte
bestimmt sind. Ebenso steht einer Auslegung des zwischen den Parteien
bestehenden Vertrages dahingehend, dass ein Einsichtsrecht in die geführte
Dokumentation besteht, nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Behandlung
im üblichen Sinn gehandelt hat. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise
hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass zwar die Ziele einer
Lehranalyse und Psychoanalyse nicht gleich sind, da letztere auf eine
Behandlung gerichtet ist. Die Durchführung unterscheidet sich jedoch nicht
und deshalb besteht wie bei der Psychoanalyse ein gleichgerichtetes
Interesse auf Einsichtnahme in die geführte Dokumentation. (Urteil v.
7.11.13: 10 RN 21)
Zugleich bleibt offen, ob eine Dokumentationspflicht bei Lehranalysen
(Lehrtherapien) überhaupt besteht, da es sich nicht um Behandlungen im Sinne
des Behandlungsvertrags (630a ff BGB) handelt. Die DGPT empfiehlt im Hinblick auf das BGH-Urteil Aufzeichnungen "so sparsam wie
möglich, so ausführlich wie nötig" anzufertigen und in schwierigen
Situationen "umfassender auf[zu]zeichnen, um sich im unwahrscheinlichen
Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch hinreichend verteidigen zu
können" (Mitgliederrundschreiben 4/2013: 16 ff,
Zitat: 17f).
Wird aber eine Dokumentation geführt besteht grundsätzlich auch das Recht
von LehranalysandInnen auf Einsicht. Allerdings konnte sich hier auch die Klägerin mit ihrer
Forderung nach uneingeschränkter Einsicht in die Aufzeichnungen nicht
durchsetzen. Der BGH sieht das Einsichtsrecht (wie schon in der
Vergangenheit) durch das Persönlichkeitsrecht der Analytikerin beschränkt
und entsprechende Schwärzungen von Teilen der Aufzeichnung als zulässig an -
auch wenn dadurch "eine gewisse Mißbrauchsgefahr" nicht auszuschließen
sei:
Ohne Erfolg
bleibt der Einwand der Beklagten, dass die Dokumentation der Lehranalyse
nicht vorgeschrieben sei. Das bedeutet zugleich, dass die gleichwohl
gemachten Aufzeichnungen allein in ihrem Selbstbestimmungsrecht verhaftet
seien, und sie sich insoweit ebenfalls auf ihr allgemeines
Persönlichkeitsrecht berufen und die Einsichtnahme verweigern könne. Das
eigene Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers ist jedoch zum einen dadurch
gewährleistet, dass er die Aufzeichnungen, deren Preisgabe sein eigenes
Persönlichkeitsrecht verletzten würde, schwärzen kann. Im Übrigen kann er,
da eine Dokumentation nicht gefordert ist, den Umfang der Dokumentation
nicht selbst bestimmen und insoweit eine Einsichtnahme durch den
Lehranalysanden durch schlichtes Unterlassen der Dokumentation ausschließen.
Soweit aber eine Dokumentation von intimen Informationen über den
Lehranalysanden erfolgt ist und die Offenbarung nicht das
Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers verletzt, weil es nicht um eigene
Informationen aus seinem Intimbereich geht, kann das Einsichtsrecht des
Lehranalysanden aufgrund des allein schon durch die Dokumentation erfolgten
Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verneint
werden.
(Urteil v. 7.11.13: 11 RN 22)
Vergeblich wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Klägerin könne keine uneingeschränkte Einsicht ohne
Schwärzungen verlangen. Die Herausgabe der Kopien der Therapieaufzeichnungen
ist insoweit beschränkt, als sie den Analytiker betreffende
persönlichkeitsbezogene Aufzeichnungen enthalten. Es ist anerkannt, dass
auch grundrechtlich fundierte Interessen des Therapeuten einer Einsichtnahme
entgegenstehen können (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1777; BGH, Urteil vom 6.
Dezember 1988 - VI ZR 76/88, BGHZ 106, 146, 151). Ohne Erfolg bleibt die
Rüge der Klägerin, durch das Recht auf Schwärzung könne der Analytiker das
Recht auf Einsicht entwerten. Die Abwägung der beiden grundrechtlich
geschützten Interessen bietet jedoch keine andere Möglichkeit, als dem
Analytiker das Schwärzungsrecht einzuräumen. Jede anderweitige Kontrolle
würde in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte des Analytikers eingreifen,
weil er zur Prüfung seiner Rechte Dritten Kenntnis von seinen Aufzeichnungen
geben müsste und damit eine Verletzung seines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts unvermeidbar wäre. Eine gewisse Missbrauchsgefahr ist
aus praktischen Gründen dabei nicht auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 23.
November 1982 - VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327, 338).
(Urteil v. 7.11.13: 12 RN 24)
Anmerkung: Aus meiner Sicht ist
das Urteil des BGH zu begrüßen. Auch wenn Lehranalysen keine Behandlungen im
juristischen Sinne (§ 630a BGB) sind, so sind die (hoffentlich) in
Gang kommenden therapeutischen Prozesse analoger Art - wenn
LehranalysandInnen (und gleiches gilt für Absolventen einer Lehrtherapie) in
der Lage sind, sich als PatientInnen zu erleben und sich auf die Analyse
ihrer Konflikte, Übertragungsmuster, Symptome/Befindlichkeitsstörungen und ihres Unbewußten
einzulassen. Die dabei entstehenden Aufzeichnungen über AnalysandInnen sind höchstpersönlicher
Art und unterliegen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Da Lehranalysen keine Behandlungen im Sinne eines Behandlungsvertrages (§
630a BGB) sind, besteht bislang keine (ausdrückliche) Pflicht zur
Dokumentation); m. E. sind die Berufs- und Fachgesellschaften aufgefordert,
Standards für eine Dokumentation psychoanalytischer Behandlungen und
Lehranalysen (bzw. -therapien) zu entwickeln. Da es auch bei Lehranalysen zu fehlerhaftem
Verhalten von LehranalytikerInnen kommen kann (und wiederholt gekommen ist)
und in solchen Fällen auch mit entsprechenden gerichtlichen
Auseinandersetzungen zu rechnen ist, machen Aufzeichnungen - auch schon
jetzt - durchaus Sinn
(siehe Empfehlungen der DGPT).
Die Beschränkung des Einsichtsrechts durch das Persönlichkeitsrecht der
TherapeutInnen (das im Einzelfall zu einer Schwärzung von Teilen der
Aufzeichnung führen kann) ist Ausdruck eines Rechtsstaatsprinzips, das einen
Ausgleich der verschiedenen grundrechtlich geschützten Rechte vorzunehmen
versucht. Allerdings hat dieser Ausgleich keinen expliziten Eingang in das
im Patientenrechtegesetz verankerte Einsichtsrecht in die Patientenakte
(§ 630g BGB) gefunden. Ich gehe aber davon aus, daß bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten
die verfassungsrechtliche Problematik der im Gesetz nicht verankerten
Persönlichkeitsrechte von ÄrztInnen und (insbesondere) PsychotherapeutInnen
eine Rolle spielen wird.
Auf dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel) wurden die
dazu vorliegenden Anträge des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
zur Änderung der Musterberufsordnung (Einfügung der Formulierung des § 630g
Absatz 1 Satz 1 BGB) und einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15; B. Waldvogel
u. A.):
§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der
Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:
(2) Psychotherapeuten können die Einsicht
ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche
therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter
entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne
Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine
Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht
berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und
soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines
Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der
Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2
ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz
2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]
nicht abgestimmt.
Da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine
klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war, wurde der Vorstand
beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT zu formulieren, der
den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt.Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:
Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und
Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit
knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu
überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für
den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass
die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass
Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie
und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK
Aktuell v. 27.11.13)
Den Landespsychotherapeutenkammern steht es allerdings unabhängig von einer
Änderung der Musterberufsordnung frei, ihre jeweils verbindliche
Berufsordnung entsprechend zu ändern. Ich werde mich in Bayern in diesem
Sinne einsetzen.
Und schließlich ist immer wieder darauf hinzuweisen: Kommt es zu einer
gerichtlichen Auseinandersetzung über die Einsicht in die Behandlungs- oder
Lehranalyse(-therapie)-Dokumentation, dann ist die Behandlung in der
Regel längst
entgleist! Das Ansinnen von PatientInnen, Einsicht in über sie angefertigte
Aufzeichnungen Einblick zu nehmen sollte ernst genommen und nicht vorschnell
als Widerstand (oder was auch immer) gedeutet und zurückgewiesen werden. Nach meiner Erfahrung kommt es in diesen
Fällen zu Konflikten, die dann nicht mehr als Ausdruck einer gemeinsamen
Inszenierung verstanden werden können - etwa auch im Hinblick auf (Gegen-)
Übertragungen von PsychoanalytikerInnen, welche der Übertragung der
PatientInnen vorausgehen! Oder als Gegenübertragungsreaktionen, die
nicht mehr reflektiert und nutzbringend in die Therapie eingebracht werden
können, sondern agiert werden (müssen).
Urteil des
BGH v. 7.11.2013 -
III ZR 54/13 (pdf-Dokument); Link zum Urteil
(III
ZR 54/13) über die Webseite des BGH
Urteil des
OLG Celle v. 14.01.2013; -
1 U 61/12 - (Vorinstanz: LG
Hannover: 19 O 281/11) siehe bei: AKTUELL: Nummer
05/2013
Bundespsychotherapeutenkammer Aktuell (27.11.13):
Weichenstellung für die Zukunft der
Psychotherapie: 23. Deutscher
Psychotherapeutentag in Kiel (16.11.2013)
Archiv: Lehranalyse
bzw. -therapieaufzeichnungen:
Teil 1
Die Ärzte Zeitung berichtet am 13.12.2013 über ein verwahrlostes Datenarchiv
(Immelborn, Thüringen), in dem sich u. a. auch ausgelagerte medizinische
Unterlagen aus Arztpraxen befinden. Laut Handelsregister ist die 1993 noch
in der damaligen DDR gegründete Firma vor fünf Jahren in Insolvenz gegangen,
der ehemalige Geschäftsführer ist derzeit nicht auffindbar.
Der thüringische Landesdatenschutzbeauftragte Hasse sieht schwere Verstöße
gegen den Datenschutz und seine Behörde damit überfordert an, alle Akten zu
sichten und ihre Besitzer zu ermitteln. Er verwies in diesem Zusammenhang
darauf, daß die grundsätzlich zulässige Archivierung ärztlicher Unterlagen
durch Privatfirmen die ÄrztInnen nicht von ihren datenschutzrechtlichen
Pflichten ihrer und Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufbewahrung
entbinde.
Anmerkung: Siehe die Ausführungen in der
vorausgehenden Meldung (AKTUELL: Nummer 29/2013).
Diebstahl von Patientendaten bei externem
Dienstleister (Rechenzentrum)
Die Ärzte Zeitung berichtet am 29.11.2013 über einen 21-jährigen Systemadministrator eines
privarten medizinischen Rechenzentrums (Landkreis Northeim), der große
Mengen an vertraulichen Patientendaten aus Arztpraxen und Apotheken kopiert
haben soll. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts des Ausspähens von Daten,
des Verrats von Geschäftsgeheimnissen und des Verstoßes gegen das
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) von der zuständigen Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
hat der Tatverdächtige die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt - er habe
dabei aber nach seinen Angaben im Einverständnis mit dem Geschäftsführer
gehandelt.
Die eigentliche Brisanz der Angelegenheit besteht allerdings darin, wie die
vertraulichen Daten aus Arztpraxen und Apotheken überhaupt in das
Rechenzentrum gelangten. Zwar ist eine Auslagerung grundsätzlich möglich
jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der private Anbieter die Einhaltung
der geltenden Datenschutzbestimmungen garantieren kann und deren Einhaltung
auch regelmäßig kontrollier wird und eine Einwilligung der PatientInnen in
die Weitergabe der Daten an einen externen Dienstleister vorliegt.
Anmerkung: Ich rate dringend davon ab,
Patientendaten an externe Rechenzentren weiterzugeben; allenfalls die
Abrechnung von Privatrechnungen scheint mir noch vertretbar, sollte aber -
insbesondere, wenn es nur um wenige PatientInnen geht - soweit möglich
ebenfalls vermieden werden. Weder kann die Einhaltung der
Datenschutzbestimmungen von Laien überprüft oder gar kontrolliert werden
noch sollte die Gefahr unbefugter Einsichtnahme oder Mißbrauchs (siehe
obigen Fall) eingegangen werden.
World Medical Association Declaration of Helsinki (WMA):
Ethical Principles for Medical Sesearch Involving Human Subjects (Version
Fortaleza/Brasilien 2013)
Die 1964 in Helsinki
verabschiedete Deklaration beinhaltet wichtige ethische Prinzipien im
Zusammenhang der medizinischen Forschung an Menschen einschließlich der
Forschung mit identifizierbarem menschlichem Material oder entsprechenden
Daten. Sie richtet sich in erster Linie an ÄrztInnen, bestärkt jedoch auch
alle an der Forschung beteiligten Personen und Berufsgruppen, die Prinzipien
der Deklaration zu übernehmen (vgl. Präambel). Die mehrfach geänderte
Deklaration wurde auf der 64. Generalversammlung der WMA in Fortaleza
(Brasilien) im Oktober 2013 überarbeitet. Wesentliche Veränderungen zur
vorausgehenden Version (Korea 2008) wurden nicht vorgenommen. Die
Deklaration beinhaltet neben der Präambel (Ziffern 1-2) Ausführungen
zu allgemeinen
ethischen Prinzipien (3-15),
zu Risiken, Belastungen
und Nutzen (16-18),
zu vulnerablen Personen
und Personengruppen (19-22),
zu ethischen
Forschungskomissionen (23),
zum Datenschutz und zur
Schweigepflicht (24),
zur informierten Einwilligung
- informed consent (25-32),
zum Einsatz von Placebo (33),
zu Maßnahmen nach Studienende
(34),
zur Registrierung,
Publikation und Veröffentlichung von Studien (35-36) sowie
zu nicht evaluierten
Interventionen in der klinischen Praxis (37).
Bei
Ziffer 9 finden werden allgemeine ethische Prinzipien aufgelistet, darunter
auch zum Datenschutz und zur Schweigepflicht:
9.
It
is the duty of physicians who are involved in medical research to
protect the life, health, dignity, integrity, right to
self-determination, privacy, and confidentiality of personal
information of research subjects. The responsibility for the
protection of research subjects must always rest with the physician
or other health care professionals and never with the research
subjects, even though they have given consent.
Spezielle Aussagen zur
Schweigepflicht finden sich unter der Überschrift:
Privacy and Confidentiality:
24.
Every precaution must be taken to protect the privacy of research
subjects and the confidentiality of their personal information.
Nachfolgend (unter der
Überschrift: Informed Consent) widmen sich die
Ziffern 25-32 der Frage der informierten Zustimmung. Eine Einwilligung in
Forschungsnahmen ist nur insoweit ethisch vertretbar, als die Teilnahme
freiwillig erfolgt und die Betroffenen drüber informiert sind, was zu
welchem Zweck geschieht (Methoden, Finanzierung, Interessenkonflikte,
institutionelle Zugehörigkeiten der ForscherInnen, erwarteter Nutzen,
potentielle Risiken der Studie und dabei möglicherweise auftretende
Unannehmlichkeiten, auf die Studie folgende Maßnahmen and andere relevante
Aspekte der Studie). Weiter müßen die TeilnehmerInnen auf ihr Recht
hingewiesen werden, ihre Teilnahme jederzeit zu beenden bzw. ihren informed
consent zurückzunehmen ohne Repressialien fürchten zu müssen. Erst nachdem
sich die jeweiligen ÄrztInnen (oder andere qualifizierte Personen) davon
überzeugt haben, daß die Informationen verstanden wurden, kann der informed
consent (bevorzugt schriftlich) erfolgen. Schließlich sollte für die
TeilnehmerInnen die Möglichkeit der Information über die allgemeinen
Ergebnisse und Befunde der Studie bestehen (vgl. Ziffer 26).
Aus meiner Sicht ist insbesondere
Ziffer 27 zu erwähnen, bei der auf die Problematik von
Abhängigkeitsbeziehungen thematisiert wird:
27.
When
seeking informed consent for participation in a research study the
physician must be particularly cautious if the potential subject is
in a dependent relationship with the physician or may consent under
duress. In such situations the informed consent must be sought by an
appropriately qualified individual who is completely independent of
this relationship.
Die nachfolgenden
Regelungen zum informed consent beziehen
sich auf Personen, die nicht in der Lage
sind informiert einzuwilligen (28-30). Unter
Ziffer 31 wird auf die Pflicht der ÄrztInnen
verwiesen, die TeilnehmerInnen umfassend
darüber aufzuklären, welche Aspekte ihrer
Behandlung in die Studie einbezogen werden.
Die Beendigung
der Teilnahme oder der Widerruf der
informierten Einwilligung darf nicht zu
einer Beeinträchtigung der
Patient-Arzt-Beziehung führen. Die letzte
Regelung aus dem Bereich des informed
consent bezieht sich auf den Umgang mit
identifizierbarem menschlichem Material oder
personenbezogenen Daten (32).
Anmerkung 1:
Zur Terminologie: Unter
privacy ist im
deutschen Sprachgebrauch Datenschutz und
Privatsphäre gemeint, confidentiality meint die
(berufliche) Schweigepflicht.
Anmerkung 2:
Der Hinweis auf die
Problematik
von Abhängigkeitsbeziehungen ist aus
meiner Sicht insbesondere auch für
PsychotherapeutInnen von außerordentlicher
Relevanz. Denn in einer Psychotherapie
besteht immer eine sehr ausgeprägte
Abhängigkeitsbeziehung zu einer/m bestimmten
Psychotherapeutin/en. Deshalb muß bei
Einwilligungen aller Art (z. B.
Veröffentlichungen in Büchern, Video- bzw.
Audioaufnahmen zum Zweck der Ausbildung oder
Super- bzw. Intervision) in besonderer Weise
darauf geachtet werden, daß diese freiwillig
und nicht unter dem Druck der
therapeutischen Beziehungen erteilt werden.
Kann dies nicht sichergestellt werden,
sollte auf die jeweilige Maßnahme verzichtet
werden.
Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes des
Meldesystem für Texte auf Internetseiten (METIS):
Drohen Abmahnungen wegen der
Einbindung von METIS-Zählmarken auf einer Internetseite?
Der aktuelle Newsletter der
Rechtsanwälte Kazemi & Lennartz (News I-11-2013) berichtet über die
datenschutzrechtliche Problematik von METIS-Zählmarken. Diese Zählmarken zeichnen auf wie häufig eine Seite im
Internet aufgerufen wird und stellt die Grundlage für eine Vergütung durch
dieVerwertungsgesellschaft Wort dar. Seit 2007 können für Internettexte mit
einem Mindestumfang von 1.800 Zeichen bei der VG Wort gemeldet werden. Da
die Ausschüttung von der Häufigkeit des Aufrufes abhängt, müßen diese von
den jeweiligen AutorInnen (oder Verlagen) mit einem 'Zählpixel' der VG Wort
versehen werden.
Das Problem ist: Das
'Zählpixel' speichert Aufrufe aus Deutschland mit der jeweiligen IP-Adresse
(oder Domain) der BesucherInnen und nach Feststellung des Berliner
Datenschutzbeauftragten auch weitere Informationen über die BesucherInnen
(z. B. Linkinformation über den gelesenen Text) gespeichert und -
unverschlüsselt - an die VG Wort übermittelt werden. Schließlich wird auch
noch ein Cookie (mit einer Laufzeit von zwei Jahren) auf dem Rechner der
NutzerInnen abgelegt - ohne die Option, sich der Zählung zu entziehen.
Mit Hinweis auf die Wahrnehmung der Rechte von AutorInnen, mit deren
Verwaltung sie vom Gesetzgeber betraut wurde, sieht sich die VG Wort aber
dazu
berechtigt, eine entsprechende Option nicht vorzusehen.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte hält die derzeitige Praxis der
'Zählpixel' für mit dem Bundesdatenschutz- und Telemediengesetz unvereinbar.
Der Rechtsanwalt Dr. Kazemi kommt zu einer anderen Bewertung:
Ob die VG
Wort hier gegen geltendes Datenschutzrecht verstößt ist eine interessante
Fragestellung. Gleichwohl sehe ich einen
Verstoß der die Zählpixel integrierenden Webseitenbetreiber nicht.
Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des VG Schleswig und auch
des Kammergerichts Berlin scheint eine Verantwortlichkeit hier eher nicht
gegeben zu sein. Wer gleichwohl "auf Nummer sicher" gehen will, dem sei
angeraten, wenigstens seine Datenschutzhinweise gem. § 13 TMG entsprechend
anzupassen und eine Information über die "Zählmarken" der VG zu integrieren.
Hier
vorschnelle alle Zählmarken zu löschen, erscheint indes aus hiesiger Sicht
nicht geboten.
"Behandelt und verkauft": Die Zeit berichtet über ÄrztInnen
und ApothekerInnen, die Kranken- und Rezeptdaten von Millionen PatientInnen ohne
deren Wissen weitergeben und damit viel Geld verdienen
In der Ausgabe 45 (31. Oktober 2014) berichtet
die Zeit über
ÄrztInnen
und ApothekerInnen, die Kranken- und Rezeptdaten ihrer PatientInnen
an Privatunternehmen, meist Pharmafirmen oder Marktforschungsunternehmen
(wie IMS Health oder Medimed) verkaufen. Dabei geht es um
Behandlungsverläufe (Diagnose, Therapie), welche Pharmafirmen benötigen, um
Produkte gezielt verkaufen zu können. Die Namen und Adressen der
PatientInnen tauchen in den von
ÄrztInnen
und ApothekerInnen erstellten Datenbanken nicht auf: Den einzelnen
Datensätzen wird eine Patientennummer zugeordnet (Pseidonymisierung), die
keinen Bezug zu anderen Daten, etwa der Mitglieds- oder
Sozialversicherungsnummer hat. Dennoch ist bei besonderen Konstellationen
(seltene Diagnosen und Verordnungen) eine Personenbezug nicht
auszuschließen. Der Jurist Dr. Thomas Giesen vom Institut für
Informationsordnung in Dresden (www.infino.org)
geht deshalb davon aus, daß die Schweigepflicht verletzt ist. Das bestreiten
die Unternehmen - insbesondere auch Medimed (hier wird auch kein Honorar für
die Daten bezahlen sondern einzelne Statistiken) - das Arztgeheimnis werde
selbstverständlich respektiert.
In einer Stellungnahme IMS Health
zum Bericht der Zeit wird der Redakteurin (Anne Kunze) vorgeworfen, sie
ziehe trotz umfassender Information die falschen Schlüsse und "und
es fehlt in ihrem Bericht vor allem die Schlüsselinformation, dass Ärzten
sehr wohl gestattet ist, anonymisierte Verordnungsinformationen im Rahmen
des §§ 305a SGB V weiterzugeben." Hier
wird es dann richtig kompliziert und für juristische Laien (und für
Juristen, die das SGB nicht kennen) schwer durchschaubar. Denn tatsächlich
gibt es eine Reihe von Ausnahme vom dem in §
305a SGB
V dargelegten Grundsatz daß VertragsärztInnen "Daten über von
ihnen verordnete Arzneimittel nur solchen Stellen übermitteln [dürfen], die
sich verpflichten, die Daten ausschließlich als Nachweis für die in einer
Kassenärztlichen Vereinigung oder einer Region mit mindestens jeweils
300 000 Einwohnern oder mit jeweils mindestens 1 300 Ärzten insgesamt in
Anspruch genommenen Leistungen zu verarbeiten" (§ 305a SGB V, Satz 4).
Klar ist aber, daß es bei der
entsprechenden Sammlung und Übermittlung pseudonymisierter/anonymisierten
Daten ausschließlich um Zwecke der Versorgungsforschung - nicht aber zu
Werbezwecken oder anderweitigen finanziellen Interessen - gehen kann. Dem in
der Zeit zitierten Rechtsanwalt Giese ist nur zuzustimmen wenn er meint:
"Die Wissenschaft ist oft ein Mäntelchen, das über die Marktforschung gelegt
ist".
Anmerkung: Auch für den Fall, daß ÄrztInnen und
ApothekerInnen darauf verzichten solche Datensätze zu übermitteln, bei denen
ein Rückschluß auf die jeweiligen PatientInnen möglich ist (das wäre eine
Straftat i. S. von § 203 StGB, eine Verletzung der Berufspflichten und der
zivilrechtlichen Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag), erscheint die
Übermittlung anonymisierter bzw. pseudonymisierter Daten (ohne Möglichkeit
des personenbezogenen Rückschlusses) alleine oder überwiegend aus
finanziellen Erwägungen absolut inakzeptabel und auch gesetzeswidrig (§305a
SGB V). Die Ärzte- und ggf. auch Psychotherapeutenkammern sind hier
aufgerufen einem solchen Treiben, das das Vertrauen in den Berufsstand
(endgültig) ruiniert, zu unterbinden.
Anne Kunze: Behandelt und verkauft. Ärzte
und Apotheker geben die Kranken- und
Rezeptdaten von Millionen Patienten weiter -
ohne deren Wissen. Es ist ein dickes
Geschäft. Die Zeit: Nr. 45 (31.10.2013):
21-22
EU-Datenschutzrecht soll die 28 verschiedenen nationalen
Datenschutzregeln in der EU vereinheitlichen
(Teil I)
Am 21. Oktober 2013 hat sich Innenausschuss
für das Verhandlungsmandat des
Europäischen Parlaments zur Datenschutzgrundverordnung ausgesprochen (Abstimmung:
49
Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen). Damit wird es aller
Voraussicht nach zu einer Reform des bisherigen Datenschutzrechts (aus dem
Jahr 1995) kommen - das europäische Datenschutzrecht soll dann auch die
28 nationalen Datenschutzregeln
in der EU vereinheitlichen. Die neuen
Regelungen sehen u. a. vor,
InternetbenutzerInnen explizit
auf die etwaige Weiterverwendung ihrer Daten hinzuweisen. Firmen, die
dagegen verstoßen, würden dann erhebliche Strafen drohen (bis zu fünf
Prozent ihres Jahresumsatzes oder bis zu 100 Millionen Euro). Allerdings muß
vor einem Inkrafttreten mit den EU-Ländern verhandelt werden. Derzeit ist
nicht absehbar, ob die Verhandlungen wie geplant bis zum Frühjahr
abgeschlossen werden können.
Der Abgeordnete des
Europa-Parlaments Jan Phillipp Albrecht (Die Grünen/EFA) ist als
Berichterstatter im zuständigen Innenausschuss des Europäischen Parlaments
tätig und berichtet auf seiner Webseite über alles wichtige zur
Datenschutzreform.
Ärzte Zeitung v.
25.10.2013: Europa. Einheitliche
Datenschutz-Regeln beabsichtigt. Das
EU-Parlament hat einer Datenschutzreform
zugestimmt - und damit den Grundstein für
einen besseren Schutz der Webnutzer gelegt.
Datenschützer von Bund und Ländern legen einen
Forderungskatalog zum Schutz von Gesundheitsdaten vor
Auf ihrer Herbsttagung (86.
Konferenz am
1. und 2. Oktober 2013 in Bremen)
fordern die Datenschützer aufgrund der aktuellen "anlasslosen und
umfassenden internationalen Überwachungsaktivitäten von Nachrichtendiensten
(...)wirksame Maßnahmen zum
Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Privatsphäre.
Wenn hier nicht entschieden gegengesteuert wird, ist zu befürchten, dass wir
uns an eine allgegenwärtige Überwachung gewöhnen und damit rechtsstaatliche
Garantien dauerhaft außer Kraft gesetzt werden." (Pressemitteilung der
Konferenz v. 2.10.13, Abs 1)
Der Forderungskatalog
enthält eine Reihe von Entschließungen, darunter auch für den Bereich des
Sozial- und Gesundheitswesens, für den "die Konferenz angesichts
der mit dem zunehmenden Wettbewerb im Sozial- und Gesundheitswesen
verbundenen Risiken für die informationelle Selbstbestimmungen die Stärkung
der Schutzrechte für die Privat- und Intimsphäre von Patientinnen, Patienten
und Versicherten" fordert (Pressemitteilung der Konferenz
v. 2.10.13, Abs. 4).
In der
Entschließung zur "Stärkung des Datenschutzes
im Sozial- und Gesundheitswesen"
wird u. a. die
Informationsbeschaffung der Krankenkassen bei dem Leistungsempfängern (z. B.
beim Bezug von Krankengeld) über ihren Gesundheitszustand - unter Umgehung
der gesetzlich vorgesehenen Verfahren (z. B. Einschaltung des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung) - kritisiert. Weiter wird die Entwicklung
im Bereich der Informationsverarbeitung problematisiert, da mit der
"Einbindung des Internets bei der Informationsverarbeitung im
Gesundheitswesen, zum Beispiel durch Nutzung von Cloud-Diensten, sozialen
Netzwerken und Big-Data-Strukturen, sowie durch die weit verbreitete
Arbeitsteilung im Medizinbereich und insbesondere die Einschaltung von
informationstechnischen Dienstleistern (Outsourcing) (...) die Gefahr von
'gläsernen Patientinnen und Patienten oder Versicherten' weiter verstärkt"
werde."
(Entschließung zur Stärkung des Datenschutzes im Sozial- und
Gesundheitswesenv. 1.10.13, Abs. 3)
Die Konferenz der
Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder appelliert daher an
die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder (Zitat aus der
Entschließung v. 1.10.2013, Abs. 5):
Bei der Nutzung
neuer technischer Möglichkeiten muss das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung als unverzichtbares Grundrecht von vornherein
berücksichtigt werden (privacy by design). Die Entwicklung
datenschutzfreundlicher Technologien, zum Beispiel von Anonymisierungs-,
Pseudonymisierungs- und Verschlüsselungsverfahren, sollte gefördert und
deren Einsatz nach dem aktuellen Stand der Technik gesetzlich abgesichert
werden.
Die
Telematikinfrastruktur ist umgehend und funktionsfähig so zu realisieren,
dass die medizinische Kommunikation zwischen den Beteiligten im
Gesundheitsbereich vertraulich und zuverlässig realisiert wird und die
Patientinnen und Patienten praktisch in die Lage versetzt werden, ihr Recht
auf informationelle Selbstbestimmung wahrzunehmen.
Für die
zunehmende Einschaltung technischer Dienstleister durch Leistungserbringer,
insbesondere niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, müssen angemessene
datenschutzgerechte gesetzliche Regelungen verabschiedet werden.
Ärzte Zeitung online (7.10.13):
Datenhüter fordern
Schutzprogramm für Gesundheitsdaten
Pressemitteilung
der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder v.
2.10.2013
Entschließung der Konferenz der
Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom
1. 10. 2013:
Stärkung des Datenschutzes im Sozial- und Gesundheitswesen
Elisabeth von Thadden hat
in der Zeit (Nr. 35 v. 8. August 2013: 45) einen kurzen Beitrag
veröffentlicht, der einer Erwähnung Wert ist. Unter dem Titel: „Jetzt die
kleinen heißen Bücher. Aus aktuellem Anlass: Über Grundrecht, eine
Sommerlektüre“ räsoniert sie über die Notwendigkeit Worte zu finden „für die
neuartigen Attacken auf grundlegende Freiheitsrecht der Bürger, für all das
Aushorchen, Ausleuchten, Überwachen, das die Bürgerrecht in den uferlosen,
wildgewordenen Datenströmen wegspülen kann, jenseits von parlamentarischer
Kontrolle und fernab vom ‚Recht auf informationelle Selbstbestimmung‘, wie
das Bundesverfassungsgericht 1983 diesen Schutz der Privatheit zutreffend
nannte. Doch, so Frau von Thadden, die Worte gibt es längst – und führt
verschiedene Beispiele an. Da ich aufgrund meiner Recherchen (und
unterschiedlicher Übersetzungen) teils zu etwas anderen Ergebnissen gekommen
bin, sind die jeweiligen Quellen nachfolgend in Klammern angegeben und
führen direkt zum jeweiligen Dokument):
Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika
v. 17 September 1787
(die Zusatzartikel I—X bilden die so genannte "Bill of Rights" und sind 1791
in Kraft getreten) Zusatzartikel IV
(www.dw.de):
Das Recht des
Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des
Eigentums, vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahme darf
nicht verletzt werden (...)
Allgemeine Erklärung der
Menschenrecht (Resolution 217 A (III) der Generalversammlung
der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948),
Artikel 12 (www.un.org):
Niemand darf
willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung
und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines
Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen
solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind
unverletzlich.
Anmerkung: Die Grundrechte
sind auch und in erster Linie Abwehrrechte der BürgerInnen gegen einen
(andernfalls) übermächtigen Staat und insoweit Ausdruck ihrer
Freiheitssphäre.
Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Union, 30.03.2010), Artikel 8
(www.europarl.de):
Schutz
personenbezogener Daten
(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie
betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für
festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf
einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet
werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden
erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer
unabhängigen Stelle überwacht.
Bei meinen weiteren
Recherchen kamen noch weitere interessante Quellen zu Tage, welche die
Bedeutung des Schutzes der Privatheit bzw. der Privatsphäre gegenüber dem
Staat und seinen Institutionen weiter untermauern.
(1) Das
Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich.
Die 1990 gegründete und
international tätige Menschenrechtsorganisation Privacy International (PI)
mit Sitz in London bezeichnet sich selbst als Hüterin der Privatsphäre der
Bürger gegenüber Staat und Wirtschaftsunternehmen:
www.privacyinternational.org. Unter anderem erstellt die PI gemeinsam
mit einer weiteren Organisation (Electronic
Privacy Information Center - EPIC)
ein jährliches ranking, hinsichtlich des der den BürgerInnen zugestandenen
Privatsphäre Untersucht werden alle EU-Staaten und eine Reihe weiterer nicht europäischer
Staaten.
Elisabeth von Thadden:
Jetzt die kleinen heißen Bücher. Aus aktuellem Anlass: Über Grundrecht, eine
Sommerlektüre. Die Zeit Nr. 35 v. 8. August 2013: 45
Obwohl ich bereits ausführlich über diese
Frage berichtet habe (siehe im Archiv Kinderschutz Teile I-V), scheint es
mir notwendig, das Thema angesichts seiner Relevanz und der auftretenden
rechtlichen Unsicherheiten (die auch mit dem Thema selbst zu tun haben)
immer wieder aufzugreifen.
Insbesondere Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen (aber auch Psychologische und ärztliche
PsychotherapeutInnen, die Kinder und Jugendliche Behandeln) kommen im
Zusammenhang von Hinweisen auf die Gefährdung des Kindeswohls ihrer
PatientInnen in eine schwierige Situation.
Bestehen klare Hinweise für eine unmittelbar
bevorstehende Gefahr (z.B. eine angekündigte körperliche oder sexuelle
Mißhandlung) kann auch ohne
Einwilligung des betroffenen Kindes oder der Eltern (insbesondere bei
jüngeren Kindern), die nicht anders abgewendet werden kann - etwa durch ein
Gespräch mit dem Täter oder den Schutz des Kindes, das in die Wohnung des
anderen Elternteils wechselt. Der Bruch der Schweigepflicht kommt dann in
Frage, wenn nur die Information an Dritte (andere Angehörige, Bekannte,
Beratungsstelle, Jugendamt, Polizei) geeignet ist, die Gefahr abzuwenden (Rechtsgrundlage
(§ 203 StGB i. V. mit § 34 StGB - rechtfertigender Notstand). Die Wahrung
der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten (Wahl der geeigneten und zugleich am
wenigsten in die Rechte der Betroffenen einschneidende Maßnahme).
Schwieriger ist die Situation wenn eine
Gefährdungssituation vorliegt. Schon in der Vergangenheit war klar, daß die
besondere Verantwortung von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen gegenüber den ihnen
anvertrauten Kinder und Jugendlichen
(Garantenstellung) beinhaltet,
den Verdacht einer wie auch immer gearteten Mißhandlung ernst zu nehmen, zu
klären und ggf. auch Maßnahme zu ergreifen, die eine weitere Gefährdung
ausschließen.
Um den Schutz der Kinder und
Jugendlichen zu stärken hat der Gesetzgeber daher verschiedene Maßnahmen
ergriffen:
1. Offenbarungspflicht von ÄrztInnen in Bayern bei Misshandlung,
Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch
Speziell in Bayern wurde im
Art. 14 des
Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (Gesetzes über den öffentlichen
Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie
die Lebensmittelüberwachung - GDVG), der den Schutz der Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen regelt, eine Offenbarungspflicht für ÄrztInnen
implementiert:
(6) Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger sind
verpflichtet, gewichtige Anhaltspunkte für eine Misshandlung, Vernachlässigung
oder einen sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen, die ihnen im
Rahmen ihrer Berufsausübung bekannt werden, unter Übermittlung der
erforderlichen personenbezogenen Daten unverzüglich dem Jugendamt mitzuteilen.
Diese Vorschrift stellt
geltendes bayerisches Recht dar (!), ist aber m. E. weder bekannt, noch wird
sie nach meiner Erfahrung von ÄrztInnen berücksichtigt (der Verstoß wird
auch nur als Ordnungswidrigkeit geahndet; vgl. Archiv
Teil I). Sie betrifft natürlich auch ärztliche
PsychotherapeutInnen! Dabei ist nicht nur die Tatsache der Offenbarungspflicht
ein Problem (eine Abwägung zwischen den verschiedenen Rechtsgüter
ist nicht - wie sonst - möglich), sondern vor allem auch der Umstand, daß
vertrauliche Informationen, die das behandelte Kind bzw. der Jugendlichen
(oder auch deren Eltern) über Dritte in der Therapie äußert, z. B. ein
sexuell mißbrauchtes Mädchen, das sich seiner Freundin (= Patientin)
anvertraut, dem Jugendamt übermittelt werden müßen: Kinder und jugendliche
PatientInnen als Informanten?!
Anmerkung 1 (20.09.2013): Auf Anfrage teilt mir das
Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit am 17.09.2013 mit,
daß die besagte Vorschrift (Art 14 Abs. 6) aufgrund einer vorrangigen
Bundesvorschrift "keinerlei Wirkung (mehr)" entfaltet. Die entsprechende
Bundesbestimmung (§ 4 KKG) finden Sie im folgenden Absatz - für (bayerische)
ÄrztInnen besteht deshalb keine Mitteilungspflicht!
Anmerkung 2 (14.12.2013): Auf Anfrage teilt mir das
Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales am 22.12.2013 mit, daß die besagte Vorschrift (Art 14 Abs. 6) aufgrund
der Unklarheiten des KKG (insbesondere § 4 Abs. 3 KKG, bringe "die
(tatsächliche) Handlungspflicht zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung
nicht zum Ausdruck") "zur Handlungssicherheit und Handlungsklarheit zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen weiterhin dringend erforderlich" sei.
Die zuständige Regierungsrätin verweist in diesem Zusammenhang auf zwei
Informationsquellen:
Leitfaden für ÄrztInnen:
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche - Erkennen und Handeln;
www.aerzteleitfaden.bayern.de - insbesondere Kapitel 2.3.4. Dort heißt
es u. a.:
Hinweis:
Ärztinnen und Ärzte sind
regelmäßig durch die aus Behandlungsvertrag oder tatsächlicher
Gewährsübernahme begründete Beschützergarantenstellung dazu verpflichtet,
Schaden für das Wohl des behandelten Kindes bzw. Jugendlichen abzuwenden.
Dies beinhaltet auch die Information und Einbindung geeigneter Stellen
(Jugendamt, Polizei), wenn der Eintritt des Schadens nicht mit anderen
Mitteln verhindert werden kann und insbesondere die
Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, zur Abwendung
der Gefährdung mitzuwirken (Handlungspflicht). Zur Sicherstellung eines
effektiven Kinderschutzes und insbesondere zur Schaffung von
Handlungsklarheit in Bezug auf diese Handlungspflicht wurde eine solche
Pflicht näher in Art. 14 Abs. 3 und 6 GDVG konkretisiert. Eine
Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes ergibt sich ebenfalls aus §
4 Abs. 3 KKG. In Fällen, in denen eine Kindeswohlgefährdung aus ärztlicher
Sicht nur durch Einbindung des Jugendamtes abgewendet werden kann,
verdichtet sich die dort normierte Befugnisnorm ebenfalls zu einer
Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes (...).
Hinweis:
Leider wurde in § 4 Abs.
3 KKG eine entsprechende Handlungspflicht zur Einbindung des Jugendamtes bei
der dort genannten Gefährdungslage nicht ausdrücklich und damit eindeutig
und klar geregelt. Das Ziel der Schaffung von Handlungssicherheit und
Rechtsklarheit wurde somit nicht vollumfänglich erreicht. Die Bayerische
Staatsregierung hatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine
entsprechende Klarstellung in § 4 Abs. 3 KKG gefordert (siehe
Plenarantrag des Freistaates Bayern, BR-Drs. 202/2/11).
Wichtiges Ziel des Leitfadens ist es,
Sicherheit beim Erkennen und im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen zu
schaffen und insbesondere die grundsätzlich bestehende Handlungspflicht zur
Einbindung des Jugendamtes mit Empfehlungen und Fallbeispielen näher zu
konkretisieren (vergleiche hierzu auch Art. 14 Abs. 6 GDVG).
Anmerkung 3 (14.12.2013): Zwei Bayerische
Staatsministerien widersprechen sich diametral in einer ja nicht ganz
unwichtigen Angelegenheit! Soviel zur Rechtsklarheit.
2. Gesetz zur Stärkung eines
aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz –
BkiSchG und Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)
Im Jahre 2012
trat das (Bundes-) Gesetz
zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen
(Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG v. 22.12.2011, BGBl. I S. 2975, Nr. 70)
in Kraft (ab 01.01.2012).
Im Rahmen dieses Gesetzes
wurde u. a. das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)
beschlossen (Geltung ebenfalls ab 01.01.2012), daß insbesondere für
ÄrztInnen, ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen von Bedeutung ist:
§ 4
Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei
Kindeswohlgefährdung
(1)
Werden
1.
Ärztinnen oder Ärzten, Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung
oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung
erfordert,
(…)
in
Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte
für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt,
so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den
Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich,
bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen
hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des
Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. [Fett- und
Kursivhervorhebung v. Autor]
In Absatz 2 ist geregelt,
daß eine speziell qualifizierte Fachkraft (in der Regel des örtlichen
Jugendamts) in solche Fällen zur Beratung hinzugezogen werden kann
(es besteht insoweit ein Anspruch auf die Beratung!). Hierfür
wurde eine Offenbarungsbefugnis (keine Offenbarungspflicht)
geregelt, die allerdings nur eine pseudonymisierte
Datenweitergabe erlaubt. Der Name des Kindes/Jugendlichen darf also nicht
genannt werden (stattdessen etwa ein anderer Vorname, oder die
Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachname oder eine Chiffre) und aus den
weiteren Angaben darf in der Gesamtschau nicht erkennbar werden, um wen es
sich handelt (z. B. außergewöhnliche Familienkonstellationen, besondere
Berufe oder Personeneigenschaften):
(2) Die
Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung
gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung
durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt,
dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer
Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.
Für den Fall, daß das
Gespräch mit dem Kind/Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten
nicht ausreicht um die
Gefahr abzuwenden, besteht eine Offenbarungsbefugnis (keine
Offenbarungspflicht) gegenüber dem Jugendamt:
(3) Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein
Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten
Personen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine
Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so
sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen
vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes
oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die
Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten
mitzuteilen.
3. Kinderjugendhilfegesetz - KJHG (SGB VIII)
Die dramatischen
Kindstötungen vor einigen Jahren (u. a. der 'Fall' Kevin in Bremen)
waren 2005 Anlaß einer Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG =
Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII)). Mit der Einführung des § 8a
"Schutzauftrag
bei Kindeswohlgefährdung" werden vor allem die Jugendämter verpflichtet bei
Bekanntwerden gewichtiger
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen,
das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen
und ggf. entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Aber auch
Träger von Einrichtungen und
Diensten, die Leistungen nach SGB VIII erbringen, sind betroffen. Mit ihnen
sind Vereinbarungen zu treffen, die sicherstellen, daß deren Fachkräfte bei
Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen
betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen,
daß bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft
beratend hinzugezogen wird und daß die Erziehungsberechtigten sowie das Kind
oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden,
soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in
Frage gestellt wird.
Da niedergelassene
PsychotherapeutInnen in der Regel keine Leistung nach "diesem Buch" (KJHG/SGB
VIII) erbringen, sind sie nicht von dieser Regelung betroffen. Allerdings
haben sie als "Personen,
die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen"
nach § 8b (Fachliche
Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen) "Anspruch
auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft".
Anmerkung: Durch das KKG entsteht keine
Pflicht, die Beratung durch eine Fachkraft des Jugendamts in Anspruch zu
nehmen oder eine Maßnahme nach Absatz 3 einzuleiten. Allerdings werden
PsychotherapeutInnen für den Fall, daß dann etwas geschieht bei einem
möglichen Gerichtsverfahren die Frage beantworten müßen, auf welcher
Grundlage sie zur Einschätzung gelangt sind, nicht entsprechend zu handeln.
Gesetz zur Kooperation und Information im
Kinderschutz (KKG)
über
www.buzer.de
Das Thema Patientenrechte spielt eine immer
bedeutsamere Rolle. Im Zuge des Patientenrechtegesetzes bin ich auf die
Seite des Vereins Für Soziales Leben e.V. in 59348 Lüdinghausen. Dort finden
sich sehr übersichtliche und leicht verständliche Informationen zum
Patientenrechten, zum Patientenrechtegesetz (Gesetzestext und Erläuterungen)
und zur Patientenverfügung. Zudem gibt es News zu den genannten Themen und
ein Forum, bei dem man sich über die verschiedenen Fragen austauschen kann.
Zwischenzeitlich ist nun auch
der Gesetzestext auf meiner Seite direkt verfügbar: §
630 a-h BGB
Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Beschränkung
der Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber einem
Berufsunfähigkeitsversicherer (Az.: 1
BvR 3167/08)
Das
Bundesverfassungsgericht hat einer an einer Depression leidenden Klägerin das
Recht zugebilligt, mit dem Berufsunfähigkeitsversicherer (bei dem sie eine
BU-Rente beantragt hatte) in Verhandlungen über die von ihr zu erteilende
Entbindung von der Schweigepflicht zu verhandeln. Zuvor hatte es die Klägerin
abgelehnt, dem Versicherer eine pauschale Schweigepflichtentbindung zu erteilen
und in einem weiteren Schritt auch abgelehnt, die ihr zugesandten
Einzeleinwilligungen (gegenüber Krankenkasse, ÄrztInnen und
Rentenversicherung) zu
unterzeichnen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies ihre Klage auf
Berufsunfähigkeitsrente wegen der Verweigerung der Erteilung der entsprechenden
Einwilligungen ab.
Das Bundesverfassungsgericht
hat diese Entscheidung am 13.08.2013 aufgehoben. Nach Angaben der Ärztezeitung
(14.08.2013) aus folgenden Gründen:
Versicherungsnehmer hätten faktisch keine Chance, über die Geschäftsbedingungen
und insbesondere auch über Schweigepflicht-Klauseln zu verhandeln. Daher sei es
Aufgabe des Staates und der Gerichte, das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung zu schützen.
Nach Ansicht des
Bundesverfassungsgerichts habe das Landgericht dem nicht Rechnung
getragen. Bei einer erneuten Verhandlung wäre dann folgendes Vorgehen
denkbr:
Ein Ausgleich
der Interessen könne dabei in einem mehrstufigen Dialog gefunden werden,
schlagen die Karlsruher Richter vor: Zunächst könne eine Einigung erzielt
werden, welche Stellen relevante Informationen haben könnten.
Im zweiten
Schritt könnte dann geklärt werden, für welche konkreten Daten die
Versicherungsnehmerin die jeweilige Stelle von der Schweigepflicht entbinden
muss.
Bereits seit 2009 regelt das Versichertenvertragsgesetz (VVG), daß
personenbezogene Gesundheitsdaten nur insoweit erhoben werden dürfen, als deren
Kenntnis "für die
Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich
ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat" (§
213 Abs. 1
VVG).
Anmerkung:
Diese Regelung (§ 213
VVG) präzisiert lediglich, was schon immer ein eherner Grundsatz des Bundes- und
der Länderdatenschutzgesetze war und ist: Zweckbindung und Datensparsamkeit. Mit
anderen Worten: Daten dürfen nicht abgefragt bzw. erhoben und verarbeitet sowie
übermittelt werden, wenn dies zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben bzw. zu dem
Zweck, zu dem eine Einwilligung erteilt wurde, überhaupt nicht notwendig ist.
Schon immer haben Datenschutzbeauftragte (Bund und Länder) darauf hingewiesen,
daß zumeist weitaus mehr Daten erhoben werden als notwendig und zulässig!
Ärztezeitung
online (14.8.2013):
Karlsruher Richter
stärken Patientendatenschutz. Das Bundesverfassungsgericht gibt
einer depressiven Klägerin recht, deren
Berufsunfähigkeitsversicherer die Zahlung einer Rente
verweigerte, weil sie Ärzte, Kasse und Behörden nicht
vollumfänglich von der Schweigepflicht entbinden wollte. Sie
habe das Recht auf einschränkende Auskunftserlaubnis (von Martin
Wortmann)
Handel mit nicht ausreichend anonymisierten
Rezeptinformationen (Arzt- und Patientendaten)
Nach einem Bericht des Spiegels vom
18.08.2013 hat ein Rechenzentrum, das Daten aus Apotheken verarbeitet (es
handelt sich um das süddeutsche Apothekenrechenzentrum VSA in München), diese an
Unternehmen aus dem Bereich der Marktforschung (u. a. den amerikanischen Konzern
IMS Health) verkauft.
Das Problem ist, daß die Daten nicht anonymisiert und verschlüsselt wurden (dann
wäre der Handel legal), sondern lediglich pseudonymisiert wurden: Den
Datensätzen wurde ein 64-stelligen Code zugeordnet, der
allerdings auch noch, so der Spiegel, eine Zuordnung zur Versichertennummer
zuläßt. Auf diese Weise war es eventuell sogar möglich nachzuvollziehen,
welche Arztpraxen welche Medikamente verschrieben haben - Informationen, die für
Pharmaunternehmen von außerordentlicher Bedeutung sind. Deshalb werden für die
Daten auch erhebliche Summen gezahlt.
Wie der Spiegel berichtet, hat der Leiter des
Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein,
Thilo Weichert, den Datenhandel als einen "der größten
Datenskandale der Nachkriegszeit", kritisiert. Weiter heißt es:
Im Juli schließlich erklärte Datenschützer
Thilo Weichert in der "Deutschen Apotheker Zeitung", dass
Ermittlungen der Datenschutzbehörden ergeben hatten, dass "die
Apothekenrechenzentren an IMS Health und andere keine
anonymisierten, sondern - unzulässig - pseudonymisierte Daten"
herausgegeben hatten. Das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum
habe seine Datenlieferung seither umgestellt. IMS Health und VSA
hätten entsprechende Umstellungen bisher jedoch noch nicht
vorgenommen.
Zudem warnt Weichert Apotheker davor, ihre
Daten von Rechenzentren verarbeiten zu lassen, von denen bekannt
sei, dass sie die Patientendaten nicht hinreichend
anonymisieren. Dies könne als Verstoß gegen die Schweigepflicht
der Apotheken gewertet werden. Gegen die Apothekenrechenzentren
wettert er, sie würden damit argumentieren, dass mehr
Datenschutz ihre Dienste verteuern würde: "Ein illegales
Geschäftsmodell wird dadurch nicht besser, dass es billiger und
lukrativer sein soll."
Der
SPIEGEL (online: Sonntag, 18.08.2013 – 08:08 Uhr):
Handel mit vertraulichen Daten:Millionen deutsche Patienten und Ärzte werden ausgespäht
Ungeachtet des Widerrufes einer Schweigepflichtentbindung
dürfen die von einer Krankenkasse früher mit Zustimmung erhaltenen
Behandlungsunterlagen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen weiter
verwendet werden
Das OLG München hat mit Beschluß v. 16.05.2013 auf
die Berufung der Klägerin (AOK) das Urteil des Landgerichts Traunstein vom
21.09.2012, Az. 3 O 5181/11, aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen
Eine gesetzliche Krankenkasse
ist im Rahmen der Geltendmachung von übergegangenen
Schadensersatzansprüchen eines Patienten nicht an dessen
Zustimmung und fortdauernde Entbindung der betroffenen Ärzte
von der Schweigepflicht gebunden. Hat sie vielmehr aufgrund
eines wirksam erklärten Einverständnisses des Patienten
Ablichtungen der Behandlungsunterlagen erlangt, so kann sie
ihre Ansprüche auch dann weiter verfolgen, wenn der Patient
seine Entbindung von der Schweigepflicht widerrufen hat.
Im vorliegenden
Fall hatte der Patient seine Krankenkasse (AOK) eine
Schweigepflichtentbindung wegen eines von ihm vermuteten
Behandlungsfehlers zur Einholung von Behandlungsunterlagen der
ihn behandelnden ÄrztInnen (Hausarzt und Klinik) erteilt.
Auf diese Weise sollte die Behandlung überprüft werden. Da aus
Sicht der Krankenkassen ein Behandlungsfehler tatsächlich vorlag
und forderte sie von den betroffenen ÄrztInnen die Erstattung
der Behandlungskosten i. H. 9638 Euro aus übergegangenem Recht
(§ 116 SBG X). Da der Patient im Rahmen des
Klageverfahrens die den Hausarzt betreffende
Schweigepflichtentbindung sowie die Herausgabeerklärung
widerrief vertrat sowohl dieser wie auch die Klinik die Ansicht,
die Patientenunterlagen dürften wegen der nicht (mehr)
vorliegenden Schweigepflichtentbindung auch nicht als
Beweismittel verwendet werden.
Nach Ansicht des OLG hat die AOK die
Behandlungsunterlagen rechtmäßig im Zusammenhang der erteilten
Schweigepflichtentbindung erhalten. Der Versicherte sei zudem
auch darüber informiert gewesen, daß die AOK nach Prüfung der
Unterlagen gegebenenfalls versuchen werde, Regressansprüche
geltend zu machen. Nach Auffassung der Richter seien
grundsätzlich "rechtmäßig erlangte Informationen und
Beweismittel im Prozess einführbar und verwertbar", auch für den
Fall, daß die ursprünglich erteilte Schweigepflichtentbindung
später widerrufen wird. Der Widerruf der Einwilligung führt
nicht zum rückwirkenden Wegfall der Zustimmung. Ein Verstoß
gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht konnte das OLG
nicht erkennen. Zwar könne es besondere Konstellationen
geben, bei welchen die Belange der Krankenversicherung hinter
die berechtigten Interessen von PatientInnen Patienten
zurücktreten müsse. Das sei jedoch hier nicht der Fall, weil der
Patient keine Nachteile zu gegenwärtigen habe.
OLG München
Beschluß v. 16.06.2013 (1 U 4156/12)
Ärzte Zeitung
online v.
9.08.2013: Kasse darf Patientendaten trotzdem nutzen. OLG:
Behandlungsunterlagen sind rechtmäßig erworbene Beweise. Deshalb
darf eine Kasse die Daten in Regressverfahren selbst dann
nutzen, wenn der Patient eine erteilte
Schweigepflichtsentbindung widerruft.
Rechtsanwälte Scholten Oberem & Partner (SOP): Unsere Themen im
Juli 2013
Die Bundespsychotherapeutenkammer informiert in
ihren EuropaNews vom 26. Juli 2013 über die sich in Diskussion
befindliche EU-Datenschutzverordnung:
U-Datenschutzverordnung in der Diskussion
Ein modernes Datenschutzrecht soll der technologischen
Entwicklung und der damit einhergehenden zunehmenden Erhebung und Verarbeitung
von personenbezogenen Daten der Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen. Die
Verhandlungen zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Datenschutzverordnung
sind allerdings ins Stocken geraten. Es ist unwahrscheinlich, dass sie noch in
der laufenden Legislaturperiode des EU-Parlaments vor den Wahlen im Frühjahr
2014 abgeschlossen werden. In Luxemburg fanden am 6. Juni hierzu Beratungen im
Ministerrat statt, in zentralen Fragen gab es jedoch keine Einigung.
Insbesondere die großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Großbritannien und
Frankreich haben grundlegende Bedenken, weil die jetzige Regelung in Form einer
Richtlinie, die nationale Spielräume für die Umsetzung lässt, durch eine
bindende Verordnung ersetzt werden soll. Sie fordern mehr Zeit für weitere
Beratungen. Offen sind auch noch das Konzept der Einwilligung zur Verarbeitung
von persönlichen Daten, die Beteiligungsrechte von Datenschutzbeauftragten und
das „Recht auf Vergessen im Internet". Die Bundesregierung ist besorgt, dass
eine EU-Verordnung das hohe deutsche Datenschutzniveau herabsetzen könnte. Zum
Verordnungsentwurf der Kommission liegen inzwischen fast 4.000 Änderungsanträge
vor. Die im federführenden Innenausschuss noch vor der Sommerpause vorgesehene
Orientierungsabstimmung wurde auf den Herbst verschoben.
Prism & Co. - Wie neutral ist das Bundesamt für Sicherheit
in der Informationstechnologie (BSI)
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung v.
22.07.2013: 6 (HBG) taucht in den von Edward Snowden veröffentlichten Dokumenten
neben dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)
auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI)
als Schlüsselpartner der NSA (National Security Agency) auf. Das wäre insofern
äußerst bedenklich, als sich das BSI dafür einsetzt, "die
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die IT-Sicherheit in Deutschland
voran zu bringen. Dabei sind wir in erster Linie der zentrale
IT-Sicherheitsdienstleister des Bundes. Mit unserem Angebot wenden wir uns aber
auch an die Hersteller sowie die privaten und gewerblichen Nutzer und Anbieter
von Informationstechnik, denn nur gemeinsames Handeln kann wirkungsvoll sein".
U. a. unterstützt das BSI die E-Mail-Verschlüsselung, warnt vor
Sicherheitslücken und zertifiziert (nachdem die entsprechenden IT-Unternehmen
ihnen Einblick in ihre Produkte bzw. Programmcodes gewährt haben) auch
Sicherheitszertifikate.
Der In einer Pressemeldung
vom 27.07.2013 erklärt das Bundesamt zu den Vorwürfen:
Im Rahmen der
Medienberichterstattung zu den Ausspähprogrammen amerikanischer
und britischer Geheimdienste ist auch über das Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dessen
vermeintlich enge Zusammenarbeit mit dem US-Nachrichtendienst
National Security Agency (NSA)
berichtet worden. Dabei wurde unter anderem suggeriert, dass das
BSI die NSA aktiv mit Informationen versorgt, die es der NSA
erleichtern, in Deutschland Ausspähungen vorzunehmen und
vorhandene Sicherheitsschranken zu umgehen. Hier wurde
insbesondere eine vermeintliche Zusammenarbeit zwischen BSI und
ausländischen Diensten im Zusammenhang mit der Zertifizierung
von IT-Produkten und -Dienstleistungen – einer Kernaufgabe des
BSI zur Schaffung von mehr IT-Sicherheit – unterstellt. Zudem
wurde die Frage aufgeworfen, ob das BSI die NSA dabei
unterstützt habe, Kommunikationsvorgänge am Internetknoten
De-CIX auszuspähen.
Hierzu erklärt das BSI:
Eine Zusammenarbeit oder
Unterstützung ausländischer Nachrichtendienste durch das
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik im
Zusammenhang mit den Ausspähprogrammen Prism und Tempora findet
nicht statt. Das BSI hat weder die NSA noch andere ausländische
Nachrichtendienste dabei unterstützt, Kommunikationsvorgänge
oder sonstige Informationen am Internet-Knoten De-CIX oder an
anderen Stellen in Deutschland auszuspähen. Das BSI verfügt
zudem nicht über das Programm XKeyscore und setzt dieses nicht
ein. Das BSI gibt überdies keinerlei Informationen über
zertifizierte IT-Produkte und -Dienstleistungen oder im Rahmen
des Zertifizierungsprozesses gewonnene Erkenntnisse über diese
Produkte und Dienstleistungen an andere Behörden,
Nachrichtendienste oder sonstige Dritte weiter.
BSI: Keine
Unterstützung ausländischer Nachrichtendienste: Pressemitteilung
v. 27.07.2013
Süddeutschen Zeitung v.
22.07.2013: 6 (HBG)
Süddeutsche
Zeitung onlineInternet-Überwachung Deutschland nutzt NSA-Spähsoftware
(
Der ehemalige Mitarbeiter der CIA und
NSA (National Security Agency) Edward Snowden hat im Juni 2013 enthüllt, daß der
Geheimdienst NSA weitreichende Überwachungsmaßnahmen im Bereich des Internets
durchführt. Demnach greift die NSA über Prism auf Daten von großen IT-Firmen zu
(u. a. Apple, Google, Microsoft und Yahoo). Die betroffenen Firmen haben
allerdings bestritten, daß die NSA direkten Zugriff auf ihre Kundendaten erhält.
Vielmehr würden entsprechende Daten lediglich zielgerichtet auf Grund von
Durchsuchungsbefehle der (geheimen) FISA-Gerichte (Foreign Intelligence
Surveillance Act) übermittelt.
Nach Informationen Snowdens
überwache die NSA in Deutschland etwa 500 Millionen Kommunikationsverbindungen
pro Monat (Telefonate, E-Mails, SMS und Chat-Beiträge). Gemessen an dem
monatlichen Datenaufkommen (ca. 50 Milliarden Kommunikationsdatensätze) würden
etwa 1% aller Datensätze abgegriffen (Bericht der Welt v. 26.07.13: siehe
unten). Völlig unklar ist weiterhin, was genau gespeichert wird und auch wie die
Datensätze ausgewertet werden.
Eine rechtliche Grundlage zur
Weitergabe von Daten und Informationen über deutsche Staatsbürger an
ausländische Geheimdienste besteht seit 2009 mit § 7a (Übermittlungen
durch den Bundesnachrichtendienst an ausländische öffentliche Stellen) des
Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses(Artikel 10-Gesetz - G 10). Nach Informationen der
Welt (siehe unten) wird die Bestimmung erst seit 2011 - anläßlich eines Abkommens mit den
US-Geheimdiensten (Memorandum of Understanding) angewendet.
Nach Angaben des BND-Chefs, Gerhard
Schindler, nutzen die US-Geheimdienste drei Programme, die den Namen Prism
tragen. Das hätte die NSA in einem Schreiben an Kanzleramtschef Ronald Pofalla
bestätigt. Das von Snowden enthüllte Programm dient der globalen Ausspähung, ein
weiteres Computerprogramme wird ebenfalls von der NSA zu nicht näher bekannten
Zwecken eingesetzt (Portal
for Real-time Information Sharing and Management; Portal für Echtzeitaustauch und -steuerung von
Informationen) und das dritte namentlich gleiche Programm wird vom
US-Verteidigungsministerium in Afghanistan eingesetzt.
In einer Pressemitteilung der
Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 24. Juli 2013 wird die Bundesregierung aufgefordert, "plausibel darzulegen,
dass der unbeschränkte Zugriff ausländischer Nachrichtendienste auf die
personenbezogenen Daten der Menschen in Deutschland effektiv im Sinne der
genannten Grundsätze begrenzt wird. Bevor dies nicht sichergestellt ist, werden
die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz keine neuen Genehmigungen für die
Datenübermittlung in Drittstaaten (zum Beispiel auch zur Nutzung bestimmter
Cloud-Dienste) erteilen und prüfen, ob solche Datenübermittlungen auf der
Grundlage des Safe-Harbor-Abkommens und der Standardvertragsklauseln auszusetzen
sind."
Pressemitteilung der Konferenz
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 24. Juli 2013
Die Welt online: Was ist Prism genau?
Der Verfassungsschutz
hat nur noch eine offene Frage (26.07.2013)
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit: hat in seinem im April 2013 fertig gestellten
24. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz (2011/2012) auf gravierende Mängel im
Umgang einzelner Krankenkassen (KK) mit Patientendaten hingewiesen:
Beratung der Versicherten
durch externe Dienstleister: Grundsätzlich
ist es zulässig, daß eine KK eine externe (ärztliche) Beratungsstelle
beauftragt Versicherte bei gesundheitlichen Problemen zu beraten; nicht
zulässig ist hingegen, daß das medizinische Personal des externen
Dienstleisters auf alle Stammdaten der anrufenden Versicherten zurückgreifen
kann - dies ist auf wenige Stammdaten beschränkt, zudem müßen die
AnruferInnen darauf hingewiesen werden, daß der Service nicht durch die KK
selbst erbracht wird (Seite 143f). Anmerkung:
Selbst wenn hier aus des Sicht des Bundesdatenschutzbeauftragten kein
datenschutzrechtliches Problem vorliegt: Solche Konstruktionen sind absolut
inakzeptabel!
Krankenfallmanagement:
KK gehen zunehmend dazu über die Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit oder
Bezug von Krankengeld anzurufen (auch werden Hausbesuche gemacht, es wird
Kontakt mit Arbeitgebern aufgenommen oder den Versicherten werden
'Selbstauskunftsbögen zugeschickt). Der Bundesdatenschutzbeauftragten sieht für diese Praxis der Erhebung von Daten
keine Rechtsgrundlage. Lediglich der Medizinische Dienst der Krankenkassen
(MDK) ist, bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen (§ 276 SGB V) ist
dazu befugt entsprechende Daten zu erheben, verarbeiten und (§ 277 SGB V)
der KK zu übermitteln. Die bei einzelnen Kassen durchgeführte Dokumentation
von Daten in Handakten durch KK-MitarbeiterInnen aus Gesprächen mit
Versicherten ist unzulässig, die Daten sind zu löschen (Seite 145 ff).
Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Änderung
des Telekommunikationsgesetzes): Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt
Gegen breiten Widerstand von
Kritikern hat der Bundesrat am Freitag (3.05.2013) dem Gesetz zugestimmt -
Berlin (CDU/SPD) hatte sich ursprünglich enthalten wollen, durch die nun
erfolgte Zustimmung gab es nun eine Mehrheit für das Gesetz, das ohne Aussprache
. Danach können nun Polizei, Zoll und Nachrichtendienste zum 1. Juli bei Telekommunikationsanbietern
Informationen über deren Kunden abfragen. Die dafür erforderlichen rechtlichen
Voraussetzungen minimal. Bereits bei Ordnungswidrigkeiten können Behörden
die umfangreiche Datenauskunft einholen und Nachrichtendienste können mit
Hinweis auf die Notwendigkeit zur Aufgabenerfüllung Daten abfragen. Abgefragt
werden können die IP-Adressen und zugehörige Namen, Bankkonten und Adressen der
NutzerInnen, in bestimmten Fällen zudem auch Zugangsdaten (z. B. PIN-Nummern für
das Handy und Paßwörter für E-Mail-Konten - soweit der Provider solche Dienste
anbietet und die Paßwörter speichert)
Am Vortag
(2.05.13) hatten noch zahlreiche Kritiker in einer gemeinsamen
Erklärung die Politik (Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer)
aufgefordert, das Gesetz zu stoppen:
Die Vertraulichkeit und Anonymität
der Internetnutzung steht auf dem Spiel, wenn staatlichen
Behörden der weitreichende Zugang zu unserer Internetnutzung und
zu unseren privatesten Daten möglich gemacht wird. Die Furcht
vor Ermittlungen oder sonstigen Nachteilen beeinträchtigt die
unbefangene Nutzung des Internets, die in bestimmten Bereichen
nur im Schutz der Anonymität erfolgen kann (z.B. medizinische,
psychologische oder juristische Beratung, Presseinformanten und
Whistleblower, politischer Aktivismus).
Wir fordern alle
Ministerpräsidenten auf, das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft im
Bundesrat zu stoppen und im Vermittlungsausschuss grundlegend zu
überarbeiten:
1.
Die Anonymität der
Internetnutzung (statische und dynamische IP-Adressen)
muss mindestens so gut geschützt werden wie
Telefon-Verbindungsdaten – keine Herausgabe ohne
richterliche Anordnung, kein Zugriff in Bagatellfällen
(z.B. Ordnungswidrigkeiten), keine elektronische
Auskunftsschnittstelle!
2.
Die Aufrüstung von
Bundeskriminalamt (BKA) und Zollkriminalamt (ZKA) zu
einer “Internet-Polizei” lehnen wir ab!
3.
Unsere Passwörter
gehören uns – keine Herausgabe der Passwörter zu unseren
E-Mails, unseren Fotos, unseren sozialen Netzwerken und
unseren Online-Speicherdiensten!
Unterzeichner:
1.
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
2.
Deutscher Journalistenverband (DJV)
3.
Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju)
4.
Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene
Tür
5.
Humanistische Union
6.
Komitee
für Grundrechte und Demokratie
7.
Neue
Richtervereinigung (NRV)
8.
Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen
9.
Reporter ohne Grenzen (ROG)
Anmerkung
9.05.2013: Heribert
Prantl hat in einem Kommentar (SÜDDEUTSCHE Zeitung v. 4./5. Mai 2013: 4 "Als
ginge es nur um Kaugummi") sehr zutreffend darauf hingewiesen, wie
unverhältnismäßig die Datenabfrage im Gesetz ausgestaltet ist. Bereits bei "Winzlings-Ordnungswidrigkeiten"
kann die Polizei Handy- und Internetdaten abfragen. Und Sicherheitsbehörden
(inkl. Geheimdienst) können ohne richterliche Zustimmung (diese ist nur bei
PIN- und sonstigen Geheimnummern notwendig) "Telekommunikations-
und Identitätsdaten praktisch immerzu und jederzeit automatisiert oder
manuell abfragen. Das Gesetz tut so, als ginge es nicht um die Abfrage von
Daten, sondern um den Zugriff auf Kaugummi". Und weiter: "Das
vom Bundesverfassungsgericht vor fünf Jahren postulierte "Grundrecht auf
Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme" wird von Gesetzgeber nicht ernst genommen. Das muss aber nicht
wundern: Das Verfassungsgericht nimmt sein Grundrecht auch nicht mehr so
ernst wie damals."
Ein Skandal, der allerdings kaum jemand
aufregt - nicht nur die Haltung des Bundesverfassungsgericht scheint
sich zu ändern - auch jene von (vielen) Politikern und (vielen) BürgerInnen.
http://bestandsdatenauskunft.de:
Infoblog, der
sich kritisch mit der Bestandsdatenauskunft und ihren Auswirkungen auf die
Privatsphäre befasst. Ursprünglich wurde er von den Piraten gestartet,
zwischenzeitlich dient er der parteiübergreifenden Information über und
Mobilisation gegen die Bestandsdatenauskunft (zusätzlich zum
Protestwiki).
Zeit online vom 3.05.2013:
Ermittler dürfen ab 1. Juli Bestandsdaten abfragen.Die Kritik
von Bürgerrechtlern war vergeblich, der Bundesrat hat das umstrittene Gesetz
zur Bestandsdatenabfrage durchgewinkt. Nun wird es wohl Klagen dagegen
geben.
Die
Cloud ist ein Anglizismus, der das Phänomen der Datenwolke beschreibt: Daten
werden nicht mehr stationär (Festplatte im PC gespeichert, sondern auf eigens
dazu vorgehaltenen Servern, die irgendwo in der Welt stehen. Auf dort abgelegte
Daten kann von überall her zugegriffen werden.
Grundsätzlich würde ich
abraten, sensible Daten in der cloud zu speichern - auch wenn diese bei
Beachtung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen weitgehend sicher 'aufbewahrt'
werden können. Das Risiko steigt allerdings, weil Dritte (Dienstleister) in
die Archivierung einbezogen sind. Die meisten ÄrztInnen, PP und KJP sind
computertechnische Laien und damit kaum in der Lage, Risiken zu erkennen,
abzuwägen und diese durch entsprechende Maßnahmen (weitgehend) zu minimieren
- das gilt allerdings nicht nur für Daten in der cloud!
In der Ärzte Zeitung online
(30.04.2013)
informiert Rebekka Höhl über Chancen und Risiken von "Patientendaten in der
Wolke".
Anmerkung:
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Schaar)
geht in im 24. Tätigkeitsbericht (2011/20012) auf die Problematik des "Cloud
Computing - heiter bis wolkig" ein. Hier zeigt sich auch ein besonderes
Problem: Die "Zugriffsmöglichkeit staatlicher Stellen, insbesondere aus
Drittstaaten auf Daten, die in der Cloud gespeichert sind" (Seite 70).
Ärzte Zeitung online (30.04.2013):
Patientendaten in der Wolke. Was erlaubt der Datenschutz? Für Arztpraxen
gelten beim Cloud-Computing strenge Datenschutzregeln. Doch die Praxen
können sich zum Teil mit ganz praktikablen Lösungen behelfen.
Bußgelder wegen Datenschutzverstößen gegen psychosoziale
Organisationen: Brücke Rendsburg-Eckernförde e. V. und RebuS
Bereits im November 2011 hatte
ich darüber berichtet, daß
mehrere Tausend sensible
Patientendaten einer psychosozialen Organisation im Bereich der Arbeit mit
psychisch schwer kranker Menschen frei im Internet abrufbar waren
(AKTUELL: Nummer
32/2011).
Nun hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in
einer Pressemitteilung (25.04.2013) auf die Verhängung von Bußgeldern in diesem
Fall aufmerksam gemacht:
Anfang November 2011
wurde bekannt, dass im Internet etwa 3.600 Dokumente der Brücke . und von
anderen Hilfsorganisationen für psychisch Kranke mit sensiblen Angaben von
Patientinnen und Patienten im Internet technisch ungeschützt abgerufen werden
konnten. Die Dokumente waren in einem für interne Zwecke genutzten System
abgelegt, das über das Internet betrieben wurde. Die Dokumentenverzeichnisse
waren nicht gegen einen Zugriff von Außen gesichert. Dienstleister für diesen
Datendienst war die RebuS GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Brücke
Rendsburg-Eckernförde e. V.. Nach Einschaltung des Unabhängigen Landeszentrums
für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) wurde der Dienst abgestellt und das ULD
begann die Ermittlungen, wie es zu diesem Datenleck kommen konnte.
Dabei ist das ULD auf
ein unübersichtliches Konstrukt aus verschiedenen Partnern gestoßen, die an der
Entwicklung und dem Betrieb des Dienstes beteiligt waren. Wer in dem
Zusammenspiel dieser Stellen welche Aufgaben, Pflichten und Befugnisse hatte,
war nicht geregelt. Mangels Dokumentation konnten wesentliche Schritte der
Administration des Dienstes nicht mehr nachvollzogen werden. So konnten Brücke
und RebuS nicht aufklären, ob für die Dokumentenablage in dem Dienst, der seit
dem Jahr 2002 betrieben wurde, jemals ein wirksamer Zugriffsschutz bestanden
hat.
Nun hat das ULD
Bußgelder gegen die RebuS GmbH in Höhe von 30.000 Euro und gegen den Brücke
Rendsburg-Eckernförde e. V. in Höhe von 70.000 Euro verhängt. Die
Bußgeldbescheide sind bisher nicht rechtskräftig.
Thilo Weichert,
Leiter des ULD: "Die Veröffentlichung der psychiatrischen Unterlagen stellten
eine massive Verletzung der Vertraulichkeit dar, die die behandelten Personen
berechtigterweise von den Hilfsorganisationen erwarten. Wir mussten mit
Erschrecken feststellen, dass die verantwortlichen Stellen in der ganzen über
ein Jahr dauernden Auseinandersetzung sich nicht über die Bedeutung des
Unterlassens der nötigen technisch-organisatorischen Sicherungen und der
Kontrolle im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung einsichtig zeigten. Zwar wurde
umgehend das konkrete Datenleck geschlossen, doch bis heute wurde kein Konzept
für ein valides Datenschutzmanagement vorgelegt." (https://www.datenschutzzentrum.de/presse/20130425-bussgeld-bruecke-rebus.htm)
Die Entscheidung macht deutlich, wie bedeutsam Datenschutz und
Datensicherheit für die im Bereich des Gesundheitswesens tätigen
Leistungserbringer sind. Das gilt für niedergelassene ÄrztInnen,
Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen und Kliniken ebenso wie für psychosoziale
Einrichtungen. Verstöße gegen den Datenschutz, die Schweigepflicht und/oder
datenschutzrechtliche Bestimmungen des SGB (oder anderer Gesetze) führen
nicht nur zu einer Erosion des Vertrauen bei den sich den
Institutionen/Personen anvertrauenden PatientInnen bzw. KlientInnen, sondern
können im Einzelfall auch erhebliche finanzielle Folgen haben.
Unabhängiges Landeszentrum
für Datenschutz Schleswig-Holstein: Pressemitteilung vom
25.04.2013
Die elektronische Gesundheitskarte:
Flächendeckende Ausgabe bis Ende 2013
(Teil
XVIII)
Die
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns berichtet im aktuellen Heft über die eGK,
die bis Ende 2013 an alle Versicherten ausgegeben sein soll. Die
eGK-Versichertenkarte beinhaltet um Unterschied zur früheren Karte mit einfachem
Speicherchip einen vollwertigen Mikroprozessor mit lokalem Speicher und lokaler
Rechenleistung. Im Bericht der KVB wird noch einmal darauf hingewiesen, daß
die Speicherung medizinischer
Daten freiwillig ist,
die Bildung von Patienten- und
Arzt-/Psychotherapeutenprofilen technisch ausgeschlossen ist,
Arzt/Psychotherapeutenpraxen
nicht gezwungen werden können, mit ihrem Praxisverwaltungssystem online zu
gehen,
die Daten dezentral gespeichert
werden,
Notfalldaten direkt auf der
Karte, Patienten bzw. Fallakten dezentral gespeichert werden können.
Im nächsten Schritt des
Aufbaues einer Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen werden seit Beginn
des Jahres
Heilberufeausweise ausgegeben (NRW).
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) -
KVBFORUM 04/2013: 34: Die neue Gesundheitskarte
Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) & Kassenärztliche
Vereinigung Niedersachsen (KVN): Neue Fassung der Broschüre Anfragen von
Krankenkassen, MDK und Anderen
Auf der Seite der KVN heißt es
dazu:
Vor dem
Hintergrund des seit 26. Februar geltenden neuen Patientenrechtegesetzes geben
die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und die Kassenärztliche Vereinigung
Niedersachsen (KVN) ihre gemeinsame Broschüre "Anfragen von Krankenkassen, MDK
und Anderen" in überarbeiteter Auflage heraus. Auf den jeweiligen Internetseiten
der Körperschaften kann diese ab sofort abgerufen werden.
Die
Veröffentlichung bietet Antworten auf die häufigsten Fragestellungen von
Ärzten, wenn sie Anfragen oder Vordrucke von unterschiedlichen Akteuren
erhalten oder Gutachten vielfältiger Art erstellen sollen. Auch zu Themen
wie der ärztlichen Schweigepflicht sowie Honorierung dieser Gutachten gibt
das Merkheft Auskunft.
Nach einer
Einleitung und dem ersten Kapitel "Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht im
Arzt-Patienten-Verhältnis" werden vielfältige Fragestellungen, die oftmals
an Ärzte gerichtet werden, behandelt. Dabei geht es beispielsweise um
Anfragen von Patienten, Rechtsanwälten, Erziehungsberechtigten sowie Erben
oder Angehörigen. In einem detaillierten Kapitel widmen sich die Autoren den
Anfragen von Krankenkassen sowie vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK). Sie setzen ihren Überblick fort mit Anfragen sonstiger Kostenträger
und auch von Sozialämtern, Gesundheitsämtern sowie Finanzämtern. Ein
Stichwortverzeichnis rundet den Service ab.
Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN)
& Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN): Der schnelle Überblick:
Anfragen von Krankenkassen, MDK und Anderen. Rechtsgrundlagen, Vordrucke,
Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht, Aufbewahrungsfristen … (Stand:
März 2013)
Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Änderung des
Telekommunikationsgesetzes) vom
Bundestag beschlossen
Am vergangenen Donnerstag
(21.03.2013) hat der Deutsche Bundestag das
Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft mit den Stimmen der
CDU/CDU, FDP und SPD beschloßen. Die Grünen und Die Linke sprachen sich gegen
das Gesetz aus. Die Neuregelung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht in
einer früheren Entscheidung die entsprechenden Regelungen des
Telekommunikationsgesetzesfür verfassungswidrig gehalten hatte. Der
zunächst vorgelegte Entwurf wurde von KritikerInnen (u. a. Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung) als völlig unzureichend angesehen, da er die Vorgaben
des ursprünglichen Gesetzes teilweise noch erweiterte. Die Koalition hatte sich
daraufhin auf das nachgebesserte (vgl. Zeit online 18.03.2013)
und nun beschlossene Gesetz verständigt. Doch auch dieses stößt auf heftige
Ablehnung (vgl. Stellungnahme des AK Voratsdatenspeicherung v. 20.03.13). So hat
der Bundesdatenschutzbeauftragte gefordert, die Abfrage der sogenannten
Bestandsdaten auf gravierende Delikte zu begrenzen.
Mit dem Gesetz können Polizei
und Geheimdienste künftig sehr persönliche Informationen von
Mobiltelefonbesitzern abrufen - automatisiert und ohne große juristische Hürden,
wenn sie die jeweilige IP-Adresse kennen. Dazu muß man wissen: 2008 wurden
bereits 26 Millionen Abfragen von 100 Behörden bei 120
Telekommunikationsunternehmen registriert, gefragt wurde jeweils, wer hinter
einer bestimmten Telefonnummer bzw. IP-Adresse steckt (Quelle: SZ v.
23./24.03.13: 1 - Verräter an Bord). Tatsächlich ist auf der nun geltenden
Grundlage die Datenübermittlung (z. B. Herausgabe der Namen und Adressen
der InhaberInnen von Handys) bereits dann erlaubt, wenn die Polizei lediglich
wegen einer Ordnungswidrigkeit ermittelt. Auch IP-Adressen, Passwörter und PINs können angefragt
werden - dies allerdings nur auf Anordnung einer/s Richterin/s.
Eine erneute Klage vor dem
Bundesverfassungsgericht ist bereits angekündigt.
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des
Bundesrats (Sitzung am 3.05.2013). Voraussichtlich wird das Gestz wegen der
Mehrheitsverhältnisse scheitern und in den Vermittlungsausschuß überwiesen
werden.
Anmerkung:
Es ist schon erstaunlich mit welcher Kaltschnäuzigkeit PolitikerInnen
immer wieder Gesetze im Bereich
des Datenschutzes beschließen, die sich nah an der Grenze der
Verfassungswidrigkeit und darüber hinaus bewegen. Man kann sich fragen, weshalb
wir uns eine Bundesbehörde für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
leisten (Peter Schaar), wenn diese offensichtlich aufgrund parteipolitischer
Ränkespiele und Lobbyinteressen nicht oder offensichtlich nicht ausreichend
einbezogen wird.
Pressemitteilung des
Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (20.03.13):
Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht die geplanten Änderungen und
konkretisiert schwere Vorwürfe.
Süddeutsche
Zeitung v. 23./24.03.2012 (Seite 1 der Druckausgabe: Verräter an
Bord. Polizei kann künftig leichter Telefon- und Internet-Daten
abrufen). Online (22.03.2013):
Entscheidung zu Bestandsdaten. Verräter an Bord.
Zeit online (18.03.2013):
Koalition bessert Entwurf zu Bestandsdaten nach.
Aufklärung, Einwilligung und Schweigepflicht bei Minderjährigen
(Teil II)
Auf dem Symposium "Medizin und
Recht in Kindheit und Alter" in Berlin hat der Fachanwalt für Medizinrecht,
Martin Stellpflug bei seinem Vortrag
"Einwilligung in die ärztliche
Behandlung in Kindheit und Alter aus juristischer Sicht"
darauf hingewiesen, daß die
gesetzlichen Regelungen noch immer nicht eindeutig seien. Die nachfolgenden
Ausführungen beziehen sich auf einen Bericht der Ärzte Zeitung (Eugenie Wulfert
v. 18.03.2013).
Grundsätzlich müßen
PatientInnen vor einem Eingriff in die körperliche Integrität aufgeklärt werden
und in diesen einwilligen. Bei kleineren Kindern wird die Einwilligung nach
entsprechender Aufklärung über die Behandlung von den Sorgeberechtigten erteilt.
Bei Jugendlichen gestalten sich
die Situation komplizierter: Hier kommt es nicht auf die Geschäftsfähigkeit,
sondern die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit an. Stellpflug: "Es ist
davon auszugehen, daß die Einsichtsfähigkeit regelmäßig etwa ab dem 14.
Lebensjahr vorliegt". Jedoch müßen sich Behandler (ÄrztInnen,
PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen) im
Einzelfall davon überzeugen, daß die Jugendlichen einwilligungsfähig sind.
Umstritten ist in der
Rechtsprechung allerdings, so Stellpflug, ob einwilligungsfähige PatientInnen
alleine entscheidungsbefugt ist, oder ob vorher die Eltern informiert werden
müssen.
Nach Ansicht
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
können urteilsfähige Minderjährige ihre Persönlichkeitsrechte eigenständig
ausüben. Demgegenüber ist der Bundesgerichtshof (BGH) der Auffassung, daß bei
schwerwiegenden Eingriffen, die an einsichtsfähigen Minderjährigen vorgenommen
werden, zuvor immer auch beide Elternteile aufgeklärt werden müssen. Stellflug
vertritt die Einschätzung, das Patientenrechtegesetz habe sich zugunsten
des Bundesverfassungsgerichts entschieden, abzuwarten bleibe aber, ob die
Rechtsprechung dieser Einschätzung folgen werde.
Sind Behandler davon überzeugt, daß
minderjährige PatientInnen einwilligungsfähig sind, können diese auf der
Schweigepflicht, auch gegenüber den Sorgeberechtigten bestehen. Eine
entsprechende Information durch Behandler ist dann auch zum Zweck der Aufklärung
nicht zulässig, allenfalls könnte versucht werden, Jugendliche dahingehend zu
überzeugen, ihre Eltern bei schwerwiegenderen Eingriffen in die
Entscheidung einzubeziehen.
In diesem Zusammenhang empfiehlt
Stellpflug eine detaillierte Dokumentation von Seiten der Behandler, damit die
einzelnen Schritte später nachvollzogen werden können.
Ärzte Zeitung online vom
18.03.2013: Bei jungen Patienten lauern juristische Fallstricke. Wenn
Ärzte Jugendliche behandeln, kann das für sie schnell zivil-, berufs- und
strafrechtliche Folgen haben - auch wenn die Therapie erfolgreich war. Zu
beachten gilt nicht nur die Schweigepflicht.
Archiv Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit:
Teil I
Obwohl die Gesetzgebung mit
dem Patientenrechtegesetz das bereits schon bestehende Richterrecht kodifiziert
und weiterentwickelt hat (insbesondere weitreichende Informations- und
Aufklärungspflichten) bestehen insbesondere zwei Stellen - und vor allem für
PsychotherpeutInnen - sehr problematische Regelungen:
1.
Das Einsichtsrecht besteht
unverzüglich (im Grunde:
sofort, noch während der Stunde bzw. Behandlung). Auch wenn diese
Regelung PatientInnen sinnvollerweise umfangreiche Rechte einräumt (und
gegebenenfalls auch mögliche spätere Manipulationen an der Patientenakte
einschränkt) besteht andererseits die Gefahr einer Retraumatisierung,
wenn Pat. mit Informationen über sich, die vor allem bei
tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Behandlungen den
Charakter von Arbeitshypothesen haben. Gerade auch Aufzeichnungen über
subjektive Eindruck und Gegenübertragungsreaktionen sind eher
Ausgangspunkte eines Verstehensprozesses des und würden vermutlich für
sich genommen bei der Einsichtnahme zu mehr Unklarheit und
Verunsicherung führen, als zu einer Erweiterung der Rechtsposition der
PatientInnen (siehe dazu auch die Beiträge der Kollegin Springer 01/2013und des Kollegen
Stanko 18/2012).
2.
Obwohl selbst das
(nicht rechtskräftige) Urteil des OLG Celle
(Lehranalytikeraufzeichnungen - siehe Beitrag 05/2013)
einen Persönlichkeitsschutz für bestimmte Teil der Aufzeichnungen sieht
(z. B. Gegenübertragungsreaktionen, die sehr persönlicher Art sind),
gilt das nach dem Patientenrechtegesetz jetzt nicht mehr! Nur die Rechte
Dritter (z. B. Angehöriger - Behandler sind nicht gemeint!) sind weiter
geschützt (vgl. § 630g BGB).
Eine Juristin (selbst Ärztin und Fachanwältin für Medizinrecht)
hat bei einer berufspolitischen Veranstaltung einer psychoanalytischen
Berufs- und Fachgesellschaft im Februar diesen Jahres erhebliche Zweifel
daran geäußert, daß eine solche Regelung verfassungskonform ist.
Hinsichtlich des letzen
Punktes bleibt offen, ob es aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage bei einer
Revision (die soweit zu hören ist auch voraussichtlich eingelegt werden
wird) zu einer anderen Entscheidung kommt. Das Patientenrechtegesetz war zum
Zeitpunkt der Entscheidung der OLG Celle nicht in Kraft.
Da erhebliche Unklarheiten
bestehen, was bei einer analytischen Behandlung aus fachlicher Sicht
dokumentiert werden muß, sollten die Fachgesellschaften (DPG, DPV, DGAP, DGIP)
und die Freien Institute Anhaltspunkte für die Dokumentation analytischer
Behandlungen zu entwickeln um einen Standard lege artis zu definieren an dem
sich Juristen dann orientieren können.
OLG Celle: Bei einer Lehranalyse (im Zusammenhang der
Ausbildung zur Psychoanalytiker) besteht eine Nebenpflicht des Lehranalytikers
zur Einsicht in die Aufzeichnungen (14.01.2013; - 1 U 61/12 - ; Vorinstanz: LG
Hannover: 19 O 281/11)
(Teil
I)
Das niedersächsisches
Landesjustizportal hat eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle (1. Zivilsenat)
zur Einsichtnahme in die Aufzeichnungen einer Kandidatin bzw.
Ausbildungsteilnehmerin (Ausbildung zur Psychoanalytikerin an einem Institut der
Deutsche Psychoanalytischen Gesellschaft) vollständig veröffentlicht. In einem
Leitsatz des Portals wird die Entscheidung zusammengefaßt:
Der Teilnehmer
einer Lehranalyse im Rahmen einer psychotherapeutischen Weiterbildung hat gegen
den Lehranalytiker einen Anspruch auf Herausgabe der gefertigten
handschriftlichen Aufzeichnungen über die Lehranalyse als Nebenpflicht aus dem
Lehranalysevertrag gemäß §§ 611, 242 BGB sowie § 810 BGB in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Die
Rechtsprechung zum Einsichtsrecht des Patienten in Krankenunterlagen findet auf
das Lehranalyseverhältnis analog Anwendung. Danach kann der Lehranalytiker die
Einsichtnahme in diejenigen subjektiven Inhalte nur insoweit verweigern, als sie
seine eigenen ebenfalls nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützten
Persönlichkeitsrechte betreffen. Die Kosten für das Kopieren und
Unkenntlichmachen (Schwärzen) der Unterlagen hat der Einsichtsberechtigte
entsprechend § 811 BGB zu tragen.
In seiner Bewertung kommt das Gericht
zur Einschätzung, daß neben objektiven Daten auch
bewertungsabhängige subjektive
Beurteilungen dem
Einsichtsrecht grundsätzlich unterliegen. Zugleich jedoch sind Aufzeichnungen,
die das
Persönlichkeitsrecht der TherapeutInnen berühren, von einer Einsichtnahme
ausgeschlossen und können daher (nach Maßgabe der jeweiligen TherapeutInnen)
geschwärzt werden.
Die Klägerin
hat unstreitig ein Einsichtsrecht in die handschriftlichen Unterlagen der
Beklagten, soweit diese objektive Befunde, Diagnosen oder Therapiemaßnahmen
betreffen. Auch Aufzeichnungen und Bewertungen mit einem subjektiven Einschlag
sind nicht kategorisch von der Einsichtnahme ausgeschlossen (a.). Zwar kann der
Therapeut dem Einsichtsrecht des Patienten sein eigenes Persönlichkeitsrecht
nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG entgegenhalten. Im Rahmen der zu findenden
praktischen Konkordanz der beiderseitigen Grundrechtsbetroffenheit hat aber eine
Interessenabwägung über den Umfang der Einsichtnahme in subjektive Inhalte im
Einzelfall zu erfolgen. Naturgemäß kann nur der Analytiker selbst prüfen, welche
konkreten Inhalte den absolut geschützten Bereich seiner Persönlichkeit
betreffen. Nach dem gewöhnlichen Inhalt möglicher Gesprächsprotokolle einer
Psychotherapie können jedoch abstrakt gewisse Teile beschrieben werden, für die
jedenfalls ein Einsichtsrecht besteht bzw. die umgekehrt einer Einsicht entzogen
sind (b). (online: Absatz 68 des Urteils vom 14.01.13)
Dem Einsichtsrecht
vollständig entzogen sind nach den vorstehenden Grundsätzen die
höchstpersönliche Aufzeichnungen des Analytikers zur eigenen "Therapiehygiene",
über die eigenen Assoziations- und Denkprozesse, beispielsweise im Spiel von
Übertragung und Gegenübertragung, soweit dadurch ihre eigenen Erlebnisse,
Erfahrungen und das eigene Unterbewusste oder ihre Denkweise erkennbar wird.
Diese Aufzeichnungen sind nach der vorzitierten höchstrichterlichen
Rechtsprechung bei einer therapeutischen Gesprächstherapie für eine
Einsichtnahme durch den Patienten tabu und es sind keine Interessen erkennbar,
die bei der Lehranalyse zu einem anderen Ergebnis führen würden. (online: Absatz 75 des Urteils
vom 14.01.13)
Es empfiehlt sich das Urteil selbst
zu lesen, da es einen ausgesprochen guten Überblick über die Entwicklung des
Einsichtsrechts vermittelt und weitgehend verständlich und nachvollziehbar die
Problematik der Abwägung zwischen den Interessen der AusbildungsteilnehmerInnen/PatientInnen
und TherapeutInnen/LehranalytikerInnen vornimmt.
Niedersächsisches Landesjustizportal: OLG
Celle (Az.:
1 U 61/12)
Samenspender haben keinen Anspruch auf die ihnen
zugesicherte Anonymität - die Herausgabe der entsprechenden ärztlichen Daten stellt
keinen Verstoß gegen die Schweigepflicht dar (OLG Hamm)
Nach Ansicht des OLG Hamm ist das Recht
des Kindes an der Kenntnis seiner Herkunft höher zu bewerten, als die Samenspendern zugesicherte Anonymität. Nach der Entscheidung des Gerichts
vom 6.02.2013 muß der die heterologe Insemination durchführende Arzt der dabei
1991 gezeugten Klägerin mitteilen, wer der Samenspender ist. Der Arzt
hatte dies mit dem Hinweis auf seine Schweigepflicht, die dem Samenspender
zugesichert Anonymität und die entsprechende Vereinbarung mit der Mutter
verweigert. Nach seiner Ansicht sei das entsprechende Geheimhaltungsinteresse
höher zu bewerten als das Auskunftsinteresse des Kindes. Daher sei er zur
Verschwiegenheit verpflichtet - die entsprechenden Unterlagen seien zudem
nicht mehr vorhanden.
Das
OLG Hamm hat bei der Abwägung der verschiedenen Güter und Interessen (Arzt:
Persönlichkeitsrecht und Freiheit zur Berufsausübung; Samenspender:
Persönlichkeitsrecht) auf dem Hintergrund der allgemeinen Menschenwürde und das
Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nun das Recht der Klägerin ihre
biologische (genetische) Abstammung in Erfahrung zu bringen höher bewertet als
Geheimhaltungsinteressen des Arztes und Samenspenders.
Das Gericht verwies auch auf
die seinerzeit geltenden Richtlinien der Deutschen
Ärztekammer nach denen eine Auskunftspflicht des Arztes bestanden und mithin
kein Verstoß gegen die Schweigepflicht bestehe.
Etwaige Geheimhaltungsinteressen der
Mutter und des gesetzlichen Vaters (der Klägerin) mußten im konkreten Fall nach
Ansicht des Gericht nicht berücksichtigt werden, da beide mit einer
Auskunftserteilung an das Kind einverstanden gewesen seien.
Nach Bundes- und EU-Recht sind die Daten von
Samenspendern seit 2007 für 30 Jahre zu archivieren. Bereits 1989 hatte das
Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kenntnis der eignen Abstammung aus dem
allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
GG) abgeleitet
(Urteil des Ersten Senats vom 31. Januar 1989 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.
Oktober 1988 - 1 BvL 17/87 -)
Eine Revision wurde nicht
zugelassen (dagegen besteht die Möglichkeit der Beschwerde beim Bundesgerichtshof).
OLG Hamm (Az.: I-14 U 7/12)
Ärztezeitung (6.02.13):
Schweigepflicht adé.
Spermaspender darf nicht anonym bleiben
beck-aktuell Nachrichten (6.02.13):
OLG Hamm: Arzt muss
Auskunft über Samenspender erteilen
Infolge der Wahl in Niedersachsen und
die dadurch veränderten Machtverhältnisse im Bundesrat bleibt offen, ob es zu
einer (notwendigen) Zustimmung des Bundesrats zum Patientenrechtegesetz kommt.
Aktuelle
Meldung 1 (2.02.2013): Das Gesetz hat den Bundesrat gestern
(1.02.2013) passiert und wird in Kürze in Kraft treten: Aktuelle Fassung
Bundesrat vom 11.01.2013 (Drucksache
7/13)
Der Gesetzentwurf (Stand August 2012)
mit Begründung findet sich in der BT-Drucksache
17/10488 (17. Wahlperiode: 15. 08. 2012)
Aktuelle
Meldung 2 (1.03.2013 & 30.05.2013): Das Gesetz ist nach seiner
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt
(BGBl 2013 Teil I Nr.
9: 277-282, Bonn, 25. Februar 2013) am 26. Februar 2013 in Kraft getreten.
Das Bundesgesetzblatt kann online eingesehen werden (Achtung Copyright!) - siehe
Link unten:
Bundesgesetzblatt (www.bgbl.de)
2013 Teil I Nr. 9: 277-282, Bonn, 25. Februar 2013: Gesetz zur
Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (vom 20. Februar 2013);
Hinweis zur Recherche: Da die Suchfunktion des herausgebenden Verlags
(Bundesanzeiger Verlag) nur mit der kostenpflichtigen Version möglich ist hier
der Weg zum Ziel: Bundesgesetzblatt Teil I/2013/Nr. 9 vom 25.02.2013
Koalitionsentwurf zum Beschäftigtendatenschutz (u. a. Verbot der verdeckten
Videoüberwachung am Arbeitsplatz, aber offene Überwachung zulässig)
Das
Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein hat wie viele andere Institutionen den Gesetzentwurf heftig
kritisiert: Hier die Pressemitteilung v.
P R E S S E M I T T
E I L U N G
Koalitionsentwurf zum Beschäftigtendatenschutz enttäuscht maßlos
Der am Wochenende von den
Koalitionsfraktionen auf Bundesebene vorgelegte Entwurf zum
Beschäftigtendatenschutzrecht führte zu großer Enttäuschung beim Unabhängigen
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Er orientiert sich
maßgeblich an einem über zwei Jahre alten Regierungsentwurf, der damals wegen
mangelnder Praktikabilität und Klarheit, aber insbesondere wegen eines völlig
unzureichenden Datenschutzniveaus von Arbeitgebern und Arbeitnehmern,
Wissenschaftlern und Praktikern abgelehnt wurde. Die Verbesserungen sind
marginal, etwa wenn die verfassungswidrige Einschränkung des Petitionsrechtes
von Arbeitnehmern gestrichen wurde.
Die Vorstellung des Entwurfs
in der Öffentlichkeit erfolgte unter der verkürzenden, wenn nicht falschen
Botschaft, heimliches Videografieren werde künftig im Betrieb verboten.
Angesichts der Kritik der letzten zwei Jahre erwies sich die Regierungskoalition
bisher als beratungsresistent. Dort, wo aus Praktikabilitätsgründen
Datenschützer bereit waren, Zugeständnisse zu machen, etwa bei einer
Konzernklausel, wurde auf eine kompensatorische Aufnahme von Schutzregelungen
verzichtet.
Thilo Weichert, Leiter des
ULD: „Dieser Gesetzestext bringt, nicht zuletzt wegen seiner wortreichen
Placeboregelungen, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer mehr
Rechtssicherheit. Das Versprechen der Koalitionsvereinbarung, den
Arbeitnehmerdatenschutz zu verbessern, wird so nicht umgesetzt. Wer praktisch
zwei Jahre alle Diskussionsbeiträge ausgesessen hat, darf diesen Entwurf nun
nicht im Schnelltempo durchwinken. Dafür ist das Anliegen des
Beschäftigtendatenschutzes viel zu wichtig.“
Die weitgehend weiterhin
gültige Kritik des ULD am ursprünglichen Regierungsentwurf ist nachzulesen unter
Bei Nachfragen wenden Sie
sich bitte an: Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein Holstenstr. 98, 24103 Kiel Tel: 0431 988-1200, Fax: -1223
Unabhängiges Landeszentrum
für den Datenschutz: Pressemitteilung v.
14.01.2013
Nachtrag
(1.02.2013):
Michael Sommer (Vorsitzender des DGB) hat per Mail darüber informiert, daß
die Regierungskoalition
beschlossen hat, die Verabschiedung des Gesetzentwurfes zum
Beschäftigtendatenschutz 1.02.13 im Deutschen Bundestag von der Tagesordnung zu
nehmen. Die schwarz-gelbe Koalition will ihre umstrittenen Pläne zum
Arbeitnehmerdatenschutz überarbeiten.
Die Deutsche Gesellschaft für
Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT)
berichtet in Ihrem Mitgliederrundschreiben 4/2012 über das vom Bundestag
verabschiedete Patientenrechtegesetz (Seite 9). Da der Gesetzestext in der
verabschiedeten Fassung mit abgedruckt wurde, zitiere ich ihn nachfolgend mit
den entsprechenden Kommentaren der DGPT:
Bundestag verabschiedet Patientenrechtegesetz
Wir hatten zuletzt im MitgliederRundschreiben 3/2012, S. 9
ff über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens zum "Gesetz zur Verbesserung der
Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)" informiert. Der
damals von uns kommentierte Regierungsentwurf ist in der Fassung vom 15.08. 2012
(Bundestagsdrucksache 17/10488) in den Ausschüssen beraten worden. Die
öffentliche Anhörung (gemeinsame Aktion von Gesundheits- und Rechtsauschuss)
fand am 22.10.2012 statt, Berufsverbände waren zur Anhörung allerdings nicht
geladen. Der Gesundheitssauschuss hat in seiner Sitzung am 28.11.2012 den
Gesetzesentwurf endgültig beraten und zehn Änderungsanträge eingearbeitet. Am
29.11.2012 hat der Bundestag schließlich den geänderten Gesetzesentwurf mit den
Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet. SPD und DIE LINKE stimmten gegen
den Entwurf, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Der jetzt verabschiedete
Text ist in den von der DGPT insbesondere kritisierten Paragrafen "630f BGB –
Dokumentation der Behandlung und 630g BGB – Einsichtnahme" verändert worden. Sie
lauten jetzt wie folgt:
§ 630f - Dokumentation der Behandlung
1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der
Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine
Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und
Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der
ursprüngliche Inhalt
neben dem
ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind.
Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der
Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige
Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen,
insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse,
Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen,
Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte
aufzunehmen.
3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach
Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften
eine längere Aufbewahrungspflicht besteht.
Die von der DGPT dazu eingebrachte Kritik, dass die Dokumentation sich nicht auf
die subjektiven Aufzeichnungen des Therapeuten beziehen darf, ist also nicht
aufgenommen worden. Dieser Umstand muss von Ihnen daher künftig bei Ihren
Aufzeichnungen berücksichtigt werden.
§ 630 g - Einsichtnahme in die Patientenakte
1) Der Patient kann jederzeit
Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich
Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren,
soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige
erhebliche GründeRechte Dritter entgegenstehen. Die
Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend
anzuwenden.
2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der
Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu
erstatten.
3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus
den Absätzen 1 und 2 seinen Erben zu, soweit sie vermögensrechtliche Interessen
des Patienten geltend machen und die Einsichtnahme nicht dem ausdrücklichen oder
mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widerspricht. Satz 1 gilt entsprechend für
die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen des
Patienten geltend machen.
Der Regierungsentwurf ließ zumindest ausnahmsweise noch
die Auslegung zu, dass die „Rechte des Behandelnden“ der Einsichtnahme
entgegenstehen können, etwa weil dessen Persönlichkeitsrechte (Stichwort
"Gegenübertragung") tangiert sein können. Nachdem in der jetzt beschlossenen
Fassung nur noch "Rechte Dritter" neben therapeutischen Gründen eine Einsicht
verhindern können, muss der Therapeut sich darauf einstellen, dass seine eigenen
Reaktionen, Emotionen und daraus abgeleiteten Hypothesen dem Patienten ebenfalls
zur Kenntnis gelangen, so sie denn aufgezeichnet werden. Hinzu kommt, dass
gesonderte Aufzeichnungen über den Patienten ebenfalls zum Einsichtsrecht
gehören, weil nunmehr ausdrücklich auf die "vollständige" Patientenakte
abgestellt wird.
Schließlich ist für den Fall, dass die Ablehnung auf
therapeutische Gründe gestützt wird, eine Begründung erforderlich, was im
Zweifel bereits eine Preisgabe zumindest gewisser Details der Dokumentation in
der Patientenakte bedeutet.
Im selben
Rundschreiben (unmittelbar im Anschluß, Seite 10-14) berichtet die DGPT von der
BPtK-Veranstaltung "Patientenrechtegesetz: Auswirkungen auf die Praxis"
(27.09.2012).
Ich zitiere
nachfolgende das dort vorgetragene Impulsreferat der Kollegin Anne Springer
(ehemalige Vorsitzende der DGPT), die aus ihrer Sicht als Gutachterin für die
psychoanalytischen Verfahren, wichtige Fragen im Zusammenhang des
Gesetzentwurfes aufgreift (insbesondere die Regelungen zur unverzüglichen
Einsicht in die Behandlungsunterlagen) und diese sehr differenziert abwägt bzw.
beantwortet:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin gebeten worden, aus der Gutachterposition zu
sprechen und tue dies als Gutachterin für die psychoanalytisch begründeten
Verfahren.
In Bezug auf unsere Debatte zum Patientenrechtegesetz
möchte ich nochmals verweisen auf den geplanten § 630g, Absatz 1 : "Dem
Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende
Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche
therapeutische Bedenken oder sonstige erhebliche Bedenken entgegenstehen".
Damit ist auch die gutachterliche Tätigkeit betroffen, da
die Berichte an den Gutachter und die gutachterlichen Stellungnahmen und auch
inhaltliche Rückfragen an die berichtenden Psychotherapeuten – aber auch
sonstige Unterlagen wie der Konsiliarbericht bei Psychologischen
Psychotherapeuten (der manchmal auch persönliche Schlussfolgerungen der
Konsiliarärzte, wenn sie die PatientInnen, manchmal auch die Familie und die
persönlichen Verhältnisse genauer kennen, enthält),
Krankenhausentlassungsberichte und sonstige Befundberichte, außerdem die
begleitenden Mitteilungen der beauftragenden Krankenkassen mit AU-Zeiten und
Diagnosen als Bestandteil der Patientenakte gelten dürften, wobei die Berichte
der Psychotherapeuten hier im Vordergrund der Betrachtung stehen (Eine Anmerkung
zu den krankheitsbezogenen Mitteilungen der Krankenkassen: das Einsichtsrecht
der PatientInnen dürfte sich hier auch positiv auswirken, um unzutreffende
Diagnosen aus der Vorgeschichte ggf. korrigieren zu können).
Welche Berichtsteile sind als besonders sensibel in
unserem heutigen Kontext zu sehen? Die Patientenangaben zum Behandlungsbegehren
dürften unproblematisch sein, ebenfalls die Angaben zur Anamnese und auch
weitgehend die Behandlungsplanung. Unser Augenmerk sollten wir allerdings
richten auf alle Berichtsteile, die behandlungsbegründende Arbeitshypothesen
enthalten, also Strukturdiagnosen, Schilderungen und Hypothesen zum
Beziehungsangebot und -verhalten, zur aktuell beobachtbaren Abwehrstruktur und
vor allem die Überlegungen zur Psychodynamik. Gerade die Ausführungen zur
Psychodynamik verbalisieren die innerpsychische Arbeit der PsychotherapeutInnen,
die darin besteht, die vom Patienten erhaltenen Informationen unter Einbeziehung
von Übertragungsverstehen und von Gegenübertragungsreaktionen als
innerpsychische Antwort auf die PatientInnen zu verdichten und so zu einem
vorläufigen Verstehen dieser individuellen Persönlichkeit zu gelangen. Alle
diese Arbeitshypothesen werden erst im Behandlungsverlauf verifiziert oder
falsifiziert. Den behandlungsplanenden PsychotherapeutInnenen stehen
PatientInnen gegenüber, deren innerpsychischer Prozess den genauen Verlauf
bestimmt. Dies gilt für alle psychoanalytisch begründeten Verfahren.
Auch die Indikationsstellung resultiert aus der aktuellen
Bestimmung des psychodynamischen Status, eine F- Diagnose zieht nicht per se
eine Indikation zu einer Behandlung nach sich! Letzteres gilt, soweit mir
bekannt ist, für alle wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren.
Kann die bei Verlangen "unverzüglich" zu erfolgende
Herausgabe dieser Texte potentiell PatientInnen schädigen? In erster Annäherung
muss diese Frage zunächst m. E. bejaht werden. Warum dies? Aller klinischen
Erfahrung nach verlangen PatientInnen eine sofortige Einsicht in die Berichte an
den Gutachter in Behandlungsphasen, die von überwiegend negativer Übertragung
gekennzeichnet sind. In diesen Behandlungsphasen werden sogenannte „negative“
Affekte und Emotionen und Beziehungsphantasien wie Neid, Hass, Gier und noch
ungekonnte, aber progressiv wichtige und wertvolle aggressive Strebungen in der
therapeutischen Beziehung erprobt, erforscht und im günstigen Fall neu
integriert. Gerade für diese Behandlungsphasen ist ein geschützter Raum von
eminenter Wichtigkeit für das Patientenwohl. In solchen Phasen neigen
PatientInnen aber in sehr nachvollziehbarer Weise zum Inszenieren aggressiv
getönter Übertragungen; neurotisch bedingte Kontrollwünsche, schwer zu
bearbeitende und nicht rational begründete Misstrauenshaltungen können in
Wünschen nach unverzüglicher Aktenherausgabe münden. Damit ist das
Arbeitsbündnis nachhaltig gestört. Das Spannungsfeld zwischen Arbeitsbündnis und
Vertragsbeziehung, in dem der therapeutische Prozess angesiedelt ist,
kollabiert. Der verständliche und grundsätzlich zu unterstützende Wunsch des
Gesetzgebers, die Rechte der PatientInnen zu stärken, kann absurderweise so
gerade gegen das Patientenwohl, das besser gewahrt wäre, wenn PatientIn und
PsychotherapeutIn diese schwierigen Phasen gemeinsam durchstehen, wirken. Es
kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine therapeutisch nicht begleitete
Akteneinsicht retraumatisierend wirken kann.
Gute – weil aussagekräftige und anschauliche – Berichte an
den Gutachter enthalten u. a. Schilderungen dieser Behandlungssequenzen
einschließlich der hierhin gehörenden Schilderungen der
Gegenübertragungsreaktionen – und Gedanken der PsychotherapeutInnen, also
Aufzeichnungen von höchst persönlichen Reaktionen, die eben nicht Privatsache
sind, denn in den psychoanalytisch begründeten Verfahren wird grundlegend davon
ausgegangen, dass die Therapeutenpersönlichkeit mit ihren möglichst breiten
innerpsychischen Denk- und Fühlmöglichkeiten das entscheidende therapeutische
Werkzeug darstellt! Wird vielleicht eine in diesem Sinn notwendig
ehrliche/offene Berichterstattung an den Gutachter durch die neuen gesetzlichen
Vorschriften eingeschränkt?
Nun können Sie natürlich zu Recht einwenden, dass es ja
Sache und Aufgabe der PsychoptherapeutInnen ist, gemeinsam mit den PatientInnen
den Wunsch nach sofortiger Akteneinsicht prozessbezogen zu verstehen. Dies
gelingt auch meistens, aber zweifelsohne kann dies nicht immer gelingen, beide
Teile des therapeutischen Paares mögen an ihre Grenzen stoßen, der Patient wird
vielleicht fehlbehandelt, die Behandlung entgleist vielleicht, und der Patient
wird u. U. in diesem Fall - auch - nachvollziehbar auf seine Rechte pochen und
u.a. die Herausgabe aller Unterlagen verlangen. Dann allerdings ergibt sich die
Frage nach dem Schutz auch der PsychotherapeutInnen in einem vertretbaren
Umfang, der sicher bei Kunstfehlern und/oder Verstößen gegen die Berufsethik
eingeschränkt ist.
Wie gehen psychodynamisch arbeitende PsychotherapeutInnen
aktuell mit Bitten um eine Herausgabe ihrer Berichte an den Gutachter um? Im
Kontext des Patientenrechtegesetzes habe ich mich umgehört unter den Kollegen
und Kolleginnen. Die Spannbreite der Strategien ist interessant. Es gibt
KollegInnen, die ihre Berichte unaufgefordert von sich aus und grundsätzlich den
PatientInnen zu lesen geben, es gibt PsychotherapeutInnen, die auf Verlangen im
Behandlungsverlauf die Berichte zum Lesen im Behandlungsraum zur Verfügung
stellen, und es gibt PsychotherapeutInnen, die ihre Berichte an den Gutachter
dem Patienten auszugsweise – d.h. so wie sie es vertreten können, ohne den
Prozess zu gefährden – vorlesen, und es gibt PsychotherapeutInnen, die zz.
grundsätzlich ihre Berichte nicht zur Kenntnis geben.
Im potentiellen Konflikt zwischen Patientenrecht und aus
Sicht des Psychotherapeuten zu gewährleistendem Patientenschutz (= Schutz des
Behandlungsraums) wird der lege artis arbeitende Therapeut sich für das
Patientenwohl und für den Schutz der therapeutischen Beziehung einsetzen. Was
unter "erheblichen therapeutischen Bedenken" und "sonstige(n) erhebliche(n)
Gründe(n)" im § 630g, Abs. 1 zu verstehen ist, wird sich in der Rechtsprechung
entwickeln.
Dass die Patientenrechte im Konflikt mit dem nicht lege
artis arbeitenden Psychotherapeuten gestärkt gehören, versteht sich von selbst,
wobei dann im Konfliktfall auch zu bedenken sein wird, dass die Patientenakte
einschließlich der Berichte und gutachterlichen Stellungnahmen weiterhin
sensible Daten darstellen. Festzustellen bleibt: Patienten sind Menschen in Not,
die eine Abhängigkeit, die nicht verleugnet werden darf, im therapeutischen
Prozess, der einen zu schützenden Raum benötigt, riskieren. Sie beginnen die
Behandlung mit einem Vorschuss an Vertrauen, das nicht enttäuscht werden darf –
Patienten sind keine Kunden! Dies gilt nicht nur für die psychotherapeutische,
sondern für jede ärztliche Tätigkeit.
Einer meiner psychoanalytischen Lehrer meinte seinerzeit,
man solle nie etwas über Patienten schreiben, was sie grundsätzlich nicht lesen
könnten; damit meinte er die Notwendigkeit, den Patienten zu respektieren in
allen seinen Facetten. Heute scheint es notwendig zu sein, diese
Selbstverständlichkeit in ein Gesetz zu fassen.
Das neue Patientenrechtegesetz ist janusgesichtig: positiv
zu sehen ist die Stärkung der Patientenrechte – geboren ist es andererseits aus
Misstrauen produzierenden Erfahrungen der Vergangenheit mit der Ärzte-/ Psychotherapeutenschaft.
Mitglieder-Rundschreiben
der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik
und Tiefenpsychologie e. V. (DGPT), Ausgabe 04/2012: 9 und 10-14
Der Bundestag hat am 29.11.2012
den Gesetzentwurf für das Patientenrechtegesetz abschließend beraten. Im
Bundesrat soll er im zweiten Durchgang am 1.02.2013 beraten werden. Trotz vieler
Bedenken (etwa auch von Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer) ist der
Gesetzentwurf weitgehend unverändert geblieben. Die verabschiedete Fassung
finden Sie in der Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschußes (Drucksache
17/11710 v. 28.11.2012) zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung hier:
Deutscher Bundestag:
Beschlußempfehlung (Gesundheitsausschuß -
Drucksache 17/11710 v. 28.11.2012) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/10488 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte
von Patientinnen und Patienten
In einer Grundsatzentscheidung zum Datenschutzes hat das Bundessozialgericht
eine Krankenkasse dazu verpflichtet, Versicherten umfassende Auskunft darüber zu
geben, welche Daten über sie gespeichert und in welchem Umfang an Dritte
weitergegeben wurden (BSG Az.: B 1 KR 13/12 R)
In
der verhandelten Sache bestand der Verdacht, die für eine schwerkranke Frau aus
Rheinland-Pfalz zuständige Krankenkasse habe dem Arbeitsamt personenbezogene
Daten übermittelt - ohne ihre Zustimmung und zudem per unverschlüsselter E-Mail. Eine andere Institution
(Rehabilitationsträger) soll zudem mehr Daten bekommen haben als das zur
Aufgabenerfüllung notwendig gewesen wäre. Als die Versicherte und Klägerin die
AOK aufforderte ihr Auskunft zu geben, wer welche Daten erhalten hat, weigerte
sich die Krankenkasse mit Hinweis auf den damit verbundenen
"unverhältnismäßigen" Aufwand.
In seiner Grundssatzentscheidung vom
14.11.12 wies das BSG nun daraufhin, daß der Auskunftsanspruch im Rahmen des
Bundesdatenschutzgesetz von Behörden nicht mit Hinweis auf einen hohen
Verwaltungsaufwand eingeschränkt werden kann. Vielmehr ist die Dokumentation und
Datenverarbeitung organisatorisch so zu gestalten, daß Auskünfte an BürgerInnen
mit einem vertretbarem Aufwand erteilt werden können. Die Behörden müßen dabei
auch Auskunft erteilen, an wen und auf welche Weise Daten an Dritte übermittelt
wurden. Dem Anspruch ist gegebenenfalls durch die Einsicht in vorhandene Akten
Rechnung zu tragen.
Bei der Erteilung der begehrten
Auskünfte ist ein Verwaltungsakt nicht erforderlich (aus der Sicht des BSK wäre
das überflüssige Bürokratie). Ein solche muß jedoch dann ergehen, wenn der
Antrag abgelehnt wird - um es Betroffenen zu ermöglichen, Widerspruch gegen die
Entscheidung einzulegen und gegebenenfalls vor Gericht zu klagen. In diesem
Sinne forderte das BSG die AOK auf, ein Widerspruchsverfahren zuzulassen.
Ärzte Zeitung online (16.11.12):
Kasse muss Auskunft geben. BSG-Rüffel
für die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - und eine Grundsatzentscheidung zu
Gunsten des Datenschutzes: Krankenkassen und Behörden müssen Bürgen
mitteilen, wohin sie deren Daten geben. Der Aufwand dafür tut nichts zur
Sache.
Anfragen der Krankenkassen bei bestimmten Diagnosen nach
möglichen Verursachern der Erkrankung
Im Zusammenhang eines Interviews von Prof. Dr.
Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Kinder- und
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm in der Ärzte Zeitung v.
22.10.2012 wurde ich auf eine Problematik aufmerksam, die von erheblicher
datenschutzrechtlicher Bedeutung ist. Im Zusammenhang bestimmter Diagnosen
(z. B. Posttraumatische Belastungsstörung; Diagnosen im Zusammenhang von
Kindesmißhandlung bzw. des - mißbrauchs) stellen
die zuständigen Kostenträger automatisch Anfragen an behandelnde
ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen mit der Aufforderung, Hinweise zum
möglichen Täter oder Verursacher der Erkrankung zu geben.
Rechtsgrundlage ist
§ 294a SGB V (in Kraft seit 1.1.2004):
Mitteilung von Krankheitsursachen und
drittverursachten Gesundheitsschäden
(1) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine
Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen
Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder
Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer
Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des
Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des
Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf
drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der
vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen
sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen
Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen
Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen. Für die Geltendmachung
von Schadenersatzansprüchen, die nach § 116 des Zehnten Buches auf
die Krankenkassen übergehen, übermitteln die Kassenärztlichen
Vereinigungen den Krankenkassen die erforderlichen Angaben
versichertenbezogen.
Es handelt
sich um eine gesetzliche Mitteilungspflicht, weshalb keine unbefugte
Offenbarung im Sinne der Schweigepflicht (§ 203 StGB) vorliegt. Ich empfehle
aber, solche Fragen keinesfalls sofort und allenfalls im Einzelfall in Abstimmung
mit PatientInnen zu beantworten. Denn neben der gesetzlichen
Offenbarungspflicht ist immer auch das (ggf. gefährdete) Wohl der
PatientInnen auf dem Hintergrund der Garantenstellung der behandelnden
ÄrztInnen bzw. PsychotherapeutInnen zu beachten. Sowohl PatientInnen wie
Krankenkassen müssen über die weitreichenden Folgen einer Offenbarung in
solchen Fällen aufgeklärt werden - darüber hinaus wäre anzuraten,
juristische Unterstützung der Justitiare der (Ärzte- bzw.
Psychotherapeuten-) Kammern in Anspruch zu nehmen und/oder anderweitigen
juristischen Rat einzuholen (Berufs- und Fachverbände, niedergelassene
RechtsanwältInnen für Medizinrecht).
Ärzte Zeitung (online)
v.
22.10.2012:
Warum die Versorgung einer "Realsatire"
gleicht. Stolperfallen bei der Behandlung von Missbrauchsopfern: Die
Anfragen von Kassen nach den Tätern bringen Ärzte in Gewissenskonflikte,
kritisiert der Ulmer Psychiater Professor Jörg Fegert. Jetzt will er sich
von einer Kasse verklagen lassen.
Informationen des Unabhängigen Landeszentrums
für Datenschutz Schleswig-Holstein im Zusammenhang des
Verdachts auf Kindesmisshandlung: Was müssen Ärzte zukünftig den
Krankenkassen und was dürfen dazu Krankenkassen z. B. der Polizei mitteilen?
Patientenrechtegesetz - Zur besonderen Problematik der
Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen bei tiefenpsychologisch fundierter und
analytischer Psychotherapie)
(Teil III)
Der Vorsitzende des Ausschuss für ethische
Fragen und Berufsordnung der Landeskammer
für Psychologische
Psychotherapeutinnen und
-therapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutinnen
und -therapeuten in Hessen (LPPKJPH),
Stephan Stanko, hat im
Mitgliederrundschreiben der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse,
Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT: MR
3/2012: 10-12) eine Stellungnahme zum Patientenrechtegesetz abgegeben. Sie
ist deshalb von besonderem Interesse, weil die Problematik der sich mit dem
geplanten Gesetz verändernden Einsichtsrechte der PatientInnen in
Behandungsunterlagen für die psychodynamischen Psychotherapieverfahren
(tiefenpsychologisch fundierte und analytische
Psychotherapie) ein Problem darstellen.
Ich zitiere anschließen zunächst aus dem Beitrag - mit der zwischenzeitlich
erfolgten Erlaubnis des Autors, Herrn Stanko, dem ich dafür ausdrücklich
danken möchte, kann ich seinen Artikel (ganz unten) vollständig
wiedergeben:
Zunächst hieße die Formulierung des Einsichtsrechts wörtlich genommen, dass
während oder nach jeder Behandlungsstunde Einsichtnahme in die Dokumentation
der Stunde gefordert werden könnte. Für psychotherapeutische und
psychoanalytische Behandlungen beinhaltet diese rechtliche Setzung ein
Dilemma für den Therapeuten, da eine vollständige und sorgfältige
Aktenführung – gerade auch bezüglich der eigenen subjektiven Eindrücke – nur
erfolgen kann, wenn die Einsichtnahme des Patienten ausgeschlossen ist. Es
ist evident, dass ein solches Procedere eine psychotherapeutische Behandlung
zerstören würde. Für psychodynamische Prozesse, die sich möglicherweise
innerhalb eines geschützten analytischen Raums bearbeiten lassen, wird ein
potentielles, rechtlich normiertes Agierfeld eröffnet.
(DGPT-MR 03/2012: 10)
Gerade bei
PatientInnen mit traumatischen Erfahrungen und in schwierigen Therapiephasen
(Stichworte: Enactments, Verwicklungen in der Gegenübertragung, Projektion,
projektive Identifikation und Handlungsdialog) sei es notwendig, den Schutz
des "analytisch-symbolischen Raum(es)
auch
stellvertretend für Patienten bewahren zu können".
Deshalb sei fraglich, was passieren würde, wenn
wenn Patienten, die sich möglicherweise ein Stück
Vertrauen erarbeitet haben, in einer kritischen Phase der Behandlung mit
einer negativen Übertragung bei einer Einsichtnahme in die subjektiven
Aufzeichnungen des Analytikers das projizierte Introjekt nun in der
Dokumentation gewissermaßen "wiederfinden"?
Stanko weist
sehr zutreffen daraufhin, daß subjektive Eindrücke (er zählt auch den
Bericht an GutachterInnen dazu) nicht nur sehr viel Persönliches beinhalten,
sondern auch Hypothesencharakter haben.
"Es handelt sich um einen Entwurf, um eine
Momentaufnahme eines psychodynamischen Prozesses. Diese subjektiven Daten
sind nicht für eine Weitergabe gedacht und sind dennoch als Material für die
Selbstreflexion und die Entschlüsselung des aktuellen Übertragungsgeschehens
von größter Relevanz."
Der dem
Gesetzentwurf zugrundeliegenden Begriff von Autonomie korrespondiert mit dem
der Vorstellung eines Gesundheitsmarktes, verstelle aber den Blick auf die
damit verbundene ethische Problematik und die mit der Krankheit
einhergehende "Krise der Autonomie, Verletzbarkeit,
Abhängigkeit" sowie des "Angewiesensein(s)
auf Vertrauen als Basis der Behandlung" im
Rahmen einer asymmetrischen Beziehung. Letztere beruht jedoch nicht auf
einer paternalistischen (väterlich-bevormundenden) Haltung, sondern aus eben
dieser Krankheit und dem daraus resultierenden Bewußtsein der Krise und läßt
sich nicht im Rahmen "äußere(r)
vertragsrechtlich(e) Bestimmungen aufheben, sondern bedarf der Verpflichtung im Binnenverhältnis".
Abschließen
beschäftigt sich Stanko mit dem Abstinenzgebot in der Psychoanalyse
(im Sinne des Verzichts,
Gegenübertragungsgefühle zu befriedigen) welches den symbolischen
Raum mitkonstituiert. Hingegen ist deren Bewußtmachung und Reflexion
entscheidend dafür, daß sich dieser Raum aufrechterhalten werden kann und
ggf. Engleisungen "des Dialogs oder Behandlungsfehler(n)"
vermieden werden können.
Dabei hilft die Dokumentation, sei es für Zwecke der
Selbstreflexion oder anderer Formen der Triangulierung in Intervision oder
Supervision. Ein unbeschränktes und unverzügliches Einsichtsrecht, das
unabhängig von einem konkreten und begründeten Verdacht auf einen
Behandlungsfehler ausgeübt werden kann, greift in diesen schützenden Rahmen
ein. Es stellt im störbaren Gefüge des
Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehens selbst eine Grenzüberschreitung
dar, die zum Zusammenbruch des symbolischen Raums im Analytiker führt. (DGPT-MR 03/2012: 12)
Anmerkung:
Obwohl ich dem
Kollegen Stanko in
weiten Teilen völlig zustimme, sollte nicht
übersehen werden, daß die ‘Gefahr’ der Einsichtnahme nicht allzu groß
ist - wenn es denn gelungen ist, eine vertrauensvolle
Arbeitsbeziehung herzustellen, die auch Krisen (negative Übertragung, Agieren,
Angriffe auf Grenzen der AnalytikerInnen bzw. den Rahmen) übersteht. Dazu
dürfte auf Seiten der AnalytikerInnen eine Haltung gehören, die durch einen transparenten, fairen, höflichen und
ehrlichen Beziehungsstil im Umgang mit Patientenanliegen geprägt
ist. In dem hier vorliegenden Fall geht es um das Ernstnehmen
des Wunsches nach Einsichtnahme in den/die Patientin/en betreffenden
Unterlagen). Wird an diesem Wunsch gearbeitet (Perspektive des
Patientin/en und Perspektive der/s Analytikerin/s - bewußte und unbewußte
Bedeutungen für PatientInnen, für AnalytikerInnen und die therapeutische
Beziehung) wird es in aller Regel nicht
notwendig sein, daß PatientInnen ihr Einsichtsrecht im Sinne eines (juristischen) Machtkampfs
agieren (müssen). Ich habe zuweilen den Verdacht, daß KollegInnen gerade
durch einen sehr restriktiven, dann vielleicht auch (unbewußten?) paternalistischen
Umgang mit PatientInnen (und eben auch mit deren Rechten bzw. ihrer Autonomie)
dieses Feld eröffnen bzw. befeuern - eine Übertragung der
PsychoanalytikerInnen auf (bestimmte) PatientInnen!?. Auch handelt es sich
bei Wünschen nach Einsicht in Unterlagen keineswegs
grundsätzlich - wie zuweilen von KollegInnen unterstellt - ausschließlich oder partiell um einen Widerstand bzw. ein
Agieren.
Vollständiger Text:
Stanko, Stephan (Vorsitzender des Ausschusses Ethik und
Berufsordnung der LPPKJP Hessen):
Kommentar zum Kabinettsentwurf Patientenrechtegesetz. In: Mitgliederrundschreiben DGPT
3/2012: 10-12 (für
Mitglieder der DGPT: www.dgpt.de unter Mitgliederbereich/Mitglieder-Rundschreiben.
Der "Gesetzesentwurf zur
Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" (Patientenrechtegesetz)
wurde am 23. Mai im Bundeskabinett verabschiedet, das Gesetz
soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten (6).
Ziel des Gesetzes ist,
schutzwürdige Rechte von Patienten (7), die bisher in
verschiedenen Gesetzen niedergelegt waren, zu bündeln und im BGB
und SGB V rechtsverbindlich zu verankern.
Für den Bereich der
Psychotherapie sind vor allem die Regelungen zur
Dokumentationspflicht und zur Einsichtnahme bedeutsam.
Im Gesetzesentwurf wird
vorgeschrieben, dass die Patientenakten vollständig und
sorgfältig zu führen sind und Patienten ein gesetzliches Recht
auf eine unverzügliche und uneingeschränkte Akteneinsicht haben.
Die Formulierung lautet in §
630 g BGB zur Einsichtnahme in die Patientenakte:
"(1) Dem Patienten ist auf
Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende
Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht
erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Gründe
entgegenstehen."
Im Begründungsteil des
Gesetzesentwurfs (Patientenrechtegesetz Zuleitungsexemplar) wird
ausgeführt, dass "Niederschriften über persönliche Eindrücke
oder subjektive Wahrnehmungen des Behandelnden ... grundsätzlich
offen zu legen" sind (S. 40, 41). Im Gegensatz zur bisherigen
Rechtsprechung werden die Persönlichkeitsrechte der Behandler zu
Gunsten der Patientenrechte aufgegeben. Sie werden in der
Abwägung zu den Persönlichkeitsrechten des Patienten als
nachrangig gewertet (S. 41).
In Bezug auf das
Geltendmachen therapeutischer Gründe wird von besonderen
Einzelfällen gesprochen, in denen das Für und Wider sorgfältig
zu ermitteln und zu begründen sei (S. 40).
Dort heißt es auch:
"...dem mündigen Patienten (ist) das Recht zuzugestehen,
eigenverantwortlich über die Frage entscheiden zu dürfen, wie
viel er wissen möchte und wo die Grenzen seines
Informationsbedürfnisses erreicht sind" (S. 40).
Das Recht der unbeschränkten
Einsichtnahme wird damit zum Regelfall erklärt.
Zunächst hieße die
Formulierung des Einsichtsrechts wörtlich genommen, dass während
oder nach jeder Behandlungsstunde Einsichtnahme in die
Dokumentation der Stunde gefordert werden könnte. Für
psychotherapeutische und psychoanalytische Behandlungen
beinhaltet diese rechtliche Setzung ein Dilemma für den
Therapeuten, da eine vollständige und sorgfältige Aktenführung –
gerade auch bezüglich der eigenen subjektiven Eindrücke – nur
erfolgen kann, wenn die Einsichtnahme des Patienten
ausgeschlossen ist. Es ist evident, dass ein solches Procedere
eine psychotherapeutische Behandlung zerstören würde. Für
psychodynamische Prozesse, die sich möglicherweise innerhalb
eines geschützten analytischen Raums bearbeiten lassen, wird ein
potentielles, rechtlich normiertes Agierfeld eröffnet.
Im professionalisierten
Arbeitsbündnis sind Psychoanalytiker nicht nur als Rollenträger,
sondern grundlegend als ganze Person involviert. Gegenwärtige
psychoanalytische Auffassungen des therapeutischen Prozesses
betonen, dass Enactments, die Verwicklungen in der
Gegenübertragung, grundlegend zum therapeutischen Prozess
gehören.
Gerade Patienten mit
traumatischen Erfahrungen finden in der Persönlichkeit des
Therapeuten Anknüpfungspunkte für die Rekonstellierung ihrer
verinnerlichten traumatischen Objekterfahrungen (z.B. in
unbewussten Konflikten oder Verletzungen des Analytikers).
Hoffnung und Ziel der Behandlung ist es, diese traumatischen
Erfahrungen einer Bearbeitung, Veränderung und Neuerfahrung in
der therapeutischen Beziehung zuführen zu können. Zugleich ist
der Prozess der Etablierung einer Vertrauensbeziehung über
Projektion und projektive Identifikation, über Enactments, sehr
fragil und oft von paranoiden Ängsten begleitet. Als Analytiker
befinden wir uns in Behandlungen häufiger in der Situation,
zunächst nicht zu verstehen und sogar über lange Zeit mitagieren
zu müssen, bis über den "Handlungsdialog" ein Verstehen möglich
wird. Vielleicht hat der Analytiker – auf dem Hintergrund eines
aktuell stattfindenden Enactments – gerade Gefühle oder
Phantasien notiert, die noch unverarbeitet und nicht integriert
sind und in dieser Form denen eines traumatisierenden Objekts
gleichen?
In solchen – auch für den
Analytiker – sehr belastenden Therapiephasen, muss es möglich
sein, einen geschützten Raum aufzubauen und aufrechtzuerhalten
und diesen als analytisch-symbolischen Raum auch stellvertretend
für Patienten bewahren zu können. Die Verlagerung der affektiven
Spannung aus dem Behandlungsprozess in eine Forderung nach
Einsichtnahme in die notwendigerweise subjektiven Aufzeichnungen
würde den Prozess zerstören, wenn die Einsichtnahme als
Patientenrecht geltend gemacht werden kann und die Möglichkeit
einer analytisch-therapeutischen Bearbeitung des Wunsches
darüber u.U. verloren geht.
Was würde geschehen, wenn
Patienten, die sich möglicherweise ein Stück Vertrauen
erarbeitet haben, in einer kritischen Phase der Behandlung mit
einer negativen Übertragung bei einer Einsichtnahme in die
subjektiven Aufzeichnungen des Analytikers das projizierte
Introjekt nun in der Dokumentation gewissermaßen "wiederfinden"?
An diesem Beispiel zeigt sich
das Dilemma der Dokumentationspflicht: der Forderung nach Umfang
und Tiefe der Dokumentation bei gleichzeitig nicht begrenzter,
"unverzüglicher" Einsichtnahmemöglichkeit des Patienten. Vieles
von dem, was an sog. subjektiven Eindrücken dokumentiert wird –
dazu gehört in wesentlichen Teilen auch der Bericht an den
Gutachter – hat neben höchst Persönlichem auch
Hypothesencharakter: Es handelt sich um einen Entwurf, um eine
Momentaufnahme eines psychodynamischen Prozesses. Diese
subjektiven Daten sind nicht für eine Weitergabe gedacht und
sind dennoch als Material für die Selbstreflexion und die
Entschlüsselung des aktuellen Übertragungsgeschehens von größter
Relevanz. Eine Offenlegung dieser Hypothesen gegenüber dem
Patienten würde das Ziel der Bearbeitung der Inhalte
konterkarieren und die Abwehr stärken. Als Patientenrecht
gesetzlich verbürgt, wäre die Forderung nach einer Einsichtnahme
dann auch schwerlich i.S. eines Widerstands zu bearbeiten.
Wie sollen Psychoanalytiker
oder tiefenpsychologisch fundiert arbeitende Therapeuten mit der
Forderung nach weitreichender Dokumentation bei gleichzeitiger
Möglichkeit zur Einsichtnahme des Patienten umgehen, auch um
Patienten stellvertretend zu schützen?
Mit dem Gedankenexperiment,
der Analytiker würde von sich aus den Patienten mit Überlegungen
konfrontieren, die weder dem Stand der Behandlung noch dem der
Abwehr angemessen sind, wird die Problematik noch deutlicher.
Ein solches Vorgehen würde mit Recht als den fachlichen
Standards nicht genügend und als Kunstfehler gewertet. In der
Dokumentation "sorgfältig
gewählte Formulierungen" zu verwenden, wie die
Bundespsychotherapeutenkammer in ihrer Stellungnahme zum
Gesetzesentwurf vorschlägt (8), helfen nicht, das Dilemma
zu lösen und führen allenfalls zu einer doppelten Buchführung
und einer wenig aussagekräftigen Dokumentation. Und: Was
bedeutet es für den analytischen Prozess, wenn der Mitteilung
der Grundregel gewissermaßen zensierende Überlegungen zur
Dokumentation zur Seite gestellt werden müssen?
Die Problematik, die der Gesetzesentwurf
aufwirft, lässt sich nicht losgelöst von dem Paradigmenwechsel
im Gesundheitssystem betrachten. Patienten sollen als "Kunden"
über Angebot und Nachfrage auf dem Gesundheitsmarkt
mitbestimmen. Konsequent wird daher auch im Gesetzesentwurf auf
das Leitbild des "mündigen Patienten" rekurriert, der
eigenverantwortlich seine Interessen absteckt. Die Konzeption
des Patienten als eines informierten "Marktteilnehmers" führt
das BMG in seiner Information zum Patientenrechtegesetz auf
seiner Homepage so aus: "Die Rolle der Patientinnen und
Patienten in der Gesundheitsversorgung hat sich gewandelt. Sie
sind nicht mehr nur vertrauende Kranke, sondern auch
selbstbewusste Beitragszahler und kritische Verbraucher. (...)
Er kann Angebote hinterfragen, Leistungen einfordern und so dazu
beitragen, dass ein wirkungsvoller Wettbewerb im
Gesundheitssystem stattfindet." (9)
Der hier zugrunde gelegte verkürzte
Begriff von Autonomie korrespondiert zwar mit der Ökonomisierung
des Gesundheitswesens, zugleich wird damit jedoch der Blick für
eine ethische Problematik verstellt. Als Konsument und Kunde ist
der Patient gefordert, strategisch zu denken und misstrauisch zu
sein, um seine Interessen am Markt durchzusetzen. Die Tatsache
der Krankheit aber führt geradezu zum Gegenteil dessen, was das
marktrationale Konstrukts des "kritischen Verbrauchers"
impliziert: Krankheit bedeutet eine Krise der Autonomie,
Verletzbarkeit, Abhängigkeit und Angewiesensein auf Vertrauen
als Basis der Behandlung.
Die Asymmetrie der Beziehung von Arzt oder
Therapeut und Patient, die nicht aus einer paternalistischen
Haltung, sondern aus der Tatsache der Krankheit und dem
Bewusstsein der Krise erwächst, lässt sich nicht durch äußere
vertragsrechtliche Bestimmungen aufheben, sondern bedarf der
Verpflichtung im Binnenverhältnis. Die innere Verpflichtung,
sich am Guten für den Patienten zu orientieren und nicht am
Eigennutz oder Fremdnutzen, gehört zum Kern des ärztlichen und
psychotherapeutischen Berufsethos.
Als Abstinenzgebot ist das ethische Gebot
in der Psychoanalyse mit dem technischen strukturell verwoben.
Der symbolische Raum der Analyse wird durch den Verzicht,
Gegenübertragungsgefühle zu realisieren und auszuagieren
mitkonstituiert. Phantasien, Wünsche und Gefühle des Patienten
können nur dann und deshalb einfließen, weil sie und wenn sie
nicht den Reaktionen des Partners wie in einer Realbeziehung
unterliegen.
Das Bewusstmachen der Gegenübertragung und
ihre Reflexion sind das wichtigste Mittel, den symbolischen Raum
aufrechtzuerhalten, d.h. auch, einem Entgleisen des Dialogs oder
Behandlungsfehlern vorzubeugen. Dabei hilft die Dokumentation,
sei es für Zwecke der Selbstreflexion oder anderer Formen der
Triangulierung in Intervision oder Supervision. Ein
unbeschränktes und unverzügliches Einsichtsrecht, das unabhängig
von einem konkreten und begründeten Verdacht auf einen
Behandlungsfehler ausgeübt werden kann, greift in diesen
schützenden Rahmen ein. Es stellt im störbaren Gefüge des
Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehens selbst eine
Grenzüberschreitung dar, die zum Zusammenbruch des symbolischen
Raums im Analytiker führt.
Psychoanalytisch denkende und arbeitende
Psychotherapeuten werden in anderer Weise als bisher überlegen
müssen, ob und wie sie mit ihrer Dokumentation umgehen, da sie
mit ihrer bisherigen Praxis der subjektiven Dokumentation ihren
Patienten, dem therapeutischen Prozess und möglicherweise auch
sich selbst Schaden zufügen können.
Dokumentation bei Psychotherapie - Mitteilungen der
Psychotherapeutenkammer Hamburg
Die Psychotherapeutenkammer Hamburg hat im
Psychotherapeutenjournal 3/2012 ein zunehmend bedeutsames Thema im Bereich
der Psychotherapie aufgegriffen: Den Umfang der Dokumentationspflicht für
ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen. Festzuhalten ist, daß für jede Behandlung
(GKV/PKV) eine Dokumentation zu erstellen ist (Grundlage: Berufsrecht,
Zivilrecht/Behandlungsvertrag-Haftung und Strafrecht), daß aber weder
entsprechende formale (Datei, Schreibblock, Umfang etc.) noch inhaltliche
Vorgaben bestehen.
Die Dokumentation ist vom Inhalt und Umfang her so
zu gestalten, daß PatientInnen (oder ggf. auch autorisierte Dritte) in der
Lage sind, daraus hinreichende Informationen über die durchgeführte
Behandlung (insbesondere Umfang und Art der Therapie sowie jeweils
durchgeführte Maßnahmen/Interventionen) entnehmen zu können.
Aus dem "Gebot der
Therapiesicherung" leitet die PTK Hamburg (PTKH) die nachfolgend
aufgelisteten behandlungsbezogenen und behandlungsrelevanten
Informationen ab (PTJ 3/2012: 263):
Name, Geburtsdatum, Adresse,
Familienstand des Patienten
Daten aller Behandlungstermine, u. U.
auch mit Beginn (Uhrzeit) und Dauer des Termins
Aufklärung des Patienten, inkl. ev.
Warnhinweise bzw. Behandlungsrisiken
Therapievertrag und (Ausfall-)Honorarregelungen
ggf. Erklärungen des Patienten (z. B.
Schweigepflichtentbindungen, Erklärung zum Quartalsbericht an
Haus-/Facharzt)
Bewilligungsbescheide
Befundberichte Dritter
Korrespondenzen mit Dritten (z. B.
mit Sozialversicherungs- oder Kostenträgern)
Berichte an den Gutachter und
Stellungnahmen der Gutachterin oder des Gutachters
Beschwerden/Symptomatik (zu Beginn
und im Verlauf)
Anamnese
Diagnosen (inkl. Verdachtsdiagnosen)
angewandte Test- oder sonstige
psychologische Erhebungsverfahren, inkl. Ergebnisse
Inhalte der Therapiesitzungen
(aktuelle Befunde, Interventionen und therapeutische Maßnahmen,
Ergebnisse, Aufgaben, Veränderungen, persönliche Eindrücke und Hinweise
zur Psychodynamik)
Empfehlungen zur Weiter- oder
Mitbehandlung bei anderen Behandlerinnen oder Behandlern
Beschwerden oder Ablehnungen durch
die Patientin oder den Patienten
unerwartete Ereignisse
u. U. Ergebnisse von
Supervision/Intervision zum Behandlungsfall
u. U. Hinweis auf Umstände des
Abschlusses der Therapie (z. B. bei Abbruch).
Die PTKH weist daraufhin, daß die Aufzählung keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie geht über die in den
Berufsordnungen der Länderpsychotherapeutenkammern und der
Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) hinaus.
Zugleicht wird die differenzierte Dokumentation in dieser Form von der PTKH
- auch im Sinne der Qualitätssicherung - "dringend empfohlen".
Anmerkung 1:
Es handelt sich hier um eine erste Überlegung zum Umfang der
Dokumentationspflicht. Bereits in der Vergangenheit hat es vereinzelt
Urteile gegeben in welchen PsychotherapeutInnen verpflichtet wurden, auch
Gesprächsaufzeichnungen bzw. -protokolle auszuhändigen. Im Unterschied zur
bisherigen Rechtsprechung (Einsichtnahme nur in objektive Daten, nicht aber
in subjektive Gedanken, Gegenübertragungsgefühle etc.) sieht der Entwurf des
geplanten Patientenrechtegesetz ein weitgehendes Einsichtsrecht vor, das
auch subjektiven Daten beinhaltet. Allerdings wird auch weiterhin (jedoch
nur im Einzelfall) ein therapeutischer Vorbehalt geltend gemacht werden
können (Gefahr der Schädigung durch die Einsichtnahme). Siehe dazu unten die
Links (Archiv).
Anmerkung 2:
Anläßlich einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen einer
Lehranalysandin und ihrer Lehranalytikerin hinsichtlich der Einsicht in die
Aufzeichnungen stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Dokumentation bei Lehranalysen. Ob sich die Ausführungen zum Umfang
der Dokumentation (wie oben dargelegt) auch auf die Lehranalyse beziehen ist
juristisch (noch) nicht eindeutig zu beantworten. Vieles spricht aber dafür,
daß dem so ist - jedenfalls dürfte das Fehlen jeglicher Aufzeichnungen im
Streitfall höchst problematisch (für die LehranalytikerInnen bzw.
LehrtherapeutInnen) sein. Im Falle einer Auseinandersetzung über 'Behandlungs'fehler
(die Frage ist, ob es sich überhaupt - juristisch - um eine Behandlung
handelt) könnten die TherapeutInnen kaum nachweisen, daß keine
problematischen Interventionen stattgefunden haben.
Anmerkung 3:
Auch die Ausschuss Qualitätssicherung: PTK
Bayern hat sich Gedanken zum Thema gemacht: FAQ zur
Dokumentationspflicht in der Psychotherapie (Fortführung - Stand: Februar
2011); Zugang nur für Mitglieder:
www.ptk-bayern.de
Psychotherapeutenjournal 3/2012: Mitteilungen der
Psychotherapeutenkammer Hamburg: 263 ff; direkter Link zu den
Mitteilungen über die PTKH
Patientenfragebögen der Krankenkassen (GKV) im Zusammenhang
des Bezugs von Krankengeld - der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert den
Umgang der erhobenen Daten
Der stellvertretende Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten (Schaar),
Dietmar Müller,
hat die im Zusammenhang des Bezugs von Krankengeld
von den Krankenkassen an Versicherte verschickte Fragebögen
kritisiert. Diese enthielten Fragen, mit dem Krankengeldbezug nicht in
Zusammenhang stünden - so etwa, wenn nach familiären Verhältnissen,
Urlaubsplänen oder dem Verhältnis zum Arbeitgeber gefragt würde.
Dazu
zählen Fragen nach familiären Verhältnissen, Urlaubsplänen oder dem
Verhältnis zum Arbeitgeber, so Müller. Ins Visier des Datenschützers sind
Kassen aller Größenordnungen geraten. Bereits in seinem Tätigkeitsbericht
2005/2006 hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte
diese Verfahrensweise der Krankenkassen kritisiert.
Anmerkung:
Ein klassisches Beispiel für die häufig praktizierte Datensammelwut. Nicht
die Erhebung von Daten an sich ist problematisch und oftmals auch
rechtswidrig, sondern der Umfang der erhobenen Daten (Grundsatz der
Datensparsamkeit und Zweckbindung).
Ärzte Zeitung (online) v.
9.10.2012:
Zu neugierig. Bundesdatenschützer rüffelt Kassen
Datentransparenzverordnung: Datenerhebung für den Bereich
Psychotherapie
Obwohl die
Sammlung sensibler (hier allerdings anonymisierter) Daten immer mit Vorsicht
zu betrachten ist, erscheint die kürzlich in Kraft getretene
Datentransparenzverordnung dringend erforderlich, um endlich differenzierte
Daten für den Bereich der Psychotherapie als Planungsgrundlage zur Verfügung
zu haben.
In einer Pressemeldung der
Bundespsychotherapeutenkammer (26.09.2012) heißt es dazu:
Mehr Daten für eine
bessere Versorgung
Datentransparenzverordnung in
Kraft getreten
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kann
zukünftig auf die Daten des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
zwischen den gesetzlichen Krankenkassen zurückgreifen. Mit den Daten lassen
sich z. B. bestimmte Diagnosen altersbezogen darstellen und damit die
psychotherapeutische Versorgung besser analysieren. Am 18. September 2012
ist die dafür notwendige Datentransparenzverordnung in Kraft getreten. Die
BPtK gehört danach zu den im SGB V aufgezählten Nutzungsberechtigten. „Bei
unserer Arbeit haben wir immer wieder festgestellt, dass bestimmte Daten zur
Versorgung schlicht fehlen“, erklärt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer
Richter. „Es freut uns sehr, dass es noch gelungen ist, ins Gesetz
aufgenommen zu werden. Der Gesetzentwurf sah das zunächst nicht vor.“
Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation
und Information (DIMDI) wird als öffentliche Stelle die Aufgaben der
Datentransparenz wahrnehmen und die Daten aufbereiten. Bis Ende des Jahres
soll das Antragsverfahren ausgestalten sein, mit dem ein Zugriff auf die
Daten möglich wird.
Das SGB V sah jahrelang Regelungen zur
Datentransparenz vor, die nie umgesetzt wurden. Ursprünglich war die
gemeinsame Selbstverwaltung damit beauftragt worden, die Einzelheiten
vertraglich festzulegen. Doch eine entsprechende Vereinbarung kam nie
zustande. Der Gesetzgeber ermächtigte daher im GKV-Versorgungsstrukturgesetz
das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Einzelheiten in einer
Verordnung festzulegen. Dies hat das BMG nun mit der
Datentransparenzverordnung getan.
Pressemeldung der BPtK (26.09.2012):
Mehr Daten für eine bessere Versorgung
Wiederholt bin ich auf das Thema Verschlüsselung von E-Mails aufmerksam gemacht
worden.
Grundsätzlich erscheinen mir nach wie vor Bedenken angebracht, hochsensible
Unterlagen von PatientInnen (oder anderweitig schützenswerte Daten) über das
Internet zu versenden, andererseits bieten auch herkömmliche Methoden
(Briefverkehr, Telefonate/Handy, Fax etc.) keine absolute Sicherheit. Zudem sind mehr und mehr ÄrztInnen und (ärzliche, psychologische, Kinder und Jugendlichen-)
PsychotherapeutInnen mit einer Praxis-Webseite einschließlich E-Mail-Adresse im
Netz vertreten. Zwar werden in letzterem Fall (Kommunikation zwischen
PatientInnen und ÄrztInnen/PatientInnen) in der Regel keine Arztberichte,
Befunddaten etc. versandt, doch bereits die Tatsache, daß sich PatientInnen mit
Beschwerden psychischer und/oder körperlicher Art an ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen
wenden, ist eine ausgesprochen sensible Information.
In jedem Fall aber sind Fragen der Datensicherheit berührt und PatientInnen
sollten bei der Kommunikation per (unverschlüsselter) E-Mail immer darauf
hingewiesen werden, daß diese keine Sicherheit gegen ein Ausspähen bieten. Das
gilt übrigens auch dann, wenn Sie eine verschlüsselte Verbindung zum Versenden
und Abrufen Ihrer E-Mails benutzen - denn diese sichert lediglich die
Übertragung zwischen Ihrem Computer und den Servern Ihres E-Mail-Providers ab.
Die weitere Übermittlung zum Postfach des Empfängers erfolgt jedoch ungeschützt
über das Internet.
Lösen läßt sich das Problem allenfalls durch eine E-Mail Verschlüsselung. Wenn
Gesundheitsdaten zwischen Institutionen ausgetauscht werden besteht die
Möglichkeit von Datentunnels (geschützter Datenverkehr zwischen
Sender/Empfänger), der bereits heute zwischen ÄrztInnen und KVen stattfindet
(D2D, KV-SafeNet, KV-WebNet). Ein weiteres in Bayern angebotenes 'starkes
Authentifizierungsverfahren', mit dem speziell die Abrechnungsdaten an die KVB
übermittelt werden können hat den Vorteil, daß es ausgesprochen sicher und
kostengünstig ist.
Doch zurück zur E-Mail-Verschlüsselung und der dabei angewandten Technologie:
Die Verschlüsselung von E-Mail erfolgt entweder
symmetrisch oder assymmetrisch. Bei symmetrische Verfahren wird derselbe
(geheime) Schlüssel von beiden KommunikationspartnerInnen zum Ver- und
Entschlüsseln der der jeweils gesendeten Mails verwendet. Dies geschieht in aller Regel mit Hilfe eines
Kennworts. Die Sicherheit des Verfahrens hängt dabei in erster Linie von der
Schlüssellänge ab. Bei dem heute üblicherweise angewendeten asymmetrischen Verfahren werden Schlüsselpaare verwendet:
Ein öffentlicher
Schlüssel (public key) und ein
privater bzw. geheimer Schlüssel (private
key). Der öffentliche Schlüssel ist einem
bestimmten Benutzer zugeordnet und dient zur Verschlüsselung.
Zunächst wird eine Software benötigt, die eine Verschlüsselung Ihrer E-Mails
sowie das Lesen empfangener, verschlüsselter E-Mails ermöglicht. Hier gibt es
auch kostenlose Programme (siehe unten) - allerdings müssen Sie prüfen, ob die
Software direkt in Ihrem E-Mail-Programm (z.B. Windows Mail Live, Outlook
Express) oder in ihrem Browser nutzen können (dazu ist eine entsprechende
Erweiterung/plug-in) notwendig. Haben Sie ein E-Mail-Konto bei einem Browser (z.
B. webmail.de) gibt es oft - allerdings zumeist kostenpflichtige). Im nächsten
Schritte wird nun das Schlüsselpaar (öffentlicher & geheimer Schlüssel)
erstellt. Der geheime Schlüssel wird aus einer (möglichst langen) Zeichenfolge
generiert und selbst verschlüsselt. Er kann dann mittels eines von Ihnen
vergebenen Paßworts aktiviert werden.
Nach der Erstellung des Schlüsselpaares können Sie den öffentlichen Schlüssel an
die Personen übergeben, mit denen sie verschlüsselte E-Mail austauschen wollen -
dazu benötigt der Kommunikationspartner neben Ihrem öffentlichen Schlüssel
(diesen können sie per Mail zusenden) dasselbe Verschlüsselungsprogramm. Leider
kann es hier, wenn unterschiedliche Betriebssysteme verwendet werden, zu
Problemen kommen. Nachdem Ihr Gegenüber sein Schlüsselpaar erzeugt hat, sendet
er Ihnen (wiederum z. B. per Mail oder Datenträger) seinen öffentlichen
Schlüssel, damit Sie seine verschlüsselten Mails lesen können. Auf den Seiten
www.verbraucher-sicher-online.de finden Sie weitergehende Informationen zur
Verschlüsselungstechnik.
Ein empfehlenswertes Programm ist die kostenlose, deutschsprachige Software
GpG4win (Version 2.1.0); unterstützte Betriebssysteme: Windows XP, Vista und 7
(32 und 64 bit). Sie wird vom Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik empfohlen (siehe unten Pressemeldung v. 15.03.2011) und kann
neben E-Mails auch Dateien und Datei-Ordner verschlüsseln.
Pressemitteilung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik v.
15.03.2011:
Gpg4win 2.1.0:
Neue Version der E-Mail- und Datei-Verschlüsselungslösung für Windows
Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz - Vertrauliche Unterlagen
zugespielt!
(Teil X)
Im Zusammenhang der Petition wurden mir vertrauliche Unterlagen der PKV
zugespielt. Durch ein Versehen meinerseits - die Dokumente waren etwas
unglücklich bezeichnet - komme ich erst jetzt dazu, die mir schon länger zur
Verfügung stehenden Dokumente zu veröffentlichen. Zunächst ein Schreiben des
Verbandes der privaten Krankenversicherung (VPK) vom 3. Juni 2011 (Namen,
Aktenzeichen und personenbezogene Zeichen wurden entfernt):
Beschluss des Petitionsausschusses des Bundestags
Anforderungen von Behandlungs- und Befundberichten
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat sich
für eine Verbesserung des Datenschutzes in der privaten Krankenversicherung
ausgesprochen. Die Abgeordneten beschlossen einstimmig, eine entsprechende
öffentliche Petition dem Bundesfinanzministerium, dem
Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesinnenministerium sowie dem
Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Material zu
überweisen und den Fraktionen zur Kenntnis zu geben.
Der Petent, ein Psychotherapeut, beanstandete in seiner
Eingabe, dass die privaten Krankenversicherungen bei der Abrechnung
psychotherapeutischer Leistungen persönliche Daten des Versicherten
„weitergeben" würden, obwohl dies für die Zwecke der Abrechnung nicht
erforderlich sei. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) würden hingegen ein
Verfahren anwenden, welches die Privatsphäre der Versicherten besser schütze.
Gemeint ist das Gutachterverfahren in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Das Verfahren ist durch die Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie
(Psychotherapie-Richtlinie, auszugsweise in Anlage 1) in Verbindung mit
der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen
Versorgung (Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte – nachfolgend:
Psychotherapie-Vereinbarung, auszugsweise in Anlage 2) festgelegt: Die
Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie erfolgt durch die
Krankenkasse auf Antrag des Versicherten. Zu diesem Antrag teilt der Therapeut
vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation
und beschreibt Art und Umfang der geplanten Therapie. Beantragt der Therapeut
eine Langzeittherapie (> 25 Sitzungen) hat die Krankenkasse diesen Antrag einem
Sachverständigen zur Begutachtung vorzulegen (§ 11 Abs. 4 S. 5
Psychotherapie-Richtlinie). Dem Antrag auf Langzeittherapie ist ein
ausführlicher Bericht für den Gutachter in einem verschlossenen Briefumschlag
beizufügen. Dem Gutachter dürfen sowohl vom behandelnden Therapeuten als auch
von der Krankenkasse nur solche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, auf
denen die Personaldaten des Patienten anonymisiert sind (§ 12 Abs. 11
Psychotherapie-Richtlinie). In der Praxis werden die Daten freilich nicht
anonymisiert, sondern pseudonymisiert übermittelt, weil ansonsten Therapeut und
Krankenkasse die Rückäußerung des Gutachters keiner versicherten Person zuordnen
könnten.
In der Petition wird gefordert, die privaten
Krankenversicherungen zu verpflichten, ein gleichwertiges Verfahren einzuführen.
Im Ergebnis der parlamentarischen Prüfung der Petition kommt der Ausschuss zu
der Einschätzung, dass die privaten Krankenversicherungen tatsächlich zur
Überprüfung ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte,
Krankenhausentlassungsberichte und Operationsberichte anfordern würden. „Das
betrifft auch die von dem Petenten erwähnten psychotherapeutischen Gutachten
oder Berichte, die in der Regel besonders sensible, personenbezogene Daten
enthalten", schreibt der Petitionsausschuss in der Begründung zu seiner
Beschlussempfehlung. Zugleich wird festgestellt, dass es „im Bereich der
privaten Krankenversicherungen keine dem Gutachterverfahren der gesetzlichen
Krankenversicherung vergleichbare Rechtsnorm gibt". Ein zwischen der
Versicherungswirtschaft und den Datenschutzbehörden der Länder im Jahr 1993
abgestimmtes Verfahren sehe lediglich vor, dass Behandlungs- und Befundberichte
dem beratenden Arzt der Versicherung, nicht jedoch den Sachbearbeitern zugehen
sollten. Auch wenn aus Sicht des Petitionsausschusses im Hinblick auf das
Verfahren „derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar ist", hegen
die Abgeordneten Zweifel, ob die mehr als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung
„allen dem Verband der privaten Krankenversicherungen angeschlossenen
Versicherungsunternehmen bekannt ist und in der Praxis auch beachtet wird". Vor
diesem Hintergrund sei eine Regelung, die dem Gutachterverfahren der
gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, aus Datenschutzsicht
„wünschenswert", schreiben die Abgeordneten. Dies gelte insbesondere unter dem
Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch sensiblen, personenbezogenen
Daten im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich der gleiche Schutz
gewährleistet wäre.
Der Vorwurf des mangelnden Datenschutzes in der PKV ist
unbegründet. Für die Überprüfung der Leistungspflicht bedarf es der Erhebung
personenbezogener Gesundheitsdaten, die gerade im Bereich der Psychotherapie
auch besonders sensibel sein können. Wir möchten den Beschluss des
Petitionsausschusses aber zum Anlass nehmen, auf das seinerzeit mit den
Datenschutzaufsichtsbehörden abgestimmte und mittels Rundschreiben vom 14. Juni
1993 (Anlage 3) kommunizierte Verfahren hinzuweisen und zu bitten, dieses
auch weiterhin einzuhalten. Soweit die Überprüfung der medizinischen
Notwendigkeit nicht durch einen Gesellschaftsarzt, sondern durch einen externen
Gutachter durchgeführt wird, erfolgt dies auf Grundlage einer Einwilligung des
Betroffenen. Sie ist daher datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl
könnte, falls dies nicht ohnehin bei Ihnen so gehandhabt wird, im Sinne eines
datenschutzrechtlichen Mehrwerts die Übermittlung pseudonymisiert erfolgen.
In diesem Zusammenhang möchten wir noch darauf hinweisen,
dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. unter
Beteiligung des PKV-Verbandes mit den Datenschutzaufsichtsbehörden und dem
Verbraucherzentrale Bundesverband kürzlich eine neue datenschutzrechtliche
Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung konsentiert hat. Danach
hat der Versicherer im Fall der Übermittlung personenbezogener Gesundheitsdaten
(bzw. von Daten, die der Schweigepflicht nach § 203 StGB unterliegen) an einen
medizinischen Gutachter den Versicherten von der Übermittlung zu unterrichten.
Von der Unterrichtung kann unseres Erachtens jedoch Abstand genommen werden,
wenn dem Gutachter lediglich pseudonymisierte Daten dergestalt übermittelt
werden, dass es diesem nicht möglich ist, den Personenbezug des Pseudonyms
herzustellen. Auch dies könnte dafür sprechen, an externe Gutachter keine
personenbezogenen Daten zu übermitteln.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne
zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Referatsleiter
Und in
einem weiteren Schreiben, auf das im obigen Schreiben Bezug genommen wird
(Anlage 3, 14. Juni 1993), enthält jene Vereinbarungen zum Datenschutz, die mir
bislang vorenthalten blieb. Bereits vor Monaten hatte ich den Verband VPK um
Übersendung gebeten, was mir jedoch verwehrt wurde (internes Dokument, welches
nur den Mitgliedsunternehmen zugänglich ist). Es handelt sich um eine gescannte
Fassung des Originalschreibens, das ich in eine Worddatei übertragen habe - auch
hier habe ich Namen, Aktenzeichen und personenbezogene Zeichen entfernt.
Vereinbarung zwischen privaten Versicherungen und Datenschutzbehörden zum
Datenschutz, Schreiben des VPK v.
14.06.1993
Anmerkung: Es ist schon erstaunlich, mit welcher
kühlen Sachlichkeit der zuständige Referatsleiter des Verbandes der privaten
Krankenversicherung (VPK) über eine Problematik hinweggeht, die ja das Wohl der
eigenen PKV-Versicherten betrifft. Es müßte eigentlich im Interesse der
Versicherungen sein, alles zu unterlassen, was potentiell schädigende Folgen für
Versicherte haben kann. Stattdessen tendiert die Stellungnahme des VPK zu
unsachgemäßen Feststellungen: Niemand wird behaupten, es bedürfe keiner Erhebung
personenbezogener Gesundheitsdaten - nur SachbearbeiterInnen der KK bedürfen der im Bericht der PsychotherapeutInnen gemachten Angaben und
Feststellungen nicht und GutachterInnen (völlig egal, ob intern oder extern)
bedürfen nicht des Namens der Versicherten, um ihren Gutachtenauftrag zu
erfüllen (und hat der Referatsleiter selbstverständlich Recht: Natürlich handelt
es sich beim Gutachterverfahren der GKV um eine Pseudonymisierung des
Patientennamens). Diagnosedaten, Angaben über das gewählte Verfahren etc. müßen
der PKV (wie auch der GKV) natürlich vorliegen - weitergehende Angaben zum
psychischen Zustand, zu Anamnese, Psychodynamik, Prognose etc. dagegen nicht.
Ich wiederhole meine schon oft geäußerte Kritik:
Der
Datenschutz wird im Bereich der PKV nach wie vor mit Füßen getreten (Grundsätze der Zweckbindung und Datensparsamkeit). PatientInnen werden
– zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine
sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine
Kostenübernahme erfolgt.
Petition:
Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz
(Teil IX)
Wie berichtet (Teil VII und
Teil VIII) ist der Bundestag der Beschlußempfehlung
des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922;
Pet
2-17-08-7613-001492; Prot. Nr.
17/38) gefolgt und hat am 9.06.11 beschloßen, die Petition.
der
Bundesregierung – dem BM der Finanzen, dem BM für Gesundheit und dem
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit – als Material zu überweisen und
den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zu Kenntnis zu geben.
Das hat
allerdings bisher m. W. zu keiner Änderung der Praxis geführt. Ich habe daher
das BM der Finanzen und die Bundestagsfraktionen angeschrieben und gebeten
mich dahingehend zu informieren, was in dieser Angelegenheit jeweils
unternommen wurde.
Auszug aus meinem Schreiben (5.09.12):
Der Deutsche Bundestag ist am 9.06.2011 der Beschlußempfehlung des
Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922) gefolgt und hat beschlossen, die
Petition
der
Bundesregierung – dem BM der Finanzen, dem BM für Gesundheit und dem
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit – als Material zu überweisen und
den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zu Kenntnis zu geben.
Diese
Entscheidung war aus meiner Sicht (ich hatte die Petition 2009 mit 722
MitzeichnerInnen eingereicht) ausgesprochen erfreulich, wenn auch fraglich war
und ist, ob das etwas am skandalösen Zuständen bei der Beantragung
psychotherapeutischer Leistungen in der PKV ändert bzw. ändern wird. Der
Datenschutz wird hier nach wie vor mit Füßen getreten: Weil die PKV das in der
GKV geregelte und bewähre Verfahren anonymisierter Berichte der
PsychotherapeutInnen an die/den von der Krankenkasse beauftragte/n GutachterIn
nicht durchführt, kommt es zur Weitergabe intimster personenbezogener Daten an
GutachterInnen oder sogar an SachbearbeiterInnen der jeweiligen
Privatversicherung (wenn gar keine medizinischen GutachterInnen zur Verfügung
stehen), ohne daß dies zur Erfüllung des jeweiligen Auftrags
(Leistungsabrechnung bzw. Gutachtenerstellung) notwendig wäre. Formaljuristisch
ist das durch die Einwilligung der PatientInnen gedeckt. Schon seit Jahren
bleiben meine Hinweise, daß dennoch ein Verstoß gegen den Datenschutz vorliegt –
Grundsatz der Zweckbindung und Datensparsamkeit – ungehört. PatientInnen werden
hier – zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine
sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine
Kostenübernahme erfolgt.
In seiner
Beschlußempfehlung hat der Petitionsausschuß zudem eine höchst problematische
Aussage getroffen:
"Hinsichtlich
der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand Einigkeit, dass nur
die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens inhaltlich Kenntnis
erlangen, nicht jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die
angeforderten,nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen
den Ärzten daher im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden.
Sie entscheiden, ob ein Leistungsanspruch besteht oder nicht." [Hervorhebung vom
Verfasser]
Auf meinen
(schriftlich formulierten Einwand an den Petitionsausschuß, die Unterlagen an
die GutachterInnen sollten ja gerade psyeudonymisiert
weitergeleitet werden (analog dem Gutachterverfahren in der GKV) hat mir der
zuständige Mitarbeiter (Dr. Waldmann) mit Schreiben v. 21.07.2011 lapidar
mitgeteilt, es handle sich bei diesem Absatz um die Beschreibung des Verfahrens,
das zwischen Versicherungswirtschaft und den Obersten Aufsichtsbehörden der
Länder für den Datenschutz vereinbart wurde. Zwar sehe der Petitionsausschuß
"keinen dringenden gesetzgeberischen Bedarf" dennoch halte er "eine Regelung,
die dem Bereich der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) praktizierten
Gutachterregelung entspricht, für wünschenswert". Diese Argumentation ist im
Hinblick auf meinen Einwand logisch wenig überzeugend, zeichnet sich ja gerade
das Gutachterverfahren in der GKV durch die Pseudonymisierung aus.
Es ist mir
bis heute nicht gelungen, die diesbezügliche Vereinbarung einzusehen (der
Verband der PKV hat mir dieses ausdrücklich verweigert). Ich bitte Sie daher,
mir diese zur Verfügung zu stellen. [Fassung BMF]
Es ist mir
bis heute nicht gelungen, die diesbezügliche Vereinbarung einzusehen (der
Verband der PKV hat mir dieses ausdrücklich verweigert). Ich bitte Sie mich
dabei zu unterstützen, diese zur Verfügung gestellt zu bekommen. [Fassung
Fraktionen]
Seit dem
Bundestagsbeschluß ist zwischenzeitlich mehr als ein Jahr vergangen. Da ich
bislang von keiner Seite eine Rückmeldung über das weitere Vorgehen erhalten
habe, bitte ich Sie mich darüber zu informieren, was Sie in dieser Angelegenheit
unternommen haben bzw. unternehmen werden.
Meldegesetz: Der umstrittene Gesetzentwurf wird nach der
Sommerpause im Bundesrat beraten
Nach massiven öffentlichen Protesten vor allem von Seiten von
Datenschutzorganisationen gegen die geplante Weitergabe von personenbezogenen
Daten (z. B. Name und Adresse) durch die Meldeämter an Firmen - ohne
ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen - wird der vom Bundestag Ende Juni
ohne Beratung beschlossene Gesetzentwurf nach der Sommerpause erneut beraten.
Nach Beratungen im Innenausschuß des Bundesrats wird sich der Bundesrat am 21.
September 2012 mit dem Gesetz beschäftigen. Schon im Vorfeld hatten mehrere
Bundesländer angekündigt, den Gesetzentwurf im Bundesrat zu blockieren bzw. nur
mit Korrekturen passieren zu lassen.
Anmerkung 1: Es ist schon
erstaunlich wie unsensibel der Bundestag mit diesem Thema umgegangen ist
(vermutlich haben die meisten Abgeordneten gar gelesen oder gar verstanden, um
was es geht) - erstaunlich aber auch, daß Abgeordnete, die mit der Materie
vertraut sind und Datenschutzorganisationen nicht bereits im Vorfeld gegen des
Gesetzgebungsverfahren massiv protestiert haben.
Anmerkung 2: Das Bayerische
Meldegesetz sieht die Möglichkeit von Auskunfts- und
Übermittlungssperren vor. Während Erstere nur unter sehr strengen
Voraussetzungen und mit entsprechender Begründung möglich ist - sind
Übermittlungssperren im Zusammenhang von
allgemeinen Wahlen (Auskunft an Parteien und andere Träger von
Wahlvorschlägen),
Alters- und Ehejubiläen (Auskunft an Presse, Rundfunk,
Parteien, Wählergruppen, Mitglieder parlamentarischer
Vertretungskörperschaften und Bewerber für diese),
der Herausgabe von
Einwohnerbüchern Ihrer Gemeinde oder
ähnlichen Nachschlagewerken sowie
der
Direktwerbung, an das Bundesamt für Wehrverwaltung für den
Zweck der Übersendung von Informationsmaterial zum Wehrdienst
möglich - in schriftlicher und mündlicher Form und ohne Angabe von
Gründen. Außerdem besteht das Recht und die Möglichkeit, einer
elektronischen Melderegisterauskunft über das Internet ohne Angabe von
Gründen zu widersprechen. Nähere Informationen unter:
www.behoerdenwegweiser.bayern.de:
Auskunftssperren
Datenschutz gilt auch für SGB II-EmpfängerInnen
(Arbeitslosengeld II)
Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom Januar 2012
(25.01.12 - B 14 AS 65/11 R) datenschutzrechtliche Grundsätze für EmpfängerInnen
des Arbeitslosengelds II festgelegt. Wie der Deutsche Berufsverband für Soziale
Arbeit (DBSH) meldet, dürfen die Träger (Jobcenter) "nicht ohne Zustimmung des
Leistungsbeziehers den Vermieter oder andere Dritte, wie Arbeitgeber,
kontaktieren und Informationen abfragen (...). Die Leistungsträger sind vielmehr
gehalten die schutzwürdigen Interessen des Leistungsbeziehers zu beachten und
daher vor Kontaktaufnahme mit dem Vermieter das Einverständnis des
Leistungsberechtigten einzuholen". (FORUM sozial I/2012:6)
Urteil des Bundesozialgerichts v. 25.01.12 -
B 14 AS 65/11 R
Das geplante Patientenrechtegesetz: 30 Jahre Aufbewahrung von Patientenunterlagen?
(Teil II)
Nach einem Bericht der Ärztezeitung online (5.07.12) empfiehlt der
Gesundheitsausschuss des Bundesrates in einer Beratungsvorlage zum
Patientenrechtegesetz, daß ÄrztInnen (und damit auch nichtärztliche
PsychotherapeutInnen) künftig Behandlungsunterlagen grundsätzlich 30
Jahre aufbewahren müßen. Begründet wird dies mit der Verjährungsfrist
für Haftungsansprüche, die ebenfalls 30 Jahre beträgt. Nach der
Sommerpause wird das Patientenrechtegesetz weiter im Bundestag beraten
werden.
Bisher beträgt der Aufbewahrungszeitraum i.
d. R. zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), § 9
Abs. 2 Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP),
§ 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10
Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV), soweit nicht spezielle
Vorschriften bestehen, die eine längere Aufbewahrungspflicht vorsehen
(z. B. bei Röntgenaufnahmen). Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind
die Daten zu löschen – vorher besteht (für PatientInnen) kein Anspruch
auf Löschung oder Sperrung der patientenbezogenen Daten.
Interessanterweise empfiehlt die
Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
bereits heute:
"
Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche
Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist
grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit
dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis
erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im
Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher
sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene
Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine
Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind." (BÄK
& KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 1027)
Nach meines Ansicht stellt diese Rechtsauffassung ein Verstoß gegen das
Bundesdatenschutzgesetz dar. Demnach sind die Unterlagen/Daten nach der
gesetzlich normierten Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. vernichten,
weil der Zweck der Speicherung bzw. Verarbeitung entfallen ist. Auf
einem anderen Blatt steht, daß damit im Einzelfall die Beweislage für
ÄrztInnen, ärztliche PsychotherapeutInnen, PP und KJP beeinträchtigt
sein kann.
Anmerkung 1: Zur Klärung der
Angelegenheit habe ich mich an den Bundesdatenschutzbeauftragen gewandt
(Juli 2012). Dort würde mir bestätigt, daß eine Aufbewahrung der
Unterlagen über die geregelte Aufbewahrungszeit hinaus alleine aus
Gründen der Beweissicherung nicht mit den datenschutzrechtlichen
Vorschriften zu vereinbaren ist. (Schreiben v. 1.08.2012). Auch führt
eine ordnungsgemäße Vernichtung der Unterlagen nach 10 Jahren nicht zu
einer Beweislastumkehr, wenn später von PatientInnen ein
Behandlungsfehler geltend gemacht wird (Hinweis auf das Urteil des OLG
Karlsruhe v. 11.02.2004 - 7 U 174/02 -).
Anmerkung 2 (3.01.2014): Nun
hat sich auch die KBV zu diesem Punkt geäußert (Mail 3.01.2014). Der
stellvertretenden Leiter für Rechtsangelegenheiten (Rechtsanwalt)
verweist dabei auf das Patientenrechtegesetz (Aufbewahrung für die
Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach
anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen) und auf die
nun auch gesetzlich geregelte Beweislastumkehr bei fehlender
Dokumentation, die "in zeitliches Hinsicht nur
solange eingreift, wie den Arzt auch eine Befunderhebungs- und
Befundsicherungspflicht trifft. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist
erwachsen dem Arzt aus der Vernichtung oder aus dem Verlust der
Dokumentation in der Regel keine Nachteile. Allerdings hat der
Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 630 f Abs. 3 BGB
Folgendes ausgeführt:
"Soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der
gesundheitliche Zustand des Patienten oder die Gegebenheiten im Einzelfall
jedoch erfordern, kann die Aufbewahrungsfrist des Absatzes 3 allerdings auch
weit über 10 Jahre hinausgehen. Dies kann insbesondere unter Berücksichtigung
der Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Patienten gelten, die nach
der Höchstverjährungsfrist des § 199 Abs. 2 erst nach 30 Jahren verjähren
können."
Es ist bekannt, dass die entscheidenden
Gerichte auch die Gesetzesbegründungen zur Auslegung der Vorschriften
heranziehen. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Gerichte die
"Gegebenheiten im Einzelfall" auslegen werden, sehen wir von einer Änderung
der Empfehlungen ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die
Empfehlungen der Bundesärztekammer und der KBV keinen verbindlichen
Charakter haben, sondern lediglich eine Hilfestellung für den Arzt bieten
sollen. Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben."
Bericht der Ärzte Zeitung online v.
5.07.2012:
Ärzte sollen Unterlagen 30 Jahre aufbewahren
BÄK & KBV (2008):
Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online:
www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 19, Mai 2008) 105:
A-1026-1030 und Technische Anlage: 1-12)
Der 115. Deutsche Ärztetag in Nürnberg beschießt: Die eGK ist gescheitert!
(Teil
XVII)
Nicht immer ist man heute sicher, ob Meldungen eine Satire darstellen
oder ernstgemeint sind - so auch hier! Aber tatsächlich lautet der
Beschluß des 115. Deutschen Ärztetages so:
Entschließung des 115. Deutschen Ärztetages zur
eGK
Nürnberg, 25.05.2012
Der 115. Deutsche Ärztetag hat folgende Entschließung
gefasst:
Das politische Projekt "Elektronische Gesundheitskarte"
(eGK) ist gescheitert. Der gigantomanische Anspruch, durch eine flächendeckende
Elektronifizierung der Patientenversorgung unter der Führung der Krankenkassen
sowohl transparente Patienten als auch transparente Ärzte herzustellen,
widerspricht elementaren ärztlichen Grundwerten.
Die Vertraulichkeit der Patientenbeziehung ist genauso
durch dieses politische Projekt bedroht wie die ärztliche Therapiefreiheit. Der
derzeitige Nutzen liegt bei einigen Wenigen, bei Kontrollinteressen von Kassen
und Politik und der nach neuen Märkten suchenden Industrie. Der Schaden sowie
der Aufwand bleiben bei Versicherten, bei Ärztinnen und Ärzten in Klinik und
Praxis und bei medizinischem Personal. Aus diesem Grund fordert der 115.
Deutsche Ärztetag einen Stopp des Projektes und die Förderung längst
existierender kostengünstiger dezentraler Kommunikationswege und Speichermedien
in der Medizin.
Die eGK-Tests sind in allen Aspekten gescheitert.
Mehrfache Versuche des "Neustarts" ziehen sich seit sechs Jahren hin, haben
bisher schon Milliarden verschlungen und verdienen keine weiteren
Wiederholungen.
Die Verwandlung von Arztpraxen und Klinikambulanzen in
Online-Außenstellen der Kassen für das verpflichtende Versicherten
Stammdatenmanagement (VSDM) in Arztpraxen und Kliniken wird von der Ärzteschaft
bundesweit abgelehnt.
Das ganze eGK-Projekt behindert seit Jahren eine
fortschrittliche Weiterentwicklung der Kommunikation im Gesundheitswesen. Die
veraltete "Kartentechnologie" stammt aus den Sechzigerjahren des vorigen
Jahrhunderts und hat sich in den Tests als wahres Hindernis für Praktikabilität erwiesen.
Gelder in Kliniken und Praxen sollten investiert werden in
moderne Datenhaltung und deren Schutz vor Ort. Des Weiteren benötigt man für die
elektronische ärztliche Kommunikation verschlüsselte Mails, VPN-Leitungen und
sichere dezentrale Speichermedien in der Hand des Patienten. All dies ist ebenso
für einen geringen finanziellen Mitteleinsatz vorhanden wie die elektronische
Signatur.
Grundsätzlich abzulehnen ist jede Form des Sammelns
medizinischer Daten einer großen Anzahl von Menschen in zentralen
Serverstrukturen. Dieses dient wie das ganze Projekt insgesamt nur der
Kontrollfähigkeit aller medizinischen Prozesse im Sinne einer möglichst
renditebringenden "Krankenbehandlung" im Interesse von Gesundheitskonzernen.
Niemand kann solche Daten auf Dauer schützen.
Wiewohl den Argumenten in vieler Hinsicht beizupflichten ist dürfte die
Frage sein, welche Wirkung ein solcher Beschluß haben kann (außer der
Frage, ob er ernst gemeint ist). Die an den Verhandlungen beteiligte
Bundesärztekammer hat daher auch bereits verlauten lassen, daß sie für
den Fall, daß das Projekt weiterverfolgt wird - wovon realistischerweise
auszugehen ist - wie schon in der Vergangenheit die Interessen der
Ärzteschaft zu wahren - was immer das auch heißen mag, den die
Ärzteschaft gibt es nicht und schon gar nicht in dieser Frage!
Bericht der Ärzte Zeitung online v.
25.05.2012: Ärztetag beschließt: E-Card ist gescheitert
Bericht der Ärzte Zeitung online v.
25.05.2012: E-Card: BÄK in der Zwickmühle
Entschließung des 115. Deutschen Ärztetages zur
eGK
Bundesjustizministerium: Referentenentwurf für ein Patientenrechtegesetz
(Teil I)
Das
Bundesjustizministerium und das Bundesgesundheitsministerium
haben einen Entwurf für ein Patientenrechtegesetz vorgelegt. Es
beinhaltet weitreichende Änderungen im Sinne der Stärkung der Rechte von
Patientinnen. Neben mehr Transparenz (z. B. umfassende Informations- und
Aufklärungpflichten der BehandlerInnen) und Mitwirkung soll die
Rechtssicherheit für PatientInnen gestärkt werden. So durch weitgehende
Rechte der Einsichtnahme in Patientenunterlagen, der Beweislast
der BehandlerInnen hinsictlich der Aufklärung und Einwilligung sowie der
Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern (z. B. bei
fehlender/unvollständiger Dokumentation oder groben
Verstößen gegen Befunderhebungs- oder Befundsicherungspflichten).
Überdies sind die Krankenkassen zukünftig gehalten, ihre
Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus
Behandlungsfehlern zu unterstützen (bisher lag dies in ihrem Ermessen).
In der Begründung zum Entwurf heißt es einleitend:
Im Behandlungsalltag erleben Patientinnen und Patienten (...) immer wieder
Defizite. Dies reicht beispielsweise von einer Nichtbeachtung persönlicher
Behandlungswünsche, zeitraubenden Bewilligungsverfahren für Leistungen durch die
Krankenkassen, der Versagung des Einblicks in die ärztliche Dokumentation bis
hin zu Fehlern in der Behandlung. Richtig verstandene Patientenrechte setzen
nicht auf rechtliche Bevormundung, sondern orientieren sich am Leitbild der
mündigen Patientin, des mündigen Patienten. Diesem Ziel trägt der Gesetzentwurf
in zweierlei Weise Rechnung, nämlich zum einen durch Regelungen auf dem Gebiet
des zivilrechtlichen Behandlungs- und Arzthaftungsrechts sowie zum anderen durch
Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (Referentenentwurf
BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 12)
Auch für den Bereich Psychotherapie würden sich weitreichende Änderungen
ergeben, etwa im Bereich der Dokumentation und der Einsichtnahme von
PatientInnen in die Unterlagen und (damit auch) der Haftung bzw.
Beweislast bei Behandlungsfehlern.
Mit dem geplanten Patientenrechtegesetz ist die Einführung eines
(formfreien) Behandlungsvertrages als besondere Form
des Dienstvertrages im BGB (§§ 630a bis 630h) geplant. Neben den
Vertragsverhältnissen zwischen PatientInnen und ÄrztInnen soll
er auch für Vertragsverhältnisse zwischen PatientInnen und Behandelnden
anderer Gesundheitsberufe (u. a. HeilpraktikerInnen, Hebammen, Psycho-
oder Physiotherapeuten) gelten.
Dort (§§ 630a ff BGB) werden u. a.
die Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten (§ 630c),
die Einwilligung in Behandlungen, die einen Eingriff in den Körper, die
Gesundheit, die Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder in ein
sonstiges Recht des Patienten darstellen (§ 630d),
(ausführliche) Aufklärungspflichten (§ 630e),
die Dokumentation der Behandlung (§ 630f) und
die Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630g), sowie
die Beweislast (-umkehr) bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehlern
(§ 630h)
geregelt. Zunächst zur Dokumentationspflicht (§ 630f BGB). Der
Gesetzestext lautet:
Dokumentation der Behandlung
(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in
unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in
Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von
Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche
Inhalt erkennbar bleibt.
(2) Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus
fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen
Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese,
Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre
Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.
Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
(3) Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach
Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften
eine längere Aufbewahrungspflicht besteht.
(Referentenentwurf BMJ-BMG
Patientenrechtegesetz: 7)
Wirklich gravierend für PsychotherapeutInnen erscheint das in § 630g BGB
neu zu regelnde Einsichtrecht in die Patientenakte:
Einsichtnahme in die Patientenakte
(1) Der Patient kann jederzeit Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte
verlangen, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder
die Rechte Dritter entgegenstehen. Die Einsichtnahme ist dem Patienten
unverzüglich zu gewähren. § 811 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Der Patient kann Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem
Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.
(3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2
seinen Erben zu, soweit sie vermögensrechtliche Interessen des Patienten geltend
machen und die Einsichtnahme nicht dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen
des Verstorbenen widerspricht. Satz 1 gilt entsprechend für die nächsten
Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen des Patienten
geltend machen. (Referentenentwurf BMJ-BMG Patientenrechtegesetz: 7)
In der Begründung zum Gesetzentwurf wird deutlich, daß klarer
als bisher nicht nur objektive Daten (Anamnese, psychische/psychopathologische
und körperliche Befunde, Diagnose), sondern auch subjektive Daten (Eindrücke,
Überlegungen zur Genese, Psychodynamik - bei psychodynamischen Verfahren
insbesondere die Aufzeichnungen zur Gegenübertragung bzw.
Gegenübertragungsreaktionen) in das Einsichtsrecht einbezogen sind - auch wenn
weiterhin ein sogenannter therapeutischer Vorbehalt besteht: Im Einzelfall
kann die Einsichtnahme verweigert werden, wenn zu befürchten ist, daß dies zum
Schaden der Betroffenen gereicht. Dies gilt auch, wenn die Rechte Dritte
(Informationen die, Dritte, also z. B. Angehörige) berührt sind. Zu diesem Punkt
heißt es wörtlich:
Das Einsichtsrecht nach Absatz 1 soll nicht grenzenlos
sein. Stehen der Einsichtnahme nach Absatz 1 Satz 1 etwa erhebliche
therapeutische Gründe entgegen, kann bzw. muss der Behandelnde die Einsichtnahme
partiell oder gar vollständig verweigern können. In diesen besonderen
Einzelfällen ist es erforderlich, dass die zu berücksichtigenden Belange
sorgfältig ermittelt und auf konkrete und substantiierte Anhaltspunkte gestützt
werden können. Ziel dieser Einschränkung ist der Schutz des Patienten vor
Informationen über seine Person, die ihm erheblich schaden könnten. Dies dürfte
insbesondere für die Bereiche der Psychiatrie und der Psychotherapie relevant
sein, bei denen die uneingeschränkte Einsichtnahme in die Dokumentation mit der
Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung des Patienten verbunden
sein kann. Ist der Gesundheitszustand des Patienten allerdings stabil und ist
mit der Einsichtnahme in die Dokumentation keine erhebliche gesundheitliche
Schädigung des Patienten zu befürchten, darf der Behandelnde die Einsichtnahme
nicht verwehren. Insoweit ist dem mündigen Patienten das Recht zuzugestehen,
eigenverantwortlich über die Frage entscheiden zu dürfen, wie viel er wissen
möchte und wo die Grenzen seines Informationsbedürfnisses erreicht sind. Es ist
nicht die Aufgabe des Behandelnden, diese Frage an Stelle des Patienten zu
entscheiden und diesen im Ergebnis zu bevormunden. Hat ein Arzt die Behandlung
durchgeführt und besteht die begründete Gefahr, dass die unmittelbare Einsicht
dem Patienten einen unverhältnismäßigen Nachteil an der Gesundheit zufügen
könnte, kann die Vermittlung der Einsichtnahme durch einen Arzt sinnvoll sein.
Die Grenze des Einsichtsrechts ist weiterhin erreicht,
soweit in die Aufzeichnungen Informationen über die Persönlichkeit des
Behandelnden oder dritter Personen eingeflossen sind, die ihrerseits
schutzwürdig sind (Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage 2009, IX B Rz
59). Weder die Persönlichkeitsrechte Behandelnder noch die Rechte Dritter dürfen
verletzt werden. Gleichwohl muss aber auch insoweit das Persönlichkeitsrecht des
Patienten Beachtung finden und insbesondere gegenüber dem Interesse des
Behandelnden an der Geheimhaltung seiner internen persönlichen Äußerungen
abgewogen werden. Im Zweifel erscheint der Behandelnde nicht in dem Umfang
schutzwürdig, wie es der Patient ist. Schließlich können Niederschriften über
persönliche Eindrücke oder subjektive Wahrnehmungen des Behandelnden betreffend
die Person des Patienten letzteren in seinen Persönlichkeitsrechten berühren und
sollten dem Patienten daher grundsätzlich offengelegt werden. Möchte es der
Behandelnde vermeiden, dass sich der Patient über die persönlichen Eindrücke des
Behandelnden informieren kann, so bleibt es Behandelnden unbenommen, solche
Aufzeichnungen vollständig zu unterlassen. Ein begründetes Interesse des
Behandelnden an der Nichtoffenbarung seiner Aufzeichnungen ist, im Vergleich zu
dem Persönlichkeitsrecht des Patienten, im Regelfall nicht gegeben.
(Referentenentwurf BMJ-BMG
Patientenrechtegesetz: 7)
Anmerkung: Diese Ausführungen
sind ungeachtet des sicherlich begrüßenswerten Anliegens (Stärkung der
Grundrechte der PatientInnen) im Bereich der Psychotherapie auch
problematisch. In der Praxis hieße es, daß PatientInnen nach und auch
während der laufenden Behandlung Einsicht in alle sie (ausschließlich)
betreffenden Aufzeichnungen nehmen könnten. Gerade in psychoanalytischen
begründeten Verfahren wäre dies mit einer Behandlung lege artis kaum zu
vereinbaren. Natürlich steht auch hier den Betroffenen grundsätzlich ein
Einsichtsrecht zu. Das Wissen um sämtliche Daten
(Gegenübertragungsreaktionen, Überlegungen zur Psychodynamik bzw.
unbewußten Zusammenhängen) würde aber genau jenen geschützten und freien
(Phantasie-) Raum beschädigen, der für den Erfolg der Therapie
unabdingbar ist. Auch der Ratschlag auf solche (subjektiven)
Aufzeichnungen zu verzichten hilft nicht weiter, da gerade sie in der
tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie
konstituive Bedeutung haben - schon im Bericht an den GutachterInnen sind
sie wesentlicher Bestandteil der Darstellung und Begründung der
geplanten Behandlung. Im Fall eines
Haftungsprozesse wäre überdies zu befürchten, daß dann auch der Vorwurf
unvollständiger Aufzeichnungen erhoben werden könnte, da solche
Therapien ohne die (dokumentierte) Reflexion unbewußter Übertragungs-
und Gegenübertragungsprozesse nicht dem state of the art entsprächen.
Ich würde allen KollegInnen deshalb empfehlen, PatientInnen über die
Risiken einer solchen Einsichtnahme zu informieren. Nach meiner
Erfahrung fühlen sich die Betroffenen bereits dann ernst genommen, wenn
eine Bereitschaft besteht, mit Ihnen über Vor- und Nachteile der
Einsichtnahme zu sprechen. In diesen Fällen kommt es nur selten zur
Forderung der Einsichtnahme. In schwierigen Fällen (therapeutische
Krisen, Therapieabbruch, Verdacht schwerer Behandlungsfehler und/oder
Grenzüberschreitungen) ist die Sachlage möglicherweise anders.
Zur Frage der
Kosten: Nach
dem Gesetzestext haben die PatientInnen die Kosten für Abschriften zu
tragen (nach der Rechtssprechung sind für gefertigte Kopien max. 50 Cent
pro Seite ansetzbar, zzgl. der Portokosten für den Versand; vgl.
AKTUELL: Nummer
40/2011). Allerdings könnten PatientInnen diesen Passus
umgehen, indem sie sich auf den Auskunftsanspruch aus dem
Behandlungsvertrag i. V. m. § 34
(Abs. 8, Satz 1) des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dbeziehen.
Siehe dazu: AKTUELL: Nummer
17/2011
Zur
Einwilligungsfähigkeit minderjähriger
PatientInnen folgende Anmerkung: Der Gesetzestext hinkt hier der Rechtsprechung
hinterher. Genauere Ausführungen siehe unter:
AKTUELL: Nummer
36/2011.
Ergänzung 1 (5.05.2012): Der
bvvp hat in seinem (nur für Mitglieder) zugänglichen Newsletter (4/2012
v. 17.04.2012: 5-11) eine ausführliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf
vorgelegt. Zur Frage persönlicher
Aufzeichnung widerspricht er der Empfehlung, diese
vollständig zu unterlassen (siehe oben) und argumentiert in ähnlicher
Weise, wie ich das tue. Zudem weist er in diesem Zusammenhang auf die
Notwendigkeit eines informationellen Selbstbestimmungsrechtes der
PsychotherapeutInnen hin und spricht sich für eine Ausnahmeregelung (9
oben). Hinsichtlich der Einsichtnahme
(§ 630g) sieht der bvvp einen Regelungsbedarf für minderjährige
PatientInnen. Dies ist völlig richtig - Jugendliche müssen ihre
Angelegenheiten selbst regeln können, wenn sie vor ihrem
Entwicklungstand dazu in der Lage sind. Das gilt für die Einwilligung in
die Behandlung ebenso wie für die Einsicht in die Behandlungsunterlagen.
Die Einsichtnahme durch Erziehungsberechtigte darf dann nur mit
Einwilligung der Jugendlichen erfolgen. Das entspricht der derzeitigen
Gesetzeslage sollte aber eigens im Patientenrechtegesetz Erwähnung
finden. Der bvvp weist dann auf ein weiteres wichtiges Problem hin (9f):
Handelt es sich bei PatientInnen um Kinder,
könnten die Eltern in Sorgerechtsstreitigkeiten Einsicht in die
Behandlungsunterlagen nehmen bzw. diese als Beweismittel in
Familiensachen anführen, was das Vertrauensverhältnis in weitreichender
Weise gefährden würde. Insofern spricht sich der bvvp für einen
ergänzenden Passus aus, der den BehandlerInnen "erlaubt, das
Einsichtsrecht von Personensorgeberechtigten zum Schutz des
minderjährigen Patienten einzuschränken bzw. zu verweigern" (10 oben).
Zur Haftung
(Beweislastumkehr) in § 630h plädiert der bvvp bei Berufsanfängern für
die Haftung der aus- und weiterbildungsberechtigten bzw. -verpflichteten
Kliniken, Institutionen, Ausbildungsinstitute und SupervisorInnen.
Neben diesem sehr berechtigten Hinweis stellt der bvvp die (aus meiner
Sicht) überaus wichtige Forderung die datenschutzrechtlichen
Bestimmungen und den Standard der GKV im Rahmen des Beantragungs- und
Bewilligungsverfahrens auch auf den Bereich der
PKV zu übertragen (11 oben).
Ergänzung 2 (17.05.2012): Die
DGPT ( Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie,
Psychosomatik und Tiefenpsychologie) hat in ihrem Rundschreiben (Ausgabe
01/2012) speziell zur Dokumentation (630f) und zur Einsichtnahme (630g)
genommen. In einem Schreiben über die Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) verweisen der
Vorsitzende (Dr. B. Janta) und die Justitiarin (B. Lochner) auf die
Problematik der im Gesetzentwurf nicht mehr vorgenommenen Unterscheidung
zwischen (bei der Einsichtnahme schwärzbaren) subjektiven und objektiven
Daten, was dazu führen könnte "dass die Patienten die vom Therapeuten
festgehaltenen eigenen Reaktionen, Emotionen oder daraus abgeleiteten
Hypothesen bei Akteneinsicht missverstehen, Irritationen oder im
ungünstigsten Falle auch Schaden erleiden" (MR 01/2012: 23). Sie
schlagen deshalb vor, im Gesetzestext darauf hinzuweisen, daß "als
solche gekennzeichneten subjektive Aufzeichnungen nicht zur
Dokumentation im Sinne des Gesetzes gehören, also nicht dem
Einsichtsrecht der Patienten unterliegen, andererseits aber für das
Verstehen der therapeutischen Prozesse dem Therapeuten zur Verfügung
stehen (ebd.). Weiter wird angeregt, § 630g (Einsichtnahme in die
Patientenakte) um einen Zusatz in Abs. 1 zu ergänzen "Der Patient
kann jederzeit Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte verlangen,
soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Bedenken, die Rechte der Behandelnden oder die Rechte Dritter
entgegenstehen". Dies ergebe sich aus der Tatsache, daß die subjektiven
Eindrücke des Behandelnden nicht immer (wie in der Gesetzesbegründung
dargelegt) weniger schutzbedürftig seien, als die Persönlichkeitsrechte
der Patienten. Daher sollte auch die entsprechende Passage im
Referentenentwurf (Seite 33) gestrichen werden.
Anmerkung: Den klaren Ausführungen
der DGPT ist nichts hinzuzufügen!
Ergänzung 3 (30.05.2012): Nun
mehr liegt auch der Bericht des BPtK-Vorstandes auf dem 20. Deutschen
Psychotherapeutentag (12. Mai 2012) vor. Andrea Mrazek,
(Vorstandsmitglied der BPtK) informierte über den Stand der Beratungen.
Kritisch wird gesehen, daß der Entwurf hinsichtlich möglicher
Einschränkungen von Patientenrechten ausschließlich das Beispiel
psychischer Erkrankungen anführt: "Damit werde der
Eindruck erweckt, dass man die Rechte psychisch kranker Menschen
einfacher einschränken könne als die Rechte körperlich kranker Menschen."
Zwar unterstützt die BPtK grundsätzlich die Möglichkeit entsprechender
Einschränkungen im Einzelfall, so z. B. ein beschränktes Einsichtsrecht
in die Patientenakte aus erheblichen therapeutischen Gründen. Diese
dürften sich aber nicht auf die Gruppe psychisch kranker Menschen
beschränken, sondern müßten alle PatientInnen umfassen: "In
beiden Fällen könne es besonders belastende Situationen geben, die eine
Einschränkung bestimmter Patientenrechte notwendig mache." Handlungsbedarf sieht die BPtK auch bei den Rechten minderjähriger
Patienten, die gestärkt werden müßten: "Der
Entwurf regele bisher nicht die Behandlung Minderjähriger, obwohl der
Entwurf den Anspruch habe, die wesentliche Rechtsprechung zu
kodifizieren. Die BPtK werde darauf drängen, dass die Einsichtnahme
durch Sorgeberechtigte in zwei Fällen verweigert werden könne: zum
einen, wenn Konflikte zwischen dem Patienten und seinen
Sorgeberechtigten zentraler Gegenstand der Behandlung sind und zum
anderen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einsichtnahme zu
dem Zweck erfolgt, sich Informationen für eine Auseinandersetzung
zwischen den Sorgeberechtigten zu beschaffen, z. B. mit Blick auf einen
Sorgerechtsprozess. Die BPtK habe angeregt, dass ein Ergänzungspfleger
das Recht des Minderjährigen wahrnehmen solle, wenn der Minderjährige
nicht einwilligungsfähig sei." (Zitate aus der Webseite
www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/20-deutsche-1.html,
heruntergeladen am 30.05.12)
Bericht vom
20. Deutscher Psychotherapeutentag
am 12.05.12:
Psychotherapie stärken – ambulant und
stationär (29.05.2012)
Mitgliederrundschreiben 01/2012 der DGPT ( Deutsche Gesellschaft für
Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie
e.V.): Referentenentwurf zum Patientenrechtsgesetz liegt vor (22-23)
Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und des
Bundesministeriums für Gesundheit. Entwurf eines Gesetzes zur
Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)
Bundespsychotherapeutenkammer: Übersicht über politische Initiativen zu
Patientenrechten (vor allem Referentenentwurf Patientenrechtegesetz) vom
26.01.2012
Versorgungsstrukturgesetz: Versichertendaten werden
umfassend zur Versorgungsforschung ausgewertet
Im Rahmen des Versorgungsstruktur-Gesetz hat der Gesetzgeber § 303a ff
SGB V umfassend geändert. Demnach werden künftig (ohne direkte
Beteiligung der Selbstverwaltung) ausgewählte Daten aus dem
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) ausgewertet
und für die Versorgungsforschung, Qualitätssicherung und zur Ermittlung
von Patientengruppen mit besonderem Versorgungsbedarf genutzt. Nicht
betroffen sind Abrechnungs- und Leistungsdaten der Krankenkassen.
Allerdings sind (auch) die ausgewerteten Daten des Morbi-RSA
patientenbezogen und müssen pseudonymisiert werden.
Für die Verfahrensabläufe wird eine Arbeitsgemeinschaft zuständig sein,
die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den (damaligen)
Spitzenverbänden der Kassen gebildet wird (festgelegt im
Gesundheitsmodernisierungs-Gesetz GMG 2004).
Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu:
Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz werden die Regelungen zur
Datentransparenz (§§ 303a ff SGB V)
neu konzipiert. Damit wird nun auch die Datengrundlage für die
Versorgungsforschung verbessert. Künftig können die Daten aus dem
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA)
auch zu Zwecken der Versorgungsforschung und der Weiterentwicklung des Systems
der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden. Diese Daten enthalten
Angaben zum Gesundheitsstand der Versicherten. Sie werden von einer
Datenaufbereitungsstelle pseudonymisiert gespeichert und aufbereitet. Zugriff
auf die Daten erhalten neben den Partnern der Selbstverwaltung und den
Leistungserbringerorganisationen zum Beispiel auch der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA), das
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG),
das Institut des Bewertungsausschusses und der Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange der Patientinnen und Patienten.
Diese Daten sind deshalb so wertvoll, weil die
Versorgungsforschung auf ihrer Grundlage Analysen vornehmen kann, die bei
Entscheidungsprozessen über die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in
Deutschland helfen.
Anmerkung: Aktuelle Daten zur
Versorgungsforschung sind tatsächlich dringend erforderlich - gerade
auch im Bereich der Psychotherapie. Ich habe dennoch ein ungutes Gefühl
angesichts der Sensibilität der ausgewerteten Daten: Es wird immer
unüberschaubarer, wer mit welchen Daten was macht.
Ärzte Zeitung (online) v.
30.03.2012: Staat will den Datenschatz in der GKV heben
Bundesgesundheitsministerium-BMG:
Glossar zum Versorgungsstrukturgesetz (Suchhinweis:
Geben Sie in Ihrem Browser 303 ein, dann
sind Sie sofort an der richtigen Textstelle.)
Notwendigkeit der Einwilligung von PatientInnen bei Abtretung der
Forderung aus einer Arztrechnung an ein Abrechnungsunternehmen und weiter an
eine Bank (AG Mannheim Urteil vom 21.09.2011; 10 C 102/11)
Mit Zustimmung der u. a. auf Heilberuferecht spezialisierten Kanzlei
Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte zitiere ich den nachfolgenden Text:
In seinem Urteil vom 21.09.2011 (10
C 102/11) befasst sich das Amtsgericht (AG)
Mannheim mit der Frage, ob sich bei der Abtretung der Forderung aus einer
Arztrechnung an ein Abrechnungsunternehmen die Einwilligung des Patienten zu der
Weitergabe seiner Daten auch darauf beziehen muss, dass bei einer weiteren
Abtretung der Forderung die Patientenunterlagen an eine Bank übermittelt werden.
Der Fall:
In dem
konkreten Fall wurde die Zahlung zahnärztlicher Behandlungskosten von einem
Abrechnungsunternehmen bei einem Patienten eingefordert. Der Patient wandte
gegen die Honorarforderung ein, dass sein Vertragspartner der behandelnde
Zahnarzt gewesen sei. Das Abrechnungsunternehmen sei nicht befugt die Forderung
geltend zu machen, da die Abtretung unwirksam gewesen sei (keine Einwilligung
zur Weitergabe der Daten an ein refinanzierendes Bankinstitut). Zudem machte der
Patient geltend, dass die Behandlung z. T. nicht lege artis durchgeführt worden
sei, wobei auch einige Leistungen nicht erbracht worden seien.
Die Entscheidung:
Das AG
Mannheim gab dem Patienten Recht und wies die Klage des Abrechnungsunternehmens
ab. Die verwendete Abtretungserklärung sei gemäß 134 BGB unwirksam, da der
Zahnarzt mit der Abtretung gegen das Gebot der ärztlichen Verschwiegenheit gemäß
§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstoßen habe, weil der Patient ihn nicht wirksam von
seiner Verschwiegenheitspflicht befreit habe.
Unterrichtung über Einschaltung Dritter
Ein
wirksames Einverständnis setze voraus, dass der Patient eine im Wesentlichen
zutreffenden Vorstellung davon habe, worin er einwilligt, um die Bedeutung und
Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken. Er müsse deshalb wissen, aus
welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Person von seiner
Schweigepflicht entbinde. Der Patient müsse über Art und Umfang der Einschaltung
Dritter unterrichtet sein, wobei es für den Patienten in der Regel einen
Unterschied ausmache, ob externe und durch den Arzt nicht kontrollierbare Dritte
eingeschaltet würden. In Bezug auf den konkreten Fall weist das AG Mannheim
dabei darauf hin, dass es für den Patienten eindeutig und zweifelsfrei
ersichtlich sein müsse, dass der refinanzierenden Bank sämtliche zur Erstellung
der Abrechnung erforderlichen Behandlungsdaten vom behandelnden Arzt zu
überlassen werden.
Ausdrückliche Entbindung erforderlich
In Bezug
auf das konkret verwendete Abtretungsformular sah das AG Mannheim die
Anforderungen an eine wirksame Einwilligung des Patienten nicht erfüllt.
Hinsichtlich der Abtretung an die refinanzierende Bank habe es nicht nur an
einer entsprechenden ausdrücklichen Entbindungserklärung gefehlt. Vielmehr sei
für den Patienten gerade nicht ersichtlich, dass die sensiblen Patientendaten
und -unterlagen zum Zwecke der Forderungsbeitreibung auch an die refinanzierende
Bank weitergegeben werden könnten. Der Vertrauensschutz hinsichtlich der
sensiblen Patientendaten sei von überragender Bedeutung.
PsychotherapeutInnen im Strafvollzug zwischen Schweigepflicht und
Offenbarungspflicht (Hessen)
Im Dezember letzten Jahres hat die PTK Hessen (Ausschuß Beschwerde und
Schlichtung) ein zweites interdisziplinäres Kammergespräch zwischen
JuristInnen und PsychotherapeutInnen veranstaltet. Im Fokus stand das
Spannungsverhältnis zwischen einer auf Vertraulichkeit basierenden
therapeutischen Beziehung (und die dadurch geschützten
Persönlichkeitsrechte der Strafgefangenen) einerseits und den
Offenbarungspflichten, wie sie sich aus dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG)
und dem seit 2010 bestehenden Hessischen Vollzugsgesetz (Hess.StVollzG)
ergeben, andererseits. Auch die im Strafvollzugsgesetz verankerten
Unterschied bei der Schweigepflicht von ÄrztInnen und PsychologInnen,
sowie die Gefahr einer Rollenkonfusion (gutachterliche und
psychotherapeutische Tätigkeiten) waren ein Thema des Fachgespräches.
www.ptk-hessen.de
(unter PRESSE & STELLUNGNAHMEN/Berichte zu Veranstaltungen 7.12.2011)
Bericht zur Veranstaltung der PTK Hessen am 7.12.2011: Juristisches
Fachgespräch:
Psychotherapeuten zwischen Schweigepflicht und Offenbarungspflicht (pdf-Dokument)
Bundesverfassungsgericht erklärt die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von
Telekommunikationsdaten für teilweise verfassungswidrig und beschränkt die
Zugriffsmöglichkeiten von Ermittlungsbehörden auf Telekommunikationsdaten ein.
In einer aktuellen Entscheidung (24.02.12) hat das
Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis der Abfrage von
dynamischen IP-Adressen (die privaten Nutzern im Internet zugewiesen
werden), Passwörtern und PIN-oder Puk-Codes durch Ermittlungsbehörden
als verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, bis
Mitte 2013 die gesetzliche Vorgaben zur Regelung des staatlichen
Zugriffs auf sensible Nutzerdaten zu erhöhen. Als nicht
verfassungswidrig sieht das Gericht hingegen die automatisierte
Speicherung und Weitergabe von Rufnummern - auf dem Hintergrund ihrer
"begrenzten Aussagekraft" und Bedeutung für die Strafverfolgung bzw. die
Gewährleistung von Sicherheit - an. Nach Angaben der Bundesregierung
wurden alleine 2006 etwa 26 Millionen automatisierte Anfragen
von etwa 100 Behörden bei 120 Telekommunikationsunternehmen abgefragt!
Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) hat das vielgelobte Urteil (u. a.
vom Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und der Justizministerin
Leuthäuser-Schnarrenberger) heftig - und meines Erachtens völlig zu
Recht - kritisiert. In einem Kommentar (24.02.2012) schreibt er:
Keine große Entscheidung
Mit den großen Entscheidungen der vergangenen Jahre, in
denen das Gericht ein Sicherheitsgesetz nach dem anderen zerlegte, hat das wenig
zu tun. Es besteht die Gefahr, dass aus der
informationellen Selbstbestimmung
eine informationelle Fremdbestimmung wird, weil sich die Behörden aus dem
Teledaten-Vorrat nach Belieben bedienen können.
Gut, der Zugriff auf Passwörter und PIN-Codes wurde ein
wenig erschwert. Aber es ist hier so, als genierten sich die Richter auch dafür
noch. Sie verstecken die neuen Anforderungen hinter folgender
beschwichtigend-unverständlichen Formulierung: Die Auskunftserteilung sei hier
"an diejenigen Voraussetzungen zu binden, die bezogen auf den in der
Abfragesituation damit konkret erstrebten Sicherungszweck zu erfüllen sind".
Wie bitte?
Wenn Karlsruhe will, dass künftig auf Codes und
elektronische Postfächer nur mit einer richterlichen Anordnung zugegriffen
werden kann, dann möge es dies klar und verständlich sagen. Offenbar hat das
Gericht zum 60. Jubiläum eine Entscheidungs-Verschlüsselungs-Anlage
geschenkt bekommen.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 24.1.2012, (1
BvR 1299/05)
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
13/2012 vom 24. Februar 2012
Prantl, Heribert: Der Lorbeer welkt, die Richter sind matt. Süddeutsche
Zeitung v. 25./26. Februar 2012: 4; online:
www.sueddeutsche.de
(Karlsruher Urteil zu Nutzerdaten.
Nur ab und zu ein wackliges Stoppschild. Ein Kommentar von
Heribert Prantl:
24.02.2012)
Vertrauensstelle kann fristgerecht mit der Pseudonymisierung von Patientendaten
beginnen
Der Gemeinsame Bundesausschuß (G-BA) berichtet in einer
Pressemeldung vom 16.2.2012 über Fortschritte bei dem Aufbau der
sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. Dabei spielen auch Fragen des
Datenschutzes eine bedeutsame Rolle - weshalb ich die Presseerklärung hier
zitiere:
Berlin, 16. Februar 2012 –
Beim Aufbau der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ist ein weiterer
wichtiger Schritt fristgerecht erfolgt: Der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) hat mit heutigem Beschluss die korrekte Umsetzung der Funktion der
Pseudonymisierung, die die hierfür eingerichtete Vertrauensstelle wahrnehmen
soll, nach eingehender Prüfung bestätigt und die Leistung abgenommen.
Voraussichtlich ab April 2012 werden dann erste Daten aus den Bereichen
Geburtshilfe, Neonatologie sowie Erst- und Reimplantation von Endoprothesen
verarbeitet werden. Auf die Website der Vertrauensstelle
www.vertrauensstelle-gba.de
wird ab sofort auch von der G-BA-Website aus verlinkt.
Im September 2011 hatten Vertreter des G-BA und der
Firma SCHÜTZE Consulting Informationssysteme GmbH (SCI) einen Vertrag über
die Errichtung einer unabhängigen Vertrauensstelle für die Pseudonymisierung
von Patientendaten unterzeichnet.
Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung wird
Längsschnittbetrachtungen von medizinischer Behandlungsqualität im
ambulanten und klinischen Bereich ermöglichen. Unter Nutzung eines
Pseudonyms werden verschiedene Datensätze derselben Patienten aus
unterschiedlichen Behandlungsorten, Sektoren und Behandlungszeiten
zusammengeführt.
Für die Datenerhebung bei der Qualitätssicherung
besteht die gesetzliche Pflicht zur Pseudonymisierung sämtlicher Daten,
anhand derer Patientinnen und Patienten identifiziert werden könnten (§ 299
SGB V). Die Daten werden von der Vertrauensstelle zunächst pseudonymisiert
und nach Weiterleitung des Pseudonyms an die Bundesauswertungsstelle
gelöscht. Eine Reidentifikation von Patientinnen und Patienten ist
ausgeschlossen. Das Verfahren entspricht den Empfehlungen des Bundesamtes
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und wurde mit diesem
abgestimmt.
Seit dem 1. Juli 2008 hat der G-BA den gesetzlichen
Auftrag (§ 137 und § 137a SGB V), einrichtungsübergreifende, an der
Ergebnisqualität ausgerichtete Maßnahmen zur sektorenübergreifenden
Qualitätssicherung zu beschließen.
Pressemitteilung des
Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA)
vom
16.02.2012:
Vertrauensstelle kann fristgerecht mit der Pseudonymisierung von
Patientendaten beginnen
Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) & Gesetz zur Kooperation und
Information im Kinderschutz (KKG) : Die Einschränkung der Schweigepflicht von
ÄrztInnen bei Gefährdung des Kindeswohls und ihre Tücken
(Teil VI)
Im Deutschen Ärzteblatt (19.01.2012) hat der
Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht Dr.
Ingo Pflugmacher zur der seit 1. Januar in Kraft getretenen Änderung der
Rechtslage im Bereich des Kinderschutzes Stellung genommen. Diese beinhaltet u.
a. eine (von mir andernorts - siehe Archiv - kritisierte) Lockerung der
Schweigepflicht von ÄrztInnen, die Kinder und Jugendliche behandeln. Wegen der
Bedeutung der gesetzlichen Vorgaben für die ärztliche Praxis und die
Schweigepflicht zitiere ich den Beitrag nachfolgend fast vollständig:
Ist das Kindeswohl gefährdet, darf
die Schweigepflicht aufgehoben werden
In dem
Gesetz wird die ärztliche Schweigepflicht partiell aufgehoben, wenn der Schutz
des Kindes dies erfordert. Ergeben sich für Ärzte bei der Behandlung von Kindern
oder Jugendlichen Anhaltspunkte dafür, dass das Wohl ihres Patienten gefährdet
sein könnte, dann sollen sie mit ihm und den sogenannten Personensorge
berechtigten, also meist den Eltern, die Situation besprechen.
Soweit erforderlich, sollen sie bei diesen darauf
hinwirken, Hilfen in Anspruch zu nehmen - wenn dadurch der wirksame Schutz des
Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
Aufgrund dieser Regelungen können Ärzte also mit den
Eltern Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung sowohl durch einen Elternteil als
auch durch Dritte erörtern, ohne gegen die Schweigepflicht zu verstoßen.
Voraussetzung sind "gewichtige Anhaltspunkte" für die Gefährdung des
Kindeswohls.
Das ist im Gesetz so unbestimmt ausgedrückt, dass es einen
erheblichen Einschätzungsspielraum eröffnet. Es sind nur die Grenzen grob
konturiert.
So müssen nur Anhaltspunkte vorliegen, ein Arzt muss also
nicht die konkrete Kenntnis von Misshandlungen oder Ähnlichem haben, es muss
noch nicht einmal ein dringender Verdacht vorliegen. Die Anhaltspunkte müssen
allerdings gewichtig sein.
Ärzte haben zur Einschätzung der
Lage einen Beratungsanspruch
Dies
bedeutet aber nicht, dass Hinweise auf schwere Kindeswohlgefährdungen vorliegen
müssen, da das Gesetz jegliche Gefährdung verhindern will. Die Anhaltspunkte
sollten aber bereits in einer Weise valide und konkret sein, dass eine
Kindeswohlgefährdung nicht als ganz fernliegend erscheint.
Da diese Einschätzung im Einzelfall sehr schwierig sein
kann und der Gesetzgeber dies erkannt hat, haben Ärzte einen Beratungsanspruch.
Sie können zur Einschätzung der Lage, also der möglichen
Gefährdung des Kindes, beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Beratung
durch eine erfahrene Fachkraft verlangen. Dies schreibt das Gesetz ausdrücklich
vor.
Die Kindesdaten sind hierbei zu pseudonymisieren. Ärzte
sollten darauf achten, dass ein konkreter Personenbezug tatsächlich nicht mehr
besteht. Es sollte also nicht nur der Nachname des Kindes auf den
Anfangsbuchstaben verkürzt werden.
Besser ist es, den Namen vollständig zu ersetzen und
gegebenenfalls auch ein Pseudonym für Schule oder Stadtteil aufzunehmen, wenn
dies eine realistische Einschätzung der Gefährdungslage nicht erschwert.
Unterlassen: Arzt kann wegen
fahrlässiger Körperverletzung belangt werden
Ärzte sind
also verpflichtet, bei gewichtigen Anhaltspunkten mit dem Kind und den
Sorgeberechtigten die Situation zu erörtern - außer, wenn gerade dadurch das
Kind möglicherweise gefährdet werden könnte. Auch zu diesem Aspekt kann die
Beratung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Anspruch genommen
werden. Ärzte sollten dieses Recht auch wahrnehmen.
Denn wenn es am Ende tatsächlich zu einer
Kindesmisshandlung kommt, dann könnte beim Verstoß gegen die Pflicht zur
Information der Sorgeberechtigten die Frage aufkommen, ob die Kindesmisshandlung
bei pflichtgemäßem Verhalten hätte verhindert werden können. Würde dies bejaht,
so könnte der Arzt eventuell wegen fahrlässiger Körperverletzung durch
Unterlassen belangt werden.
Schließlich regelt das Gesetz in einem dritten Schritt das
Recht der Ärzte, das Jugendamt mit Namensnennung des Kindes zu informieren. Wenn
nämlich die Gefahr fürs Kind durch die Erörterung der Situation mit Kind und
Sorgeberechtigten nicht abgewendet werden kann oder erfolglos blieb und der Arzt
es für erforderlich hält, dass das Jugendamt tätig wird, darf er das Amt
informieren.
Der Gesetzgeber hat dieses Informationsrecht allerdings
mit einem für Ärzte schwierigen Vorbehalt verbunden. Die Betroffenen, also Kind
und Sorgeberechtigte, sind vorab darauf hinzuweisen, dass die Befugnis besteht,
das Jugendamt zu informieren.
Hinweispflicht nur dann, wenn
Mitteilung für Kind nicht nachteilig
Diese
Hinweispflicht entfällt nur dann, wenn durch den Hinweis der wirksame Schutz des
Kindes infrage gestellt würde. Der Arzt muss also einschätzen, ob die Mitteilung
des Informationsrechtes für das Kind nachteilig sein könnte.
Eine solche Einschätzung wird häufig sehr schwierig sein,
da in der Regel eben nur Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen,
der Arzt aber nicht die gesamte komplexe Situation der Familie und des
Verhaltens ihrer Mitglieder kennt.
Unterlässt der Arzt den Hinweis auf sein
Informationsrecht, so ist auch in Zukunft nicht ausgeschlossen, dass er sich bei
dennoch erfolgender Information wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen
strafbar macht.
Es empfiehlt sich deshalb, pseudonymisiert zunächst vom
Träger der Jugendhilfe eine Beratung dazu zu verlangen, ob der Hinweis auf das
Recht zur Information des Jugendamtes den wirksamen Schutz des Kindes in Frage
stellen könnte.
Wenn diese Beratung nicht schriftlich erfolgt, sollte der
Arzt in jedem Fall das Beratungsergebnis protokollieren und von der beratenden
Fachkraft der Jugendhilfe gegenzeichnen lassen.
Ärzte Zeitung (online) v.
19.01.2012: Gastbeitrag von Pflugmacher, Ingo: Kinderschutz: Wann
Ärzte reden dürfen. Ärzte sind seit Anfang des Jahres rechtlich dazu
verpflichtet, notfalls pseudonymisiert, Anhaltspunkte für ein
gefährdetes Kindeswohl anzuzeigen. Das steht im
Bundeskinderschutzgesetz. In der Praxis kann das durchaus zu einer
Gratwanderung werden.
Bundeskinderschutzgesetz (über
www.buzer.de): Gesetz
zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen
(Bundeskinderschutzgesetz -
BKiSchG)
Rechtsfragen aus dem Praxisalltag: Die KV Thüringen gibt Auskunft über das
Einsichtsrecht von PatientInnen in die Behandlungsunterlagen (Rundschreiben
11/2011)
Im Rundschreiben 11/2011 (24.11.11) der KV Thüringen gibt die
Rechtsabteilung in der Rubrik "Alles was Recht ist" Antworten auf Fragen
aus dem Praxisalltag - in diesem Fall zur Einsichtnahme von
PatientInnen in ihre Unterlagen:
Frage 1
Hat
der Patient einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe seiner
Patientenunterlagen?
Ja, der Patient kann verlangen, seine Patientenakte einzusehen. Darüber
hinaus können dem Patienten die Unterlagen auch in Kopie ausgehändigt
werden.
Frage 2
Hat
der Patient einen Anspruch auf Zusendung von Behandlungsunterlagen in
Kopie?
Nein, einen Anspruch hierauf besitzt der Patient nicht. Mit dem
Patienten kann aber die Zusendung gegen Erstattung des Portos vereinbart
werden. In diesem Fall ist jedoch die Kenntnisnahme dieser Unterlagen
durch unbefugte Dritte auszuschließen. Für das Anfertigen der Kopien
wird eine Kostenpauschale von 50 Cent pro DIN A4-Seite empfohlen.
Frage 3
Kann
ein Patient – der die Herausgabe von Patientenunterlagen verlangt –
fordern, dass der Arzt die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser
Unterlagen bestätigt?
Nein. Hierauf hat der Patient keinen Anspruch (Amtsgericht Waiblingen,
Beschluss vom 27.04.2011, Az.: 7 C 286/11).
Die
Ärztezeitung (online) berichtet in einem Beitrag vom 30.11.2011 von dem
Rundschreiben der Rechtsabteilung der KV Thüringen und führt ein weiteres Urteil
des Landgerichts München (Az.: 9 O 5324/08 v. 19.11.2008) an, das die
Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Herausgabe kopierter Behandlungsunterlagen
vor der Bezahlung der nicht unangemessenen Kopierkosten (in diesem Fall 50 Cent
pro Seite bei insgesamt 318 Seiten = 159 Euro) bestätigt hat.
Urteil
Landgericht München I (Az.:
9 O 5324/08 v. 19.11.2008)
Rundschreiben 11/2011 der KV Thüringen: Alles was Recht ist. Antworten der
Rechtsabteilung auf Ihre Fragen aus dem Praxisalltag (Seite 5)
Ärzte Zeitung (online) v.
30.11.2011: Patienten haben Recht auf Einsicht ihrer Praxis-Akte
Bundesgerichtshof: Selbstgespräche gehören unter bestimmten Voraussetzungen zum
Kernbereich der Privatsphäre und dürfen daher vor Gericht nicht verwertet werden
(Az: 2 stR 509/10)
Der BGH (2. Strafsenat) hat am 22.11.2012
ein Urteil (Revision der drei Angeklagten) gefällt, das erst
auf den zweiten Blick und speziell für PsychoanalytikerInnen von gewisser
Bedeutung ist. Das als Mordgeständnis gewertete Selbstgespräch eines (nicht
rechtskräftig) verurteilten Mörders hätte in der Vorinstanz (Landgericht
Köln - Az.: 90 Js 196/07 105 – 19/08) nicht verwertet werden
dürfen. Der BGH sah in den in der Privatwohnung von der Polizei abgehörten
Worten das laute Denken einer Person, die sich alleine und dabei unbelauscht
fühlt:
Der Grundsatz, dass 'die Gedanken frei' und dem
staatlichen Zugriff nicht zugänglich sind, beschränkt sich nicht allein auf
innere Denkvorgänge, sondern erfasst auch ein in – unbewussten oder bewussten,
unwillkürlich oder willkürlich geführten – Selbstgesprächen formuliertes
Aussprechen von Gedanken, bei welchem sich die Person als 'allein mit sich
selbst' empfindet. (Pressemitteilung
206/2011 v. 22.12.2011)
Nach Ansicht des des 2. Strafsenats ergibt sich das Beweiserhebungsverbot
unmittelbar aus der Verfassung (hier: Menschenwürde):
Denn mit der heimlichen Aufzeichnung und Verwertung des
nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs war ein Eingriff in den nach Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Kernbereich der
Persönlichkeit verbunden. (ebd.)
Allerdings ist nicht jedes Selbstgespräch dem "absolut geschützten Kernbereich
der Persönlichkeit zuzuordnen" und damit vor staatlichen Eingriffen geschützt:
Andererseits muss nach den Grundätzen des Schutzes der
Menschenwürde und der Freiheit der Person ein Kernbereich privater
Lebensgestaltung und Lebensäußerung verbleiben, in welchen der Staat auch zur
Aufklärung schwerer Straftaten nicht eingreifen darf. (ebd.)
Der BGH listet in
der Pressemitteilung (das Urteil liegt in der gedruckten Fassung noch nicht vor)
wichtige Kriterien für die Entscheidung auf, inwieweit "Äußerungen in
Selbstgesprächen diesem innersten, unantastbaren Bereich der Persönlichkeit
zuzuordnen sind (...) namentlich":
die Eindimensionalität der Selbstkommunikation, also
die Äußerung ohne kommunikativen Bezug;
die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation und das
Maß des berechtigten Vertrauens der Person darauf, an dem jeweiligen Ort vor
staatlicher Überwachung geschützt zu sein;
die mögliche Unbewusstheit der verbalen Äußerung;
die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken,
die Äußerungsform als bruchstückhafter,
auslegungsfähiger oder -bedürftiger Ausschnitt eines 'Gedankenflusses. (ebd.)
Im Unterschied zu Tagebüchern besteht das Charakteristikum "des in
Selbstgesprächen gesprochenen Worts ohne kommunikativen Bezug" in dessen
"Flüchtigkeit und Bruchstückhaftigkeit". Selbstgespräche dieser Art unterliegen
nicht nur im nach Art. 13 GG geschützten Bereich der Wohnung dem
Beweisverwertungsverbot:
Auch außerhalb der Wohnung ist dieser Kernbereich (...)
absolut geschützt, wenn andere der genannten Gesichtspunkte in der Wertung
überwiegen. (ebd.)
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat daher entschieden, daß das
betreffende Verfahren vor dem Landgericht Köln erneut (und ohne die abgehörten
Aussagen des Betroffenen) verhandelt werden muß.
Die Süddeutsche Zeitung (22.12.2011) schreibt zur Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang:
Der BGH hat damit ein weiteres Kapitel in der Geschichte
des Privatsphärenschutzes geschrieben, sieben Jahre nach dem bahnbrechenden
Lauschangriff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Lange davor, 1989, hatten
die Verfassungsrichter den staatlichen Einblick in innere Vorgänge noch erlaubt:
In einer Vier-zu-Vier-Entscheidung hatten sie Tagebuchnotizen als verwertbar
erklärt. Der bruchstückhaft artikulierte 'Gedankenfluss' ist laut BGH aber
ungleich persönlicher als schriftlich fixierte Gedanken. (Quelle: SZ v.
22.12.11, siehe unten)
Anmerkung: Für
PsychoanalytikerInnen ist das Urteil insofern bedeutsam, als die Förderung
der freien Assoziation im Sinne eines spontanen und
(möglichst) wenig rational gelenkten Aussprechen von Gedanken, innerem
Erleben, Gefühlen, Träumen und Assoziationen zentraler Bestandteil der
analytischen Behandlung ist. Sie entspricht in vieler Hinsicht den Kriterien
des BGH - und damit dem Selbstgespräch, das dem
absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit angehört. Auch wenn von
den Richtern vermutlich (und zutreffend) eingewandt würde, daß es sich um
eine Kommunikation handelt (PatientIn/AnalytikerIn) so besteht kein Zweifel,
daß eben diese Kommunikation in erster Linie dem Zweck dient, gemeinsam
Einblick in die innersten Gedanken- und Erlebniswelt der PatientInnen zu
nehmen, die eben genau diesen Kernbereich der Persönlichkeit darstellt und
daher vor jedem (auch staatlichen) Eingriff geschützt werden muß.
Bundesverfassungsgericht: Neuregelung strafprozessualer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen verfassungsgemäß (Gesetz zur
Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007) - Beschluß
veröffentlicht (12.10.11)
(Teil
XV)
Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. Dezember seine
Beschluß (v. 12.10.2011) zu verschiedenen Klagen gegen das Gesetz zur
Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007
veröffentlicht . Es kommt darin zum Ergebnis, daß die Neuregelung bzw. die mit
Gesetz verbundene Änderung einzelner Vorschriften der Strafprozessordnung im
Einklang mit dem Grundgesetz steht.
Speziell für
ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen (und weitere zeugnisverweigerungsberechtigte
Berufsgeheimnisträger) entschied das Gericht, daß diese keinen absoluten Schutz
vor einer Erhebung, Verwendung oder Verwertung von Informationen im Rahmen der
Telefonüberwachung (Lauschangriff) genießen.
Die Neufassung des § 160a Abs. 1 und 2 StPO
(siehe aktuellen Gesetzestext unten)
bezweckt - so das Bundesverfassungsgericht - in Anlehnung an das
Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO) den Schutz des zu
BerufsgeheimnisträgerInnen bestehenden Vertrauensverhältnisses. Das Gericht
argumentiert:
Mit der Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von
Berufsgeheimnisträgern trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass das
Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater
Lebensgestaltung zuerkennt, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt und damit
auch strafprozessualen Ermittlungen von vornherein entzogen ist: Soweit der
Gesetzgeber annimmt, dass der Kontakt zwischen einem Bürger und einem
Berufsgeheimnisträger typischerweise den unantastbaren Bereich privater
Lebensgestaltung berührt, gewährt er absoluten Schutz vor einer Erhebung,
Verwendung oder Verwertung von Informationen (§ 160a Abs. 1 StPO). In allen
anderen Fällen, in denen zwar ebenfalls eine besondere Vertrauensbeziehung
zwischen Bürger und Berufsgeheimnisträger besteht, der Kernbereich privater
Lebensführung zwar berührt sein kann, aus Sicht des Gesetzgebers bei
typisierender Betrachtung jedoch nicht notwendig berührt ist, wird nur ein
relativer Schutz gewährt (§ 160a Abs. 2 StPO). Soweit bei dieser Personengruppe
im Einzelfall der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung tangiert
wird, ist auch im Bereich des § 160a Abs. 2 StPO von einer Unzulässigkeit der
Ermittlungsmaßnahme auszugehen. (Pressemitteilung 7.12.11 unter 5. und
vgl. BVerfGE
Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 247)
Deshalb stehen die in § 53 Abs. 1 StPO Satz 1 Ziff. 3 genannten (u. a.
ÄrztInnen, Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen) - anders als Geistlichen,
StrafverteidigerInnen, Abgeordneten und RechtsanwältInnen (seit 1.02.20011) -
kein umfassender Schutz der Vertraulichkeit der berufs- und funktionsbezogenen
Kommunikation zu. Vielmehr prüfen die Ermittlungsbehörden im Einzelfall nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das Bestehen eines Beweiserhebungs- und
Beweisverwertungsverbots (§ 160a Abs. 2). Gegebenenfalls sind private
Gesprächsabschnitte zu löschen bzw. sie unterliegen einem Weitergabe- bzw. Verwertungsverbot
(BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 212) - honi soit qui mal y pense
- oder etwas sachlicher: Wo verläuft die Grenze zwischen dem was von den
Behörden (noch) als privat, bzw. dem Kernbereich privater Lebensführung
zugehörig angesehen wird? Wissenschaftstheoretisch gesprochen geht es um die
Problematik des 'erkenntnisleitenden Interesses' ...
Man kann nur hoffen, daß wenigstens für psychotherapeutische Behandlungen gilt:
"Bestehen im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass
eine bestimmte Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren
wird, hat sie grundsätzlich zu unterbleiben" (BVerfGE
Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 210). Im Beschluß geht das
Bundsverfassungsgericht an mehreren Stellen auf die Berufsgruppe der ÄrztInnen
ein:
Ein ausschließlicher Kernbereichsbezug kann vor allem dann
angenommen werden, wenn der Betroffene mit Personen kommuniziert, zu denen er in
einem besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis - wie zum
Beispiel engsten Familienangehörigen, Geistlichen, Telefonseelsorgern,
Strafverteidigern oder im Einzelfall auch Ärzten - steht (vgl. BVerfGE 109, 279
[321 ff.]). Soweit ein derartiges Vertrauensverhältnis für Ermittlungsbehörden
erkennbar ist, dürfen Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung nicht
durchgeführt werden. (BVerfGE Beschluß v.
12.10.2011, Abs. 215; siehe auch Abs. 265)
Für die Berufsgruppe der Ärzte hat das
Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass zwar bestimmte Inhalte, wie
etwa Arztgespräche, im Einzelfall dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
zuzuordnen sein können (vgl. BVerfGE 32, 373 [379]; 109, 279 [323]). Soweit dies
der Fall ist, unterliegen die Inhalte nach dem Willen des Gesetzgebers auch im
Rahmen des § 160a Abs. 2 StPO nicht dem Zugriff der öffentlichen Gewalt, weil
dann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein Überwiegen der schutzwürdigen
Individualinteressen anzunehmen und die Ermittlungsmaßnahme deshalb unzulässig
ist. (BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 265)
Anders als für die Strafverteidigung, die ihrem Zweck nach
insgesamt Kernbereichsbezug aufweist, ist für den ärztlichen Bereich allerdings
nur unter besonderen Bedingungen des Einzelfalls der Kernbereich der privaten
Lebensführung berührt. Demgegenüber sind etwa ärztliche Aufzeichnungen über
Anamnese, Diagnose oder therapeutische Maßnahmen nicht ohne Weiteres dem
unantastbaren Intimbereich, sondern grundsätzlich lediglich der Privatsphäre des
Patienten zuzuordnen, in die bei zwingenden überwiegenden Belangen des
Gemeinwohls eingegriffen werden darf (BVerfGE 32, 373 [379 f.]). Es begegnet
daher keinen Bedenken, wenn auf solche Informationen bei einem Überwiegen des
staatlichen Strafverfolgungsinteresses zugegriffen werden darf.
(BVerfGE Beschluß v. 12.10.2011, Abs. 266)
Anmerkung: Zum wiederholten Male
stelle ich fest, daß das Gericht (wie überhaupt viele mit dieser Frage
beschäftigten JuristInnen, etwa die Bundesjustizministerin) die Problematik dieser (seiner) Argumentation nicht
erkennt. Ärztliche und psychotherapeutische Behandlung berührt immer und
unweigerlich den Kernbereich der privaten Lebensführung, wenn dieses auch nicht
(für mehr oder weniger Außenstehende) in jeder Situation erkennbar ist, z. B.
etwa wenn Blut abgenommen wird, Laborwerte besprochen werden oder eine Rezept
zw. eine Überweisung ausgestellt wird. Eingriffe in den eigenen Körper bzw. die
Psyche, sind aber ganz grundsätzlich mit höchstpersönlichen, intimen Vorgängen
psychischer Natur (Affekte, Gefühle, Erwartungen, Phantasien, Wünsche, Träume)
verknüpft, die zwar keineswegs immer benannt - immer aber wesentlicher
Bestandteil der Behandlung sind (selbst wenn das von 'naturwissenschaftlich'
orientierten KollegInnen manchmal wenig beachtet wird). Dies gilt umso mehr für
psychotherapeutische Behandlungen - wo solche bewußten und unbewußte
innerseelische Vorgängen genau den Ausgangspunkt der therapeutischen Interaktion
bilden. Hier davon zu sprechen, daß "der Kernbereich
privater Lebensführung zwar berührt sein kann, aus Sicht des Gesetzgebers bei
typisierender Betrachtung jedoch nicht notwendig berührt ist", scheint
nicht nur nicht sachgerecht, sondern verfehlt. Aber sie stellt die in
verschiedenen Verfahren zum Tragen kommende Haltung des
Bundesverfassungsgerichts dar: "Arztgespräche können im
Einzelfall dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen
sein" (BVerfGE 109, 279, [322] i. V. m. BVerfGE 32, 273 [378]).
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht v.
7.12.2011
Stellungnahme der Psychotherapeutenkammer Bayern
zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts
v.
14.12.2011
Stellungnahme der Bundespychotherapeutenkammer (www.bptk.de
unter Stellungnahmen nach Themen/weitere Stellungnahmen):
Einbeziehung von Psychotherapeuten in den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1
StPO v.
15.03.2010
(1)
Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1
Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine nach
§ 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer
aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und
voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis
verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen
nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu
löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und der Löschung der
Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen. Die Sätze 2 bis 4 gelten
entsprechend, wenn durch eine Ermittlungsmaßnahme, die sich nicht gegen
eine in Satz 1 in Bezug genommene Person richtet, von dieser Person
Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte.
(2)
Soweit durch eine Ermittlungsmaßnahme eine in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
bis 3b oder Nr. 5 genannte Person betroffen wäre und dadurch
voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das
Zeugnis verweigern dürfte, ist dies im Rahmen der Prüfung der
Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen; betrifft das Verfahren
keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von
einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen. Soweit
geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder, soweit dies nach der Art
der Maßnahme möglich ist, zu beschränken. Für die Verwertung von
Erkenntnissen zu Beweiszwecken gilt Satz 1 entsprechend. Die Sätze 1 bis
3 gelten nicht für Rechtsanwälte, nach § 206 der
Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene
Personen und Kammerrechtsbeistände.
(3)
Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a
Genannten das Zeugnis verweigern dürften.
(4)
Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn bestimmte Tatsachen den
Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an
der Tat oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei
beteiligt ist. Ist die Tat nur auf Antrag oder nur mit Ermächtigung
verfolgbar, ist Satz 1 in den Fällen des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
anzuwenden, sobald und soweit der Strafantrag gestellt oder die
Ermächtigung erteilt ist.
Juristische Expertisen der
Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (Stand 12/2011)
Die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen hat auf ihrer
Webseite eine Reihe von Expertisen zu juristischen Fragestellungen eingestellt,
die frei abgerufen werden können:
Honoraranspruch bei Nicht-Erscheinen des Patienten (aktualisierte Version,
Februar 2008)
Nachbesetzung
eines zur Hälfte frei gewordenen Praxissitzes
Psychotherapeutische Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung über das
68. Lebensjahr hinaus (Version 1)
Psychotherapeutische Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung über das
68. Lebensjahr hinaus (Version 2)
Rentenversicherungspflicht für selbständige Dozenten im Nebenberuf
Anforderungen
an ordnungsgemäße Rechnungen
Kooperation
Psychotherapeut - Heilpraktiker
Kann ein PP
oder KJP gleichzeitig als Heilpraktiker tätig werden?
Streit um
Ausfallhonorar zwischen Patienten und Psychotherapeuten (Oktober 2011)
Speziell für den Bereich Schweigepflicht & Datenschutz liegen folgende Beiträge
vor:
Immer wieder
stellt sich die Frage der Einwilligungsfähigkeit bei minderjährigen PatientInnen.
In der
Ärzte Zeitung (online) v. 7.12.2011 gibt der Fachanwalt für
Medizinrecht, Dr. Frank A. Stebner (Salzgitter) einen Überblick über die Frage
der Einwilligungsfähigkeit in eine ärztliche Behandlung (hier
Schwangerschaftsabbruch/Pille danach)
Die Zustimmung
der Sorgeberechtigten (Eltern) in die Behandlung ist insoweit nicht
erforderlich, als die Einwilligungsfähigkeit bei den minderjährigen PatientInnen
im Einzelfall gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn diese "nach ihrer
individuellen geistigen und sittlichen Reife unter Berücksichtigung aller
Umstände des konkreten Falles" in der Lage sind, die Bedeutung der
Behandlungsmaßnahme und ihre Tragweite für ihr eigenes Leben zu erkennen und
danach zu handeln. Davon haben sich die behandelnden ÄrztInnen zu überzeugen.
Obwohl es keine
starren Altersgrenzen für die Einwilligungsfähigkeit gibt (es ist immer der
Einzelfall zu betrachten und zu beurteilen), sind aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs einige Anhaltspunkte hervorgegangen (Zitat):
Bei Patientinnen unter 14 Jahren ist
grundsätzlich eine Einwilligungsfähigkeit zu verneinen. Hier müssen die
gesetzlichen Vertreter (in der Regel die Eltern) die Einwilligung zu einem
Schwangerschaftsabbruch erteilen.
Bei Patientinnen im Alter zwischen 14 und 16
Jahren kann die Einwilligungsfähigkeit im Hinblick auf die individuelle
geistige und sittliche Reife im Einzelfall gegeben sein.
Bei Patientinnen ab 16 Jahren kann davon
ausgegangen werden, dass sie ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter über
die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches entscheiden können.
Die Entscheidung darüber, ob die Einwilligungsfähigkeit
gegeben ist, und die Grundlagen dieser Entscheidung hat der Arzt sorgfältig
schriftlich zu dokumentieren, um seine Entscheidung im Streitfall belegen zu
können.
Kommt der
Behandler zum Schluß, daß eine Einwilligungsfähigkeit nicht vorliegt, sind die
gesetzlichen Vertreter, in der Regel also die Eltern (ggf. auch der jeweils
sorgeberechtigte Elternteil), entscheidungsberechtigt und können die
Einwilligung für die minderjährigen Kinder erteilen/nicht erteilen.
Anmerkung: Für eine
psychotherapeutische Behandlung und insbesondere auch für die Frage der
Schweigepflicht gelten diese Grundsätze ebenfalls.
Ärzte Zeitung (online) v.
7.12.2011:
Minenfeld Minderjährige: Wie sichern sich Ärzte ab? Bei nicht
volljährigen Patienten wird es in der Praxis knifflig: Wann müssen vor
einer Behandlung die Eltern eingeschaltet werden? Und wann dürfen
Jugendliche selbst entscheiden? Rechtlich gesehen gibt es da feste
Regeln. (Frank A. Stebner)
eGK: Einführung der online-Anwendungen voraussichtlich
im Jahr 2016!
(Teil
XVI)
Inzwischen
dürften die meisten VertragsärztInnen und -psychotherapeutInnen mit den
entsprechenden Lesegeräten ausgestattet sein. Neue eGK scheint es noch nicht
allzu viele zu geben, die Kassen hatten sich für 2011 verpflichtet, mindestens
10% der Karten in der neuen eGK-Version auszugeben. Nach einem Bericht der Ärzte
Zeitung online/Medica Aktuell vom 17.11.2011 scheitert der baldige Start der
eGK-Anwendungen "an der komplexen Infrastruktur aus eGK, elektronischem
Arztausweis und Konnektor". Deshalb hält der GKV-Verband den "Wirkbetrieb in der
bisher diskutierten Form" erst ab dem Jahr 2016 für möglich.
Daher soll es
nach Vorstellung des GKV-Verbands in zwei Modellregionen 2012 eine
online-Anbindung geben, die ein Versichertenstammdaten-Update der eGK ermöglicht
- ohne Einsatz und Verwendung des Arztausweises und des Konnektors. Die
Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV) lehnt die 'Alternative 2012" in der
derzeit diskutierten Version allerdings ab.
Berichtspflicht von FachärztInnen gegenüber
HausärztInnen nur mit Zustimmung der PatientInnen
(Teil
III)
In den
allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) werden unter
der Ziffer 2.1.4 (Berichtspflicht) Leistungen beschrieben, deren Abrechnung
einen Bericht (EBM 01600 oder 01601) der erbringenden VertragsärztInnen bzw.
VertragspsychotherapeutInnen an HausärztInnen und/oder ÜberweiserInnen
voraussetzt. Hierfür ist eine schriftliche Zustimmung der PatientInnen, die
jederzeit widerrufen werden kann, erforderlich (vgl. § 73 Abs. 1b SGB V). "Gibt
der Versicherte auf Nachfrage keinen Hausarzt an bzw. ist eine schriftliche
Einwilligung zur Information des Hausarztes gemäß § 73 Abs. 1b SGB V nicht
erteilt, sind die nachstehend aufgeführten Gebührenordnungspositionen auch ohne
schriftliche Mitteilung an den Hausarzt berechnungsfähig." (Zitat EBM 2.1.4
Absatz 1, Satz 2).
Die
Übermittlungspflicht gilt auch für ärztliche und nichtärztliche
VertragspsychotherapeutInnen (Leistungen des Abschnitts 35.2 - Antragspflichtige
Leistungen). Die Berichtspflicht ist hier erfüllt "wenn zu Beginn und nach
Beendigung einer Psychotherapie, mindestens jedoch einmal im Krankheitsfall bei
Therapien, die länger als ein Jahr dauern, ein Bericht an den Hausarzt
entsprechend der Gebührenordnungsposition 01600 bzw. ein Brief entsprechend der
Gebührenordnungsposition 01601 erstellt und versendet wird." (Zitat EBM 2.1.4
Absatz 2, Satz 2).
Ein entsprechender Bericht der Ärzte Zeitung online vom 11.11.2011 'verkauft'
diese Änderung als Neuigkeit (Gültigkeit angeblich ab 1. Juli 2011). Tatsächlich
aber besteht die Regelung bereits seit geraumer Zeit (siehe auch Archiv).
Anmerkung:
Ein Bericht an überweisende FachärztInnen ist in der Regel dann nicht
erforderlich, wenn die Überweisung lediglich zur Vermeidung der Praxisgebühr
erfolgt ist.
Ärzte Zeitung
(online):
11.11.2011: Bericht an den Hausarzt? Nur mit Zustimmung des Patienten!
Kassenärztliche
Bundesvereinigung: EBM in der Fassung von
09/2011
speziell: I. Allgemeine Bestimmungen: Berichtspflicht
Ziffer 2.1.4
KBV: IT in der Arztpraxis (ITA) - fortlaufende
Aktualisierung (Update für Quartal 1/2012)
Auf der Seite der Kassenärztliche
Bundesvereinigung (www.kbv.de)
steht ein Portal für ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen zur Verfügung, das
umfangreiche Informationen rund um das Thema IT beinhaltet (Anforderungen an
Hard- und Software, Datenschutz beachten, bereichsspezifische Zertifizierung von
Software). Hinzukommen aktuelle quartalsbezogene Updates.
Lübecker Nachrichten (4.11.2011): Mehrere Tausend
sensible Patientendaten psychisch schwer kranker Menschen waren frei im Internet
abrufbar
Nach einem Bericht der Lübecker Nachrichten (online-Ausgabe:
4.11.2011) waren mehrere Tausend Patientenakten aus Schleswig-Holstein über
längere Zeit frei im Internet abrufbar. Klinikbriefe, medizinische Befunde und
Dokumentationen konnten von einer Webseite der Firma Rebus GmbH (Rendsburg)
heruntergeladen werden. der Internetdienstleister verwaltet Datenbanken für
verschiedene soziale Dienste in Deutschland, so beispielsweise für das
Therapie- und Beratungszentrum 'Die Brücke' in Rendsburg. herunterladen werden
können. Hier konnte bis vor kurzem 3600 Dokumente ohne Einschränkung und
Zugangskontrolle eingesehen und auch heruntergeladen werden. Auch der
Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Hostein, Dr. Thilo Weichert,
überzeugte sich davon, daß die Daten online abrufbar waren und hat umgehend ein
Prüfteam des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) mit der
Untersuchung des Vorfalls bei der verantwortlichen Firma beauftragt.
Ursache ist offenbar eine Sicherheitslücke bei der von der Firma betriebenen
Webseite. Der Server wurde inzwischen abgeschaltet und auch die Firma selbst hat
einen externen Sicherheitsexperten eingeschaltet.
Anmerkung:
Die im Bericht Bericht der Lübecker Nachrichten und anderen Zeitungen erwähnten
heftigen Reaktionen auf die Datenpanne sind nachvollziehbar. Doch geht es m. E.
um eine grundsätzliche Frage: Sollen sensible Patientendaten auf Servern zentral
gespeichert werden, auf die über das Internet zugegriffen werden kann? Dann
nämlich werden sich solche Datenpannen nicht verhindern lassen. Menschen machen
Fehler und es wird auch immer wieder (erfolgreiche) Angriffe von Hackern geben
(vgl. den Beitrag zu AnonAustria). Es mag in der
heutigen Zeit naiv klingen und ist dennoch vielleicht nicht falsch: Die
ursprüngliche Papierform oder die elektronische Speicherung auf Computern und
Servern ohne Internetzugang (stand-alone) sind deutlich sicherer als noch so
ausgeklügelte Datenbanken, auf die mittels von (teil völlig unübersichtlichen)
Zugangskontrollen 'öffentlich' zugegriffen werden kann. Deshalb auch halte ich
auch die EKG für einen Schritt in die falsche Richtung.
Lübecker Nachrichten (online-Ausgabe:
4.11.2011): Mehrere Tausend Patienten-Akten aus Schleswig-Holstein
waren frei im Internet abrufbar. Datenschützer im Norden sind entsetzt
Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) mit großer Mehrheit verabschiedet
(Bundestag 27.10.2011)
(Teil V)
Der Deutsche Bundestag hat am
vergangenen Donnerstag (27. Oktober 2011)
das Bundeskinderschutzgesetz mit den Stimmen der Regierungskoalition
verabschiedet. Nach langer Diskussion über die Schweigepflicht der an der
Behandlung von Kindern beteiligten Berufsgruppen (siehe auch die Beiträge im Archiv
unten) sieht das Gesetz in § 4 (Beratung und
Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung)
eine Befugnis - nicht aber Pflicht zur Offenbarung in bestimmten Fällen vor:
§ 4 Beratung und Übermittlung von Informationen
durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung
(1)
Werden
1.
Ärztinnen oder Ärzten,
Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen
Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der
Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.
Berufspsychologinnen oder
-psychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher
Abschlussprüfung,
3.
Ehe-, Familien-, Erziehungs-
oder Jugendberaterinnen oder -beratern sowie
4.
Beraterinnen oder Beratern
für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder
Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt
ist,
5.
Mitgliedern oder Beauftragten
einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
6.
staatlich anerkannten
Sozialarbeiterinnen oder -arbeitern oder staatlich anerkannten
Sozialpädagoginnen oder -pädagogen oder
7.
Lehrerinnen oder Lehrern an
öffentlichen Schulen
in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines
Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und
den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit
erforderlich, bei den Personensorge- berechtigten auf die
Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame
Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
(2)
Die Personen nach Absatz 1
haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der
öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit
erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person
die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung
der Daten sind diese zu pseudonymisieren.
(3)
Scheidet eine Abwendung der
Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1
erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Personen ein Tätigwerden
des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines
Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das
Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab
hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder
des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die
Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten
mitzuteilen.
Das
Gesetz soll im Januar
2012 in Kraft treten. Allerdings droht wegen ungeklärter Finanzierungsfragen
Widerstand im Bundesrat und damit ein Scheitern des Gesetzes..
Anmerkung:
Angesichts der doch für meine Begriffe unguten Debatte im Vorfeld scheint mir
das Gesetz die Schweigepflicht nun doch ausreichend zu berücksichtigen. Es
besteht keine Offenbarungspflicht,
wohl aber eine entsprechende
Befugnis, wenn die Gefährdung des
Wohls des Kindes/Jugendlichen nicht anders (insbesondere mittels des 'Hinwirkens
zur Inanspruchnahme entsprechender Hilfen') abwendbar ist und zugleich dadurch
der Schutz des Kindes bzw. Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Zudem sind
die Betroffenen auf die Datenübermittlung vorab hinzuweisen. Die Bestimmung geht
insoweit über die bisherige Rechtslage hinaus, als eine Datenübermittlung
nicht nur bei einer "gegenwärtigen,
nicht anders abwendbaren Gefahr"
(§ 34 StGB)
möglich ist. Jedoch ist die
Offenbarung nach § 4 BKiSchG nur gegenüber dem Jugendamt möglich und auch nur,
wenn dadurch nicht der Schutz des Kindes in Frage gestellt wird.
Krankmeldung bei psychiatrischer Behandlung (ambulant
und stationär)
Anläßlich einer Anfrage wurde ich auf
die Frage der Arbeitsunfähigkeitbescheinigung bei stationärer psychiatrischer
Behandlung aufmerksam. Im vorliegenden Fall war ein Arbeitnehmer nach einer
vorausgehenden somatischen Erkrankung in stationärer psychiatrischer Behandlung.
Dort wurde ihm vom behandelnden Arzt erklärt, er könne nicht die übliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Der Hinweis auf die psychiatrische
Behandlung an den Arbeitgeber sei aber nicht von Nachteil für ihn. Tatsächlich
wurde dem Arbeitnehmer aber einige Zeit später gekündigt.
Ich habe mich wegen der
grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage an die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger
psychiatrischer Krankenhäuser sowie an den Bundesdatenschutzbeauftragten
gewandt. Zusammengefaßt (E-Mail-Schriftverkehr und eigene Recherchen) haben sich
folgende Gesichtspunkte ergeben:
1.
Die Ausstellung
Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit erfolgt auf der Grundlage der
"Richtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufen weisen
Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 SGB V"
2.
Gemäß §
5 dieser Richtlinien darf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur von
VertragsärztInnen oder deren persönlichen VertreterInnen unter
Verwendung eines dafür vorgesehenen Vordrucks (Muster 1) ausgestellt
werden (siehe oben). In Kliniken insoweit von ÄrztInnen mit
entsprechender Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung
3
Der
für den Arbeitgeber bestimmte Teil der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
(Durchschlag) kann durch den dort vorgesehenen Arztstempel einen Hinweis
auf den Aussteller (Ärztin/Arzt) enthalten kann. Dieser Stempel wird
VertragsärztInnen von den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen
zur Verfügung gestellt. Er
muß seit dem 01.08.2011 folgende Angaben enthalten:
Dr. med. xy
Facharzt für xy (optional: Schwerpunktbezeichnung)
Beispielstraße 123
12345 Musterhausen
Betriebsstätten-Nummer
optional:
Tel.-Nr., Fax und Email
4.
Wenn PatientInnen den
Hinweis auf eine psychiatrische Behandlung vermeiden wollen, sollten sie
den die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende/n Ärztin&/Arzt bitten,
einen Stempel ohne Facharzt- bzw. Schwerpunktbezeichnung zu verwenden.
Ein gesetzlicher Anspruch oder Urteile, die in diese Richtung deuten,
sind derzeit nicht bekannt; es ist jedoch andererseits nicht
vorstellbar, dass ein/e behandelnde/r Ärztin/Arzt einem entsprechend
begründetem Ansinnen nicht Rechnung tragen würde. Gegebenfalls wäre ein
Arztwechsel anzuraten.
5.
Auch wenn der Stempel
keinen Hinweis auf die Fachrichtung und Tätigkeit der/des
Ärztin/Arztes enthält ist es in Zeiten des Internets ohne Weiteres
möglich, die entsprechenden Daten zu recherchieren. Letztlich gibt es
insofern keine Sicherheit, daß der Arbeitgeber nicht doch Rückschlüsse
auf die Art der Erkrankung ziehen kann. Andererseits sollte von Seiten
der Kliniken alles getan werden, daß die Daten nicht ohne Not
übermittelt werden.
6.
Nach Angaben des
Unabhängigen
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
(Landesdatenschutzbeauftragter Dr. Thilo Weichert) haben sich die
Krankenhäuser gemäß einer zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft
und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen
Bundesrahmenempfehlung verpflichtet, PatientInnen auf deren
Verlangen eine Bescheinigung über die voraussichtliche Dauer der
Krankenhausbehandlung auszustellen, damit diese beim Arbeitgeber
vorgelegt werden kann. Wie diese im Fall einer psychotherapeutischen
oder psychiatrischen Behandlung aussieht ist unklar.
Anmerkung:
Es geht hier um eine heikle Frage des Datenschutzes und der Schweigepflicht. Ich
werde deshalb noch weitere (auch fachlich) zuständige Gremien (G-BA, Deutsche Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Bundesdirektorenkonferenz)
um eine Stellungnahme bitten.
Vorsicht bei der Beantwortung von Anfragen privater
Versicherer!
In einem Beitrag der
Ärzte Zeitung online vom
18.10.2011 weist der Fachanwalt für Medizinrecht (Partner der
Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn) Dr. Ingo Pflugmacher auf die Problematik
der Schweigepflichtentbindung der PatientInnen bei Anfragen privater
Versicherungen hin. Daß solche Auskünfte nur mit ausdrücklicher Einwilligung der
betroffenen PatientInnen erfolgen darf dürfte - so ist wenigstens zu hoffen -
inzwischen bei ÄrztInnen und ärztlichen bzw. nichtärztlichen
PsychotherapeutInnen bekannt sein.
Doch
auch wenn eine solche Einwilligung vorliegt können sich
nach Ansicht von Pflugmacher
gravierende Probleme ergeben. Denn
unklar ist, ob die gegenüber der Versicherungsfirma abgegebene Erklärung (noch)
wirksam ist. Verläßt sich die/der offenbarende Ärztin/Arzt auf die Angaben der
Versicherung (in der Regel handelt es sich um einen entsprechenden Textbaustein)
kann das zu ernsten juristischen Folgen führen. Denn denkbar wäre, daß die
erteilte Einwilligung unwirksam ist, weil sie vor allzu langer Zeit erteil oder
widerrufen wurde. Auch allgemeine (und nicht auf den Einzelfall Bezogene
Einwilligungen können unwirksam sein. Zitat:
Allerdings
versichern die anfragenden Versicherungen regelmäßig in Form eines
"Textbausteins", dass eine Schweigepflichtentbindung vorliege. Kann sich der
Arzt auf die Richtigkeit dieser Erklärung verlassen? Im Hinblick auf
strafrechtliche Konsequenzen wird man dies bejahen können.
Eine strafbare
Verletzung von Privatgeheimnissen liegt nicht vor, wenn der Arzt irrig das
Vorliegen einer Schweigepflichtentbindung annehmen durfte. Wenn die anfragende
Versicherung dies versichert, so wird der Arzt auf die Richtigkeit dieser
Aussage vertrauen dürfen. Rechtsprechung hierzu liegt allerdings noch nicht vor.
Schadensersatzansprüche des Patienten bei fahrlässigem Handeln
Aber:
Schadensersatzansprüche des Patienten können auch bei fahrlässiger
Nichtbeachtung der Schweigepflicht entstehen.
Da inzwischen viele
Datenschutzbeauftragte in ihren Veröffentlichungen darauf hinweisen, dass
Schweigepflichtentbindungen unwirksam sein können und sie im Übrigen jederzeit
widerruflich sind, wird man bei einer unreflektierten Antwort auf die Anfrage
der Versicherung fahrlässiges Handeln nicht ausschließen können.
Pflugmacher rät daher, sich von PatientInnen eine schriftliche Einwilligung
geben zu lassen oder die Anfrage der Versicherung einschließlich der Antwort den
PatientInnen zu übergeben und Ihnen so die Entscheidung über eine Weitergabe zu
überlassen.
Anmerkung:
Nach meiner Überzeugung sollten Auskünfte an Dritte ganz generell nur mit dem
persönlich eingeholten Einverständnis der PatientInnen weitergegeben werden
(auch wenn eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung vorliegt, die eine
Einwilligung der PatientInnen nicht erfordert). Bei psychotherapeutischen
Behandlungen sollte darüber hinaus sorgfältig erwogen (und besprochen) werden,
ob die Datenweitergabe (unabhängig vom Wunsch der PatientInnen) den geschützten
Raum gefährdet.
Ärzte Zeitung online v.
18.10.2011:
Wenn Versicherer Patientendaten
begehren. Anfragen zu Patienten, die kommen immer öfter auch von privaten
Versicherungen. Das Problem: Fehlt dem Versicherer die Einwilligung des
Patienten, könnte Ärzte eine Schadenersatzpflicht treffen.
Elektronische Akten: Broschüre des bundesweiten
Arbeitskreises EPA/EFA
Der bundesweite Arbeitskreis
Elektronische Patienten- bzw. Fallakte (EPA/EFA), in dem sich eine Vielzahl
privater und öffentlicher IOnstitutionen im Bereich Datenschutz
zusammengeschlossen haben (u. a. das Bundesministerium für Gesundheit), hat eine
Umfanreiche Dokumentation zum Thema vorgelegt. Auf den Seiten 30-42 wird
ausführlich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen "Datenschutzanforderungen
an elektronische Akten im Gesundheitswesen" eingegangen.
Die kostenlose Broschüre kann über
die E-Mail-Adresse info@ztg-nrw.de bezogen werden.
Link zur weiteren einschlägigen
Dokumenten: Landesinitiative
eGesundheit.nrw (Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
des Landes Nordrhein-Westfalen)
Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner und sieht
eklatante Verstöße gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2008)
zum Grundrecht auf
Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme
Der Hamburger Chaos Computer Club (ccc.de)
hat nach eigenen Angaben eine detaillierte Analyse staatlicher Spionagesoftware
vorgenommen. In einer Meldung vom 8.10.2011 heiß es dazu (Zitat in
blau):
Die untersuchten
Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch
eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer
Schadsoftware. Aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern
entstehen außerdem eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten
Rechnern, die auch Dritte ausnutzen können."
Nicht erst
seit das Bundesverfassungsgericht die Pläne zum Einsatz des Bundestrojaners
am 27. Februar 2008 durchkreuzte, ist von der unauffälligeren
Neusprech-Variante der Spionagesoftware die Rede: von der "Quellen-TKÜ"
("Quellen-Telekommunikationsüberwachung"). Diese "Quellen-TKÜ" darf
ausschließlich für das Abhören von Internettelefonie verwendet werden. Dies
ist durch technische und rechtliche Maßnahmen sicherzustellen.
Der CCC
veröffentlicht nun die extrahierten Binärdateien [0] von behördlicher
Schadsoftware, die offenbar für eine "Quellen-TKÜ" benutzt wurde, gemeinsam
mit einem Bericht zum Funktionsumfang sowie einer Bewertung der technischen
Analyse. [1] Im Rahmen der Analyse wurde vom CCC eine eigene
Fernsteuerungssoftware für den Behörden-Trojaner erstellt.
Die Analyse des
Behörden-Trojaners weist im als "Quellen-TKÜ" getarnten "Bundestrojaner
light" bereitgestellte Funktionen nach, die über das Abhören von
Kommunikation weit hinausgehen und die expliziten Vorgaben des
Verfassungsgerichtes verletzen. So kann der Trojaner über das Netz weitere
Programme nachladen und ferngesteuert zur Ausführung bringen. Eine
Erweiterbarkeit auf die volle Funktionalität des Bundestrojaners – also das
Durchsuchen, Schreiben, Lesen sowie Manipulieren von Dateien – ist von
Anfang an vorgesehen. Sogar ein digitaler großer Lausch- und Spähangriff ist
möglich, indem ferngesteuert auf das Mikrophon, die Kamera und die Tastatur
des Computers zugegriffen wird.
Es ist also nicht einmal
versucht worden, softwaretechnisch sicherzustellen, daß die Erfassung von
Daten strikt auf die Telekommunikation beschränkt bleibt, sondern – im
Gegenteil – die heimliche Erweiterung der Funktionalitäten der Computerwanze
wurde von vorneherein vorgesehen.
Aus der Sich des Chaos Computer
Club ist damit die Behauptung widerlegt,
daß in der Praxis eine
effektive Trennung von ausschließlicher Telekommunikationsüberwachung und
dem großen Schnüffelangriff per Trojaner möglich oder überhaupt erst
gewünscht ist (...). Unsere Untersuchung offenbart wieder einmal, daß die
Ermittlungsbehörden nicht vor einer eklatanten Überschreitung des
rechtlichen Rahmens zurückschrecken, wenn ihnen niemand auf die Finger
schaut. Hier wurden heimlich Funktionen eingebaut, die einen klaren
Rechtsbruch bedeuten: das Nachladen von beliebigem Programmcode durch den
Trojaner.
Meldung des Chaos Computer Club v.
8.10.2011: Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner
Bericht zum Urteil des
Bundesverfassungsgerichts 2008:
Teil I +
Teil 2
Nachtrag: Das Softwarehaus Steganos
hat einen kostenlosen
Anti-Bundestrojaner aufgelegt.
Piechotta B. & Meier, U. (2002): Zwischen Scylla und Charybdis – Dokumentation
psychotherapeutischer Leistungen im Spannungsfeld von Nachweispflicht und
Praktikabilität
Der lesenswerte Beitrag ist in der
Zeitschrift Psychotherapeutische Praxis (2: 158-164) erschienen.
Die österreichische Hackergruppe AnonAustria hat sich
offenbar Zugang zu einer Datenbank mit über 600.000 Patientendaten verschafft
Nach einem Bericht der online-Zeitung
Die Presse.com (28.09.2011) behauptet die Gruppe mehr "zufällig" über die
Datenbank "gestolpert" zu sein. Es handelt es sich um Daten der
Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK)
die allerdings angibt, nicht gehackt worden zu sein. Die Daten liegen der Gruppe
seit 6 Monaten vor, sollen aber nicht veröffentlicht werden (in anderen Fällen
hat AnonAustria dieses bereits getan). Nach einer Sichtung eines Teils
der Daten durch einen Vertreter der TGKK versicherte dieser, es handle sich
um
Datensätze, die eine Sozialversicherungsnummer, Namen und Adressen von
Versicherten nicht aber weitergehende Informationen (etwa Krankengeschichten)
beinhalten.
Die Presse.com (28.09.2011):
Anonymous: 'Haben 600.475
Tiroler Krankenkassendaten'
Klage eines Psychotherapeuten gegen negativen Kommentar
in einem Bewertungsportal: OLG Hamm betont das Recht auf anonyme
Meinungsäußerung im Internet und weist den Anspruch auf Entfernung
(Unterlassung) und Schadensersatz zurück
Das OLG Hamm hat in einem Beschluß
vom 3.08.2001 die Berufung eines Psychotherapeuten zurückgewiesen, der sich
gegen eine aus seiner Sicht entwertende Äußerung über seine berufliche Tätigkeit
wehrte. Das Gericht verneinte einen Anspruch auf Entfernung bzw. Unterlassung
der von Kläger beanstandeten Äußerung sowie materiellen bzw. immateriellen
Schadensersatz.
Aus der Sicht des Gerichts
(Zitate in blau) entspricht die
für das
Internet typische anonyme Nutzung (...) auch der grundrechtlichen
Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die
einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten
Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus
Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend
entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll
durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (...).
Es bedarf keiner näheren Ausführung des Senats dazu, dass die Gefahr des
Eintritts negativer Auswirkungen insbesondere auch für denjenigen besteht, der
sich als Patient aus dem Behandlungsbereich der Psychotherapie unter Angabe
seiner persönlichen Daten zu erkennen gibt.
In der Abwägung der Rechtsgüter
(Recht auf Kommunikationsfreiheit des Internetnutzers und Recht auf
informationelle Selbstbestimmung des Klägers) gab das Gericht daher dem Recht
der Kommunikationsfreiheit Vorrang. Obwohl die betreffende Äußerung des
Internetnutzers auch nach Einschätzung des OLG ein Werturteil darstellen, seien
sie der Sozialsphäre des Klägers, nicht aber seiner Privat-
oder gar Intim- und Geheimsphäre zuzurechnen: "Äußerungen,
die lediglich die Sozialsphäre berühren, dürfen aber nur im Falle
schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen
Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale
Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind." Und weiter heiß es im
Beschluß:
Bei
Berufsbewertungsportalen wird dieser [der durchschnittliche und verständige
Empfänger der Äußerung] davon ausgehen, dass mangels objektiver Nachprüfbarkeit
regelmäßig subjektive Werturteile der Bewertenden und keine
Tatsachenbehauptungen vorliegen, da die Bewertenden mangels eigener fachlicher
Kompetenz nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit für ihre Bewertungen
erheben, sondern lediglich ihre persönliche Sicht der bewerteten Person und
ihrer Eigenschaften darlegen (Schröder, Persönlichkeitsrechtsschutz bei
Bewertungsportalen im Internet, Verwaltungsarchiv 2010, 205, 224). Die
demzufolge als bloße Meinungsäußerung anzusehende Bewertung des Klägers stellt
hierbei weder eine unsachliche Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung oder
einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da hierfür jedweder
Anhaltspunkt fehlt.
Eine weitere Berufung wurde wegen
fehlender grundsätzlicher Bedeutung und fehlender Notwendigkeit zur
Weiterentwicklung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung (auch mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH,
Beschluß v. 23.06.2009 - VI ZR 196/08)
nicht zugelassen.
Anmerkung: Obschon die vom OLG vollzogene
Abwägung des Schutzes der Meinungsfreiheit (hier insbesondere auch bei Personen,
die andernfalls als PatientInnen erkennbar wären) mit dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung (Psychotherapeut) nachvollziehbar ist,
erscheint es nicht unproblematisch, daß im Schutz der Anonymität öffentlich
erhobene Vorwürfe (die zudem aus dem geschützten Raum der Psychotherapie
stammen) nur schwer zu begegnen ist.
Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz. Der Petitionsausschuß
hat ein zentrales Problem nicht erfaßt!
(Teil VIII)
Wie berichtet (Teil VII) ist der Bundestag der Beschlußempfehlung
des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 17/5922;
Pet
2-17-08-7613-001492; Prot. Nr.
17/38) gefolgt. In seiner Beschlußempfehlung hat der Ausschuß allerdings
eine höchst problematische Aussage getroffen:
Hinsichtlich der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand
Einigkeit, dass nur die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens
inhaltlich Kenntnis erlangen, nicht
jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die angeforderten,
nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen
Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden. Sie entscheiden, ob ein
Leistungsanspruch besteht oder nicht. (Text und Quelle bei
Teil VII)
Auf meinen (schriftlich formulierten Einwand an den Petitionsausschuß,
die Unterlagen an die GutachterInnen sollten ja gerade psyeudonymisiert
weitergeleitet werden (analog dem Gutachterverfahren in der GKV) hat mir
der zuständige Mitarbeiter (Dr. Waldmann) mit Schreiben v. 21.07.2011
lapidar mitgeteilt, es handle sich bei diesem Absatz um die Beschreibung
des Verfahrens , das derzeit zwischen Versicherungswirtschaft und den
Obersten Aufsichtsbehörden der Länder für de Datenschutz vereinbart
wurde. Zwar sehe der
Petitionsausschuß "keinen dringenden
gesetzgeberischen Bedarf" dennoch halte er "eine
Regelung, die dem Bereich der in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) praktizierten Gutachterregelung entspricht, für wünschenswert".
Diese Argumentation ist logisch und inhaltlich so verwegen, daß ich
einen entsprechenden (etwas ungehaltenen) Brief an den Petitionsausschuß
geschrieben habe: Dort heißt es u. a.:
Leider muß ich konstatieren, daß ein hochqualifiziertes
Gremium wie der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages – trotz der
grundsätzlichen Unterstützung meines Anliegens – das zentrale Problem
offensichtlich gar nicht verstanden hat. Es war ja gerade meine Argumentation,
daß intimste Daten von PatientInnen (Bundesverfassungsgericht: Kernbereich der
Persönlichkeitssphäre in den nur in begründeten und gesetzlich geregelten Fällen
eingegriffen werden kann) nur anonymisiert/pseudonymisiert an die GutachterInnen
weitergegeben werden, weil diese die Namen (Identität) der begutachteten
PatientInnen zur Erfüllung ihrer gutachterlichen Tätigkeit nicht benötigen. Die
heutige Verfahrensweise verstößt insoweit nicht nur gegen den Datenschutz
sondern auch gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Daß hier seit Jahren nichts
passiert ist, liegt nur daran, daß PatientInnen (gerade in der sie zu diesem
Zeitpunkt schwierigen psychischen Verfassung) noch nie gegen diese Verfahren
geklagt haben – und die zuständigen Behörden und Berufsverbände offenbar wenig
Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Versicherungswirtschaft bzw. dem
Gesetzgeber haben.
Ich habe
leider den Eindruck, daß PolitikerInnen (allerdings keineswegs nicht nur sie)
von der Komplexität politisch-juristischer Fragen in Verbindung mit der extremen
Zunahme von Informationen (Gesetze, Eingaben, Presse etc. etc.) zunehmend
überfordert sind. Das für uns alle ein bedenklicher Zustand, der vielleicht doch
grundsätzlicher Überlegungen zu unserem Staatswesen bedarf.
Zur Sache bzw. zu Ihrer Argumentation: Wenn Sie schreiben,
daß der Petitionsausschuß "zwar keinen dringenden gesetzgeberischen Bedarf
sieht" dennoch "eine Regelung, die dem Bereich der in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) praktizierten Gutachterregelung entspricht, für
wünschenswert" hält, dann sehen Sie offenbar nicht Ihren logischen Irrtum (und
den des Petitionsausschusses): Das Gutachterverfahren in der GKV sieht zum
Schutz der Anonymität der PatientInnen die Pseudonymisierung vor.
Nachtrag (4.10.2011): Nach
einem weiteren Schreiben an mich (wieder von einem anderen
Sachbearbeiter) muß ich zur Kenntnis nehmen, daß der Petitionsausschuß
nicht Willens ist, sich weiter inhaltlich zur Sache zu äußern. Traurig
aber wahr!
Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung
(online) vom 15.09.2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine
unabhängige Vertrauensstelle eingerichtet, die von der Firma Schütze Consulting
Informationssysteme GmbH (SCI) in Kooperation mit dem IT-Dienstleistungszentrum
Berlin (ITDZ Berlin) umgesetzt wird. Aufgabe der Vertrauensstelle ist die
Pseudonymisierung verschiedener Datensätze der-/desselben Patientin/en aus
unterschiedlichen Behandlungsorten, -zeiten und Sektoren im Rahmen der
sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Längsschnittbetrachtung).
Ärzte Zeitung online v.
15.09.2011: Neue Vertrauensstelle für pseudonymisierte Daten
Gemeinsamer Bundesausschuß (www.g-ba.de):
Meilenstein bei
sektorenübergreifender QS: Vertragsunterzeichnung für Vertrauensstelle (8.
September 2011/unter: Presse)
Petition zur Einsichtnahme in Krankenunterlagen:
Auskunftsrecht für Versicherte soll
erweitert werden (Empfehlung des Petitionsausschusses)
Der Bundestag berichtet über die
Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zu einer Petition, in welcher eine
Änderung des § 202 des Versicherungsvertragsgesetzes zur direkten
Auskunftspflicht gegenüber des Versicherten gefordert wird. In der Petition vom
18.03.2010 (Petent Herr Ernst) heißt es:
Der Deutsche
Bundestag möge beschließen, den § 202 des Versicherungsvertraggesetz (VVG)
insofern zu ändern, dass auch dem Versicherten direkt eine Auskunftspflicht bzw.
die Einsichtnahme der Unterlagen ermöglicht wird.
Begründung:
nach dem zur Zeit
geltende Recht, darf der VN eine Auskunftspflicht erwirken, jedoch benötigt er
dazu einen Arzt oder Rechtsanwalt, dem die Akten übermittelt werden.
Eine direkte Zustellung der Akte -auch in Kopie- ist nicht vorgesehen.
Durch die direkte
Zustellung werden Kosten für den VN gespart, er braucht keinen Rechtsanwalt und
Arzt.
Der Deutsche Bundestag (hib - heute
im bundestag) hat am 7.09.2011 über die entsprechende Beschlußempfehlung des
Petitionsausschusses berichtet (Zitat):
Auskunftsrecht für Versicherte soll erweitert werden (Petitionsausschuss -
07.09.2011)
Berlin: (hib/TYH)
Der Petitionsausschuss unterstützt die Forderung, Versicherten eine direkte
Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren. Die Abgeordneten beschlossen am
Mittwochmorgen einstimmig, eine entsprechende Petition dem
Bundesjustizministerium als Material zu überweisen und den Fraktionen des
Bundestages zur Kenntnis vorzulegen.
Der Petent
hatte in seiner Eingabe gefordert, die Auskunftspflicht des Versicherers
dahingehend zu ändern, dass dem Versicherten die Einsicht der Unterlagen
direkt gewährt wird. Bislang ist die Einsichtnahme laut Paragraph 202
Versicherungsvertragsgesetz (VVG), der die Auskunftspflicht des Versicherers
regelt, nur möglich, wenn ein Arzt oder ein Rechtsanwalt die Akten
übermittelt. Durch eine direkte Zustellung an den Versicherungsnehmer
könnten Kosten gespart werden, heißt es in der Eingabe. Sie wurde als
öffentliche Petition auf die Internetseite des Ausschusses gestellt und von
374 Mitzeichnern unterstützt.
Nach der
parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu dem Schluss, dass
ein Auskunfts- und Einsichtsrecht für die versicherte Person selbst zwar
nicht zwingend geboten sei. Dennoch sei das Anliegen dazu geeignet, es im
Rahmen künftiger Überlegungen zum Versicherungsvertragsgesetz zu
diskutieren.
Laut
Beschlussempfehlung verfolgt Paragraph 202 VVG ganz allgemein den Zweck, den
Patienten durch die Beteiligung eines Dritten vor möglicherweise
schädigenden Fehlschlüssen zu schützen. So seien in aller Regel die
eingeholten medizinischen Gutachten und Stellungnahmen nur für einen
Mediziner wirklich verständlich. Zudem komme der Entscheidung des Arztes, ob
eine Aushändigung der Krankenunterlagen an den Patienten medizinisch
verantwortbar ist, erhebliches Gewicht zu. Ein Rechtsanwalt könne durch
Einsicht der Unterlagen die Erfolgsaussichten bei einem Rechtsstreit besser
beurteilen.
Anmerkung: Zur Klarstellung: Es geht hier
um den Geltungsbereich der Privaten Krankenversicherung (PKV). Der entsprechende
Paragraph - auf den ich erst jetzt aufmerksam wurde - stellt eine weitere
Merkwürdigkeit im Umgang mit dem Datenschutz in der PKV dar (siehe meine
Petition zum unzureichenden Datenschutz bei der Beantragung einer Psychotherapie
bzw. beim Gutachterverfahren). Hier wird Datenschutz nämlich so verstanden, als
müßten die PatientInnen/Versicherten vor den sie betreffenden Daten geschützt
werden. Deshalb ist zunächst zu begrüßen, daß der Petitionsausschuß ein
erweitertes
Auskunftsrecht für Versicherte fordert. Aber wer die Beschlußempfehlung liest,
muß eigentlich bestürzt sein, welches Bild die Abgeordneten von den PatientInnen
(hier der PKV) haben. Ihnen wird letztlich abgesprochen, Einsicht in ihre
Unterlagen zu nehmen und eine eigene Entscheidung zu treffen, was sie mit den
darin enthaltenen Daten anfangen. Die angesprochene Frage der medizinischen
Verantwortbarkeit mag zwar im Einzelfall von Bedeutung sein, aber
selbst bei schweren psychischen Erkrankung kann keineswegs grundsätzlich davon
ausgegangen werden, daß eine Einsicht nicht in Frage kommt (vgl. Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten 'therapeutischen Vorbehalt').
Wenn schon Abgeordnete in einem solch obrigkeitsstaatlichen Denken verhaftet
sind muß es nicht verwundern, daß sich solche Vorstellungen auch in der
Privatwirtschaft (nichts anderes ist die PKV) einnisten.
GEZ & Datenschutz: Die Datenkrake wird aller
Wahrscheinlichkeit nach noch größer!
Der vorliegende Staatsvertrag (15.
Rundfunkänderungsstaatsvertrag),
der ab 2013 die bisherige GEZ-Gebühr für Radio- und Fernsehgeräte durch eine
Haushaltsabgabe (jeder in einem Haushalt lebende Volljährige zahlt einen
monatlichen Beitrag von 17,98) ersetzen soll
ist von einer Reihe von Bundesländern bisher noch
nicht ratifiziert worden (Frist: 31.12.2011).
Abgesehen von grundsätzlichen
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die künftige Haushaltsabgabe weist der
Verfassungsrechtler
Prof. Dr. Christoph Degenhart in einem Interview (SZ v. 27./28.08.11: 21)
auf die im Gesetz vorgesehene
Ermächtigung zu "weitreichenden Datenauskünften, die noch
über das hinausgehen, was bisher gegolten hat. Daten können insbesondere ohne
das Wissen der Betroffenen von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen
erhoben werden". Aber für noch weitaus gravierender halte ich, worauf
Degenhardt dann hinweist: "Man muss nach dem neuen Modell
der GEZ nicht nur begründen, warum man keine Wohnung mehr hat, sondern Sie
müssen auch den Lebenssachverhalt schildern, aus dem sich ergibt, dass Sie keine
Wohnung mehr haben. Bitte wo sind wir denn?". Dem ist nichts
hinzuzufügen.
Auch Vermieter sollen werden künftig
als Datensammler instrumentalisiert.Wohnungseigentümer
und Grundstückseigentümer werden nach dem
Gesetz dazu
verpflichten, den Landesrundfunkanstalten mitzuteilen, welche Personen in dem
jeweiligen einem Haushalt leben. Dieses wird (Bericht der taz.de vom 17.08.11)
nicht nur vom Mieterbund kritisierte, sondern auch vom
Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, der die Vermieter
auf diese Weise gesetzlich als Denunzianten missbraucht sieht.
Anmerkung: Wenn auch die Vermieter erst dann
beigezogen werden, wenn die Daten anderweitig nicht ermittelbar sind (Register
der Meldebehörden) und auch die Schilderung des "begründeten
Lebenssachverhalt" (keine Wohnung) sich nach Auskunft der für die
Länder-Medienpolitik zuständigen
rheinland-pfälzischen Staatskanzlei auf eine kurze Angabe des Grundes beschränkt ( siehe
Bericht der taz.de), bleibt ein ungutes Gefühl. Während 'whisleblower' in
Deutschland einen schlechten Ruf genießen (und auch schnell in die Ecke des
Denunzianten oder 'Blockwarts' geraten), obwohl sie häufig skandalöse und auch
gesellschaftsschädigende Vorgänge offenlegen, scheinen viele regierende
(Landes-) Politiker kein Problem mit einer Institution wie der GEZ zu haben, die
in recht eigenartiger Weise die Bevölkerung ausforscht.
Broschüre "Der Schnelle Überblick: Anfragen von Krankenkassen, MDK und anderen.
Rechtsgrundlagen, Vordrucke, Vergütungen, Datenschutz, Schweigepflicht,
Aufbewahrungsfristen… " (überarbeitete Auflage August 2011)
Die Ärztekammer Niedersachsen
und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen haben ihre Broschüre zu
Anfragen von Institutionen bzw. Personen an ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen
in einer überarbeiteten Fassung vorgelegt. Insbesondere im Umgang mit Anfragen
verschiedenster Institutionen, z. B. von
◊
ÄrztInnen
◊
PatientInnen/RechtsanwältInnen
◊
Erziehungsberechtigten Minderjähriger
◊
Gesetzlichen
Betreuern/Vorsorgebevollmächtigten
◊
Erben/Angehörigen
◊
Gerichten
◊
Polizei
◊Krankenkassen
◊Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK)
◊
Sonstigen
Kostenträgern (u. a.
Bundeswehr, Zivildienst, Bundespolizei, Postbeamte, Bundesbahnbeamte)
◊
Unfallversicherungsträgern
◊
Rentenversicherungsträgern
◊
Arbeitsagenturen
◊
Gesundheitsämtern
◊
Landesamt für Soziales, Jugend und
Familie (Niedersachsen)
bietet sie Hilfestellungen und
Informationen (einschließlich beim Ausfüllen von Vordrucken und Erstellen von
Gutachten) an. Einleitend
gibt sie einen Überblick über den Grundsatz der
Verschwiegenheitspflicht im
Arzt-Patienten-Verhältnis. Im hinteren Teil der Broschüre finden sich dann noch
Ausführungen zu den Mitteilungs- und Auskunftspflichten des Krankenhauses, zur
Aufbewahrungspflicht und -fristen sowie Musterbriefe.
Die Broschüre kann
hier oder über die nachfolgenden Seiten heruntergeladen werden.
www.aekn.de
(unter:
Stratseite/ Eintrag: Hannover, 15. August 2011)
www.kvn.de (unter
Presse/Publikationen/Broschüren und Flyer)
Kaum zu glauben aber wahr: Das
Verfahren zum elektronischen Entgeltnachweis (ELENA) wird nach einer Absprache
zwischen Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministerium eingestellt, weil der
für das Verfahren notwendige datenschutzrechtliche Sicherheitsstandard wegen der
fehlenden Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur "in absehbarer
Zeit nicht flächendeckend" zu erreichen sei. Seit 2010 waren Arbeitgeber
verpflichtet, umfangreiche Daten über ihre ArbeitnehmerInnen monatlich an die
Deutsche Rentenversicherung zu übermitteln. Etwa 3,2 Millionen Arbeitgeber
lieferten so jährlich ca. 60 Millionen Bescheinigungen über Einkommen und
Beschäftigung der MitarbeiterInnen. Die Bundesregierung hat zugesichert, daß die
bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht und die Arbeitgeber von den
bestehenden elektronischen Meldepflichten entlastet werden. Dazu wird das
Bundeswirtschaftsministerium in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorlegen.
Anmerkung 1: Der Irrsinn hat
(vorläufig) ein Ende - die Frage ist, was das Projekt die SteuerzahlerInnen
gekostet hat!
Akteneinsichtsrecht versus Auskunftsanspruch bei
Patientenunterlagen
(Teil II)
Wie berichtet (Beitrag
43/2010) hatte ein Patient - mit der
Begründung, er wolle sich einen vollständigen Überblick über seine Behandlungen
verschaffen - einen Rechtsanwalt beauftragt, umfassende Auskunft hinsichtlich
der bei seinem Arzt gespeicherte Akten und Daten einzuholen. Erfragt
wurde dabei alle Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen
Verhältnisse, körperliche und geistige Eigenschaften, Medikation,
Operationsberichte, durch medizinische Apparatur gewonnene Datensätze, Urkunde,
Aufzeichnungen und Befunde, Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Angaben über
Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen sowie Angaben zur Herkunft, zum
Zweck der Speicherung der Daten und zu etwaigen Empfängern der Daten. Zur
Übermittlung wurden Fotokopien angefordert. Der Rechtsanwalt begründete des
Auskunftsanspruch aus dem Behandlungsvertrag und mit
§ 34 des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
Der ärztliche Kollege erklärte sich in einem Schreiben an den Rechtanwalt bereit, die
entsprechenden Kopien zu übersenden, stellte jedoch mit Verweis auf (die von mir
auf dieser Seite zitierte Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht) Kosten in Höhe
von 50 Euro (89 Kopien) in Rechnung.
Der Rechtsanwalt zeigte sich hingegen in seiner schriftlichen Antwort lediglich
zur Begleichung der Portokosten bereit und begründete seine Haltung mit § 34
Abs. 8 BDSG nach welchem die Auskunft unentgeltlich zu erfolgen habe.
Meine Anfrage an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit Schaar wurde nun (nach einigen Irritationen) nach einem
halben Jahr beantwortet:
Demnach richtet sich der Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG
gegen nichtöffentliche Stellen (und damit auch gegen ÄrztIinnen sowie
nichtärztliche PsychotherapeutInnen). Anwendung findet er jedoch ausschließlich
auf "automatisierte Dateien", also Daten die sich auf der EDV der jeweiligen
ÄrztInnen befinden oder befunden haben. Schriftliche Aufzeichnungen auf Papier
unterliegen der Vorschrift nicht! Für diese besteht jedoch nach der
Rechtsprechung des BGH (z. B. Urteil v. 23.11.1982, 85, S. 327[332]) ein
Einsichtsrecht als Nebenanspruch aus dem Behandlungsvertrag.
Für die mittels EDV gespeicherten Daten bezieht sich der
Auskunftsanspruch auf
die zu seiner Person gespeicherten Daten
(einschließlich ihrer jeweiligen Herkunft)
Empfänger an die Daten weitergegeben werden (wurden)
und den Zweck der Speicherung.
Die Auskunft ist schriftlich zu erteilen - nur im
Ausnahmefall (etwa im Zusammenhang der psychischen oder physischen Konstitution)
darf diese durch eine mündliche ersetzt oder ergänzt werden. Sie ist für den
Betroffenen grundsätzlich kostenlos. Die verantwortliche Stelle (ÄrztInnen) hat
die durch die schriftliche Auskunftserteilung entstehenden Kosten selbst zu
tragen (§ 34 Abs. 8, Satz 1 BDSG).
Anmerkung 1: Damit ist klar, daß bei
der Erfüllung des Auskunftsanspruches nach dem BDSG (und im Unterschied
zum Einsichtsrecht aus dem Behandlungsvertrag) etwaige (Kopier-) Kosten nicht
geltend gemacht werden können. Die Tatsache, daß sich der Auskunftsanspruch nur
auf EDV-Daten bezieht, hat Bedeutung für ärztliche und nichtärztliche
PsychotherapeutInnen im Hinblick auf schriftliche Sitzungsaufzeichnungen, die
nicht elektronisch gespeichert werden.
Anmerkung 2: Ein zu dieser Frage von
dem ärztlichen Kollegen angedachter Beitrag im Deutschen Ärzteblatt wurde dort mit
dem Hinweis abgelehnt, dadurch könnten noch mehr Patienten und Anwaltskanzleien
animiert werden, Auskünfte auf der Grundlage des BDSG einzufordern. Ich zweifle
sehr daran, daß ein solches (an Einzelinteressen orientiertes) Vorgehen den
(allgemeinen) Interessen von ÄrztInnen und PatientInnen (Patientenrechte)
entspricht.
Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz
Der Bundestag hat die Petition beraten, befürwortet sie
und hat beschlossen sie verschiedenen Bundesministerien als Material zu
überweisen und den Fraktionen zur Kenntnis zu geben!
(Teil VII)
Was lange währt ... tatsächlich aber ist meine Petition (wie ich intern erfahren
habe) im Vergleich zu der üblichen Verfahrensdauer recht schnell bearbeitet
worden. Der Deutsche Bundestag hat am 9.06.2011 beschlossen, die Petition
der Bundesregierung - dem BM der Finanzen, dem BM für Gesundheit und dem
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - als
Material zu überweisen und
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zu Kenntnis zu geben.
Der Bundestag folgt damit der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
(BT-Drucksache 17/5922, siehe auch Teil VI):
Prot. Nr.
17/38 (Seite 13-16)
Pet
2-17-08-7613-001492
Private Krankenversicherung
Beschlussempfehlung
Die
Petition
a)
der
Bundesregierung – dem Bundesministerium der Finanzen, dem
Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium des Innern
und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit – als Material zu überweisen,
b)
den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.
Begründung
Der
Petent, ein Diplompsychologe, beanstandet, dass die privaten
Krankenversicherungen bei der Abrechnung von psychotherapeutischen
Leistungen persönliche Daten des Versicherten weitergeben, obwohl dies für
die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich sei. Die gesetzlichen
Krankenkassen wendeten dagegen ein Verfahren an, das die Privatsphäre der
Versicherten respektiere. Er fordert, die privaten Krankenversicherungen
sollten verpflichtet werden, ein gleichwertiges Verfahren einzuführen.
Zur
Begründung beruft sich der Petent im Wesentlichen auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und begehrt eine Verbesserung des
Datenschutzes für privat versicherte Patienten.
Zu den
Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Petitionsakte Bezug genommen.
Es
handelt sich um eine öffentliche Petition, die auf der Internet-Seite des
Deutschen Bundestages eingestellt war. Die Petition wurde von 722
Mitzeichnern unterstützt und hat zu 15 Diskussionsbeiträgen geführt.
Das
Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung von
Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) wie folgt zusammenfassen:
Die
Petition ist erfolgreich und verdient die Unterstützung des
Petitionsausschusses.
Es ist in
der Tat richtig, dass die privaten Krankenversicherungen (PKV) zur
Überprüfung ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte,
Krankenhausentlassungsberichte und
Operationsberichte anfordern. Das betrifft auch die von dem Petenten
erwähnten psychotherapeutischen Gutachten oder Berichte, die in der
Regel besonders sensible, personenbezogene Daten enthalten.
Rechtliche Grundlagen für den Umgang mit den Gesundheitsdaten der
Versicherungsnehmer und die Anforderung von ärztlichen Gutachten oder
Berichten sind Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärungen der
Betroffenen nach § 28 Abs. 6 i.V.m. § 4aBundesdatenschutzgesetz
(BDSG), § 213 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), § 203 Strafgesetzbuch
(StGB).
Der
Petitionsausschuss macht darauf aufmerksam, dass im Bereich der privaten
Versicherungen es keine dem Gutachterverfahren in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) vergleichbare Rechtsnorm gibt. Zwischen der
Versicherungswirtschaft und den obersten Aufsichtsbehörden der Länder für
den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich ist bereits im Jahr 1993 ein
konkretes Verfahren für die Anforderung von ärztlichen Gutachten oder
Berichten erörtert und abgestimmt worden. Es sieht vor, dass die privaten
Krankenversicherungen den Behandlungs- und Befundbericht zunächst beim
Versicherungsnehmer anfordern und damit dessen Information sicherstellen,
zugleich aber vorschlagen, den Bericht direkt zu Händen des beratenden
Arztes der Versicherung zu senden. Der beratende Arzt soll der Versicherung
dann nur das Ergebnis seiner Prüfung mitteilen, nicht jedoch den Bericht
nach dorthin abgeben.
Hinsichtlich der Anforderung und Auswertung solcher Unterlagen bestand
Einigkeit, dass nur die beratenden Ärzte des Versicherungsunternehmens
inhaltlich Kenntnis erlangen, nicht
jedoch auch die Sachbearbeiter der Versicherung. Die angeforderten,
nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher im verschlossenen
Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden. Sie entscheiden, ob ein
Leistungsanspruch besteht oder nicht.
Die
Einhaltung des damals vereinbarten und heute noch gültigen Verfahrens wird
von den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder für den Datenschutz im
nicht-öffentlichen Bereich überwacht. Diese haben gegenüber der
Versicherungswirtschaft klargestellt, dass sie im Fall der Nichtbeachtung
des abgestimmten Verfahrens gegebenenfalls aufsichtsrechtliche Maßnahmen
ergreifen werden. Erkenntnisse aus der Praxis, ob und inwieweit sich die
privaten Krankenversicherungen an das vereinbarte
Verhalten halten, liegen dem Petitionsausschuss mit Blick auf die
Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder nicht vor.
Der
Petitionsausschuss hält fest, dass im Hinblick auf das beschriebene,
zwischen den Aufsichtsbehörden der Länder und dem Verband der privaten
Krankenversicherungen e. V. abgestimmte Verfahren derzeit wohl kein
dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar ist. Gleichwohl hegt
der Ausschuss Zweifel,
ob die mehr
als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung zum einen noch allen dem Verband
der privaten Krankenversicherung e.V. angeschlossenen
Versicherungsunternehmen bekannt ist und zum anderen in der Praxis auch
tatsächlich beachtet wird. Vor diesem Hintergrund wäre eine Regelung, die
dem Bereich der GKV praktizierten Gutachterverfahren entspricht, aus
Datenschutzsicht sicherlich wünschenswert. Dies gilt insbesondere auch unter
dem Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch sensiblen,
personenbezogenen Daten im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich
der gleiche Schutz gewährleistet wäre.
Aus diesem
Grunde wird das mit der Petition vorgetragene Anliegen vom Ausschuss
grundsätzlich befürwortet. Der Petitionsausschuss empfiehlt, die Eingabe der
Bundesregierung – dem BMF, dem BMG, dem BMI und dem BfDI – als Material zu
überweisen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben.
Kommentar: Natürlich bin ich
zunächst erfreut, daß der Petitionsausschuß und nun auch der Deutsche
Bundestag meine Petition grundsätzlich befürwortet. Daß kein gesetzgeberischer
Handlungsbedarf gesehen wird, halte ich (wie bereits erwähnt,
Teil VI) für
falsch. Hier geht es nicht um Glühbirnen oder DIN-Normen, sondern den
Schutz intimster Daten aus dem Kernbereich der Persönlichkeit, die nach
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts größtmöglichen Schutz
erfordern. Auch ist eine Regelung im Bereich des Gutachterverfahrens bei
Privaten Krankenkassen (analog der GKV) nicht nur "wünschenswert",
sondern unabdingbar.
Hoch problematisch ist allerdings, daß der Petitionsausschuß einen
zentralen Punkt meiner Argumentation ad absurdum führt:
Der Petitionsauschuß schreibt:
"Die angeforderten,nicht pseudonymisierten Unterlagen sollen den Ärzten daher
im verschlossenen Umschlag ungeöffnet weitergeleitet werden."
Entweder handelt es sich hier um eine sprachliche Fehlleistung oder der Ausschuß hat nicht verstanden, daß es gerade auch darum geht, nur
pseudonymisierte Unterlagen an die GutachterInnen weiterzuleiten
(analog dem Gutachterverfahren in der GKV). Ärztliche und
nichtärztliche GutachterInnen benötigen zur Auftragserfüllung (Gutachten
zur Leistungsübernahme) nicht die personenbezogenen Daten der
PatientInnen.
Ich werde nicht müde festzustellen, daß dieser Tatbestand auch schon
gegenwärtig einen Verstoß gegen geltendes Recht (BDSG) darstellt. Daten
dürfe immer nur insoweit weitergegeben werden (und völlig ungeachtet der
vorliegenden Einwilligung der PatientInnen), als sie zur
Aufgabenerfüllung benötigt werden (Grundsatz der Zweckbindung und
Datensparsamkeit).
Unklar bleibt übrigens, auf welches "abgestimmte"
Verfahren
"zwischen
den Aufsichtsbehörden der Länder und dem Verband der privaten
Krankenversicherungen e. V." sich der
Petitionsausschuß bezieht.
Es bleibt viel zu tun!
Schreiben des Deutschen Bundestags (Petitionsausschuß) v.
21.06.2011
Landesärztekammer Baden-Württemberg & Landespsychotherapeutenkammer
Baden-Württemberg: Leitfaden zur
Schweigepflicht und zum Datenschutz (Stand: 16.03.2011)
Aus der Webseite der
Landespsychotherapeutenkammer
Baden-Württemberg (unter: "AKTUELLES: Nachrichten 2011"):
29.03.11
Leitfaden Schweigepflicht und Datenschutz für Ärzte und Psychotherapeuten
Die
Landesärztekammer Baden-Württemberg und die Landespsychotherapeutenkammer
Baden-Württemberg haben gemeinsam einen Leitfaden entwickelt, der Ärzten und
Psychotherapeuten Informationen an die Hand geben soll, was bei den Themen
Schweigepflicht und Datenschutz zu beachten ist.
Dabei wird
nicht nur auf die Schweigepflicht im Allgemeinen, sondern beispielsweise auch in
strafrechtlichen Verfahren eingegangen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die
Verwaltung von Patientendaten - ein Thema, das besonders im heutigen digitalen
Zeitalter immer wichtiger wird. Der Leitfaden gibt Auskunft über die rechtlichen
Rahmenbedingungen bei der Weitergabe von Patientendaten an Krankenkassen,
Versicherungen, Arbeitgeber u.v.m.
In Zeiten von
Datenklau und Internetkriminalität wird der Schutz von Daten immer wichtiger.
Deswegen gibt es zwei eigene Kapitel zu den Themen Praxis-EDV und
Datenschutz-Kontrolle.
Der ausführliche Leitfaden gibt einen
guten Überblick über die bestehende Rechtslage.
Weitere Informationen der Bundesärztekammer und
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung können von der Webseite der LPK-BA
heruntergeladen werden.
eGK:
Nach technischen Problemen (Datenschutz): Die KVB
sagt
alle Informationsveranstaltungen mit Ausstellermessen zu neuen Lesegeräten ab
und stoppt den Basis-Rollout!
(Teil
XV)
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat mit Schreiben v. 1.06.11 alle
Informationsveranstaltungen mit Ausstellermessen zu neuen Lesegeräten abgesagt
und den Basis-Rollout gestoppt. Wegen einer Schwachstelle bei der PIN-Eingabe
des Heilberufeausweises (eHealth-BCS-Terminals) hat die KVB die Hersteller als
auch die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik)
aufgefordert, die Sicherheitslücke durch eine kostenlose Aktualisierung der
Software zu beseitigen.
Die KVB empfiehlt daher auf die Abschaffung der
neuen Lesegeräte vorerst zu verzichten!
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische
Initiativen
Mi, 25. Mai 2011 Redaktionsschluss: 10:45 Uhr
1. (...)
2. Mehr
Datenschutz bei privaten Krankenversicherungen
gefordert
3. (...)
4. (...)
5. (...)
6. (...)
2. Mehr Datenschutz bei
privaten Krankenversicherungen gefordert
Petitionsausschuss
Berlin: (hib/HAU) Der
Petitionsausschuss spricht sich für eine
Verbesserung des Datenschutzes privat
krankenversicherter Personen aus. Während der
Sitzung am Mittwochmorgen beschlossen die
Abgeordneten einstimmig, eine entsprechende
öffentliche Petition dem Bundesfinanzministerium,
dem Bundesgesundheitsministerium, dem
Bundesinnenministerium sowie dem Bundesbeauftragten
für Datenschutz und Informationsfreiheit als
Material zu überweisen und den Fraktionen zur
Kenntnis zu geben.
Der Petent beanstandet in
seiner Eingabe, dass die privaten
Krankenversicherungen (PKV) bei der Abrechnung
psychotherapeutischer Leistungen persönliche Daten
des Versicherten weitergeben würden, obwohl dies für
die Zwecke der Abrechnung nicht erforderlich sei.
Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV), so schreibt
der Petent weiter, würden hingegen ein Verfahren
anwenden, welches die Privatsphäre der Versicherten
respektiere. In der Petition wird daher gefordert,
die privaten Krankenversicherungen zu verpflichten,
ein gleichwertiges Verfahren einzuführen.
Im Ergebnis der
parlamentarischen Prüfung der Petition kommt der
Ausschuss zu der Einschätzung, dass die privaten
Krankenversicherungen tatsächlich zur Überprüfung
ihrer Leistungspflicht häufig Arztberichte,
Krankenhausentlassungsberichte und
Operationsberichte anfordern würden. "Das betrifft
auch die von dem Petenten erwähnten
psychotherapeutischen Gutachten oder Berichte, die
in der Regel besonders sensible, personenbezogene
Daten enthalten", schreibt der Petitionsausschuss in
der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung.
Zugleich wird festgestellt, dass es "im Bereich der
privaten Krankenversicherungen keine dem
Gutachterverfahren der gesetzlichen
Krankenversicherung vergleichbare Rechtsnorm gibt".
Ein zwischen der Versicherungswirtschaft und den
Datenschutzbehörden der Länder im Jahr 1993
abgestimmtes Verfahren sehe lediglich vor, dass
Behandlungs- und Befundberichte dem beratenden Arzt
der Versicherung, nicht jedoch den Sachbearbeitern
zugehen sollten.
Auch wenn aus Sicht des
Petitionsausschusses im Hinblick auf das Verfahren
"derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf
erkennbar ist", hegen die Abgeordneten Zweifel, ob
die mehr als 15 Jahre zurückliegende Vereinbarung
"allen dem Verband der privaten
Krankenversicherungen angeschlossenen
Versicherungsunternehmen bekannt ist und in der
Praxis auch beachtet wird". Vor diesem Hintergrund
sei eine Regelung, die dem Gutachterverfahren der
gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, aus
Datenschutzsicht "wünschenswert", schreiben die
Abgeordneten. Dies gelte insbesondere unter dem
Gesichtspunkt, dass dann für den Umgang mit hoch
sensiblen, personenbezogenen Daten im öffentlichen
wie im nicht-öffentlichen Bereich der gleiche Schutz
gewährleistet wäre.
Nebenbei bemerkt: Ich habe persönlich bis heute (26.05.11) keinerlei inhaltliche
Rückmeldung vom Petitionsausschuß erhalten!
Anmerkung 1: Daß der
Petitionsausschuß keine Notwendigkeit gesetzgeberischen
Handlungsbedarfes sieht, halte ich (das wird kaum überraschen) für
falsch. Hier geht es nicht um Glühbirnen oder DIN-Normen, sonder den
Schutz intimster Daten aus dem Kernbereich der Persönlichkeit, die nach
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts größtmöglichen Schutz
erfordern. Auch ist eine Regelung im Bereich des Gutachterverfahrens bei
Privaten Krankenkassen (analog der GKV) nicht nur "wünschenswert",
sondern unabdingbar. Aber insgesamt erscheint es doch erfreulich, daß
die Abgeordneten die Problematik erkannt haben und sich mit
entsprechenden Maßnahmen auseinandersetzen.
Anmerkung 2: Heute (27.05.11) habe ich
eine erste Mitteilung aus dem Petitionsausschuß erhalten. Darin teilt
mit der Bundestagsabgeordnete (der FDP) Thomae (Schreiben v. 25.05.11)
folgendes mit (Auszug):
Ihre
Petition: Einführung des Gutachterverfahrens in der PKV/Beihilfe
(PET: 2-17-08-7613-001492)
Bei der
nichtöffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am 25. Mai 2011 wurde unter
anderem Ihre Petition zum Thema Einführung des Gutachterverfahrens in der
Privaten Krankenversicherung/Beihilfe beraten und abgestimmt. Weil wir Ihr
Anliegen grundsätzlich für berechtigt halten, haben wir die Petition nicht
zurückgewiesen, sondern an die Bundesministerien für Finanzen, Gesundheit und
dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Material
überwiesen und den Fraktionen zur Kenntnis weiter geleitet. Die Fachausschüsse
werden nun prüfen, ob die Eingabe in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen,
Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbezogen werden
kann.
Das ist auch
ganz
imSinne der
FDP-Bundestagsfraktion. Wir unterstutzen die Forderung nach mehr Wettbewerb bei
den Infrastrukturen der Telekommunikation. Insbesondere wollen wir die nötigen
technischen Voraussetzungen schaffen, so dass medizinische Daten im Bedarfsfall
sicher und unproblematisch von Ärzten, Krankenhäusern und allen anderen
medizinischen Fachkräften und Einrichtungen ausgetauscht werden können.
Eine wie ich finde erfreuliche Reaktion!
Anmerkung 3 (23.06.11):
Inzwischen habe ich mit dem Sekretär des Petitionsausschusses
gesprochen. Er informierte mich darüber, daß es sich bei dem
veröffentlichten Text um die Beschlußempfehlung für den
DBT handelt. Entscheidend sei aber der Beschluß im Plenum, der mir
demnächst mitgeteilt werde. Die Vorabveröffentlichung (hib) ohne
Information an den Petenten hielt er auch für ein Problem, das aber
angesichts der Vielzahl von online-Petitionen (ca 20.000 pro Jahr) kaum
zu vermeiden sei.
Heute im Bundestag: hib Nr.
208, Mi, 25. Mai 2011, 10:45 Uhr
Verfahren gegen den Chefarzt der
Psychiatrischen Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der
Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht (hier: BGH)
(Teil
III)
Der BGH hat nach einem Bericht der Süddeutschen
Zeitung das Urteil des OLG München (4.02.2010 - siehe auch Teil II) gegen Prof. Dr.
Hans-Jürgen Möller zu Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens
bestätigt, der
dem Kläger (dem Teppichhändler und Juristen Eberhart Herrmann) durch Anfertigung und Weitergabe
eines fachärztlichen Attests von Möller (Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus) entstanden ist. Die Klage gegen den Freistaat Bayern (den
Träger und damit Dienstherren Möllers)
wurde, wie schon vom OLG München, abgewiesen. Damit sieht sich Prof. Möller
einer milionenschweren Schadensersatzforderung ausgesetzt: Der Anwalt Herrmanns
(Martin Riemer) bezifferte die Forderung (nachdem das LG München I bereits einen
Schaden von 3,34 Mio. festgesetzt hatte) aufgrund der langen Verfahrensdauer (13
Jahre) auf 7-10 Millionen Euro. Demnächst wird die Schadensersatzklage
beim LG München eingereicht. Weitere Berichte folgen!
Recht auf Einsicht in Patientenunterlagen ungeachtet
ausstehender Rechnungen (LG München, Az.: 9 O
5324/08)
Bericht der Ärzte Zeitung online (18.05.2011):
Ärzte müssen Patienten unter allen Umständen Einsicht in
die Behandlungsunterlagen gewähren. Das ist auch dann der Fall, wenn
Privatpatienten dem Arzt Behandlungshonorar schulden.
In einer rheumatologischen Privatpraxis in Köln hatte eine
Patientin ihre Rechnung nicht bezahlt, obwohl sie die Erstattung durch den
privaten Krankenversicherer schon erhalten hatte.
Der Arzt teilte der Frau mit, dass er bis zur Begleichung
der ausstehenden Beträge die Behandlung nicht fortsetzen würde. Daraufhin wollte
die Patientin eine Kopie ihrer Behandlungsunterlagen haben - wahrscheinlich, um
sich einen anderen Arzt zu suchen.
Jetzt wollte der Arzt wissen: Sind die offenen Rechnungen
ein Grund, der Frau die Herausgabe der Unterlagen zu verweigern? Das sind sie
nicht.
"Die Honorarforderung und das Recht des Patienten auf
Einsicht in die Unterlagen stehen in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis",
erläutert der Justiziar der Ärztekammer Nordrhein Dr. Dirk Schulenburg. Um an
sein Honorar zu kommen, bleibe dem Arzt keine andere Möglichkeit, als es
zivilrechtlich einzuklagen.
Wenn es um das Kopieren der Unterlagen geht, kann er
allerdings auf eine sofortige Kostenerstattung drängen. "Bei den Kopierkosten
hat der Arzt ein Zurückhaltungsrecht", sagt Schulenburg.
Nach einem Urteil des Landgerichts München I müssen Ärzte
die Kopien nur aushändigen, wenn ihm die Kosten für die Fertigung der Kopien
erstatten werden.
Der Jurist weist darauf hin, dass der Arzt seine Kollegen
nicht darüber informieren darf, dass die Patientin ihm Honorar schuldet. "Es
darf keine schwarzen Listen geben", betont Schulenburg. Schon die Tatsache, dass
jemand Patient in einer Praxis ist, unterliegt der Schweigepflicht - und deshalb
auch seine Zahlungsmoral.
Anmerkung: Die Entscheidung
kommt nicht überraschend - das Verhalten des Arztes schon eher. Und die
auch schon zu hörende Forderung einzelner ÄrztInnen eine 'Patienten-Schufa'
einzurichten, läßt an der ethischen Haltung und fachlichen Kompetenz
dieser ÄrztInnen zweifeln.
Die AOK und die Barmer GEK bieten neuerdings ein Portal (arztnavi) an, mittels
dessen FachärztInnen gesucht und bewertet werden können. Die jeweiligen Masken
sind vom Aussehen her etwas unterschiedlich, inhaltlich aber gleich. Über den
Sinn & Unsinn von Bewertungsseiten läßt sich trefflich streiten - nicht zuletzt
sind hier auch Fragen des Persönlichkeit- und Datenschutzes angesprochen.
Die Arzt-/Psychotherapeutensuche ist grundsätzlich sehr gut aufgebaut: M. W.
erstmalig können dort im Feld "Fachgebiet" unter dem Stichwort "Ärztliche und
psychologische Psychotherapie") PsychotherapeutInnen in ihrer Gesamtheit ("Alle
Psychotherapeuten") oder je nach ihrem Grundberuf
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (psychologisch)
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (ärztlich)
Psychiatrie und Psychotherapie
Psychologische(r) Psychotherapeut/in
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Psychotherapeutische Medizin
gesucht werden. Die Datenquelle (www.weisse-liste.de)
ist allerdings nicht auf dem neuesten Stand, zudem werden auch KollegInnen
erfaßt, die keine Kassenzulassung haben!
FHM: Das Patientengeheimnis in der Schweiz ist massiv
gefährdet!
Die FMH (Fédération des médecins suisses) ist der Berufsverband der Schweizer
Ärzteschaft und die Dachorganisation der kantonalen und fachspezifischen
Ärztegesellschaften mit über 35 000 Mitglieder (das entspricht ca. 95% der
berufstätigen ÄrztInnen in der Schweiz). In einer Medienmitteilung (20.04.2011)
heißt es:
Kinderschutzgesetz (Bund):
Bei der zuständigen Ministerin Schröder setzt sich die Erkenntnis durch, daß
eine Offenbarungspflicht für (Kinder-)ÄrztInnen kontraproduktiv ist.
(Teil IV)
Das geplante Bundesgesetz wird nach Aussagen der
Ministerin Kristina Schröder keine Offenbarungspflicht der ÄrztInnen beinhalten,
die einen Verdacht auf Mißbrauch kindlicher PatientInnen hegen. In einem
Interview mit der Ärzte Zeitung (online v. 21.04.2011) sagte sie:
Wir haben über ein Jahr lang in einem sehr konstruktiven
fachlichen Prozess unter Einbindung aller Akteure dieses Gesetz vorbereitet. Die
"Befugnisnorm" im neuen Bundeskinderschutzgesetz legt nun fest, dass der Arzt
das Jugendamt informieren kann, er muss es aber nicht.
Wäre es eine Pflicht, könnte das Vertrauensverhältnis
zwischen Eltern und Arzt so geschädigt werden, dass die Eltern nicht mehr mit
ihrem Kind zum Arzt gehen. (...)
Jetzt kann das Jugendamt bereits dann informiert werden,
wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Nach
geltendem Bundesrecht ist dies nur möglich, wenn eine akute Gefährdungssituation
für Leib oder Leben des Kindes dies dringend erfordert.
Was aber nicht übersehen werden darf: Vorrang hat immer
das vertrauensvolle Gespräch des Arztes mit den Eltern. Der Arzt sollte bei den
Eltern dafür werben, selbst im Rahmen ihrer elterlichen Erziehungsverantwortung
die notwendigen Schritte zum Schutz des Kindes zu unternehmen.
Anmerkung: Erfreulich ist,
daß sich die auch von mir vertretene Ansicht - (immer weitere) Einschränkungen
der Diskretion & Schweigepflicht weder dazu geeignet sind, das Vertrauen der
Bevölkerung in die Verschwiegenheit der von ihnen in Anspruch genommenen
Berufsgruppen (hier: KinderärztInnen) zu stärken, noch die Sicherheit
gefährdeter Kinder wesentlich zu verbessern - teilweise bei den ExpertInnen und
bei der Ministerin durchgesetzt hat. Ob es eine Befugnisnorm tatsächlich braucht
scheint mir allerdings nach wie vor keineswegs eindeutig. Zum Einen: Liegen
"gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vor", handelt es sich
also nicht um einen vagen Verdacht, dann stellt sich die Frage, ob nicht bereits
"eine akute Gefährdungssituation für Leib oder Leben des Kindes" vorliegt - und
damit die Voraussetzungen eines Bruches der Schweigepflicht (§ 203 StGB i.V.m. §
34 StGB). Zum Anderen: Sind Eltern und Kind PatientInnen der/s behandelnden
Ärztin/Arztes, so besteht im Falle eines Anhaltspunktes für Mißhandlung eine
besondere Garantenstellung gegenüber dem Kind - jedenfalls dann, wenn anzunehmen
ist, daß weiter Mißhandlungen zu befürchten sind. In diesem Fall wäre auch -
wenn der Mißbrauch anderweitig nicht zu verhindern ist - eben durch das
ärztliche Gespräche oder eine Therapie der Eltern und/oder des Kindes - ein
(angemessener) Bruch der Schweigepflicht möglich. Richtig ist aber, daß eine
gesetzliche Befugnisnorm hier Rechtsklarheit schafft. Man sollte sich aber schon
vor Augen führen, daß Verletzungen der Schweigepflicht durch ÄrztInnen (und
Angehörige anderer verpflichteter Berufsgruppen) an der Tagesordnung sind - ohne
daß es je zu einem Straf- oder berufsrechtlichen Verfahren käme. Liegen hingegen
gute Gründe für die Verletzung der Schweigepflicht vor, so wäre - selbst für den
Fall daß es zu einem Verfahren kommt - eine Verurteilung wenig wahrscheinlich.
Ärzte Zeitung (online): Interview mit der Bundesfamilienministerin (21.04.2011)
Vorsicht bei Facebook auf beruflich genutzten Rechnern
von ÄrztInnen, (ärztlichen & nichtärztlichen) PsychotherapeutInnen und
Angehörigen anderer schweigepflichtiger Berufsgruppen
Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
Prof. Dr. Johannes Caspar hat auf die Gefahr von Facebook-Funktionen auf
Rechnern hingewiesen, die beruflich von schweigepflichtigen Berufsgruppen
genutzt werden. Im Stiftungsbrief der Stiftung Gesundheit (2.
Quartal 2011) schreibt er dazu unter der Überschrift "Vorsicht mit
Patientenkontaktdaten bei Facebook":
Soziale Netzwerke boomen. Auch einige Ärzte und Vertreter
anderer Heilberufe sind dort aktiv. Doch lauern dabei erhebliche und oft kaum
erkennbare Gefahren für den Datenschutz. Insbesondere Facebook sammelt über sein
"Freunde-Finder-Verfahren" gewaltige Datenmengen und berechnet daraus
Beziehungsgeflechte. So wunderten sich schon mehrere Ärzte darüber, dass ihre
Patienten Einladungen zu Facebook erhielten, in denen ihnen andere Patienten mit
Name und Bild als "mögliche Bekannte, die schon auf Facebook sind" präsentiert
wurden. Der Hintergrund: Die Ärzte hatten einen automatischen Abgleich ihres
iPhone-Adressbuchs mit ihrem Account auf Facebook durchgeführt – Facebook nutzte
die Daten für eigene Zwecke. Facebook sollte niemals Zugriff auf beruflich
genutzte Adressbestände gewährt werden! Auch der Facebook "Like-Button" auf der
eigenen Homepage ist bedenklich und wird gegenwärtig geprüft. Noch ist jedoch
unklar, welche Daten darüber übertragen werden, daher ist auch hier Vorsicht
geboten. Stiftungsbrief 2. Quartal 2011: 1)
In einem Artikel auf der folgenden Seite (Patienten-Informationen vor
Facebook schützen. "Gefällt mir"-Button datenschutzrechtlich
bedenklich), können weitere Informationen zu diesem Thema nachgelesen
werden.
Anmerkung 1: Manchmal staunt
der Laie und der Experte wundert sich - wer kommt auf die Idee,
auf seinem Praxisrechner zu nutzen? Selbst in Praxen mit zahlreichen
(ärztlichen und nichtärztlichen) MitarbeiterInnen sollte klar sein, wo
die Grenze zwischen privater und beruflicher Nutzung von PCs verläuft -
auch ohne daß es gleich um Vorfälle wie die hier geschilderten
(Übermittlung von Patientendaten an Facebook) geht. Weiter ist
allerdings auch davon abzuraten,
Patientendaten auf einem ständig mit dem Internet verbundenen Rechner
einzugeben und zu speichern.
Anmerkung 2 (16.06.2011): In
meiner obigen Überlegung hatte ich noch gar nicht berücksichtigt, daß
ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen eine berufliche Facebook-Seite einrichten
könnten - eine Art Praxisseite. Aber das war nur eine Frage der Zeit -
öffentlich bekannt wurde jetzt der Hausarzt Hans Joachim Schirner aus
Langenfeld (Bayern), der wie er berichtet, gute Erfahrungen gemacht hat.
M. E. gibt es neben den datenschutzrechtlichen Fragen (siehe oben) auch
ein grundsätzliches Problem:
Im Bericht der Ärzte Zeitung (online):
14.06.2011 heißt es u. a.:
Mittlerweile hat Schirner sein Praxisprofil
komplett freigeschaltet und Patienten können sich jetzt, wenn sie das
mögen, an der Kommunikation auf der sogenannten "Pinnwand" beteiligen.
"Das muss jeder natürlich für sich entscheiden, ob er offiziell auf
meinem Profil erkennbar sein möchte."
Formaljuristisch, ist der Datenschutz und die Schweigepflicht hier nicht
berührt (PatientInnen outen sich ggf. auf eigene Initiative). Dennoch
halte ich es für ausgesprochen problematisch, wenn der geschützte
ärztlich-therapeutische Raum (wenn auch nur partiell) geöffnet wird -
wichtig erschiene mir hingegen der dezidierte Hinweis auf dessen
Bedeutung und Schutzwürdigkeit, als Voraussetzung einer wirksamen
Beziehung/Behandlung. Andernfalls wird unterschwellig ein mehrdeutiges (ambigues)
Signal an PatientInnen gesendet.
Ich weise ja auch immer wieder darauf hin (das richtet sich nun in
keiner Weise gegen Herrn Schirner), daß insbesondere niedergelassene
ÄrztInnen in großer Zahl ihre Schweigepflicht brechen, wenn PatientInnen
bei Anrufen in der Praxis den Namen und Teile der Krankengeschichte
anderer PatientInnen mithören können oder Einblick in fremde
Patientenkarteien (auf dem Tresen) oder fremde Daten auf dem
PC-Bildschirm nehmen können. Vertraulichkeit, Diskretion und
Schweigepflicht sind entgegen aller Bekundungen von
ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen keineswegs immer Fundamente
ärztlich-psychotherapeutischen Handelns!
Nach 1987 (BRD) und 1981 (DDR) ist die Volkszählung 2011 nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes die erste vollständige Erhebung im heutigen
Bundesgebiet. Da man sich seit den damaligen Zählungen bei der Ermittlung der
aktuellen amtlichen Einwohnerzahl mit dem Statistischen Verfahren der
Bevölkerungsfortschreibung beholfen habe, seien diese in der Zwischenzeit
ungenau (Quelle:
Statistisches Bundesamt 2011).
Anders als häufig in der Öffentlichkeit und in den Medien dargestellt sind
keineswegs nur 10% der Bevölkerung von der Volkszählung 2011 betroffen.
Tatsächlich geht es um drei Ebenen der Datenerfassung bzw. der Datenübermittlung
an das Statistische Bundesamt:
1. Ebene
alle Meldeämter, die Agentur für Arbeit und
die nach dem Finanz- und Personalstatistikgesetz
auskunftspflichtigen Stellen, das
Bundesverteidigungsministerium (im Ausland befindliche Soldaten
und andere für die Bundeswehr Tätige), das Bundesinnenministerium
(im Ausland befindliche Polizeiangehörige, Geheimdienstler usw.), das Auswärtige Amt (im Ausland befindliche Diplomaten usw.)
übermitteln sämtliche Daten der gemeldeten bzw. erfassten Personen
(Verknüpfung über Ordnungsnummern) - Stichtag: 1.11.2010 (bereits
erfolgt!)
2. Ebene
alle Wohnungs- bzw. HauseigentümerInnen werden befragt
(Fragebögen); ca. 17,5 Millionen Menschen Stichtag: 9. 05. 2011
3. Ebene
repräsentative Stichprobe von bis zu 10% des
ermittelten Personenkreises, die detailliert befragt werden;
ca. 7,9 Millionen
Menschen (per Zufallsverfahren) - Stichtag: 9.05.2011
4. Ebene
Sonderbereich-Befragungen:
Befragung aller BewohnerInnen/Insassen
in/von Internaten,
Studentenwohnheimen, Klöstern, Seniorenwohnheimen,
Behindertenwohneinrichtungen, Gefängnissen, psychiatrischen Kliniken,
Obdachlosenunterkünfte. Erfragt werden Daten die zum Abgleich mit den
Auszügen aus den Melderegistern notwendig sind.
Falls die Betroffenen
nicht in der Lage sind, den Fragebogen selber auszufüllen, dürfen die
EinrichtungsleiterInnen die Beantwortung der Fragen vornehmen.
Es wird unterschieden in 'sensible' und
'nicht-sensible' Sonderbereiche. Bei nicht-sensiblen Sonderbereichen
erfolgt die Befragung durch Volkszähler. Und für sensible Bereiche
werden besonders geschulte Volkszähler eingesetzt, die nicht die
einzelnen Personen sondern den Anstaltsleiter befragen und dort Einblick
in Akten erhalten, ohne dass personalisierte Details in die Beantwortung
der Fragebögen einfließen dürfen (Quelle:
Zensus11-Stoppt die
Vollerfassung)
Stichtag: 9.05.2011
Art der erfragten/übermittelten Daten: Eine Übersicht der erhobenen Daten (und
ihrer jeweiligen Quelle) finden sie bei der Aktion
Zensus11-Stoppt die Vollerfassung, eine Initiative des
AK
Vorratsdatenspeicherung, (Zusammenschluss von Bürgerrechtlern,
Datenschützern. und Internetnutzern der in Zusammenarbeit mit weiteren
zivilgesellschaftlichen Initiativen überparteilich und unabhängig agiert).
Ein Ziel der Volkszählung besteht darin, eine umfassende und nahezu vollständige
Adress-, Wohnungs- und Gebäude-Datenbank zu erstellen, die mit allen erfragten
und abgerufenen Daten angereichert wird. Wer sich gegen die Erhebung von Daten
wehrt (also Fragebögen nicht ausfüllt, den VolkszählerInnen keine Auskunft gibt)
begeht keine Straftat, aber eine Ordnungswidrigkeit, die ein Bußgeld nach sich
ziehen kann.
Eine Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus wurde vom Bundesverfassungsgericht
(Beschluss
v. 21.09. 2010) nicht zur Entscheidung
angenommen.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat in seinem gerade veröffentlichten
23.
Tätigkeitsbericht erhebliche Bedenken gegen die Volkszählung 2011 angemeldet
(S. 95f). Die Aktion Zensus11-Stoppt die Vollerfassung (AK
Vorratsdatenspeicherung) hat die entsprechenden Aussagen (Tätigkeitsbericht und
Innenausschuss-Wortprotokoll vom 20.4.2009 bei dem es um den
Gesetzentwurf des Zensusgesetzes) in Auszügen wiedergegeben.
Änderung der Beihilfeverordnung Bayern (BayBhV):
Einführung der Pseudonymisierung der
Patientendaten im Gutachterverfahren Psychotherapie
In Gesprächen mit dem Bayerischen
Finanzministerium hat sich die Bayerische Landeskammer der
Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten für
eine Verbesserung des Datenschutzes im Beihilfeverfahren eingesetzt. Das hat nun
erfreulicherweise zu einer Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV)
geführt. Damit wird Pseudonymisierung der Patientendaten im Gutachterverfahren
Psychotherapie verbindlich (Art.
9 Abs. 2 Nr. 3 der neuen Fassung).
§ 9 (Allgemeine Abrechnungsgrundlagen für
psychotherapeutische Leistungen)
(2) Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen,
die zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren gehören und nach den
Abschnitten B und G der Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet werden,
sind beihilfefähig, wenn
1.
sie der
Feststellung, Heilung oder Linderung von seelischen Krankheiten nach
Abs. 1 dienen, bei denen Psychotherapie indiziert ist,
2.
nach einer
biographischen Analyse oder Verhaltensanalyse und gegebenenfalls nach
höchstens fünf, bei analytischer Psychotherapie bis zu acht
probatorischen Sitzungen die Voraussetzungen für einen Behandlungserfolg
gegeben sind und
3.
die Festsetzungsstelle vor Beginn bzw.
Verlängerung der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf
Grund eines auf einem pseudonymisierten
Bericht der Therapeutin bzw. des
Therapeuten beruhenden vertrauensärztlichen Gutachtens zur Notwendigkeit
und zu Art und Umfang der Behandlung anerkannt hat.
Satz 1 gilt nicht für psychotherapeutische Behandlungen im
Rahmen von stationären Krankenhaus- oder Rehabilitationsbehandlungen. Für das
Erstellen von Gutachten nach Satz 1 Nr. 3 benennt das Staatsministerium der
Finanzen geeignete Gutachterinnen und Gutachter und gibt diese durch
Verwaltungsvorschrift bekannt.
Wie mir der Justitiar der
Kammer mitgeteilt hat werden nach Information des Finanzministeriums die
entsprechend überarbeiteten Formblätter in Kürze vorliegen. Die
Regelungen zur Psychotherapie (Art. 9 ff. BayBhV) wurden im Rahmen der
Novelle der Verordnung umfassend überarbeitet. Die neue Fassung der BayBhV
sind über die Webseite der Bayerischen
Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten
(Wir über uns / Rechtsvorschriften / Sonstige Rechtsquellen) abrufbar.
Den direktem Link finden Sie unten.
Anmerkung: Die von mir Ende
2009 eingereichte Petition hat bis heute kein Ergebnis. Sie ist nach wie
vor in Bearbeitung, ohne daß ich bisher eine inhaltliche Rückmeldung
erhalten hätte.
Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-,
Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV)
vom 2. Januar 2007 (letzte berücksichtigte Änderung: mehrfach geändert;
F. v. 11.3.2011, 130)
www.ptk-bayern.de
(Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeuten)
Diskussion zur Regelung des Zugriffs auf sensible
Patientendaten durch die Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen auf der
Gesundheits-IT-Messe (conhIT) in Berlin (5.-7.04.2011)
Auf der Gesundheits-IT-Messe (conhIT) in Berlin wurde über zwei Arbeitspapieren
der Konferenz der Datenschutzbeauftragten diskutiert. Dabei ging es insbesondere
um die Frage der Regelung des Zugriffs auf sensible Patientendaten durch die
Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen - speziell beschäftigten sich die
Datenschützer mit Klinikinformationssystemen (KIS). Bei einer stichprobenartigen
durchgeführten Überprüfung hatte sich gezeigt, daß in einzelnen Einrichtungen
MitarbeiterInnen auf sämtliche (aktuelle und alte) Patientendaten zugreifen
konnten. Daher empfehlen sie (auch für andere Einrichtungen, z. B.
Gemeinschaftspraxen, MVZs), ein Nutzer- und Zugriffsmanagement einzurichten.
Neben der Identifizierung von MitarbeiterInnen, sollen nur diejenigen auf
entsprechende Patientendaten zugreifen dürfen, die an der Behandlung unmittelbar
beteiligt sind. Krankenhäuser und IT-Industrie reagierten kritisch auf die
Stellungnahmen der Datenschützer - so wies der Vorsitzender des Bundesverbands
Gesundheits-IT (Andreas Lange), daraufhin, daß zuviel Datenschutz problematische
Folgen für die medizinische Versorgung haben könne. Aus seiner Sicht müßte die
Patientensicherheit Vorrang vor dem Datenschutz haben.
Den Bericht von Philipp Grätzel von Grätz: "Patientendaten sind hochsensible
Informationen, die geschützt werden müssen. Datenschützer empfehlen
medizinischen Einrichtungen daher ein umfassendes Nutzer- und Zugriffsmanagement
innerhalb ihrer EDV-Struktur" finden Sie in der Ärzte Zeitung (online) v.
07.04.2011.
Anmerkung: Die von den
Datenschützen geforderten Regelungen sind eine Selbstverständlichkeit -
es ist weder neu noch überraschend, daß (nicht nur im Bereich des
Datenschutzes und der Schweigepflicht) ausreichende Regelungen
existieren, an die sich viele Zeitgenossen nicht halten: Wo kein Kläger,
da kein Richter!
eGK: Ausgabe der ersten Karten an Versicherte und Pauschalen der
KVen zum Erwerb onlinefähiger Lesegeräte
(Teil
XIV)
Der Rollout der eGK nimmt durch den auf die Gesetzlichen Krankenkassen
ausgeübten (finanziellen) Druck Gestalt an. Die Aktion "Stoppt die e-Card"
informiert über den derzeitigen Stand des Projekts (E-Mail v. 8.04.2011).
Brisant ist dabei insbesondere die ganz aktuelle Frage der Anschaffung neue
Lesegeräte durch niedergelassene VertragsärztInnen und vertragsärztliche
PsychotherapeutInnen:
Liebe Praxisärztinnen und Praxisärzte,
Sicher haben auch Sie in den letzten Wochen immer
dringendere Aufforderungen von Seiten Ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen
bekommen, sich jetzt unverzüglich ein neues Kartenlesegerät anzuschaffen. Es sei
damit zu rechnen, dass ab dem 4. Quartal 2011 Einzelne Ihrer Patienten
mit neuen „elektronischen Gesundheitskarten“ in Ihrer Praxis erscheinen werden.
Wie ist die Lage? Müssen Sie sich neue Kartenlesegeräte
zulegen?
Durch eine Gesetzesänderung in 2011 werden die
Krankenkassen jetzt genötigt, „Elektronische Gesundheitskarten“ an 10% ihrer
Versicherten ab 01.10.2011 auszugeben. Anderenfalls drohen
Millionenstrafen. Nur so konnten die Krankenkassen gezwungen werden, die seit
2006 überfällige neue Karte auszugeben, obwohl sie nach dem Scheitern aller
Tests nicht mehr wirklich vom Projekt überzeugt sind. Die erzwungene Ausgabe der
„Elektronischen Gesundheitskarten“ soll bis ca. Ende 2013 erfolgen. Für einige
Jahre wird es also noch parallel alte und neue Karten geben. Sie müssen ab dem
4. Quartal 2011 nur in der Lage sein, die neuen Karten mit Ihrem
Lesegerät auszulesen. Eine Onlineanbindung Ihrer Praxis wird noch lange nicht
nötig sein. Und wir hoffen, dass dies auch auf Dauer verhindert werden kann.
Man rechnet damit, dass die erste „ Onlineanwendung“, die geplante elektronische
Verwaltung der Daten Ihrer Versicherten in Ihrer Arztpraxis frühestens ab
2014 oder 2015 beginnen kann. Wenn überhaupt!
Der „Deutsche Ärztetag“ 2011 hat die e- Card und die
Onlinestammdatenverwaltung in den Praxen abgelehnt!
Wir hoffen also noch, dass sich hier Ärzte, Patienten- und
Bürgerrechtsverbände endgültig durchsetzen können. Was also ist bis dahin nötig?
Ihre Praxis muss nur ein einfaches Kartenlesegerät vorhalten, mit dem Sie die
alte KVK und die neue e- Card auslesen können.
Sie brauchen also jetzt kein „onlinefähiges“ Gerät!
Alle Experten gehen überdies davon aus, dass in 3-4 Jahren
die jetzt in 2011 eingebauten teuren onlinefähigen „BCS e- health“ Terminals
bereits technisch überholt sein werden. Sie müssen also damit rechnen, in 2014
oder 2015 erneut ein technisch weiter entwickeltes Kartenlesegerät kaufen zu
müssen, welches dann sicherlich nicht noch einmal von den Kassen bezahlt werden
wird.
Gibt es denn einen Grund, dass man sich die neuen
Kartenlesegeräte nicht von den Krankenkassen bezahlen lassen soll?
Ja. Es ist wenig bekannt, dass es schon seit 2008 einen
Bundesmantelvertrag Ärzte (BMÄ 2008) gibt. Schon damals haben Kassen und die KBV
geplant, den Arztpraxen die Verwaltungsarbeit für die Stammdaten aufzuzwingen.
Wenn Sie sich also jetzt die onlinefähigen
sogenannten „BCS e-health “ Kartenlesegeräte schenken lassen, wird man
Sie später deutlich leichter verpflichten können, die zeitraubende,
minutenlange (!) „Stammdatenaktualisierung“ der Daten Ihrer Patienten
(Statuswechsel, Adressänderungen etc.) online am Tresen Ihrer Arztpraxen
vorzunehmen.
Es ist auch eine Frage des politischen Widerstandes der
Ärzteschaft, ob sich die Praxen dem Druck beugen oder nicht. Der bisherige
Widerstand von Ärzten und Patienten hat schon jetzt dazu geführt, dass das
Projekt insgesamt „ abgespeckt wurde bis aufs Gerippe“. Dieser erfolgreiche
Weg sollte weiter beschritten werden!
Welche Geräte sollten Sie jetzt anschaffen?
Wir empfehlen Ihnen, wenn Sie es nicht zufällig schon
besitzen sollten, ein sogenanntes MKT+ Terminal (Multikartenterminal) zu
nehmen. Diese wurden 2009 für die e-Card zertifiziert. Sie lesen die alten und
die neuen Karten aus, sind aber nicht onlinefähig. Damit sind sie
nicht geeignet, um Ihr Praxisdatensystem an die Computeranlagen der
Krankenkassen anzubinden. Und genau das wollen auch die meisten Arztpraxen
nicht, und in diesem Sinne ist z.B. das MKT + Kartenlesegerät von der Firma
Cherry MKT + ST- 2052 für den geringen Preis von 60 Euro geeignet. Weitere MKT +
Terminals finden Sie in unter
gematik.de. Bestehen Sie gegenüber Ihrer Softwarefirma
auf den Anschluss eines solchen MKT+ Kartenlesegerätes, das allerdings
nicht bezuschusst wird! Aber das sollte Ihnen die Sicherheit Ihrer
Praxisdaten wert sein.
Arbeitet die Aktion „Stoppt die e- Card „weiter?
Ja, die bundesweite Bürgerinitiative aus inzwischen 48
Verbänden und Organisationen wird weiter versuchen, dieses unsinnige, teure und
gefährliche Projekt der Datenverlagerung aller Krankheitsdaten in große
Internetstrukturen zu verhindern. Wir werden Sie auch weiter auf dem Laufenden
halten.
Dr. med. Silke Lüder
Gabi Thiess,
Patientenvertreterin
Kai-Uwe Steffens,
AK Vorratsdatenspeicherung
Dr. Manfred Lotze,
IPPNW
Anmerkung 1: Ich teile die Bedenken und
Forderungen der Aktion. Allerdings bin ich nicht so sicher, daß der Erwerb eines
onlinefähigen Lesegeräts tatsächlich (im Unterschied zur Anschaffung eines
Geräts, das nicht online gehen kann) dazu führen wird, daß "man (...) später
deutlich leichter verpflichte(n)t" werden kann, die
Stammdatenaktualisierung online vorzunehmen. Vermutlich wird diese über kurz
oder lang - und trotz aller anderslautender Bekundungen von 'Freiwilligkeit'
- verpflichtend eingeführt werden. Und das sicherlich ganz unabhängig von der Frage
der bis dahin in der jeweiligen Praxis eingesetzten Kartenlesegeräte.
Anmerkung 2: Die "Freie Ärzteschaft"
ruft (Stand 27.03.2011) dazu auf das "Chaosprojekt" zu boykottieren - nach
der jüngsten Änderungsverordnung zur e-Card von Januar 2011 sei diese lediglich
noch für Notfalldaten (offline!) und den Versichertenstammdatendienst (VSD)
geeignet: "Aber selbst diese beiden Anwendungen sind noch in jahrelanger Ferne,
weil am Wiederanfang der Planungsphase!" Die Freie Ärzteschaft empfiehlt
daher (auch im Hinblick auf die hohen Kosten der onlinefähigen Geräte und die
dadurch verbrauchten Versichertengelder) nicht-onlinefähige Geräte
anzuschaffen, mit denen sowohl die alten wie auch die neuen Karten gelesen
werden können (z. B. MKT für ca. 65 Euro). Auch könnten viele bisher verwendete
Geräte die neue eGK lesen (www.freie-aerzteschaft.de).
Das zitierte Dokument (Wollen Sie als Arzt oder Ärztin wirklich zur Außenstelle
der Krankenkassen werden?) finden sie unter
www.diekrankheitskarte.de.
Anmerkung 3: Nach einem Bericht der
Ärzte Zeitung online (13.04.11)
wirft "die schleppende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte" nach
Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar datenschutzrelevante
Fragestellungen auf. In seinem Tätigkeitsbericht 2009/10 kritisiert er die u. a.
die geplante Verschlüsselungstechnik. "Die bisher ausgegebenen elektronischen
Gesundheitskarten der Generation 1 sind mit einer Verschlüsselungstechnologie
ausgestattet, deren Kryptoalgorithmen nach der maßgeblichen BSI-Richtlinie
TR-03116 bis zum Jahr 2015 zulässig sind". Da sowohl die Kassen wie auch die
Industrie aus betriebswirtschaftlichen Gründen von einer Mindestlaufzeit der
Versichertenkarten von 5 Jahren rechneten müssten bereits Versichertenkarten der
Generation 2 ausgegeben werden. Nach Ansicht von Schaar sei nun mit einer
Verlängerung der Algorithmen-Laufzeit bis 2017 zu rechnen.
Rundfax (pdf-Datei): Aktion
„Stoppt die e- Card" informiert (8.04.2011)
Einsatz von Call-Centern in der ärztlichen und
psychotherapeutischen Praxis: Verstoß gegen die Schweigepflicht
Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche seltsamen Blüten der Einsatz
moderner Kommunikationsmittel - in Verbindung mit einer zunehmend
arbeitsteiligen, überwiegend auf Leistung, Effektivität und Wirtschaftlichkeit
ausgerichteten Welt - treibt. Das betrifft zunehmend auch den
ärztlich-psychotherapeutischen Bereich. Neuerdings bietet etwa die im Ausland
(Großbritannien: Fareham, südwestlich von London) ansässige Firma cSc (call
Service center) an, das Praxispersonal von berufsfremden Aufgaben ("nicht
berufsbezogen", "Telefonistin") zu entlasten. Die Vorteile eines solchen
Vertrages böten "ein großes Einsparpotential (...), beispielsweise durch einen
verbesserten Personaleinsatz und durch eine absolute Erreichbarkeit der
Arztpraxis, auch in den Zeiten in denen die Praxis nicht besetzt ist". Weiter
heißt es:
Darüber hinaus bieten wir Ihnen eine zuverlässige und
aktive Terminverwaltung an. Ihre Patienten rufen in Ihrer Praxis an, und das
Gespräch wird automatisch auf unseren Telefonservice umgeleitet. Wir halten die
Anliegen Ihrer Patienten fest und notieren Termine, Terminverlegungen und
Terminabsagen sowie Rezept und / oder Überweisungswünsche (Ziatat aus der
E-Mail-Werbung 12.02.11, 18:35).
Schon die Begründung, die es handle sich bei der Annahme von Telefonaten und
Terminvergabe um eine nicht berufsbezogene Tätigkeit ist absurd. Gerade der
Telefonkontakt (die Herstellung und das Halten einer Beziehung) ist eine der
zentralen Aufgaben des Praxispersonals. Dabei ist nicht entscheidend, ob es
(nur) um einen Termin, Überweisungsschein oder Rezept geht, oder das aktuelle
Leiden (körperliche und/oder psychische Beschwerden) mitgeteilt wird.
Nach meiner Ansicht verstoßen ÄrztInnen und nichtärztliche PsychotherapeutInnen,
die einen entsprechenden Vertrag mit einer solchen Firma schließen, gegen die
Schweigepflicht. PatientInnen müßten zuvor aufgeklärt werden, daß sie mit einer
externen (nicht der Praxis zugehörigen Stelle bzw. Person/en) sprechen und ihre
jeweilige Zustimmung erteilt haben - genau das ist (bei neuen PatientInnen) aber
unmöglich. Bereits die Tatsache, daß PatientInnen einen Termin vereinbaren
möchten stellt ein Geheimnis im Sinne des § 203 StGB dar, das entsprechend
gewahrt werden muß. Hinzu kommt, daß meist und gerade schon im Erstkontakt dem
Praxispersonal höchst intime Informationen anvertraut werden - im Vertrauen auf
den geschützten Raum der Praxis bzw. die Schweigepflicht der ÄrztInnen,
ärztlichen/nichtärztlichen PsychotherapeutInnen und des jeweiligen
Praxispersonals!
Man muß kein Prophet sein um zu prognostizieren, daß solche Firmen bzw. Angebote
auf dem Vormarsch sind. Ich werde daher mit den zuständigen Stellen für den
Datenschutz Kontakt aufnehmen.
Bespiel für eine
entsprechendes Dienstleistungsangebot: cSc call Service center (www.scs-europa.de)
Kodierrichtlinien: Konflikt mit dem
Bundesdatenschutzgesetz?
Über die
Pressemeldung der Bürgerinitiative Gesundheit: Deutsche Gesellschaft für
Versicherte und Patienten e. V. (DGVP) wurde ich auf eine datenschutzrechtliche
Frage im Zusammenhang der Einführung der ambulanten Kodierrichtlinien (ÄrztInnen
und nichtärztliche PsychotherapeutInnen im Bereich der ambulanten
vertragsärztlichen Versorgung) aufmerksam. Die DGVP weist darauf hin, daß mit
den Richtlinien deutlich mehr Diagnosedaten erhoben, verarbeitet und übermittelt
werden, als dies bisher der Fall ist. Aus der Sicht der Gesellschaft
widerspricht dies § 3a des Bundesdatenschutzgesetzes: Die Erhebung, Verarbeitung
und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl und Gestaltung von
Datenverarbeitungssystemen sind an dem Ziel auszurichten, so wenig
personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen.
Weiter schreibt die DGVP:
"Bereits jetzt existieren
gemeinsame geheime Datenbanken der Versicherungsgesellschaften (Uni-Wagnis-Datei
bzw. HIS = Hinweis- und Informationssystem), in der gesundheitliche Probleme von
Versicherten und Patienten gespeichert werden." (Presseinformation 01/2011: 2)
Anmerkung 1: Wenn sich die Datenmenge
durch die Kodierung tatsächlich deutlich erhöht, so scheint der Einwand der DGVP
berechtigt. Genau das wird aber von der KBV in ihrer Broschüre
Klartext bestritten, unter der Überschrift "Schutz
vor Datenmissbrauch" heißt es:
Die
Anzahl der Diagnosen, die der Arzt oder Psychotherapeut an die GKV
weiterleiten muss, verringert sich durch die Anwendung der AKR. Denn
diese sehen vor, dass die Praxis nur noch die Diagnosen weitergibt,
wegen derer der Patient im jeweiligen Quartal behandelt wurde. „Eine
bereits therapierte Gastritis oder ein vor Jahren kodierter Verdacht
auf eine Alkoholabhängigkeit bleiben beim Arzt und werden nicht
mitgeschickt, sofern sie für die Behandlung im aktuellen
Abrechnungsquartal nicht von Bedeutung waren. Dies bietet einen
weiteren Schutz vor Datenmissbrauch“, betont Köhler. Darüber hinaus
entscheide weiterhin der Arzt oder Psychotherapeut, welche Diagnosen
er an die Krankenkassen weiterleitet. Der Arzt oder Psychotherapeut
solle zunächst prüfen, für welche Diagnosen im abzurechnenden
Quartal überhaupt Leistungen erbracht wurden und ob er diese nach
den gültigen medizinisch-wissenschaftlichen Grundsätzen bereits
sichern konnte. „Nicht der Kode bestimmt die Diagnose oder das
Handeln des Arztes, sondern umgekehrt. Ist eine Diagnose zum
Beispiel noch recht diffus, wird der Arzt auch eine weniger
spezifische ICD-Schlüsselnummer auswählen“, erklärt Köhler.
Im Zusammenhang der Problematik des absolut
ungenügenden Schutzes höchst intimer Daten bei der Beantragung
psychotherapeutischer Leistungen bei den Privaten Krankenkassen (PKV) habe auch
ich auf den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Datensparsamkeit
hingewiesen - die von mir Ende 2009 eingebrachte Petition ist seit etwa einem
Jahr in Bearbeitung ohne daß ich bisher eine inhaltliche Rückmeldung erhalten
hätte. Allerdings ist das Problem ein sehr grundsätzliches: Der zunehmende
'Datenhunger' verschiedenster privater und öffentlicher Institutionen wird
flankiert von einer zunehmenden Bereitschaft von Privatpersonen, freiwillig und
gewollt personenbezogene Daten zu veröffentlichen (partiell oder vollständig) -
bis hin zur Tendenz von Privatpersonen Daten Dritter ohne deren Wissen und/oder
Einwilligung ins Netz zu stellen. Hier scheint ein Zeitgeist am Werke, dem kaum
beizukommen ist.
Anmerkung 2: Wenn sich die DGVP über
"geheime Datenbanken" mit Versichertendaten ausläßt so ist das solange unseriös,
wie sie keine entsprechenden Fakten auf den Tisch legt. Gäbe es solche
Datenbanken, wäre das ein Skandal und würde staatsanwaltliche Ermittlungen nach
sich ziehen müssen.
Ergänzung
1: In einem Bericht der Ärztezeitung online: Greift die Kodierung
in den Datenschutz ein? (13.01.2011 - Zitate aus dem Bericht in blau) äußern sich Dr. Gottfried von Knoblauch zu
Hatzbach (Präsidenten der Landesärztekammer Hessen-LÄKH) und Dr. Thilo Weichert
(Landesbeauftragter für Datenschutz in Schleswig-Holstein) über die
datenschutzrechtlichen Fragen. Die LÄKH sieht erhebliche datenschutzrechtliche
Schwierigkeiten und lehnt die Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) ab, da diese
"durch
die Verschlüsselungstiefe in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
eingreifen"
würden. Dr. Gottfried von Knoblauch
zu Hatzbach wird mit den Worten zitiert: "Es
ist vorstellbar, dass beispielsweise der Abschluss einer Lebensversicherung
verweigert wird, weil der Versicherer Einsicht in detaillierte Behandlungsdaten
erhalten hat. Ähnliche Schwierigkeiten können sich bei dem Abschluss einer
privaten Krankenversicherung, einer Haftpflichtversicherung oder bei
Einstellungen und Verbeamtungen ergeben." Dr. Thilo Weichert
äußert sich dazu kritisch: Das Argument hinsichtlich entstehender Probleme beim
Abschluss von Versicherungen hält er für Unsinnig, weil die Daten lediglich an
die Krankenkassen und KVen übermittelt würden und nicht an Dritte weitergegeben
werden dürften. Und auch, wenn dies mit Einwilligung der PatientInnen geschehe,
beträfe das lediglich Diagnosen, nicht aber Abrechnungsdaten und überdies sei
der Grundsatz der Datensparsamkeit zu berücksichtigen:
"Was Ärzte weitergeben, liegt also in ihrem Ermessen. Sie müssen keine Auskunft
in die Tiefe geben", so Weichert.
Er habe zwar ein gewisses Verständnis für die vorgebrachten Argumente, verstehe
aber die große Aufregung nicht.
Presseinformation
Nr. 01/2011 der DGVP v.
5.01.2011
Klartext. Das
Magazin der KBV: Ausgabe v. 1.01.2011
Ärztezeitung
online (13.01.2011): Greift die Kodierung in den Datenschutz ein?
Akteneinsichtsrecht versus Auskunftsanspruch bei
Patientenunterlagen
(Teil I)
Auf eine wichtige Rechtsfrage wurde ich von
einem (ärztlichen) Kollegen hingewiesen. Ein Patient hatte - mit der
Begründung, er wolle sich einen vollständigen Überblick über seine Behandlungen
verschaffen - einen Rechtsanwalt beauftragt, um vollständige Auskunft über die
bei dem Kollegen über ihn gespeicherten Akten und Daten zu erhalten. Erfragt
wurde dabei alle Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen
Verhältnisse, körperliche und geistige Eigenschaften, Medikation,
Operationsberichte, durch medizinische Apparatur gewonnene Datensätze, Urkunde,
Aufzeichnungen und Befunde, Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Angaben über
Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen sowie Angaben zur Herkunft, zum
Zweck der Speicherung der Daten und zu etwaigen Empfängern der Daten. Zur
Übermittlung wurden Fotokopien angefordert. Der Rechtsanwalt begründete des
Auskunftsanspruch aus dem Behandlungsvertrag und mit
§ 34 des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
Der Kollege erklärte sich in einem Schreiben an den Rechtanwalt bereit, die
entsprechenden Kopien zu übersenden, stellte jedoch mit Verweis auf (die von mir
auf dieser Seite zitierte Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht) Kosten in Höhe
von 50 Euro (89 Kopien) in Rechnung.
Der Rechtsanwalt zeigte sich hingegen in seiner schriftlichen Antwort lediglich
zur Begleichung der Portokosten bereit und begründete seine Haltung mit § 34
Abs. 8 BDSG nach welchem die Auskunft unentgeltlich zu erfolgen habe.
In einem weiteren Schreiben des Kollegen teilte er dem Rechtanwalt mit, daß die
zuständige Ärztekammer seine Auffassung teile und verwies auf meine Ausführungen
(unter Akteneinsicht):
Herausgabe von Unterlagen:
Die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen kann durch Einsicht oder die
Herausgabe entsprechender Kopien erfolgen. Die Herausgabepflicht bezieht sich
grundsätzlich nicht auf die Originalurkunden sondern Kopien oder ggf.
Abschriften derselben (vgl. AG Hagen
25.8.1997: 10 C 33/97). Soweit ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen ein Kopieren nicht
ohne weiteres möglich ist, können PatientInnen darauf verwiesen werden, diese
selbst anzufertigen (vg. OLG Köln, 12.11.1981:
7 U 96/81).
Kopierkosten: Pro Seite dürfen je nach Aufwand (Fertigung
der Kopien) maximal 50 Cent verlangt werden (Richtwert 30-50 Cent); der weitere
Arbeitsaufwand (Heraussuchen der Akten etc.) kann nicht berechnet werden (vgl.
AG Düsseldorf, 7. 11. 2003: 23 C 11795/03;
AG Frankfurt 16.10.1998: 30 C 1340/98;
OLG
Köln, 12.11.1981: 7 U 96/81).
Der Rechtsanwalt antwortete hierauf, die
zitierte Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil ein
Auskunftsanspruch gemäß § 34 BDSG geltend gemacht werde, der unentgeltlich sei.
Eine Entgeltlichkeit sei nur unter den in
§ 34 Abs 8 Sätze 3-5 BDSG gegeben. Der
vertretene Mandant habe nicht seine vertraglichen Akteneinsichtsrechte
(§§ 611, 242 BGB), sondern einen von Gesetzes wegen bestehenden
Auskunftsanspruch geltend gemacht.
Anmerkung:
Es erscheint tatsächlich fraglich,
ob bei einem Auskunftsbegehren nach § 34 BDSG Kosten für angefertigte Kopien
verlangt werden können. Weiter ist fraglich, ob der Betroffene auf die
Möglichkeit verwiesen werden kann, "sich im Rahmen seines Auskunftsanspruchs
persönlich Kenntnis über die ihn betreffenden Daten und Angaben zu verschaffen"
(§ 34 Abs. 9 BDSG), also etwa durch Einsichtnahme der Akten bzw. Daten in der
Praxis. Denn Absatz 9 bezieht sich nur auf besondere Fälle: "Werden die
personenbezogenen Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung gespeichert,
kann der Betroffene einmal je Kalenderjahr eine unentgeltliche Auskunft in
Textform verlangen. Für jede weitere Auskunft kann ein Entgelt verlangt werden,
wenn der Betroffene die Auskunft gegenüber Dritten zu wirtschaftlichen Zwecken
nutzen kann".
Da die Frage in Zukunft von einiger praktischer Bedeutung
sein dürfte (Anfragen von PatientInnen und beauftragten RechtsanwältInnen werden
vermutlich zunehmen), habe ich beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz Peter Schaar
(Bonn)
angefragt, wie er die Rechtslage in dieser Angelegenheit sieht.
Hoppe: "Ärzte dürfen nicht länger Berufsgeheimnisträger zweiter
Klasse sein" (Pressemitteilung BÄK v. 17.12.2010)
Pressemitteilung der Bundesärztekammer:
Berlin, 17.12.2010
Zum heutigen Votum des Bundesrates für ein „Gesetz zur
Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im
Strafprozess“, erklärt der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.
Jörg-Dietrich Hoppe:
„Patienten müssen mindestens die gleichen Rechte haben wie
Mandanten, wenn es um den Schutz ihrer Privatsphäre geht. Sie müssen ihren
Ärzten rückhaltlos offenbaren können, was ihre Beschwerden sind und sie müssen
ohne jeden Vorbehalt darauf vertrauen können, dass dabei die ärztliche
Schweigepflicht gewahrt bleibt. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Patient und
Arzt hat die Politik in Frage gestellt, indem sie Ermittlungsbehörden den
Lauschangriff auch auf Ärztinnen und Ärzte ermöglicht hat. Mit der heutigen
Entscheidung des Bundesrates hat die Politik die Chance vertan, nicht nur
Rechtsanwälte vor solchen Ermittlungsmaßnahmen zu schützen, sondern auch Ärzte
und ihre Patienten.
Das Gesetz hat zu einem „Zwei-Klassen-System“ von
Berufsgeheimnisträgern geführt. Für Ärztinnen und Ärzte gilt nur ein relativer
Vertrauensschutz. Sie werden damit schlechter gestellt als Geistliche,
Parlamentarier und nun auch Rechtsanwälte, die aus gutem Grund einen absoluten
Schutz vor Lauschangriffen genießen. Diese Gründe gelten aber mindestens im
gleichen Maße auch für Ärzte. Denn wenn über die Zulassung einer verdeckten
Ermittlungsmaßnahme im Einzelfall entschieden wird, müssen Patienten immer damit
rechnen, dass sensible Informationen über sie nach außen dringen können. Das
belastet die Vertrauensbeziehung zwischen Ärzten und Patienten.
Wir Ärztinnen und Ärzte dürfen deshalb nicht länger als
Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse behandelt werden. Wir appellieren an Bund
und Länder, die grundgesetzlich geschützte Arzt-Patienten-Beziehung nicht länger
zu gefährden und auch Ärzte umfassend vor Lauschangriffen zu schützen.“
Dem ist inhaltlich
nichts hinzuzufügen. Allerdings vergißt Hoppe, daß die vertragsärztliche
Versorgung auch von anderen Berufsgruppen (Psychologische PsychotherapeutInnen,
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen) erbracht wird die insoweit
ebenfalls einbezogen werden müssen. Weitergehend sollte der im Interesse von
KlientInnen und PatientInnen liegende Schutz der Vertrauensbeziehung für alle in
§ 203 Strafgesetzbuch (Schutz von
Privatgeheimnissen) genannten Berufsgruppen und Tätigkeiten gelten.
Deutscher
Bundestag -
Drucksache 17/2637 (22. 07. 2010): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des
Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
Bundesrat (TOP
9 - 17.12.10 ): Gesetz zur Stärkung des Schutzes von
Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
RISKID: Dateibasiertes elektronisches Informationssystem für ÄrztInnen (speziell
Kinder- und JugendärztInnen)
Das Projekt RISKID ist aus einer Initiative
des Duisburger Kinder- und Jugendarztes Dr. Ralf Kownatzki und dem
Kriminalbeamten Heinz Sprenger (Leiter des für Gewaltdelikte zuständigen
Kommissariats in Duisburg) entstanden. RISKID funktioniert wie eine virtuelle
Großpraxis, in der viele ÄrztInnen Informationen zu Mißbrauchsfällen (oder
entsprechenden Verdachtsmomenten) ausgetauscht werden können. Die Webseite
www.riskid.de beschränkt sich nicht auf den Duisburger Raum, sondern bezieht das
gesamte Bundesgebiet mit ein. Das Projekt dient der (wie die Initiatoren
betonen: rechtzeitigen) "Erfassung von Kindern, deren Symptome den Verdacht auf
körperliche oder seelische Misshandlung, auf schwere Vernachlässigung oder auf
sexuellen Missbrauch lenken". Mit RISKID können sich ÄrztInnen, insbesondere bei
vorausgehendem Arztwechsel über etwaige Vorbefunde informieren. Zur
Schweigepflicht heißt es:
Unter dem Schirm der ärztlichen Schweigepflicht wird es
Ärzten ermöglicht, sich gegenseitig über Befunde und Diagnosen zu informieren.
Voraussetzung für diesen Informationsaustausch ist, dass Ärzte zuvor das
Anmeldeverfahren bei RISKID durchlaufen haben und zugelassen sind.
(...)
Bei der jetzt
vorliegenden Version für die deutschlandweite Anwendung erfolgt anders als beim
ursprünglichen Duisburger Pilotprojekt zunächst eine Anfrage an das System, ob
ein Kind, das als Patient neu angemeldet wird, bereits vorher von einem anderen
Arzt als RISKID Patient eingestuft worden ist.
Anmerkung: Die Problematik der
Diskretion und Schweigepflicht haben die Initiatoren augenscheinlich nicht
erkannt. Der Austausch stellt (soweit personenbezogene Daten ausgetauscht werden
oder die betreffenden Personen anderweitig zu identifizieren sind (und genau das
ist ja der Sinn der Sache) eine Straftat dar - die allerdings durch das
Anmeldeverfahren kaum zu verfolgen ist. Es gibt hier keinen "Schirm der
ärztlichen Schweigepflicht". Ich wundere mich wohin wir uns bewegen: Die
zunehmende Tendenz alles und jedes zu kontrollieren kommt nicht mehr nur von
staatlicher Seite (siehe oben). Bereits heute kann die Schweigepflicht
gebrochen werden, wenn in der Abwägung der Rechtsgüter das unmittelbar
gefährdete Rechtsgut (z. B. körperliche Unversehrtheit) das informationelle
Selbstbestimmungsrecht überwiegt und das gefährdete Rechtsgut
nicht anderweitig ausreichend (und weniger einschneidend) geschützt werden kann.
Befindet sich das Kind in Behandlung (insbesondere ÄrztInnen, nichtärztliche
PsychotherapeutInnen) so kommt auch noch die Garantenstellung des
Schweigepflichtigen hinzu!
Die Aussage von Rolf Stöckel, Vorstandssprecher der Deutschen Kinderhilfe zum
Thema Datenaustausch unter ÄrztInnen im Rahmen von RISKID: "Im Moment befinden
wir uns aber noch in einer rechtlichen Grauzone" (Bericht der Ärzte Zeitung
online, 16.12.2010 - siehe unten) ist - eindeutig - falsch!.
Entwurf eines neuen Kinderschutzgesetzes: Aufweichung
der Schweigepflicht
(Teil III)
Nachdem die damalige Ministerin von der
Leyen mit ihrem Gesetzentwurf (bei einer Expertenanhörung im Bundestag)
scheiterte, hat die gegenwärtige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder
Mitte Dezember einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dabei soll unter anderem
die Schweigepflicht (§ 203 StGB) erheblich eingeschränkt werden. So soll künftig
die Informationsweitergabe von ÄrztInnen und PsychologInnen an das Jugendamt
- für den Fall daß sie Anzeichen von Misshandlungen, Unterernährung oder anderen
Gefährdungen bei einem Kind entdecken - einheitlich geregelt werden. Das Gesetz
soll 2012 in Kraft treten.
Anmerkung: Es scheint mir fast müßig
gebetsmühlenhaft darauf hinzuweisen, daß immer neue Einschränkungen der
Diskretion & Schweigepflicht weder dazu geeignet sind, das Vertrauen der
Bevölkerung in die Verschwiegenheit bestimmter Berufsgruppen (insbesondere
ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialpädagogInnen) zu stärken,
noch die Sicherheit gefährdeter Kinder wesentlich zu verbessern. Es ist zum
Standard der Politik geworden reflexhaft auf (schlimme) Einzelfälle zu reagieren
- um der hysterischen Woge einer partiell skandalisierenden Presse und
Öffentlichkeit zu entgehen.
Schweigepflicht und
Datenschutz bei StudentInnen: Prüfungsämter verlangen Auskunft über
Krankheitssymptome
Nach einem Bericht der Ärztezeitung
online (1.12.2010) verlangen Universitäten (Prüfungsämter) zunehmend die
Offenlegung von Krankheitssymptomen ihrer StudentInnen, wenn sie
krankheitsbedingt nicht an einer Prüfung teilnehmen können oder diese
krankheitsbedingt abbrechen müssen. So würden sich beispielsweise ÄrztInnen in
Nordrhein die Praxis von Prüfungsämtern als diskriminierend ablehnen, die
vorsehen, daß StudentInnen bei krankheitsbedingter Abwesenheit die Symptome
offenlegen müßten. Und an einigen nordrhein-westfälischen Universitäten (z. B.
Münster und Düsseldorf) würden die Prüfungsämter in diesem Fall Bescheinigungen
von ÄrztInnen verlangen, die auch die Krankheitssymptome beinhalteten:
"Die
Beantwortung der Rechtsfrage, ob die nachgewiesene gesundheitliche
Beeinträchtigung den Abbruch der Prüfung rechtfertigen kann, ist grundsätzlich
nicht Aufgabe des Arztes; dies ist vielmehr letztlich und in eigener
Verantwortung von der Prüfungsbehörde zu entscheiden", heißt es auf einem
Formular der Universität Düsseldorf.
Nach Ansicht von Dr. Christiane Groß (Vorstand der Ärztekammer Nordrhein)
ist dies nicht hinnehmbar:
"Ich finde es unmöglich, dass die Prüfungsordnungen so
ausgelegt werden, dass sich Studierende so weit entblättern müssen, dass sie
ihre Ärzte quasi von der Schweigepflicht entbinden", sagte ÄKNo-Vorstand Dr.
Christiane Groß. Sie hatte einen Antrag in die Kammerversammlung eingebracht,
dem die Delegierten mit großer Mehrheit gefolgt sind.
Im Antrag wir darauf hingewiesen, daß dieses Vorgehen "nicht
nur beschämend für die Studierenden, sondern auch datenschutzrechtlich
bedenklich [sei] und (...) das Recht der Patienten
auf informationelle Selbstbestimmung" untergrabe. Und weiter heißt es im
Antrag "Wenn diese Symptome dann durch medizinische Laien
bewertet werden, führt diese Praxis in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise
zu willkürlichen Ergebnissen."
Daher fordern die ÄrztInnen, daß die Universitäten entweder einen ärztlichen Dienst einschalten, oder
sich mit einem ärztlichen Attest begnügen,
das die Unfähigkeit der Prüfungsteilnahme belegt.
Stellungnahme der Leopoldina-Nationale Akademie der Wissenschaften,
acatech-Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, berlin-brandenburgische
Akademie der Wissenschaften zur prädiktiven genetischen Diagnostik als
Instrument der Krankheitsprävention
mit der Forderung nach Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei
gleichzeitiger Stärkung der Fürsorgepflicht
In einer Stellungnahme zum Gendiagnostikgesetz
haben die Deutsche
Akademie der Naturforscher Leopoldina-Nationale
Akademie der Wissenschaften, die acatech-Deutsche Akademie der
Technikwissenschaften und die berlin-brandenburgische Akademie der
Wissenschaften eine ausführliche Stellungnahme zum
Gendiagnostikgesetzt vorgelegt.
Zum Thema Schweigepflicht heißt es unter dem Stichwort "Schweigepflicht":
Aus dem Respekt vor der Selbstbestimmung des Untersuchten folgt, dass der
Betroffene selbst über die Verwendung der Ergebnisse entscheiden kann. Auch
hieraus können sich Konsequenzen für die Familienangehörigen ergeben. Sämtliche
Ergebnisse unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht, es sei denn der
Untersuchte entbindet den Arzt von der Schweigepflicht. Darüber hinaus kann eine
Durchbrechung der Schweigepflicht zu Gunsten eines höherrangigen Rechtsgutes
erlaubt oder sogar geboten sein, wenn zum Beispiel nur dadurch einer anderen
Person die Möglichkeit der Prävention oder der Behandlung gegeben werden kann.
In diesem Punkt kann ein Konflikt mit § 11 des Gendiagnostikgesetzes aufkommen
(siehe Kapitel 9.8). (Seite 50)
Unter der Überschrift "§ 11 Abs. 3:
Mitteilung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen" wird das
Problem genauer umrissen:
Die Ärzte, die den Patienten betreut und genetisch beraten
haben, haben keine Möglichkeit zu überprüfen, ob der Patient die Information an
seine Verwandten weitergegeben hat. Es kommt auch vor, dass ein Patient die
Information bewusst nicht innerhalb der Familie weitergibt. Nach § 11 Abs. 3
darf die verantwortliche ärztliche Person das Ergebnis einer genetischen
Untersuchung oder Analyse anderen nur mit ausdrücklicher und schriftlicher
Einwilligung der betroffenen Person mitteilen. Das Gesetz stuft die
Schweigepflicht gegenüber dem Patienten ohne Ausnahme höher ein als die
ärztliche Fürsorgepflicht gegenüber den Verwandten, die ein hohes Risiko für
eine bei frühzeitiger Diagnose effektiv behandelbare Krankheit haben.
Bei einer behandelbaren erblichen Krankheit sollte die
Fürsorgepflicht des Arztes nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber der
Schweigepflicht rangieren. Der Arzt sollte im Einzelfall abwägen, welches
Rechtsgut höher einzustufen ist. Das sollte jedenfalls dann gelten, wenn die
Risikopersonen unter den Verwandten ebenfalls Patienten des betreffenden Arztes
sind, so dass er ihnen gegenüber eine rechtliche Garantenpflicht hat. Aber auch
in den Fällen, in denen die Mitglieder einer Familie von verschiedenen Ärzten
behandelt werden, sollte der Arzt in konkreten Fällen und bei klarem
medizinischem Nutzen die Möglichkeit haben, die Risikopersonen unter den
Verwandten eines Patienten mit einer behandelbaren erblichen Krankheit in
angemessener Weise auf ihr Risiko hinzuweisen und ihnen eine genetische Beratung
zu empfehlen, z. B. durch Zusendung eines Informationsblattes. § 11 Abs. 3 GenDG
sollte in diesem Sinne modifiziert werden. (Seite 60f)
Die Leopoldina empfiehlt daher:
In sehr konkreten Fällen und bei klarem medizinischem
Nutzen sollte der Arzt erwägen, selber die Risikopersonen unter den Verwandten
eines Patienten mit einer behandelbaren erblichen Krankheit in angemessener
Weise auf ihr Risiko hinzuweisen und ihnen eine genetische Beratung anzuraten.
Die Akademiengruppe empfiehlt, § 11 Abs. 3 GenDG in diesem Sinne zu
modifizieren.
(Seite IX)
Wiewohl die
Ausführungen durchaus differenziert eine Güterabwägung
(Schweigepflicht/Fürsorge) vorzunehmen versuchen, ist die Forderung einer
Lockerung der Schweigepflicht unangemessen und auch gefährlich. Schon jetzt kann
die Schweigepflicht gebrochen werden, wenn eine unmittelbare
Gefährdung anzunehmen ist. Der entsprechende Rechtfertigungstatbestand ergibt
sich aus § 34 StGB (rechtfertigender Notstand). Auch in Falle einer besonderen
Garantenstellung (die Ärztin behandelt neben dem untersuchten Patienten auch
gefährdete Angehörige) ist nur insoweit eine Bruch der Schweigepflicht zulässig,
als konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Angehörige unmittelbar
gefährdet ist (z. B. der Patient teilt seinem Sexualpartner eine zuvor
festgestellte HIV-Infektion nicht mit, hat aber weiter Geschlechtsverkehr mit
diesem). Würde bereits jede potentielle Gefahr eine Verletzung der
Schweigepflicht rechtfertigen wäre das Vertrauensverhältnis zwischen
ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen und PatientInnen weitgehend ruiniert. ÄrztInnen
und Angehörige anderer schweigepflichtiger Berufsgruppen sind keine
Kontrollorgane. Im Gegenteil: Gerade solche Aufgaben würden sowohl dem
Individualschutz wie auch dem mittelbaren Vertrauensschutz der Schweigepflicht
(§ 203 StGB Verletzungen von Privatgeheimnissen) zuwiderlaufen:
"Entscheidend ist (...), dass der Geheimnisträger mit dem
Anvertrauen von Geheimnissen den Angehörigen solcher Berufsgruppen, die bei
ihrer Tätigkeit typischerweise mit Geheimnissen in Berührung kommen und in die
Privatsphäre eindringen (...), besonderes Vertrauen entgegenbringt (...). Nur
mittelbar wird damit auch das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit
der Angehörigen bestimmter Berufe geschützt, so dass zB der Schutz des
ärztlichen Berufsgeheimnisses dem Interesse an einer funktionsfähigen ärztlichen
Gesundheitspflege dient, die ohne ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt
und Patient nicht möglich ist. (Lenckner & Eisele in Schönke & Schröder:
Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck 28. Auflage 2010: 1832 RN 3)
Stellungnahme zur prädiktiven genetischen Diagnostik als Instrument der
Krankheitsprävention (November
2010)
eGK: Der Basisrollout läuft weiter: Pauschalen für die Lesegeräte beschlossen;
Änderung zum
GKV-Finanzierungsgesetz: Bundestag übt
Druck auf die Kassen aus
(Teil
XIII)
Die Krankenkassen haben sich
mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die Höhe der Pauschalen
für die Lesegeräte geeinigt. Danach
soll es für die Anschaffung eines
stationären Lesegerätes 355 Euro für mobile Geräte 280 Euro geben. Hinzu kommt
ein Betrag von 215 Euro für die Installation. Für die entsprechenden Pauschalen
soll die Anschaffung geeigneter Geräte möglich sein - etwaige Differenzbeträge
für Geräte mit zusätzlicher Ausstattung müssen von den Niedergelassenen selbst
übernommen werden. Die ausgehandelten Pauschalen liegen unter jenen, die in der
Pilotregion Nordrhein ausgezahlt wurden (430/375; Installation ebenfalls 215
Euro).
Das eGK-Projekt
soll nach Nordrhein Westfalen-Lippe nun in den Regionen Niedersachsen, Bremen
und Hamburg vorangetrieben werden. Während sich die Krankenkassen bisher
zurückhaltend bei der Umsetzung gezeigt haben, hat der Bundestag einen
Änderungsantrag zum GKV-Finanzierungsgesetz verabschiedet, der die Kassen
verpflichtet, bis Ende 2011 an mindestens zehn Prozent ihrer Versicherten die
eGK auszugeben. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden kommt es zu einer
Kürzung der Verwaltungsausgaben der Kassen um 2% (2012 gegenüber 2010).
Urteil des Bundessozialgerichts (Kassel) vom
2.11.2010: Umfassender Auskunftsanspruch gesetzlich Krankenversicherter
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen
(Az: B 1 KR 12/10 R)
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet hat das Bundessozialgericht in Kassel
(BSG) am 2.11.2010 entschieden, daß gesetzlich Krankenversicherte umfassende
Auskunft darüber verlangen können, welche medizinischen Leistungen für sie
abgerechnet wurden. Sowohl die jeweiligen Krankenkassen als auch die beteiligten
Kassenärztlichen Vereinigungen sind verpflichtet, alle gespeicherten Sozialdaten
herausgeben:
"Der klagende
Rechtsanwalt aus Nordrhein-Westfalen benötigte für den Abschluss einer
Berufsunfähigkeitsversicherung Daten über seine Krankengeschichte. Er bat
zunächst seine Krankenkasse um Auskunft, die leitete die Anfrage an die KV
weiter.
Im konkreten Fall hatte die KV Nordrhein die Daten der
letzten fünf Jahre gespeichert, wollte Auskunft aber nur für ein Jahr erteilen.
Dem Anwalt genügte das nicht: Die Versicherung verlange weitere Angaben. Zudem
habe er seine Krankenversicherungskarte verloren gehabt und wolle nun prüfen, ob
sie von Fremden gefunden und missbraucht worden sei.
Recherchen von PsychotherapeutInnen (über ihre PatientInnen) im
Internet
Das Deutsche Ärzteblatt (DÄ-PP 10/20120,
459-461) berichtet unter der Überschrift: "Ethik in der
Psychotherapie-Patientenrechte. Die Grenzen sind fließend. Holt der Therapeut
Informationen über Patienten im Internet ein, muss bewusst zwischen persönlicher
Neugier und beruflichem Nutzen unterschieden werden. Im Vordergrund stehen die
Patienteninteressen"
(Dr. M. Sonnenmoser) über drei entsprechende Beiträge in englischsprachigen
Fachzeitschriften (zwei aus dem Bereich Psychiatrie: Harvard Review of
Psychiatry und American Journal of Psychiatry).
Kommentar
(entspricht in Teilen einem Leserbrief, den ich an die Redaktion des DÄ-Ausgabe
PP geschickt habe):
Die Grenzen der Einholung von
Internet-Informationen über PatientInnen sind weitaus weniger fließend, als die
Autorin des Artikels und die darin zitierten AutorInnen glauben machen möchten.
Diskretion und Vertraulichkeit als grundlegende Voraussetzungen eines
förderlichen therapeutischen Prozesses implizieren einen respektvollen Umgang
mit den Geheimnissen ebenso wie mit der Privatsphäre der PatienInnen.
TherapeutInnen haben sich daher einer Ausforschung der PatientInnen (jedweder
Art) zu enthalten. Statt dessen sollten sie - statt entsprechende Impulse zu
agieren (vielleicht auch noch unter dem Deckmantel des "Patientenwohls") - diese
im Hinblick auf Übertragung und Gegenübertragung bearbeiten.
Das entspricht berufsethischen Prinzipien
wie sie in den Musterberufsordnungen der
Bundesärztekammer
(unter: Ärzte/Berufsordnung) und der
Bundespsychotherapeutenkammer
dargelegt sind, so
etwa
die allgemeinen ethischen Grundsätze:
Förderung des Vertrauens zwischen ÄrztInnen/Psychotherapeuten und
ihren PatientInnen,
Achtung der Würde, des Selbstbestimmungsrecht und Privatsphäre der
PatientInnen
Einhaltung der international anerkannten ethischen
Prinzipien (Achtung der Autonomie der PatientInnen,
Schadensvermeidung, Nutzenmehrung
und Gerechtigkeit) und
Wahrung und Förderung des
Ansehen der Berufe
und der spezifische Grundsatz:
"Psychotherapeuten sollen außertherapeutische Kontakte zu
Patienten auf das Nötige
beschränken und so gestalten, dass eine therapeutische Beziehung möglichst
wenig gestört wird" (§ 6 Abs. 4
MBO-BPtK).
Der Berufsstand könnte seine im
Interesse der Bevölkerung liegende Tätigkeit wohl kaum mehr leisten, wenn
PatientInnen befürchten müßten, daß sie im Rahmen einer Psychotherapie
durchleuchtet werden - selbst wenn solche Informationen öffentlich zugänglich
sind, was noch keineswegs bedeutet, daß sie im Einverständnis mit den
Betroffenen veröffentlicht wurden.
Daß Internetrecherchen als
"vertretbar und nötig" bezeichnet werden "wenn Zweifel an den Selbstaussagen
eines Patienten aufkommen" (460) scheint mir inakzeptabel. Nach meiner Ansicht
würde dies einen eindeutigen Verstoß gegen die Berufsethik darstellen und wäre
überdies ein fachliches Armutszeugnis: Denn es wäre in einem solchen Fall
dringend notwendig, sich mit den PatientInnen auseinanderzusetzen, weil ein
solcher Eindruck, sei er nun gerechtfertigt oder nicht, weitreichende
Auswirkungen auf das Arbeitsbündnis hat.
Der Rückgriff auf ein drittes Medium bzw. dritte Personen (Internet, Angehörige
etc.) stellt hier nicht etwa eine Triangulierung dar (ein im Übrigen häufig
mißverstandener psychoanalytischer Begriff) sondern einen Angriff auf die
therapeutische Beziehung und ist geeignet, die therapeutische Beziehung zu
zerstören.
Auch die Vorstellung im Notfall
(etwa bei Suizidalität oder somatisch/psychischen Krisen) auf Internetdaten
zurückzugreifen halte ich sowohl fachlich als auch juristisch für äußerst
problematisch: Die Abwägung eines vorzunehmenden Eingriffes (mit, ohne oder
gegen den Willen des Betroffenen) muß auf der Grundlage der eigenen
unmittelbaren diagnostischen und prognostischen Einschätzung und der
entsprechenden Umstände (vgl. rechtfertigender Notstand im Sinne § 34 StGB und
Unterbringungsgesetze/PsychKGs) vorgenommen und verantwortet werden.
Informationen aus dem Internet sind ebenso wie Informationen anderer Herkunft in
hohem Maße unzuverlässig und mit größter Vorsicht zu behandeln.
Es ist auch keineswegs
"unbedenklich", wie Sonnenmoser schreibt, "die Homepage eines Patienten oder
seine Mitgliederseite aufzusuchen, wenn dieser den Arzt oder Psychotherapeuten
ausdrücklich dazu einlädt oder auffordert" (461). Berufsethisch sind hier Fragen
der Abstinenz (vgl. § 6 MBO-BPtK) berührt und (ärztliche und nicht-ärztliche)
PsychotherapeutInnen wären gut beraten ein solches Anliegen kritisch zu
reflektieren, im Hinblick auf bewußte und unbewußte Motive der PatientInnen zu
verstehen - und gerade nicht zu handeln. Ich frage mich welche merkwürdige
Vorstellung von Psychotherapie hinter solchen Aussagen steht.
Die Feststellung von Frau Sonnenmoser es sei nicht geklärt, ob außerhalb des
Therapiesettings von PsychotherapeutInnen eingeholte
Informationen über PatientInnen der Schweigepflicht
unterliegen, ist so nicht ganz richtig, verweist allerdings zutreffend auf ein
gravierendes und wenig beachtetes Phänomen hin:
Geheimnisse, welche TherapeutInnen in nicht-beruflichem Zusammenhang
außerhalb der Behandlung erfahren (z. B. hört eine Therapeutin auf einer
privaten Veranstaltung durch ein Gespräch zweier Anwesender zufällig heraus,
daß sich ein von ihr behandelter Patient prostituiert) unterliegen nicht §
203 StGB (vgl. Lenckner in Schönke und Schröder 2006, 1728ff RN13ff). Das
bedeutet allerdings nicht, daß diese Informationen Dritten ohne weiteres
offenbart werden dürften. Denn würde mit der Offenbarung des Geheimnisses
(hier: Prostitution) durch die Therapeutin auch die Tatsache bekannt, daß
die Therapeutin den Betroffenen behandelt, läge eine Verletzung der
Schweigepflicht vor.
An einem inneren Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes fehlt es, "wenn
der Schweigepflichtige aus rein privater Neugier anlässlich seiner
Berufsausübung eigenmächtig in eine fremde Geheimnissphäre eindringt (zB der
Arzt liest ohne Wissen des Kranken in dessen Nachttisch verwahrte Briefe)"
mithin besteht auch keine strafrechtliche Schweigepflicht (Lenckner in
Schönke und Schröder 2006, 1729 RN 15 unten).
Besteht hingegen ein solcher Zusammenhang, etwa wenn der Psychotherapeut
seine Diagnose oder mögliche Hinweise auf eine suizidale Gefährdung von
PatientInnen auf Internetrecherchen stützt, stehen die ihm die dabei "sonst
bekanntgewordenen" Geheimnisse unter Schweigepflicht (vgl. Lenckner in
Schönke und Schröder 2006, 1729 RN 15 oben).
Ich halte die (juristische) Auffassung von Lenckner für sehr spitzfindig - aber
auch wenn eine Differenzierung zwischen beruflichem und privatem Interesse bzw.
Zusammenhang vorgenommen werden könnte, bleibt die beschriebene berufsrechtliche Problematik
bestehen!
Literatur:
Schönke, A. & Schröder H. (2006): Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck 27.
Auflage
Datenschutz und
Schweigepflicht bei sich illegal in Deutschland aufhaltenden Personen
Obwohl auch
Personen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, eine medizinische
Versorgung zusteht (Grundlage: Asylbewerberleistungsgesetz), kann gerade deren
Inanspruchnahme zur Abschiebung führen. Denn nach
§ 87 des Aufenthaltsgesetzes sind öffentliche Stellen verpflichtet, eine
entsprechende Meldung an die Ausländerbehörde zu machen. Das hat bei
öffentlichen Krankenhäusern zu einer erheblichen Verunsicherung geführt: Sind
sie als öffentliche Stellen verpflichtet, entsprechende Daten weiterzugeben? Und
müssen die Sozialämter (als Kostenträger) die Ausländerbehörden informieren?
Das scheint bei
(öffentlichen) Krankenhäusern nicht der Fall zu sein, wie der Berliner
Staatssekretär für Gesundheit in einem Schreiben an die Berliner Krankenhäuser
(Dr. B. Hoff, PDS) im November 2008 ausführt: "Voraussetzung
für eine solche Übermittlung von Daten an die Ausländerbehörde wäre, dass die
Kenntnis dieser Daten (...) in Erfüllung der der öffentlichen Stelle obliegenden
Aufgaben (...). Kenntnisse über den aufenthaltsrechtlichen Status von
Patientinnen und Patienten, die gelegentlich der medizinischen Versorgung durch
eine Ärztin oder einen Arzt erlangt werden, fallen nicht unter die
Übermittlungspflicht" (Quelle).
Zwischenzeitlich
hat der Gesetzgeber auf die offensichtlich bestehende Rechtsunsicherheit
reagiert: Im September 2009 hat der Bundesrat eine neue Allgemeine
Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz verabschiedet, die in der Fassung
vom 26.10.2009 und dem Erscheinungsdatum vom 31.01.2010 vorliegt
(Bundesministerium des Inneren), ist jedoch für juristische Laien nahezu
unlesbar. Die entscheidenden Hinweise finden sich in den Nummern folgende.
Demnach fallen auch die VerwaltungsmitarbeiterInnen in öffentlichen
Krankenhäusern als berufsmäßige Gehilfen vor ÄrztInen unter die Schweigepflicht.
Übermitteln sie Daten zum Zweck der Abrechnung an die Sozialämter, so
verlängert6t sich der Geheimnisschutz in das Sozialamt und diese dürfen die
Daten (illegaler Aufenthalt) nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten.
Das Problem ist
jedoch: Handelt es sich nicht um eine Akutbehandlung, dann ist vor der
Behandlung eine Kostenzusage beim Sozialamt einzuholen. Weil hier die
(ärztliche) Schweigepflicht nicht besteht (die Person wendet sich ja nicht an
die stationäre Einrichtung, sondern die MitarbeiterInnen des zuständigen
Sozialamts) besteht die verlängerte Schweigepflicht nicht - die Daten über den
illegalen Aufenthaltsstatus müssen also der Ausländerbehörde mitgeteilt werden.
Anmerkung: Das ist - wenn ich es
einmal moralisch sagen darf - ein pervertierter Rechtsstaat.
Daß insbesondere
Praxiscomputer mit (und ohne) Anschluß an das Internet mit Virenscannern
geschützt werden müssen ist bekannt, wird allerdings offenbar nicht immer
berücksichtigt. Beispielsweise wäre es ein Fehlschluß anzunehmen, daß der
Einsatz einer sicheren Datenverbindung mit der Kassenärztlichen Vereinigung
(D2D, KV-Safenet) einen zusätzlichen Schutz des Computers entbehren würde.
Im Zusammenhang
mit der zunehmenden Bedeutung sogenannter Botnetze (Computer werden durch
Schad-Software zu Netzwerken zusammengeschlossen - als Teil eines Botnetzes,
werden diese Computer dann dazu benutzt, unbemerkt vom PC-Eigentümer auf
ferngesteuerte Befehle von Cyberkriminellen zu reagieren).
Das
Anti-Botnet-Beratungszentrum (Service von eco – Verband der deutschen
Internetwirtschaft e.V. mit Unterstützung des Bundesamtes für Sicherheit in der
Informationstechnik/BSI) bietet Informationen und
kostenlose Scanner zum Erkennen und Beseitigen solcher Schadprogramme an.
Anmerkung 1: Eine sehr empfehlenswerte
Seite!
Anmerkung 2: Die Zeitschrift PC-Welt
(11/2010: 20) kritisiert die Seite, da der Scanner DE-Cleaner
Hunderte von harmlosen und unentbehrlichen Dateien als
"Verdächtig" oder "Bösartig" (Zitat) bewerte und das dabei angebotene
Säubern den PC unbenutzbar machen könne!
Datenschutz und Schweigepflicht im Zusammenhang der
Hausarztverträge
Bereits vor einigen
Monaten hat der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte, Dr. Thilo
Weichert (Unabhängiges Datenschutzzentrum Kiel) durch sein Verbot (unter
Androhung eines Zwangsgeldes von 30.000 Euro) der Datenweitergabe im Rahmen des
Hausarztvertrages zwischen AOK und Hausarztverband einigen Wirbel verursacht.
Der Vertrag sieht
vor, dass die beteiligten ÄrztInnen eine "Hausärztliche Vertragsgemeinschaft"
für die Leistungsabrechnung nutzen müssen, um so von für sie günstigen
Hausarztabrechnungen profitieren zu können. Dabei müßten sie auf ihrer
jeweiligen Praxis-EDV entsprechende Software installieren. Aus Sicht des
Datenschutzbeauftragten hätten die ÄrztInnen somit keine vollständige Kontrolle
über die Patientendaten. Damit werde nicht nur der Datenschutz, sondern auch die
ärztliche Schweigepflicht verletzt.
Im September 2010
hat nun auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in
Bremen Bedenken gegen die Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung (HzV)
angemeldet (Ärztezeitung online 2.09.2010).
Anmerkung: In verschiedenen anderen
Ländern (z. B. Bayern) wurden die Hausarztverträge bisher datenschutzrechtlich
nicht beanstandet. Ich kann hier aus Mangel an genauen Informationen nicht
beurteilen, ob die Vertragsgestaltung datenschutzkonform erfolgte oder die
rechtliche Beurteilung der Verträge differiert. Jedenfalls scheint mir evident,
daß die Frage des Datenschutzes und der Schweigepflicht immer wieder zu wenig
berücksichtigt wird und wir uns längst in einem Daten-Nirwana befinden wo
Niemand mehr weiß, wo0 welche Daten gespeichert, verarbeitet und gelöscht werden
- seien es nun die ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen oder sonstige
Leistungserbringer oder auch die Betroffenen selbst - die PatientInnen.
KVB setzt sich für Datenschutz und Datensicherheit bei
Praxisverwaltungssoftware (PVS) ein
Aus der Mitteilung der KBV
(Newsletter 1.09.2010):
Sicherheit von Patientendaten hat Priorität
Die KBV möchte sich für den Datenschutz und die Datensicherheit einsetzen.
Dieses Ziel hat sie am Dienstag bei einem Treffen mit Anbietern von
Praxisverwaltungssoftware (PVS) genannt. Dazu sowie für eine funktionierende
sichere Kommunikation von Ärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen),
Krankenhäusern und Krankenkassen seien einheitliche Standards zwingend
erforderlich, sagte KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller.
Ziel der KBV sei eine weitere Sensibilisierung für die Belange des Datenschutzes
und der Datensicherheit in der PVS, erklärte Müller. „Viele Vertragsärzte sind
extrem skeptisch bezüglich der Online-Übertragung sensibler Patientendaten.
Deren Schutz ist sowohl online als auch offline von zentraler Bedeutung“, sagte
er. Die Anforderungen an die PVS stiegen in dieser Hinsicht enorm, so der
KBV-Vorstand. Dies gelte etwa für die Zugriffsrechte auf Behandlungsdaten und
die, auch nachträgliche, Nachvollziehbarkeit des Zugriffs. Auch Abrechnungsdaten
unterliegen besonderen Vorschriften. In diesem Zusammenhang erinnerte Müller an
die bereits 2008 vom Bundessozialgericht geforderte umfassende gesetzliche
Regelung zur Beauftragung privater Abrechnungsstellen, etwa im Rahmen von
Selektivverträgen, die nicht über die KVen abgewickelt werden. (KBV-Pressemitteilung,
31. August)
Die
Ärzte Zeitung online
berichtet im Zusammenhang des Verurteilung die Sängerin Benaissa wegen der
Ansteckung eines Sexualpartner mit HIV über die Frage der Schweigepflicht von
ÄrztInnen im Zusammenhang mit HIV: "Wie soll der Arzt reagieren, wenn ein
HIV-infizierter Patient ihm berichtet, dass er ungeschützten Geschlechtsverkehr
hat? Schweigen oder Kontakt mit möglichen Partnern aufnehmen?"
Anmerkung: Das Gespräch mit
dem Rechtsanwalt Dr. Ingo Pflugmacher aus Bonn enthält keine neue Informationen,
so daß ich interessierten bzw. betroffenen ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen
empfehle, den Bericht zu lesen (siehe Link unten).
Klage eines Versicherten gegen die
elektronische Gesundheitskarte (eGK)
(Teil
XII)
Nach einer Agenturmeldung vom 25.
August 2010 berichtet die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrem Newsletter
vom 25. August:
Erste bundesweite Klage gegen die elektronische
Gesundheitskarte
Ein Versicherter der Bergischen Krankenkasse hat gegen die elektronische
Gesundheitskarte (eGK) geklagt. Er beruft sich hierbei auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung. Das Sozialgericht Düsseldorf soll eine
Entscheidung der Karlsruher Richter in der Grundsatzfrage einholen. Dies ist das
bundesweit erste juristische Verfahren gegen die Karte.
Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hatte bereits im Frühjahr
bekräftigt, dass sich die Einführung der eGK auf einem guten Weg befände. Die
Karte soll einen Notfalldatensatz, einen elektronischen Arztbrief und die
Stammdaten des Patienten enthalten. Die AOK Rheinland/Hamburg hat bereits eine
Testphase für die Karte gestartet. (Agenturmeldung, 25. August)
Nachtrag: Aufgrund von
Terminproblemen auf Seiten des Düsseldorfer Sozialgerichts wird es erst im
kommenden Jahr (2011) zu einer ersten öffentlichen Verhandlung kommen
(Ärztezeitung Online,
8.09.2010).
Krankenhäuser müssen Patientendaten an Krankenkassen nicht
herausgeben, damit diese Schadenersatzansprüche wegen möglicher
Behandlungsfehler prüfen können (rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts
Celle nach Rücknahme der Revision vor dem Bundessozialgericht)
Nach mehreren Hüftgelenk-Operationen
war eine 75 Jahre alte Frau in einem Krankenhaus in Niedersachsen
gestorben. Die genauen Umstände des Todes blieben unklar, jedoch kam es laut
Entlassungsbericht bei den Operationen zu Komplikationen. Die zuständige
Krankenkasse (DAK) beglich die gesamten Behandlungskosten in Höhe von ca.
152 000 Euro, forderte jedoch zur Prüfung von Regress- und
Schadenersatzforderungen die entsprechenden Krankenunterlagen an. Das
Krankenhaus verweigerte sich diesem Ansinnen mit Hinweis auf die ärztliche
Schweigepflicht.
Das
Landessozialgericht Celle hatte die Klage der DAK auf Herausgabe der Akten
abgewiesen.
Die
Ärzte Zeitung online
berichtet am 12.08.2010 über die Verhandlung vor dem BSG (12.08.10):
Während der knapp einstündigen Verhandlung vor dem BSG gab der vorsitzende
Richter Ulrich Hambüchen deutliche Hinweise auf die Rechtsauffassung seines
Senats: Im Gegensatz zu einer möglichen Schadenersatzklage durch Patienten gehe
es hier nicht um einen zivilrechtlichen Vertrag, sondern um ein
öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Klinik und Kasse. Schadenersatz komme
daher wohl nicht in Betracht.
Die DAK könne die Sache aber durch den MDK prüfen lassen. Stelle sich heraus,
dass die Kasse Leistungen bezahlt habe, die erst durch Behandlungsfehler
notwendig wurden, so könne sie die hierfür gezahlten Honorare wohl
zurückfordern. Da die Klage auf Herausgabe der Akten an die DAK danach kaum noch
Aussicht auf Erfolg hatte, nahm die Kasse ihre Revision zurück; zu einem Urteil
des BSG kam es daher nicht.
Anmerkung: Das ganze scheint mir ein
'Hornberger
Schießen' gewesen zu sein. Hätte sich die DAK an die Spielregeln gehalten
(Prüfung medizinischer Unterlagen durch den MDK) hätte man sich einen
langwierigen und teueren Rechtsstreit ersparen können!
Bundessozialgericht, AZ: B 3 KR 16/09 R
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, AZ: L
1 KR 152/08
Broschüre "Datenschutz bei Frühen Hilfen - Praxiswissen kompakt"
Die Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung hat eine neue Broschüre zu Fragen des Datenschutz
bei Frühen Hilfen aufgelegt. Das Heft im DIN-A6-Format umfasst 62 Seiten
und liegt sowohl als Download wie auch in gedruckter Form vor. Die Druckversion
ist kostenlos im Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) oder bei der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu beziehen.
Die Broschüre
wendet sich an Fachkräfte in Geburtskliniken, Arztpraxen,
Schwangerschaftsberatungsstellen und kommunalen Ämtern sowie an Hebammen und die
Fachkräfte bei freien Trägern der Jugendhilfe.
Wie die Ärzte Zeitung online
(19.08.2010) berichtet (sie die Information des NZFH vom 18.08.10 abgeschrieben)
wendet sich das Heft wichtigen Fragen im Bereich der Frühen Hilfen zu:
"Was ist, wenn ich das Jugendamt einschalte - verletze ich dann meine
Schweigepflicht?" Manche Ärzte, aber auch Hebammen werden über diese Frage
nachgedacht haben, wenn sie den Verdacht haben, dass ein Kind von seinen Eltern
nicht richtig versorgt wird. Viele fragen sich: Wie entscheide ich zum Wohle des
Kindes? Verliere ich den Kontakt zur Familie und damit zu dem Kind, wenn ich den
Verdacht anspreche und einen Hinweis weitergebe?
Damit frühe Hilfen dorthin kommen, wo Bedarf besteht, sollen Fachkräfte aus
Gesundheitsdiensten und Jugendhilfe kooperieren. Doch je intensiver der
Austausch ist, desto häufiger treten Fragen des Datenschutzes auf. Aus diesem
Grund haben das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und das
Informationszentrum Kindesmisshandlung/Kindesvernachlässigung (IzKK) am DJI die
Broschüre veröffentlicht.
Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, erklärt: "Eltern mit Problemen vertrauen sich häufig Ärztinnen und
Ärzten sowie Hebammen an. Durch deren Schweigepflicht fühlen sie sich dort
sicher. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung muss allerdings zum Wohle des
Kindes gehandelt werden. Das neue Nachschlagewerk sagt, was gemacht werden kann,
ohne den Datenschutz zu verletzen."
"Gezielte Informationen zu den relevanten Themen Datenschutz und Schweigepflicht
stärken die Handlungssicherheit der Fachkräfte. Dies wird sich auch nachhaltig
positiv auf die Zusammenarbeit und Vernetzung auswirken", betont Prof. Dr.
Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Die
Expertinnen und Experten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und
Familienrecht e.V. (DIJuF) erläutern in dem Nachschlagewerk allgemeine
Grundsätze zum Datenschutz wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
der Datenschutz als Vertrauensschutz sowie das Transparenzgebot. Auch
spezifische Rechtsgrundlagen für Jugendhilfe bzw. Gesundheitsdienste, freie
Träger und Schwangerschaftsberatung werden angesprochen.
GKV-Änderung zum Online-Abgleich der
Stammdaten (eGK) geplant und jetzt beschlossen!
(Teil
XI)
Die Regierungsfraktionen planen
einen verpflichtenden Abgleich der Versichertendaten durch die
Leistungserbringer (VertragsärztInnen und VertragspsychotherapeutInnen). Durch die
Gesetzesänderung (Einfügung in § 291 SGB V; Änderungsantrag zum
GKV-Änderungsgesetz - Drucksache 17/1297) werden die Krankenkassen
verpflichtet, "Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die
Gültigkeit und die Aktualität [gemeint sind die Versichertenstammdaten] bei den
Krankenkassen online überprüfen und auf der elektronischen Gesundheitskarte
aktualisieren können." Während der Abgleich der Stammdaten verpflichtend wäre -
bliebe die Online-Anbindung der Praxis-Software (zunächst)
freiwillig.
Nachtrag (22.06.2010): Der Bundestag hat am
18.06.2010 den entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen. Danach müssen die
Versichertenstammdaten künftig online abgeglichen werden, um deren Gültigkeit zu
überprüfen. VertragsärztInnen und VertragspsychotherapeutInnen werden dazu
verpflichtet, eine Online-Verbindung vorhalten.
Veröffentlichung von Krankengeschichten: Verfahren gegen
Münchner Psychologie-Professor vor dem Landgericht München I endet mit einer
freiwilligen Unterlassungserklärung (16.06.10, AZ: 9 O 25927/09)
Eine Patientin klagte gegen den
Psychologie-Propfessor, weil dieser ihren Fall unter einem Allerweltsnamen (Eva)
jedoch mit eindeutigen Details über ihre Lebensgeschichte in einem
wissenschaftlichen Fachbuch (Traumatherapie) veröffentlicht hatte, das in
mehreren Auflagen und Sprachen erschienen war (in der aktuellen Auflage taucht
dieser Fall nicht mehr auf). Da sie mehrfach von Bekannten aber auch von Fremden
auf die Passage angesprochen worden war sah sie sich in ihrem
Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und klagte auf Schmerzensgeld.
Im Verfahren vor
dem Landgericht München I am 16.06.2010 stellte sich allerdings heraus, daß die
Klägerin der Veröffentlichung zugestimmt und die Druckfahnen vor der
Veröffentlichung gelesen hatte. Das Argument, sie sei "damals noch relativ
›angeknackst‹" und habe nicht absehen können, "was passieren würde", ließ der
Vorsitzende nicht gelten. Die Klägerin habe an der Entstehung des Buches
mitgewirkt und auch die Zweitauflage geduldet. Nur im Falle einer damals
bestehenden Geschäftsunfähigkeit bzw. Willenlosigkeit sehe die Sache anders aus.
Weil die Klägerin selbst das verneinte sah der Richter eine schwere schuldhafte
Persönlichkeitsverletzung nicht gegeben und vermutete es gehe nicht um das
Schmerzensgeld, sondern um "etwas Persönliches". Der Beklagte Diplom-Psychologe
gab freiwillig eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab in der er sich
verpflichtete auch in Zukunft die umstrittenen Passagen nicht mehr zu verwenden.
Quelle: Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 17.06.2010: 52
Anmerkung: Daß sich die Klägerin mit
Ihrer Forderung nach Schmerzensgeld nicht durchsetzen konnte, verwundert kaum.
Der Beklagte Psychologie-Professor und Diplom-Psychologe hielt sich an das informed-consent-Prinzip (informierte Zustimmung) und war so berechtigt, die ihm
anvertrauten und unter Schweigepflicht stehenden Informationen zu
veröffentlichen. Allerdings zeigt der Fall auch, wie problematisch das
informed-consent-Prinzip in der Praxis ist. Ich habe schon verschiedentlich auf dessen
Problematik verwiesen: In der Psychotherapie kommt es immer zu einer besonderen
Abhängigkeitsbeziehung (in der psychoanalytischen Terminologie - einer
Übertragungsbeziehung). PatientInnen sind gegenüber ihrer/m Therapeutin/en nicht
wirklich frei und unbefangen in ihrer Entscheidung eines an sie herangetragenen
Wunsches nach einer Veröffentlichung intimer persönlicher Informationen -
schon gar nicht während der Therapie, aber auch nicht nach deren Abschluß. Und
die Klägerin hat völlig recht, wenn sie argumentiert, sie sei damals psychisch
beeinträchtigt (›angeknackst‹) gewesen und habe nicht absehen können, was
(mit ihr) passieren würde [Es besteht ein ähnliches Problem nach Radio- und
Fernsehauftritten, bei denen die Betroffenen nach der Sendung in ein
tiefes Loch fallen können und ggf. auch eine weitere Traumatisierung erleiden
können]. Auch wenn im vorliegenden Fall juristische Regelungen nicht verletzt
wurden - ein psychisch verletzlicher Zustand ist nicht per se ein die
juristische Geschäftsfähigkeit bzw. Willensbildung einschränkender Zustand - , ist doch und gerade auch bei traumatisierten PatientInnen zu
überlegen, ob das informed-consent-Prinzip den Interessen von PatientInnen
wirklich nützt oder nicht doch weniger oder mehr schadet. Ich persönlich
favorisiere eine anonymisierte Darstellung, die das vorgestellte 'Material' (z.
B. Diagnose(n), Anamnese, Psychodynamik, Übertragung) so verändert, daß es nicht
zu einer Verfälschung der Behandlung kommt, aber auch die vorgestellten Personen (weder für
Angehörige noch Profis, die PatientInnen zuvor behandelt haben) nicht erkennbar
werden bzw. identifizierbar sind - natürlich stellt auch diese Vorgehensweise
ein nicht zu erreichendes Ideal dar. In solchen Fällen ist eine Zustimmung der PatientInnen nicht
erforderlich.
Bundesarbeitsgericht: Die Schweigepflicht gilt auch über
den Tod hinaus - zur Frage der Verwertung ärztlicher Unterlagen in
Mit Beschluß vom 23.02.2010 hat das
Bundesarbeitsgericht die Beschwerde über die Nichtzulassung einer Revision gegen
das Urteil der Vorinstanz abgewiesen. In dem Streitfall vor dem
Landesarbeitsgericht ging es um die gewonnene Kündigungsschutzklage eines jedoch
zwischenzeitlich verstorbenen Arbeitnehmers. Der klagende Arbeitgeber war u. a.
der Ansicht, die Instanzgerichte hätten die Aussagen der Ärzte des Arbeitnehmers
einholen und verwerten können - zumindest sei rechtlich offen, ob das zulässig
sei. Aus der Sicht des BAG ist die Frage hingegen einfach zu beantworten und
damit nicht klärungsbedürftig:
"Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne
Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise,
wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen
entsprechen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.
Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus.
Sie darf gegenüber nahen Angehörigen nur ausnahmsweise und lediglich im
vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden, soweit einer
ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegenstehen. Dabei muss sich der Arzt
die Überzeugung verschafft haben, dass der Patient vor diesen Angehörigen keine
Geheimnisse über seinen Gesundheitszustand haben will oder ohne die seiner
Entscheidung entgegenstehenden Hindernisse hätte haben wollen. Auch gegenüber
Erben des Verstorbenen, deren Interesse an der Auskunft oder Einsicht eine
vermögensrechtliche Komponente haben kann, hat der ausdrückliche oder
mutmaßliche Wille des Verstorbenen Vorrang. Nur der behandelnde Arzt kann
entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht. Er hat
insbesondere darauf abzustellen, welche Geheimhaltungswünsche dem Verstorbenen
angesichts der durch seinen Tod veränderten Sachlage unterstellt werden müssen.
Der behandelnde Arzt ist in der Frage des Auskunfts- und Einsichtsrechts
gewissermaßen die letzte Instanz (vgl. BGH 31. Mai 1983 - VI ZR 259/81 - zu
II 3 b, c, f und g der Gründe, NJW 1983, 2627; siehe auch OLG München 9. Oktober
2008 - 1 U 2500/08 - zu A I und III der Gründe, VersR 2009, 982). Bedenken,
die es geboten erscheinen ließen, diese Rechtsprechung zu überdenken, bestehen
nicht." (BAG 23.2.2010, 9 AZN 876/09, Abs 12 und 13)
Auskunftspflichten von PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen
gegenüber Institutionen des Gesundheitswesens (z. B. Kranken - und
Rentenversicherung) und sonstiger Stellen (z. B. Arbeitsämter)
Nach meiner eigenen Erfahrung als
vertragärztlicher (Psychologischer) Psychotherapeut nehmen Anfragen der
Krankenkassen bzw. des MDK im Zusammenhang mit längerfristiger
Arbeitsunfähigkeit und/oder etwaigen Rehabilitationsmaßnahmen in den letzten
Jahren deutlich zu. Die Ärzte Zeitung online hat - weil die Zunahme von Anfragen
einen allgemeinen Trend darstellt - die Auskunftspflichten gegenüber dritten
Stellen einschließlich des Hinweises die etwaigen zu verwendenden Formulare und
Honoraransprüche aufgelistet:
Anfragen von gesetzlichen Krankenkassen: Auf welche Kassenanfragen
Vertragsärzte antworten müssen oder können, ist in den Bundesmantelverträgen für
die Primärkassen (PK) und die Ersatzkassen (EK) geregelt. Demnach müssen Ärzte
den Kassen für deren gesetzliche Aufgaben auch Bescheinigungen, Zeugnisse,
Berichte und Gutachten erstellen. Allerdings sind für solche Auskünfte die mit
KBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Vordrucke zu
verwenden. Stehen keine Vordrucke zur Verfügung oder gehen die Informationen,
die die Kasse anfordert, über den Vordruck hinaus, muss die Kasse die
Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht des Arztes angeben. Wobei der Arzt die
Beantwortung ergänzender oder veränderter Fragen auf Vordrucken ablehnen kann.
Und hier kann er auch eine zusätzliche Vergütung mit der Krankenkasse nach GOÄ
vereinbaren. Letzteres gilt auch für Anfragen, für die es keinen Vordruck gibt.
Die Vordrucke hingegen werden nach EBM (Ziffern 01610 bis 01623) vergütet - die
entsprechenden EBM-Ziffern müssen auf dem Vordruck vermerkt sein.
Anfragen des MDK: Auf sie müssen Ärzte in der Regel antworten. Allerdings
muss auch der MDK die Rechtsgrundlage für seine Auskunftsberechtigung sowie den
Zweck, zu dem er die Informationen benötigt, angeben. Für einfache Auskünfte,
Bescheinigungen etc. erhält der Arzt keine Vergütung und dafür gibt es auch
keine vereinbarten Vordrucke. Anders sieht das bei ausführlichen Berichten aus:
Hier ist ein Vordruck vereinbart und die Vergütung erfolgt über die EBM-Ziffer
01621. Geht es um die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit des Patienten sind
die Vereinbarungen zwischen den einzelnen KVen und dem jeweiligen MDK vor Ort zu
beachten. Denn dort ist auch das Honorar der Ärzte geregelt.
Anfragen von Sozialämtern: Auch das Sozialhilferecht enthält eine
Auskunftspflicht für Ärzte - eine vorherige Einwilligung des Patienten ist nicht
nötig (Paragraf 38 Abs. 4 S. 3 Bundessozialhilfegesetz). Allerdings darf der
Arzt Auskünfte auf nicht vereinbarten Vordrucken verweigern. Und stellt ein
Sozialamt eine Anfrage zur Arbeitsfähigkeit eines Patienten, dann muss der
Patient doch vorher schriftlich eingewilligt haben. In Sachen Vergütung und
Vordrucke sollten sich Ärzte an die zuständige KV wenden. In Westfalen-Lippe
gelten für die Abrechnung etwa dieselben Regeln wie für Kassenanfragen.
Anfragen von Rentenversicherungsträgern: Es gibt keine gesetzliche
Auskunftspflicht für Ärzte. Das bedeutet für den Arzt, er darf und muss nur dann
Auskünfte erteilen, wenn der Patient vorher schriftlich zugestimmt hat und der
Rentenversicherungsträger die Infos für die Durchführung seiner Aufgaben
benötigt. Freie Berichte und Gutachten werden nach dem Justizvergütungs- und
-entschädigungsgesetz (gem. Anlage 2 zu Paragraf 10 Abs. 1 JVEG) vergütet. Für
Befundberichte ohne gutachterliche Äußerung kann der Arzt demnach eine
Aufwandsentschädigung in Höhe von 21 Euro verlangen (JVEG/Anlage 2, Nummer 200).
Für das Ausfüllen ärztlicher Befundbögen zum Reha-Antrag wird derzeit hingegen
eine Vergütung von 18 Euro plus einer Verwaltungskostenpauschale von 7,20 Euro
angeboten.
Anfragen vom Arbeitsamt: Infos darf der Arzt nur weitergeben, wenn die
Behörde diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und der Patient vorher
schriftlich eingewilligt hat. Die Vergütung erfolgt ebenfalls gemäß Anlage 2 zu
Paragraf 10 Absatz 1 JVEG.
Anfragen von Unfallversicherungsträgern: Gegenüber den
berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsträgern besteht nach den
Paragrafen 201 und 203 SGB VII sowie dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger
(Paragraf 46) für Ärzte eine Auskunftspflicht - selbst ohne Einwilligung des
Patienten. Dabei ist eine Besonderheit zu beachten: Verweigert ein Arzt die
Auskunft, kann ihn der Unfallversicherungsträger mit einer Geldbuße bis zu 2500
Euro belegen. Die Vergütung für die Auskunft ist im Vertrag
Ärzte/Unfallversicherungsträger geregelt.
Anfragen von privaten Versicherern: Nur, wenn eine konkrete
Schweigepflichtsentbindung vorliegt, darf der Arzt Auskunft über einen Patienten
erteilen. Pauschale Entbindungserklärungen aller behandelnder Ärzte von der
Schweigepflicht - darauf weist die KVWL ausdrücklich hin - werden von der
Rechtsprechung und der Literatur als unwirksam angesehen. Der Patient sollte
daher im Einzelfall der Auskunftserteilung zugestimmt haben. Abrechnen kann der
Arzt den Bericht nach den Ziffern 70 ff. nach GOÄ.
Anfragen von Patienten und Anwälten: Patienten steht ein weitgehendes
Einsichtsrecht in ihre Akten, aber eben nur ein Einsichtsrecht, zu. Subjektive
Einschätzungen des Arztes über den Patienten können in den Akten geschwärzt
werden. Dass heißt, der Arzt muss keine extra Berichte schreiben und Kopien
versenden. Der Patient hat aber das Recht, selbst Kopien anzufertigen und
mitzunehmen. Auch Rechtsanwälte, die für Patienten tätig werden, sind auf das
Einsichtsrecht beschränkt. Bei Anfragen zu Behandlungskosten ist das etwas
anders: Hier hat der Vertragsarzt den Patienten nach Paragraf 305 Abs. 2 SGB V
über die zu Lasten der Kassen zu zahlenden ärztlichen Honorare, die aus der
Behandlung des Patienten entstanden sind, zu unterrichten. Dafür kann er eine
Aufwandspauschale von einem Euro plus Versandkosten vom Patienten verlangen.
Verurteilung einer Psychotherapeutin zu Schadenersatz
wegen Mitteilung eines Verdachts des sexuellen Mißbrauchs an unzuständige
Personen bzw. Institutionen (Verletzung des Persönlichkeitsrechts des
vermeintlichen Täters)
Eine Psychotherapeutin hatte im
Zusammenhang der Behandlung eines Kindes den Verdacht, es sei in den Jahren 2004
und 2005 von seinem Fußballtrainer (im Rahmen eines Schülerprojekts) sexuell
mißbraucht worden. Hierüber äußerte sie sich nach Abschluß der Behandlung nicht
nur gegenüber der zuständigen Fachstelle für Kinderschutz der Stadt X, sondern
auch gegenüber zahlreichen weiteren Personen (u. a. Mitarbeiter des Arbeitgebers
des Beschuldigten). Der Fußballtrainer und Sozialpädagoge verlor seinen
Arbeitsplatz. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren (er war vor
langer Zeit einmal einschlägig in Erscheinung getreten) wurde eingestellt.
Zur Frage, ob ein sexueller
Mißbrauch vorlag, äußerte sich das Gericht so:
Die Beklagte hat Belegtatsachen für ihren Verdacht nicht nachvollziehbar
vorgetragen, so dass sich eine diesbezügliche Beweisaufnahme verbot;
insbesondere reichte der Hinweis darauf nicht aus, dass der Kläger das Kind mit
Sportartikeln beschenkte – was im Übrigen streitig ist – und ihm außergewöhnlich
viel Zeit widmete. Der Umstand, dass die Beklagte durch den Vortrag der
Belegtatsachen ihre psychotherapeutische Schweigepflicht gegenüber dem Kind
verletzten würde, kann nicht dazu führen, dass der Kläger die ehrverletzenden
Behauptung auch ohne solche Tatsachen als ggf. wahr hinnehmen muss; er würde
hierdurch völlig schutzlos gestellt (OLG Frankfurt, 19.05.10, 1 U 49/09, Abs.
24).
Aber auch bei Vorliegen des
Tatbestandes eines Mißbrauchs hätte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts
vorgelegen:
Die Äußerungen betrafen den Kernbereich der Intimsphäre des Klägers und waren
ungeachtet ihrer Kennzeichnung nicht als feststehende Tatsache, sondern als
(dringender) Verdacht zu seiner Stigmatisierung geeignet. Die Beklagte hätte
sich demgemäß auf Äußerungen gegenüber Personen beschränken müssen, deren
primäre Aufgabe es ist, Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen, mithin die
zuständigen städtischen Stellen und die Staatsanwaltschaft. (ebd. Abs. 19).
Nach Ansicht des Gerichts wurde der
Kläger durch die Mitteilungen an nichtzuständige Stellen, insbesondere auch den
Arbeitgeber in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es verurteilte die beklagte
Psychotherapeutin deshalb zur Unterlassung der Behauptung eines sexuellen
Mißbrauchs, zum Ersatz des materiellen Schadens und zu einer Entschädigung in
Geld. Da Revision nicht zugelassen wurde ist die Entscheidung ist faktisch nicht
anfechtbar.
Anmerkung: Das Urteil berührt
indirekt auch Fragen der Schweigepflicht. Die Offenbarung des Geheimnisses (hier:
Verdacht des sexuellen Mißbrauchs) selbst stellt keine Verletzung der
Schweigepflicht dar, weil das Geheimnis selbst eine dritte Person
(Geheimnisträger) betrifft. Anders verhält es sich mit den - den Verdacht begründenden
-
Fakten, welche die Psychotherapeutin vom dem Kind erfahren hat, soweit sie es
dieses selbst betrifft, einschließlich der Tatsache, daß es der
Psychotherapeutin diese Mitteilungen gemacht hat. Daß mit Daten und
Informationen, die nicht PatientInnen, sondern Dritte (Angehörige, Bekannte,
Politiker etc.) sorgsam umgegangen werden muß (auch wenn nicht erkennbar ist,
daß diese von einer/m PatientIn stammen ist eine Selbstverständlichkeit. Geht es
um (insbesondere künftige) Straftaten so sollte vor einem entsprechenden Schritt
immer rechtlicher Rat (Justiziare der Berufsverbände) eingeholt werden.
Ergänzung
(1/2011): Das Psychotherapeutenjournal (4/2010)
greift das Urteil auf: Seite 390-391.
Pressemeldung OLG Frankfurt v.
20.05.2010
(Anmerkung: Die Seite ist nicht direkt erreichbar!)
Beschluß OLG Frankfurt vom 19.05.2010 (1
U 49/09) (Anmerkung: Die Seite ist nicht direkt
erreichbar!)
Der 116. Deutsche Ärztetag spricht sich gegen die eGK
aus!
(Teil
X)
Bericht der Ärzte Zeitung (online)
vom 14.05.2010:
Ärztetag fordert das Aus für die E-Card
Delegierte beklagen Verschwendung von Versichertengeld durch
Gesundheitskarte
DRESDEN (fuh). Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, das
Projekt der elektronischen Gesundheitskarte endgültig aufzugeben.
"Vier Jahre nach dem ursprünglichen Einführungsjahr der E-Card 2006 ist die neue
Versichertenkarte noch immer nicht praxisreif", heißt es in der Begründung des
mit 105 zu 86 Stimmen angenommenen Entschließungsantrags. 700 Millionen Euro an
Beitragsgeldern seien allein im Jahr 2009 für die erste Phase des Rollouts im
Gesundheitsfonds eingeplant. Mit dem Stopp des
Projekts könnten 14 Milliarden Euro eingespart werden, heißt es weiter.
Die Delegierten wenden sich "gegen die Verwandlung der Arztpraxen in
Außenstellen der Krankenkassen durch Verlagerung des
Versichertendatenmanagements in die Praxen." In Zeiten drohenden Ärztemangels
vor allem in ländlichen Regionen sei dieses Vorhaben kontraproduktiv.
Dr. Franz-Joseph Bartmann, Kammerchef in Schleswig-Holstein und Berichterstatter
des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer, hatte zuvor vergeblich vor der
Annahme dieses Antrags gewarnt. "Verweigerung oder gar Fundamentalopposition
führt zwangsläufig dazu, dass wir als Ärzteschaft auf der Tribüne sitzen,
während das Spiel auf dem Feld entscheiden wird", sagte er.
Nach der
Bestandsaufnahme für den Aufbau der Telematikinfrastruktur hat die
Gesellschafterversammlung am 19.04.2010 über das weitere Vorgehen beraten
und folgende Maßnahmen beschlossen:
Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten Leistungserbringer: medizinische Anwendungen
Kostenträger: administrative Anwendungen
Einführung von drei Anwendungen GKV-Spitzenverband: Einführung eines online-gestützten
Versichertenstammdatenmanagements
Bundesärztekammer: Einführung eines Notfalldatensatzes auf der eGK
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): adressierte Kommunikation
der Leistungserbringer
Übergreifende Aufgaben der
Basis-Telematikinfrastruktur: GKV-Spitzenverband & KBV
Schlichter bei strittigen
Entscheidungen: Staatssekretär a. D. Dr. Klaus Theo Schröder
Kein Beschluß wurde zu einer
etwaigen verpflichtenden online-Lösung gefasst, die Kostenträger
gehen allerdings davon aus, daß eine entsprechende Gesetzesinitiative vom
Bundesgesundheitsministerium ergriffen wird. Dabei sollen die Datensicherheit,
die Bekämpfung des Missbrauchs,
die Forderung der Kostenträger nach einer Gültigkeitsprüfung einer
schnellen Aktualisierung der eGK beim Leistungserbringer
sowie die Freiwilligkeit der Leistungserbringer zur direkten
Anbindung ihrer Primärsysteme Berücksichtigung finden.
Anmerkung:
Bereits zu Beginn hielt ich es für eine Illusion, daß es bei der Freiwilligkeit
der eGK-Anwendungen (insbesondere der online-Prüfung der Versichertendaten)
bleiben wird. Zwar soll der entsprechende Beschluß der Leistungserbringer
berücksichtigt werden. Zu glauben, daß es mit der flächendeckenden Einführung
der eGK bei dieser Freiwilligkeit bleiben wird ist nicht nur illusionär sondern
schlichtweg naiv. Im Gegenteil ist zu befürchten, daß eine online-Verbindung mit
der jeweiligen Praxissoftware angestrebt wird (und damit eine
Zugriffsmöglichkeit auf Patientendaten), auch wenn der derzeitige
Bundesgesundheitsminister dies noch ausschließt (Bericht
Ärztezeitung
online
17.04.2010).
Gutachterverfahren bei der PKV und anderen
nicht-gesetzlichen Kostenträgern: Pseudonymisierung der Unterlagen an die
GutachterInnen
Aufgrund eines Beitrages des Deutschen Ärzteblatts (PP) zu dieser Problematik
(Editorial, Meißner, M.:
Gutachterverfahren der Privaten
Krankenversicherungen: Datenschutz zweiter Klasse,
DÄ-PP 9 [2/2010]: 49)
habe ich einen Leserbrief
formuliert, der im DÄ-PP April 2004 veröffentlicht wurde (DÄ-PP
9 [4/2010]:174):
Es ist erfreulich, dass diesem Thema nun etwas mehr öffentliche Aufmerksamkeit
zuteil wird. Der Beitrag bedarf allerdings einiger Anmerkungen:
Der Ausdruck „pseudoanonymisierte Berichte“ ist irreführend. Pseudonymisierte
Berichte enthalten ein Pseudonym (derzeit eine Kombination aus dem ersten
Buchstaben des Nachnamens und der Ziffern des Geburtsdatums), anonymisierte
Berichte stellen hingegen keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Patienten
her.
Die Auffassung, die Schweigepflichtentbindung rechtfertige das Vorgehen der
PKVen und der Beihilfe, ist nur teilweise zutreffend. Zunächst muss die
Entbindung beinhalten, welche Daten zu welchem Zweck an wen weitergegeben
werden. Doch auch in diesem Fall kommt es zu einem Verstoß gegen den
Datenschutz: Die Grundsätze der Zweckbindung -und Datensparsamkeit rechtfertigen
eine Datenweitergabe (auch mit Einwilligung der Betroffenen) nur insoweit, als
diese zur Erfüllung des angestrebten Zwecks erforderlich sind. Die Kenntnis der
Identität der Versicherten ist für die begutachtenden Ärzte/innen zur Erfüllung
ihrer Aufgabe nicht erforderlich. Nur zur Erinnerung: Es geht um Daten aus dem
Kernbereich der Persönlichkeit, die verfassungsrechtlich höchsten Schutz
genießen! Die Preisgabe der Diskretion innerhalb des psychotherapeutischen Raums
ist ein Angriff auf die Wirksamkeit des Verfahrens und die Funktion der
psychotherapeutischen Berufsgruppen, die ihre Aufgabe nur dann erfüllen können,
wenn die Bevölkerung sich ihrer Verschwiegenheit sicher sein kann.
Und jenseits juristischer Fragen: Wenn es stimmt – was ich für möglich halte,
aber nicht belegen kann, dass PKVen die Berichte nutzen, um (verschwiegene)
Vorerkrankungen zu eruieren, dann werden psychisch beeinträchtigte
Patient(inn)en im Zusammenhang mit ihrer höchstpersönlichen Offenbarung
gegenüber Psychotherapeut(inn)en bespitzelt. Die jeweiligen
Psychotherapeut(inn)en und Gutachter/innen werden ihrerseits, wenn auch
unbeabsichtigt, zu Erfüllungsgehilfen eines ethisch mehr als fragwürdigen
Vorgehens. Ich fordere die Einführung des Gutachterverfahrens in der PKV (und
bei anderen Kostenträgern, wie zum Beispiel den Unfallversicherungsträgern und
Kirchen) und ein entsprechend verändertes Gutachterverfahren in der Beihilfe und
rufe alle Kolleg(inn)en und Gutachter/innen auf, sich dem bestehenden Verfahren
zu widersetzen – etwa durch konsequente Pseudonymisierung der Berichte, die
Verwendung verschlossener Umschläge, die Information der Patient(inn)en und
entsprechende Anschreiben an die Kostenträger.
Schweigepflicht und Obergutachten Psychotherapie
(Richtlinienverfahren)
Im
konkreten Fall hatte ein Obergutachter
seine Ausführungen
(Obergutachten) in mehrfacher Ausfertigung an die zuständige Sachbearbeiterin
der KK geschickt mit der Bitte das Gutachten an die Therapeutin weiterzuleiten.
Der
Gutachter hatte darin zur Störung der Patientin, den
psychodynamischen Ausführungen der Therapeutin, dem Behandlungsplan und den
Ausführungen der Vorgutachterin
ausführlich (1,5 Seiten) Stellung
genommen. Die Kollegin fragte
sich nun, ob die Vorgehensweise des Gutachters den offiziellen Vorgaben,
da aus ihrer Sicht die Schweigepflicht in keiner Weise mehr gewahrt sei und die
Patienten für diesen Fall über die Weitergabe ihrer Daten (an die KK) vorab
informiert sein müssten.
Zunächst zum
Obergutachterverfahren allgemein: Der Therapeut schickt die bisherigen
Unterlagen
PTV 2
Bericht der/s
Therapeutin/en an die/den VorgutachterIn
die
(ablehnende) Stellungnahme der/s Vorgutachterin/s
Bericht der/s
Therapeutin/en, der sich mit den Bedenken der/s Vorgutachterin/s
substantiell auseinandersetzt
im roten,
verschlossenen Umschlag (wie üblich) an die KK - mit der Bitte diesen an den
Obergutachter weiterzuleiten. Das Verfahren ist geregelt und bei
Faber/Haarstrick nachzulesen (Rüger & Dahm & Kallinke: Kommentar
Psychotherapierichtlinien. München: Urban & Fischer 8. Auflage 2008: 88).
Übrigens: Der (neuerliche) Bericht ist abrechenbar (35130/35131).
Wie
der Gutachter sein
Gutachten
erstellt ist hingegen nicht im einzelnen geregelt. Im Kommentar wird ein
formalen Aufbau empfohlenen (8. Auflage 2008: 91), auch weil es "ggf. die letzte
Station vor einem Sozialgerichtsverfahren" darstellt. Zum Aufbau des
Obergutachtens heißt es:
Bezugnahme/Gutachtenauftrag
Aufführung der
Unterlagen, auf die sich das Obergutachten stützt
kurze
Darstellung des Sachstandes (noch ohne eigene Stellungnahme)
Stellungnahme:
Hier soll sowohl kurz zur formalen und inhaltlichen Ablehnungsbegründung des
Vorgutachters Stellung genommen werden als auch zum strittigen Bericht des
Antragstellers und seiner Stellungnahme zur Begründung des Erstgutachters für
die Nichtbefürwortung. Schließlich werden die darauf fußenden Argumente des
Antragstellers noch einmal erörtert, und es folgt dann die eigentliche
Stellungnahme des Obergutachters. Bei
der Weitergabe von Informationen muss jedoch gegenüber der Krankenkasse immer
auch die Schutzwürdigkeit von Patientendaten berücksichtigt werden
zusammenfassende Stellungnahme
Der Hinweis auf die Schutzwürdigkeit
von Patientendaten erscheint in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung,
denn wenn sich das Obergutachten auf die beiden Berichte der/s Therapeutin/en
bezieht (also etwa darin enthaltene diagnostische oder anamnestische
Überlegungen, Psychodynamik, Behandlungsplan, Prognose etc.) dann ist die Frage,
wie diese gewährleistet werden kann. M. E. wäre eine 'saubere' Lösung nur
gegeben, wenn die ausführliche Stellungnahme ausschließlich an die/den
behandelnde/n Therapeutin/en und eine kurze Stellungnahme an die Krankenkasse
übersandt würde. Für weitere Schritte der PatientInnen (im
Sozialgerichtsverfahren) könnten die Unterlagen dann ggf. diesen (und dann auch
der KK) übergeben werden. Angesichts der doch grundsätzlichen Bedeutung dieser
Frage, werde ich die Autoren des Psychotherapiekommentars und den Bayerischen
bzw. Bundesdatenschutzbeauftragten um eine Stellungnahme bitten.
Bundesdatenschutzgesetz: Auskunfteien (wie die Schufa)
müssen Auskunft geben
Die Neuregelung
ermöglicht allen BürgerInnen und damit auch ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen
Einblick in die über Sie gespeicherten Daten und das Scoring-System zu nehmen.
Nachtrag: Klaus Kinskis Krankenakte - Vergleich vor dem
Verwaltungsgericht Berlin (30.04.2009)
(Teil II)
Der
Schauspieler Klaus Kinski (1926-1991) war 1950 für drei Tage in stationärer
Behandlung in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Die dabei angelegte Krankenakte,
die höchst brisante Informationen zu den Umständen des stationären Aufenthalts
und der gestellten Diagnose enthielt (ich verzichte auf die Offenlegung weiterer
Details, weil diese unrechtmäßig an die Öffentlichkeit gelangt sind), war vom
Krankenhauskonzern Vivantes 2008 - zusammen mit zahlreichen weiteren Akten (ca.
90.000), vor allem aus der NS-Zeit, an das Landesarchiv Berlin übergeben worden.
Das Archiv (Leiter Dr. Uwe Schaper) und der Datenschutzbeauftragte Berlin Dr.
Alexander Dix hatten die Offenlegung mit dem Hinweis (auf das
Landesarchivgesetz) gerechtfertigt: Die zehnjährige Schutzfrist für
Patientenakten von Personen der Zeitgeschichte sei (nach ihrem Tod) bereits 2001
abgelaufen.
Der Sohn von Klaus Kinski, Nikolai
Kinski hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Herausgabe durch das
Berliner Landesarchiv geklagt. Das Verfahren endete mit einem Vergleich: Die
Unterlagen aus dem Jahr 1950 dürfen künftig nur nach Absprache mit Nikolai
Kinski an Dritte herausgegeben werden. Soweit ein Antrag an das Archiv auf
Herausgabe vorliegt, wird das Landesarchiv Nikolai Kinski informiert, damit er
sich entsprechend (innerhalb einer Frist von mindestens zwei Wochen) dazu äußern
und gegebenenfalls in
einem Eilverfahren um vorläufigen Rechtsschutz ersuchen
kann. Wie der Gerichtssprecher meinte, könne Kinski dann gegebenenfalls
gerichtlich gegen die Weitergabe der Unterlagen vorgehen.
Bereits im Sommer 2008 hatte
Kinskis dritte Ehefrau (Minhoi Loanic)
Strafanzeige wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB)
Strafanzeige gegen den Leiter des Landesarchivs und den städtischen
Krankenhauskonzern Vivantes gestellt. Die Staatsanwaltschaft stellte das
Verfahren gegen Dr. Schaper allerdings mit der Begründung ein, daß ein
Verbotsirrtum vorliege (er hatte sich auf den Berliner
Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Dix verlassen). Der Rechtsanwalt der Witwe
(Ferdinand von Schirach) war dennoch im Ergebnis zufrieden gewesen, da sich die
Akten weiterhin unter Verschluß befinden (siehe auch
Teil I).
Kommentar:
Das Urteil des VG Berlin hinterläßt einen faden Nachgeschmack. Gerichtssprecher
Groscurth zufolge hat das Gericht den Inhalt
der Krankenakten nicht geprüft. Bei einem zukünftigen Fall müsse das jedoch
geschehen und das Persönlichkeits- gegen das Informationsrecht abgewogen werden
- er sprach in diesem Zusammenhang von "unheimlich schwierigen Rechtsfragen".
Ich halte diese Abwägung insoweit für problematisch, als jede Information, die
den Kernbereich der Persönlichkeit berührt (siehe Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts), grundsätzlich schwerer wiegt, als das
Informationsrecht der Öffentlichkeit. Krankenakten aller Art enthalten immer
(auch) solche schützwürdigen Daten - wie sollten sich Personen der
Zeitgeschichte (und auch 'Normalbürger') in ärztliche/psychotherapeutische
Behandlung begeben, wenn nicht sichergestellt ist, daß diese Tatsache zum
Gegenstand öffentlicher Erörterungen wird - so wissenschaftlich diese auch
begründet sein mögen! Auch das Zeit-Argument mag hier nicht zu überzeugen.
Angesichts der
zunehmenden Gefahren, die vom Internet durch die Preisgabe von teils höchst
persönlichen Daten durch die NutzerInnen selbst ausgehen, habe ich in der Rubrik
Links Webseiten zum
Selbstdatenschutz aufgelistet. Die Seiten stammen durchweg von
vertrauenswürdigen Institutionen und informieren Einsteiger und
Fortgeschrittenen über die Gefahren des Internet, mögliche und notwendige
Sicherheitsmaßnahmen sowie über Verhaltensregeln (speziell auch für Eltern und
Kinder) für den Umgang mit E-Mails, sozialen Netwerken und Einkaufsplattformen.
Elena (Elektronischer
Entgeltnachweis):
Verfassungsbeschwerde in Vorbereitung
(Teil
II)
Die
Rechtsanwälte Reinhard Starostik und Dominik Boecker (Fachanwalt für IT-Recht)
haben Verfassungsbeschwerde gegen das am 28.3.2009 im Bundesrat verabschiedete
Gesetz eingelegt (früher wurde ELENA auch als Job-Card-Projekt bezeichnet).
Danach sind Arbeitgeber seit dem 1.1.2010 verpflichtet, für ihre Beschäftigten
(Angestellte, Arbeiter, Beamte, Richter und Soldaten) einmal pro Monat einen
umfangreichen Datensatz übermitteln, um den Arbeits- und Sozialämtern (ab 2012)
eine schnellere und einfachere Entscheidung über Sozialleistungen zu
ermöglichen. Erfasst werden folgende Daten:
Bruttoentgelt und Steuerklasse
Kinderfreibetrag
Angaben zur Tätigkeit, wöchentliche
Arbeitszeit
Renten-, Sozialversicherungs-, Arbeitslosen-
und Pflegeversicherungsabzüge
Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag,
Kirchensteuer
Name und Anschrift, Geburtsort, -datum und
-name
Angaben zu Arbeitgeber und Betrieb
Anzahl, Beginn und Ende sowie „Arten“ von
Fehlzeiten (z.B. Krankheit, Mutterschutz, Pflegezeit, Elternzeit,
Wehrdienst/Zivildienst, usw.)
Höhe und Art sonstiger steuerpfl. Bezüge
(Weihnachts- u. Urlaubsgeld, zusätzl. Monatsgehälter, Gratifikationen,
Tantiemen, Urlaubsabgeltungen, Abfindungen
Höhe und Art von steuerfreien Bezügen (z.B.
Pensionskasse-Zuwendungen durch den Arbeitgeber, Kurzarbeitergeld,
steuerfreie Fahrtkostenzuschüsse, Zuschüsse bei Mutterschaft usw.)
Zeitpunkt des Beginns sowie
voraussichtliches und tatsächliches Ende einer Ausbildung
Arbeitgeber-Zuschuss zur freiwilligen
Kranken- und Pflegeversicherung
Grund von Arbeitszeitänderungen
Arbeitsstunden – aufgeschlüsselt in
Arbeitsstunden jeder einzelnen Kalenderwoche des Monats
Urlaubsanspruch und tatsächlich genommene
Urlaubstage, Urlaubsentgelt
Angaben zu befristeten Arbeitsverhältnissen
Angaben zu Entlassungen und Kündigungen
Auskunft über bereits erfolgte Abmahnungen
im Vorfeld von Kündigungen
Schilderung von „vertragswidrigen Verhalten“
des Angestellten/Arbeiters
Vorruhestandsleistungen und -gelder,
Abfindungen
Die
Rechtsanwälte Reinhard Starostik (er hat bereits auch in meinem Namen gegen die
Vorratsdatenspeicherung geklagt und Erfolg gehabt) und Dominik Boecker
(Fachanwalt für IT-Recht) haben Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Betroffene (also insbesondere Angestellte, Arbeiter, Beamte, Richter und
Soldaten) können eine Vollmacht erteilen und sich der Verfassungsbeschwerde
anschließen. Weitere Informationen und Registrierung für die Vollmacht unter:
https://petition.foebud.org/ELENA.
Europäischer Gerichtshof: Mehrere Bundesländer müssen die
Datenschutz-Aufsicht (zuständig für Privatwirtschaft und Verbände) neu regeln
Wie die Ärzte Zeitung
berichtet sind die als
Datenschutzstellen tätigen
Behörden (Regierungspräsidien,
Ministerien) der
Bundesländer
Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland,
Sachen-Anhalt und Thüringen nach Ansicht des EuGH nicht ausreichend
unabhängig
(Rechtssache C-518/07). Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat das
Urteil begrüßt.
Grundsatzurteil
des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung: Die massenhafte
Speicherung von Telefon- und Internetdaten in der jetzigen Form ist
verfassungswidrig!
(Teil
XIV)
Am
vergangenen Dienstag (2.03.2010) hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur
Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Die
bevollmächtigten Rechtsanwälte
der Kläger (Rechtsanwalt
Meinhard Starostik, der
auch in meinem Namen geklagt hat;
Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch
und Prof. Dr. Jens-Peter
Schneider) haben sich
damit mit ihrer Rechtsauffassung durchgesetzt. Der durch das Gesetz entstandene
Grundrechtseingriff wiegt nach Ansicht des Gerichts besonders schwer, weil die
Daten sehr weit gestreut und aussagekräftig im Hinblick auf
Gruppenzugehörigkeit, persönliche Neigungen und Schwächen sind und so die
Intimsphäre berühren. Zwar steht eine Speicherungspflicht nicht grundsätzlich im
Widerspruch zum Fernmeldegeheimnis, der Gesetzgeber ist bei einer gesetzlichen
Neuregelung aber verpflichtet, den Zugriff auf gespeicherte Daten auf
gravierende Fälle (Ahndung von Straftaten, die überragend wichtige Güter
bedrohen; Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter solcherart) zu beschränken.
Weitere Kernaussagen des Urteils:
Die Abfrage und die Übermittlung der Daten steht unter Richtervorbehalt -
ein direkter Zugriff auf die Daten durch Sicherheitsbehörden ist damit nicht
möglich.
Für die Aufbewahrung der Daten
gelten besonders hohe Standards der Datensicherheit (Verschlüsselung,
gesicherte Zugriffsrechte, revisionssichere Protokollierung).
Es
besteht Rechtsschutz für die Bürger: Sie sollen die Verwendung ihrer Daten
nachträglich kontrollieren können.
Bei mißbräuchlicher Verwendung der
Daten müssen Strafen vorgesehen sein.
Die
verfassungsrechtliche Höchstgrenze der Speicherdauer liegt bei etwa einem halben
Jahr (analog der EU-Richtlinie zur Datenspeicherung).
Die
Schutzvorkehrungen gegen einen möglichen Datenverlust müssen künftig einer
Aufsichtsbehörde überantwortet werden.
Schutz
der Vertraulichkeit für bestimmte Personen, die einer Verschwiegenheitspflicht
unterliegen:
"Verfassungsrechtlich geboten ist als
Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch, zumindest für einen engen
Kreis von auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen
Telekommunikationsverbindungen ein grundsätzliches Übermittlungsverbot
vorzusehen. Zu denken ist hier etwa an Verbindungen zu Anschlüssen von Personen,
Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die
grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern ganz oder überwiegend telefonische
Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten und die selbst oder deren
Mitarbeiter insoweit anderen Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen"
(Absatz 238 des Urteils v. 2.03.2010).
[Anmerkung:
Journalisten werden nicht erwähnt - siehe auch unten den Kommentar von Heribert
Prantl]
Das Gericht verwies darauf, daß
die Bürger nicht total erfaßt und registriert werden dürften:
"Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer
vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt
vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im
Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch
aller Aktivitäten der Bürger führen. Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit
einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, dass sie nicht direkt durch
staatliche Stellen erfolgt, dass sie nicht auch die Kommunikationsinhalte
erfasst und dass auch die Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen
Internetseiten durch kommerzielle Diensteanbieter grundsätzlich untersagt ist.
Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht
als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlungen
dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer
Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der
verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass
die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden
darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland
(...), für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und
internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche
Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere
anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich
geringer" (Absatz 218 des Urteils v. 2.03.2010).
Zwei der acht Richter
(Präsident Papier, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier,
Kirchhof, Masing) haben gegen das Urteil gestimmt und ein kurzes abweichendes
Urteil verfasst.
In einem Kommentar zum Urteil hat
Heribert Prantl (Journalist und Rechtsanwalt) bedauert, daß das Gericht die Vorratsdatenspeicherung auch
weiterhin für zulässig hält, wenn auch unter strengen Regelungen:
"Seit dem Urteil zur
Volkszählung im Jahr 1983 hatte das Gericht immer wieder betont, das Grundgesetz
schütze den Bürger »gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und
Weitergabe seiner Daten«. Das ist nun nicht mehr der Fall" (Heribert Prantl, SZ
v. 3. März 2010: 2).
"Eine Totalerfassung
aller Daten ist (...) für die Meinungs-, für die Kommunikations- und für die
Pressefreiheit höchst gefährlich. Sie bedroht sämtliche Berufsgeheimnisse.
Das alles weiß das
Bundesverfassungsgericht: Die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung sind in
seinem langen Urteil anschaulich zusammengefasst - aber die Konsequenzen sind
nur halbherzig gezogen worden. Das Urteil ist hart, aber nicht hart genug. Es
ordnet zwar an, die bisher gespeicherten Daten zu löschen, lässt aber die
Speicherung und Weitergabe der Daten für die Zukunft umfassend zu. Auf der Basis
der im Urteil geschilderten Gefahren hätte die Speicherung aber generell
verboten werden müssen" (Heribert Prantl, SZ
v. 3. März 2010: 4).
Quelle:
Süddeutsche
Zeitung v. 3. März 2010: 1-2 (66 Jg., Nr. 51) und verschiedene andere
Medienberichte (einschl. BVerfG)
Kommentar von Heribert Prantl
(Süddeutsche Zeitung
v. 3. März
2010: 2, 4 und
online: 2.03.2010)
Schweigepflicht auch bei Minderjährigen: Urteil des LG
Köln (AZ: 25 O 35/08)
Wie die Ärzte Zeitung
berichtet (23.02.2010) gilt die Schweigepflicht nach einem Urteil des
Landgericht Köln auch bei Minderjährigen:
Eine 15-Jährige war mit ihrer Mutter bei einer
Frauenärztin, um sich ein Kontrazeptivum verordnen zu lassen. Die Ärztin stellte
bei dem Mädchen aber bereits eine Schwangerschaft fest.
Die junge Mutter konnte die Ärztin nach der Geburt
dennoch nicht zu Schadenersatz heranziehen, da die Ärztin wunschgemäß deren
Mutter nichts von der Schwangerschaft gesagt hatte. Es stand fest, dass die
15-Jährige Reife und Einsichtsfähigkeit ihrer Handlungen hatte. Und da die
Ärztin eine Beratung zur Abtreibung vermittelt hatte, habe sie ihre Pflicht
erfüllt, so das Urteil (Landgericht
Köln, Az.: 25 O 35/08).
Das Urteil ist nicht weiter überraschend. Bereits mit dem 14. Lebensjahr besteht
die Möglichkeit, eine eigenständige Entscheidung über die Einwilligung der
Datenweitergabe an Dritte zu treffen, wenn die dazu erforderliche Reife
(Einsichtsfähigkeit in die Handlung und ihre Konsequenzen) gegeben ist -
das ist ab diesem Zeitpunkt üblicherweise der Fall. Auch das verfassungsmäßig
verankerte Erziehungsrecht der Eltern und damit die Informationspflicht der ihre
Kinder behandelnder ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen ändert daran nichts.
Leitfaden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu den
Anforderungen an Hard- und Software in ärztlichen und psychotherapeutischen
Praxen
Über den
Leitfaden schreibt die KBV:
"Das Angebot an moderner Informationstechnologie
für Arzt- und Psychotherapeutenpraxen ist riesig. Dabei geht es beim
Computereinsatz in der Praxis inzwischen um mehr als die Abrechnung und die
ärztliche Dokumentation. Damit sind auch die Anforderungen an eine moderne
EDV-Ausstattung gestiegen. Der neue Leitfaden der KBV unterstützt Ärzte und
Psychotherapeuten bei der Auswahl der Praxissoftware und Hardware. Er zeigt,
worauf sie bei der Computer- und EDV-Einrichtung der Praxis achten sollten und
was sie unbedingt benötigen. Der Leitfaden enthält darüber hinaus Hinweise zur
sicheren Nutzung von Online-Diensten. Er informiert über das KV-SafeNet, ein
KV-übergreifendes Online-Netzwerk, das die Kommunikation zwischen Ärzten und
Kassenärztlichen Vereinigungen erleichtern soll. Informationen zum Datenschutz
und zur Datensicherheit finden sich am Ende des Dokuments."
Vorratsdatenspeicherung:
Entscheidung des Bundesverfassungsgericht im März 2010!
(Teil
XIII)
Das mit Spannung erwartete
Grundsatzurteil des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts (Karlsruhe) zur
Vorratsdatenspeicherung wird am 2. März 2010 verkündet. Gegen die seit 2008
vorgeschriebene Speicherung von Kommunikationsdaten haben knapp 35.000
BürgerInnen (darunter auch ich selbst) geklagt.
Petition: Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz
(Teil
V)
Erst heute (13.02.2010) komme ich
dazu, mich bei den Mitzeichnern der Petition "Private
Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen Patientendaten und Datenschutz
vom 05.12.2009" zu bedanken. Immerhin 722 BürgerInnen (vermutlich überwiegend
ärztliche und nichtärztliche PsychotherapeutInnen) haben bis zum 3. Februar
mitgezeichnet - und das trotz der nicht ganz einfachen Prozedur der
Registrierung und Mitzeichnung.
Neben psychotherapeutischen
Ausbildungsinstituten, Berufs- und Fachverbänden, Psychotherapeutenkammern,
Psychiatrieerfahrene, KV'en, Medien, Datenschutzorganisationen, dem
Bundesdatenschutzbeauftragten, dem Bundespatientenbeauftragten habe ich auch
alle bayerischen Bundestagsabgeordneten (soweit sie über eine E-Mail-Adresse
verfügen) angeschrieben. Dabei haben mehrere Abgeordnete Ihr Interesse an dieser
Frage bekundet. Zwei Fraktionen (Die Grünen/Bündnis 90 und die SPD) haben
angekündigt, sich mit dem Thema zu befassen.
Derzeit befindet sich die Petition in
der parlamentarischen Prüfung. Nach meinem Protest hinsichtlich des Umgangs bei
meines ersten Versuch (siehe Archiv), hoffe ich, daß der Petitionsausschuß nun
selbst inhaltlich Stellung nimmt. Die Oppositionsfraktionen werden ansonsten
sicherlich nachhaken und ggf. einen Bericht des Petitionsausschusses anfordern.
Zwischenzeitlich wurde ich auch
darauf hingewiesen, daß es weitere Kostenträger gibt, die das Gutachterverfahren
nicht, oder jedenfalls nicht in der Form der GKV
(Psychotherapie-Richtlinien/Psychotherapie-Vereinbarungen) anwenden. So liegen
mir inzwischen die entsprechenden Unterlagen der Unfallversicherungsträger
(Berufsgenossenschaften) vor. Hier heißt es:
"Abweichend vom Gutachterverfahren
nach der Psychotherapie-Vereinbarung entscheidet der UV-Träger selbst über die
Genehmigung der Psychotherapie, ggf. mit Unterstützung seines mit entsprechender
Fachkompetenz ausgestatteten Beratenden Arztes und unter Beachtung der
Kausalitätsfrage." (Modellverfahren "Einbindung von ärztlichen und
psychologischen Psychotherapeuten in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren
bei psychischen Gesundheitsschäden der Landesverbände der gewerblichen
Berufsgenossenschaften"; Fassung November 2004: 11).
Weiter haben PsychotherapeutInnen
"beim Versicherten eine umfassende Einwilligungserklärung anzufordern (ebd.
Fassung November 2004: 13). M. E. ist es dringend erforderlich, alle
Kostenträger psychotherapeutischer Leistungen dahingehend zu überprüfen, wie sie
mit den in probatorischen Sitzungen gegenüber PsychotherapeutInnen offenbarten
Informationen bei der Beantragung von Leistungen umgehen!
Kürzlich hat auch das Deutsche
Ärzteblatt (Ausgabe PP) im
Editorial der aktuellen Ausgabe 2/2010 ( das
Gutachterverfahren der Privaten
Krankenversicherungen als "Datenschutz zweiter Klasse" bezeichnet. Allerdings
ist der Beitrag teilweise unrichtig - ich habe bereits einen entsprechenden
Leserbrief für die folgende Ausgabe geschrieben.
Versorgung Illegaler: ÄrztInnen (und Psychotherapeuten)
machen sich nicht strafbar und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, besteht für
ÄrztInnen,
"die Patienten ohne gültigen Aufenthaltsstatus
medizinisch versorgen, besteht keine Meldepflicht gegenüber den
Ausländerbehörden. Die ärztliche Schweigepflicht verbietet ihnen dies sogar. Die
Bundesregierung hat jetzt in einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
ausdrücklich klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte sich nicht strafbar machen,
wenn sie sogenannte Illegale behandeln, und dass auch das mit der Abrechnung
befasste Verwaltungspersonal öffentlicher Krankenhäuser der Schweigepflicht
unterliegt.
Die Rechtsabteilung der Bundesärztekammer weist in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Sozialämter die ihnen im Rahmen
einer Notfallbehandlung von den Krankenhausverwaltungen übermittelten
Abrechnungsdaten nicht an die Ausländerbehörde weitergeben dürfen. Ausnahmen
gelten, wenn die öffentliche Gesundheit gefährdet ist oder Betäubungsmittel
konsumiert werden. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift stelle darüber hinaus
klar, dass Personen, die im Rahmen ihres Berufs oder ihres sozial anerkannten
Ehrenamtes tätig würden, keine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt leisteten,
wenn sich ihre Handlungen auf die Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten oder
anerkannten berufsspezifischen Pflichten beschränkten."
KV Bayerns: Online-Vernetzung nun auch kostengünstig und
sicher möglich - KV-Ident
Im Unterschied zu den anderen Verfahren hat sich
die KV Bayerns entschlossen neben den kostenaufwendigen auch eine kostengünstige
online-Verbindung anzubieten (einmalig 20 Euro für jeweils 3 Jahre). Dies spielt
insbesondere für die (derzeit für 2011) zu erwartende Pflicht zur
online-Abrechnung eine wichtige Rolle. Dazu die KVB:
"Mit „KV-Ident“ bietet die KVB einen
sicheren, einfachen und kostengünstigen Zugriffsweg auf ihr Online-Angebot.
KV-Ident ist ein so genanntes
„starkes Authentisierungsverfahren“. Es beruht auf einer doppelten
Identitätsprüfung des Anwenders. Jeder Teilnehmer erhält eine KV-Ident Karte (im
Scheckkartenformat), mit der er sich neben seiner KVB-Benutzerkennung
(Benutzername und Kennwort) beim Einloggen in das Mitgliederportal „Meine KVB“
identifizieren muss.
Während für KV-SafeNet spezielle
Hardware-Komponenten angeschafft werden müssen, richtet sich KV-Ident an Praxen,
die – statt KV-SafeNet zu kaufen – ihre bereits bestehenden Online-Anschlüsse
zur Vernetzung mit der KVB nutzen wollen. Vorteile dieser Zugriffsvariante sind
neben den geringen Kosten, die einfache Handhabung sowie die Möglichkeit zur
ortsunabhängigen Nutzung des Online-Angebots der KVB. Außerdem sind für KV-Ident
keine zusätzlichen Software-Updates nötig.
Im Gegensatz zu KV-SafeNet sind die
Nutzer jedoch selbst für die Absicherung ihrer Praxisrechner, wie etwa gegen
Trojaner und Viren, verantwortlich. KV-Ident sichert somit nur den Zugriff auf
die bei der KVB hinterlegten Daten ab – der Zugriff durch unbefugte Dritte vom
Internet auf Ihre Praxis ist jedoch nicht automatisch geschützt."
Die Teilnahmeantrag für KV-Ident kann von
registrierten NutzerInnen (Mitgliederportal "Meine KVB") heruntergeladen und
unterschrieben der KV Bayerns zugesandt werden.
Die Übermittlung von Patientendaten (hier vor
allem Abrechnungsdaten) ist insoweit sicher, als die NutzerInnen sich selbst
darum kümmern, daß ihre Rechner ausreichend gegen Eingriffe von Außen geschützt
ist (vgl.
Empfehlungen
zur ärztlichen
Schweigepflicht,
Datenschutz und
Datenverarbeitung in der Arztpraxis der
KBV, Mai 2008). Auch der BBP (Berufsverband der Bayerischen
PsychoanalytikerInnen) hat in seinem jüngsten Mitgliederrundschreiben (1/2010)
auf das
Verfahren hingewiesen.
Verfahren gegen den Chefarzt der
Psychiatrischen Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der
Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht
(Teil
II)
Wie nicht anders zu erwarten (siehe Bericht in
Teil I, September 2009) wurde Prof. Dr. Möller am vergangenen Donnerstag
(4.02.2010) vom OLG München zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro
(einschl. 4% Zinsen seit 1998) und zur Ersetzung des materiellen Schadens, der
dem Kläger (dem Teppichhändler und Juristen Eberhart Herrmann) durch die
Anfertigung und Weitergabe des fachärztlichen Attests (Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus) entstanden ist und entstehen wird, verurteilt.
Weitere Schadensersatzansprüche (Schäden durch die Flucht in die Schweiz) wurden
ebenso wie die Klage gegen den Freistaat Bayern (den Arbeitgeber Möllers)
abgewiesen. Herrmann und sein Anwalt Martin Riemer erwägen (und wohl auch
Möller) eine Revision des Urteils. Diese wurde vom Oberlandesgericht allerdings
nicht zugelassen, so daß lediglich die Möglichkeit einer
Nichtzulassungsbeschwerde besteht.
Quelle:
Süddeutsche Zeitung Nr. 29 (5.02.2010), Seite 60 und verschiedenen
Medienberichte (Internet)
Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zum 1.4.2010:
Auskunfteien müssen kostenlos Einsicht über die von ihnen gespeicherten Daten
geben
Wie die Ärztezeitung online
(1.02.2010) meldet
können Verbraucher künftig ihre bei
Auskunfteien gespeicherten Daten kostenlos einsehen. Bisher war dies zwar auch
möglich, die Wirtschaftsauskunfteien forderten für die Selbstauskunft jedoch
häufig Gebühren. Bei der Schufa können Verbraucher in Zukunft eine
Selbstauskunft einmal jährlich kostenlos anfordern (schriftlich per Formular,
telefonisch oder online über die Webseite der Schufa). Weitere -
kostenpflichtige - Serviceangebote können auf der Webseite
www.schufa.de recherchiert
werden. Weiter meldet die Ärztezeitung:
Datenschützer und Verbraucherschützer empfehlen
seit Langem, von der Selbstauskunft Gebrauch zu machen. Denn nicht selten haben
die Auskunfteien fehlerhafte oder falsche Angaben gespeichert. Schlimmstenfalls
können verfälschte Informationen zu einer schlechten Beurteilung innerhalb des
sogenannten Scoring-Verfahrens führen.
E-Mail Versand & Datenschutz: Wie können die Adressen der
Empfänger von Kopien (Cc) unsichtbar gemacht werden?
Aus aktuellem
Anlaß (Petition) habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt. Statt einer Kopie
(Cc), bei der die Adresse des Empfängers sichtbar ist, kann auch eine blindcopy
(Bcc) verschickt werden, bei der die Adresse/n des/r Kopie-Empfänger nicht
sichtbar ist:
Damit blindcopy funktioniert,
muß die Adressen der Mail-Empfänger im Adressbuch vorhanden sein (Windows Mail,
Outlook Express etc.).
Wenn man in der geöffneten
neuen E-Mail oben links auf die Schaltfläche "An" Oder "Cc" klickt, öffnet sich
die Dialogbox "Empfänger auswählen". Dort stehen dann auf der rechten Seite die
Option "An" (Hauptempfänger), "Cc" (carbon copie) und "Bcc" (blind carbon copie)
zur Verfügung. Nun können Adressen markiert und in den jeweiligen Bereich (An,
Cc, Bcc) eingefügt werden.
Datenerfassungsprogramm Elena (Elektronischer
Entgeltnachweis)
(Teil
I)
Nach massiver Kritik des
Bundsdatenschutzbeauftragten, der Gewerkschaften und verschiedener Parteien an
der zentralen Erfassung von Daten (betroffen sind ca. 40 Millionen
ArbeitnehmerInnen) sollen nach Aussagen der Bundesarbeitsministerin Dr. von der
Leyen nur noch solche Informationen gespeichert werden, die zwingend zur
Berechnung von Sozialleistungen auch erforderlich sind.
Bisher sollten bei dem am 1. Januar beginnenden
Datenerfassungs- und Datenvernetzungsprojekt personenbezogene,
einkommensrelevante Daten über das Arbeitsverhältnis (u. a. Einkommen,
Fehlzeiten, Fehlverhalten, Abmahnungen, Krankheitstage, Kündigungsfristen,
Kündigungsgründe, Streiktage, Aussperrungen) zentral im Zentralspeicher der
Rentenversicherungsträger in Würzburg gespeichert werden. Alle Arbeitgeber sind
verpflichtet, die Daten ihrer Beschäftigten an die Speicherstelle zu melden.
Hintergrund des Projekts - es stammt noch aus der
unter der rot-grünen Regierungszeit eingerichteten Kommission 'Moderne
Dienstleistung am Arbeitsplatz' unter Vorsitz von Peter Hartz - ist das Anliegen
die Beantragung von Sozialleistungen zu vereinfachen: Arbeitgeber werden
von 2012 an von ihrer Pflicht entbunden, Entgeltbescheinigungen für ihre
Mitarbeiter auf Papier auszudrucken. Alle Arbeitnehmer erhalten dann stattdessen
ab 2012 eine Plastikkarte im Scheckkartenformat (mit Geheimzahl), die bei der
Beantragung von Sozialleistungen vorgelegt werden muß. Der Sachbearbeiter kann
dann (nachdem der Arbeitnehmer seine Geheimzahl eingegeben hat) die erfassten
Daten abrufen, was die Beantragung von Anträgen auf Arbeitslosen-, Eltern- oder
Wohngeld vereinfachen und Sozialbetrug verhindern soll.
Quelle:
Süddeutesche Zeitung vom 31.12.09/1.1.10 und 2./3. 01.10; siehe auch SZ-online
1.01.2010
Petition : Private Krankenversicherung - Umgang mit vertraulichen
Patientendaten und Datenschutz
(Teil
IV)
Die von mir beim
Petitionsauschuß des Deutschen Bundestages eingereichte Petition ist seit
22.12.2010 online einzusehen und kann bis zum 3. Februar 2010 mitgezeichnet
werden.
Anmerkung 1 (15.01.2010):
Erfreulicherweise hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen angekündigt,
sich nach dem Ende der Mitzeichnung um die Berichterstattung zu dieser Petition
zu bemühen.
Anmerkung 2 (30.01.2010):
Die Justitiarin der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie,
Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Frau Lochner hat mir in einem
Schreiben mitgeteilt, daß die Petition von der DGPT grundsätzlich mitgetragen
wird. Der frühere Justitiar, Herr Schildt hatte bereits früher versucht in
Verhandlungen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherer versucht
Verbesserungen zu erreichen. Dies sei aber nicht gelungen, weil sich die
privaten Krankenversicherungen darauf zurückziehen, dass im Rahmen des
Versicherungsvertrages andere Voraussetzungen gelten als im Bereich der GKV. Es
gehe auch darum zu prüfen, ob überhaupt eine Leistungspflicht besteht (z. B.
Wegfall der Leistungspflicht durch Verschweigen von Vorerkrankungen). Im
Übrigen seien die Mitarbeiter der privaten Krankenversicherungen ebenfalls zur
Beachtung der Schweigepflicht verpflichtet.
Wie Frau Lochner weiter schreibt "sehen
wir den von Ihnen erhobenen Vorwurf der Verletzung des Datenschutzes im Bereich
der Beihilfe zwar auch als gravierend an, aber aus anderen Gründen. Denn
immerhin gibt es dort ein formalisiertes Gutachterverfahren (Formblatt 2 zu § 6
Abs. 1 Nr. 1 Beihilfe-Verordnung – BhV). Zwar ist dort kein vollständig
anonymisiertes Verfahren durch Chiffrierung vorgesehen, der Bericht ist aber in
einem als vertrauliche Arztsache gekennzeichneten Umschlag an die
Festsetzungsstelle zur Weiterleitung an den Gutachter zu übersenden. Der
Festsetzungsstelle ist also bekannt, dass Psychotherapie beantragt werden soll,
die intimen Daten des Patienten werden allerdings in aller Regel nicht offen
gelegt, obwohl hier leider auch gelegentlich Verstöße gegen die Schweigepflicht
vorkommen sollen. Das Verfahren im Rahmen der Beihilfe unterscheidet sich also
doch von dem in der PKV, weil dort ein geregeltes Gutachterverfahren nicht
vorgesehen ist".
Ich habe Frau Lochner daraufhin
geantwortet:
Zu Ihrer Stellungnahme hinsichtlich
der Beihilfe: Schon wegen des mangelnden Platzes war eine weitere
Differenzierung in der Petition nicht möglich. Ich (und viele KollegInnen) sehen
aber anders Sie das geregelte Verfahren in der Beihilfe als völlig unzureichend
an. Der Gutachter (das schreibe ich ja in meiner Petition dezidiert) benötigt
für sein Gutachten den Namen des Patienten nicht. Da im Bericht Informationen
stehen, die den Kernbereich der Persönlichkeit berühren, liegt ungeachtet der
Einwilligung in die Weitergabe ein Verstoß gegen den Datenschutz vor
(Zweckbindung, Datensparsamkeit). Und auch ethisch ist es nicht hinnehmbar, daß
intimste Daten ohne sachliche Notwenigkeit an Dritte weitergegeben werden. Wir
haben die gleichen Probleme (nun analog zur PKV) auch bei einer Reihe von
Sonderkostenträger: Berufsgenossenschaften, Kirchen, Bundeswehr. Das habe ich
bisher nicht im Blick gehabt. KollegInnen haben mich darauf aufmerksam gemacht.
Hessen: Das neue Polizeiaufgabengesetz ermöglicht den
Lauschangriff in ärztlichen Praxen
Nach einer Meldung der Ärzte Zeitung vom
15.12.2009 hat der hessische Landesärztekammerpräsident Dr. Gottfried von
Knoblauch zu Hatzbach kritisiert, daß Ärzte ihren PatientInnen künftig keinen
absoluten Vertrauensschutz garantieren können (Zitate in blau):
Der Entwurf zur
Änderung des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) war von
den CDU-und FDP-Fraktionen eingebracht und mehrheitlich beschlossen worden.
Polizisten dürfen künftig unter anderem Internet-Telefonate abhören und
technische Überwachungsgeräte wie Peilsender an Autos in Garagen anbringen.
Ärzte sind als Träger von Berufsgeheimnissen nicht mehr geschützt. Wenn
Polizisten Eingriffe wie Observationen oder Abhörmaßnahmen in ärztlichen Praxen
für notwendig erachten, soll dies künftig möglich sein.
Derartige Eingriffe belasteten nach Ansicht der Hessischen Landesärztekammer das
Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnnen und PatientInnen
außerordentlich, da Hilfesuchende sich nicht mehr darauf verlassen könnten, daß
die im Gespräch mit ÄrztInnen anvertrauten Informationen über körperliche und
psychische Symptome vertraulich blieben. "Das neue Gesetz
setzt das ärztliche Berufsgeheimnis weitgehend außer Kraft - mit verheerenden
Folgen für den Behandlungserfolg," sagte von Knoblauch.
Vorratsdatenspeicherung: Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am
15.12.2010 (Gesetz
zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember
2007)
(Teil
XII)
Anläßlich der bevorstehenden Verhandlung beim
Bundesverfassungsgericht (15.12.2009) hat der auch in meinem Namen klagende
Rechtsanwalt Starostik ein Rundschreiben verfaßt, das die bisherige Entwicklung
des Verfahrens zusammenfaßt:
Mandantenrundschreiben – zur
Verfassungsbeschwerde Vorratsdatenspeicherung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben sich mit 34.450 weiteren
Antragstellerinnen und Antragstellern an der Verfassungsbeschwerde gegen das
Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung beteiligt und mich mit Ihrer
Vertretung beauftragt. Damit haben Sie mitgeholfen, ein eindrucksvolles Signal
gegen den bisher größten Angriff auf das Recht jedes Bürgers auf Privatheit und
unbeobachtete Kommunikation zu setzen. Zu den Antragstellern unserer
Verfassungsbeschwerde gehören auch Abgeordnete aller demokratischen Parteien.
Weitere Verfassungsbeschwerden wurden von
bekannten FDP-Politikern, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hirsch, und
zahlreichen Bundestagsabgeordneten der Fraktion „Die Grünen“, vertreten durch
Prof. Dr. Schneider, eingelegt.
Endlich ist es so weit und das
Bundesverfassungsgericht verhandelt am 15.12.2009 die Verfassungsbeschwerden
gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Was ist bisher geschehen?
Das Bundesverfassungsgericht hat mit mehreren
einstweiligen Anordnungen seit dem 11.03.2008 Auskünfte über die auf Vorrat
gespeicherten Telekommunikationsdaten erheblich eingeschränkt, die
Vorratsdatenspeicherung selbst aber vorläufig zugelassen.
Praktisch heißt das, dass zurzeit alle
Verbindungsdaten von Telefongesprächen, Telefaxen, E-Mail-Abrufen und
Internetnutzungen gespeichert werden, Auskunft hierzu wird aber nur unter
einschränkenden Voraussetzungen erteilt.
Für alle von Ihnen, die sich über das Verfahren
und aktuell über den Verlauf der mündlichen Verhandlung informieren wollen,
werden auf der Webseite des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung Informationen
angeboten:
Am 15.12.2009 wird unter dieser Adresse ab 8 Uhr
eine Pressekonferenz der Beschwerdeführer zu sehen sein und wird ab 10 Uhr live
aus der Mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts berichtet werden.
Darüber hinaus wird der Arbeitskreis am 15.12.2009 einen öffentlichen
Informationsraum in Karlsruhe bereitstellen. Sitzplätze im Gerichtssaal sind
leider keine mehr vorhanden!
Weitere Informationen zum Verfahren erhalten Sie
auch auf meiner Seite:
www.starostik.de.
Mit freundlichem Gruß und bestem Dank für Ihre
bisherige Unterstützung bin ich Ihr
Petition an den Deutschen Bundestag
(5.12.2009): Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen
(PKV) und
der Beihilfe
(Teil
III)
Aufgrund der äußerst unbefriedigenden (Nicht-)
Behandlung meiner Petition durch den Petitionsausschuß (16. Legislaturperiode)
habe ich meine Kritik an dieser Vorgehensweise in einem Schreiben (November 2009)
formuliert und den Petitionsausschuß (17. Legislaturperiode) zu einer inhaltlichen
Stellungnahme aufgefordert. Nach einem ergänzenden Hinweis des zuständigen
Sachbearbeiters habe ich nun zusätzlich eine öffentliche
Online-Petition eingereicht: Sobald diese angenommen und veröffentlicht worden
ist, werde ich mich um eine Bekanntmachung an die einschlägigen Institutionen
kümmern (Ärzte- und Psychotherapeutenkammern, Fach- und Berufsverbände,
Newsletter).
BKA-Gesetz (Gesetz zur
Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt):
Das BKA fordert klare gesetzliche Grundlagen für die Überwachung von
Internet-Telefonaten
Teil
V
Die Ärztezeitung online
(26.11.14) berichte über die Forderung des BKA nach einer klaren rechtlichen
Grundlage für das Abhören von Internet-Telefonaten:
»Die Überwachung der
zunehmenden Internet-Telefonie muss zur Bekämpfung von Terrorismus und
organisierter Kriminalität zur Strafverfolgung möglich sein«, sagte der
Präsident der Behörde, Jörg Ziercke, am Donnerstag auf der BKA-Herbsttagung in
Wiesbaden.
In der
Vergangenheit konnten sich die Ermittler lediglich auf eine Rechtsverordnung
berufen. Der BKA-Präsident fordert weitere Befugnisse, so
den Zugriff auf die IP-Adressen (personenbezogene Zuordnung von Computern) sowie
die Speicherung von Daten
aus Telefon- und Internetverbindungen (Vorratsdatenspeicherung).
Dem Gesetz zufolge
können Verbindungsdaten sechs Monate lang ohne konkreten Verdacht gespeichert
werden. Die Bundesbehörden dürfen aber bis zu einer endgültigen Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nicht darauf zugreifen. Eine Ausnahme gibt es nur
dann, wenn sie eine
»konkrete
Gefahr für Leib, Leben und Freiheit«
abwehren wollen.
Im
Dezember wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob das BKA-Gesetz
verfassungsgemäß
ist.
Elektronische Gesundheitskarte (eGK):
USB-Gesundheitskarte mit Speicher
(Teil
VIII)
Auf der Gesundheitsmesse Medica hat die
Med-O-Card AG (eine Tochter der israelischen CEPCO Holding Ltd.) eine
Gesundheitskarte vorgestellt, die einen (erweiterbaren) 2GB-Speicher enthält
mittels dessen die kompletten Daten des Patienten gespeichert werden könnten.
Eine Speicherung der Daten auf zentralen Servern wäre damit überflüssig.
Der neue Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp
Rösler hat Gespräche mit den VertreterInnen der der Selbstverwaltung (KVB/Dr.
Carl-Heinz Müller, GKV/Dr. Doris Pfeiffer) zum weiteren Aufbau der
Telematikinfrastruktur aufgenommen. Dabei wird es insbesondere auch um den
mögliche Leistungsumfang der Gesundheitskarte auf dem Hintergrund der bisherigen
Erfahrungen in den Testregionen gehen.
Koalitionsvertrag 2009: Absichtserklärungen im Bereich
Schweigepflicht und Datenschutz
Der zwischenzeitlich veröffentlichte
Koalitionsvertrag Wachstum. Bildung. Zusammenhalt (CDU/CSU-FDP - 17.
Legislaturperiode) beinhaltet einige Details, die für den Bereich Datenschutz
und Schweigepflicht von Bedeutung sind:
Kinderschutz und Frühe Hilfen:
Wir wollen einen aktiven und wirksamen Kinderschutz. Hierzu werden wir ein
Kinderschutzgesetz, unter Berücksichtigung eines wirksamen Schutzauftrages
und insbesondere präventiver Maßnahmen (z. B. Elternbildung,
Familienhebammen, Kinderschwestern und sonstiger niedrigschwelliger
Angebote) auch im Bereich der Schnittstelle zum Gesundheitssystem unter
Klarstellung der ärztlichen Schweigepflicht auf den Weg bringen (Zeile 3065-
3072).
Telematikinfrastruktur:
Deutschland braucht eine Telematikinfrastruktur, die die technischen
Voraussetzungen dafür schafft, dass medizinische Daten im Bedarfsfall sicher
und unproblematisch ausgetauscht werden können. Die Arzt-Patientenbeziehung
ist ein besonders sensibles Verhältnis und daher ausdrücklich zu schützen.
Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und
Patienten sowie der Versicherten haben für uns auch bei Einführung einer
elektronischen Gesundheitskarte höchste Priorität. Vor einer weitergehenden
Umsetzung werden wir eine Bestandsaufnahme vornehmen, bei der
Geschäftsmodell und Organisationsstrukturen der Gematik und ihr
Zusammenwirken mit der Selbstverwaltung und dem Bundesministerium für
Gesundheit, sowie die bisherigen Erfahrungen in den Testregionen überprüft
und bewertet werden. Danach werden wir entscheiden, ob eine Weiterarbeit auf
Grundlage der Strukturen möglich und sinnvoll ist (Zeile 4136-4152).
Verstärkter Schutz von
Berufsgeheimnisträgern: In § 160a StPO gibt es derzeit eine
Differenzierung nach verschiedenen Berufsgeheimnisträgern. Diese beseitigen
wir im Bereich der Anwälte, die wir als einheitliches Organ der Rechtspflege
betrachten. Im Übrigen werden wir gemeinsam prüfen, ob die Einbeziehung
weiterer Berufsgeheimnisträger in den absoluten Schutz des § 160a Absatz 1
StPO angezeigt und im Hinblick auf die Durchsetzung des
Strafverfolgungsanspruches des Staates vertretbar ist (Zeile 4936-4943).
[Anmerkung: Es geht hier um das
Ermittlungsverfahren im Vorfeld eines Strafverfahrens
(Polizei/Staatsanwaltschaft). Bisher sind u. a. ärztliche und psychologische
Berufsgeheimnisträger (§ 53 StGB) nicht umfassend
hinsichtlich der Ermittlung von Tatsachen, für die ein
Zeugnisverweigerungsrecht besteht, geschützt (anders bei Geistlichen,
Verteidigern und Parlamentsabgeordneten); es gilt vielmehr die
Verhältnismäßigkeit (u. a. die Frage von welcher Bedeutung die Straftat ist
und das entsprechende Strafverfolgungsinteresse)].
Datenschutz:
Ein moderner Datenschutz ist gerade in der heutigen Informationsgesellschaft
von besonderer Bedeutung. Wir wollen ein hohes Datenschutzniveau. Die
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Datensicherheit und -sparsamkeit,
der Zweckbindung und der Transparenz wollen wir im öffentlichen und privaten
Bereich noch stärker zur Geltung bringen. Hierzu werden wir das
Bundesdatenschutzgesetz unter Berücksichtigung der europäischen
Rechtsentwicklung lesbarer und verständlicher machen sowie zukunftsfest und
technikneutral ausgestalten. Die Einwilligung ist eine wesentliche Säule des
informationellen Selbstbestimmungsrechts. Ziel der Reform muss daher auch
sein, verbesserte Rahmenbedingungen für informierte und freie Einwilligungen
zu schaffen. Dazu sollen Informationspflichten erweitert und der
Freiwilligkeit der Einwilligung größere Bedeutung beigemessen werden.
Darüber hinaus werden wir eine Stiftung Datenschutz errichten, die den
Auftrag hat, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu
prüfen, Bildung im Bereich des Datenschutzes zu stärken, den
Selbstdatenschutz durch Aufklärung zu verbessern und ein Datenschutzaudit zu
entwickeln. Wir sind überzeugt, dass mit dieser Lösung auch der
Technologiestandort Deutschland gestärkt wird, wenn datenschutzfreundliche
Technik aus Deutschland mit geprüfter Qualität weltweit vertrieben werden
kann.
Wir werden beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit die personelle und sächliche Ausstattung verbessern.
Die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht steht für uns dabei im
Mittelpunkt.
Auch der Einzelne trägt Verantwortung für seine persönlichen Daten. Wir
wollen deshalb die Sensibilität und Selbstverantwortung der Bürgerinnen und
Bürger für ihre eigenen Daten stärken (Zeile 4864-4892).
Vorratsdatenspeicherung:
Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten
der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der
Vorratsdatenspeicherung aussetzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr
einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit beschränken (Zeile
4894-4900).
Arbeitnehmerdatenschutz:
Privatheit ist der Kern persönlicher Freiheit. Wir setzen uns für eine
Verbesserung des Arbeitnehmerdatenschutzes ein und wollen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter vor Bespitzelungen an ihrem Arbeitsplatz wirksam schützen.
Es dürfen nur solche Daten verarbeitet werden, die für das Arbeitsverhältnis
erforderlich sind. Datenverarbeitungen, die sich beispielsweise auf für das
Arbeitsverhältnis nicht relevantes außerdienstliches Verhalten oder auf
nicht dienstrelevante Gesundheitszustände beziehen, müssen zukünftig
ausgeschlossen sein. Es sollen praxisgerechte Regelungen für Bewerber und
Arbeitnehmer geschaffen und gleichzeitig Arbeitgebern eine verlässliche
Regelung für den Kampf gegen Korruption an die Hand gegeben werden. Hierzu
werden wir den Arbeitnehmerdatenschutz in einem eigenen Kapitel im
Bundesdatenschutzgesetz ausgestalten (4902-4914).
Anmerkung:
Zweifellos wird nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht auch (so) umgesetzt
werden! Die von mir vorgenommene Auswahl erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit!
Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen
(PKV) und
der Beihilfe bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen: Petition an
den Deutschen Bundestag (13.10.2008) und Initiative der Psychotherapeutenkammer
Schleswig Holstein
(Teil
II)
Die von mir eingereichte Petition hat bislang
wenig Erfolg gezeitigt. In einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
wird darauf hingewiesen, daß Datenschutz eine Querschnittsaufgabe ist und das
Bundesministeriums des Inneren (Bundesdatenschutzgesetz) zuständig ist. Zu der
von mir geforderten Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts heißt es: "Wie der
Petent selbst feststellt, ist das von ihm beanstandete Verfahren der
Versicherungsunternehmen gegenwärtig durch die Schweigepflichtentbindungsklausel
gedeckt, die jeder Antragsteller für eine private Krankenversicherung
unterzeichnen muss. Versicherungsaufsichtsrechtlich können die Unternehmen daher
nicht zu einer Änderung ihrer Praxis gezwungen werden". Die Überwachung der
Versicherungsunternehmen sei zudem Aufgabe der Datenschutz-Aufsichtsbehörden der
Länder(Schreiben BMF v. 8.05.09).
Nachtrag 1:
Tatsächlich hat der Petitionsausschuß (16. Legislaturperiode), wie ich erst in
einem Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter erfuhr, die Angelegenheit mit
der Weiterleitung der Stellungnahme des BMF für erledigt gehalten! In einem
ausführlichen Schreiben (November 2009) habe ich meine Kritik an dieser
Vorgehensweise geäußert und den Petitionsausschuß (17. Legislaturperiode) zur
Veröffentlichung der Petition im Internet und zu einer inhaltlichen
Stellungnahme aufgefordert.
Nachtrag 2:
Wie ich vom zuständigen Sachbearbeiter erfuhr, muß die Online-Petition von mir
beantragt werden (das habe ich übersehen und werde in Kürze den Antrag stellen),
meine Kritik wird an den Ausschuß weitergeleitet (November 2009).
In Schleswig Holstein hat die
Psychotherapeutenkammer hingegen erste konkrete Erfolge erzielt: Auf ihre
Initiative hin wurde die Rechtsverordnung des Bundesministeriums des Inneren
über die Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen (BBhV
v. 13.02.09) geändert:
§ 51 Bewilligungsverfahren
(1) Über die Notwendigkeit und die wirtschaftliche
Angemessenheit von Aufwendungen nach § 6 entscheidet die Festsetzungsstelle. Sie
kann hierzu auf eigene Kosten bei Sachverständigen Gutachten einholen. Ist für
die Erstellung des Gutachtens die Mitwirkung der oder des Betroffenen nicht
erforderlich, sind die nötigen Gesundheitsdaten vor der Übermittlung so zu
anonymisieren, dass die Gutachterin oder der Gutachter einen Personenbezug nicht
herstellen kann. Ist für die Begutachtung die Mitwirkung der oder des
Betroffenen erforderlich, sind § 60 Abs. 1 Satz 1, § 62 und die §§ 65 bis 67 des
Ersten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden.
Wie die Kammer berichtet, sind die meisten
Beihilfestellen dem nachgekommen und auch die Krankenversorgung der Bahnbeamten
soll folgen. Problematisch bleibt, daß völlig unklar ist, wie sich die
Beihilfestellen anderer Bundesländer verhalten und daß die PKV nicht von dieser
Regelung betroffen ist.
Anmerkung:
Ich empfehle allen KollegInnen bei Anträgen an eine Beihilfestelle sich auf die
Rechtsverordnung des BMI/BBhV zu beziehen und alle Angaben zu anonymisieren bzw.
pseudonymisieren (analog der Richtlinienverfahren).
Psychotherapeutenjournal
3/2009: 335 (Bericht der PKSH)
Insolvenzrecht: Eingeschränkte/r Schweigepflicht und
Datenschutz bei Insolvenz (ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen,
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluß vom 5. Februar 2009 (Az: IX ZB
85/08) die Auskunftspflicht eines insolventen Facharztes für Psychiatrie
(Zusatzbezeichnungen Psychotherapie und Psychoanalyse) gegenüber dem
Insolvenzverwalter auch hinsichtlich der Identität der behandelten PatientInnen
festgestellt. Die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte der PatientInnen
(Schweigepflicht im Sinne des grundrechtlich geschützten
Selbstbestimmungsrechtes) trete gegenüber vorrangigen (finanziellen) Belangen
der Insolvenzgläubiger zurück.
Anmerkung: Die Entscheidung kommt
nicht weiter überraschend. Schon bisher bestehen Einschränkungen der
Schweigepflicht, wenn es um finanzielle Interessen Dritter geht. So können
ÄrztInnen und ärztliche/nichtärztliche PsychotherapeutInnen Honorarforderungen
gegenüber PatientInnen geltend machen, obwohl damit das Geheimnis der
Inanspruchnahme einer ärztlichen/psychotherapeutischen Behandlung öffentlich
wird (Mahn-, Vollstreckungsverfahren, Inkasso; Rechtsgrundlage: § 34 StGB).
Andernfalls wären PatientInnen durch die Schweigepflicht vorder Geltendmachung
(berechtigter) Forderungen geschützt.
Mit Beschluß von 14.7.09 hat der KVB-Vorstand beschlossen die alternative
Abrechnungsmöglichkeit per Diskette für ein weiteres Jahr beizubehalten. Die
Einführung der Pflicht zur Onlineabrechnung wird (soweit es nicht zu einer
weiteren Fristverlängerung kommt) um ein Jahr verschoben. Für ÄrztInnen und
(ärztliche und psychologische) PsychotherapeutInnen, die zu diesem Zeitpunkt
(2011) das 63. Lebensjahr vollendet haben, existiert eine Ausnahmeregelung.
Anmerkung: Die KVB Bayern teilte mir
vor einigen Wochen telephonisch mit, daß neben den bestehenden und sehr teueren
Online-Verbindungen zur KVB (KV-SafeNet, D2D) auch an einer sicheren
E-Mail-Übermittlung der Abrechnungsdaten gearbeitet wird.
Verfahren gegen den Chefarzt der Psychiatrischen
Universitätsklinik München (LMU), Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, wegen der
Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Schweigepflicht
(Teil
I)
Bereits im August 2008 wurde der Direktor der Psychiatrischen Klinik der
Ludwig-Maximilians-Universität München (Nußbaumstraße), Prof. Dr. Hans-Jürgen
Möller, wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes und Bruches der
Schweigepflicht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5000 Euro
verurteilt. Er hatte 1994 in einem Attest, das - wie er selbst einräumte -
"vorwiegend auf fremdanamnestischen Informationen" beruhte, eine
psychische Erkrankung eines ehemaligen Münchner Galaristen und Kunsthändlers
festgestellt. Diesen hatte er selbst aber nie gesehen (!), das Attest jedoch auf
Bitte der Ehefrau ausgestellt (ein an die Polizei gerichtetes
"Fachpsychiatrisches Attest" auf dem Briefpier der Psychiatrischen Klinik) und
ihr zur Einleitung der Einweisung in die Psychiatrie übergeben.
In der nächsten Instanz vor dem OLG München (beide Parteien hatten
Berufung eingelegt) behaupte Möller, "nicht gewusst zu haben, dass er das Attest
nicht an die Ehefrau geben durfte. "Es gibt immer Gründe, die ärztliche
Schweigepflicht zu brechen", sagte er und berief sich in der Verhandlung auf
einen "Verbotsirrtum"" (Zitat aus dem Online-Bericht der SZ v. 25.06.09).
Abgesehen von der Durchsichtigkeit dieses Manövers ist es ein Skandal, daß sich
ein Facharzt und Chefarzt in dieser Frage auf einen Verbotsirrtum beruft - das
geschieht übrigens in seiner Klinik im Zusammenhang mit Unterbringungsverfahren
nicht zum ersten Mal. Die Weitergabe persönlicher Daten und Geheimnisse (auch)
an Angehörige ist von der ausdrücklichen Einwilligung der/des Betroffenen
abhängig und kann nur in seltenen Fällen (z. B. Bewußtlosigkeit) auf anderer
Rechtsgrundlage erfolgen (§ 203 StGB). Möller hätte dies wissen können und
müssen, zumal ein Anruf bei der zuständigen Landesärztekammer gereicht hätte, um
etwaige Zweifel zu beseitigen. Das Wissen um die Schweigepflicht gehört zu den
Grundlagen ethischen Handelns in Medizin und Psychotherapie. Möller ist Arzt für
Psychiatrie und Psychotherapie,
Ordinarius für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München,
Direktor der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, gehört
zu den Senatoren der ersten Stunde an der Deutschen Eliteakademie und ist
Autor und Herausgeber vieler einschlägiger psychiatrischer Bücher
und Standardwerke (und das sind nur einige wenige Angaben zu seinen Titeln,
Funktionen und Arbeiten)!
Vielleicht hätte es aber auch gereicht, wenn Möller (zumindest vor der letzten
Verhandlung) in dem von ihm mit herausgegebenen Buch nachgesehen hätte: Im
Kapitel biographische und Krankheitsanamnese (Autor P. Hoff) heißt es in einem
farblich hervorgehobenen und mit einem großen Ausrufungszeichen versehenen Absatz:
"Jeder Eindruck, dass Dinge hinter dem Rücken des
Patienten geschehen, muss sorgfältig vermieden werden. Selbstverständlich gilt
die ärztliche Schweigepflicht auch gegenüber den Familienangehörigen, was nicht
ausschließt, dass diese nach entsprechender Information des Patienten und mit
seinem Einverständnis in die Therapie mit einbezogen werden."
(Möller, H.-J. & Laux, G. & Kapfhammer, H.-P.: Psychiatrie und Psychotherapie.
Band 1: Allgemeine Psychiatrie. Springer: Heidelberg 3. Auflage 2008:
418); Online-Recherche über
http://books.google.de (im Feld Suche den
Begriff Schweigepflicht eingeben)
Es handelt sich bei den hier verhandelten und von Möller inhaltlich nicht bestrittenen
Taten ('Ferndiagnose', Bruch der Schweigepflicht) um schwere Verstöße gegen die
ärztlichen Berufspflichten!
Vom Kläger Eberhard Herrmann erhielt ich das Gutachten einer auch in Fragen der
Schweigepflicht ausgewiesenen Juristin (Prof. Dr. Gabriele Wolfslast, Gießen),
die im Verfahren als Sachverständige tätig geworden ist. Mit Datum vom
13.03.2008 schreibt sie zusammenfassend:
"Zusammenfassung und Ergebnis zu § 203
Professor Möller hat sich auch gem. § 203 Abs.1 StGB strafbar gemacht, indem er
das von ihm ausgestellte Attest über Herrn Eberhard Herrmann dessen Ehefrau, der
Polizei und dem Ermittlungsrichter zuleitete.
Gesamtergebnis
Professor Möller hat sich strafbar gemacht gem. §§ 278, 239 Abs.1, 2, 203 Abs. 1
StGB."
§ 278 StGB Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses
§ 239 StGB versuchte Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 14./15/16.08.09 (Druckversion)
wurde die für den 13. August 2009 anberaumte Entscheidung überraschend vertagt.
Am 1.10.09 soll die Verhandlung mit der Einvernahme einer Zeugin (Ehefrau des
Kunsthändlers) fortgesetzt werden. Die Richterin zeigte sich schon bei dem
Verhandlungstermin im Juni 2009 von der Rechtswidrigkeit des Handelns von Möller
überzeugt, die Zeugenbefragen soll nun die Frage des durch das Attest
angerichteten Schadens klären - der Kläger fordert eine Entschädigung in
Millionenhöhe.
Einschränkung der Schweigepflicht für
TherapeutInnen, die verurteile Personen im Rahmen der Führungsaufsicht auf
Grundlage einer Weisung nach § 68b Abs. 2S. 2 StGB psychiatrisch,
psychotherapeutisch oder sozialtherapeutisch behandeln
Von der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurden im Gesetz
zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die
nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 Offenbarungspflichten für
TherapeutInnen, die verurteilte Personen auf Grundlage einer gerichtlichen
Weisung psychiatrisch, psychotherapeutisch oder sozialtherapeutisch behandeln
(analog bei Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB), eingeführt
und die Schweigepflicht entsprechend eingeschränkt.
Betroffen sind insbesondere
MitarbeiterInnen forensischer Ambulanzen,
MitarbeiterInnen von Drogentherapieeinrichtungen (im Rahmen der
Führungsaufsicht gerichtlich angeordneten Drogentherapie),
MitarbeiterInnen anderer Therapieeinrichtungen sowie
niedergelassene TherapeutInnen
soweit sie Führungsaufsichtsprobanden im Rahmen einer Weisung
nach § 68b Abs. 2S. 2 StGB betreuen bzw. behandeln. In
diesen Fällen haben sie fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des Behandlungs-
bzw. Betreuungsverhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, unter
bestimmten Voraussetzungen der Führungsaufsichtsstelle, dem Gericht und dem
zuständigen Bewährungshelfer zu offenbaren.
Zu weiteren Details verweise ich auf ein Schreiben des Bayerischen
Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit v.
18.06.2009 (Dr. Walzel) an die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien
Wohlfahrtspflege, die Bayerische Landesärztekammer und die Bayerische
Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten. Nach (wohl zutreffender) Ansicht des
Staatsministeriums sind die entsprechenden Regelungen bei den vor Ort
therapeutisch Tätigen, aber insbesondere auch bei den Trägern und den
MitarbeiterInnen entsprechender Therapieeinrichtungen kaum bekannt.
Anmerkung: Bereits verschiedentlich
habe ich darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber die Schweigepflicht mit immer
neuen Regelungen (zumeist auf dem Hintergrund einer punktuellen öffentlichen
Hysterie) einschränkt. Hier also ein weiteres Beispiel! Im Schreiben des
Bayerischen Staatsministeriums ( 18.06.09) heißt es dazu lapidar: "Der
Gesetzgeber hat (...) das Interesse an einer effektiven Betreuung der
Führungsaufsichtsprobanden und an einer Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren
Straftaten der Probanden für gewichtiger gehalten als die Vermeidung der mit der
Einschränkung der Schweigepflicht verbundenen Belastung des therapeutischen
Behandlungsverhältnisses".
Nachtrag 1: Die Psychotherapeutenkammer
Rheinland-Pfalz informiert im Psychotherapeutenjournal über
"Schweigepflicht und Führungsaufsicht" (Psychotherapeutenjournal
3/2009, 327-328).
Nachtrag 2: Die
Psychotherapeutenkammer Bayern hat ebenfalls Informationen zu diesem Thema
zusammengestellt. Mitglieder finden diese unter Service: Rechtliche
Themen/Schweigepflicht: Führungsaufsicht Schweigepflicht (Stand 2009).
Das Einsichtsrecht von
PatientInnen in die Aufzeichnungen von PsychotherapeutInnen
Der Rechtsanwalt und Justitiar der Psychotherapeutenkammer Bremen Bernd Rasehorn
hat sich im aktuellen Heft des Psychotherapeutenjournals (2/2009: 153-155)
dieses Themas angenommen. Unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung
beschäftigt er sich mit dem sogenannten 'therapeutischen Vorbehalt', dem
Persönlichkeitsrecht der PsychotherapeutInnen, der praktischen Durchführung des
Einsichtsrechts, der Bedeutung des Einsichtsrechts für die therapeutische Praxis
und mit dem Umgang mit Einsichtsverlangen von Seiten der PatientInnen.
Anmerkung: Auch wenn ich nicht mit
allen Details einverstanden bin (siehe Akteneinsichtsrecht/Auskunfts- bzw.
Einsichtsrecht der PatientInnen) scheint mir der Artikel eine gute Grundlage für
die intensivere Beschäftigung mit dieser hochbrisanten Frage.
In unregelmäßigen Abständen weise ich auf die für niedergelassene ÄrztInnen,
Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen einschlägigen Empfehlungen der
Hinweis: Seit Mitte 2006 besteht die
Pflicht zur Benennung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragter, wenn mehr als
neun (vorher vier) Personen ständig mit der
automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind.
BKA-Gesetz (Gesetz zur
Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)
Teil
IV
Zwischenzeitlich wurde die Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ich zitiere
nachfolgend aus der Mitteilung der DGPT-Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse,
Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (Frau Rechtsanwältin
Brigitta Lochner, 28.04.2009):
Verfassungsbeschwerde gegen sog. BKA-Gesetz mit prominenter Unterstützung
Unser Mitglied Jürgen Hardt, Präsident der Landeskammer für Psychologische
Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten Hessen, hat gemeinsam mit dem
Präsidenten der Bundesärztekammer Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, den
Rechtsanwälten Gerhart R. Baum (Bundesminister a. D.), dem Fernsehjournalisten
Christoph Maria Fröhder, ZEIT-Herausgeber Dr. Michael Naumann und Ulrich
Schellenberg (Vorsitzender des Landesverbands Berlin des Deutschen
Anwaltvereins) Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Abwehr von
Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt
(BKA-Gesetz), erhoben. Vertreten werden die Beschwerdeführer von Rechtsanwalt
Gerhart R. Baum und den Rechtsanwälten Dr. Dr. Burkhard Hirsch (Innenminister
NRW a. D.) pp.. Nach Einschätzung von Bundesinnenminister a. D. Gerhart Baum sei
das BKA-Gesetz in vielen Punkten verfassungswidrig. Hervorzuheben seien
insbesondere die Ausweitung von Sicherheitsbelangen auf Kosten der Freiheit der
Bürger, insbesondere die Möglichkeit der Online-Durchsuchung und die
Quellentelekommunikationsüberwachung, die Verletzung des Schutzes des
Kernbereichs privater Lebensgestaltung und die Relativierung des Schutzes von
Patienten, Mandanten, Informanten in den Berufsgruppen der Ärzte, Anwälte und
Journalisten. Hier wird insbesondere kritisiert, dass Geistliche,
Strafverteidiger und Abgeordnete Schutz vor Überwachung genießen, Notare, Ärzte
und damit auch PP / KJP, Steuerberater und Journalisten aber nicht. Nach
Einschätzung Rechtsanwalt Baums sind von den Auswirkungen des Gesetzes nicht nur
die Angehörigen der verschiedenen Berufsgruppen, sondern alle Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland betroffen. Der Deutsche Journalistenverband unterstützt
die Verfassungsbeschwerde und betont: „Zusammen mit den Ärzten und Anwälten
haben wir bereits im Gesetzgebungsverfahren gegen das BKAGesetz deutlich
Position bezogen. Es ist leider unumgänglich, dass wir uns jetzt an das
Bundesverfassungsgericht wenden müssen“. Die Beschwerdeführer sehen dem Ausgang
des Rechtsstreits mit Zuversicht entgegen. Wir werden über den weiteren Fortgang
des Verfahrens auch an dieser Stelle berichten.
Anmerkung: Zwischenzeitlich habe ich den
Text der Verfassungsbeschwerde erhalten und Herr Hardt hat seine Einwilligung
erteilt diese hier online zu stellen. Ich verweise insbesondere auf seine
Begründung zur Notwendigkeit der Diskretion bei Psychologischen
Psychotherapeuten. Hardt greift hier auf die Ausführungen Freuds zum
Behandlungsvertrag (Abriß der Psychoanalyse) zurück, was - wie er mir
mitteilte - nun dazu führt, daß Freuds Haltung verfassungsrechtlich
überprüft werden muß (Verfassungsbeschwerde
Baum/Schantz/Hirsch 2009). Nachfolgend der entsprechende Passus:
"Die
Vertraulichkeit des Verhältnisses eines psychologischen Psychotherapeuten zu
seinem Patienten ist hierfür konstitutiv, denn der psychotherapeutische
Heilberuf ist wesentlich auf das Konzept „absoluter Vertraulichkeit“ und
„absoluter Diskretion“ angewiesen. Psychische Leiden sind oft mit großer Scham
und Schuldgefühlen verbunden. Die absolute Vertraulichkeit des Gespräches mit
einem psychologischen Psychotherapeuten ist die Vorbedingung dafür, dass ein
Mensch sich öffnen kann und sich offenbaren kann. Die Erleichterung etwas
Belastendes jemandem mit bewusster Aufrichtigkeit erzählt zu haben ist an sich
schon ein psychologischer Wirkfaktor und damit wichtiger Teil der Therapie. Zu
dieser bewussten Aufrichtigkeit auf der Seite des Patienten kann es nur kommen,
wenn sie auf der Seite des Therapeuten mit absoluter Vertraulichkeit beantwortet
werden kann, die man auch einem Seelsorger zugesteht. Anderenfalls wäre es weder
fachlich noch ethisch verantwortbar, vom Patienten absolute Aufrichtigkeit zu
fordern. Die Forderung nach völliger Aufrichtigkeit als Voraussetzung
des therapeutischen Prozesses einer psychoanalytisch psychotherapeutischen
Behandlung gilt daher bis heute als bewegendes Motiv des psychoanalytischen
Prozesses und wesentliches Moment für eine wirksame therapeutische Beziehung,
wie sich sowohl in der wissenschaftlichen Literatur zur psychotherapeutischen
Behandlung sowie den entsprechenden berufsrechtlichen Vorschriften
widerspiegelt. Zwingend für den Behandlungserfolg und damit die berufliche
Tätigkeit eines psychologischen Psychotherapeuten ist, dass sich zu seinem
Patienten eine dynamische Vertrauensbeziehung aufbauen kann. Diese geht über das
Anvertrauen bestimmter Tatsachen noch weit hinaus; vielmehr vertraut sich der
Patient als Person dem Therapeuten an. Kommt es zu einer Aushöhlung der
behandlungstechnischen Diskretion, bedeutet dies eine Behinderung oder gar
Beendigung der Berufstätigkeit des Therapeuten" (Verfassungsbeschwerde Baum/Schantz/Hirsch
2009, 41).
BERLIN (bee). Der Bundestag hat zum ersten Mal über einen Entwurf zu einem neuen
Kinderschutzgesetz beraten. Der Entwurf der Regierung sieht unter anderem vor,
dass die Schweigepflicht von Ärzten gelockert wird. Ärzte sollen enger mit den
Behörden zusammenarbeiten, wenn sie bei Kindern Hinweise auf Misshandlungen
feststellen.
Laut Hermann Kues (CDU), Staatssekretär im für den Entwurf zuständigen
Familienministerium, müssen Ärzte nicht befürchten, wegen Bruchs der
Schweigepflicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Die FDP-Abgeordnete Miriam
Gruß äußerte in der Debatte die Sorge, dass sich kein Vertrauensverhältnis
zwischen Ärzten und Kindern aufbauen kann.
"Es sollte vermieden werden, dass Betroffene wegen der fehlenden ärztlichen
Schweigepflicht gar keine Hilfe suchen", sagte sie. Die Grünen-Politikerin Ekin
Deligöz stimmte dem zu. Wie auch Caren Marks von der SPD merkte Deligöz an, dass
viele Kinderschutzexperten das geplante Gesetz in der jetzigen Form kritisieren.
Eine Anhörung soll am 25. Mai stattfinden.
Anmerkung: Auf den ersten Blick
erscheint das Anliegen eines besseren Schutzes mißhandelter Kinder sinnvoll. Das
in der Diskussion häufiger gebrauchte Argument die Schweigepflicht diene bisher
mehr den Tätern als den Opfern zeigt allerdings, wie wenig die Bedeutung der
Schweigepflicht im Bewußtsein der Bevölkerung, PolitikerInnen und auch vieler
ÄrztInnen verankert ist. Durch § 203 StGB "(...) strafrechtlich geschützt
ist (...) nicht nur und auch nicht in erster Linie das Individualinteresse an
der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen (...): Schutzgut ist in erster Linie
das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter
Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im
Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können". (Lenckner
in Schönke, Adolf & Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck:
München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3). Schon bisher ist eine Verletzung der
Schweigepflicht zulässig, wenn bei Abwägung der unmittelbar bedrohten
Rechtsgüter (hier: Schweigepflicht/Recht auf informationelle Selbstbestimmung
versus köperlich-seelische Unversehrtheit) der Schutz des höherwertigen
Rechtgutes einen rechtfertigen Notstand (§ 34 SGB) begründet. Dies gilt
allerdings aus guten Gründen nicht für potentielle Gefahren und schon gar nicht
zur Ermittlung von Straftaten in der Vergangenheit.
Nachtrag: Das Gesetzesvorhaben ist
gescheitert (30.06.2009)! Die Koalition konnte sich nicht auf einer Verschärfung
der Pflicht der Jugendämter zu Hausbesuchen in Gefährdungsfällen einigen.
"Die Abrechnung von Leistungen in den Hausarztverträgen
nach Paragraf 73b SGB V in Baden-Württemberg und Bayern über die privatrechtlich
organisierte Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) ist rechtswidrig" (Ärzte
Zeitung online 29.04.2009)
Nach Ansicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Schleswig-Holstein
(Thilo Weichert) ist die Übertragung der Abrechnung von hausärztlichen
Behandlungen aufgrund der Sensibilität der dabei verarbeiteten Daten per Gesetz
den KVen übertragen. Wie Weichert bei der Frühjahrstagung der
Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltsvereins in München
erklärte führe die Übertragung dieser Tätigkeit auf privatrechtliche
Arztverbände und Dienstleister dazu, daß der Schutz des Sozial- und des
Patientengeheimnisses rechtlich wie technisch nicht mehr sichergestellt sei.
Ärzte Zeitung online (29.04.2009): Datenschützer bemängelt Abrechnung durch
Verband. "Nur KV oder Kasse dürfen 73 b-Verträge abrechnen!"
Nachtrag: Inzwischen hat auch
der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung/KBV (Dr. Andreas
Köhler) bei einem
Pressegespräch am 14. Mai 2009 zum diesem Thema Stellung genommen. Aus
seiner Sicht sind die Daten der TeilnehmerInnen/ÄrztInnen (und damit der
behandelten PatientInnen) an Selektivverträgen bei privaten Abrechnungsstellen
gefährdet, da diese nicht die Datensicherheit bieten, wie sie bei den
Kassenärztlichen Vereinigungen gewährleisten ist. Köhler erklärte in diesem
Zusammenhang seine Bereitschaft (bzw. die der KVen und der KBV) eine Abrechnung
auf höchstem Datenschutzniveau über die KVen und KBV vorzunehmen.
BGH: Im Insolvenzverfahren besteht die Pflicht zur
Mitteilung der zur Durchsetzung von Gläubigerforderungen erforderlichen Daten
von Privatpatienten. Das gilt auch bei einem Verfahren über das Vermögen eines
Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse.
Mit Beschluß vom 5.02.2009 (IX
ZB 85/08) hat der IX. Zivilsenat des BGH entschieden, daß die
"Verpflichtung, dem Insolvenzverwalter die für die Durchsetzung privatärztlicher
Honorarforderungen erforderlichen Daten über die Person des Drittschuldners und
die Forderungshöhe mitzuteilen, (...) auch im Insolvenzverfahren über das
Vermögen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse"
besteht (Zitat aus dem Wortlaut der Entscheidung, Seite 1). Es besteht kein
Zweifel, das dieser Grundsatz auch für Insolvenzverfahren über das Vermögen von
Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen gilt.
Ärzte Zeitung online (20.04.2009):
Gläubigeranspruch hat Vorrang vor Arztgeheimnis. Insolvenzverwalter dürfen laut
Richterspruch auf Daten von Privatpatienten zugreifen
Ab dem 1. Januar 2010 ist die elektronische Abgabe der Abrechnungsdaten
einschließlich der Sammelerklärung und sonstiger Begleitpapier verpflichtend
vorgeschrieben (
KBV-Richtlinie gemäß § 295 Absatz 4 SGB V in der Änderung vom
19. Februar 2008). Derzeit stehen verschiedene Verfahren zur Diskussion (z. B.
D2D-Technik, Mitgliederportal), die von den jeweiligen KVen angeboten werden
(zum Teil mit hohen einmaligen und laufenden Kosten!). Der elektronische Versand
von papiergebundener Dokumente wird vermutlich erst später beginnen, da eine
rechtsverbindliche elektronische Unterschrift die technische Möglichkeit der
Erzeugung einer elektronischen Signatur mittels Signaturkarte oder
Heilberufsausweis voraussetzt.
Richtlinie zur Datenspeicherung auf
Vorrat: Verwaltungsgerichts Wiesbaden wendet sich an den Europäischen
Gerichtshof (Vorratsdatenspeicherung -
Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007)
(Teil
XI)
Nach einem Bericht der
Ärzte Zeitung online (17.03.2009) sieht das Gericht in der Datenspeicherung
einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz (bei den nachfolgenden beiden
Absätzen handelt es sich um Zitate aus dem Bericht) :
"Der
Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen
Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung
eingeschüchtert werden", heißt es in der am Montag bekanntgewordenen Begründung
zu einer Entscheidung des Gerichts. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht
gewahrt, daher sei eine entsprechende EU-Richtlinie nichtig.
Die Kritik an
der Vorratsdatenspeicherung stammt aus der Begründung zu einer Entscheidung, bei
der es um die Veröffentlichung von Namen und Anschriften der Empfänger von
Agrarbeihilfen im Internet ging. Diese Veröffentlichungen hatte das Wiesbadener
Gericht für unzulässig erklärt, das Verfahren aber ausgesetzt und diese
Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (Az.: 6 K
1045/08.WI).
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) -
Beginn des
Basisrollouts in Nordrhein: Konflikt zwischen Ärztekammer und Kassenärztlicher
Vereinigung
(Teil
VII)
In den nächsten
Monaten wird der so genannte Basis-Rollout in Nordhein beginnen. Etwa 18.000
niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Nordrhein werden in den nächsten
Tagen Erstattungsformulare erhalten, mit denen sie die Pauschalen für die neuen
(eGK-fähigen) Lesegeräte abrechnen können.
Die Ärztekammer
Nordrhein (ÄkNo) empfiehlt in einer Mitteilung vom
10.03.2009
den ÄrztInnen im Rheinland, zunächst keine Geräte zum Einlesen der
elektronischen Gesundheitskarte anzuschaffen: "Nach Auffassung der ÄkNo ist eine
Denkpause erforderlich, solange wesentliche Systemfragen offen sind. Zum
Beispiel ist unklar, wie die Forderung der Krankenkassen nach einer
Online-Aktualisierung der Versichertenstammdaten mit der Vertraulichkeit der
Patientendaten zu vereinbaren ist. Hier muss es nach Auffassung der ÄkNo eine
Trennung der von den Krankenkassen zu Verwaltungszwecken geforderten Daten von
den medizinischen Patientendaten in der Praxis geben".
Darüber hinaus
haben im Februar 2009 nach einem Bericht der Ärzte-Zeitung online (13.03.2009)
rund 45 ärztliche Organisationen/Verbände im Bereich Nordrhein per Faxaktion zu
einem Lesegeräte-Boykott aufgerufen.
Demgegenüber hat
sich die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) trotz verschiedener
anderslautender Voten der Ärztekammer Nordrhein, der VV und zweier
Ärztetagsbeschlüsse für den Basis-Rollout ausgesprochen und wird dementsprechend
am 15. März 2009 die Erstattungsformulare verschicken.
Im April werden
die Beteiligten (Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ärztliche Verbände,
Datenschützer und Krankenkassen) über das weitere Procedere beraten
(Moderation: Landesgesundheitsministerium).
Ärzte Zeitung online (13.03.2009):
Kassen könnten den Datenerfassern Geld zahlen
Ärzte Zeitung online (11.03.2009):
Lesegeräte für E-Card spalten Ärzte in Nordrhein. Ärztekammer und KV streiten
über den Einsatz der Lesegeräte in den Praxen / Anforderungen an Online-Nutzung
noch unklar
Ärztekammer
Nordrhein: Pressemitteilung vom
10.03.2009
Kassenärztliche
Vereinigung Nordrhein: Praxen in Nordrhein installieren neue Lesegeräte (9.03.2009)
Anmerkung: Bisher ist den
ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen die Teilnahme am Projekt eGK ausdrücklich
freigestellt. Allerdings ist die Frage, ob sich das (wie schon von einzelnen
Krankenkassen gefordert) ändern wird, wenn der Basis-Rollout in Nordrhein
(Testregion) und weiter flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland
erfolgt.
Nachtrag 1: In einem
Presseinfo (16.03.2009) informieren die Internationalen Ärzte in sozialer
Verantwortung (IPPNW) über eine Resolution zur Elektronischen Gesundheitskarte,
die auf dem Jahrestreffen der IPPNW kürzlich beschlossen wurde. Sie
appellieren darin an die Delegierten des vom 18.-22.5.2009 in Mainz
stattfindenden 112. Ärztetages ihre Ablehnung der eGK in der bestehenden Form
erneut zu bekräftigen.
Nachtrag 2: Die DGPT (Deutsche
Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und
Tiefenpsychologie e.V.) hat mit Datum vom 30.03.2009 eine Stellungnahme zur
Frage des Einsatzes der Telematik im Gesundheitswesen vorgelegt. Sie zeigt sehr
deutlich die Gefahren dieser Technologie auf:
"Entwicklung im Bereich der Telematik: Die aktuelle
Entwicklung im Bereich Telematik hat die DGPT zu intensiver Beschäftigung mit
der Thematik veranlasst. Die Stellungnahme der DGPT zu diesem Thema finden Sie
hier. Besondere Sorge bereitet nach wie vor die zentrale Speicherung der
Daten. Außerdem wird die Freiwilligkeit der online-Anbindung von gesetzlichen
und privaten Krankenkassen in Frage gestellt und im Falle des Erhalts der
Freiwilligkeit mit dem Ausstieg aus dem Projekt gedroht. Wir sind der Ansicht,
dass die kommenden Monate für die Umsetzung der Pläne zur Einführung der
elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundenen Technologie
entscheidend sein werden" (Zitat aus der Webseite
www.dgpt.de/News).
Nachtrag 3: Nach einem Bericht der
Ärzte Zeitung online (30.03.09)
läuft der Rollout sehr schleppend an, nach Aussage der KV Nordrhein (Gilbert
Mohr) hätten lediglich 130 von 15.000 Praxen sich ein Lesegerät angeschafft.
Nachtrag 4: Der Bundesbeauftragte für
den Datenschutz bleibt bei seinem grundsätzlichen Ja zur eGK, die Einführung
einer elektronischen Patientenakte (über die eGK) werde voraussichtlich noch
Jahre dauern: Ärzte Zeitung online (22.04.09).
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) -
Vertretung der Bundespsychotherapeutenkammer in der
Gesellschaft für
Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik)
(Teil
VI)
Durch das Verwaltungsverfahrensvereinfachungsgesetz wurden
die PsychotherapeutenInnen in den Kreis der Zugriffsberechtigten für die
elektronische Gesundheitskarte (eGK) aufgenommen (§ 291a Abs. 4 SGB V). Bereits
im März 2005 hat die Bundespsychotherapeutenkammer in einer
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Organisationsstruktur der Telematik
im Gesundheitswesen darauf verwiesen, daß in der Gesellschaft für
Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) die betroffenen
Heilberufekammern vertreten sind - mit Ausnahme der
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die vom Gesetzgeber nicht
berücksichtigt wurde. Bis heute ist der Gesetzgeber dieser Forderung nicht
nachgekommen! Die Bundespsychotherapeutenkammer ist damit weder Gesellschafter
der Gematik, noch deren
Fachausschuß vertreten! Eine Beteiligung erfolgt lediglich im Rahmen des
unterstützenden Beirats.
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Freiwilligkeit der
Teilnahme von der AOK Rheinland/Hamburg in Frage gestellt
(Teil
V)
Die AOK
Rheinland/Hamburg hat in Nordrhein den Start des
Basisrollouts (erste Region, in der die eGK flächendeckend ausgegeben wird) von
der verpflichtenden Teilnahme der ÄrztInnen an der Startphase des Projekts
abhängig gemacht. Die KBV beharrt hingegen nach einem Bericht der Ärztezeitung
online (6.02.09)
auf der Freiwilligkeit einer Teilnahme.
Anmerkung: Man kann sich nur wundern, welche merkwürdige
Verhandlungsstrategien die Beteiligten auf beiden Seiten an den Tag legen. Wenn
ÄrztInnen zu einer Teilnahme an der eGK nicht verpflichtet sind, dann macht das
Projekt grundsätzlich (und unabhängig von etwaigen Fragen des Datenschutzes)
keinen Sinn und stellt lediglich eine grandiose Verschwendung von
Versichertengeldern dar.
Angesichts der
bekanntgewordenen Überprüfungen von Arbeitnehmerdaten (Deutsche Bahn Telekom)
haben der Bundesdatenschutzbeauftrage Schaar und der DGB (Vize-Vorsitzende
Ingrid Sehrbrock)
ein eigenständiges Gesetz zum Schutz der ArbeitnehmerInnen gegen eine
massenhafte Überprüfung ihrer Daten und die gezielte Beobachtung am Arbeitsplatz, im
Arbeitsumfeld sowie den Zugriff der Arbeitgeber auf Internet und E-Mail der
Beschäftigen gefordert.
Ärzte Zeitung online (5.02.2009):
Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer gefordert (Bundesdatenschutzbeauftragter)
Ärzte Zeitung online (5.02.2009):
DGB pocht auf Gesetz für Arbeitnehmerdatenschutz
Der Gemeinsame Bundesausschuß
(G-BA) beschließt die Veränderung der bisherigen Praxis bei der Weiterleitung
von Entlassungsberichten von Rehabilitationskliniken
Der G-BA berichtet in einer
Pressemitteilung (01/2009) vom 22.01.2009:
"Entlassungsberichte gesetzlich
versicherter Patientinnen und Patienten, die sich einer medizinischen
Rehabilitation unterzogen haben, werden künftig lediglich der Vertragsärztin
oder dem Vertragsarzt und auf Wunsch den Versicherten selbst übergeben. Einen
entsprechenden Beschluss, der die Rehabilitations-Richtlinie den aktuellen
Datenschutzbestimmungen anpasst, fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am
Donnerstag in Berlin.
Bisher werden diese Berichte, die
unter anderem auch sensible Patientendaten enthalten, von den
Rehabilitationseinrichtungen den behandelnden Vertragsärztinnen und -ärzten und
auch den zuständigen Krankenkassen zugeleitet, damit diese ihren Aufgaben nach
Beendigung einer medizinischen Rehabilitation nachkommen können. In Abstimmung
mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
wurde der Datenfluss nun verringert.
Der Beschluss wird dem
Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach erfolgter
Nichtbeanstandung nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Der
Beschlusstext sowie eine entsprechende Erläuterung werden in Kürze im Internet
(...) veröffentlicht".
Anmerkung:
So erfreulich dieser vom Bundesgesundheitsministerium (Ulla Schmidt) noch nicht
bestätigte Beschluß ist, so merkwürdig ist die bisherige Praxis der
Weiterleitung solcher Berichte an die Krankenkassen. Wieso ist es in einem
Rechtsstaat möglich, daß Daten höchst intimer Art (sie gehören nach Ansicht des
Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE 80: 367ff] zum unantastbaren Kernbereich des
Persönlichkeitsrechts) an Institutionen weitergeleitet werden, die sie zur
Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benötigen (Verletzung der Grundsätze des BDSG:
Datensparsamkeit, Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung)?
Die Informationsfreiheit als
'Schwester' des Datenschutzes
Weitgehend unbemerkt hat der Gesetzgeber vor nun drei Jahren das
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beschlossen. Es setzt dem historisch aus
dem absolutistischen Herrschaftsanspruch der deutschen Fürsten stammenden
Grundsatz des Amtsgeheimnisses das Recht der BürgerInnen auf Information
entgegen. Bundesbehörden werden damit zu Transparenz und Offenheit
verpflichtet: "Jeder
hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen
Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen"
(§ 1 Abs. 1 IFG) - jedenfalls soweit einzelne schutzwürdige Interessen
(öffentliche Belange, behördliche Entscheidungsprozesse, personenbezogene Daten,
geistiges Eigentum, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse; siehe §§ 3, 4, 5, 6 IFG)
nicht betroffen sind.
Wer sich in seinen Rechten auf
Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz verletzt sieht,
kann sich an den Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit wenden; diese
Funktion wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz (und
Informationsfreiheit) wahrgenommen (§ 12 IFG). Der Bundesdatenschutzbeauftragte
Schaar
kritisiert (nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung Nr. 303 v. 31 12.2009,
5) das IFG in seiner derzeitigen Fassung. Die Verwaltung gehe noch immer davon
aus, Akten seinen ihr Eigentum und schirmten sich von den Bürgern ab. Es gebe zu
viele Ausnahme, die dem Informationsanspruch entgegenstünden. Ein Problem
besteht auch darin, daß für nicht einfache Auskünfte (diese sind kostenfrei)
Gebühren bzw. Auslagen erhoben werden (§ 10 IFG).
Auf Länderebene gibt es
unterschiedliche Regelungen. Viele Länder haben eigene Landes-IFG-Gesetze
verabschiedet (Landesbehörden), fünf Länder (darunter Bayern) habe dies nicht
getan. In Bayern gibt es stattdessen beispielsweise ein Gesetz für den Bereich
der Umwelt: das Landes-Umweltinformationsgesetz (UIG) - der ursprünglich gute
Gedanke föderalistischer Staatsstrukturen - das zeigt sich nicht nur an diesem
Beispiel - ist längst zu einem technokratischen Monster verkommen.
Ergänzung:
Ganz aktuell hat die
Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) Verbrauchern die
Einsicht in personenbezogene Daten von Auskunfteien erleichtert. Schon bisher
(seit 2005) war es anfragenden BürgerInnen möglich, online ihre
personenbezogenen Daten einzusehen. Seit 15. Januar 2009 können zusätzlich die
Daten anderer Auskunfteien (u. a. Deutsche Telekom, Bertelsmann und den
Allianz-Konzern) abgefragt werden; auch eine Korrektur fehlerhafter Daten ist so
möglich. Der online-Zugriff ist allerdings im Unterschied zur persönlichen
Einsichtnahme der gespeicherten Daten bei einer Schufa-Verbraucherservicestelle
(siehe www.schufa.de)
kostenpflichtig (derzeit einmalig 15,60 Euro für den unbefristeten Zugang). Die
Schufa verwaltet kreditrelevante Daten von über 65 Millionen Bundesbürgern und
bietet Unternehmen bestimmte Branchen (z. B. Banken) Informationen zur
Beurteilung der Bonität ihrer KundInnen.
Bundestag und
Bundesrat beschließen BKA-Gesetz (Gesetz zur
Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)
Teil
III
Das vom Vermittlungsausschuß (marginal) geänderte BKA-Gesetz
wurde vom
Bundestag (18.12.2008) und Bundesrat in seiner heutigen Sitzung (19.12.2008)
mit äußerst knapper Mehrheit (35 zu 34 Stimmen) verabschiedet. Damit kommt es zu Zwei-Klassen-System von
Berufsgeheimnisträgern. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den
betroffenen Berufsgruppen nicht ganz so ausgeprägt, wie das auf den ersten Blick
erscheinen könnte (vgl. Teil I, Nachtrag 4)
Der ehemalige
Bundesinnenminister Baum (FDP) und der ehemalige Innenminister des Landes
Nordrhein-Westfalen Hirsch (FDP) haben eine Klage vor den
Bundesverfassungsgericht angekündigt (im unmittelbaren Anschluß an die
Unterzeichung des Gesetztes durch den Bundespräsidenten im Januar 2009)
angekündigt (aerztezeitung.de
18.12.08 und
29.12.08).
Das Kabinett hat am 10. Dezember 2008
einen Entwurf von Innenminister
Schäuble (CDU) verabschiedet. Er sieht unter
anderem vor, daß persönliche Daten nur mit Zustimmung der Betroffenen
weitergegeben werden dürfen. Bislang galt eine Regelung, nach der private Daten
(z.B. Adresse, Alter, Kontonummern) verkauft werden könnten, wenn die
Betroffenen dem nicht widersprachen.
Nach der eGK die eFA:
Pilotprojekt zur elektronischen Fallakte
Die elektronische Fallakte
scheint in überschaubarer Zukunft Realität zu werden - möglicherweise mit der
Tendenz als technischer Standard zur Behandlungsdokumentation in der stationären und ambulanten ärztlichen
und psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt zu werden.
Anmerkung:
Obwohl die Beteiligten betonen, daß die Daten
sicher sind, dezentral gespeichert werden und nur mit Zustimmung der
PatientInnen abgerufen werden können - das Projekt wird zudem in Abstimmung mit
den zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten durchgeführt - ist Skepsis
angebracht. Denn es geht eben keineswegs nur um administrative und medizinische
Daten sondern auch um hochsensible intime Daten, die dem Kernbereich der
Persönlichkeit zuzuordnen sind. Ich meine, solche Daten gehören ganz
grundsätzlich auf keinen
(zentralen oder dezentralen) Server!
"Der europäische
Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx fordert EU-weit einheitliche und hohe
Sicherheitsstandards für den Schutz von Patientendaten bei Auslandsbehandlungen.
Die von der Europäischen Kommission geplanten Datenschutzregelungen für die
grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung hält Hustinx für unzureichend".
Bundessozialgericht (Kassel):
Die Daten gesetzlich versicherter PatientInnen dürfen grundsätzlich nicht an
private Abrechnungsstellen übergeben werden
Das
Bundessozialgericht in
Kassel hat in einer Entscheidung vom 10.12.2008
(Az.: B 6 KA 37/07 R)
die Weitergabe der Daten von in der gesetzlichen Krankenkassen Versicherten
(ungeachtet etwaiger vorliegender Einwilligungen der PatientInnen) für
unzulässig erklärt. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf eine fehlende
Spezialvorschrift - die allgemeinen Datenschutzregelungen, die die Weitergabe
mit Einwilligung der Betroffenen zulassen, sind in diesem Fall nicht anwendbar.
Eine Übergangsregelung besteht für Leistungserbringer, die bereits über private
Abrechnungsstellen mit den KV'en abrechnen, bis Mitte 2009.
Anmerkung:
Die Entscheidung bezieht sich auf gesetzlich Versicherte. Anders
liegt der Fall im Bereich der Privatversicherungen, wo die
Abrechnung über private Abrechnungsstellen zulässig ist, jedoch nur mit
Einwilligung der PatientInnen erfolgen darf (vgl. § 17 Abs 3 Satz 2 KHEntgG).
Das Urteil liegt noch nicht vor - ein Medienbericht, sowie das Sitzungsprotokoll
des 6. Senats kann über den obigen Link recherchiert werden (eine Verlinkung war
nicht möglich).
NAV Virchov-Bund (Verband der
niedergelassenen Ärzte Deutschlands) fordert Datenschutzpaket im
Gesundheitsbereich
Angesichts des "scheibchenweisen Abbau(s) von
Datenschutz und Bürgerrechten im Gesundheitswesen" und des "schleichenden
Prozess(es) des Übergriffes der 'Krake Staat' auf das Gesundheitswesen" fordert
der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte, Dr. Klaus
Bittmann eine konzertierte Aktion von DatenschützerInnen, ÄrztInnen und
PatientenvertreterInnen mit dem Ziel der Erarbeitung eines Konzepts zum
Erhalt von Vertrauensschutz und Datensicherheit im Gesundheitswesen. Dabei gehe
es insbesondere um
den Verzicht auf
eine zentrale Speicherung von Patientendaten (eGK); angestrebt wird vielmehr
die dezentrale Speicherung am Ursprungsort der Datenerhebung sowie die
Hoheit der PatientInnen über die sie betreffenden Daten
ein Verbot der Verwendung von Patientendaten über
Abrechnungszwecke hinaus durch die Krankenkassen
den Schutz vor
Abhörmaßnahmen, Online-Razzien und der Vorratsdatenspeicherung und die
Gleichstellung der Rechte von Ärzten gegenüber jenen von Priestern und
Strafverteidigern (Dr. Bittmann:
"Ärzte sind keine Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse!").
Anmerkung
1:
Den Forderungen des NAV Virchow-Bundes schließe ich mich inhaltlich an -
angesichts der Vielzahl von Einschränkungen
des Vertrauensschutzes und der Datensicherheit im
Gesundheitswesen wäre
noch eine Reihe weiterer Punkte in ein solches Paket aufzunehmen. Nachdenklich
macht mich andererseits, daß gerade die Beschäftigten im Gesundheitswesen
tagtäglich gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Gerade ÄrztInnen, die
ja häufig und gerne über die Zustände im Gesundheitswesen (und hier über
Versäumnisse des Datenschutzes) klagen, verstoßen tagtäglich gegen die
Schweigepflicht, wenn sie (bzw. die Arzthelferinnen) Patientenkarteien am Tresen
ablegen, wo sie von anderen PatientInnen eingesehen werden könnten, oder wenn
bei Telephonaten die Namen der in der Praxis anrufenden PatientInnen für Dritte
hörbar genannt werden. Beides sind Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches (§
203 StGB); im ersteren Fall, weil bereits die Möglichkeit der Einsichtnahme den Straftatbestand
erfüllt!
Anmerkung
2: Eine den Forderungen des NAV Virchow-Bundes ähnliche
Resolution wurde am
27.11.2008 vom Deutschen Anwaltverein (DAV), dem Deutschen Journalisten-Verband
(DJV) und dem Hartmannbund verabschiedet (siehe auch unten den Beitrag zum
BKA-Gesetz, Nachtrag 3).
Die Große Koalition
beschließt das BKA-Gesetz (Gesetz zur
Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt)
Teil
I
Mit den Stimmen der CDU/CSU (geschlossen) und der SPD (20 Gegenstimmen, 6
Enthaltungen) hat der Bundestag am 12.11.2008 in namentlicher Abstimmung das
BKA-Gesetz gegen die Stimmen der Opposition beschlossen; insgesamt stimmten 375
Parlamentarier für und 168 gegen das Gesetz, 6 Abgeordnete enthielten sich.
Innenminister Schäuble sprach im
Zusammenhang der Kritik an den neuen Regelungen von einer
"Diffamierungskampagne" und Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) von "Panikmache“ und einem
"Kreuzzug gegen die Online-Durchsuchung".
Schäuble verstieg sich zu der Aussage, das Gesetz diene der "Verteidigung der
Freiheitsrechte". Man kann sich nur wundern!
Nachtrag 1:
Nach der angekündigten Enthaltung Sachsens ist es inzwischen fraglich, ob das
Gesetz den Bundesrat (Sitzung am 28.11.2008) passieren wird.
Nachtrag 2:
Der Gesetzesentwurf wurde heute (28.11.2008) vom Bundesrat abgelehnt; die
Weiterleitung in den Vermittlungsausschuß wurde ebenfalls mehrheitlich
abgelehnt. Grundsätzlich kann nun die Bundesregierung und auch der Bundestag ein Vermittlungsverfahren einleiten um
noch einen Kompromiß mit dem Bundesrat zu erzielen. Die Bundesregierung hat
bereits angekündigt, den Ausschuß anzurufen; Innenminister Schäuble möchte noch
vor Weihnachten (!) zu einer Einigung kommen.
Nachtrag 3:
Kaum zu glauben aber wahr: Bereits heute (3.12.08) liegt eine geänderte Fassung
des BKA-Gesetzes vor, die auch weiterhin bei der Aufteilung der
Berufsgeheimnisträger in zwei Klassen bleibt. Nach dem Bericht der KVB räumt die
Koalition "Ärzten, Journalisten und Rechtsanwälten auch in der jüngsten
geänderten Fassung des BKA-Gesetzes kein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Dieses
gilt weiterhin nur für Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger. Die
Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat sich laut
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann auf drei andere Änderungen
geeinigt. So soll Online-Durchsuchungen auch in besonders eiligen Fällen eine
richterliche Anordnung vorausgehen. Das gilt auch für den Schutz des
unantastbaren Kernbereichs der Privatsphäre. Außerdem sollen die Zuständigkeiten
des Bundeskriminalamts und der Landeskriminalämter klarer voneinander abgegrenzt
sein. Der Vermittlungsausschuss muss den geänderten Entwurf nun wieder an den
Bundestag zur Abstimmung überweisen. Oppermann geht davon aus, dass das Gesetz
im kommenden Jahr in Kraft tritt. (Agenturmeldung, 3. Dezember)".
Auch die
Resolution des
Deutschen Anwaltvereins (DAV), des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) und des
Hartmannbunds am 27.11.2008, in der ein absoluter Schutz der
Berufsgeheimnisträger vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen gefordert wurde ist
ungehört verhallt. Ob der in einem gemeinsamen Forum in Berlin an den Bundesrat
gerichtete Appell, das BKA-Gesetz abzulehnen, Gehör findet, darf bezweifelt
werden.
Nachtrag
4:
Zwar wird es ungeachtet der vorgenommenen Änderungen (Nachtrag 3) zwei Klassen
von Berufsgeheimnisträgern geben. Allerdings sind die Unterschiede nicht ganz so
ausgeprägt, wie das auf den ersten Blick erscheinen könnte. Denn auch den von
etwaigen Maßnahmen verschonten Berufsgruppen (Geistliche, Strafverteidiger,
Abgeordnete) drohen solche, wenn dies "zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand
oder die Sicherheit des Staates oder Leib, Leben oder Freiheit einer Person
erforderlich ist" (§ 20u Abs.1 mit Verweis auf § 20c Abs. 3 BKA-Gesetz); siehe
dazu auch die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung Nr. 209 v.
13./14.12.2008, 8.
§ 20 u Abs. 1 des BKA-Gesetzes
genannten Berufsgruppen
Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des
internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BT-Drucksache
16/9588 v. 17.06.2008)
Kritik an den Plänen der
Großen Koalition zur Novellierung des BKA-Gesetzes
(Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der
Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten)
Teil
II
Die von der Koalition (CDU/CSU, SPD) geplante Änderung des BKA-Gesetzes ist vom
Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe scharf
kritisiert worden. "Die Koalitionspläne für ein neues BKA-Gesetz sind ein
Angriff auf die Bürgerrechte, die ärztliche Schweigepflicht und das
Patient-Arzt-Verhältnis".
Bundesverfassungsgericht:
Einstweilige Anordnungen zur Vorratsdatenspeicherung (Gesetz
zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember
2007)
(Teil
X)
Das Bundesverfassungsgericht (2. Senat) hat am 15.10.2008
zwei Anträge verschiedener Personen (Rechtsanwalt, angestellte Klinikärzte,
Schwerbehinderte,
NutzerInnen von Telekommunikationsmittel zu
Informations- und Unterhaltungszwecken,
Gymnasiallehrer) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich
verschiedener Regelungen des Gesetzes zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (insbesondere § 100a Abs. 2 und Abs. 4,
§ 100f, § 110 Abs. 3, § 160a StPO) abgelehnt. Mit dem Eilantrag hatten die
Antragsteller das Ziel verfolgt, das Abhören der Telekommunikation und die
Überwachung außerhalb der Wohnung (abhören und observieren) sofort zu
untersagen. Das lehnte das Gericht mit Hinweis auf die Folgen (Unmöglichkeit der
Verwertung notwendiger Informationen zur Aufklärung schwerer Straftaten) ab,
verwies jedoch auf das noch ausstehende Hauptsacheverfahren bei dem eine Prüfung
vorgenommen werden müsse, inwieweit Grundrechte sogenannter
BerufsgeheimnisträgerInnen (u.a. JournalistInnen, AnwältInnen, NotarInnen,
ÄrztInnen, PsychologInnen) durch das Gesetz verletzt würden.
Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 15.10.2008 (BVerfG,
2 BvR 236/08 und 2 BvR 237/08)
In einer weiteren Entscheidung hat der 1. Senat am 28.10.2008 einem Antrag auf Erlaß einer
erweiterten einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Regelungen über die
Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten teilweise
stattgegeben. Demnach werden die Verbindungs- und Standortdaten im Bereich der
Telekommunikation zwar weiterhin ohne Anlaß (Verdacht) protokolliert, die
Weitergabe an Dritte (insbesondere Polizei und Geheimdienste) ist jedoch
"einstweilen nur unter engeren Voraussetzungen zulässig als von Bundestag und
den Landtagen in Bayern und Thüringen gewollt". Der Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ist "nach den Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts vom März und Oktober dieses Jahres (...)
zuversichtlich, dass die exzessive Totalspeicherung unserer Verbindungs-,
Standort- und Internetdaten auch weiterhin schrittweise in sich zusammen fallen
wird". Weiterhin hat der Arbeitskreis "am 23.10.2008 alle Anbieter von Telefon-,
Handy-, Internet-, E-Mail- und Anonymisierungsdiensten aufgerufen, dem Beispiel
der British Telecom zu folgen, die Vorratsdatenspeicherung zu boykottieren und
erforderlichenfalls gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen" (Zitate aus der
Mitteilung des AK Vorrat - siehe Link).
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.10.2008 (BVerfG,
1
BvR 256/08)
Mitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 6.11.2008:
Gerichtliche Eilentscheidung: Schrittweiser Kollaps der Vorratsdatenspeicherung
erwartet
Die Privatsphäre von
ÄrztInnen (und damit auch von PsychotherapeutInnen) ist hinsichtlich ihrer
beruflichen Tätigkeit eingeschränkt (Internetportale)
Zu dieser Einschätzung gelangte der sachsen-anhaltischen Datenschutzbeauftragten
Harald von Bose bei dem Symposion "Medizin 2.0 - Bewertungsportale und
Versorgungsqualität" der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen
(GRPG) in München. Nach dem Bericht der online-Zeitschrift "Ärztliche Praxis"
(31.10.08) müssen sich ÄrztInnen "Bewertungen in teils windigen Internetportalen
gefallen lassen (...). Werden einige Regeln eingehalten, können die Portale sich
auf die Meinungsfreiheit berufen".
Weil die Arbeit in der Praxis der
Berufssphäre zuzuordnen ist, läuft die Berufung auf die Privatsphäre ins Leere.
Die Berufssphäre genießt als Teil der Gesellschaft und der sozialen Realität
weniger Schutz als die Meinungsfreiheit. Insofern müssen ÄrztInnen es hinnehmen,
wenn öffentlich (z. B. in Internetportalen) Urteile über sie gefällt werden,
jedenfalls soweit gewisse Standards eingehalten werden (unzutreffende
Tatsachenbehauptungen sind beispielsweise nicht zulässig). Jedoch müssen
ÄrztInnen nach Ansicht von von Bose vor der ersten eingestellten Bewertung
informiert werden: "Einfach nur vorauszusetzen, dass die Mediziner von der
Existenz der Portale wissen, genügt dem Datenschützer nicht" (Bericht
aerztlichepraxis.de
vom 31.10.08)
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Test von USB-Sticks
als Speichermedium
(Teil
IV)
Nach einem Bericht der Ärztezeitung vom 20.10.2008 wird
die Betreibergesellschaft gematik ein Konzept zum Test von USB-Sticks als
Alternative zur Server-gestützten Datenspeicherung vorlegen. Dies hat die die
Gesellschafterversammlung der gematik einstimmig im Zusammenhang mit einem
entsprechenden Antrag der Bundesärztekammer (Forderung der Erprobung von
Speichermedien, die bei den Versicherten verbleiben) beschlossen. Ausführlicher
Bericht in der aerztezeitung.de (24.10.08); der Beitrag kann leider nur von registrierten
NutzerInnen gelesen werden (Registrierung kostenlos!).
Mangelnder Datenschutz bei den Privaten Krankenkassen und
der Beihilfe bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen: Petition an
den Deutschen Bundestag (13.10.2008)
(Teil
I)
Nach wie vor wird der Datenschutz bei der Beantragung psychotherapeutischer
Leistungen mit Füßen getreten: Weil die PKV und die Beihilfe das in der GKV
geregelte und bewähre Verfahren anonymisierter Berichte der
PsychotherapeutInnen an die/den von der Krankenkasse beauftragte/n GutachterIn
nicht durchführen, kommt es zur Weitergabe intimster personenbezogener Daten,
ohne daß dies zur Erfüllung des Auftrags (Gutachtenerstellung) notwendig wäre. Nachdem auch der Bundesdatenschutzbeauftragte
bisher nichts in dieser Sache ausrichten konnte, habe ich eine Petition an den
Deutschen Bundestag eingereicht und werde über eine entsprechende Rückmeldung zu
gegebener Zeit berichten.
DGVP (Deutsche Gesellschaft für Versicherte und
Patienten): Unterwanderung des Datenschutzes und Bruch der ärztlichen
Schweigepflicht bei der Abrechnung von Laborleistungen
(Bundesmantelvertrag-Ärzte/BMV-Ä)
Das Abrechnungsverfahren bei Laborleistungen wurde bisher
zwischen den auftraggebenden ÄrztInnen und der jeweiligen KV abgewickelt. Durch
eine Veränderungen im Bundesmantelvertrag (in Kraft ab dem 4. Quartal 2008) wird
nunmehr die Direktabrechnung der Labors mit den KVen eingeführt. Das hat
weitreichende Auswirkungen für den Schutz von Patientendaten. Wurde das
Verfahren bislang pseudonymisiert durchgeführt (Kennzeichnung des zu
untersuchenden Materials mittels eines von den auftraggebenden ÄrztInnen
angebrachten Barcodes) werden nunmehr die für die Abrechnung des Labors mit der
KV notwendigen Patientendaten übermittelt. Dabei ist fraglich, ob die
Übermittlung von PatientInnendaten an Laborgemeinschaften, die nicht Mitglied
der KV sind, zulässig ist. Wenn überhaupt, so kann die Übermittlung nur (wie
auch schon bisher, wenn externe Laborärzte Material untersuchten - siehe
UnabhängigesZentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein), nur mit
ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen erfolgen.
Anders, als die DGVP vermutet, handelt es sich nicht um einen Bruch der
ärztlichen Schweigepflicht. Die Weitergabe (Offenbarung) von Geheimnissen
(Patientendaten) ist ja gerade dann zulässig, wenn eine Offenbarungsbefugnis
vorliegt (§ 203 StGB). Eine solche liegt mit Einführung der entsprechenden
Bestimmungen des BMV-Ä vor bzw. dann, wenn PatientInnen ihre Einwilligung
(schriftlich) erteilt haben. Den Vorwurf der Unterwanderung des Datenschutzes
(und einer weiteren Gefährdung der vertraulichen Arzt-PatientBeziehung) halte
ich hingegen für zutreffend.
Es ist tatsächlich erschreckend, daß höchst sensible Daten einer zunehmend
steigenden Anzahl von Personen und Institutionen bekanntgegeben werden, ohne daß
dies zwingend notwendig, den Betroffenen (PatientInnen und BürgerInnen) im
Einzelnen klar wäre oder sie auch eine realistische Chance hätten, dem zu
widersprechen (asymmetrische Beziehung PatientInnen-ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen,
die u. a. impliziert, daß PatientInnen auf bestimmte Leistungen bei
gleichzeitiger Pflicht zur Mitwirkung angewiesen sind). Hier wird in gröblicher
Weise der Grundsatz des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 3: Datensparsamkeit und -vermeidung)
mißachtet.
Im Mai 2008 hat Google die bisher nur englischsprachig
verfügbare Beta-Version von
Google Health frei
geschaltet. Wer (in Deutschland oder in einem beliebigen Land) über einen Google
Account (Benutzername und Passwort) verfügt, kann sich sofort auf seine
persönliche Google Health Seite einloggen. Damit setzt Google einen Trend fort,
der mit Microsofts Patientenportal
Health Vault begonnen hat.
Auf dem Portal von Google
kann ein komplettes Gesundheitsprofil vom Benutzer eingegeben werden
(körperliche Merkmale, Zustand, Medikation, Allergien, Behandlungen,
Laborergebnisse, Immunisierungen). Bei Eingabe verschiedener Medikamente werden
deren mögliche Wechselwirkungen angezeigt. Ein Datenexport in andere
Gesundheitsportale ist möglich, ebenso können Daten (Arztbriefe,
Krankenhausberichte, Arzneimitteldaten von Apotheken etc.) importiert werden.
Letzteres ist allerdings nur möglich, wenn ein Kooperationsvertrag mit Google
besteht - entsprechende Verträge gibt es bisher nur wenige. Schließlich ist eine
Suche nach ÄrztInnen und Krankenhäuser möglich.
Der Zugang zur persönlichen Google Health Seite ist dem Benutzer und Dritten (z.
B. ÄrztInnen und Kliniken, die die Zugangsdaten erhalten haben) nur über den
Benutzernamen und das Paßwort möglich. Zwar versichert Google Inc., daß die
Daten der Patienten ebenso sicher sind wie jene im Gesundheitssystem gesammelten
Informationen, sie unterliegen aber nicht den Gesundheitsdatenschutzgesetzen der
USA. Deshalb ist beispielsweise nicht auszuschließen, daß Google auf die
Herausgabe von Informationen verklagt werden kann. Unklar ist weiter, ob Google
selbst Zugang zu den abgespeicherten Informationen hat und wie sicher die
Informationen gegen den unbefugten Zugang Dritter (Hacker, ehemalige
MitarbeiterInnen von Google) geschützt sind. Auch wird sich die Frage stellen,
ob Daten (z B. für statistisch-epidemiologische Zwecke oder Krebsregister etc.)
anonymisiert weitergegeben oder -verkauft werden (können). Die Versuche an die
Daten zu gelangen werden sicher zahlreich sein - immerhin geht es hier um Daten
von höchst privater und intimer Natur.
Google Health ist bereits in der Beta-Version recht übersichtlich und einfach zu
handhaben. Es wird (weltweit) sicherlich viele NutzerInnen finden, schon weil
das Portal im Unterschied zu anderen Anbietern (z. B. die Gesundheitsakte
Produkt
Life Sensor oder die World
Medical Card, die beide auch in Deutschland angeboten
werden; aus Deutschland stammt die
vita-X-Gesundheitsakte, der
sich bereits auch nichtärztliche PsychotherapeutInnen angeschlossen haben und
die auch mit der eGK kompatibel sein wird ) kostenlos ist. Vermutlich bevorzugen viele Anwender auch
eine von Ihnen selbst verwaltete, zentrale Datenbank. Google Health wirft
allerdings in datenschutzrechtlicher Hinsicht einige Fragen auf; hinzu kommt,
daß hier zentral eine nahezu unvorstellbar große Menge an Daten zusammenkommen
wird. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine deutschsprachige Version
vorliegen wird.
Frankreich plant in Verbindung mit der Zusammenlegung
zweier Geheimdienste (RG und DST) den Aufbau einer Datenbank mit dem Namen
EDVIGE (Exploitation Documentaire et Valorisation de l’Information Genérale;
Dekret vom 27. Juni 2008). Die Datei ist beim französische
Inlands-Geheimdienst DCRI angesiedelt, erfaßt werden sollen Personen ab 13
Jahren (!), wenn ihr (individuelles oder kollektives) Verhalten eine mögliche
(künftige) Störung der öffentlichen Ordnung befürchten lässt. Neben Angaben
über Familienstand und Beschäftigung, Adresse, Telefonnummern, E-Mailadressen,
physische Merkmale, Photos und Verhalten, Identitätsnachweise,
Autonummernschilder, Steuerinformationen und Erbinformationen, Umzüge und
rechtliche Aktenvermerke sollen auch Angaben über die sexuelle Orientierung und
den HIV-Status gespeichert werden.
In ihrem Artikel "Le fichier
Edvige inquiète les associations de défense des droits des homosexuels" (Die
Datei Edvige beunruhigt Organisationen, die die Rechte der Homosexuellen
verteidigen) berichtete Le Monde am 23.07.08 über den Widerstand (nicht nur von
Datenschützern) gegen die Datei und eine entsprechende Petition, die bereits von
mehr als 40.000 Bürgern und über 300 Organisationen unterzeichnet wurde.
Während die Innenministerin Michèle Alliot-Marie die Speicherung von Daten über
Gesundheit und sexuelle Orientierung gerechtfertigt hat, wurden zahlreiche
Einsprüche vor dem Conseil d'Etat (oberstes französische Verwaltungsgericht) mit
dem Ziel eingelegt, das EDVIGE-Dekret zu annullieren.
(Kurzer) Bericht der Online-Ärztezeitung (www.aerztezeitung.de)
vom
3.09.2008.
Weitergabe von DAK-Patientendaten an eine private
Gesundheitsfirma (Healthways); Bericht Report München (18.08.2008)
Die Deutsche Angestellten Krankenkasse hat der deutschen
Tochter des US-Dienstleisters Healthways 200 000 Datensätze von PatientInnen
übermittelt, die neben administrativen Daten auch Behandlungsdaten enthielten.
Wie der Geschäftsführer von Healthways International GmbH, Michael Klein,
gegenüber Report Mainz (Sendung am 18.08.08) erklärte, habe er habe die Daten
von der DAK ohne Einverständniserklärung der Patienten erhalten. Neben den
Stammdaten (Name und Adresse) lägen ihm auch Behandlungsdaten der jeweiligen
PatientInnen ( Krankenhausdaten, Arzneimitteldaten und die Diagnose) vor. Das
Unternehmen kontaktierte mittels der Daten chronisch kranke Patienten, um sie
für ein spezielles Betreuungs- und Schulungsprogramm zu gewinnen. Die Beratung
von PatientInnen erfolgt nach dem Bericht von
Report Mainz über ein Call-Center von Healthways in der Nähe von Berlin
(Brandenburg). Dort werden die PatientInnen telephonisch durch Krankenschwestern
und Pfleger beraten, nicht aber durch ÄrztInnen (ein interviewter Hausarzt hielt
das Vorgehen, telephonisch medizinische Ratschläge zu erteilen, für skandalös).
Ziel des Projekts sei es, die Krankenkassenmitglieder zu einer besseren
Lebensführung anzuhalten, um langfristig Klinikeinweisungen zu vermeiden und auf
diese Weise Kosten zu sparen. Es richtet sich an PatientInnen mit Diabetes,
Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheiten und schweren Atemwegserkrankungen.
Die DAK hatte zunächst argumentiert, es liege eine Einverständniserklärung der
jeweiligen Betroffenen vor - zudem handle es sich um eine Weitergabe an und
Datenverarbeitung 'im Auftrag' durch eine 'gleiche Stelle'. Nach der Kritik des
Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar und einer entsprechenden Beanstandung des
Bundesversicherungsamtes (Unzulässigkeit der Übermittlung von Leistungsdaten vor
einer Aufnahme in Spezialprogramme und Aufforderung an die DAK, den ersten
Versicherungskontakt selbst zu übernehmen) hat die DAK reagiert. Nunmehr sollen
die Erstanrufe bei Patienten, laut eines Sprechers der DAK, mit dem
Angebot zur Teilnahme an dem Spezialprogramm vorläufig nicht mehr von Healthways
getätigt werden.
Anmerkung:
Der eigentliche Skandal besteht in der Argumentation der DAK:
Den Mitgliedern wurde bei dem entsprechenden Informationsschreiben (das überdies
offenbar nur ein Teil der Betroffenen erhalten hat; siehe auch die Aussagen des
Geschäftsführer von Healthways) versichert, die Daten würden nicht an Dritte
weitergegeben. Die formaljuristische Argumentation, es handle sich um eine
gleiche Stelle, die im Auftrag Daten verarbeitet, zeigt wohin formaljuristische
Argumentationen führen können. Ohne Zweifel zerstören solche Vorgange das
Vertrauen in den sorgsamen Umgang mit Versichertendaten.
Die Sendung von Report Mainz können Sie unter diesem
Link ansehen.
Der NAV Virchov-Bund hat in einer scharfen Reaktion auf die
Datenweitergabe eine Verschärfung des Datenschutzes und eine bessere
Patientenaufklärung gefordert (Presseerklärung
v. 22. 08.2008).
Veröffentlichung von Patientenakten: Schweigepflicht bei
verstorbenen Personen der Zeitgeschichte
(Teil I)
Etwa 90 000 Akten der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik
aus aus den Jahren 1880-1960 wurden kürzlich an das Landesarchiv Berlin
übergeben und stehen damit zu Forschungszwecken zur Verfügung. Aus der Sicht der
Berliner Ärztekammer stellt die Veröffentlichung dieser Akten, darunter jene des
Schauspielers Klaus Kinskis (1926-1991) einen klaren Rechtsbruch dar. Sie
unterstützt damit die von der Witwe Kinskis diesbezüglich gestellte Strafanzeige
(aerztezeitung.de
8.08.2008 unter: Ärztekammer: Patientenschutz gilt auch für prominente
Tote). Die Presseerklärung der Berliner Ärztekammer vom 6.06.2008 finden Sie
hier.
Das Landesarchiv Berlin vertritt (naturgemäß) eine andere
Auffassung. In einer Stellungnahme weisen der Direktor, Dr. Uwe Schaper
gemeinsam mit dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit, Dr. Alexander Dix, darauf hin, "daß der Umgang mit
Patientenakten äußerst sensibel erfolge(n)" und nicht alle Akten veröffentlicht
worden seien: "Das wird auch in Zukunft nicht geschehen". Das Archiv habe auf
gesetzlicher Grundlage gehandelt (§ 8 des Archivgesetzes des Landes Berlin)
nachdem "grundsätzlich jeder das Recht hat, Archivgut nach Ablauf bestimmter
Schutzfristen zu nutzen. Allerdings bedarf die Nutzung in jedem Einzelfall der
Genehmigung des Landesarchivs Berlin. Die Genehmigung wird den Betroffenen und
ihren nächsten Angehörigen stets erteilt, anderen jedoch nur, wenn die
jeweiligen Schutzfristen abgelaufen sind".
Zusätzlich, so Dr. Schaper und Dr. Dix, unterliegen
personenbezogenen Unterlagen wie Patientenakten besonderen Bedingungen, denn
Personen genießen bis zum Ablauf von zehn Jahren über ihren Tod hinaus den
Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre ("postmortaler Persönlichkeitsschutz"). Das
Landesarchiv hat dabei den Schutz des Patientengeheimnisses sicherzustellen.
Auch danach endet der Schutz nicht automatisch, sondern er ist mit dem
Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) abzuwägen: Je länger
der Zeitpunkt des Todes einer Person zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt
dem Recht der Öffentlichkeit auf freien Zugang zu Wissen und Information zu.
Akten über Patienten, an denen kein vergleichbares öffentliches Interesse
besteht, dürfen auch künftig selbst nach Ablauf der Schutzfristen grundsätzlich
nicht in personenbezogener Form genutzt werden. Darauf können die Patienten
vertrauen" (vollständiger
Text des Landesarchivs Berlin unter: Gemeinsame Presseerklärung).
Anmerkung:
Ich verfolge schon seit langer Zeit die Diskussion um die
Abwägung zwischen (postmortalem) Persönlichkeitsrecht und Informations-,
Wissenschafts- bzw. Forschungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) mit großer Sorge.
Heutigen oder 'künftigen' Personen der Zeitgeschichte wäre auf dem Hintergrund
der aktuell herrschenden Rechtsmeinung zu raten, sich weder in ärztliche, schon
gar nicht in psychotherapeutische oder gar psychoanalytische Behandlung zu
begeben. Was mit solchen Unterlagen passieren kann, zeigt nicht nur das obige
Beispiel. Überdies ist zu bezweifeln, daß Unterlagen von und über PatientInnen, die
nicht Personen der Zeitgeschichte waren, so geschützt sind, wie die
entsprechenden Gesetze dies vorsehen. Und auch bei niedergelassenen ÄrztInnen
und nichtärztlichen PsychotherapeutInnen sind solche Unterlagen keineswegs
sicher, wenn der Forschergeist (einschließlich des mit der Aufdeckung verbundenen narzißtischen Gewinns) durchbricht. Beispielhaft sei dafür die Deanonymisierung
historischer PatientInnen in einer (damals) neuen Edition des
Freud-Ferenczi-Briefwechsels erwähnt, den Gerhard Fichtner unmißverständlich und überzeugend kritisiert hat
(Fichtner, G. [1994]: Fragen
an die Edition des Freud/Ferenczi-Briefwechsels. Psyche 48: 738-745).
Es gibt darüber hinaus auch Fälle, in welchen
Psychoanalytiker (nicht von ihnen behandelte) lebende und verstorbene Personen
der Zeitgeschichte zum Gegenstand ihrer Betrachtungen gemacht haben (z.B. P.
Matussek: Analytische Psychosentherapie. Band 2: Anwendungen. Heidelberg:
Springer 1997). Auch wenn dabei keine gesetzlichen Regelungen verletzt werden
bleibt die Frage, ob ethische (ggf. auch berufsrechtliche) und auch fachliche
Prinzipien hier nicht unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung mit
Füßen getreten werden.
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) -
Aktion: Stoppt die e-Card!
(Teil
III)
Die Aktion:
Stoppt die e-Card!
hat eine Patientenverfügung vorgelegt mit der ÄrztInnen untersagt werden soll Krankheitsdaten jetzt und in Zukunft auf
zentralen Computern außerhalb der Arztpraxis zu speichern. Auf der Startseite
(oben oder im Menu 'Downloadmanager') finden Sie diese ebenso wie eine
Patienteninformation und Unterschriftenlisten als pdf-Dokument.
Ergänzung: Auf der Basis der Beschlüsse des 111. Deutschen Ärztetags (2008) hat
die Bundesärztekammer einen
Forderungskatalog der Ärzteschaft zum Projekt elektronische Gesundheitskarte
an das Bundesministerin für Gesundheit übermittelt (Schreiben des Präsidenten
der Bundesärztekammer vom 30. Juli 2008).
Empfehlungen der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung zur
ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis
In einer Bekanntmachung im Deutschen
Ärzteblatt hat die KBV Ihre neuesten Empfehlungen zu diesem Thema veröffentlicht
(DÄ
Ausgabe PP, 6/2008; das Dokument im pdf-Format können Sie in dem sich
öffnenden Fenster des DÄ auf der rechten Seite anklicken).
Anzumerken ist, daß die Ausführungen
zur Aufbewahrung patientenbezogener Unterlagen (bis zu 30 Jahren) problematisch
sind. Die Verjährungsfrist (3 Jahre) beginnt erst
mit
dem Ende des Jahres, "in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis
erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im
Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher
sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene
Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine
Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind".
Ich werde mich in dieser Frage an den Bundesdatenschutzbeauftragten wenden.
Die Überlegungen zum Einsichtsrecht
(5.1.) spiegeln eine konservative juristische Haltung der KBV wider, wie Sie
(speziell unter ÄrztInnen) lange Zeit vorherrschend war (und offenbar noch ist).
In meinen Ausführungen zu diesem Thema (Akteneinsicht;
siehe unter: Auskunfts- bzw.
Einsichtsrecht der PatientInnen)
erfahren Sie mehr und
differenzierter, wie sich die Rechtsprechung auf diesem Gebiet geändert hat und
vermutlich auch noch weiter ändern wird.
Keine Schweigepflicht für ÄrztInnen,
Hebammen und Entbindungspfleger in Bayern bei gewichtigen
Anhaltspunkten für Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch von
Kindern und Jugendlichen
(Teil I)
Von der (betroffenen) Fachöffentlichkeit
weitgehend unbemerkt hat der Bayerische Landtag im April 2008 den von der
Bayerischen Staatsregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge und des Kinderschutzes
verabschiedet (Information
des Bayerischen Staatsministerium für Arbeits- und Sozialordnung). Die darin geregelte Mitteilungspflicht
für ÄrztInnen, Hebammen und
EntbindungspflegerInnen tangiert die Schweigepflicht in ihrem Wesensgehalt. Die
praktischen Folgen im Hinblick auf die Arzt-Patient-Beziehung sind noch nicht absehbar. Im
Art. 14 des
Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (Gesetzes über den öffentlichen
Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie
die Lebensmittelüberwachung - GDVG), der den Schutz der Gesundheit von Kindern und
Jugendlichen regelt, heißt es im Absatz 6:
Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger sind
verpflichtet, gewichtige Anhaltspunkte für eine Misshandlung, Vernachlässigung
oder einen sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen, die ihnen im
Rahmen ihrer Berufsausübung bekannt werden, unter Übermittlung der
erforderlichen personenbezogenen Daten unverzüglich dem Jugendamt mitzuteilen.
Erläuterung: Schon nach bisherigem Recht können
ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen (sowie alle in § 203 StGB erwähnten Berufsgruppen)
im Falle einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leib und Leben eines
Kindes ihre Schweigepflicht brechen, wenn andere und weniger einschneidende
Möglichkeiten der Gefahrenabwehr nicht bestehen (rechtfertigender Notstand, § 34
StGB). Unter den genannten Voraussetzungen bestand eine Offenbarungsbefugnis, in
bestimmten Fällen (etwa, wenn das Kind von der/m Psychotherapeutin/en selbst
behandelt wurde) aufgrund der sich daraus ergebenden Fürsorgepflicht (Garantenstellung) eine
Offenbarungspflicht. Aus der Offenbarungsbefugnis (i. S. der Abwägung der
betroffenen Rechtsgüter) ist mit Art 14 GDVG eine generelle
Mitteilungspflicht ('nur') für ÄrztInnen an das Jugendamt geworden, die
zudem nicht mehr alleine auf eine unmittelbar (in der Zukunft) drohende
Gefahr abstellt. Mitgeteilt werden muß also auch eine zurückliegende Tat bzw.
gewichtige Anhaltspunkte dafür. Auch psychotherapeutisch tätige ÄrztInnen, vor
allem jene, die Kinder psychotherapeutisch behandeln, werden von der Mitteilung
erfasst. Das Gesetz sieht für Verstöße gegen die Mitteilungspflicht keine
Sanktionen (Ordnungswidrigkeit, vgl. Art 33 GDVG) vor. Allerdings wären
zivilrechtliche Forderung denkbar, wenn der Mitteilungspflicht in fahrlässiger
Weise nicht nachgekommen wird und infolgedessen Kinder bzw. Jugendliche zu Schaden
kommen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der Angelegenheit habe ich Kontakt mit der Rechtsabteilung der DGPT (Deutsche Gesellschaft für
Psychoanalyse,
Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie) aufgenommen.
Gefahren des Kopierens
patientenbezogener und vertraulicher Dokumente
Wie ein Fernsehbericht ein
weiteres Mal dokumentiert hat, können kopierte Unterlagen jederzeit von Dritten
ausgelesen werden, wenn es sich um Geräte mit einer Festplatte handelt. Das ist
bei den heute eingesetzten digitalen Geräten durchweg der Fall. Die
vervielfältigten Dokumente werden gescannt und gedruckt; eine Datei verbleibt im
Arbeitsspeicher und/oder auf der Festplatte. Solche Geräte sind daher
sicherheitstechnisch wie PC's einzustufen; auch eine Vernetzung der Geräte ist
möglich, was die Möglichkeit eröffnet, die jeweiligen Daten bzw. Festplatten per
Intra- oder Internet einzusehen bzw. zu steuern. Das Unabhängige Landeszentrum
für den Datenschutz Schleswig-Holstein hat bereits 2005 auf die entsprechenden
Gefahren hingewiesen (zum
Artikel).
Elektronische Gesundheitskarte (eGK) - Mitteilung des
NAV-Virchow-Bundes zu Alternativen
(Teil
II)
Der
NAV-Virchow-Bund (Verband der
niedergelassenen Ärzte Deutschlands) weist in einer aktuellen Mitteilung darauf
hin, daß die eGK technisch mit Hilfe der USB-Technologie schneller einzuführen
sei, als die Systematik der Gematik mit zentralen Servern. Damit wäre die
zentrale Speicherung hochsensibler Patientendaten (einschließlich der dadurch
potentiell gegebenen Möglichkeit der Datenverwertung durch Dritte) verzichtbar (Mitteilung
von 2.06.08).
Gesetzespaket zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)
Teil
IX)
Den Wortlaut der
einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie
hier.
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und
Bundesärztekammer (BÄK) aktualisieren ihren Leitfaden zu Datenschutz und
Datenverarbeitung in Arztpraxen (Pressemitteilung vom 9.05.2008)
In der
Pressemitteilung wird die aktualisierte Fassung der Richtlinien von 1996
vorgestellt (Pressemitteilung
v. 9.05.2008). Unter anderem wird dort Dr. Carl-Heinz Müller, Vorstand der
KBV, mit den Worten zitiert: „Bisher galt: Praxisrechner, die Patientendaten
verwalten, dürfen nicht ans Internet. Dies ist nun nicht mehr zwingend, wenn
Provider einen entsprechenden Schutz durch Firewalls garantieren. Dies ist zum
Beispiel im Rahmen des Hochsicherheitsdatennetzes der KVen, dem KV-Safenet der
Fall“.
Hierzu ist
zweierlei zu sagen: Zunächst entbehrt die Behauptung, Praxisrechner mit
Patientendaten hätte bisher nicht an das Internet gedurft jeder (juristischen) Grundlage.
Entscheidend war und ist, daß die notwendigen Sicherungsvorkehrungen (Anti-Virensoftware, Firewall,
Anti-Spyware) gegen den unbefugten Zugriff
auf geschützte Patientendaten getroffen werden (so auch die Haltung
verschiedener KV'en). Dem widerspricht nicht, daß ich die Einrichtung sogenannter 'stand-alone-Rechner' Rechner
für die patientenbezogenen Daten unbedingt empfehle (ggf.
auch die Verwendung externer Festplatten; nähere Informationen unter
Computer), weil die Gefahr unbefugter Zugriffe
(insbesondere bei Computer-Laien, die mit der Konfiguration der Abwehrsoftware
vielfach Probleme haben) nicht unterschätzt werden sollte.
Zudem scheint mir die Verheißung einer Garantie durch den Provider (hier
zugleich eine willkommene Werbung für das KV-Safenet ) ebenso zweifelhaft wie die zunehmenden Bestrebungen der
Kassenärztlichen Vereinigungen Patientendaten zu sammeln (Elektronische
Gesundheitskarte-eGK; geplante online-Abrechnung).
Die
wichtigsten Neuerungen des Leitfadens sind in der aktuellen Ausgabe des
Ärzteblattes (Nr. 19 vom 9. Mai 2008: A 1026-1030) nachzulesen. Die Empfehlungen von BÄK und KBV
einschließlich einer Anlage mit technischen Sicherheitshinweisen finden
sie
hier.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Online-Überwachung (Fortsetzung)
(Teil
II)
Das
Bundesverfassungsgericht hat wie berichtet (siehe unten
Teil I) die Klage einer Journalistin (und Mitglied der
Partei DIE LINKE, LV NRW) und dreier Rechtsanwälte gegen Vorschriften des
Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen für weitgehend begründet erachtet
und die Regelungen im Verfassungsschutzgesetz NRW zur Online-Durchsuchung und
zur Aufklärung des Internet für nichtig erklärt (Urteil vom 27. Februar 2008, 1
BvR 370/07; 1 BvR 595/07). In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein aus dem
Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Grundrecht auf
Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme postuliert: Aufgrund der überragenden Bedeutung der
Entscheidung zitiere ich die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts nachstehend
(den Beschluß im vollständigen Originalwortlaut können Sie
hier nachlesen):
Leitsätze zum
Urteil des Ersten Senats vom 27. Februar 2008 (- 1 BvR 370/07 - und - 1 BvR
595/07 -)
Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das
Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme.
Die heimliche Infiltration eines
informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems
überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist
verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer
konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend
wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der
Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates
oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann
schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft
eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte
Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen.
Die heimliche Infiltration eines
informationstechnischen Systems ist grundsätzlich unter den Vorbehalt
richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen
Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich
privater Lebensgestaltung zu schützen.
Soweit eine Ermächtigung sich auf
eine staatliche Maßnahme beschränkt, durch welche die Inhalte und Umstände
der laufenden Telekommunikation im Rechnernetz erhoben oder darauf bezogene
Daten ausgewertet werden, ist der Eingriff an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen.
Verschafft der Staat sich
Kenntnis von Inhalten der Internetkommunikation auf dem dafür technisch
vorgesehenen Weg, so liegt darin nur dann ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG,
wenn die staatliche Stelle nicht durch Kommunikationsbeteiligte zur
Kenntnisnahme autorisiert ist.
Nimmt der Staat im Internet öffentlich zugängliche Kommunikationsinhalte
wahr oder beteiligt er sich an öffentlich zugänglichen
Kommunikationsvorgängen, greift er grundsätzlich nicht in Grundrechte ein.
!!! Das
Bundesverfassungsgericht erläßt eine einstweilige Anordnung
!!!
Gesetzespaket zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)
(Teil
VIII)
Als einem von
34.451 Beschwerdeführern hat mir Rechtsanwalt Starostik (Berlin) am 15.03.2008 mitgeteilt, daß
für die eingelegte
Verfassungsbeschwerde der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zuständig
ist. Über den (weiteren) Antrag, den Vollzug des Gesetzes bis zur endgültigen
Entscheidung des Gerichtes auszusetzen, wird der erste Senat voraussichtlich
Ende März oder Anfang April entscheiden. Das Aktenzeichen für das Verfahren
lautet: 1 BVR 256/08.
Kaum hatte ich das
geschrieben hat das Bundesverfassungsgericht am 19. März 2008 in einer
einstweiligen Anordnung den Zugriff auf die (6 Monate) gespeicherten Daten auf
die Strafverfolgungsbehörden in Fällen einer schweren Straftat und nur mit
Genehmigung des Ermittlungsrichters beschränkt. Der entsprechende § 100a StPO
Strafprozeßordnung geht allerdings sehr weit und umfaßt beispielsweise auch
Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung und mißbräuchliche Asylantragstellung.
Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Nr. 37/2008 vom 19. März 2008 (1 BVR 256/08):
"Aufgrund eines Abrufersuchens einer
Strafverfolgungsbehörde hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten die
verlangten Daten zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an
die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des
Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO ist,
die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen
begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich
erschwert oder aussichtslos wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). In den übrigen Fällen ist
von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen."
Das Gericht hat
mit der Eilentscheidung das beschlossenen Gesetz teilweise außer Kraft gesetzt,
weil es die dort nahezu schrankenlose Erfassung und Verwendung personenbezogener
Daten für verfassungswidrig hält. Die Politik (bzw. die in der Sache zuständigen
PolitikerInnen) reagiert darauf wie in letzter Zeit häufiger und nicht nur bei
Entscheidungen des Verfassungsgerichts mit einem Reflex:
"Sie preist die Entscheidung lauthals
und tut so, als habe diese das Gesetz bestätigt. Sowohl Bundesinnenminister
Schäuble als auch Bundesjustizministerin Zypries haben sich am Mittwoch so
verhalten: Es handelt sich um Missachtung durch Lob. Man nimmt die Kritik der
Richter gar nicht mehr zur Kenntnis" (Heribert Prantl in der Süddeutschen
Zeitung vom 20./21.03.2008, 2) .
Das
Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung aufgegeben, ihm zum 1.
September 2008 über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und der
vorliegenden einstweiligen Anordnung zu berichten. Mit der mündlichen
Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache ist voraussichtlich
erst nach diesem Termin zu rechnen.
Mitteilungspflichten von VertragsärztInnen, ärztlich
geleiteten Einrichtungen und Krankenhäusern (§ 108 SGB V) bei missglückten
Schönheitsoperationen oder Folgeerkrankungen bei Piercings
(Teil
II)
Künftig sollen
VertragsärztInnen verpflichtet sein, den Krankenkassen
Fälle missglückter
Schönheitsoperationen oder Folgeerkrankungen bei Piercings zu melden, die von
ihnen behandelt werden. Schon bisher bestand eine entsprechende Verpflichtung im
Falle von Berufskrankheiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung
(einschließlich Spätfolgen), bei Arbeitsunfällen (einschließlich Spätfolgen),
bei sonstigen Unfällen, bei Körperverletzungen, bei einer Schädigung im Sinne
des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des
Infektionsschutzgesetzes (§ 294a SGB V). Der NAV-Virchow-Bund (Verband der niedergelassenen
Ärzte Deutschlands) weist in diesem Zusammenhang auf die Gefährdung des
Arzt-Patient-Verhältnisses hin, da ÄrztInnen ihre Schweigepflicht brechen und
den Krankenkassen "petzen" müßten. Zudem werde das Verschuldensprinzip
eingeführt (Pressemitteilung
vom 12.03.2008). Hintergrund ist die durch die Neuregelung entstehende
Möglichkeit der Krankenkassen etwaige Behandlungskosten von PatientInnen
zurückzufordern.
Gesetzespaket zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)
(Teil
VII)
Wie berichtet
(Januar 2008) wurde die Verfassungsbeschwerde
per Eilantrag am 31. Dezember 2007
über den beauftragten Rechtsanwalt Starostik (Berlin) eingelegt. Am
29.02.2008 wurden nun die über 34.000 Vollmachten von Rechtsanwalt Starostik
dem Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe übergeben. Es handelt sich damit um die zahlenmäßig größte
Verfassungsbeschwerde, die es bisher gegeben hat. Der Eilantrag soll noch im
März entschieden werden. Weitere Informationen: Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung.
Die Heilberufskörperschaften in Hessen (heilen & helfen)
unterstreichen die Kritik des Hessischen Datenschutzbeauftragten hinsichtlich
des unzureichenden Schutzes der Berufsgeheimnisträger
Der Hessische
Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch hat in seinem 36.
Datenschutzbericht deutliche Kritik am Bundes- und Landesgesetzgeber (Hessen)
hinsichtlich des unzureichendes Schutzes der Berufsgeheimnisträger geübt, zu
denen auch die Heilberufe zählen. Der Zusammenschluß der
Heilberufskörperschaften hat sich dem angeschlossen und auf die drohende Gefahr
von Eingriffen in das Vertrauensverhältnis zwischen den Angehörigen der
Heilberufe und ihren PatientInnen gewandt:
Presseerklärung des Zusammenschlusses heilen & helfen vom 26.02.2008.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Online-Überwachung
(Teil I)
Das
Bundesverfassungsgericht hat die Klage einer Journalistin (und Mitglied der
Partei DIE LINKE, LV NRW) und dreier Rechtsanwälte gegen Vorschriften des
Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen für weitgehend begründet erachtet
und die Regelungen im Verfassungsschutzgesetz NRW zur Online-Durchsuchung und
zur Aufklärung des Internet für nichtig erklärt (Urteil vom 27. Februar 2008, 1
BvR 370/07; 1 BvR 595/07). In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein aus dem
Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Grundrecht auf
Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme postuliert:
Pressemitteilung Nr. 22/2008 vom 27. Februar 2008.
Neues zur Berichtspflicht (Richtlinienpsychotherapie/EBM)
(Teil
II)
Mit Einführung des
neuen EBM (an 1.01.2008) wurde die Regelung zur Berichtspflicht modifiziert.
Danach muß künftig zu Beginn und am Ende der Therapie ein Bericht (siehe die
bisher abrechenbaren Ziffern 01600 und 01601) sowie einmal im Jahr (bei
entsprechend längerfristigen Therapien). Ein Bericht ist also, solange nur
probatorische Sitzungen durchgeführt werden, nicht erforderlich.
Achtung: Die
Berichtsziffern können nicht neben der Grundpauschale (sie ersetzt
die bisherigen Konsultationsziffern) abgerechnet werden - sie sind also in der
Grundpauschale enthalten! Die Abrechnung der Berichtsziffer wäre nur für den
(theoretischen) Fall möglich, daß ein persönlicher Arzt-Patient-Kontakt nicht
stattgefunden hat.
Anmerkung:
Da die Abrechnungsziffern im Normalfall nicht mehr abgerechnet werden können,
sind die Kassenärztlichen Vereinigungen in Zukunft nicht mehr in der Lage zu
kontrollieren, ob die Berichtspflicht erfüllt wurde. Eine weitere Veränderung
betrifft die Einwilligung der PatientInnen. Wurde diese bislang vorausgesetzt,
mit der Möglichkeit der Berichtspflicht zu widersprechen, muß nun das
Einverständnis vorliegen. Die neue Regelung befindet sich nunmehr in den
Psychotherapie-Vereinbarungen (§ 9 Abs. 3), dort heiß es:
"Mit schriftlicher Zustimmung des
Patienten, die widerrufen werden kann, erstattet der Therapeut zu Beginn und
nach Beendigung einer Psychotherapie, mindestens jedoch einmal im Krankheitsfall
einen Bericht an den Hausarzt entsprechend der Leistung nach der Nr. 01600 bzw.
einen Brief entsprechend der Leistung nach der Nr. 01601 BMÄ/EGO".
Gesetzespaket zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)
(Teil
VI)
Nachdem der
Bundestag am 9. November 2007 den Gesetzentwurf zur Einführung der
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD
beschlossen hat, wurde eine entsprechende Verfassungsbeschwerde (Eilantrag) am
31. Dezember 2007 (mit über 34.000 Vollmachten) über den beauftragten Rechtsanwalt Starostik (Berlin) eingelegt.
Bevor der
Eilantrag entschieden werden kann, muß derzeit zunächst geprüft und entschieden
werden, ob der Erste oder der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts für die
Verfassungsbeschwerde zuständig ist - offenbar gibt es intern
Meinungsverschiedenheiten, wer sich mit der Angelegenheit befassen 'darf' (siehe
auch
Informationen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung zum Stand des
Verfahrens).
Achtung: Eine Teilnahme an der Verfassungsbeschwerde ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Es ist nicht ganz leicht den
Überblick über den Stand dieses Mammutprojekts im deutschen Gesundheitswesen zu
behalten. Ursprünglich war vorgesehen, die heutige Krankenversicherungskarte zum
1.01.2006 durch die eGK zu ersetzen (291a SGB V). Der Starttermin für die
bundesweite Einführung ist derzeit für das Jahr 2010 angepeilt (Testphase
Sachsen: 2008). Ausführliche Informationen zum organisatorischen Stand des
Projekts erhalten Sie (als betroffene ÄrztInnen, Psychologische
PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und Vertreter
anderer Heilberufe) aus dem
Deutschen Ärzteblatt PP (Heft 1, Januar 2008:
16-17).
Abgesehen von der Frage, ob
das mit sehr hohen Investitions- und Unterhaltskosten verbundene Projekt (die
Finanzierung ist noch keineswegs vollständig geklärt) in einer vernünftigen
Relation zum medizinischen und wirtschaftlichen Nutzen steht, bleiben
grundsätzliche Fragen des Umgangs mit hochsensiblen Daten von PatientInnen.
Entsprechende Informationen kritischer Art erhalten Sie unter folgendem Link:
Am 5.01.2008 haben die
nachfolgenden Organisationen eine Erklärung zum Verzicht auf und Boykott gegen
die eGK unterzeichnet:
Freie Ärzteschaft e.V., IPPNW -
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer
Verantwortung e. V., NAV Virchow-Bund - Verband der niedergelassenen Ärzte
Deutschlands, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung , Ärztegenossenschaft Hamburg
eG, Ärztegenossenschaft Nord-West eG, Bundesverband der Ärztegenossenschaften,
Chaos Computer Club, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP),
Fibromyalgieverband Rheinland-Pfalz und Saarland e.V., FoeBuD e.V.,
Hausärzteverband Hamburg, Selbsthilfegruppe "Fibromyalgie-Syndrom"
Hamburg-Harburg, UnderDOCs SH. Den Text finden Sie hier und über die oben
erwähnte Seite www.die-krankheitskarte.de.
Der
Bundesdatenschutzbeauftragte sieht in diesem Fall kein Problem des
Datenschutzes. Er schreibt zuletzt am 25.01.2006:
"Die elektronische
Gesundheitskarte enthält bereits in ihrer Einführungsphase zum Schutz gegen
Missbrauch ein Lichtbild des Versicherten und eine einheitliche
Versichertennummer, die auch bei einem Kassenwechsel beibehalten wird. In einer
nächsten Stufe werden Rezepte von Ärzten und Notfalldaten auf der Karte
gespeichert. In den letzten Stufen soll die Karte dann Zugang zu Daten über
bisher verordnete Arzneimittel, elektronischen Arztbriefen und Patientenakten
gewähren. Die einzige Pflichtanwendung ist das elektronische Rezept. Alle
anderen medizinischen Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung des
Versicherten gespeichert werden. Bereits Anfang des Jahres 2005 hat die
gemeinsame Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung die
Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) gegründet,
die grundlegende Entscheidungen zur Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte treffen soll." (zum Artikel:
Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der eGK)
Der 110. Deutsche Ärztetag (2007) hat
die zentralserverbasierte eGK (die gespeicherten Daten werden über die eGK in
Verbindung mit dem elektronischen Arztausweis von einem zentralen Server
abgerufen) abgelehnt und einen Neustart des gesamten Projekts gefordert (Entschließung-Drucksache
V-65).
Schließlich scheint es ungeachtet
aller juristischen und wirtschaftlichen Fragen notwendig, sich ganz
grundsätzlich mit den unter der Oberfläche der elektronischen Speicherung von
Daten und Informationen wirksamen Prinzipien von Macht und Kontrolle zu
beschäftigen. Dies hat u.a. Dr. Oliver Decker (Universität Leipzig, Medizinische
Psychologie und Soziologie) getan: Er versteht die Telematikmedizin und speziell
die eGK als Ausdruck von "eGovernment". Allerdings ist es keineswegs nur der
Staat (respektive die Krankenkassen), der hier mit "repressiven
Überwachungsmöglichkeiten" regiert: Wie Decker unter Bezug auf die Theorien von
Foucault ausführt, wird mit dieser Technik der Kontrolle (Panoptismus)
"das überwachte Subjekt in seine Kontrolle und Disziplinierung eingebunden" und
die Kontrolle so verfeinert (Decker, O.: Alles auf eine Karte setzten: Elektronisches Regieren
und die Gesundheitskarte. In:
Psychotherapeutenjournal 4/2005: 338-347).
Einsichtnahme des Patienten in
Behandlungsunterlagen – hier: Stundenprotokolle: Urteil des LG Frankfurt v.
8.01.2007 (AZ: 2-24 S 127/06); Teilabdruck in Monatsschrift für Deutsches Recht
9/2007, 511
Da mir das Urteil inzwischen
im Original vorliegt, habe ich den entsprechen
Abschnitt nochmals überarbeitet und die (weitergehende) Rechtssprechung des
Bundesverfassungsgerichts (das die generelle Begrenzung der Einsichtnahme
auf objektive Befunde für nicht zulässig erachtet) ergänzt.
Bundestag beschließt Gesetzespaket zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie
zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung)
(Teil V)
Gegen den Widerstand der
Opposition, des Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar,
der ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und Hebammen hat der Bundestag das
Gesetzespaket zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. In namentlicher
Abstimmung votierten am Freitag (9.11.2007) 366 von 524 Abgeordnete für
die neuen Bestimmungen, aufgrund derer Verbindungsdaten von Telefonaten oder
E-Mails sechs Monate gespeichert werden müssen und Telefonate auch der
Angehörigen schweigepflichtiger Berufsgruppen (Ausnahme SeelsorgerInnen und
VerteidigerInnen) abgehört werden können. Der von des Bundesjustizministerin ins
Feld geführte richterliche Vorbehalt bei der Anordnung von Abhörmaßnahmen
erweist sich (abgesehen von der Problematik lapidarer, formelhafter oder
fehlender Begründungen der RichterInnen - siehe Mitteilung der
Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE
GRÜNEN Nr.
0938/2006,
19.06.1006) als unzureichend, weil Abhörmaßnahmen der Geheimdienste nicht unter
diesen Vorbehalt fallen. Im weiteren Gesetzesverfahren
muß das Gesetzespaket vor dem Inkrafttreten den Bundesrat passieren und vom
Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Führende liberale Politiker, so der
frühere
Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch, der frühere Bundesinnenminister Gerhart
Baum, die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(alle FDP)
haben Klagen gegen das
Gesetzespaket angekündigt.
Ich rufe hiermit aller BürgerInnen,
PatientInnen und Angehörige schweigepflichtiger Berufsgruppen (§ 203 StGB)
auf, sich an der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetzespaket zu beteiligen (es
entstehen keine Kosten !!!). Der Entwurf einer entsprechenden
Verfassungsklage liegt vor. Bisher haben sich mehr als 7200 BürgerInnen der
Sammelklage angeschlossen. Ich habe mich angesichts der grundsätzlichen
Bedeutung des Themas bereits vor einiger Zeit zu diesem Schritt entschlossen.
Hier finden Sie weitere Informationen über das das Gesetzespaket, den Entwurf
der Verfassungsklage und zur Kanzlei von Herrn Rechtsanwalt Starostik. Den Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung (ein
bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern,
Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante
Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert)
erreichen Sie über die Adresse:
Nach dem Anklicken des Textes :
"Beteiligen Sie sich an der Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung"
können Sie sich in das Formular eintragen. Nach der (sofortigen) Registrierung
wird ein
Vollmachtsvordruck angezeigt. Diesen Vordruck müssen Sie ausgefüllt und
unterschrieben über den Postweg an Herrn Rechtsanwalt Meinhard Starostik (siehe
oben) senden. Mit der Unterschrift bevollmächtigen Sie ihn zur Vertretung im
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.
Stellungnahmen verschiedener
Institutionen zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie
zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG
(Teil IV)
Die diesbezügliche
Mitteilung der
Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) vom 17. 09. 2007 können Sie unter vorstehendem Link
nachlesen. Sie finden dort weiterführende Links zur Pressemitteilung der BPTK, zur Stellungnahme der BPTK, zum Brief
der BPTK an Frau Zypries sowie zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung. Im Newsletter der BPTK (Ausgabe 3/2007)
informiert die Kammer unter dem Titel
Psychotherapeuten im Visier verdeckter Ermittler über den Gesetzentwurf.
Eine weitere Pressemitteilung gab die BPTK einen Tag vor der Abstimmung im
Bundestag (9.11.2007) heraus: "Staatliche
Schnüffelei bei Psychotherapeuten verfassungswidrig".
Zwischenzeitlich
habe ich den jenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (8.03.1972 -2 BvR
28/71-) eingesehen, auf das sich der Senat (und Justizministerin Zypries - siehe
unten) bei seinem Zitat
"Arztgespräche können im Einzelfall dem unantastbaren Kernbereich privater
Lebensgestaltung zuzuordnen sein (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>)". beruft. Dabei
fällt auf, daß dieser Beschluß das Zitat kaum untermauern kann. Vielmehr
unterstreicht die Entscheidung aus dem Jahr 1972 (es ging um die -
verfassungswidrige - Beschlagnahme einer Patienten-Karteikarte bei dem
Nachfolger des behandelnden, verstorbenen Arztes), daß die in der Kartei
enthaltenen Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen "zwar
nicht die unantastbare Intimsphäre, wohl aber den privaten Bereich des
Patienten" betreffen (379). Die weitere Ausführungen scheinen mir für die
gegenwärtige Diskussion so grundlegend, daß ich sie hier in einem längeren
Auszug wiedergebe:
"Damit nehmen sie
[Angaben aus der Karteikarte] teil an dem Schutz,
den das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG dem
Einzelnen vor dem Zugriff der öffentlichen Gewalt gewährt. Insbesondere gilt das
für die Erkenntnis, die der Arzt durch seine berufliche Tätigkeit über den
Gesundheitszustand des Patienten gewinnt und schriftlich niederlegt. Dabei kommt
es nicht darauf an, ob derartige Aufzeichnungen Krankheiten, Leiden oder
Beschwerden verraten, deren Offenbarung den Betroffenen mit dem Verdacht einer
Straftat belastet, ihm in anderer Hinsicht peinlich oder seiner sozialen Geltung
abträglich ist. Vielmehr verdient ganz
allgemein der Wille des Einzelnen Achtung, so höchstpersönliche Dinge wie die
Beurteilung seines Gesundheitszustandes durch einen Arzt vor fremdem Einblick zu
bewahren (vgl. BGHZ 24,72 [81]. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muß und
darf erwarten, daß alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über
seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis
Unberufener gelangt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen
entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt, weil es die
Chancen der Heilung vergrößert und damit - im ganzen gesehen - der
Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge dient." (BVerfGE
32, 379f)
Zwar ist die Karteikarte dem Zugriff
der öffentlichen Gewalt grundsätzlich entzogen. Jedoch, so die
Verfassungsrichter, können überwiegende Belange des Gemeinwohls dazu führen, daß
das schützwürdige Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen zurücktreten muß.
Beispiele hierfür sind:
Informationspflichten des Arztes
in Zusammenhang mit dem Auftreten von Ansteckungskrankheiten oder epidemisch
auftretenden Leiden,
die Preisgabe der Identität von
Patienten mit Hieb-, Stich- oder Schußverletzungen "in Zeiten allgemeiner
Unruhen oder um sich greifender Gewalttätigkeit" oder
die vollständige
Wahrheitsermittlung im Strafprozeß, "wenn der Arzt selbst einer Straftat
beschuldigt wird oder der Teilnahme an einer strafbaren Handlung des
beschuldigten Patienten verdächtig ist" (380 f).
Aber auch in diesen Fällen ist zu
prüfen, inwieweit der Eingriff in die Privatsphäre unter Berücksichtigung der
jeweiligen Umstände des Einzelfalles dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entspricht. Und schließlich halten die Richter fest: " Andererseits läßt sich
ein solcher Eingriff nicht generell mit dem Interesse an der Aufklärung von
Straftaten rechtfertigen, die alleine dem Patienten zur Last gelegt werden"
(381).
Es zeigt sich, das der beschließende
Senat (Urteil 2004) mit seinem Zitat den Wesensgehalt des Beschlusses aus dem
Jahr 1972 nicht erfaßt hat.
Anmerkung:
Die im Beschluß des
Bundesverfassungsgerichts von 1972 erwähnte Entscheidung des BGHZ
(24,72 [81])
stand im Zusammenhang mit der Herausgabe eines ärztlichen Zeugnisses durch den
bei einer Versicherung beschäftigten Beklagten an einen Rechtsanwalt. Letzterer
vertrat seinerseits die Interessen eines vom Kläger der Körperverletzung
beschuldigten Autofahrers und zeigte angesichts der Widersprüche in den ihm
zugänglich gemachten ärztlichen Unterlagen den Kläger wegen (Versicherungs-)
Betrugs an. Der BGH sah die Persönlichkeitsrechte des Klägers in diesem
speziellen Fall (unter Abwägung der widerstreitenden Interessen) nicht
verletzt. Der Argumentation der Vorinstanz, eine Verletzung der sittlichen Würde
des Klägers käme durch die Bekanntgabe an den Rechtsanwalt schon deshalb nicht
in Betracht, "weil es sich bei den gesundheitlichen Folgen des Unfalls vom3. Februar
1951 um nichts anderes als um eine Gehirnerschütterung nebst Prellungen des
Kopfes und im Brustbereich, Verstauchung des rechten Daumens und des rechten
Beines sowie Schürfwunden am linken Kniegelenk verbunden mit einem
Kniegelenkserguß gehandelt habe" begegnete der BGH hingegen, ebenso wie der
Überlegung des Oberlandesgerichts, "wer sich einer strafbaren Handlung in
solchem Maße verdächtig gemacht habe wie hier der Kläger, werde in seiner Würde
nicht verletzt, wenn die ärztlichen Unterlagen zum Gegenstand der Untersuchung
gemacht würden", mit erheblichen Bedenken:
"Bei der
Frage, ob die Würde des Menschen durch die Offenbarung ärztlicher Zeugnisse über
seinen Gesundheitszustand verletzt wird, kommt es nicht sowohl auf die Art des
bescheinigten Befindens als vielmehr auf die Mißachtung des Willens an, so
höchstpersönliche Dinge wie die gesundheitliche Verfassung vor fremdem Einblick
zu bewahren. Ärztliche Bescheinigungen sind daher nicht etwa nur dann
geheimzuhalten, wenn sie Feststellungen enthalten, die für den Betroffenen
peinlich sind. Etwas anderes mag gelten, wenn es sich nur um belanglose
Verletzungen oder Krankheitserscheinungen alltäglicher Art handelt, die den
körperlichen und geistigen Habitus nicht weiter berühren und an deren
Geheimhaltung vernünftigerweise kein Interesse besteht. Die hier festgestellten
Unfallfolgen sind jedoch keineswegs unerheblich und für das Erscheinungsbild des
Klägers bedeutungslos gewesen.
Mißverständlich ist auch, daß der Kläger darum in seiner Menschenwürde nicht
habe verletzt werden können, weil er sich einer strafbaren Handlung verdächtig
gemacht habe. Wollte das Berufungsgericht damit sagen daß die Menschenwürde
dessen, der einer Straftat verdächtig ist, mindere Achtung verdiene als die
unverdächtiger Menschen, so würde dies nicht gebilligt werden können. Die
Unantastbarkeit der Würde des Menschen gilt uneingeschränkt auch für den einer
Straftat Verdächtigen" (BGHZ 24, 81 Urteil vom 2.04.1957, VI ZR 9/56, NJW 1957,
1146).
Das
Bundesverfassungsgericht ging demgegenüber einen Schritt weiter, wenn es
feststellte, daß PatientInnen erwarten dürfen und müssen, "daß alles,
was der Arzt im Rahmen seiner
Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und
nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt" (Hervorhebung v. Verf.; Quelle siehe
oben).
Bundesjustizministerin Zypries nimmt Stellung zum
Telekommunikationsdienstgesetzt (Vorratsdatenspeicherung) und den Auswirkungen für Ärzte
(Teil II)
Im Deutschen
Ärzteblatt/PP 09/2007 (analog DÄ 40/2007) versuchte Frau Zypries den Eindruck zu erwecken, das geplante
Gesetz der Bundesregierung werde den Schutz des
Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht verschlechtern, sondern sogar
verbessern (zum
Artikel). In einem Leserbrief
an das Deutschen
Ärzteblatt (Teilabdruck in DÄ 47/A-3246, 23.11.2007 und DÄ-PP 12/2007, 561-562) habe ich
zu den Aussagen der Justizministerin Stellung
genommen:
Zunächst vorweg: Ich finde es ausgesprochen
erfreulich, daß die Bundesjustizministerin zu der geplanten Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und ihren Auswirkungen für ÄrztInnen im Deutschen
Ärzteblatt persönlich Stellung nimmt.
Weniger erfreut mich die Argumentation von Frau
Zypries. Der Versuch zwischen weniger geschützten (administrativen) Daten, mehr
geschützten (medizinischen) Daten und unantastbaren Daten aus dem Kernbereich
privater Lebensführung (Gefühle, Träume, Tagebuchaufzeichnungen etc.) zu
unterscheiden entspringt einer formaljuristischen Vorstellung
('Sphärentheorie'), die den inneren Bezug zum Wesen der
Arzt/Psychotherapeut-Patient-Beziehung vermissen läßt. Die Begegnung mit
Angehörigen einer ärztlichen und/oder therapeutischen Berufsgruppe beinhaltet
immer Informationen aus verschiedenen 'Informationssphären', seien sie nun
verbaler oder nonverbaler (z.B. Affektexpression durch Mimik oder Körperhaltung)
Art – einschließlich jener Facetten, die dem Patienten selbst nicht bewußt sind.
Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, daß Ermittlungsmaßnahmen dort
unterbleiben müssen, "wo das Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in
Wohnungen mit Wahrscheinlichkeit zu einer Kernbereichsverletzung führen wird".
Dem ist zuzustimmen, allerdings heißt es wenig später: "Arztgespräche können im
Einzelfall den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen
sein" (BverfG
1 BvR 2378/98 v 3.03.2004, Abschnitt 139 und 148). Hier irrt das
Bundesverfassungsgericht und die Bundesjustizministerin, die sich auf das Urteil
und letzteren Satz beruft (und es durch das Einfügen des Wortes "(nur)"
verfälscht), gewaltig. Bei ärztlichen und psychologischen PsychotherapeutInnen,
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, PsychiaterInnen, NervenärztInnen,
ÄrztInnen für psychotherapeutische Medizin u. a. sind Gespräche, die den
Kernbereich privater Lebensgestaltung umfassen, die Regel – anders würde ihre
Inanspruchnahme keinen Sinn machen. Bei allen anderen ÄrztInnen (z.B.
GynäkologInnen, UrologInnen, Ärzte mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie,
HausärztInnen) sind sie jedenfalls keine Seltenheit – selbst wenn das den
PatientInnen (und vielleicht auch zuweilen den ÄrztInnen) nicht klar ist, weil
sie glauben, es ginge nur um einen Schnupfen.
Daß
Abgeordnete gegen Ermittlungsmaßnahmen umfassend geschützt werden ist im
Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaats sinnvoll
und notwendig. Ich kann jedoch nicht erkennen, weshalb ein Unterschied zwischen
VerteidigerInnen und SeelsorgerInnen auf der einen und
ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen auf der anderen Seite besteht. Der Schutz
beruflicher Vertrauensverhältnisse ist, wie Frau Zypries
betont, "ein wichtiger Eckpfeiler des
Rechtsstaats". Insofern muß das absolute Verbot der Erhebung und Verwertung von
Informationen für alle in § 203 StGB genannten Berufsgruppen gelten.
Andernfalls, wenn nur einzelne ärztliche und oder psychotherapeutische Gespräche
unter das Verbot fielen, würde der primäre Schutzzweck der strafrechtlich
geschützten Schweigepflicht außer Kraft gesetzt: "Das allgemeine Vertrauen in
die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, (…) als
Voraussetzung dafür, daß diese ihre im Interesse der Allgemeinheit liegenden
Aufgaben erfüllen können" (Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst:
Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3 zu § 203
StGB). Das Vertrauen zu Angehörigen ärztlicher und therapeutischer Berufsgruppen
kann da nicht entstehen, wo wir (PatientInnen) jederzeit befürchten müssen, daß
der geschützte Raum jederzeit zur Disposition von Ermittlungsbehörden zum Zweck
konkreter oder vorbeugender Ermittlungsmaßnahmen steht. Dies gilt übrigens um so
mehr, als PatientInnen tatsächlich mit Straftaten in Verbindung stehen (Drogen,
Körperverletzung, Mißbrauch von Kindern etc.) und sich deshalb um medizinische
bzw. therapeutische Hilfe bemühen: Ließen sie sich aus solchen Erwägungen nicht
behandeln, würden sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen und den
Opferschutz ad absurdum führen.
Es erscheint mir
zynisch, wenn Frau Zypries ihren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung
(darum geht es im Kern) als Stärkung des Schutzes beruflicher
Vertrauensverhältnisse anpreist. Denn der politische Hintergrund der
Gesetzesinitiative, einschließlich der entfachten medialen und machtpolitischen
Hysterie, ist hinreichend bekannt und steht zudem in einer logischen Reihe
bereits in Kraft getretener Gesetze steht, welche die Schweigepflicht aushöhlen.
Auf diese Art und Weise wird weder das Vertrauen in die Angehörigen
schweigepflichtiger Berufsgruppen noch dasjenige in den Rechtsstaat gefördert.
Ich rufe alle
KollegInnen auf, sich an der geplanten, und als Entwurf bereits vorliegenden,
Verfassungsbeschwerde von Rechtsanwalt Starostik (Berlin) zu beteiligen – es
entstehen keine Kosten! Weitere Informationen:
Protest gegen die Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte: Initiative "Arzt-Patient-Beziehung schützen"
Die Initiative
"Arzt-Patient-Beziehung" der Internationalen Ärzte für die Verhütung des
Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. haben im September 2007 eine
Unterschriftenaktion zur Ablehnung der elektronischen Gesundheitskarte
(Adressat: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt) gestartet. Unter dem
nachfolgenden Link zur
IPPNW erhalten Sie weitere Informationen.
Ärztliche Meldepflicht bei 'selbstverschuldeten'
Krankheiten
(Teil
I)
Nachfolgend zitiere
ich einen Bericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Sie auch im
Internet abrufen können: KBV Kompakt, Newsletter vom 04. Oktober 2007
Das
Bundesgesundheitsministerium steht wegen seines umstrittenen Plans, nach dem
Ärzte und Krankenhäuser Komplikationen nach sogenannten selbst verschuldeten
Krankheiten an die Kassen melden sollen, weiter massiv in der Kritik. „Die
ärztliche Schweigepflicht wird ausgehöhlt, die vertrauensvolle Beziehung von
Patienten zu ihren Ärzten geht verloren“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende,
Dr. Andreas Köhler, in Berlin. Das Ministerium wies die Kritik zurück. Die
Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Dagmar Kaiser, erklärte, mit der
Regelung werde für eine datentechnische Umsetzung der Gesundheitsreform gesorgt.
Sie sei bereits mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz abgestimmt und sei
keinesfalls als Anschlag auf die ärztliche Schweigepflicht zu werten.
Nach einem am Wochenende bekannt gewordenen Referentenentwurf zur Pflegereform
sollen Ärzte und Krankenhäuser den Kassen künftig Komplikationen melden, die
nach Schönheitsoperationen und unnötigen Eingriffen auftreten. Mediziner- und
Sozialverbände hatten die Pläne scharf kritisiert und sie als Anschlag auf die
ärztliche Schweigepflicht bezeichnet. Der Tagesspiegel berichtete unter Berufung
auf Expertenkreise, man habe offenbar im Ministerium befürchtet, dass es
Umsetzungsprobleme mit einer Vorgabe der zum 1. April in Kraft getretenen
Gesundheitsreform gebe. So seien die Kassen zwar verpflichtet worden, die
Patienten bei selbst verschuldeten Krankheiten künftig in angemessener Höhe an
den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung
ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern. Die Mediziner aber hätten
keinen Anlass, diese Fälle den Krankenkassen auch mitzuteilen.
Pressemeldung KBV 1.10.2007
Die ärztliche
Schweigepflicht wird ausgehöhlt, die vertrauensvolle Beziehung von Patienten zu
ihren Ärzten geht verloren. Ärzte sind keine Hilfspolizisten der Krankenkassen,
und Arztpraxen keine Abhörstationen der Kassengeschäftsstellen.“ Mit deutlichen
Worten kommentierte Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Pläne des
Bundesgesundheitsministeriums, Mediziner im Falle sogenannter selbst
verschuldeter Krankheiten ihrer Patienten zur Mitteilung an die gesetzlichen
Krankenkassen zu verpflichten.
Dies soll durch eine Gesetzesänderung ermöglicht werden, die zusammen mit der
Pflegereform verabschiedet werden soll. Betroffen davon wären beispielsweise
Patienten, die infolge einer Schönheitsoperation oder einer Tätowierung sich
Folgeerkrankungen zugezogen haben. Sie sollen für die Behandlungskosten von den
Kassen in Regress genommen werden.
Einsichtnahme des Patienten in
Behandlungsunterlagen – hier: Stundenprotokolle: Urteil des LG Frankfurt v.
8.01.2007 (AZ: 2-24 S 127/06); Teilabdruck in Monatsschrift für Deutsches Recht
9/2007, 511
Die beklagte Psychotherapeutin
(Diplom-Psychologin) wurde verpflichtet, dem Kläger Einsicht in ihre
Stundenprotokolle (Behandlungszeitraum 1/2000 bis 3/2003) zu gewähren. Ausgenommen wurden dabei jene Teile der
Dokumentation, die "rein subjektive Eindrücke der Beklagten dokumentieren". Die
Gewährung der Einsicht kann wahlweise durch Herausgabe der Originalurkunden oder
durch Fotokopien, "gegebenenfalls unter Abdeckung derjenigen Passagen, die
ausschließlich subjektive Eindrücke der Beklagten dokumentieren", erfolgen. Der
Kläger ist seinerseits dann zur Erstattung der Fotokopierkosten verpflichtet. Der Anspruch
auf Einsichtnahme in die Gesprächsprotokolle (die, soweit sie nicht rein
subjektive Einschätzungen der Therapeutin beinhalten, im Interesse des Patienten
bzw. "im Interesse einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Behandlungsvertrages"
erstellt wurden) ergibt sich aus
der vertraglichen Nebenpflicht des psychotherapeutischen Behandlungsvertrags,
sowie aus § 810 BGB. Die Verweigerung der Einsichtnahme in diese Teile der
Dokumentation liefe dem Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Klägers
zuwider. "Billigenswerte Gründe für die Verweigerung der Einsichtnahme hat die
Beklagte nicht dargetan". Die Argumentation der Psychologin, eine Offenlegung ihrer Aufzeichnung
sei "für die persönliche Entwicklung des Klägers nachteilig" war nach
Ansicht des Landgerichts nicht hinreichend substantiiert: Sie hätte ihre
Bedenken zwar nicht im Detail, jedoch aber nach Art und Richtung darlegen
müssen. Da dies nicht der Fall war, sind die Protokolle dem Kläger zur
Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.
Den Einwand der Psychotherapeutin es handle sich
"nicht um eine »medizinische« Behandlung mit den daraus resultierenden
Dokumentationspflichten" wies das Landgericht zurück. Zwar könne es zutreffen,
daß eine Dokumentationspflicht nicht in dem Ausmaß bestehe, wie das bei einer
"klassischen ärztlichen Behandlung" der Fall sei. Da die Dokumentation aber
unstreitig vorgenommen wurde, ist sie mit Ausnahme der subjektiven Eindrücke der
Psychotherapeutin auch offenzulegen.
Das Landgericht hat die Revision mit
Hinweis auf die fehlende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht
zugelassen. Auch erfordere "weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherheit
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts".
In ihrem Mitgliederrundschreiben
3/2007 hat die Deutsche
Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und
Tiefenpsychologie (DGPT)
die Einschätzung geäußert, daß
die Verurteilung erfolgt sei, weil eine Trennung der objektiven von rein
subjektiven Eindrücken nicht vorgenommen worden war. Die DGPT empfiehlt daher,
objektive und subjektive Inhalte der Behandlung getrennt zu halten. Diese
Einschätzung scheint mir nur partiell zutreffend, da das
Bundesverfassungsgericht die generelle Begrenzung des
Einsichtsrechts auf objektive Befunde für unzulässig ansieht (siehe dazu weiter
unten.)
Anmerkung:
Die Unterscheidung von
objektiv und subjektiv in Stundenprotokollen (und ganz allgemein in
psychotherapeutischen Behandlungsunterlagen) hat einige Tücken.
Könnte man wörtliche Gesprächsnotizen (soweit diese nachträglich vom
TherapeutInnen oder PatientInnen
überhaupt noch entzifferbar sind) noch als objektiv (i. S. von so oder so ähnlich
gesprochen) bezeichnen, wird es schwierig, wenn die/der TherapeutIn das Thema einer Sequenz zusammenfaßt –
etwa nach dem Subtext bzw. der von ihm vermuteten unbewußten Mitteilung hinter
den gesprochenen Worten. Denkbar wäre allenfalls folgende Vorgehensweise:
Während der Hauptteil der Seite (Block etc.) ausschließlich gesprochenes Wort
bzw. thematische Zusammenfassungen des gesprochenen Wortes (der PatientInnen und ggf. auch
PsychotherapeutInnen) enthält einschließlich weiterer Aufzeichnungen über die
psychische und körperliche Befindlichkeit, (zusätzliche) anamnestische Daten, Setting und sonstige
Therapie-Vereinbarungen, werden
am Rand (Kennzeichnung etwa durch eine Linie, wie Sie in Schulheften oder
Studentenblocks bereits vorgesehen ist) jene Informationen festgehalten, die
subjektiver Natur sind: Eindrücke und Hypothese über PatientInnen,
Gegenübertragungsreaktionen, diagnostische Fragestellungen, vorläufige Deutungen
etc.
Bei allem Verständnis für die Rechte
der PatientInnen stellt sich die grundsätzliche Frage, wie weit es Sinn macht,
Einsicht in die Aufzeichnungen der AnalytikerInnen/PsychotherapeutInnen zu verlangen. Sie dienen
letzteren insbesondere als Gedächtnisstütze (z.B. anamnestische Daten), zur
Dokumentation des Behandlungsverlaufs (Entwicklung der Symptomatik sowie der
bewußten und unbewußten strukturellen Entwicklung anhand von Einfällen, Träumen etc.) und der
Aufzeichnung von Gegenübertragungsreaktionen (als einer wichtigen
Informationsquelle für unbewußte Vorgänge in der/m Patientin/en und der
Therapeut-Patient-Beziehung). Müßten PsychotherapeutInnen/AnalytikerInnen jederzeit mit der Einsicht
durch die PatientInnen in ihre persönliche Aufzeichnungen rechnen, so führte dies
u. U. zu einer erheblich
verkürzten Aufzeichnung im Rahmen der Dokumentationspflicht - schon weil der
Aufwand, ausführliche Aufzeichnungen vor der Einsichtnahmen zu lesen und
subjektive Teile zu schwärzen, nahezu unvertretbar ist. Das wäre letztlich auch nicht im
Sinne der PatientInnen, weil TherapeutInnen ebenso einen geschützten Denk- und
Assoziationsraum benötigen, wie er den PatientInnen (zumindest im Rahmen einer
tiefenpsychologisch fundierten oder analytischen Psychotherapie) zur Verfügung
steht, um einer erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten.
Zu bedenken ist, daß
hinter einer etwaigen Auseinandersetzung um die Einsicht in die
Stundenprotokolle letztlich ein Beziehungskonflikt steht, der von PatientInnen (z.B. Mißtrauen,
Kontrollverlustängste), aber auch von TherapeutInnen (Abweisung von Fragen der
PatientInnen zu dem über sie erstellten Berichten, Aufzeichnungen etc.) ausgehen
kann und die therapeutische Beziehung und hier besonders das Arbeitsbündnis beeinträchtigt. In diesem Fall erscheint es unumgänglich, daß die
TherapeutInnen dem Konflikt nicht ausweichen. Neben der Deutung unbewußter
Motive bzw. Konflikte der Patientin/en ist eine Reflexion des eigenen
(bewußten und unbewußten) Anteils der TherapeutInnen unumgänglich - einschließlich der Beantwortung von Fragen zu den Aufzeichnungen. Hilfreich
erscheint auf jeden Fall ein Hinweis im Rahmen der probatorischen Sitzungen
(Paktgespräch) damit die PatientInnen wissen, wozu die Aufzeichnungen dienen und
was mit ihnen geschieht (Schweigepflicht, Aufbewahrung etc.).
Schließlich ist zu bedenken, daß sich das Einsichtsrecht
nicht generell auf
objektive Daten begrenzen läßt. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr
1998 im Zusammenhang der Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die
Verweigerung der Einsicht in psychiatrische Krankenunterlagen hingewiesen. Diese
Haltung hat das Bundesverfassungsgericht auch in einem weiteren Beschluß aus dem
Jahr 2006 (2
BvR 443/02, 9.01.2006) vertreten. Die generelle Beschränkung des
Einsichtsrechts auf sogenannte objektive Befunde ist danach im
Hinblick auf die notwendige Abwägung grundrechtlich geschützter Güter
(Einsichtsrecht der PatientInnen, Persönlichkeitsrecht er TherapeutInnen)
im Einzelfall nicht zulässig.
"Soweit
der Einsichtnahme (...) Persönlichkeitsrechte der Therapeuten deshalb
entgegenstehen könnten, weil (...) in den Akten Feststellungen zu
Übertragungen und Gegenübertragungen dokumentiert sind, die viel über
die Person des Therapeuten aussagen, kann diese Erwägung eine Beschränkung der
Akteneinsicht auf die sogenannten objektiven Befunde schon deshalb nicht
rechtfertigen, weil eine solche Beschränkung dem Umfang nach über das zum Schutz
personenbezogener Daten des Therapeuten gegebenenfalls Erforderliche
hinausginge. Objektive Befunde sind nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, auf die die angegriffenen Entscheidungen sich stützen, die
naturwissenschaftlich objektivierbaren Befunde sowie die Aufzeichnungen über
Behandlungsmaßnahmen, insbesondere Angaben über Medikation und
Operationsberichte (vgl. BGHZ 85, 327 <333 f.>; 106, 146 <152>); von der
Einsicht ausgeschlossen sein sollen dagegen diejenigen Dokumentationen, die
bewertungsabhängige und insofern subjektive Beurteilungen des Krankheitsbildes
durch die behandelnden Ärzte betreffen (BGHZ 85, 327 <336>; 106, 146 <152>). Letztere sind aber nicht notwendigerweise durchweg von der Art, dass sie
Einblick in die Persönlichkeit des Behandelnden geben und ihre Offenlegung daher
dessen Persönlichkeitsrecht berühren könnte" (Hervorhebung v. Verfasser;
BVerfG 2 BvR 443/02, Abs. 39).
Weitere Informationen hierzu und zur
Akteneinsicht im
Allgemeinen erhalten Sie unter dem Link.
Einen solchen Stempel enthielt ein mir von einer stationären Reha-Einrichtung zugesandter,
ausführlicher Entlassungsbericht
(Deutsche Rentenversicherung; der Patient hatte mich als behandelnden
Psychotherapeuten angegeben). Meine Nachfrage bei der KVB
(Datenschutzbeauftragter) ergab folgende Rechtsgrundlage:
§ 78 SGB X. Nach
dieser Vorschrift können übermittelte Daten an Dritte, die nicht Leistungsträger
i. S.. von § 35 SGB I sind, mit einer Zweckbindung versehen werden. Ich habe die Frage
auch dem Bundesdatenschutzbeauftragten zu Prüfung vorgelegt. Der zuständige
Mitarbeiter hielt eine Zweckbindung durch die Einrichtung für vertretbar, da §
78 SGB X Anwendung auf niedergelassenen Praxen finde (juristisch gesehen fallen
sie nicht unter Einrichtungen die Sozialdaten erheben; vgl. § 35 SGB I). Während
eine Zweckbindung gegenüber Dritten denkbar sei (auch wenn diese für Personen,
die ihrerseits durch § 203
StGB verpflichtet sind, praktisch kaum eine Bedeutung hat) gelte das gegenüber dem Patienten nicht.
Ich habe mich daher an die Deutsche Rentenversicherung mit der bitte gewandt,
den Stempel entsprechend abzuändern.
Die Vorschriften zum automatischen Kontenabruf
verstoßen teilweise gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz;
Grundsätze zum Recht der informationellen Selbstbestimmung
Der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts hat in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Juni 2007
festgestellt, daß § 93
Abs. 8 der Abgabenordnung, der die Erhebung von Kontostammdaten in
sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt, an einem Bestimmtheitsmangel leidet.
"Die Norm legt den Kreis der
Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die
Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt fest.
Im Übrigen aber ist die Eingriffsermächtigung des § 93 Abs. 8 AO
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere genügt sie - soweit der
Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von
Sozialabgaben und die
Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird - dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit" (aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
12.07.07, siehe unten). Der Eingriff in des Recht der informationellen
Selbstbestimmung ist nur insoweit zulässig als der Anlaß, Zweck und Grenzen
genau und eindeutig festgelegt sind. Das ist bei obiger Regelung nicht der Fall,
weshalb eine entsprechende Gesetzesänderung erforderlich und angeordnet ist.
Andere angefochtene Regelungen entsprechen hingegen dem Bestimmtheitsgebot,
weshalb die entsprechenden Verfassungsbeschwerden abgewiesen wurden.
Aus der Sicht des
Bundesverfassungsgerichtes ist Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf dem
Hintergrund der Allgemeinwohlbelange der angefochtenen Regelungen (hier:
Sicherung der Erhebung von
Sozialabgaben und die Bekämpfung des Mißbrauchs von Sozialleistungen)
nicht verletzt - auch nicht hinsichtlich der Heimlichkeit der Durchführung der
Kontenabfrage. Auch war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die jeweils Auskunft
ersuchenden Behörden zu verpflichten, die Betroffenen nach dem Kontenabruf
zu informieren. Soweit der Kontenabruf für den Betroffenen ohne
nachteilige Folgen bleibt, wiege sein "Feststellungs- und Unterlassungsinteresse
nicht so schwer, dass ihm stets aktiv die für eine gerichtliche Geltendmachung
erforderlichen Kenntnisse verschafft werden müssten" (Pressemitteilung
Bundesverfassungsgericht 12.07.07).
Kommentar: Diese
Überlegung des Bundesverfassungsgerichts erscheint mir höchst problematisch.
Auch wenn die formaljuristische Argumentation nachvollziehbar erscheint, so
beeinträchtigen heimliche Maßnahmen, insbesondere dann, wenn nachträglich keine
Information erfolgt, das Vertrauen der Bürger in einen 'offenen' und integeren
Rechtsstaat und fördert paranoide Phantasien. Allerdings scheint sich dieses
'psychologische' Rechtsgut in unserer Parteienlandschaft (eine Ausnahme sind
hier einige Politiker der FDP) kaum mehr großer Beliebtheit zu erfreuen. Laut
Süddeutscher Zeitung (159/13.07.2007, 1) wurden bis Ende Juni 48 563
Kontoanfragen gestellt.
Die erfaßten Kontostammdaten
beinhalten insbesondere
Name, Adresse und Kontonummer nicht aber Kontostand und Geldbewegungen.
Von einiger Bedeutung ist die
Entscheidung des Bundesverfassungsgericht allerdings in anderer Hinsicht. Denn
sie beruft sich auf die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes
aus dem Jahr 1983, in dem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
'geboren' wurde (siehe bei Urteile) und führt dazu aus: "Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen
informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar
sind. Solche Gefährdungen drohen insbesondere dann in hohem Maße, wenn
Informationsbestände für eine Vielzahl von Zwecken genutzt oder miteinander
verknüpft werden können. Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz
unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder
noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar" (Beschluß
v. 13. Juni 2007, siehe unten). Unter diesem Gesichtspunkt dürften die Gegner
des geplanten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung (siehe weiter unten) neue
Munition für die geplante Verfassungsbeschwerde bekommen haben. Daß der
Datenschutz mit diesem Urteil 'wiederauferstanden' sei, so Heribert Prantl in
einem Kommentar, (SZ v. 159/13.07.07, 4) scheint mir allerdings stark
übertrieben - sein Siechtum ist allenfalls ein wenig gelindert.
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts/Pressestelle Nr.
78/2006 vom
12. Juli 2007
Beschluß vom
13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03;
1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05 –
Lockerung der Schweigepflicht bei der Führungsaufsicht
Die
Deutsche Gesellschaft für
Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (DGPT)
berichtet in ihrem Mitgliederrundschreiben (2/2007, 18f) über das vom Bundestag
beschlossenen Gesetzt zur Reform der Führungsaufsicht:
"Wir hatten im
Mitgliederrundschreiben 1/2007 auf Seite 23 über den Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der Führungsaufsicht berichtet. Ziel der Reform ist es, eine
effizientere praktische Handhabung der Führungsaufsicht zu gewährleisten, etwa
durch neue Möglichkeiten der vorübergehenden stationären Behandlung oder die
Förderung der forensischen Ambulanzen. Ausdrücklich hat sich die DGPT in
einer Stellungnahme gegenüber dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages
gemeinsam mit der Gruppe der Kollegen, die im Maßregelvollzug und in der
anschließenden Nachsorge tätig sind, aber gegen die beabsichtigte
Aufhebung der Schweigepflicht in bestimmten Bereichen der Führungsaufsicht
ausgesprochen. Das u. a. vorgetragene Argument, dass eine derartige Kontrolle das
Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patienten bei einer Psychotherapie
schwerwiegend beeinträchtigen werde, wenn nicht sogar zur Zerstörung der
Therapiebeziehung führen könne, konnte sich aber leider nicht durchsetzen. Das
jetzt im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz, das auf einer
Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses beruht, trägt diesen Bedenken nicht
Rechnung. Es hält vielmehr die Lockerung der Schweigepflicht aufrecht und sieht sogar noch
eine Verschärfung vor! So ist in § 68 a Abs. 8 StGB
minutiös geregelt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen
Ambulanzen sich nicht nur untereinander zu offenbaren haben, „soweit dies
notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu
werden!“, sondern auch, dass diese gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht
informieren müssen, ob z.B. das Verhalten oder der Zustand der verurteilten
Person Maßnahmen zum Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung oder zur
Änderung der Dauer der Führungsaufsicht erforderlich erscheinen lässt. Der
Gesetzgeber verlangt also jetzt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
forensischen Ambulanz, zu entscheiden, ob sie Inhalte der Behandlung mitteilten
müssen, damit eine der in Absatz 8 genannten Maßnahmen in die Wege geleitet
werden kann. Die Entscheidungsebene wird somit vom Gericht auf die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanzen verlagert. Es
scheint auf der Hand zu liegen, dass diese Regelung die Gefahr in sich birgt,
dass sich entweder niemand bereit finden wird, für eine forensische Ambulanz
tätig zu sein oder dass im Zweifel viel zu viel aus dem Behandlungsverhältnis
mitgeteilt wird, um nicht befürchten zu müssen, gegen § 68 a Abs. 8 StGB
gehandelt zu haben.
Eine weitere Verschärfung
zum ursprünglichen Entwurf ist dadurch eingetreten, dass sich die
Offenbarungspflicht bisher „nur“ auf die in der forensischen Ambulanz
arbeitenden Therapeutinnen und Therapeuten bezog. Nun ist in § 68 b Abs. 5
ausdrücklich vorgesehen, dass in Fällen, in denen das Gericht die verurteilte
Person angewiesen hat, sich zu bestimmten Zeiten bei einem Arzt, einem
Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder eine
Therapieweisung (psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung)
erteilt hat, § 68 a Abs. 8 entsprechend gilt. Auch externe Behandler
trifft also nun die Offenbarungspflicht.
Fazit:
Obwohl in der Begründung der Empfehlung des Rechtsausschusses durchaus betont
wird, dass die Schweigepflicht von Ärzten oder Therapeuten ein hohes Rechtsgut
sei, hatte die These des „Schutzes der Allgemeinheit“ offenbar weit aus mehr
Gewicht. Die ohnehin schwierige Arbeit mit unter Führungsaufsicht stehenden
Patienten dürfte durch die Gesetzesänderung noch schwieriger, wenn nicht sogar
unmöglich, werden."
Das
Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die vom OLG
Düsseldorf verhängte Beugehaft zur Erzwingung der Aussage eines
Geistlichen (es handelte um ein Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte wegen
Versicherungsbetrugs im Zusammenhang der Finanzierung des Terrornetzwerks Al Qaeda) nicht zur Entscheidung angenommen. Der in einer Haftanstalt beschäftigte
Seelsorger sollte die Frage beantworten, ob er für einen Gefangenen im Internet
Versicherungsadressen recherchiert habe, was dieser unter Berufung auf sein
Zeugnisverweigerungsrecht ablehnte. Nach Ansicht des BverfG ist die Ansicht des
OLG nicht zu beanstanden, daß diese Tatsache bzw. Information
(Adressenrecherche) objektiv nicht zur Seelsorge zählt. Auch sind "die aus
der Beantwortung der an den Beschwerdeführer gestellten Frage zu erwartenden
Erkenntnisse (...) nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechen,
in den einzugreifen dem Staat verwehrt ist" (aus der Pressemitteilung des
Bundesverfassungsgerichts).
Kommentar: Zunächst erscheint die
Argumentation der beider Gerichte nachvollziehbar, daß die (ihrerseits
möglicherweise schon eine Straftat darstellende) Internetrecherche des
Seelsorgers die Grenzen eines seelsorgerlichen Gesprächs überschreitet und die
entsprechenden Informationen insofern nicht mehr unter dem Schutz des
Zeugnisverweigerungsrechtes stehen. Es erscheint allerdings dann doch höchst
problematisch wenn darüber hinaus der Versuch gemacht wird, bei den einem
Schweigepflichtigen anvertrauten Informationen zwischen solchen zu
unterscheiden, die durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützt (Kernbereich
privater Lebens-Gestaltung) und solchen Informationen bzw. Geheimnissen, bei
denen das nicht der Fall ist. Eine solche Unterscheidung sollte nicht zur
Disposition von Juristen stehen, weil andernfalls das "allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter
Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im
Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können" (Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst:
Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3.)
gefährdet wäre.
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts/Pressestelle Nr. 9/2007 vom
29. Januar 2007
Die
Regierungskoalition (Justizministerin Zypries) plant einen Gesetzesentwurf mit
dem es künftig möglich sein soll, Telekommunikationsverbindungen (Telefon,
Handy, Computerverbindungen im Internet, E-Mail) innerhalb der zurückliegenden 6 Monate zu speichern. Auch wenn
lediglich die Verbindungsdaten (und nicht Inhalte) aufgezeichnet werden stellt
dies einen erheblichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar. Bei
Handy-Telefonaten und SMS'en werden zudem auch der jeweilige Standort des
Benutzers festgehalten (bei gleichzeitigem Verbot von Anonymisierungsdiensten).
Wie der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK
Vorrat) - ein bundesweiter Zusammenschluß von Bürgerrechtlern, Datenschützern
und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der
Telekommunikation koordiniert – weiter ausführt, können "mit Hilfe der über die
gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten (…) Bewegungsprofile erstellt,
geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert
werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche
Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff
auf die Daten sollen Polizei, Staatsanwaltschaft, Nachrichtendienste und
ausländische Staaten erhalten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung
versprechen" (Quelle:
www.vorratsdatenspeicherung.de). Der Bundesdatenschutzbeauftragte (Schaar)
hat in einem Interview im Stern (8. Mai 2007) diesen Verdacht für
Internetverbindungen geäußert: "Internetanbieter
müssen dann speichern, welcher Nutzer mit welchem Computer wann im Netz war.
Führt man dies mit den Protokollen der Websites zusammen, lassen sich daraus
Schlußfolgerungen über mein Privatleben, meine Interessen und Gewohnheiten
ziehen. Die neue Qualität besteht darin, daß der Staat sagt: Auch völlig
normales Verhalten - telefonieren oder im Internet surfen - muß registriert
werden, um im Falle einer Straftat oder einer Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit auf diese Daten zugreifen zu können. Es werden nicht wie bisher
vorhandene Daten bei einem konkreten Anlaß ausgewertet, sondern die Anbieter
müssen Daten für ein halbes Jahr auf Vorrat aufbewahren, die sie selbst nicht
mehr brauchen".
Nach der derzeitigen Rechtslage ist eine Speicherung
von Verbindungsdaten durch die Telekommunikationsanbieter nur insoweit zulässig,
als dies zur Abrechnung erforderlich ist. Deshalb ist es auch bislang möglich,
durch Pauschaltarife und den Verzicht auf den Einzelverbindungsnachweis die
Speicherung von Verbindungsdaten zu vermeiden. Dieser Umstand ist von
erheblicher Bedeutung für die Tätigkeit von Berufsgruppen und Institutionen, die
der Schweigepflicht unterliegen oder in besonderer Weise ein Interesse an der
Anonymität der sie kontaktierenden oder von ihnen kontaktierten Personen bzw.
Institutionen haben.
Insbesondere auch für den Bereich der medizinischen,
psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung stellt der Gesetzesentwurf
einen tiefgreifenden Eingriff in die Vertraulichkeit der von KlientInnen und
PatientInnen anvertrauten Informationen und damit in ihr Recht der
informationellen Selbstbestimmung dar. Denn bereits die Tatsache, daß sie sich
an eine entsprechende Stelle (z.B. Drogenberatung, Erziehungsberatung,
psychiatrisches Krankenhaus, Psychologischer Psychotherapeut) wenden, ist eine
schutzwürdiges Datum (im Sinne des Bundes-Datenschutzgesetzes, des
Sozialgesetzbuches und des Strafgesetzbuches/§ 203 ). Noch problematischer
als dieses (Einzel-) Interesse an der Geheimhaltung ist aber der
gesellschaftliche Schaden, der so entsteht:
Durch § 203 StGB "(...) strafrechtlich geschützt ist
(...) nicht nur und auch nicht in erster Linie das Individualinteresse an der
Geheimhaltung bestimmter Tatsachen (...): Schutzgut ist in erster Linie das
allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter
Berufe, der Verwaltung usw. als Voraussetzung dafür, daß diese ihre im
Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgaben erfüllen können".
Lenckner in Schönke, Adolf & Schröder, Horst:
Strafgesetzbuch. Kommentar. Beck: München 27. Aufl. 2007, S. 1725 RN 3.
Da hier eine sehr
grundsätzliche Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht berührt ist,
weise ich auf die in Vorbereitung befindliche Verfassungsklage vor dem
Bundesverfassungsgericht hin. Rechtsanwalt Starostik (Berlin) hat diese bereits
im Entwurf verfaßt. Interessierte KollegInnen und BürgerInnen können sich per
Vollmacht an der Sammelklage beteiligen (es entstehen keine Kosten!).
Weitere Hinweise zur Verfassungsklage gegen die
Vorratsdatenspeicherung finden Sie unter:
www.starostik.de (Sie finden dort weitere Informationen und
die Vollmacht für RA Starostik)
www.vorratsdatenspeicherung.de (Entwurf der Verfassungsklage
des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat), ein
bundesweiter Zusammenschluss
von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen
die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert.
OLG Karlsruhe: Die ärztliche Schweigepflicht umfaßt auch
die Identität von Mitpatienten
Das
Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 11.08.2006 der
Verpflichtung zur Wahrung der Anonymität eines Mitpatienten Vorrang gegenüber
der nachvertraglichen Nebenpflicht des Arztes zur Mithilfe bei der
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen diesen Mitpatienten
eingeräumt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom
16.08.2006:
Die
Klägerin unterzog sich in einer von der Beklagten betriebenen Fachklinik für
psychogene Erkrankungen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Dabei nahm
sie mit anderen Patienten an einer ärztlich verordneten Tanztherapie teil. Bei
einer der unter der Aufsicht einer Mitarbeiterin der Beklagten durchgeführten
Tanzübungen kollidierte die Klägerin mit einem Mitpatienten, kam zu Fall und zog
sich erhebliche Verletzungen am rechten Bein zu. Der Unfallhergang ist streitig.
Die Klägerin kennt lediglich den Vornamen des Mitpatienten. Die Klägerin hat
vorgetragen, der Mitpatient, der neben ihr mit einer anderen Patientin Bewegungsübungen
mit einem Tuch gemacht habe, sei ausgelassen und unachtsam zu Fall gekommen und
hierbei gegen ihr Bein gestoßen. Sie selbst sei deshalb gestürzt und habe sich
am Bein erheblich verletzt. Durch den Sturz sei ein Dauerschaden entstanden, sie
verlange Schmerzensgeld i. H. v. 5.500 Euro und Schadensersatz wegen eines
Haushaltsführungsschadens, wegen Umbau-Kosten für das Badezimmer,
Betreuungskosten, Telefonkosten und Fahrtkosten für ihren Ehemann i.H.v. ca.
25.000 Euro. Für den Unfall sei auch der Mitpatient verantwortlich, er selbst
habe ihre Unfallschilderung bei einem Krankenhausbesuch bestätigt und sich
entschuldigt. Die Beklagte müsse deshalb Name und Anschrift dieser Person
mitteilen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass vermutlich infolge eigenen
Übermutes die Klägerin ihr Tuch schwingend rückwärts gelaufen und mit dem
Mitpatienten zusammengestoßen sei. Dabei seien sowohl die Klägerin als auch der
Mitpatient zu Fall gekommen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Mitpatienten
sei nicht erkennbar. Die ärztliche Schweigepflicht stehe der begehrten
Auskunftserteilung entgegen.
Das LG hat die Auskunftsklage zur Identität des Mitpatienten und die
Schadensersatzklage gegen die Betreiberin der Klinik abgewiesen. Die Berufung
der Klägerin zum OLG Karlsruhe – Senate in Freiburg – blieb hinsichtlich der
Auskunft ohne Erfolg. Das Auskunftsverlangen ist nicht begründet. Grundsätzlich
ist zwar richtig, daß aufgrund einer sich aus dem zwischen den Parteien
geschlossenen Behandlungsvertrag ergebenden nachwirkenden Treuepflicht ein
Auskunftsanspruch der Klägerin zu Umständen bestehen kann, die für die
Durchsetzung ihrer Rechte von Bedeutung sind. Die Ungewissheit der Klägerin über
die Identität des Mitpatienten ist nach Auffassung des Senats entschuldbar und
ein Auskunftsanspruch kann auch nicht verneint werden mit der Begründung, der
Ermittlungsaufwand sei unzumutbar, denn ein Blick in die Patientenkartei würde
hierfür genügen. Dennoch hat die Beklagte die begehrte Auskunft nicht zu
erteilen, da der Name zu dem durch § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützten Rechtsgut
gehört. Nach dieser Vorschrift ist es dem Arzt und seinen berufsmäßigen Gehilfen
untersagt, ein im Rahmen der Berufsausübung bekannt gewordenes, den persönlichen
Lebensbereich betreffendes Geheimnis des Patienten zu offenbaren. Dazu gehört
auch der Umstand, dass sich der Patient überhaupt einer ärztlichen Behandlung
unterzieht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich
im Strafprozeß das Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes auch auf die Identität
des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung bezieht. Dieselbe Wertung liegt
§ 203 Abs. 1 StGB zugrunde. Eine Einwilligung des Mitpatienten in die Nennung
seines Namens hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Ein Notstand, der ohne oder
gegen den Willen des Mitpatienten die Bekanntgabe seiner Identität rechtfertigen
könnte, liegt nicht vor. Hier sind für den Arzt gegenüber verschiedenen
Patienten bestehende und miteinander kollidierende Pflichten abzuwägen.
Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche
gegen die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, da die
Therapiegruppe überbesetzt und der Übungsraum überbelegt gewesen sei, ist die
Klage noch nicht entscheidungsreif. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Beschluß des
OLG Karlsruhe v. 11.08.06 (14 U 45/04)
Der
BGH (3. Strafsenat) hat die verdeckte, heimliche Durchsuchung (Durchsicht und
Speicherung) der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Dateien mittels
eines ohne Wissen des Betroffenen aufgespielten Programms (Trojaner) für
unzulässig erklärt. Ein solches Vorgehen sei mit der Strafprozeßordnung nicht
vereinbar. Es fehle an der für einen solchen Eingriff in die informationelle
Selbstbestimmung erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Das hat der 3. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs Ende Januar 2007 auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen einen Beschluß entschieden, mit dem der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den
Antrag auf eine verdeckte Online-Durchsuchung abgelehnt hatte.
Der
Verfassungsschutz des Bundeslandes NRW kann in Fällen von Aktivitäten, die sich
gegen die demokratische Grundordnung richten, ohne richterliche Anordnung und
Wissen der Betroffenen einen PC durchsuchen (und zwar unabhängig davon, wo
der Computer steht! (Quelle: PC-Welt 3/2007, 20-22; "Der Staat als Hacker" und
"Neues Überwachungsgesetz: Interview mit Rechtsanwalt Dr. Roggan").
Berichtspflicht im Rahmen der Abrechnung
psychotherapeutischer Leistungen
(Teil
I)
Der
Bewertungsausschuß hat in seiner 119. Sitzung eine für Psychologische
Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und ärztliche
Psychotherapeuten höchst problematische Entscheidung zur Berichtspflicht
getroffen. Demnach können psychotherapeutische Leistungen (Kapitel 35.1 und
35.2) nur abgerechnet werden soweit im Behandlungsfall
(=Quartal) ein Bericht an den Hausarzt erstellt wurde (dieser kann dann auch von
nicht-ärztlichen PsychotherapeutInnen abgerechnet werden (Nr. 01600 mit 100
Punkten: Bericht über das Ergebnis einer Patientenuntersuchung; Nr. 01601 mit 200
Punkten: Individueller ärztlicher Brief mit abschließender Beurteilung des
Krankheitsfalles). Ganz offensichtlich soll auf diese Weise die bereits
bestehende (aber offenkundig weitgehend ignorierte) Berichtspflicht nun mit dem
Druck eines Leistungsinhaltes, ohne dessen Ausführung die Abrechnung nicht mehr möglich
ist, durchgesetzt werden. Dahinter steht wohl die Stärkung der HausärztInnen in
ihrer Funktion als 'Lotse' im Gesundheitswesen.
Der
Beschluß kann im Deutschen Ärzteblatt (A-3135 / B-2731 / C-2615; Ausgabe PP: Heft
12/2006, 566ff)
und
hier nachgelesen
werden.
Nach
Ansicht der
Deutschen
Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und
Tiefenpsychologie e.V (DGPT) ist ungeachtet der
Offenbarungspflicht ein etwa entgegenstehender Wille der PatientInnen zu
beachten (vgl. Allgemeine Bestimmungen des EBM Ziff. 2.1.4 Abs. 3); nachlesbar
im Mitgliederrundschreiben DGPT 4/2006, 8-9; Formulare der
Patientenerklärung sind für Mitglieder im Mitgliederbereich abrufbar).
Angesichts der Neuerungen habe ich eine überarbeitete Fassung des
Formblattes
entwickelt, das den PatientInnen zu Beginn des Quartals vorgelegt werden kann.
Vorsichtshalber (Empfehlung der DGPT) sollte in der Abrechnung ein Hinweis
erfolgen, wenn eine Datenübermittlung von einer/m Patientin/-en nicht gewollt
ist (siehe weiteres unten!).
KV Bayern:
Eine Kennzeichnung, daß PatientInnen mit der Berichtsübermittlung nicht
einverstanden sind, muß nicht erfolgen, d.h. die Leistungen können auch ohne die Berichtsziffer(n) abgerechnet werden. Eine
schriftliche Dokumentation des Patientenwillens sollte jedoch unbedingt (für den Fall von Prüfungen) erfolgen.
Eine Übersicht der in den
verschiedenen KV'en geltenden Abrechnungskennzeichnungen hat Psyprax
(Abrechnungsprogramm: www.psyprax.de) zusammengestellt (Stand Februar 2003):
KV
Kennzeichnung
Briefschreibung im Folgequartal
Schleswig Holstein
Keine
Begründungstext „Vorquartal“
Baden-Württemberg
Begründungstext bei Ordinationsziffer
Kreativer Text im Begründungsfeld
Bayerns
Keine
Begründungstext („Vorquartal“)
Berlin
Keine
Bericht darf nur einmal pro Quartal abgerechnet werden
Brandenburg
Keine
im
Folgequartal abrechnen
Bremen
Unter SPEZ bei der berichtspflichtigen Leistungen „k. HA.“
Nicht quartalsübergreifend abrechnen à
Nachzügler
Hamburg
Keine
Kennzeichnung unter Begründung, Bericht vom Vorquartal
Hessen
98999
Nicht quartalsübergreifend abrechnen à
Nachzügler
Meck-Vorpommern
Keine Dokumentation
Nicht quartalsübergreifend abrechnen à
Nachzügler
Niedersachsen
99930
Briefziffern im Folgequartal abrechnen
Nordrhein
99970
Nicht quartalsübergreifend abrechnen à
Nachzügler
Rheinland-Pfalz
Keine
Keine Kennzeichnung
Saarland
98999
Eintrag kann am Anfang und am Ende erfolgen
Sachsen
Begründungstext: z.B. „Pat. wünscht keine Übermittlung“
Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Schweigepflicht im Rahmen des Abschlusses einer
Berufsunfähigkeitsversicherung vom 23.10.2006 (1BvR 2027/02):
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (Pressestelle) Nr. 110/2006 vom
10. November 2006
"Versicherungsvertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung muss
Möglichkeit zu informationellem Selbstschutz bieten
Die
Beschwerdeführerin schloss mit einem Versicherungsunternehmen einen
Lebensversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Nach
den Versicherungsbedingungen des Unternehmens hat der Versicherte, wenn er
Versicherungsleistungen beantragt, Ärzte, Krankenhäuser, sonstige
Krankenanstalten, Pflegeheime, bei denen er in Behandlung oder Pflege war oder
sein wird, sowie Pflegepersonen, andere Personen-Versicherer und Behörden zu
ermächtigen, dem Versicherungsunternehmen auf Verlangen Auskunft zu geben. 1999
beantragte die Beschwerdeführerin, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand
versetzt worden war, Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Dabei lehnte sie es ab, die vom Versicherungsunternehmen verlangte
Schweigepflichtentbindung abzugeben und bot stattdessen an, Einzelermächtigungen
für jedes Auskunftsersuchen zu erteilen. Das Versicherungsunternehmen teilte
daraufhin mit, dass es auf dieser Grundlage den Versicherungsfall nicht
feststellen könne. Die Klage der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass das
Versicherungsunternehmen nicht berechtigt sei, die Abgabe einer
Schweigepflichtentbindung zu verlangen, wurde von den Fachgerichten [der
Vorinstanzen] abgewiesen.
Ihre
Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die 1. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffenen Urteile des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts auf, da sie die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen
Selbstbestimmung verletzen.
Der
Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Zwischen der Beschwerdeführerin und dem
Versicherungsunternehmen bestand bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein
derart erhebliches Verhandlungsungleichgewicht, dass die
Beschwerdeführerin ihren informationellen Selbstschutz nicht eigenverantwortlich
und selbstständig sicherstellen konnte. Die Vertragsbedingungen der
Versicherer sind praktisch nicht verhandelbar. Die Versicherungsnehmer können
hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zwar die Produkte
verschiedener Versicherer im Hinblick auf die – teilweise erheblich voneinander
abweichenden – Vertragsbedingungen vergleichen. Dass ein Wettbewerb über die
daten-schutzrechtlichen Konditionen im Versicherungsfall stattfände, ist aber
nicht ersichtlich. Der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung
kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, um des informationellen
Selbstschutzes willen einen Vertragsschluss zu unterlassen. Angesichts des
gegenwärtigen Niveaus gesetzlich vorgesehener Leistungen im Fall der
Berufsunfähigkeit sind die meisten Berufstätigen auf eigene Vorsorge,
insbesondere darauf angewiesen, für diesen Fall durch den Abschluss eines
entsprechenden Versicherungsvertrags privat vorzusorgen, um ihren Lebensstandard
zu sichern. Hat in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des
Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner
hinzuwirken. Dazu sind die gegenläufigen Belange einander im Rahmen einer
umfassenden Abwägung gegenüberzustellen.
2. Die Annahme der erkennenden Gerichte, die
versicherungsvertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung ordne in
der gefundenen Auslegung die gegenläufigen Belange von Versicherungsunternehmen
und Versichertem einander in angemessenem Verhältnis zu, steht mit den
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang.
a) Wenn die Versicherung von der Beschwerdeführerin
die Abgabe der begehrten Schweigepflichtentbindung verlangen kann, wird deren
Interesse an wirkungsvollem informationellem Selbstschutz in erheblichem Ausmaß
beeinträchtigt. Die in der formularmäßigen Erklärung genannten, zum Teil sehr
allgemein umschriebenen Personen und Stellen können über sensible Informationen
über die Beschwerdeführerin verfügen, die deren Persönlichkeitsentfaltung tief
greifend berühren. Mit der Schweigepflichtentbindung begibt sich die
Beschwerdeführerin auch der Möglichkeit, die Wahrung ihrer
Geheimhaltungsinteressen selbst zu kontrollieren, da wegen der weiten Fassung
der Erklärung für sie praktisch nicht absehbar ist, welche Auskünfte über sie
von wem eingeholt werden können.
Das Gewicht der Interessenbeeinträchtigung wird
nicht dadurch gemindert, dass von der Beschwerdeführerin lediglich verlangt
wurde, ihr Einverständnis zur Erhebung sachdienlicher Informationen zu
erklären. Aufgrund der Weite des Begriffs der Sachdienlichkeit kann der
Versicherungsnehmer nicht im Voraus bestimmen, welche Informationen aufgrund der
Ermächtigung erhoben werden können.
b) Dem Interesse der Beschwerdeführerin an
informationeller Selbstbestimmung steht ein Offenbarungsinteresse der
Versicherung von gleichfalls erheblichem Gewicht gegenüber. Es ist für das
Versicherungsunternehmen von hoher Bedeutung, den Eintritt des
Versicherungsfalls überprüfen zu können. Diesem Interesse genügt allein die
Obliegenheit, bereits mit dem Leistungsantrag Angaben zum Versicherungsfall zu
machen und zu belegen, nicht in jedem Fall.
c) Die erkennenden Gerichte haben nicht hinreichend
geprüft, ob dem Überprüfungsinteresse des Versicherers auch in einer Weise
genügt werden kann, die die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, ihr
Interesse wirksam wahrzunehmen. Es liegt nicht auf der Hand, dass es für das
Versicherungsunternehmen unmöglich oder unzumutbar ist, bestimmte
Aufklärungsmaßnahmen im Voraus zu beschreiben und dem Versicherungsnehmer
vorzulegen. Wenn es aufgrund eines solchen Vorgehens zu Verzögerungen bei der
Bearbeitung des Leistungsantrags kommen sollte, schadet das in erster Linie der
Beschwerdeführerin als Versicherungsnehmerin und nicht dem
Versicherungsunternehmen. Selbst wenn von der Annahme ausgegangen wird, das von
der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verfahren, Einzelermächtigungen
einzuholen, verursache einen unangemessenen Aufwand, hätten die erkennenden
Gerichte in Erwägung ziehen müssen, ob andere Vorgehensweisen in Betracht
kommen, die das Selbstschutzinteresse der Beschwerdeführerin wahren. So könnte
das Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit der Mitteilung, welche
Informationserhebungen beabsichtigt sind, dem Versicherten die Möglichkeit zur
Beschaffung der Informationen oder jedenfalls eine Widerspruchsmöglichkeit
einräumen.
d) Im Übrigen bestehen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken dagegen, eine Schweigepflichtentbindung wie die hier umstrittene
vorzusehen und dem Versicherten die denkbaren Alternativen freizustellen. Dem
Versicherten muss allerdings die Möglichkeit zu informationellem Selbstschutz
geboten werden, die er auch ausschlagen kann. Es wäre verfassungsrechtlich auch
unbedenklich, den Versicherten die Kosten tragen zu lassen, die durch einen
besonderen Aufwand bei der Bearbeitung seines Leistungsantrags entstehen. Die
damit verbundene Kostenlast darf allerdings nicht so hoch sein, dass sie einen
informationellen Selbstschutz unzumutbar macht."
Kommentar (Administrator):
Die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes ist an sich nicht überraschend, sondern entspricht
vielmehr einer Weiterentwicklung der Grundsatzentscheidung zum Recht auf
informationelle Selbstbestimmung (BVerfG 1981; siehe bei
Urteile). In den Kommentaren zum
Strafgesetzbuch wird bereits seit Jahren auf die Ungültigkeit pauschaler
Einwilligungserklärungen verwiesen. Überraschend (und eigentlich
skandalös) ist jedoch die Tatsache, daß die Klägerin alle Prozesse bis zum BGH verlor!
Weitere Quellen:
Süddeutsche Zeitung 260 v. 11./12.11.2006, S. 27
Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion I Dr. Jürgen Thorwart