Aktuelle Informationen zu den Themen Datenschutz, Diskretion und Schweigepflicht

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AKTUELL: Nummer 4/2020

Corona: Immunitätsausweis bzw. -dokumentation

Bundesgesundheitsminister Spahn plant im Rahmen des (umfangreichen) Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (vom Bundeskabinett am 29.04.2020 beschlossen) einen Ausweis einzuführen, der die Immunität gegenüber dem COVID-19 Virus dokumentiert (Immunitätsdokumentation soll künftig analog der Impfdokumentation - auch in einem Dokument). Abgesehen davon, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig unklar ist, ob nach der Infizierung eine Immunität besteht und ggf. wie lange diese anhält und ob mit der Immunität kein Infektionsrisiko für Dritte mehr besteht, stellen sich auch hier grundsätzliche datenschutzrechtliche Fragen. So etwa, ob es sein kann, daß Gesundheitsdaten offenbart werden müssen, um bestimmte Vorteile (Betretungsrecht bestimmter Orte) in Anspruch zu nehmen.

Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

(
Bundeskabinett 29.04.2020
)

N
etzpolitik.org (1.05.2020): Gesetzentwurf. Spahn schlägt Immunitätsausweis vor

Mai 2020


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AKTUELL: Nummer 3/2020

Corona-Warn-App und Corona-Datenspende-APP

Nach heftigen öffentlichen Diskussionen (u. a. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V., LOAD e.V. - Verein für liberale Netzpolitik, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V., Gesellschaft für Informatik (GI) e.V., Chaos Computer Club e. V. (CCC), Stiftung Datenschutz) hat Bundesgesundheitsminister Spahn eingelenkt - die über die Corona-Warn- bzw. tracing-App gesammelten Daten werden nicht zentral auf einem Server gespeichert werden.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, wurde erst spät vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Prozeß einbezogen - er kritisiert, daß das RKI nach bisherigem Stand Zugriff auf Klarnamen auf den Servern der Fitness-App-Bereitsteller hat und diese erst auf dem RKI-Server pseudonymisiert würden. Aus seiner Sicht ist eine Pseudonymisierung hier erforderlich, eine Anonymisierung sei hingegen nicht realisierbar, da andernfalls die regelmäßig fließenden Datensätze nicht zugeordnet werden könnten, um festzustellen, was sich bei einer bestimmten Person verändert. Im Hinblick auf Sicherheitslücken in der Bluetooth-Implementation mahnt der Bundesdatenschutzbeauftragte Updates des Betriebssystems (bei den Smartfonnutzer*innen) an, um zusätzlichen Angriffsrisiken durch die Öffnung der Bluetooth-Schnittstelle zu vermeiden.

Zur Frage, ob die Daten zentral auf einem Server oder dezentral nur auf den Mobilgeräten der Nutzer gespeichert werden sollten sagte Kelber:

Gegenüber der Bundesregierung und in einer Stellungnahme der europäischen Datenschutzbehörden haben wir gesagt, beide Architekturen – die zentrale und die dezentrale Speicherung – können datenschutzkonform implementiert werden. Aber wir haben auch klar gemacht, dass die dezentrale Variante die datenschutzfreundlichere ist, weil sie weniger potenziellen Angriffen ausgesetzt ist und dem Prinzip der Datenminimierung entspricht, weil die Daten auf dem eigenen Gerät verbleiben und dort auch gelöscht werden, wenn man sich nicht infiziert. Daher sind wir mit der Entscheidung der Regierung für die dezentrale Variante sehr zufrieden.

Interview mit Ulrich Kelber: Was der Datenschutzbeauftragte über die Corona-App denkt (U. Thiede)

April 2020


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AKTUELL: Nummer 2/2020

Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergeleitet.

In Zeiten von Corona gibt es auch noch andere Themen – vielleicht nicht ganz umsonst (honi soit qui mal y pense) hat das Bundeskabinett am 1.04.2020 den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergeleitet. Hierzu der Bericht aus der Ärztezeitung vom 1.04.2020 (Auszug):

Patientendaten-Gesetz

Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte. E-Rezept, digitale Überweisung, Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der elektronischen Patientenakte: Die Bundesregierung macht Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt hat der Bundestag das Wort.

Von Anno Fricke

Veröffentlicht: 01.04.2020, 11:25 Uhr

Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte

Die Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr nach Einführung rund 20 Prozent der etwa 72 Millionen GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte nutzen werden.

Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwochvormittag den Entwurf eines Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) an den Bundestag weitergereicht.

Mit dem Gesetz soll der Einsatz digitaler medizinischer Anwendungen vorangetrieben werden. Ziel der Regierung ist laut Entwurf eine weitestgehende Zusammenarbeit und Vernetzung der Gesundheitsberufe. Mit dem Gesetz sollen die Weichen dafür gestellt werden, die Vorsorge- und Rehakliniken, die Bundeswehrmedizin und die Pflege an die Telematikinfrastruktur anzuschließen. Zugriffsmöglichkeiten sollen auch Hebammen und Physiotherapeuten erhalten. Das Gesetz muss nicht vom Bundesrat abgesegnet werden.

(…)

Elektronische Patientenakte: Mit dem 1. Januar 2021 startet die elektronische Patientenakte. Das Gesetz ist daher von Gesundheitsminister Jens Spahn als „besonders eilbedürftig“ eingestuft worden. Die gesetzlich Versicherten sollen mit dem aktuellen Gesetzentwurf des PDSG klar geregelte Ansprüche gegenüber Vertragsärzten, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern erhalten, dass alle für ihre Versorgung relevanten Daten in die Akte übertragen werden. Die Nutzung der Akte soll aber freiwillig bleiben.

In einer ersten Umsetzungsstufe werden die zugriffsberechtigten Leistungserbringer alle Daten des Patienten einsehen können, es sei denn er löscht sie. Ab Januar 2022 sollen die Akten ein "feingranulares Berechtigungsmanagement" ermöglichen. Das bedeutet, dass der Versicherte dann die in der Akte enthaltenen Dokumente jeweils für einzelne Ärzte und weitere Leistungserbringer freischalten kann. Die Versicherten sollen zudem die Möglichkeit erhalten, ihre Daten oder Auszüge daraus der Forschung zur Verfügung zu stellen.

Um Menschen ohne Smartphone zu ermöglichen, ihre Akten zu führen, sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, in ihren Geschäftsstellen Terminals für den Zugang zu den elektronischen Patientenakten aufzustellen. Auf freiwilliger Basis sollen das auch Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken tun dürfen.

Die Regierung geht davon aus, dass im ersten Jahr rund 20 Prozent der rund 72 Millionen gesetzlich Versicherten die elektronische Patientenakte tatsächlich nutzen werden, die Quote dann aber auf mehr als 50 Prozent steigen wird. Nach fünf Jahren Laufzeit sollen in einer Evaluation sowohl die Zahl der Nutzer als auch der möglicherweise erreichte Mehrwert abgefragt werden.

Bei den Ärzten herrscht Skepsis. „Wir halten es nicht für sinnvoll, dass Versicherte Teile ihrer Akten komplett löschen können“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Ferdinand Gerlach, Ende Februar im Interview mit der "Ärzte Zeitung". Ärzte könnten dann nicht erkennen, dass in der Akte etwas gestanden habe, was unter Umständen lebenswichtige Informationen enthielt.

Anmerkung:

Nicht nur daß der Bundesgesundheitsminister an der übereilten Einführung der ePA festhält (die Regelung der Zugriffsrechte ist nach wie vor technisch noch nicht möglich) – und der Widerstand gegen die flächendeckende Digitalisierung in Zeiten von Corona abnimmt: Die Ansicht von Professor Ferdinand Gerlach bedeutet aus meiner Sicht eine fatale Rückkehr zu alten paternalistischen Zöpfen – Ärzt*innen, die darüber entscheiden wollen, über welche (eigenen!) Daten Patient*innen frei verfügen können und über welche nicht!

Ärztezeitung.de

(1.04.2020):
Kabinett beschließt Regeln für die Patientenakte. E-Rezept, digitale Überweisung, Zugriffsberechtigungen auf Inhalte der elektronischen Patientenakte: Die Bundesregierung macht Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Jetzt hat der Bundestag das Wort.

April 2020


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AKTUELL: Nummer 1/2020

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Es ist schon erstaunlich, welche Aktivitäten Bundesgesundheitsminister Spahn entfaltet. Bei der Flut von Gesetzen drängt sich der Eindruck des Aktionismus auf mit dem wichtige Fragen des Gesundheitswesens zwar aufgegriffen werden - dabei jedoch weder grundlegend überdacht erscheinen, noch der Brisanz der zu regelnden bzw. geregelten Tatbestände gerecht werden. Insbesondere bei der Digitalisierung scheint der Minister kein Gespür zu haben (oder haben zu wollen), daß es hier um einen äußerst sensiblen Bereich geht, der von zentraler Bedeutung für ein funktionierendes Gesundheitswesen hat. Denn Vertrauen zwischen Patient*innen und Behandler*innen ist das Agens jedweder ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Maßnahme.

Erstaunlich ist aber auch der Widerstand von Teilen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft gegen die Telematik und die ePA - ich meine hier nicht die kritische Haltung gegenüber den Bestrebungen des Gesetzgebers, die ich teile und immer geteilt habe, sondern die Art, wie hier diskutiert wird. Zum Teil werden völlig wirre Argumente vorgebracht - wie etwa jenes, mit dem am 7.11.2019 verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz (I) werde die (berufliche) Schweigepflicht verletzt oder gar abgeschafft. Aber auch beunruhigende, hämische und aggressive Töne gegen die (in Anführungszeichen gesetzten) "Volksvertreter*innen" und Vertreter*innen der Berufsgruppen, Kammern und Berufsverbände - und die (angeblich) willfährigen, respektive naiven oder wegschauenden, Kolleg*innen, die sich an die Telematik angeschlossen haben - werden verbreitet. Nicht zu übersehen ist, daß es auch entwertende Äußerungen gegenüber den die Telematik ablehnenden Kolleg*innen gibt.

Auffällig ist gerade im Hinblick auf die Diskussion über die Telematik-Infrastruktur, daß es in den letzten Jahren m. W. überhaupt keinen Widerstand der Ärzte- oder Psychotherapeutenschaft gegen die Übermittlung von Patientendaten (neben den administrative Stammdaten auch Diagnosen und Leistungsdaten) auf die zentralen Server der KVen gegeben hat - vielleicht weil es hierum eigene finanzielle Interessen geht? Und ebenso wenig auch gegen die Regelung im SGB, nach der die Gesetzlichen Krankenkassen die Daten ihrer Versicherten an das Bundesversicherungsamt übermitteln, das die Daten dann seinerseits pseudonymisiert dem DIMDI übermittelt - so jedenfalls beschreibt es das DIMDI in einer Übersicht über das Verfahren nach §§ 303 a-e SGB V und die  Datentransparenzverordnung/DaTraV (https://www.dimdi.de/static/.downloads/deutsch/basisinfo-versorgungsdaten.pdf). Die Krankenkassen haben sich dem (wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe) widersetzt - wohl auch deshalb ist es nun unter Bundesgesundheitsminister Spahn zu einer neuen, datenschutzrechtlich ebenso problematischen, Regelung gekommen.

Daher möchte ich stellvertretend für andere Verbände und Institutionen die Resolution des GK II (Zusammenschluß von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden) wiedergeben, der bereits im Oktober letzten Jahres alle Problembereiche aufgreift:


Resolution von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden zum Datenschutz

Die zweite diesjährige Sitzung des Gesprächskreises II (GK II), eines Zusammenschlusses von 35 Fach- und Berufsverbänden, fand am 26.10.19 in Berlin statt. Die Sitzung wurde dieses Mal von der DGVT organisiert und ausgerichtet. Bis zur nächsten Sitzung im Frühjahr 2020 hat die DGVT auch die Geschäftsführung inne. Themen waren u.a. die Abstimmung verschiedener Resolutionen.

Resolution zum Datenschutz

GK II, Oktober 2019, Berlin Der Gesprächskreis II (GK II) ist ein Zusammenschluss von 35 psychotherapeutischen Verbänden und vertritt über 60.000 Mitglieder. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die bevorstehende Anwendung der elektronischen Patientenakte sind für die Mitglieder bedeutsame Prozesse.

Die Verbände des GK II befürworten grundsätzlich eine Modernisierung und Weiterentwicklung von Abläufen und Anwendungen in der Versorgung der GKV-Versicherten. Sie stellen dabei je doch folgende Forderungen auf:

1. Rollout der elektronischen Patientenakte (ePA) nur mit allen angekündigten Versichertenrechten: Patientinnen und Patienten müssen differenzieren können, wer welche Daten (z.B. Klinikbericht nach stationärer psychosomatischer Behandlung, Schwangerschaftsabbruch etc.) einsehen darf. Dies sieht auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber so.(1) Der GK II fordert hier: Die ePA muss für die Versicherten freiwillig bleiben. Versicherte müssen selektive Zugriffsrechte für Dokumente in der ePA vergeben können. Krankenkassen müssen ihre Versicherten zukünftig gezielt und verständlich zu ihren Rechten bei der Verwendung der ePA informieren.

2. Schutz der sensiblen Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen: Menschen mit psychischen Erkrankungen sind immer noch von Diskriminierung bedroht. Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen sind sehr sensibel und besonders zu schützen. Der GK II fordert: Die Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an Gutachter gehören nicht in die ePA.

3. Keine Herabsetzung des hohen Sicherheitsstandards der Telematik Infrastruktur bei Anwendungen auf mobilen Endgeräten: Die aktuell geplanten Identifizierungsverfahren zur mobilen Nutzung der ePA sind nach Meinung des Bundesdatenschutzbeauftragten nicht ausreichend sicher. Der GK II fordert: Bei der zukünftigen mobilen Nutzung der ePA müssen zusätzliche Identifizierungsverfahren mit höchstem Sicherheitsstandard zur Anwendung kommen.

4. Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen nur nach Indikationsstellung durch approbierte Leistungserbringer: Der vorgesehene Einsatz von Gesundheitsanwendungen allein aufgrund der Genehmigung der Krankenkasse ist zurückzuweisen: Zum Schutz von Erkrankten liegt die Verantwortung für den Gesamtbehandlungsplan allein bei approbierten Leistungserbringern. Der GK II fordert: Die digitalen Gesundheitsanwendungen dürfen nicht aufgrund der Genehmigung der Krankenkasse, sondern erst nach Indikationsstellung durch Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eingesetzt werden.

5. Digitale Gesundheitsanwendungen müssen Wirksamkeit und Nutzen nachgewiesen haben: "Positive Versorgungseffekte" alleine genügen nicht, um eine gute Versorgung für Patient*innen sicherzustellen. Die digitalen Gesundheitsanwendungen müssen zumindest einen Wirksamkeitsnachweis und einen Nachweis des medizinischen Nutzens im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Produkts erbringen. Der GK II fordert: Digitale Gesundheitsanwendungen dürfen nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie Wirksamkeit und Nutzen nachgewiesen haben.

6. Keine verdeckte Weitergabe von Nutzerdaten bei der Verwendung von Gesundheits-Apps: Die von Stiftung Warentest und weiteren IT-Sicherheitsanalysten bestätigten erheblichen Sicherheitsmängel bei der Verwendung von Gesundheits-Apps sind nicht hinnehmbar. (2) Der GK II fordert: Es ist sicherzustellen, dass bei der Nutzung der Gesundheits Apps keinerlei Nutzerdaten über dahinterliegende Infrastrukturen weitergegeben werden.

7. Keine Kapitalbeteiligungen der Krankenkassen an Start- ups: Start-ups handeln der Natur der Sache nach gewinnorientiert, während die Krankenkassen die Aufgabe haben, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern und dabei zu wirtschaftlichem Handeln angehalten sind. Der GK II fordert: Krankenkassen dürfen sich nicht mit Versichertengeldern an Unternehmen beteiligen, da diese nicht die Gesundheit der Versicherten, sondern primär ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen zum Ziel haben.

8. Aufnahme der BPtK als Vertretung der Psychotherapeut*innen als stimmberechtigtes Mitglied in den Gesellschafterkreis der gematik: Unter Aufsicht der gematik wird die Struktur der zukünftigen ePA entwickelt. Psychotherapeut*innen sind als einziger Heilberuf nicht in der Betreibergesellschaft der Telematik Infrastruktur (gematik) stimmberechtigt vertreten. Obwohl das BMG mittlerweile die Mehrheitsanteile in der gematik hält, ist die 'Stimmlosigkeit' unseres Heilberufes nicht hinzunehmen. Die Verbände des GK II fordern die längst überfällige Aufnahme der BPtK in den Gesellschafterkreis der gematik.

Die Diagnose App ADA-Health überträgt z. B. Besuchslänge und Seiteninteraktionen an Analysedienste. Vgl. Hartmut Gieselmann: Risiken und Nebenwirkungen, c’tmagazin für computertechnik 17/2019

(1) Vgl. Beitrag im Ärzteblatt vom 5.8.2019, www.aerzteblatt.de/nachrichten/105114/Bundesdatenschutzbeauftragter-warnt-vor-Abstrichen-bei-E-Patientenakte.

(2) Bei der Nutzung von Deprexis wurde die Identifikationsnummer des Android-Endgeräts an den Betreiber des Programms weitergegeben; bei Get-On wurden die Identifikationsnummer des Endgeräts und der Mobilfunkanbieter an den US-Profidatensammler Flurry übermittelt. Vgl. test 07/2019 von Stiftung Warentest.

Psychotherapieverbände im Gesprächskreis II:

 AVM: Arbeitsgemeinschaft für Verhaltensmodifikation e.V.

BAG: Berufsverband der Approbierten Gruppenpsychotherapeuten e.V.

bkj: Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten e.V.

BPP/DGPT: Berufsverband der Psychologischen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in der DGPT

BVKP: Bundesverband der Klinikpsychotherapeuten

bvvp: Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten

BVKJ: Bundesvereinigung Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter e.V.

DFT: Deutsche Fachgesellschaft für Tiefenpsychologisch fundierte/Psychodynamische Psychotherapie

DGAP: Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie

D3G: Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie

DGH: Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V.

DGIP: Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie

dgkjf: deutsche gesellschaft für kinder- und jugendlichenpsychotherapie und familientherapie e.V.

DGK: Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie e.V.

DGPs/Fachgruppe KliPs: Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie

DGPSF: Deutsche Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung

DGfS: Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung e.V.

dgsps: Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie

DGSF: Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie

DGVT: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V.

DPG: Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft

DPV: Deutsche Psychoanalytische Vereinigung

DPGG: Deutsche Psychologische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie

DPtV: Deutsche PsychotherapeutenVereinigung

DDGAP: Deutscher Dachverband Gestalttherapie für approbierte Psychotherapeuten e.V.

DFP: Deutscher Fachverband für Psychodrama e.V.

DVT: Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie

GNP: Gesellschaft für Neuropsychologie

GwG: Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung

M.E.G.: Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose

NGfP: Neue Gesellschaft für Psychologie

SG: Systemische Gesellschaft - Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V.

VIVT: Verband für Integrative Verhaltenstherapie

VPP/BDP: Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP e.V.

VAKJ P: Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten


Anmerkungen:

Nicht in der Resolution erwähnt wird die Übermittlung aller Patientendaten der Gesetzlichen Krankenversicherung über eine Datensammelstelle beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die sie dann pseudonymisiert an ein Forschungsdatenzentrum weiterleiten soll. Auch hier hat der Bundesdatenschutzbeauftragte mittlerweile kritisch Position bezogen.

Zur Problematik der Anonymisierung/Pseudonymisierung:

Da die Abrechnungsdaten so detailliert und einmalig sind können wenige Details ausreichen Patient*innen identifizierbar zu machen. Zwar könnte man die Daten durch ein Verfahren, wie das der "Verrauschung", anonymisieren und so die Sicherheit (deutlich besser) gewährleisten, dann aber wären sie für die Versorgungsforschung wertlos. Das gilt auch für die Psychotherapieforschung, die ja inzwischen für alle Therapieverfahren von großer Bedeutung ist. Dieses Dilemma ist nicht (einfach) zu lösen, es ist in jeden Fall erforderlich, daß sich hier  (Krypto-) Expert*innen sich mit allen Fragen der Datensicherheit intensiv beschäftigen, um (ausreichend) sichere Verfahren zu entwickeln.

Zu Ziffer 2 der Resolution (Schutz der sensiblen Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen), hier heißt es: "Der GK II fordert: Die Inhalte von Anamnesen, Psychotherapiesitzungen und Berichten an Gutachter gehören nicht in die ePA." Natürlich ist es legitim, eine solche Forderung zu erheben, m. E. macht sie aber wenig Sinn. Denn wenn Patient*innen/Bürger*innen aus freien Stücken entscheiden, daß solche Dokumente in Ihrer Akte enthalten sein sollen - wäre es auch Ausdruck einer paternalistischen Haltung ihnen dieses Recht vorzuenthalten. Umgekehrt macht es allerdings auch Sinn, Patient*innen (und Bürger*innen) über Risiken aufgeklärt sind - die sie dann (wie wir alle) eingehen können oder nicht.

Im Übrigen - noch mal zurück zu Ziffer 2 der Resolution - ist für mich nicht nachvollziehbar, daß andere (nicht im Rahmen einer Psychotherapie erhobene Diagnosen - z.B. Erektionsstörungen, Dyspareunie; gynäkologisch/urologische Untersuchungsergebnisse etc.) weniger schützenswert sein sollten, als Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen.

Auf einer ganz anderen Ebene scheint es wichtig, den gesellschaftlichen Wandel und Gefahren im Umgang mit Daten zu reflektieren und auch über damit verbundene unbewußte Strebungen (Stichworte: Machbarkeitsphantasien, Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Gesehenwerden, Schau- und Zeigelust, Voyeurismus und Exhibitionismus) nachzudenken. Das gilt im Übrigen auch für schweigepflichtige Berufsgruppen. Denn es ist schon erstaunlich, daß Schweigepflichtverletzungen bei Kolleg*innen (die sich ja genau auf diese berufen) an der Tagesordnung sind. Und eine nicht unerheblicher Zahl von Kolleg*innen verletzt auch die Schweigepflicht im Umgang mit den neuen - auch von Psychotherapeut*innen genutzten digitalen Möglichkeiten - da deren Risiken weder kennen, noch adäquat damit umgehen können. Gerade in den Praxen niedergelassener Kolleg*innen herrschen vielfach datenschutzrechtlich katastrophale Zustände - und die Bereitschaft hier Zeit und Geld zu investieren ist keinesfalls ausgeprägt.

Ich habe mich in der Vergangenheit verschiedentlich mit solchen Fragen beschäftigt - hier eine Auswahl:

Thorwart, J. (2019): Psychoanalyse und Internet. Anmerkungen zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien. Psyche – Z Psychoanal 73-9: 852–878

Thorwart, J. (2018): Schweigepflicht, Datenschutz und Diskretion in der webbasierten Psychotherapie. PiD – Psychotherapie im Dialog 19: 46–50

Thorwart, J. (2015): Diskretion, Schweigepflicht und Psychoanalyse. Über Schwierigkeiten des Umgangs mit anvertrauten Geheimnissen. Psyche – Z Psychoanal 69: 295–327

Resolution des GK II und weitere wichtige Resolutionen/Stellungnahmen:

Psychotherapieverbände - Gesprächskreis II: Resolution von 35 psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbänden zum Datenschutz (Oktober 2019)

Resolution des 35. Deutschen Psychotherapeutentags in Berlin (16.11.2019): Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG): Keine Experimente mit psychisch kranken Patientinnen und Patienten! Keine Aushöhlung des Gesundheitsdatenschutzes!

Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten: BVVP INFO KOMPAKT (Nur für unsere Mitglieder; Stand Mai 2018): Wie steht der der bvvp zur Telematik-Infrastruktur? - veröffentlicht über das Kollegennetzwerk Psychotherapie (https://www.kollegennetzwerk-psychotherapie.de)

Januar 2020


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2020


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AKTUELL: Nummer 7/2019

Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung

Wie bereits berichtet (AKTUELL: Nummer 16/2018) will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Patienten-, Abrechnungs- und Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung nutzen. Mit dem jetzt von ihm vorgelegten Gesetzentwurf zum Digitale-Versorgungs-Gesetz sollen die Gesundheitsdaten der 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland künftig für die Forschung verwendet werden - ohne ihr Einverständnis.

Die Gesetzlichen Krankenkassen müssten demnach die personenbezogenen Daten einschließlich aller Behandlungsdaten der Versicherten an den Spitzenverband der Kassen weiterleiten, der sie dann pseudonymisiert und anschließend zu Forschungszwecken zur Verfügung stellt. Die Verwaltung der Daten wird von einem beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt Forschungsdatenzentrum übernommen.

Die Daten sollen laut Gesetzentwurf für "Forschung, insbesondere für Längsschnittanalysen über längere Zeiträume, Analysen von Behandlungsabläufen oder Analysen des Versorgungsgeschehens" genutzt werden und können von Behörden, Forschungseinrichtungen und  Universitätskliniken, nicht aber von der Industrie genutzt werden.

Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden und ist bereits auf heftige Kritik gestoßen. Politiker*innen der Grünen und Patientenschützer*innen kritisierten den Entwurf und fordern einen strengeren Datenschutz sowie eine Widerspruchsmöglichkeit für Patient*innen. Auch der Bundesrat hat eine kritische Stellungnahme zu Spahns Gesetzentwurf abgegeben und eine Überprüfung in Hinblick auf den Datenschutz gefordert. "Es fehlt an einer klaren Regelung zur Abwägung des angestrebten Nutzens mit dem Re-Identifikationsrisiko und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen", heißt es dazu in einer Stellungnahme der Länderkammer zu dem nicht-zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf.

Offenbar hat sich der Bundesgesundheitsminister vorab mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten, Ulrich Kälber, abgestimmt - aufgrund der geplanten Anonymisierung der Daten und entsprechender Vorkehrungen beim Datenschutz scheinen hier keine grundsätzlichen Bedenken zu bestehen. In diesem Sinne hat sich auch der Medizininformatiker Professor Fabian Prasser geäußert, der Anfang September von München an die Berliner Uniklinik Charité und das Berlin Institute of Health (BIH) wechselte. Er besetzt dort die sechste Professur im Bereich Digital Health und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie Daten der Krankenversorgung für die medizinische Forschung noch besser nutzbar werden können.

ZEIT online (2.11.19 - 15:18 Uhr): Bundesgesundheitsminister: Daten von Krankenversicherten sollen der Forschung zugänglich sein. Jens Spahn will die Daten von gesetzlich Versicherten der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Grüne und Patientenschützer kritisieren fehlende Widerspruchsmöglichkeiten.

Ärztezeitung.de

(12.09.19 - 11:14 Uhr):
Digital Health. Daten nutzen für die Forschung.
Datensicherheit und Digitalisierung seien kein Widerspruch, so ein Medizininformatiker

November 2019


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AKTUELL: Nummer 6/2019

Bericht der Datenethikkommission stärkt Datenschutz

In einer Pressemeldung vom 23. Oktober 2019 (Ausgabe 24/2019) meldet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kälber, der selbst auch Mitglied der Datenethikkommission ist:

Im heute vorgelegten Abschlussbericht betont die Datenethikkommission (DEK) die herausragende Rolle des Datenschutzes im digitalen Zeitalter und gibt eine Reihe zukunftsweisender Handlungsempfehlungen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hofft, dass die Bundesregierung die Ergebnisse des Berichts bei ihrer künftigen Datenpolitik als Leitlinien aufgreift und umsetzt.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Pressemitteilung v. 23.10.19 (Ausgabe 24/2019): Bericht der Datenethikkommission stärkt Datenschutz

Oktober 2019


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AKTUELL: Nummer 5/2019

Riesiges Leck bei Gesundheitsdaten - auch deutsche Patient*innen sind betroffen

Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR Recherche/BR Data) und der US-Investigativplattform ProPublica lagen Millionen hochsensibler medizinischer Daten, darunter auch solche von Patient*innen aus Deutschland und den USA, jahrelang auf ungesicherten Internetservern. Die personenbezogen Daten (Geburtsdatum, Vor- und Nachname, Untersuchungstermin und Informationen über behandelnde Ärzt*innen, die Behandlung und die dazugehörigen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen) konnten mit Hilfe einer kostenlos herunterladbaren Software, die von auch medizinischem Personal und Ärzt*innen verwenden wird, im Internet eingesehen und heruntergeladen werden. Herausgefunden hat das Dirk Schrader, Experte für Informationssicherheit der Firma Greenbone Networks.

BR 24 (19.09.19 - 7:02 Uhr): Millionenfach Patientendaten ungeschützt im Netz

BR 24 (19.09.19 - atientensicherheit: Wie kamen medizinische Daten ins Netz?

September 2019


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AKTUELL: Nummer 4/2019

Die von einer Kassenärztlichen Vereinigung angeforderten Patientendaten zur Qualitätsprüfung dürfen von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen pseudonymisiert werden (Beschluss des BSG vom 15.5.2019, Az. B 6 KA 27/ 18)

Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 15.5.2019 entschieden, daß ein ÄrztInnen bei der Anforderung von Patientendaten durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Rahmen der Qualitätsprüfung diese mit Hinweis auf den Datenschutz pseudonymisieren dürfen - ohne daß sie deshalb in Regress genommen und ihnen Leistungen gekürzt werden.

Im dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall forderte die KV von einem zur hausärztlichen Versorgung zugelassenen und in der suchtmedizinischen Grundversorgung tätigen Arzt eine Stichprobenprüfung von Substitutionsbehandlungen. Dazu wurden  Behandlungsdokumentationen von mehreren namentlich bezeichneten PatientInnen (nach dem Zufallsprinzip) angefordert. Der betroffene Arzt wies dieses Ansinnen unter Hinweis auf den Datenschutz seiner PatientInnen mehrfach zurück. Daraufhin forderte die KV die Vergütung für die zur Stichprobe ausgewählten PatientInnen zurück und forderte zugleich den Arzt auf, auch für das folgende Quartal weitere Behandlungsunterlagen bestimmter Patienten vorzulegen.

Dagegen klagte der Arzt und argumentierte, daß die der Forderung der KV zugrundeliegende Richtlinie des G-BA  nicht mehr den Vorgaben des neu gefassten § 299 SGB V zur Pseudonymisierung versichertenbezogener Daten im Rahmen von Qualitätsprüfungen entspreche.

Das Sozialgericht Berlin wies hat die Klage zunächst ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht diese Entscheidung sowie den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Eine Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen.

Die KV legte Nichtzulassungsbeschwerde ein und machte unter anderem geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung.

In seiner Entscheidung verneinte das Bundessozialgericht jedoch eine grundsätzliche Bedeutung, wies den Antrag zurück und stützte sich dabei auf die Argumentation des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Nach der geltende Gesetzeslage (§ 299 Abs.1 S.1 Nr.1 und 2, Abs. 2 SGB V) sind bestehende Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses dahingehend zu ändern, dass patientenbezogene Informationen im Rahmen von Qualitätsprüfungen pseudonymisiert werden müssen. Dabei muß hingenommen werden, daß Qualitätsprüfungen dadurch nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar sind.

Bundessozialgericht Beschluß v. 5.5.2019, Az. B 6 KA 27/ 18 (Volltext) über www.sozialgerichtsbarkeit.de

August 2019


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AKTUELL: Nummer 3/2019

Bundespsychotherapeutenkammer Datenschutz 2018

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat eine sehr übersichtliche und informative Broschüre "Praxis-Info Datenschutz 2018" vorgelegt, die auch die für PsychotherapeutInnen wichtigen Regelungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung beinhaltet:

Bundespsychotherapeutenkammer: Datenschutz 2018 (1. Aufl., Juli 2018)

Februar 2019


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AKTUELL: Nummer 2/2019

Die ePA soll (europäische) Grenzen überschreiten

Am 6. Februar 2019 hat die Europäische Kommission Empfehlungen für ein einheitliches europäisches Austauschformat für elektronische Patientenakten (ePA) vorgelegt. Über das Ziel :

Die Ermöglichung eines sicheren Zugangs zu Patientenakten und deren Weitergabe über die Grenzen hinweg innerhalb der Union wird den Bürgern in einer Reihe grenzübergreifender Situationen das Leben erleichtern, z. B. jenen Bürgern und deren Familien, die derzeit aus beruflichen Gründen in einem anderen Mitgliedstaat leben, oder Rentnern, die in einem anderen Land leben, und die  somit Zugang zu  Patientenakten aus den Mitgliedstaaten erhalten, in denen sie ihren Wohnsitz hatten bzw. haben. Dies wird die Versorgungsqualität auch in Situationen verbessern, in denen auf Reisen innerhalb der Union medizinische Behandlungen erforderlich werden bzw. in denen sie im Rahmen einer grenzüberschreitenden Vereinbarung erbracht werden. (Seite 1: Abschnitt 3)

Mit dieser Empfehlung wird ein Rahmen für die Entwicklung eines europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten festgelegt, um einen sicheren, interoperablen, grenzüberschreitenden Zugang zu und Austausch von elektronischen Gesundheitsdaten in der Union zu erreichen. (Seite 6: Abschnitt 1)

Denn es bringe Vorteile,

wenn Bürger und Gesundheitsdienstleister auf elektronische Patientenakten (EPA), d. h. Sammlungen von longitudinalen Patientenakten oder ähnliche Unterlagen einer Person in digitaler Form, zugreifen und diese innerhalb der Grenzen und grenzüberschreitend austauschen können: Verbesserung der Versorgungsqualität für die Bürger, Senkung der Gesundheitsversorgungskosten für die Haushalte und Unterstützung der Modernisierung der Gesundheitssysteme in der Union, die sich aufgrund des demografischen Wandels, der steigenden Erwartungen und der Behandlungskosten unter Druck befinden. (Seite 1: Abschnitt 2)

Im Abschnitt 13 (Seite 4) äußert sich die Europäische Kommission zur Frage der Umsetzung des grenzüberschreitende Datenaustauschs auf dem Hintergrund des Bemühens um eine Verbesserung des Vertrauens der europäischen BürgerInnen in elektronische Patientendatensysteme:

Die Verwendung von sicheren elektronischen Identifizierungs- und Authentifizierungsmitteln gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (eIDAS) sollte den Zugang, die Sicherheit und das Vertrauen in elektronische Patientendatensysteme verbessern. (Seite 4, Abschnitt 13)

Um die Interoperabilität und Sicherheit der nationalen Gesundheitssysteme zu verbessern und den sicheren grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten zu unterstützen, sollte jeder Mitgliedstaat ein nationales Netz im Bereich des digitalen Gesundheitswesens mit Vertretern der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der regionalen Behörden einrichten, die sich mit Fragen des digitalen Gesundheitswesens und der Interoperabilität der elektronischen Patientenakten sowie der Sicherheit von Netzen und Informationssystemen sowie mit dem Schutz personenbezogener Daten befassen. (Seite 7, Abschnitt 6)

Im Hinblick auf die Gewährleistung des sicheren Zugangs zu elektronischen Patientendatensystemen sollen die Mitgliedsstaaten

dafür sorgen, dass die elektronischen Patientendatensysteme hohen Standards in Bezug auf den Schutz von Gesundheitsdaten und auf die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, auf die sich solche elektronischen Patientendatensysteme stützen, genügen, um Datenschutzverletzungen zu vermeiden und die Risiken von Sicherheitsvorfällen zu minimieren (Seite 6: Abschnitt 2) und

sicherstellen, dass die Bürger und ihre Gesundheitsfachkräfte Online-Zugang zu ihren elektronischen Patientenakten haben und sich dabei sicherer elektronischer Identifizierungsmittel unter Berücksichtigung des durch die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffenen Rahmens für Sicherheit und Vertrauen bedienen können. (Seite 6: Abschnitt 3)

Bei den Grundsätze(n) für den Zugang zu und den grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen Patientenakten heißt es:

Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, den Bürgern die Entscheidungsmöglichkeit zu geben, wem sie Zugang zu ihren elektronischen Gesundheitsdaten gewähren, und auf welche Einzelinformationen zur Gesundheit gemeinsam zugegriffen werden kann.  (Seite 7: Abschnitt 9)

Fraglich wie ernst gemeint dieser Grundsatz sein kann, wenn das Bemühen der Europäischen Kommission um Interoperabilität als Voraussetzung des grenzüberschreitenden Austausch von Patientenakten keineswegs nur uneigennützigen Zielen verpflichtet ist. Neben der Hoffnung der unmittelbaren Senkung von Gesundheitsversorgungskosten (dann auch für die nationalen Krankenversicherungssysteme) geht es auch um die Schaffung der Voraussetzung für Big-Data:

Die Digitalisierung von Patientenakten und die Ermöglichung ihres Austauschs könnten auch die Schaffung großer Patientendatenstrukturen unterstützen, die in Kombination mit der Nutzung neuer Technologien wie der "Big-Data"-Analyse und der künstlichen Intelligenz die Suche nach neuen wissenschaftlichen Entdeckungen unterstützen können. (Seite 5: Abschnitt 18)

Europäische Kommission (6.02.19): EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 6.2.2019 über ein europäisches Austauschformat für elektronische Patientenakten

Ärzteblatt.de (20.02.19): Empfehlungen für grenzüberschreitende elektronische Patientenakte

Februar 2019


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AKTUELL: Nummer 1/2019

Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Telematik und E-PA

Trotz heftiger Proteste von Seiten der Ärzteschaft und der PsychotherapeutInnen gegen das geplante TSVG (u. a. gegen die "gestufte und gesteuerte Versorgung" bei der psychotherapeutischen Behandlung psychisch Kranker und die Ausweitung der Sprechstunden von 20 auf 25 Wochenstunden) setzt Bundesgesundheitsminister Span seinen konfrontativen Kurs fort. Das gilt auch für die Telematik-Infrastruktur, die er beschleunigen weiter will. Seine aktuellen Änderungsanträge zum TSVG sehen einen Umbau der zuständigen Betreibergesellschaft gematik vor. Bislang waren die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband Gesellschafter der gematik. Nun kommt das BMG als weiterer Gesellschafter hinzu - mit 51% der Stimmanteile. Weil gleichzeitig das Prozedere bei Abstimmungen verändert werden soll -  alle Abstimmungen erfolgen dann mit einfacher Mehrheit - hat das Bundesgesundheitsministerium immer das letzte Wort! Der Spitzenverband der Krankenkassen soll 24,5 %, die übrigen Gesellschaften zusammen ebenfalls 24,5 % der Stimmenanteile erhalten.

In seiner Begründung führt der Bundesgesundheitsminister u.a. aus:

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent umgesetzt werden. Hierzu sollen Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft für Telematik effektiver als bisher gestaltet werden. Um dies zu erreichen, soll das Bundesministerium für Gesundheit den Entscheidungsprozess stärker mitgestalten. Daher wird der Eintritt der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, als Mehrheitsgesellschafter in die Gesellschaft für Telematik festgeschrieben.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit soll die Möglichkeit erhalten, vor solchren Beschlussfassungen, die Belange des Datenschutzes berühren, Stellung zu nehmen.

Auch in Sachen elektronische Patientenakte (e-PA) will Span den Druck erhöhen. Der Änderungsantrag sieht vor, daß künftig alleine die KBV (die dazu finanzielle Mittel der gematik erhält) die inhaltliche Entwicklung der e-PA steuern und entsprechende Entscheidungen über Inhalt, Standards und Interoperabilität treffen soll. Diese waren dann auch in der Regel für die anderen Gesellschafter verbindlich.

Die Anwendungen müssen in zwei Jahren (1.01.2021) zugelassen und einsatzbereit sein. Die Gesetzlichen Kassen werden verpflichtet, ihre Versicherten zu informieren und eine e-PA zur Verfügung zu stellen. Kommen sie dem nicht fristgerecht nach, müssen sie mit einer Kürzung der Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds rechnen (zunächst 2,5 % ).

Ärztenachrichtendienst online (29.01.19): BMG bestimmt künftig die Marschrichtung

Ärzte Zeitung online (30.01.19): Spahn will gematik an die kurze Leine nehmen

Februar 2019


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2019


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AKTUELL: Nummer 16/2018

Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online vom 14.12.18 hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Vorstoß zum Zweck der besseren Nutzbarmachung von Patienten-, Abrechnungs- und Versorgungsdaten für die Versorgungsforschung und die Produktentwicklung angekündigt: Die Zeitung schreibt dazu:

„Dafür müssen wir einen Rahmen setzen, der den Datenschutz und die Souveränität des Einzelnen hochhält, aber gleichzeitig eine gute und schnelle Nutzung möglich macht“, sagte Spahn bei der Konferenz „Zukunft E-Health“ der Unions-Fraktion am Mittwoch in Berlin. Zu diesem Rahmen sollen auch die Themen Datenspende und die Monetarisierung von Daten gehören. Dazu sei er mit dem Forschungsministerium im Gespräch.

Verhältnisse wie in China wolle er aber nicht, betonte der Minister. Dort hat der Staat weiten Zugriff auf alle Daten der Bürger.

Anmerkung: Das ist doch überaus erfreulich, daß Herr Spahn keine Verhältnisse wie in China will!

Ärzte Zeitung online (14.12.18): Spahn will Patientendaten für Forschung und Entwicklung nutzen. Gesundheitsminister Spahn kündigt an, Gesundheitsdaten für Forschung und Produktentwicklung zugänglich zu machen. Der gematik steht außerdem eine Reform ins Haus.

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 15/2018

Datenethikkommission ist für die rasche Einführung der Patientenakte

Wie berichtet (AKTUELL: Nummer 10/2018) haben Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer im Sommer diesen Jahres eine Datenethikkommission einberufen. Sie besteht aus 16 Mitgliedern (Bereiche Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus). Sie sollte binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".

Nun hat die Datenethikkommission eine erste Empfehlung zur ePA gegeben (28. 11.18):

Die Datenethikkommission befürwortet ausdrücklich die Entwicklung einer ePA und hofft auf eine baldige Realisierung. Die ePA kann dazu beitragen, die Datensouveränität der Versicherten zu erhöhen und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Die Datenethikkommission empfiehlt, bereits bei der Entwicklung der ePA die Vielfalt ethischer Aspekte als integralen Bestandteil im Rahmen eines "ethics by, in and for design"-Ansatzes zu berücksichtigen. Der Entwicklungsprozess der ePA ist ein konkreter Anwendungsfall der Empfehlung der Datenethikkommission vom 9.10.2018 zur Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung.

Die Datenethikkommission begrüßt den Anspruch der Beteiligten, größtmögliche(n) Datenschutz, Datenqualität und Datensicherheit sicherzustellen. Ethische Aspekte umfassen jenseits der Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Implikationen und der Vorgaben der DS-GVO zudem Aspekte der Datensouveränität, der digitalen Gesundheitskompetenz, der Gerechtigkeit und Solidarität sowie zu berücksichtigende Präferenzen der Versicherten. Diese können sich beispielsweise auf die Festlegung der einzubeziehenden Datenarten und deren jeweilige Zuordnung zum Standard, Kassen und Versicherten-Bereich sowie möglichen Unterbereichen der ePA beziehen. Sie betreffen auch den Umfang und den Prozess individueller Nutzerentscheidungen über unterschiedliche Möglichkeiten der Datennutzung und Datenportabilität.

Für die Entwicklung eine ePA sollten daher Patientinnen und Patienten von Beginn an am Gestaltungsprozess teilnehmen und ihre Bedarfe sowie Präferenzen in einem partizipativen Prozess einbringen können. In diesem Zusammenhang sollten auch privat versicherte Patientinnen und Patienten einbezogen werden, da der Nutzen einer patientenzentrierten ePA nicht von der Art der Versicherung abhängt.

Die Überzeugung der Kommission, daß rechtliche und ethische Überlegungen, soweit diese "von Beginn an in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, gestalterische und integrative Kraft entfalten und so auch gebotene und wünschenswerte Anwendungen unterstützen" wirkt ein wenig naiv. Vor allem, wenn anschließend darauf verwiesen wird, daß dies insbesondere für den Fall gelten sollte, daß die "Entwicklung staatlich initiiert und gefördert ist." Und das in Zeiten, in denen die Datensicherheit von dem Aufwand abhängig ist, den Hacker oder Staatstrojaner treiben ...

Ob die abschießende Überlegung wirklich Sinn macht kann bezweifelt werden:

Gelingt eine die Interessen aller Beteiligter berücksichtigende, rechtlich und ethisch fundierte Gestaltung der ePA, stellt dies nicht nur sicher, dass diese den Nutzern und Anwendern zum nachhaltigen Vorteil gereicht. Sie legt auch die Grundlage für das Vertrauen, das für den Erfolg des Vorhabens unerlässlich ist.

Wenn Interessen der Beteiligten hinsichtlich der rechtlichen und ethisch Gestaltung berücksichtigt werden, stellt das noch keineswegs sicher, daß eine ePA PatientInnen "zum nachhaltigen Vorteil" gereicht. Damit könnte jeder Blödsinn gerechtfertigt werden, etwa der freie Zugang aller Bundesbürger zum Weltall oder zum Mond - natürlich juristisch und ethisch legitimiert. Eine solch krude Argumentation stärkt ganz sicher nicht das Vertrauen in die ePA. Und es ist auch nicht zu erkennen, daß sich die Ethikkommission mit den ethischen Implikationen der Sammlung hochsensibler Daten auf zentralen Servern auseinandergesetzt hat.

Empfehlung der Datenethikkommission für eine partizipative Entwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) v. 28.11.2018

Ärzteblatt.de (11.12.18): Datenethikkommission für rasche Einführung der Patientenakte

Bundesministerium des Inneren: Die Datenethikkommission der Bundesregierung

Bundesministerium des Inneren: Mitglieder der Datenethikkommission der Bundesregierung

Archiv: Datenethikkommission 1

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 14/2018

Datenschutzgrundverordung - Einwilligung in die Datenverarbeitung bei Minderjährigen (Art. 8)

Das Rechtsreferat der Bundespsychotheraputenkammer vertritt die Auffassung, daß Artikel 8 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) keine Auswirkungen auf die Behandlung minderjähriger Patienten hat. Nach dieser Bestimmung können Minderjährige erst ab dem Alter von 16 Jahren wirksam in die Verarbeitung von Daten einwilligen. Bei Minderjährigen unter 16 Jahren ist daher immer eine vorherige Einwilligung der Eltern notwendig. Art. 8 DSGVO wirkt sich jedoch nicht im Rahmen einer Psychotherapie aus, da er nur für "Dienste der Informationsgesellschaft" gilt. Das sind Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt, im Fernabsatz, also ohne gleichzeitige (physische) Anwesenheit, elektronisch erbracht werden. Gemeint sind insbesondere der Verkauf von Waren über das Internet, der Online-Abruf von Videos und soziale Netzwerke.

Bei einer Psychotherapie sind die Regelungen daher nicht relevant. Ausschlaggebend sind weiterhin die Regelungen zur Einsichtsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen sowie § 36 SGB I (Antragsrecht ab 15 Jahre).

Dezember 2018


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AKTUELL: Nummer 13/2018

Datenverarbeitung - Big Data

Wie die Ärzte Zeitung online berichtet (28.11.2018) beschäftigen sich sich 13 Wissenschaftler der Helmholtz-Zentren Saarbrücken und Bonn mit der Frage, wie sich diagnostische und andere Gesundheitsdaten in großem Stil verarbeiten lassen ohne daß dadurch die  Privatsphäre der betroffenen PatientInnen verletzt wird. Zu diesem Zweck wurde eine eigenes Institut gegründet, das Helmholtz Medical Security and Privacy Research Center (HMSP).

„Wir entwickeln effiziente Methoden, mit denen medizinische Daten in einer Vielzahl von verschiedenen Anwendungsszenarien sicher und vertrauenswürdig verarbeitet werden können“, kündigt Gründungsdirektor Professor Michael Backes an. Finanziert werde das neue Institut von den beiden genannten Helmholtz-Zentren, sei aber „für weitere Partner offen“.

www.aerzteblatt.de

November 2018


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AKTUELL: Nummer 12/2018

Informationspflicht gegenüber PatientInnen beim Eingang von Berichten mit bedrohlichen Befunden

Zwar erhalten PsychotherapeutInnen (ÄrztInnen, PP, KJP) eher selten Arztbriefe oder Klinikberichte direkt von den jeweiligen Institutionen (Praxen, Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen), aber es kommt durchaus vor. In solchen Fällen sind auch PsychotheapeutInnen verpflichtet, sicherzustellen, daß die jeweiligen PatientInnen die entsprechenden Informationen erhalten - in jeden Fall, wenn gravierdende und behandlungsbedürftige Symptome bzw. Erkrankungen mitgeteilt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 26.06.20128 entschieden (AZ. VI ZR 285/17).

In dem verhandelten Verfahren hatte ein Patient seine langjährigen Hausärztin auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt, weil diese ihn über einen ihr zugegangenen Klinikbericht nicht informiert hatte. Zuvor hatte sie den Patienten wegen Schmerzen im linken Bein und Fuß an einen Facharzt überwiesen. In einer Klinik wurde später ein bösartiger Tumor entdeckt. Dieses teilte die Klinik aber ausschließlich der Hausärztin (und nicht dem behandelnden Facharzt) mit. Erst knapp eineinhalb Jahre später sprach die Hausärztin ihren Patienten im Zusammenhang einer Handverletzung auf die frühere Erkrankung an und erst danach wurde der Mann in einem Universitätsklinikum wegen des Tumors weiterbehandelt.

Im Leitsatz des BHG heißt es dazu:

Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.

Urteil des Bundesgerichtshofs  v. 26.06.18 (AZ. VI ZR 285/17)

www.aerzteblatt.de (24.08.18): Bundesgerichtshof: Patient muss Befund auf jeden Fall bekommen

November 2018


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AKTUELL: Nummer 11/2018

Elektronische Patientenakte (ePA): KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit dem Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische Patientenakte verständigt

Nach einem Bericht des Handelsblatts v. 12.10.18 (Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesvesbands, Martin Litsch) haben sich die Beteiligten auf eine Patientenakte geeinigt, die auf dem Berechtigungsprinzip beruht: PatientInnen können den behandelnden ÄrztInnen erlauben, jeweils relevante Daten herunterzuladen. Auf diese Weise soll auch verhindert werden, daß sie mit überflüssigen Informationen überschüttet werden.

Die Daten sollen zentral auf einen oder mehrere gesicherte Server außerhalb der Praxissoftware übertragen und gespeichert werden, damit ein Zugriff auf Praxis-Computer ausgeschlossen ist.

Die genauer Standards für die e-PA sollen im Dezember zwischen den Beteiligten ausgehandelt werden.

Der Ärztenachrichtendienst berichtet dazu am 15.10.18 weiter, daß Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für den Fall einer gegenseitigen Blockade von Kassen und ÄrztInnen die Ausgestaltung der Digitalakte an sich ziehen wolle.

Zu den weiteren Vereinbarungen, die in einer dreiseitigen Präambel verschriftlicht wurden, schreibt der Ärztenachrichtendienst:

Am Aufbau der Patientenakte sollen die KBV, der GKV-Spitzenverband und die Gematik gleichermaßen beteiligt sein. Letztere soll sich laut Absichtserklärung um die Architektur der ePA kümmern. Diese solle "einheitlich für alle Anbieter" sein, soweit dies für Sicherheit, Interoperabilität und Praktikabilität notwendig sei. "Die gematik definiert daher technische Standards und Schnittstellen für die Hersteller von Konnektoren und ePAs", heißt es. Auch die Zulassungen für die Betreiber und Anbieter erfolgen demnach durch die Gesellschaft.

Aufgabe der KBV wird es sein, Details zur Datenspeicherung "im Benehmen" mit den anderen „Leistungserbringern“, dem GKV-Spitzenverband und der Gematik festzulegen. Darüber hinaus soll ein Arbeitskreis der Krankenkassen die Struktur der Patientenakte entwickeln – unter Federführung des GKV-Spitzenverbandes. Neben einem Standardbereich für medizinische Informationen aus der Versorgung, etwa Arztbefunde oder Röntgenbilder, soll es einen Kassenbereich für Quittungen oder Informationen zu Bonusprogrammen geben. Auch einen "Bereich für die Ablage jeglicher Daten, die vom Versicherten bereitgestellt werden", soll es laut Absichtserklärung geben. Dort können die Versicherten zum Beispiel Fitnessdaten speichern.

Anmerkung: Obwohl das Konzept in der vorliegenden Form zu begrüßen ist, bleibt die Frage der Datensicherheit nach wie vor ein großes Problem, insbesondere auch, weil hochsensible Daten auf zentralen Servern gespeichert werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Hackerangriff erfolgreich sein wird.

Handelsblatt online (12.10.18): Digitale Patientenakte – „Ein Zurück ohne Gesichtsverlust gibt es nicht“. AOK-Chef Martin Litsch glaubt, dass die Einigung von Kassen und Ärzten auf ein technisches Konzept für die digitale Patientenakte Bestand haben wird (von Gregor Waschinski)

Ärztenachrichtendienst (15.10.18): Einigung auf Standards bei e-Patientenakte. KBV, GKV-Spitzenverband und Gematik haben sich mit dem Bundesgesundheitsministerium auf ein Grundkonzept für die elektronische Patientenakte (ePA) geeinigt. Vertreter der Krankenkassen und der KBV zeigen sich zufrieden (sk)

Oktober 2018


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AKTUELL: Nummer 10/2018

Datenethikkommission

Nach einem Bericht des Ärzteblatts online v. 6.09.18 ist die neue Datenethikkommission unter Anwesenheit von Bundesjustizministerin Barley und Innenminister Seehofer an diesem Tag zu ihrer ersten Sitzung in Berlin zusammengekommen. Die Kommission besteht aus 16 Mitgliedern aus den Bereichen Medizin, Recht, Theologie Informatik, Statistik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Ethik und Journalismus, die vom Bundesinnenministerium im Juli berufen wurden (das Ministerium hat deren Lebensläufe veröffentlicht). Sie soll binnen eines Jahres "ethische Leitlinien für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlagen und Handlungsempfehlungen geben".

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums birgt "der Einsatz von Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen (...) große Potenziale. Gleichzeitig stellen sich zahlreiche ethische und rechtliche Fragen. Die Datenethikkommission der Bundesregierung soll hierauf Antworten geben." (Webseite Datenethikkommission - siehe Link unten).

Nach der bestürzenden Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zu "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung (siehe AKTUELL: Nummer 15/2017) wird es interessant sein, wie die Datenethikkommission sich zu solchen Fragen stellt.

Ärzteblatt.de (6.09.18): Politik: Experten sollen Regierung Vorschläge für ethischen Umgang mit Daten machen.

Bundesministerium des Inneren: Die Datenethikkommission der Bundesregierung

Bundesministerium des Inneren: Mitglieder der Datenethikkommission der Bundesregierung

September 2018


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AKTUELL: Nummer 9/2018

Elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten - Gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für den Datenschutz in der Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht einsetzen

In einer gemeinsame Pressemitteilung von Verbänden, die sich für den Datenschutz in der Medizin, die Wahrung der Patientenrechte und den Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht einsetzen und über die Freie Ärzteschaft veröffentlicht wurde, wird der  "Spahnsinn“ - gemeint sind die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten kritisiert:

"Das ist Spahnsinn" – Datenschützer, Patienten und Ärzte kritisieren die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten

Seit wenigen Tagen liegt ein Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vor. Datenschützer und Patienten sind alarmiert: "Bundesgesundheitsminister Spahn will eine auf zentralen Servern liegende 'elektronische Patientenakte' mit Zugriff sowohl über die Gesundheitskarte und ihre Telematikinfrastruktur als auch über das Internet", erklärt Dr. Silke Lüder vom Bündnis "Stoppt die e-Card". "Das bedeutet eine gigantische Sammlung sensibler Daten auf einem zentralen Server – für Datendiebe ein extrem attraktives Ziel mit hohem finanziellen Wert. Patienten, deren Daten dort gespeichert werden, werden quasi enteignet", ergänzt Dr. Elke Steven, Geschäftsführerin von "Digitale Gesellschaft".

Außerdem bergen beide Zugriffswege Risiken: Der Zugang über die Gesundheitskarte erfordert ein zentrales Register aller vorhandenen elektronischen Akten in der Telematikinfrastruktur. So kann man leicht nachprüfen, welche Versicherten keine elektronischen Akten haben. Bei Versicherten mit elektronischer Akte kann man über dieses Zentralregister mindestens feststellen, wo ihre Akte zu finden ist.

Der nun zusätzlich vorgesehene Zugang per Smartphone oder Tablet über das Internet bedeutet offene Schnittstellen in der Telematikinfrastruktur, welche aus Sicherheitsgründen als geschlossenes Netz geplant war. Damit vervielfältigt sich die Gefahr unbefugter Zugriffe auf die elektronischen Patientenakten. Die übertragenen Daten auf den oft unzureichend gesicherten Mobilgeräten sind weiteren Gefahren ausgesetzt: Zugriffe durch Schadsoftware, Staatstrojaner und persönliche Assistenten (wie z. B. Cortana oder Siri) der Internetkonzerne.

Auch die Einwilligungsregelung soll sich ändern: Mit der Übertragung von Daten in die elektronische Akte durfte bislang erst begonnen werden, wenn der Betroffene gegenüber einem Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker eingewilligt hatte und die Einwilligung auf der Gesundheitskarte dokumentiert war. Dies setzte voraus, dass die Patienten auch tatsächlich in der Lage sein mussten, ihre Entscheidung bewusst und in Kenntnis der Risiken einer Offenlegung ihrer Daten zu treffen – was bei Kranken und Hilfsbedürftigen nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Nach dem Gesetzentwurf soll nicht einmal diese Möglichkeit mehr gegeben sein. Denn die Patienten sollen ihre Zustimmung auch pauschal auf anderen Wegen oder nur gegenüber der Krankenkasse erklären können. Dies macht es schwer nachvollziehbar, ob tatsächlich eine Einwilligung vorliegt oder ob sie eventuell sogar widerrufen wurde.

Außerdem soll eine "elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" (eAU) eingeführt werden. Das bedeutet, dass alle Angaben, die bisher vom Versicherten auf Papier an die Krankenkasse geschickt wurden, künftig unter Angabe der Diagnose über eine Telematikinfrastruktur geleitet werden sollen. Der Versicherte hat so keine Möglichkeit, sich gegen diese elektronische Übertragung sensibler Daten zu entscheiden.

"Die zentrale Speicherung mit Onlinezugang im Browser, ohne ausreichende Verschlüsselung vereint das Schlechte aus zwei Welten“, fasst Anwalt und IT-Fachmann Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins Patientenrechte und Datenschutz e. V., zusammen. „Die beabsichtigte Einwilligungsregelung und eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefährden die informationelle Selbstbestimmung des Versicherten. Wir bewerten diese Vorschläge als 'Spahnsinn'."

Unterstützende Organisationen:

September 2018


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AKTUELL: Nummer 8/2018

ePatientenakte (ePA)

Derzeit streiten sich die AOK mit der KBV um die Art der künftigen Datenspeicherung im Zusammenhang der ePatientenakte - und hier geht es nicht um eine Nebensächlichkeit: Bei dem von der AOK vorgeschlagenen Modell lägen die Behandlungsdaten auf Servern der KVen, ÄrztInnen, Ärzte-Netzen oder Krankenhäusern und würden bei einer autorisierten Abfrage von einem Suchalgorithmus abgeholt und zusammengeführt werden. Das Modell der KBV hingegen sieht vor, daß sich PatientInnen ihre Daten bei den behandelnden ÄrztInnen selbst abholen und sie in ihrer ePA sammeln. Im Bedarfsfall könnten sie dann den BehandlerInnen Zugang zu ihrer ePA gewähren.

Es dürfte unschwer zu erraten sein, wo ich hier stehe: Im Sinne der Datensicherheit und der Patientenautonomie kann der Weg nur der sein, den die KBV vorschlägt!

Derzeit sind drei Modelle im Gespräch:

AOK-Modell: Ähnliche Lösungen im Einsatz gibt es beispielsweise in Österreich und Estland

TK-Modell: TK Safe wurde gemeinsam mit IBM (unter Beteiligung von Generali und Signal Iduna) entwickelt. Die Daten sollen auf Servern in Deutschland liegen.

Vivy-Modell: Hier geht es um eine App, die Daten sollen zentral gespeichert werden.. Hauptgesellschafterin ist die Allianz. Beteiligt sind die DAK sowie 90 weitere Krankenkassen und private Versicherer.

Ärzte Zeitung online (30.08.2018): Bewegung im Zwist um die E-Akte. Die Tür bleibt offen: Trotz fundamentaler Unterschiede beim Aufbau der elektronischen Patientenakte sprechen KBV und AOK-Verband noch miteinander.

September 2018


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AKTUELL: Nummer 7/2018

Telematik-Infrastruktur: ePatientenakte (ePA) und Patientenfach

Derzeit bestimmt die Diskussion um die elektronische Patientenakte die gesundheitspolitische Diskussion. Die in diesem Zusammenhang eingetretene Begriffsverwirrung (elektronische Fallakte, Patientenakte, Gesundheitsakte oder elektronische Patientenfach) hat auch damit zu tun, daß sich unterschiedlichste Anbieter mit außerordentlich unterschiedlichen (wirtschaftlichen) Interessen auf dem Markt tummeln: Private und gesetzliche Krankenversicherungen (z. B. AXA; in Planung: AOK Nordost, TK, sowie DAK, Innungskrankenkassen und einige PKVen: Vivy) sowie Medienunternehmen (Apple, Google, Microsoft).

Das erste Projekt von Google Google Health scheiterte 2008. Den NutzerInnen sollte ursprünglich ermöglicht werden, Daten verschiedener Anbieter zentral an einem Ort zu sammeln. Da es zuwenig Nachfrage gab, wurde das Projekt  im Januar 2012 eingestellt. Inzwischen hat Google ein neues Angebot gestartet: Google Fit. Hier geht es nun allerdings nicht mehr um einen Zentralisierung (aller) Gesundheitsdaten. Apple will hingegen gezielt in den Medizinmarkt einsteigen, hat bereits eine Reihe von Komponenten gestartet und strebt eine Zusammenarbeit mit Epic Systems an. Das Privatunternehmen verwaltet etwa die Hälfte aller Patientendaten in den USA!

Mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) soll sichergestellt werden, daß nur diejenigen Leistungen erhalten können, die auch tatsächlich gesetzlich versichert sind (online-Stammdatenabgleich durch niedergelassenen ÄrztInnen und Krankenhäuser). Auf der Gesundheitskarte können künftig Notfalldaten und ein Medikationsplan gespeichert werden. Weiter ist die Einführung der elektronischen Patientenakte und eines Patientenfachs geplant. Auf diese Weise sollen PatientInnenen besser über ihre Diagnosen und Therapien informiert sein.  Sie bekommen zudem erstmals die Möglichkeit, auch selbst Daten an ÄrztInnen zu übermitteln, denn über die digitale Infrastruktur sollen alle ÄrztInnen, ZahnärztInnen, Krankenhäuser, Apotheken und Versicherte angeschlossen sein. Derzeit plant der Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten (siehe Auch Beitrag AKTUELL: Nummer 5/2018). Weiter besteht eine Vorgabe von Gesundheitsminister Jens Spahn, daß Kassen ihren Versicherten bis Anfang 2021 eine Patientenakt zur Verfügung stellen müssen, die auch bei Kassenwechsel mitgenommen werden kann.

ePatientenakte:

Nach derzeitigem Stand sollen PatientInnen selbst darüber bestimmen soll, welche Daten gespeichert werden. Der Zugriff  auf die Daten soll nur durch das gleichzeitige Authentifizierung des elektronischen Arztausweises und der Versichertenkarte im Lesegerät erfolgen können. Der (noch nicht vorliegende) zweite Teil des E-Health-Gesetzes wird sich diesem Thema widmen.

Patientenfach:

"Zur Patientenautonomie gehört auch, dass der Patient das Recht hat, die medizinischen Daten seiner Gesundheitskarte einzusehen. Das können Patienten künftig nicht nur in der Arztpraxis, sondern auch in ihrem digitalen Patientenfach. Durch den Einblick in ihre Gesundheitsdaten haben Patienten die Möglichkeit, sich umfassend über ihre Diagnose und Therapie zu informieren und damit besser über ihre Gesundheit mitzuentscheiden. Zusätzlich können sie eigene Daten ins Patientenfach einpflegen, wie z. B. Blutzuckerwerte oder Patiententagebücher." (Zitat aus der Webseite des Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)

Gesundheitskarte:

"Der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten steht an erster Stelle. Die medizinischen Daten sind nicht einfach auslesbar, da sie verschlüsselt gespeichert werden. Nur mit der Gesundheitskarte, auf der der individuelle Schlüssel des Versicherten gespeichert ist, hat der Patient es selber in der Hand, die Daten wieder lesbar zu machen. Der Zugriff auf die Daten der Gesundheitskarte darf nur zum Zwecke der medizinischen Versorgung erfolgen. Zugriff hat nur ein enger, gesetzlich festgelegter Personenkreis. Hierzu gehören insbesondere Ärzte und Zahnärzte.

Um auf die medizinischen Daten der Gesundheitskarte zugreifen zu können, gilt das sogenannte Zwei-Schlüssel-Prinzip. Das bedeutet, dass sowohl der elektronische Heilberufsausweis des Arztes als auch die elektronische Gesundheitskarte des Versicherten notwendig sind. (Ausnahme: Der Patient greift außerhalb der Arztpraxis eigenständig auf das Patientenfach zu; hierfür sind besondere Verfahren vorgesehen.)

Der Versicherte stimmt dem Zugriff des Arztes zu, indem er seine Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät des Arztes steckt und seine PIN eingibt (Ausnahmen sind das Auslesen der Notfalldaten und – wenn der Patient dies wünscht – der Medikationsplan). Da außer dem Patienten selber niemand über den Schlüssel der Gesundheitskarte verfügt und es keinen "Generalschlüssel" gibt, können unberechtigte Dritte (Versicherungen, Behörden, Unternehmen) nicht auf die sensiblen medizinischen Daten des Versicherten zugreifen. Es ist immer klar, wer auf die Daten der Gesundheitskarte zugegriffen hat, weil die letzten 50 Zugriffe auf der Karte gespeichert werden." (Zitat aus der Webseite des Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz)


Ein Argument, daß immer wieder zu hören ist: Digitale Vernetzung führt zu mehr Effizienz im Gesundheitswesen! Doch stimmt das? Klare verifizierende Belege für die Hypothese sind ebenso wenig zu haben, wie eine Falsifikation. Zu befürchten ist, daß die Flut der Daten (z. B. mit unterschiedlichen Diagnosen mit zudem unterschiedlichen Erhebungszeiten) keineswegs dazu führt, daß es zu einer Arbeitserleichterung der sich untereinander austauschenden Leistungserbringer (Vorbefunde und -behandlungen) kommt.

Den Einsatz von E-Health-Anwendungen mit der Steigerung der Versorgungsqualität gleichzusetzen ist auch angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern (insbesondere nordische und baltische Staaten) gewagt und weckt Erwartungen, die vermutlich nicht nur nicht befriedigt, sondern enttäuscht werden dürften.

dejure org: Gesetzestext E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Begriffe A-Z: E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Fragen und Antworten zur elektronischen Gesundheitskarte und zum E-Health-Gesetz

Bundesministerium für Gesundheit: Gesetzliche Rahmenbedingungen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des Aufbaus der Telematikinfrastruktur

AXA: ePortal per Web und Gesundheitsapp (25.06.18)

Apple: Gesundheitswesen

Google: Google Fit

Microsoft: HealthVault

Swisscom: Evita Patientendossier

Vivy: Elektronische Gesundheitsakte mit persönlicher Assistentin

August 2018


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AKTUELL: Nummer 6/2018

TI in Österreich: Ein Vorgeschmack auf mögliche Entwicklungen

Nach heftiger Kritik hat die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Nachbesserungen bei der Gesetzesnovelle angekündigt, die die Weitergabe von Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ermöglichen hätte. Sie sprach sich nun gegen die Weitergabe von ELGA-Daten für Forschungszwecke aus und kündigte einen entsprechenden Abänderungsantrag für das Gesetz an.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) reagierte mit Erleichterung und begrüßte die Bereitschaft des Österreichischen Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Ärzteschaft grundsätzliche Verbesserungen des e-Befundes der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA zu evaluieren. Denn dieses befinde sich nicht auf dem aktuellen technischen Stand, biete keinen guten Ein- und Überblick über die Krankengeschichte von PatientInnenen und erfordere einen hohen Zeiteinsatz der ÄrztInnen, die dann nicht zur  Behandlung zu Verfügung stehe.

Ärztenachrichtendienst (12.04.18): Telematik in Österreich. Zuständige Ministerin rudert zurück. Nach heftiger Kritik an einer Gesetzesnovelle, die die Weitergabe von Patientendaten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) ermöglichen würde, kündigt die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein jetzt Nachbesserungen an. (Der Zugang zum Ärztenachrichtendienst ist beschränkt!)

Juli 2018


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AKTUELL: Nummer 5/2018

Telematik-Infrastruktur

Bereits seit vielen Jahren berichte ich regelmäßig über die mit der Telematik zusammenhängende Fragen (E-Health-Gesetz, eGK etc.), nicht zuletzt auch die Telematik-Infrastruktur. Durch widersprüchliche Äußerungen des neuen Gesundheitsministers Jens Span (seit März 2018 im Amt) konnte man in den letzten Monaten den Eindruck haben, als solle das Projekt (TI und eGK) gestoppt oder zumindest ein Moratorium eingeleitet werden.

Inzwischen aber ist der Bundesgesundheitsminister auf die alte Linie eingeschwenkt und will das am 1.01 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz wie geplant umsetzen. Neben dem Stammdatenabgleich sind eine Reihe von Anwendungen geplant (Medikationsplan, Telemedizinische Anwendungen, elektronischer Arztbrief, Notfalldaten auf der eGK, elektronische Patientenakte und Patientenfach). Derzeit plant der Bundesgesundheitsminister, daß Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet Zugang zu ihren Patientendaten erhalten.

Die Installation der Telematik-Infrastruktur stockt, da bislang nur wenige Konnektor-Zertifizierungen vorliegen. Daher ist sehr fraglich, ob die Zeitpläne zur flächendeckenden Einführung eingehalten werden können.

Interessanterweise gibt es inzwischen einen Anbieter, der ein (allerdings mit 2.500 Euro nicht sonderlich kostengünstiges) Paket zur Selbstinstallation anbietet - unabhängig von der verwendeten Praxissoftware: www.koco-shop.de. Die Softwarehäuser (so z. B. Psyprax) weisen allerdings daraufhin, daß es Probleme mit der Schnittstelle zur Abrechnungssoftware geben kann und der Support bei fremden Angeboten nicht sichergestellt ist.

Zuletzt hat die KBV mit den Krankenkassen über eine Anpassung der Erstattungspauschalen verhandelt, damit auch ab dem dritten Quartal 2018 der Anschluß ohne Eigenbeteiligung (so die gesetzliche Regelung) sichergestellt ist (www.kbv.de: Praxisnachrichten 31.05.18).

Die teils sehr berechtigten Proteste vieler KollegInnen gegen die TI (z. B. überhöhte Kosten, veraltete Technik, mangelnde Datensicherheit, Gefahr der Speicherung hochsensibler Daten auf zentralen Servern) lassen zumeist völlig außer Acht, daß nahezu alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden KollegInnen, bereits heute über die online-Abrechnung deutlich mehr personenbezogene Daten auf die Server der KVB überspielen (quartalsweise werden Stammdaten, Abrechnungsziffern, ICD-Diagnosen übermittelt) als das mit der Telematik geplant ist (Stammdatenmanagement). Allerdings können mit den geplanten Anwendungen in Zukunft weitaus mehr Daten übermittelt werden - im Unterschied zum Standatenabgleich ist hier allerdings die Einwilligung der PatientInnen erforderlich.

Juli 2018


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AKTUELL: Nummer 4/2018

Hinweise und Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (Neuauflage 2018) und Datenschutz-Check 2018

Die Hinweise und Empfehlungen zur Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung sind aktualisiert worden (Stand 16.02.2018). Neu ist die  "Datenschutz-Check 2018: Was müssen Arztpraxen angesichts der neuen Vorschriften zum Datenschutz tun?" Beide Veröffentlichungen sind über die Webseiten der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) abrufbar und wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

Deutsches Ärzteblatt (9.03.2018: A 1ff): Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis  (Stand 16.02.18)

Deutsches Ärzteblatt (9.03.2018: A 453ff): Datenschutz-Check 2018

März 2018


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AKTUELL: Nummer 3/2018

Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO)

Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren tritt am 25.05.2018 die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Zudem wurde das Bundesdatenschutz geändert bzw. angepaßt.

Mit der Datenschutzverordnung werden Unternehmer (auch ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) aber auch Vereine verpflichtet, Datenverarbeitungsprozesse zu systematisieren. Stichworte:

Ein/e Datenschutzbeauftragte/r muß benannt werden, wenn mehr als ein/e MitarbeiterIn ständig personenbezogene Daten verarbeitet. Nach Ansicht des zuständigen Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht gilt das nicht für eine ärztliche Einzelpraxis, da weniger als 10 Personen im regelmäßigen Umgang mit personenbezogenen Daten umgehen (Muster 5: Arztpraxis).

Derzeit ist davon auszugehen, daß auch die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für Psychotherapie (Ausbildung zum PP und KJP, Weiterbildung in Ärztlicher Psychotherapie) eine/n Datenschutzbeauftragte/n benötigen. Eine von mir gestellte Anfrage wurde noch nicht beantwortet. Die Frist zur Benennung einer/s Datenschutzbeauftragten wurde vom Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht bis in den Herbst 2018 verlängert.

In Bayern bestehen zwei Behörden im Bereich des Datenschutzes:

Der Bayerische Datenschutzbeauftragte für den Datenschutz (derzeit: Prof. Dr. Thomas Petri) ist für den öffentlichen Bereich in Bayern zuständig (Behörden und staatliche Stellen, Körperschaften des öffentlichen Rechts etc.).

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (Thomas Kranig) ist für die Einhaltung des Datenschutzrechts im nicht-öffentlichen Bereich in Bayern, zuständig, also für private Wirtschaftsunternehmen, FreiberuflerInnen, Vereine, Verbände und im Bereich des Internets.

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat eine Hotline für Vereine und ehrenamtlich Tätige in Bayern eingerichtet:

Tel.: 0981/53-1810 (Servicezeit von Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 19:00 Uhr).

Anmerkung: Die beiden nachfolgenden Links stammen von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen - ich habe sie aufgrund der übersichtlichen Darstellung der Gesetze ausgewählt:

Text der Datenschutzgrundverordnung (Anbieter: Intersoft Consulting): www.dsgvo-gesetz.de

Text des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (Anbieter: Intersoft Consulting): www.dsgvo-gesetz.de/bdsg

April 2018


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AKTUELL: Nummer 2/2018

BKA-Gesetz: Staatstrojaner

Teil IX

Noch nie gab es in der Geschichte der Bundesrepublik einen größeren, umfassenderen, weitreichenderen, heimlicheren und gefährlicheren Grundrechtseingriff: Das Bundeskriminalamt hat damit begonnen, sogenannte Staatstrojaner auf privaten Computern, Laptops und Handys zu installieren. Damit können sämtliche Daten ausgeleitet, damit kann das gesamte Computer-Nutzungsverhalten eines Menschen in Gegenwart und Vergangenheit überwacht werden.

Vor dem Zugriff ist nichts und niemand sicher; auf verschlüsselte Informationen - wie bei Whatsapp - wird schon zugegriffen, bevor sie verschlüsselt werden. Möglich ist auch der Live-Zugriff, also der heimliche Blick über die Schulter des Betroffenen. Die Eingriffsintensität sprengt alles bisher im Rechtsstaat Bundesrepublik Dagewesene.

So schreibt Heribert Prantl im seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung (27./28.01.2018). Ich kann dem nur zustimmen. Zwar geht die größte Gefahr des Mißbrauchs von personenbezogenen Daten heute von jenen aus, die Daten abgreifen, welche die Betroffenen selbst mehr oder weniger wissentlich (in sozialen Medien, Rabattkarten, ebay, online-Einkäufe, google, beim online-Zeitunglesen etc.) oder  unwissentlich (z. B. Leserbriefe, die ohne entsprechende Hinweise online gestellt werden) ins Internet eingespeist haben.

Doch hier greift der Staat Daten ab und dies auf äußerst perfide Art. Zwar geschieht dies nur mit richterlicher Genehmigung (die allerdings wohl nur selten verweigert werden dürfte, schon weil RichterInnen kaum Zeit für eine sorgfältige Prüfung haben) und - darauf weist Prantl hin:

die Voraussetzungen sind vage und die Fähigkeiten der Trojaner entfalten sich außer Kontrolle der Richter; die Betroffenen erfahren vom Zugriff irgendwann in ferner. Zukunft, wenn keine "Zweckgefährdung" mehr zu befürchten ist. Der Staatstrojaner ist der lebende Beweis dafür, dass in Terrorzeiten das staatliche Sicherheitsbedürfnis strukturell unstillbar ist. Deshalb ist die furchtbarste Eigenschaft des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte auf.

Das wäre an sich ein Grund für eine Demonstration gegen dieses Gesetz - doch der Aufschrei bleibt aus. Wir haben uns daran gewöhnt, daß sich das aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Grundgesetz) abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Zeiten des Terrors (den es immer gab, wenn auch in anderen Formen), des Sicherheitsdenkens bis hin zum -wahn und des Internets im Zustand des Siechtums befindet.

Es ist bezeichnend, wenn das BKA und PolitikerInnen statt von Staatstrojanern von der "Quellen-Telekommunikations-Überwachung" sprechen. Denn so wird versucht zu verdecken und zu verharmlosen worum es geht: Das Aushebeln von Grundrechten, die immer auch Abwehrrechte der Bürger gegen staatliche Eingriffe in ihre Freiheit und Rechte sind (status negativus). Völlig richtig also, wenn Prantl in seinem Kommentar "Staatstrojaner: Die digitale Inquisition hat begonnen" schreibt:

Wie schrieb das Verfassungsgericht einmal: Die freie und geschützte Kommunikation sei eine "elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen Staatswesens." Vorbei. Und das "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme", das die vom Bundesverfassungsgericht 2008 in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung proklamiert hat, ist nicht mehr viel wert.

Süddeutsche Zeitung (Druckausgabe v. 27./28.01.2018: 4): Heribert Prantl: des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte auf

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 26.01.18):  Heribert Prantl: Überwachung: Der Staatstrojaners frisst die Grundrechte auf

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 27.01.18) Heribert Prantl: Staatstrojaner: Die digitale Inquisition hat begonnen

Süddeutsche Zeitung (online-Ausgabe 26.01.18) Reiko Pinkert und Hakan Tanriverdi: Überwachung: Polizei spioniert Handynutzer mit Trojaner aus

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Januar 2018


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AKTUELL: Nummer 1/2018

Akten des Zulassungsausschusses: Kein Anspruch auf Datenlöschung (SG Düsseldorf, LSG Nordrhein-Westfalen 2017)

In einem Verfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) wurde die Berufung eines Arztes gegen das Urteil der Vorinstanz (Sozialgericht Düsseldorf, Beschluß vom 12.10.2016 Az.: S 33 KA 625/12) abgewiesen (Beschluß vom 28.06.17, Az.: L 11 KA 3/17), da diese nicht fristgerecht erhoben worden war (die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor).

Der Arzt war der Ansicht, die über ihn gespeicherten Daten (es ging insbesondere um Vorgänge im Zusammenhang eines mehr als 10 Jahre zurückliegenden Zulassungsentzug) dürften vom Zulassungsausschuß nicht weitergegeben werden. Die Akten enthielten unter anderem Informationen aus mehreren Strafverfahren sowie aus Verfahren über die Anordnung des Ruhens der Approbation und Entscheidungen des Zulassungs- und des Berufungsausschusses. Darunter befanden sich auch Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der Kläger habe mehrfach bzw. kontinuierlich seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt.

Der Arzt hatte sich zuletzt bei verschiedenen KVen vergeblich um die Zulassung als Vertragsarzt beworben. Aus seiner Sicht handelte es sich bei der Weiterleitung der nicht mehr aktuellen Sachverhalte um üble Nachrede oder eine falsche Verdächtigung; Akten über Sachverhalte, die mehr als zehn Jahre zurück lägen, dürften innerhalb der vertragsärztlichen Institutionen nicht weiter gegeben werden. Auch für ÄrztInnen dürfe die Aktenführung und Weitergabe von Akten nicht über die in anderen Lebensbereichen üblichen Bestimmungen hinausgehen.

Der Beschluß des LSG faßt das Urteil der Vorinstanz zusammen (Zitat aus dem Beschluß vom 28.06.17):

Mit Urteil vom 12.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auf eine isolierte Leistungsklage umgestellte Klage sei unzulässig. Die Entscheidung über die Löschung von Daten stelle einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, weshalb nicht die allgemeine Leistungsklage statthaft, sondern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erheben sei. Hierfür fehle es an einem abgeschlossenen Verwaltungs- und Vorverfahren als notwendiger Prozessvoraussetzung. Ob die ursprünglich formulierte Feststellungsklage zulässig gewesen wäre, könne dahin gestellt bleiben, weil der Kläger trotz entsprechender Hinweise auf den in der mündlichen Verhandlung formulierten Antrag bestanden habe. Jedenfalls sei die allgemeine Leistungsklage unbegründet, da das Begehren des Klägers einer rechtlichen Grundlage entbehre. Weder die für die Aktenführung des Beklagten in erster Linie maßgebliche Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) noch das SGB X oder das Datenschutzgesetz NRW enthielten Regelungen, die nach Ablauf bestimmter Fristen einen Anspruch auf Löschung von Daten vorsähen. Die Begründung von Mindestaufbewahrungsfristen in § 43 Ärzte-ZV sei nicht gleichzusetzen mit einer Verpflichtung zur Löschung von Daten bzw. Vernichtung von Akten nach Fristablauf. Auch § 84 SGB X sowie § 19 Datenschutzgesetz NRW enthielten keine Regelung, nach der Daten oder Aktenbestandteile nach Ablauf konkreter Fristen auf Antrag zu löschen wären. Aus den beiden Vorschriften ergebe sich allein, dass die speichernde Stelle Daten dann zu löschen habe, wenn sie die Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötige. Zulassungsgremien müssten jederzeit in der Lage sein, das Vorliegen bzw. Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen, namentlich der Geeignetheit des Vertragsarztes, zu überprüfen. Dabei seien sie auf die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanten Umstände angewiesen. Ein Rechtssatz, dass einzelne Informationen nach Ablauf bestimmter Fristen für diese Beurteilung keine Relevanz mehr hätten, existiere nicht. Ob und welche rechtlich vertretbaren Schlüsse aus länger zurück liegenden Sachverhalten gezogen werden könnten, sei vielmehr in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und daher Gegenstand des jeweiligen, die Zulassung betreffenden Verfahrens. Auch § 58a Heilberufsgesetz NRW begründe den geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht. Die Regelung beziehe sich allein auf die Verfahren zur Ahndung berufsrechtswidrigen Verhaltens von Angehörigen der Kammern für Heilberufe. Die spezialgesetzliche Regelung beanspruche keine Allgemeingültigkeit und könne nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden. Entsprechendes gelte auch für die weiteren vom Kläger herangezogenen Vorschriften.

Er beantragte wie schon in der Vorinstanz vor dem den Zulassungsausschuß zu verpflichten, Daten aus berufsrechtlich relevanten Verfahren, die nicht unmittelbar mit der Ausübung des ärztlichen Berufs in Zusammenhang stehen, in Fällen ohne Gerichtsverhandlung nach vier Jahren und in Fällen mit Gerichtsverhandlung nach zehn Jahren zu löschen.

Das LSG NRW wies die Klage wegen Fristversäumnis ab, der Beschluß des SG Düsseldorf ist damit rechtskräftig.

Anmerkung: Üblicherweise müßen personenbezogene Daten dann gelöscht werden, wenn der Zweck zu dem sie erhoben und verarbeitet wurden, erfüllt bzw. entfallen ist (vgl. Landesdatenschutzgesetze und § 20 Abs. 2 Ziff. 2 Bundesdatenschutzgesetz, § 84 SGB X). Zwar ist richtig, daß es hier keine Fristen gibt und im konkreten Fall ein Interesse der Zulassungsauschüsse bestehen kann, daß für die Zulassung relevante Daten über lange Zeit gespeichert und auch (an andere Zulassungsausschüsse) weitergegeben werden können. Tatsächlich stellt sich aber auch die Frage, ob das 'Recht auf Vergessen' nicht auch hier eine wichtige (und auch verfassungsrechtliche) Bedeutung hat.

Beschluß Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 28.06.17, Az.: L 11 KA 3/17

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet (§ 20 BDSD- Bundesdatenschutzgesetz)

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet (§ 84 SGB X-Sozialgesetzbuch Teil X)

Januar 2018


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2018


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AKTUELL: Nummer 16/2017

Datentransparenzverordnung wird überarbeitet

Mit der seit September 2012 bestehende Datentransparenzverordnung (DaTraV) wurde das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beauftragt (auch die Gesetzliche Krankenkassen hatten sich darum beworben). Das DIMDI hat nach  § 2 die Aufgabe der Datenaufbereitung und Vertrauensstelle (zuständig für die weitere Pseudonymisierung der bereits anonymisierten Daten, damit keine Rückschlüsse auf Versicherte sind) übernommen, räumlich, organisatorisch und personell jeweils eigenständig, d. h. getrennt durchgeführt werden müssen.

Hintergrund der Verordnung ist die Regelung in § 303a ff SGB V (Wahrnehmung der Aufgaben der Datentransparenz); sie wurde im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes 2012 eingeführt und löste die seit 2004 (Gesundheitsmodernisierungsgesetz) geltende Regelung ab (Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz: Spitzenverbände der Krankenkassen, später GKV-Spitzenverband und KBV).

Die Überarbeitung der Verordnung wird damit begründet, daß die vom Bundesversicherungsamt an das DIMDI gelieferten Daten zu wenig aktuell sind, das Datenangebot soll zudem für die Öffentlichkeit transparenter werden und auch in den Räumen des DIMDI einsehbar sein. Es gibt allerdings grundsätzliche Kritik am Verfahren, das bislang - und möglicherweise auch weiterhin - nicht in der Lage ist/sein wird interessenneutrales Versorgungswissen zu generieren.

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet - Verordnung zur Umsetzung der Vorschriften über die Datentransparenz

Bundesministerium der Justiz und den Verbraucherschutz: Gesetze im Internet - §§ 303a ff SGB V

DIMDI: Informationssystem Versorgungsdaten (Datentransparenz)

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 15/2017

Big Data und der Ethikrat - eine subtile Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung?
Stellungnahme des Deutschen Ethikrats "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" vom 30.11.17

In einer ausführlichen Stellungnahme "Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung" vom 30.11.17 schlägt der Deutsche Ethikrat eine weitreichende Reform im Umgang mit Gesundheitsdaten vor. Es geht dabei um eine neues,  anspruchsvolles und innovationsoffenes Regelungs- und Gestaltungskonzept, das sich vom geltenden Datenschutzrecht deutlich, man könnte auch sagen diametral, unterscheidet:

Wo sich tradierte Instrumente – wie die bislang gängige strikte Orientierung an Datensparsamkeit und enger Zweckbindung – als dysfunktional erweisen, müssen deshalb andere Möglichkeiten, individuelle Freiheit und Privatheit zu wahren und eine gerechte und solidarische Gesellschaft zu gestalten, in den Vordergrund treten. (173)

Der Ethikrat sieht die von ihm als Leitkonzept vertretene Datensouveränität als Möglichkeit, "Chancen, die Big Data im Gesundheitsbereich eröffnet, zu nutzen und zugleich den Risiken neuer Formen asymmetrischer Macht und dadurch bedingten Verlusten an individueller Selbstbestimmung sowie möglicher Benachteiligung und Diskriminierung wirksam entgegenzutreten" - durch hinreichender und geeigneter Schutzmechanismen und Gestaltungsstrategien (173). Fatalerweise nimmt er dafür sogar in Kauf, daß Eigentumsrechte der Betroffenen an ihren personenbezogenen Daten eingeschränkt werden! (siehe Abschnitt  "B1.3 Rechtsprobleme eines vermeintlichen Eigentums an Daten klären": 177f).

Noch drastischer wird es, wenn sich der Ethikrat in seinen Empfehlungen (S. 173 ff) unter der Überschrift "B. Individuelle Freiheit und Privatheit sichern" einleitend schreibt:

Die Bereitschaft, personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen, ist als Teil der informationellen Freiheitsgestaltung der Datengeber zu verstehen. Deshalb müssen sie dazu befähigt werden, souverän mit diesen Daten umzugehen und ihre Privatsphäre zu gestalten. Zudem müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um entsprechend angemessene Handlungsspielräume zu garantieren. (177)

Hier wird nicht mehr von Menschen, von BürgerInnen eines Rechtsstaates gesprochen, sondern von "Datengebern" (ein Begriff mit Potential für das "Unwort des Jahres"). Und diese 'Objekte' müssen befähigt werden, mit ihren Daten und ihrer Privatsphäre umzugehen - von einem Staat, der die Daten der Datengeber zu gesundheits-, forschungs- und versorgungspolitischen Zwecken benötigt und verwendet.

Der Absatz erinnert an eine den gesundheits- und forschungspolitischen Interessen angepaßte Fassung von Orwells 1984. Aus meiner Sicht ist die Haltung, die hier zum Ausdruck kommt, eines Gremiums, das sich als "Deutscher Ethikrat" bezeichnet, nicht würdig.

In einem Sondervotum hat Dr. med. Christiane Fischer (als eines von 26 Mitgliedern des Ethikrates) die Stellungnahme kritisiert. Sie schreibt einleitend:

Analog zur medizinischen Ethik, die den Nutzen für das Individuum in den Mittelpunkt stellt und nach dem Grundsatz nihil nocere die Schadensabwehr in jedem einzelnen Fall zur obersten Maxime macht, gilt es auch im Umgang mit den Chancen und Risiken großer Datenmengen, die unveräußerlichen Rechte des Individuums und seine Selbstbestimmung als Maßstab für gesellschaftlichen Fortschritt zu nehmen. Diese Rechte stehen nicht im Widerspruch zum Gemeinwohl, sie sind vielmehr für einen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat konstitutiv. Die Bedürfnisse der (Gesundheits-)Wirtschaft nach immer umfassenderem Einblick in die Lebensäußerungen der Menschen sind dies nicht. (...)

Big Data erweist sich erst dann als nutzbringend für die Gesundheitsvorsorge und die Medizin, wenn der oder die Einzelne als EigentümerIn seiner/ihrer personenbezogenen Daten zu jedem Zeitpunkt entscheiden kann, wem er oder sie diese in welchem Umfang auch im Falle der Sekundärnutzung offenlegen will. (186)

Aus ihrer Sicht bedarf es einer Bestätigung und Ausweitung der Prinzipien der Datensparsamkeit und Zweckbindung, da diese einen Ausbau des Persönlichkeitsschutzes und des Datenschutzes und somit die Implementierung einer bestmöglichen Datensouveränität gewährleisten:

Diese muss einen höheren Stellenwert auch gegenüber Forschungsinteressen behalten.

Sie spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Datenschutz-Folgenabschätzung sowie eine Datensouveränität aus, die im Gegensatz zur Empfehlung des Ethikrats (Abschnitt B1.3) "auch das Eigentum an personenbezogenen Daten und somit eine absolute Ausschlussmacht gegenüber Dritten bedeutet". Die Datensouveränität ist ein so hohes Gut, daß diese auch strafrechtlich abzusichern ist.

Nur so kann die der informierten Einwilligung zugrunde liegende Selbstbestimmung gewährleistet werden.

Im Hinblick auf die "technische Realisierung der Auswertung von Datenmassen" gehe es um eine rechtlich Be- bzw. Einschränkung, damit  "Anwendungen möglich sind, jedoch personenbezogener Missbrauch verhindert wird". Notwendig seien analog dem Gendiagnostikgesetz  "dezidierte Verbote von diskriminierenden Verwendungen personenbezogener Daten (...). Die Speicherung und Analyse personenbezogener Daten sollte daher nur im eng definierten Rahmen erlaubt sein. Missbräuchliche Datenzugriffe auch bei Sekundärnutzung müssen strafrechtlich sanktioniert werden" (wirksame Abschreckung durch die finanziell effektive Ahndung von Verstößen).

Erfreulicherweise äußert Frau Fischer auch Kritik an der bestehenden Rechtslage im Bereich den Umganges mit Gesundheitsdaten:

Festzustellen ist weiterhin, dass es in diesem Bereich weniger ein Regeldefizit als ein massives Vollzugsdefizit gibt. (187)

Wer sich wie ich seit mehr als 30 Jahren mit Fragen des Datenschutzes und der Schweigepflicht im psychosozialen Bereich und im Gesundheitswesen beschäftigt weiß, daß nicht nur administrative, sondern den Kernbereich der Persönlichkeit berührende Daten - oft auch ohne jedes Unrechtsbewußtsein - unbefugt an Dritte übermittelt werden! Besonders erschreckend dabei ist, daß dies auch bei Angehörigen von Berufsgruppen der Fall ist, bei denen Vertraulichkeit eine, wenn nicht die zentrale Voraussetzung für ihre berufliche Tätigkeit darstellt: ÄrztInnen, Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen.

Abschließend formuliert die Autorin in ihrem Sondervotum Bedingungen, die aus ihrer Sicht entscheidend dafür sind, ob Big Data im Gesundheitsbereich eher Chancen oder vermehrt Risiken bietet (187ff):

Ich stimme dem Sondervotum und dem Fazit zu, das Frau Fischer zieht:

Sollte ein umfassender Datenschutz, die Umsetzung effektiver Anonymisierungs- und Pseudoanonymisierungsstandards und das Recht auf Vergessen nicht gewährleistet werden können, wäre ein Verzicht auf die Nutzung von Big Data zu Forschungszwecken oder anderen Anwendungen die notwendige Folge. (189)

Anmerkung: Was ich über die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates hinaus erschreckend finde ist, daß es kaum Kritik an ihr gibt! Das ist kein gutes Zeichen, denn es deutet darauf hin, daß sich unsere Gesellschaft (und auch andere Gesellschaften weltweit) in einem weitreichenden Wandel befindet, der eine Erosion grundgesetzlich geschützter Werte - insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und speziell das daraus abgeleitete Recht der informationellen Selbstbestimmung - beinhaltet.

Deutscher Ethikrat: Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung. Stellungnahme 30. November 2017

Deutscher Ethikrat (www.ethikrat.org): Publikationen, Veranstaltungen Presse zum Thema Big Data

Ärzte Zeitung online v. 30.11.2017: Ethikrat - Datenschutz-Konzept für Big Data. Statt der informationellen Selbstbestimmung schlägt der Rat das forschungsfreundliche Konzept der "Datensouveränität" vor. Von Florian Staeck

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 14/2017

Änderung des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen: Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

(Teil II)

Im Beitrag 5/2017 habe ich bereits über das Thema ausführlich berichtet. Die Rechtsvorschrift wurde nun geändert und ist mit Wirkung zum 9.11.17 in Kraft getreten.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte" zu diesem Thema Stellung genommen:

Schutz von Patientendaten bei Mitwirkung von Dritten

Verpflichten Sie alle Personen zur Geheimhaltung, die an Ihrer Berufsausübung im weitesten Sinne mitwirken. Tun Sie das nicht, setzen Sie sich dem Risiko aus, sich strafbar zu machen (§ 203 Strafgesetzbuch „Verletzung von Privatgeheimnissen“). Dies hat der Gesetzgeber im "Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen" neu geregelt.

Bisher gab es Unklarheiten, wie es zu bewerten ist, wenn ein Psychotherapeut beispielsweise einen EDV-Dienstleister nutzt, der über Administratorrechte auch Zugriff auf Patientenakten hat. Eigene Angestellte des Psychotherapeuten durften bisher Zugriff auf Patientendaten haben, ohne dass dies zur Strafbarkeit des Psychotherapeuten führte. Nicht ausdrücklich geregelt war jedoch, wie sich das bei externen Dienstleistern darstellt.

Psychotherapeuten dürfen jetzt ausdrücklich "fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist". Wenn also ein EDV-Dienstleister Administratorrechte haben muss, um die EDV zu betreuen, dann macht sich der Psychotherapeut nicht strafbar, wenn er dem EDV-Dienstleister diese einräumt. Allerdings muss er dann den EDV-Dienstleister verpflichten, alle Daten geheim zu halten, die er im Rahmen des Auftrags erhält. Erfolgt dies nicht, so macht sich der Psychotherapeut strafbar, wenn der EDV-Dienstleister die Daten weitergibt.

(Broschüre Praxis-Info Patientenrechte 1. Auflage, Stand: November 2017: 19)

Bundesgesetzblatt (BGBL) 2017 Teil I Nr. 71, ausgegeben zu Bonn am 8. November 2017: Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (vom 30. Oktober 2017)

Bundesministerium der Justiz und für den Verbraucherschutz: Gesetzgebungsverfahren 30. Oktober 2017: Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Bayerische Landesärztekammer (BLÄK): Neue Regelungen zur Schweigepflicht bei Einbindung externer Personen

Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Praxis-Info Patientenrechte (1. Auflage, Stand: November 2017)

ArchivTeil I

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 13/2017

Neue Praxis-Info "Patientenrechte" der Bundespsychotherapeutenkammer

Ich zitiere nachfolgend aus der Mitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer v. 1. Dezember 2017: Neue Praxis-Info "Patientenrechte" (www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/neue-praxis-4.html):

BPtK gibt Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag

Die Bundespsychotherapeutenkammer informiert in ihrer Praxis-Info "Patientenrechte" über die zentralen rechtlichen Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Patientenrechtegesetz ergeben.

Die Broschüre enthält dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Psychotherapeuten. Die behandelten Themen reichen vom Abschluss des Behandlungsvertrages über die Aufklärung und Information des Patienten sowie die Dokumentation in einer Patientenakte und deren Einsichtnahme bis hin zur Aufbewahrung nach Abschluss der Behandlung. Auf die Frage der Einwilligungsfähigkeit minderjähriger Patienten wird ebenso eingegangen wie auf die neuesten Änderungen im Strafgesetzbuch zur Schweigepflicht bei der Mitwirkung von Dritten.

In der übersichtlichen Broschüre werden PsychotherapeutInnen über die wesentlichen Aspekte der Partientenrechte informiert. Aus dem Inhalt:

Behandlungsvertrag, (Behandlung und Honorar, grundsätzlich nicht schriftlich, Behandlungskosten, Privatversicherte, IGeL-Leistungen und Selbstzahler)

Information und Aufklärung des Patienten (Informationspflichten, Ausnahmen von der Informationspflicht, Kriseninterventionen, Patient verzichtet, Behandlungsfehler, Beweisverwertungsverbot)

Einwilligung

Aufklärung (wesentliche Umstände, Alternativen zur Behandlung, mündlich, rechtzeitig, nicht zwingend durch den Behandelnden, Ausnahmen)

Einwilligungsunfähige Patienten (Einwilligungsfähigkeit bei Minderjährigen, Unterschied zwischen einwilligungs- und geschäftsfähig, Zustimmung beider Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht, Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil)

Dokumentation (unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang, Inhalt der Dokumentation)

Einsichtnahme (gesamte Patientenakte, erhebliche therapeutische Gründe, Stempel von Kliniken auf Arztbriefen,  "Geheimnisse" von Jugendlichen und Eltern, keine Einschränkung zum Schutz des Psychotherapeuten, Kopien der Patientenakte, Einsichtnahme nach Tod des Patienten)

Haftung und Schadensersatz

Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Praxis-Info Patientenrechte (1. Auflage, Stand: November 2017)

Dezember 2017


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AKTUELL: Nummer 12/2017

Die (verfassungsrechtlichen) Grenzen des Rechts auf Einsicht in die Behandlungsdokumentation (§ 630g BGB)

Teil III (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Im November 2015 beschloß der 74. Bayerische Ärztetag den Entschließungsantrag des Vorstands zur Änderung der Berufsordnung (BO) für die bayerischen ÄrztInnen. Demnach sollte § 10 Absatz 2 Satz 1 BO künftig lauten:

Der Arzt hat dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe odererhebliche Rechte des Arztes oder Dritter entgegenstehen.

Die Rechtsaufsicht (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) hatte bereits im Vorfeld Bedenken gegen diese Änderung erhoben und regte eine Modifizierung an, um die Versagung der Genehmigung (gemäß § 20 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz) zu vermeiden. Das Ministerium schlug die folgende Formulierung vor:

Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn und soweit diese Einblicke in seine Persönlichkeit geben und sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Ungeachtet dessen wurde die ursprüngliche Fassung vom Ärztetag verabschiedet und die Genehmigung von der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) bei der Rechtsaufsicht beantragt. Diese versagte mit Bescheid vom 12.11.15 die Genehmigung.

Im Dezember 2015 klagte die BLÄK vor dem Verwaltungsgericht München (BayVG) gegen den Bescheid.

Das BayVG urteilte im September 2016, daß

Das Gericht stellt in seiner Begründung auf den Gesetzestext des § 630g BGB und die zugehörige Gesetzesbegründung ab, nach der auch persönliche Eindrücke des Behandelnden grundsätzlich offen zulegen sind und ein begründetes Interesse an einer Einsichtsverweigerung im Regelfall nicht besteht. Auch die herangezogene  Kommentarliteratur zu § 630g BGB gehe nach Ansicht des Gerichts davon aus, daß persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der ÄrztInnen von PatientInnen (da Ausnahmen vom Gesetz insoweit nicht vorgesehen sind) "angesichts des starken Schutzbedürfnisses von dessen grundrechtlich geschützten Informationsinteresse offenzulegen" sind. "Der Arzt soll sich ausnahmsweise im Einzelfall auf [den] Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrecht berufen können."  (MedR 2017, 35: 583).

Interessant ist, daß das Gericht dem Argument der BLÄK, wortgleiche Regelungen seien in anderen Bundesländern rechtsaufsichtlich genehmigt worden bzw. würden geduldet, keine Bedeutung beimißt: der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte hier nicht und "entscheidend sind alleine Vorgaben des BGB" (ebd.).

Auf dem 76. Ärztetag (November 2017) wurde nunmehr eine Neufassung der Änderung der Berufsordnung (mit Wirkung zum 1.1.2018) beschlossen:

Der Arzt hat dem Patienten auf sein Verlangen in die ihn betreffende Dokumentation unverzüglich Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Damit übernimmt nähert sich die BLÄK der Formulierung der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Bayern (und der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer) in § 11 Abs 2, Satz 2 und 3 an:

Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt.

Anmerkung: Ganz im Sinne von Shakespeare: Viel Lärm um Nichts! (Protagonist; ein verbitterter, eifersüchtiger Don Juan). Das Geld der ÄrztInnen für das Verfahren hätte man sich sparen können - auch und vor allem angesichts der Tatsache, daß sich bereits viele Juristen und Psychotherapeutenkammern mit der Angelegenheit ausführlich beschäftigt haben!

Das VG München stellt in seinem Beschluß auf die Berufsgruppe der ÄrztInnen ab (Anlaß war ja ein Beschluß des Bayerischen Ärztetages). Die Entscheidung bezieht sich aber auf alle Berufsgruppen, die durch den zivilrechtlich geregelten Behandlungsvertrag (§§ 630a-f BGB) erfaßt werden, insbesondere auch Psychologische PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und HeilpraktikerInnen (oder HP beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie).

Speziell für PsychotherapeutInnen, die ein Verfahren anwenden, daß auf der Psychoanalyse (bzw. Tiefenpsychologie) beruht, in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind das die tiefenpsychologisch fundierte  sowie die analytische Psychotherapie, spielt die Rechtsauffassung des Gerichts (und in der Kommentarliteratur) eine wichtige Rolle: Geht es bei einer Aufzeichnung um höchstpersönliche Daten der BehandlerInnen (z. B. Gegenübertragungseinfälle, welche die Gefühle der/s Behandlerin/s betreffen oder eigene biographische Erlebnisse betreffen; Gegenübertragungsträume), wird eine Verweigerung der Einsichtnahme in diesen Teil der Aufzeichnung erwogen werden können.

Allerdings ist zu bedenken, daß es hier um das Berufsrecht ging und keineswegs sicher ist, daß sich Zivilgerichte bei entsprechenden Verfahren (Klage auf Schadensersatz/Schmerzensgeld) der Ansicht des VG München anschließen würden - was aus meiner Sicht sehr wünschenswert wäre! In diesem Sinne äußert sich auch J. Rautschka-Rücker (ehemaliger Justitiar der hessischen Kammer) in seinen Anmerkungen zu dem Urteil in der Zeitschrift Medizinrecht (35: 583f).

Bayerisches Verwaltungsgericht München: Urteil vom 27.09.2016 - M 16 K 15.5630; In: Medizinrecht-MedR (2017) 35: 581-584

online (bayern.recht - Bayerische Staatskanzlei): www.gesetze-bayern.de

Presseinformation der Bayerischen Landesärztekammer v. 23.10.2017: Einsichtnahme in die Patientenakte

Berufsordnung der PTK Bayerin (i. d. Fassung v. 18.12.2014)

Archiv: Teil II & Teil I

November 2017


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AKTUELL: Nummer 11/2017

Die Ausstattung von Praxen, Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Apotheken mit TI-Konnektoren und eHealth-Kartenterminals steht kurz bevor

Trotz erheblicher Bedenken im Hinblick auf den Datenschutz, die Datensicherheit (zentrale Server) und die (immensen) Kosten steht die Ausstattung von Praxen, Krankenhäusern, Kliniken, Rehabilitationszentren und Apotheken mit neuer Hardware (sogenannten TI-Konnektoren und stationäre Kartenterminals (eHealth-Kartenterminals) unmittelbar bevor. In einem ersten Schritt müßen mit der neuen Technologie die Gesundheitskarten der Versicherten online verifiziert werden (Versichertenstammdatenabgleich). Der Gesetzgeber hat mit dem eHealth-Gesetz die Anbindung der Praxen und anderen Einrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI) der gematik vorgeschrieben.

In einem Beitrag in der Zeitschrift Ossietzky hat sich Prof. Dr. Rudolph Bauer (ehemals Uni Bremen) kritisch mit den dem Projekt und insbesondere auch mit den wirtschaftlichen Verflechtungen beschäftigt: "Pleiten, Pech und Pannen – plus Profite" (der Autor und der Verlag haben mir freundlicherweise erlaubt, den Beitrag hier als pdf-Dokument zur Verfügung zu stellen.

Bauer, R. (2017 ): Pleiten, Pech und Pannen – plus Profite. Ossietzky – Zweiwochenzeitschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft, Heft 14/2017

KBV: Die Anbindung Ihrer Praxis an die Telematikinfrastruktur (Stand: 23.05.17)

Gematik: Dokumente zum Datenschutz und zur Datensicherheit (Übergreifendes Sicherheitskonzept der Telematikinfrastruktur Verwendung kryptografischer Algorithmen in der Telematikinfrastruktur)

September 2017


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AKTUELL: Nummer 10/2017

Für Kopien der Patientenakte können Kosten auch vorab in Rechnung gestellt werden (OLG Saarland)

Neben der Einsichtnahme in die Patientenakte können PatientInnen auch Kopien des (vollständigen) Inhalts verlangen. Sie haben dann die entsprechenden Kosten (keine Arbeitszeit, sondern Kopierkosten sowie Portokosten) zu tragen (vgl. § 630g BGB).

Das Oberlandesgericht des Saarlandes hat mit Urteil vom 16.12.16 (AZ 1U 57/16) nicht nur bekräftigt, daß die Kosten zu erstatten sind, sondern, daß auch - mit Verweis auf § 811 BGB - eine Vorleistungspflicht desjenigen besteht, der die Kopien verlangt hat (in der Regel also die/der PatientIn). Im aktuellen Fall ging es um den nach einer stationären Behandlung einige Monate später verstorbenen Ehemann und die Frage der Geltendmachung etwaiger Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruche durch die Ehefrau; die Klinik stellte Kopierkosten in Höhe von 549,17 € in Rechnung. Die Höhe der Kosten war nicht Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung.

Urteil des Oberlandesgericht des Saarlandes v. 16.12.16 (AZ 1U 57/16)

September 2017


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AKTUELL: Nummer 9/2017

Die Vorratsdatenspeicherung ist ausgesetzt! Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17 (Az. 13 B 238/17)

Auf dem Hintergrund eines Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen hat die für die für die technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen zuständig Bundesnetzagentur die ab Juli geltende Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung für Internetprovider und Telefonanbieter – bis zum Urteil im Hauptverfahren – ausgesetzt.

Das OVG NRW hat am 27.06.17 entschieden, daß ein Internet-Zugangsanbieter (der Internetprovider SpaceNet aus München) von der Pflicht zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung befreit ist, weil das Gesetz zur Vorratsspeicherung aus Sicht der Richter  "unterschiedslos ohne jede personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung nahezu sämtliche Nutzer" treffe. Damit greife es unverhältnismäßig tief in europäische Grundrechte ein.

Angesichts der "bereits feststehenden objektiv-rechtlichen Unrechtswidrigkeit der Speicherpflicht" besteht daher "schon im Ausgangspunkt keine legitimen öffentlichen Interessen an einem vorläufigen Vollzug" des Gesetzes.

Zusammenfassung (des Gerichts):

Die im Dezember 2015 gesetzlich eingeführte und ab dem 1. Juli 2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, die bei der Nutzung von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw. – im Fall von Standortdaten – 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar. (Az. 13 B 238/17)

Urteil Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen v. 22.06.17:  Az. 13 B 238/17

AK Vorratsdatenspeicherung: www.vorratsdatenspeicherung.de

Juli 2017


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AKTUELL: Nummer 8/2017

Auseinandersetzung um den digitalen Nachlaß einer 15-jährigen bei Facebook: Die Eltern haben keinen Anspruch auf Zugriff (Urteil des KG Berlin v. 31.05. 2017, Az. 21 U 9/16)

Nach dem Tod ihrer 15-jährigen Tochter wollten die Eltern Einblick in deren Facebook-Konto nehmen. Die junge Frau starb auf ungeklärte Weise auf den Gleisen der U-Bahn und die Eltern erhofften sich in den Nachrichten und Posts auf Facebook Hinweise auf die Umstände ihres Todes. Hinzu kam, daß der betroffene U-Bahn-Fahrer Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls gegen die Eltern geltend gemacht hatte. Die Eltern verfügten zwar über die Zugangsdaten, konnten jedoch auf das in den "Gedenkzustand" gesetzte Konto nicht zugreifen und Facebook verweigerte den Zugriff.

Ende 2015 hatte das Landgericht Berlin zunächst zugunsten der Eltern (hier Mutter) entschieden und Facebook dazu verpflichtet, den Eltern als Erben der verstorbenen Tochter und Facebook-Nutzerin Zugang zu deren Benutzerkonto (einschließlich dessen Inhalte) zu gewähren.

Die Richter waren der Ansicht, der Vertrag mit Facebook sei, wie hinterlassene Briefe und Tagebücher, Teil des Erbes. Das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Kindes stehe dem nicht entgegen, denn als Sorgeberechtigte hätten die Eltern das Recht zu wissen, worüber ihr minderjähriges Kind im Internet kommuniziere - zu Lebzeiten und nach seinem Tod.

Bei einer weiteren Klage von dem KG Berlin scheiterte eine Einigung der Streitparteien. Facebook befürchtete, daß durch die Offenlegung von Nachrichten Dritte betroffen wäre, die mit 15-Jährigen in der Annahme gechattet haben, in der Annahme dass die Inhalte vertraulich bleiben würden. Umgekehrt verweigerten sich die Eltern dem Vorschlag der Richter, die Chatverläufe mit geschwärzten Namen an die Eltern herauszugeben. Sie fürchteten aber, dass Facebook nicht nur Namen unkenntlich machen könnte, sondern darüber hinaus auch wichtige Textpassagen - die nach Ansicht von facebook Rückschlüsse auf die jeweiligen KommunikationspartnerInnen zulassen könnten.

Letztinstanzlich hat nun das Kammergericht (KG) Berlin für Facebook entschieden und die Klage abgewiesen. Aus der Sicht des Kammergerichts steht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde zugelassen.

Anmerkung: Beide Entscheidungen sind partiell überaus problematisch. Nach Ansicht des LG Berlin überwiegt das Sorgerecht das Persönlichkeitsrecht der 15-Jahrigen. Da in der Regel (Ausnahmen sind durchaus denkbar, wurde hier aber nicht erörtert) Kinder in diesem Alter in der Lage sind selbständig über ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht zu entscheiden (entscheidend ist die Einsichtsfähigkeit) muß für Facebook gelten, was auch für die Einsicht in etwaige Behandlungsunterlagen (ärztliche, psychotherapeutische Behandlungen) gilt. Ein Zugriff nach dem Tod ist in der Regel nicht zulässig, es sei denn, es ginge um vermögensrechtliche Ansprüche der Erben (z. B. Behandlungsfehler). Das könnte in diesem Fall allerdings gegeben sein (siehe Anspüche des U-Bahnfahrers gegen die Eltern als Erben).

Das KG Berlin verweigert den Zugriff - im Grundsatz richtig - aber eben mit der Einschränkung, daß geprüft hätte werden müssen, ob etwaige vermögensrechtliche Ansprüche der Erben ein - wie auch immer geartetes - Einsichtsrecht begründen.

Urteil des Kammergerichts Berlin v. 31.05. 2017:  Az. 21 U 9/16

Urteil des LG Berlin vom 17.12.15: Az. 20 O 172/15

Juni 2017


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AKTUELL: Nummer 7/2017

Rechtsanwalt Thomas Wiedemann: Die Patientenakte und ihr sicherer Umgang

Unter dieser etwas verwirrenden Überschrift informiert der Rechtsanwalt für Medizinrecht der PVS holding, Thomas Wiedemann, kurz und für Laien verständlich über das Einsichtrecht in die Behandlungsdokumentation.

Kritisch anzumerken ist, daß es bei der Frage, ob Eltern Einsicht in die Behandlungsunterlagen ihrer Kindern nehmen können, nicht auf deren Geschäfts(un)fähigkeit ankommt, sondern auf ihre Einsichtsfähigkeit. Kinder können in aller Regel ab dem 14. Lebensjahr selbständig entscheiden, ob Dritte (auch die sorgeberechtigten Eltern!) Einsicht nehmen können, da die entsprechende Einsicht ab diesem Alter vorliegt (die Schweigepflichtigen müssen sich allerdings im Einzelfall davon überzeugen, daß kein Ausnahmefall vorliegt).

Anmerkung: Die PVS holding ist ein privater Dienstleister zur Abrechnung ärztlicher/psychotherapeutischer Leistungen.

Zeitschrift PVS Einblick. Das Magazin der PVS holding (Seite 18f): Thomas Wiedemann: Die Patientenakte und ihr sicherer Umgang; www.ihre-pvs.de/fileadmin/epaper/pvs_einblick_17-02/#18

Juni 2017


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AKTUELL: Nummer 6/2017

Änderung des § 294a Sozialgesetzbuch, Buch V (SGB V): Mitteilung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschäden

Am 16.2.2017 hat der Bundestag die Mitteilungspflicht von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen (die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig werden) gegenüber den Krankenkassen (§ 294a SGB V) in Fällen gesundheitlicher Folgen von Misshandlung und sexueller Gewalt bei Erwachsenen (sexuelle Übergriffe, Nötigungen, Vergewaltigungen)  eingeschränkt und von der ausdrücklichen Einwilligung der (volljährigen) Betroffenen abhängig gemacht. Die Änderung ist am 11.4.2017 in Kraft getreten (siehe Satz 2):

Satz 1:

Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.

Satz 2:

Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung, einer Vergewaltigung oder einer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sein können, besteht keine Mitteilungspflicht nach Satz 1.

Satz 3:

Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung einer oder eines volljährigen Versicherten sein können, besteht die Mitteilungspflicht nach Satz 1 nur dann, wenn die oder der Versicherte in die Mitteilung ausdrücklich eingewilligt hat.

Bei Kindern und Jugendlichen bestand (Gesundheitsschäden infolge von Mißhandlung, sexueller Gewalt oder Vernachlässigung) bestand schon bisher keine Meldepflicht.

Gesetzestext: § 294a SGB V

Mai 2017


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AKTUELL: Nummer 5/2017

Geplante Änderung des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) - Verletzung von Privatgeheimnissen: Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

(Teil I)

Von der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat der Bundestag hat am 27. April 2017 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen in erster Lesung beraten. Die Vorlage wurde im Anschluß  in den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur weiteren Beratung übermittelt und soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.

Hintergrund der Änderung ist der zunehmend notwendige Einsatz von Hilfskräften (etwa NotarInnen, SteuerberaterInnen, WirtschaftsprüferInnen) und auch der Einsatz von IT-ExpertInnen bei BerufsgeheimnisträgerInnen. Zum Betrieb, zur Einrichtung, Wartung und Anpassung entsprechender informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und Systeme sind die Berufsgehilfen (z. B. Praxispersonal) in aller Regel nicht in der Lage, so daß die Dienste von Dritten, die nicht der Schweigepflicht unterliegen, in Anspruch genommen werden müßen.

Daher soll ein neuer Absatz 3 in § 203 StGB eingefügt werden:

Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.

Damit würde das Offenbaren von (geschützten) Geheimnissen gegenüber Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Personen erforderlich ist  - auch ohne Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen - keine Straftat darstellen. Dafür ist im Gegenzug vorgesehen, die Mitwirkenden in die Strafvorschrift mit einzubeziehen. Sie würden bei einem Verstoß gegen § 203 StGB eine Straftatbegehen. Weiter werden strafbewehrte Sorgfaltspflichten der BerufsgeheimnisträgerInnen bei der Einbeziehung und Kontrolle Dritter eingeführt.

Zur Begründung des Gesetzentwurfes heißt es aus dem Bundesjustizministerium:

§ 203 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt den Schutz von Geheimnissen vor unbefugter Offenbarung sicher, die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen (zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut werden. Insbesondere die Digitalisierung hat es in den letzten Jahrzehnten möglich und erforderlich gemacht, in weiterem Umfang als bisher anfallende Unterstützungstätigkeiten nicht durch eigenes Personal erledigen zu lassen, sondern durch darauf spezialisierte Unternehmen oder selbständig tätige Personen. Hierzu gehören beispielsweise auch die Einrichtung, der Betrieb, die Wartung und die Anpassung informationstechnischer Anlagen. Die Heranziehung dritter, außerhalb der eigenen Sphäre stehender Personen zu diesen unterstützenden Tätigkeiten ist für Berufsgeheimnisträger aber nicht ohne rechtliches Risiko, sofern diese Personen damit von geschützten Geheimnissen Kenntnis erlangen können. Der Entwurf sieht daher eine Einschränkung der Strafbarkeit nach § 203 StGB vor. Ausdrücklich nicht der Strafbarkeit unterfallen soll zukünftig das Offenbaren von geschützten Geheimnissen gegenüber Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken, soweit dies für die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Personen erforderlich ist. Im Gegenzug sollen diese mitwirkendenden Personen in die Strafbarkeit nach § 203 StGB einbezogen werden. Darüber hinaus werden für Berufsgeheimnisträger strafbewehrte Sorgfaltspflichten normiert, die bei der Einbeziehung dritter Personen in die Berufsausübung zu beachten sind.

Begleitend soll mit dem Entwurf für die Berufsgeheimnisträger im Bereich der rechtsberatenden Berufe normiert werden, unter welchen Voraussetzungen sie Dienstleistungen auslagern dürfen, bei deren Erbringung der Dienstleister Kenntnis von Daten erhält, die der Verschwiegenheit unterliegen. Hierbei soll auch festgelegt werden, welche Pflichten dabei im Hinblick auf die Wahrung der Verschwiegenheit zu beachten sind. Hierzu sollen die Bundesrechtsanwaltsordnung, die Bundesnotarordnung und die Patentanwaltsordnung angepasst werden. (siehe Link: Bundesjustizministerium 15.Februar 2017)

Anmerkung: Grundsätzlich ist die Initiative der Bundesregierung zu begrüßen, beseitigt sie doch einen Zustand, der in der Vergangenheit und Gegenwart viele PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen zu StraftäterInnen macht bzw. gemacht hat: Erfolgt eine Zugang eines Softwarehauses zum Praxiscomputer (vor Ort oder über Fernwartung, was heute bereits Standard ist) stellt dieses - soweit nicht von allen betroffenen PatientInnen eine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt - eine unbefugte Offenbarung und mithin eine Straftat vor.

Noch unklar und diskussionswürdig sind allerdings die strafbewehrten Sorgfaltspflichten, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Denn: Es geht hier um außerordentlich sensible Informationen, die nur punktuell und wenn dies nicht anders zu bewerkstelligen ist Dritten zugänglich gemacht werden dürfen. Dabei muß u. a. sichergestellt sein, daß die Daten nicht einem größeren Personenkreis bekant werden, nicht gespeichert oder in nicht angemessener Weise verarbeitet werden.

Meine Begeisterung hält sehr dennoch in Grenzen (frei nach Queen Elizabeth II: 'I'm not amused'). Der Gesetzgeber neigt dazu, Offenbarungsbefugnisse und -pflichten zunehmend detaillierter zu regeln und weicht damit die Schweigepflicht immer weiter auf. Es wird zunehmend unübersichtlich, wer was von jenen Geheimnissen erfahren kann, darf oder muß, die ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in einem geschützten Raum von PatientInnen anvertraut wurden. Hinzu kommt, daß die Betroffenen durch die fehlende ausdrückliche Einwilligung auch nicht mehr genau wissen, wer davon erfährt und was genau diese Personen über sie erfahren.

Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11936 (12.04.17): Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Deutscher Bundestag, Dokumente (Abruf 26.05.17): Strafbares Offenbaren geschützter Geheimnisse bestimmter Berufsgruppen

Mai 2017


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AKTUELL: Nummer 4/2017

Änderung des BKA-Gesetzes

Teil VIII

Ebenfalls am 27. April 2017 hat der Bundestag das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163) mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Mit dem Gesetz wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) und die EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (April 2016) umgesetzt und zugleich auch die Einführung der elektronischen Fußfessel für sogenannte Gefährder geregelt. Das Gesetz muß noch den Bundesrat passieren, die mehrheitliche Zustimmung der Länder wird erwartet.

Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände (bisher nur Strafverteidiger) sind von staatlichen Überwachungsmaßahmen im Rahmen des BKA-Gesetzes absolut ausgenommen. Trotz umfangreicher Bemühungen auf allen Ebenen (Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, ärztliche und psychotherapeutische Berufs- und Fachverbände) ist es nicht gelungen,  PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen als BerufsgeheimnisträgerInnen in den Kreis einzubeziehen. Auch ich selbst habe (vergeblich) in einem Berufsverband an den Bemühungen hinter den Kulissen mitgewirkt.

In der Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer heißt es dazu wörtlich:

Der Bundestag hat am 27. April 2017 das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163) beschlossen. Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände sind von staatlichen Überwachungsmaßahmen absolut ausgenommen. Der gleiche Schutz bleibt Psychotherapeuten und Ärzten jedoch weiterhin versagt.

"Grundlage einer erfolgversprechenden Psychotherapie ist ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut" kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), das Bundeskriminalamtgesetz. "Alle Patienten brauchen die Möglichkeit, sich jederzeit und insbesondere in Krisensituationen, an einen Psychotherapeuten zu wenden. Sie müssen sich der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche sicher sein können. Das Gesetz untergräbt die therapeutisch wesentliche Zusicherung der Psychotherapeuten an ihre Patienten, nach der kein Wort aus den Gesprächen nach außen dringt".

Die BPtK kann nicht nachvollziehen, weshalb zwar Gespräche mit Rechtsanwälten oder Geistlichen vor staatlichem Abhören absolut geschützt sind, nicht jedoch Gespräche mit Psychotherapeuten oder Ärzten. Alle diese Berufsgruppen sind als Zeugnisverweigerungsberechtigte nach § 53 StPO geschützt. Dieser Schutzgedanke hätte auch im Bundeskriminalamtgesetz nachvollzogen werden müssen. Die BPtK hatte sich bei den Gesetzesberatungen für den absoluten Schutz der Psychotherapeuten eingesetzt. 

Diesen Ausführungen ist uneingeschränkt zuzustimmen!

Anmerkung: Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und eine Pressemeldung sowie eine ausführliche Stellungnahme, an der ich persönlich mitgearbeitet habe (beides siehe unten). Letztere wurde verschiedenen PolitikerInnen übergeben um die (geringe) Chance einer dahingehenden Änderung zu nutzen.

Stellungnahme der Bundespsychotherapeutenkammer vom 23.02.2017 (Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Ausschussdrucksache 18(4)781)

Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer v. 28.04.2017: Bundestag verabschiedet Reform des Bundeskriminalamtgesetzes. Berufsgeheimnisträger bleiben unzureichend geschützt.

Bericht aus dem Deutschen Bundestag (27.04.17): Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes verabschiedet (unter 2./3. Lesung)

Stellungnahme DGPT (2/2017): Der Psychotherapeut als verfassungsrechtlich zu schützender Berufsgeheimnisträge

Pressemitteilung DGPT (1.03.17): Presseinformation: Das Berufsgeheimnis von Ärzten und Psychotherapeuten muss absolut geschützt werden. Die Novelle des BKA Gesetzes erfüllt diese notwendige Voraussetzung für die Arbeit der Ärzte und Psychotherapeuten nach wie vor nicht!

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII

April 2017


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AKTUELL: Nummer 3/2017

Weitere Eilanträge in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" blieben erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Pressemitteilung (Nr. 28/2017 vom 13. April 2017) mitgeteilt, daß weitere Eilanträge zur "Vorratsdatenspeicherung" erfolglos geblieben sind (Beschlüsse vom 26.03.17 - 1 BvR 3156/15, 1 BvR 141/16).

Die Antragsteller haben sich mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erneut gegen das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 gewandt. Sie wollten insbesondere mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 (Rs. C-203/15 und C-698/15) erreichen, dass die durch dieses Gesetz eingeführte Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit außer Kraft gesetzt wird. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellen sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bewertung der angegriffenen Regelungen Fragen, die nicht zur Klärung im Eilrechtschutzverfahren geeignet sind.

Pressemitteilung BverfG Nr. 28/2017 vom 13. April 2017: Weitere Eilanträge in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" erfolglos

Beschluß BverfG : 1 BvR 3156/15 (26.03.17)

Beschluß BverfG : 1 BvR 141/16 (26.03.17)

April 2017


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AKTUELL: Nummer 2/2017

3. Opferschutzreformgesetz: Psychosoziale Prozeßbegleitung

Bereits 2015 ist das 3. Opferschutzreformgesetz in Kraft getreten. Einzelne Teile traten erst zu Beginn diesen Jahres in Kraft - so das im Gesetz neu geschaffene Rechtsinstitut der psychosozialen Prozessbegleitung (§ 406g StPO) eingeführt, die bei bestimmten Straftaten auf Antrag des Verletzten eingerichtet wird (Beiordnung). Kosten entstehen nicht und der/m psychosozialen ProzessbegleiterIn ist es gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein.

Liegt beispielsweise eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff) vor, besteht ein Antragsrecht des Opfers - jedoch nur, soweit es zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann (§ 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 StPO).

Bei versuchtem Mord oder Totschlag (und anderen Straftaten) ist eine Beiordnung auf Antrag vorgesehen, soweit die besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert (§ 406g Abs. 3 i.V.m. § 397a Absatz 1 Nummer 1-3 StPO).

Doch nun kommt das entscheidende Problem: Zwar werden die Rechte der Opfer (nicht nur an dieser Stelle) gestärkt, aber die/der psychosoziale ProzessbegleiterIn verfügt nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das bedeutet: Auch wenn der Verletzte selbst das nicht möchte, müßte die/der psychosoziale ProzessbegleiterIn im Verfahren ggf. als Zeuge aussagen.

Die Durchführung psychosoziale Prozessbegleitung wurde im "Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG)" geregelt, es ist Teil des Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21. Dezember 2015.

(1) Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden.

(2) Psychosoziale Prozessbegleitung ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung. Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.

Schon die notwendige Qualifikation der ProzeßbegleiterInnen (Hochschulausbildung/Berufsausbildung Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie mit anschließender anerkannter Aus- oder Weiterbildung zur/m psychosozialen ProzessbegleiterIn) zeigt, daß Unklarheiten vorprogrammiert sind, sind doch gerade diese Berufsgruppen (mit Ausnahme der PädagogInnen) strafrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 203 StGB). Allerdings verfügen sie (mit ganz wenigen Ausnahmen bei bestimmten Tätigkeiten) nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO.

RA Henriette Lyndian schreibt dazu:

Er [der Prozeßbegleiter/J.T.] hat zwar in der Ausübung seiner Begleitung eine Verpflichtung zur Vertraulichkeit, dieses gilt aber nicht in Bezug auf das Strafverfahren. Dieses ist sehr wichtig, um eine Transparenz der Begleitung zu schaffen, die es gegebenenfalls dem Gericht und den anderen Prozessbeteiligten, insbesondere dem Angeklagten und seinen Verteidigern, ermöglicht, zu überprüfen, ob eine Einflussnahme, sei sie bewusst oder unbewusst, auf den Zeugen stattgefunden hat.

Man muß sich fragen, ob einen solche theoretische juristische Konstruktion tatsächlich den Umständen gerecht wird, in welchen sich die Betroffenen, es handelt sich zum Opfer schwerer Straftaten, befinden. 

Zwar kann eine Aussage der/des psychosozialen Prozessbegleiterin/s durchaus von Vorteil für das Opfer sein. Aber es kann nicht selbst darüber entscheiden, ob es zur Aussage kommt oder nicht - und genau dieses Selbstbestimmungsrecht ist Hintergrund und Sinn des Zeugnisverweigerungsrechts aus beruflichen Gründen.

Insgesamt kommt mir das Modell gut gemeint aber wenig durchdacht vor – es ist für Opfer viel zu nahe an der Justiz. Auch bleibt unklar, warum die Stellung der bestehenden ehrenamtlichen Organisationen im Bereich der Opferberatung nicht (weiter) gestärkt wird. Das wäre – auch auf dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips – deutlich sinnvoller gewesen.

Gesetze im Internet (Bundesjustizministerium), Abruf: 5.03.17, 20:26 : § 406g StPO

Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG): Artikel 4 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 55, ausgegeben zu Bonn am 30. Dezember 2015, Seite 2529-2530

Beitrag der RA Henriette Lyndian (Dortmund) v. (auf der Seite der Rechtsanwaltskammer Hamm): Die Psychosoziale Prozessbegleitung

März 2017


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AKTUELL: Nummer 1/2017

Änderung der Datenübermittlung an die Medizinischen Dienste der gesetzlichen Krankenkassen

Bislang wurden ärztliche/psychotherapeutische Unterlagen von den LeistungserbringerInnen in einem separaten Umschlag mit der Aufschrift "Nur vom Medizinischen Dienst zu öffnen" an die zuständige Krankenkasse geschickt. Von dort sollte der ungeöffnete  Umschlag an den MDK weiterleitet werden. Aufgrund der Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten (bei Kontrollen waren erhebliche Verstöße der Krankenkassen gegen den Datenschutz ans Tageslicht gekommen) wurde die maßgebliche Regelung in § 276 Abs. 2 SGB V geändert.

Nunmehr werden die Unterlagen für gutachterliche Stellungnahmen einschließlich eines eigens entwickelten Weiterleitungsbogen der Krankenkassen von den VertragsärzInnen und -psychotherapeutInnen direkt an den MDK gesandt. Dazu schreibt die KBV (Praxisnachrichten 22.12.16):

Vorgangsnummer und Patientendaten

Für die Übermittlung der Befunde erhalten Vertragsärzte ab Januar von der Krankenkasse des Versicherten neben dem Schreiben, aus dem der Grund für die Begutachtung hervorgeht, einen bereits vollständig ausgefüllten Weiterleitungsbogen (Muster 86). Dieser enthält unter anderen die Anschrift des MDK, eine Vorgangsnummer und die Daten des Patienten.

Kassen stellen Freiumschlag bereit

Vertragsärzte fügen dem Weiterleitungsbogen lediglich die angeforderten Unterlagen in Kopie bei und schicken diese direkt an den MDK – nicht mehr wie bisher in einem separaten Umschlag an die Krankenkasse. Für den Versand stellen die Krankenkasse den Ärzten weiterhin einen Freiumschlag zur Verfügung – ab 1. April 2017 verbindlich im Format C5. Das Problem, dass die Umschläge mitunter zu klein sind, ist damit behoben.

Versand nur mit Weiterleitungsbogen

Der Weiterleitungsbogen dient sowohl der korrekten Adressierung an den zuständige Medizinischen Dienst als auch der automatisierten Zuordnung der übermittelten Unterlagen zum Versicherten beim MDK, sodass die eingehenden Befunde und ärztlichen Unterlagen korrekt zugeordnet werden können. Ein Versand der Unterlagen an den MDK ohne Vorlage dieser Informationen ist vor allem mit Blick auf den Datenschutz nicht zulässig.

Liegen beim Arzt weitere für die Beurteilung durch den MDK relevante Informationen oder Besonderheiten vor, können diese formlos den Unterlagen für den Gutachter beigefügt werden.

Den genannten Vordruck finden Sie bei untenstehendem Link (wenn sie die Vordrucksammlung geöffnet haben, ist das Muster 86 auf der letzten von 103 Seiten).

KVB Praxisnachrichten (22.12.16): Übermittlung von Befunden an MDK ab 2017 neu geregelt

Hier kommen Sie direkt zur Vordruckmustersammlung mit Weiterleitungsbogen (Muster 86);  Stand:

Januar 2017


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2017


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AKTUELL: Nummer 15/2016

Psychotherapeutenjournal 4/2016: Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten

Martin Klett (KJP und Vizepräsident der PTK Baden-Württemberg) & S. Tessmer (Ass. jur., Leiterin der Rechtsabteilung der PTK Baden-Württemberg) haben im aktuellen Psychotherapeutenjournal (4/2016: 380-386) in der Rubrik Recht: aktuell einen sehr lesenswerten Beitrag zur Frage einer möglichen (und politisch wiederholt geforderten) Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten veröffentlicht.

Zusammenfassung [Zitat]:

Die jüngste politische Diskussion um eine Lockerung der Schweigepflicht stößt bei Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Ärzten auf massiven Widerstand, löst aber auch Verunsicherung bei Patienten und bei den Angehörigen des Berufsstandes über die Rechtslage aus. Dieser Artikel wird nach einer Einleitung die bestehenden standesrechtlichen und gesetzlichen Regelungen zur Schweigepflicht darstellen sowie im Folgenden die wichtigsten Möglichkeiten der Durchbrechung der Schweigepflicht aufzeigen. Es werden die aktuellen politischen Forderungen nach einer Lockerung der Schweigepflicht aufgegriffen und dargestellt, welche Folgen ihre Realisierung haben könnte. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Änderung der bestehenden Rechtslage nicht erforderlich ist und der politischen Zielsetzung einer Verhinderung von Straftaten sogar zuwiderlaufen würde.

Ich habe bereits mehr mehrfach auf den von den AutorInnen dargelegten Umstand hingewiesen (eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist nicht erforderlich ist und könnte der politischen Zielsetzung einer Verhinderung von Straftaten sogar zuwiderlaufen):

Beitrag AKTUELL: Nummer 8/2015: Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche) Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15) Teil I

Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT): Aktuelles/Mitteilungen, August 2016: Stellungnahme zur Schweigepflicht von Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten (im Wesentlichen zusammengestellt von J. Thorwart); www.dgpt.de

Psychotherapeutenjournal (4/2016: 380-386): Recht aktuell. Lockerung der Schweigepflicht zum Zweck der Verhinderung von Straftaten (Martin Klett und Stephanie Tessmer)

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 14/2016

Vorratsdatenspeicherung: Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hält die voraussetzungslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit Unionsrecht vereinbar - die vorbeugende und gezielte Vorratsspeicherung von Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten ist jedoch zulässig (Urteil vom 21.12.2016, - C-203/15 und C-698/15 - )

Teil XIX

Bereits 2014 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt., weil der Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten durch die mit dieser Richtlinie vorgeschriebene allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nach seiner Überzeugung nicht auf das absolut Notwendige beschränkt war.

In zwei weiteren Verfahren befaßte sich der EuGH nun mit der Frage der Zulässigkeit einer den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste in Schweden und im Vereinigten Königreich auferlegten allgemeine Verpflichtung, Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge auf Vorrat zu speichern - diese war noch in der für ungültig erklärten Richtlinie vorgesehen.

Aus der Pressemitteilung 145/16 (Luxemburg, 21.12.16):

Das Unionsrecht untersagt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, vorbeugend eine gezielte Vorratsspeicherung dieser Daten zum alleinigen Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen, sofern eine solche Speicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Der Zugang der nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten muss von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, zu denen insbesondere eine vorherige Kontrolle durch eine unabhängige Stelle und die Vorratsspeicherung der Daten im Gebiet der Union gehören.

Zu den weiteren Ausführungen (Pressemeldung)

Der Gerichtshof weist außerdem auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass sich die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken. Der Gerichtshof wendet diese Rechtsprechung sowohl auf die Regeln über die Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Regeln über den Zugang zu den gespeicherten Daten an.

In Bezug auf die Vorratsspeicherung stellt der Gerichtshof fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden können.

Der Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergeht, die eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, ist somit als besonders schwerwiegend anzusehen. Der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten vorgenommen wird, ohne dass die Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste darüber informiert werden, ist geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist. Deshalb vermag allein die Bekämpfung schwerer Straftaten einen solchen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

(...)

Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Datenschutzrichtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermöglicht, sofern diese Vorratsspeicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Speicherungsdauer auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Dem Gerichtshof zufolge muss jede nationale Regelung, die derartiges vorsieht, klar und präzise sein und hinreichende Garantien enthalten, um die Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Die betreffende Regelung muss angeben, unter welchen Umständen und Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsspeicherung von Daten vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass der Umfang dieser Maßnahme in der Praxis tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Eine solche Regelung muss insbesondere auf objektive Anknüpfungspunkte gestützt sein, die es ermöglichen diejenigen Personen zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen Zusammenhang mit schweren Straftaten aufzuweisen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern.

Anmerkung: So positiv das Urteil in seinem Tenor ist - die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten eröffnet eine (weitere) Tür, die den - vermeintlichen - Sicherheitsinteressen des Staates (der BürgerInnen?) dient und dafür Eingriffe in Grundrechte hinnimmt. Das Problem ist dabei nicht der Einzelfall, sondern die Erosion des Vertrauens der BürgerInnen in staatliches Handeln, das sich ja auch den Einblicken (sogar der das für vorgesehenen Institutionen, wie dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags bzw. der Länderparlamente) entzieht.

Gerichtshof der Europäischen Union: Pressemitteilung Nr. 145/16 (Luxemburg, den 21. Dezember 2016): Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-203/15, Tele2 Sverige AB / Post- och telestyrelsen, und C-698/15, Secretary of State for the Home Department / Tom Watson u. a.

Gerichtshof der Europäischen Union: Liste der Urteilstexte (Volltext)

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI -+ Teil XVII + Teil XVIII

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 13/2016

Gesetzliche Unfallversicherung: Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat eine Änderung im Sozialgesetzbuch VI (Gesetzliche Unfallversicherung) initiiert: Auf der Webseite stellt die BPtK dazu fest:

23. November 2016

Patientendaten in der gesetzlichen Unfallversicherung

Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten

Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die an der Heilbehandlung eines Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung beteiligt sind, brauchen zukünftig keine schriftliche Einverständniserklärung mehr, um der Unfallversicherung Auskünfte über die Behandlung zu erteilen. Dazu gehören personenbezogene Daten über die Heilbehandlung, soweit sie für die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und die Abrechnung erforderlich sind.

Diese Verfahrenserleichterung gilt mit dem Inkrafttreten des 6. SGB IV-Änderungsgesetzes am 17. November 2016 (BT-Drs. 18/8487). Damit ist eine wichtige Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den anderen Heilberufen vollzogen. Bisher waren die Psychotherapeuten nicht ausdrücklich in § 201 SGB VII genannt.

Die Psychotherapeuten sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über den Zweck der Erhebung dieser Daten und über die Pflicht zur Auskunft nach § 201 SGB VII zu informieren sowie darüber aufzuklären, dass der Patient vom Unfallversicherungsträger die Unterrichtung über die übermittelten Daten verlangen kann.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte in einem Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Änderung in § 201 Absatz 1 SGB VII zur Gleichstellung der Psychotherapeuten notwendig ist.

Links: Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 6. SGB IV-Änderungsgesetz - BT-Drs. 18/8487

Dezember 2016


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AKTUELL: Nummer 12/2016

Beschränkung des Einsichtsrechts in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen; Urteil Landgericht München I v. 13.09.2016

Teil II

Wie im Beitrag Aktuell: Nummer 12/2015 berichtet, kam es vor dem Amtsgericht München zu einer ungewöhnlichen Klage eines Psychotherapiepatienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen.

Ein Patient, der bei einer Psychotherapeutin einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der Beendigung der Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der betroffenen Kollegin) - die Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot (nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns; www.ptk-bayern.de). Die Psychotherapeutin widersetzte sich nicht dem Einsichtsbegehren, wohl aber einer Einsichtnahme in ihrer Praxis bzw. in ihrer Anwesenheit, sondern übergab die Unterlagen der Staatsanwaltschaft, nachdem sich die zuständige Psychotherapeutenkammer geweigert hatte, die Unterlagen aufzubewahren und ggf. Einsicht zu gewähren.

Das Amtsgericht München hatte die Klage am 1.04.2015 zurückgewiesen: In seiner Entscheidung bezog sich das AG München nicht auf die Berufsordnung, sondern argumentierte, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht -  zuzumuten gewesen, dort "Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen".

Gegen das Urteil legte der Patient Berufung ein, die nun mit Endurteil vom 13.09.16 vom Landgericht München 1 (AZ13 S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dabei führt das Berufungsgericht u. a. aus:

In der Klageerwiderung vor dem Amtsgericht München hat die Beklagte [die Psychotherapeutin] der Akteneinsicht entgegenstehende therapeutischen Gründe in ausreichender Weise (s. hierzu BGH Urteil vom 06.12.1988, VI. ZR 76/88) dargelegt. Diese Gründe sind nach Art und Richtung näher zu kennzeichnen, ohne dabei ins Detail gehen zu müssen. (Seite 5)

Den Vortrag der Klagepartei [ehemaliger Patient] zur Berufung hielt das Gericht für weder ausreichend noch widerspruchsfrei. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Damit hat sich das Gericht den Ausführungen inhaltlich der Vorinstanz angeschlossen. Tatsächlich wurde dem Patienten das Einsichtsrecht keineswegs grundsätzlich versagt, sondern in Art und Umständen der Einsicht (hier bei der Staatsanwaltschaft, da die Psychotherapeutenkammer nicht zur Verfügung stand). Das war hier nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, den die Kollegin wurde Opfer eines auch objektiv festgestellten Stalkings.

Anmerkung: Der Rekurs des LG München I auf die Rechtsprechung des BGH scheint deshalb auch wenig hilfreich. Weder wurde das Einsichtsrecht völlig bestritten, noch steht die frühere Rechtsprechung des BGH in Einklang mit der Zielrichtung des Patientenrechtegesetzes (wobei nicht feststand, ob das Gesetz aus zeitlichen Gründen hätte Anwendung finden können), das - wie im Namen erkennbar - die Rechte der PatientInnen stärken soll und die früher wenig patientenfreundliche Entscheidungspraxis des BGH zum Einsichtsrecht konterkariert. Ein vollständiger und zeitlich unbefristeter Ausschluß der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen - wie er früher unter Berufung auf den sogenannten "therapeutischen Vorbehalt" bei psychiatrischen PatientInnen üblich war (teils auch bei PatientInnen, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befanden) - sollte mit Inkrafttreten des § 630g (26.02.2013) obsolet sein!

Urteil Landgericht München 1 (AZ13 S 7636/15; 242 C 20527/14 AG München) v. 13.09.16

Archiv: Teil I

November 2016


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AKTUELL: Nummer 11/2016

Die EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) ist verabschiedet (April 2016)

(Teil V)

Wie schon im Beitrag 6/2016 berichtet, wurde seit Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gearbeitet, die die bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Das Europäische Parlament hat sie bereits am 14. April 2016 mit großer Mehrheit verabschiedet.

Die wichtigsten Änderungen nach Information des Europäischen Parlaments):

Weiter enthält das Datenschutzpaket eine Richtlinie über die Datenübertragungen zu polizeilichen und gerichtlichen Zwecken (Datenübertragungen innerhalb der EU mit Mindeststandards für die Datenverarbeitung) zum Schutz des Einzelnen (Opfer, Kriminelle oder Zeugen). Festgelegt werden klare Rechte und Einschränkungen in Bezug auf Datenübertragungen zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung auch hinsichtlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Ausnahmen haben Dänemark und Großbritannien im Bereich Justiz und Inneres ausgehandelt (eingeschränkte Geltung), Dänemark wurde auch ein Entscheidungsraum von 6 Monaten zugebilligt um zu entscheiden, ob es die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird.

Europäisches Parlament (www.europarl.europa.eu), 14.04.16: Parlament verabschiedet EU-Datenschutzreform – EU fit fürs digitale Zeitalter

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV

September 2016


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AKTUELL: Nummer 10/2016

Sozialarbeit & Zeugnisverweigerungsrecht

In der Mitgliederzeitschrift des Berufsverbands für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) hat der emeritierte Prof. Dr. Titus Simon  (Hochschule Magdeburg-Stendal) einen sehr lesenswerten Beitrag zum Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgruppe der SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen veröffentlicht:

Sozialarbeit benötigt unverändert ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. 50 Jahre bislang vergebliches Bemühen um eine bessere Rechtsstellung.

Neben den geltenden Rechtsnormen gibt der Beitrag einen Überblick über die Bemühungen die Schweigepflicht (§ 203 StGB) zu stärken, den Vertrauensschutz in der Jugendhilfe (§ 65 bzw. 67 ff SGB VIII) zu wahren und das (strafrechtliche) Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)durch eine Änderung der Strafprozeßordnung zu etablieren - durch die Hereinnahme der Sozialarbeit generell oder bestimmte Gruppen (SozialarbeiterInnen in Fanprojekten) in die dort genannten BerufsgeheimnisträgerInnen.

Anmerkung: Ich kann mich diesen Ausführungen nur anschließen!

FORUM Sozial 2/2016 (37-40): Sozialarbeit & Zeugnisverweigerungsrecht als pdf-Datei (mit freundlicher Zustimmung des Autors und des Verlags)

September 2016


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AKTUELL: Nummer 9/2016

Donald Trump und die Goldwater-rule der American Psychiatric Association (APA)

Anmerkung: Obwohl es hier nicht unmittelbar um Schweigepflicht und Datenschutz geht scheint mir das Thema insofern berührt, als mit den Informationen die wir (und natürlich insbesondere Personen des öffentlichen Lebens - und das kann ja heute, wenigstens für kurze Zeit, jeder sein) in der Öffentlichkeit bewußt und unbewußt preisgeben umgehen.

Im Zusammenhang der Wahlen zum Präsidentenamt in Amerika, haben amerikanische PsychiaterInnen und PsychologInnen - vermutlich aus (durchaus verständlicher) Sorge um die politische Entwicklung in Amerika - bei dem nominierten republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump eine Mischung von Persönlichkeitsproblemen identifiziert, darunter Grandiosität, Empathiemangel und maligner Narzißmus.  Die klinischen Beleidigungen gingen soweit, daß sich die Präsidentin der American Psychiatric Association (APA),  Maria A. Oquendo, Anfang des Monats dazu veranlaßt sah, einen Blog-Beitrag einzustellen: "Weshalb es unethisch und unverantwortlich ist, die 'Goldwater-rule' zu brechen". Neben der Gefahr eines Verlustes des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Psychiatrie und der Stigmatisierung der Betroffenen, gehe es auch um das (bedrohte) Vertrauen der PatientInnen in ihre/n behandelnde/n Ärztin/Arzt, die/der sich in einer solchen Weise in der Öffentlichkeit äußerten.

1964 hatten mehr als 1000 PsychiaterInnen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Senator Barry Goldwater aufgrund schwerer Persönlichkeitsdefekte (Paranoia, großspuriges Verhalten und ein gottgleiches Selbstbild eingeschlossen) in einer Umfrage bei mehr als 12.000 befragten PsychiaterInnen als für das Amt ungeeignet erklärt.

Im Zuge dieses Vorfalls hat die American Psychiatric Association (APA) 1973 in den Principles of Medical Ethics with Annotations Especially Applicable to Psychiatry eine (weitere) Anmerkung veröffentlicht, die als 'Goldwater-rule' bekannt geworden ist. Sie steht unter Ziffer 3 der 7. Sektion:

Section 7

A physician shall recognize a responsibility to participate in activities contributing to the improvement of the community and the betterment of public health.

3. On occasion psychiatrists are asked for an opinion about an individual who is in the light of public attention or who has disclosed information about himself/herself through public media. In such circumstances, a psychiatrist may share with the public his or her expertise about psychiatric issues in general. However, it is unethical for a psychiatrist to offer a professional opinion unless he or she has conducted an examination and has been granted proper authorization for such a statement.

Übersetzung (J. Thorwart):

Ein Arzt soll eine Verantwortung anerkennen an Aktivitäten teilzunehmen, die zur Entwicklung des Gemeinwesens und Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen.

3. Gelegentlich werden Psychiater nach ihrer Meinung über eine Person des öffentlichen Lebens oder eine Person, die Informationen über sich mittels öffentlicher Medien enthüllt hat, gefragt. Unter solchen Umständen kann ein Psychiater seine/ihre Expertise über allgemeine psychiatrischen Themen mit der Öffentlichkeit teilen. Jedoch ist es unethisch für einen Psychiater, eine professionelle Meinung zu vertreten , es sei denn, er oder sie hat eine Untersuchung durchgeführt und ihm oder ihr wurde die Befugnis für ein solches statement erteilt.

Auch in Deutschland gibt es immer wieder PsychotherapeutInnen, die in den Medien zu Personen des öffentlichen Lebens - meist im Zusammenhang schockierender Straftaten - Stellung nehmen. Ich wundere mich immer wieder, was da für haarsträubende 'Erkenntnisse' (alleine auf der Grundlage von Medienberichten) zum besten gegeben werden. Zuletzt meinte der behandelnde Heilpraktiker für Psychotherapie des Attentäters von Ansbach (24.07.2016) über seinen Patienten berichten zu müssen. Unabhängig von der Frage seiner fachlichen Qualifikation auch noch ein Verstoß gegen die Schweigepflicht (als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag).

Ich habe mich in der Vergangenheit bereits verschiedentlich sehr kritisch darüber geäußert, daß beispielsweise auch PsychoanalytikerInnen Personen der Zeitgeschichte (lebende, noch nicht lange verstorbene oder historische Personen) diagnostizieren und analysieren. Beispielhaft sei hier auf die Veröffentlichungen und Vorträge von Paul Matussek hingewiesen, der sich über den 'Kreml-Flieger' und die "Modellfälle" Grillparzer, Claudel, Gould, Jung, Heidegger und Axel Springer äußert - und das auf eine m. E. sehr unangenehm psychopathologisch-diskreditierenden Weise (vgl. z. B. Band 2: 34).

Matussek, P. [Hrsg.] (1992): Analytische Psychosentherapie. Band 1: Grundlagen [Franz Grillparzer, Camille Claudel, Glenn Gould - Mitautor: Peter Matussek; Matthias Rust: S. 114]. Berlin: Springer 4. Nachdruck 2001

Matussek, P. [Hrsg.] (1997): Analytische Psychosentherapie. Band 2: Anwendungen [Carl Gustav Jung, Martin Heidegger und Axel Springer; Mitautor bei Heidegger: Peter Matussek]. Berlin: Springer

Anmerkung 1 (5.09.16): In der ZEIT v. 1. September 2016 zu diesem Thema geschrieben: Ist es fair, Donald Trump aus der Ferne zu analysieren? Psychologen und Psychiater in den USA sind uneins über die ethischen Grenzen ihrer Disziplin.

Anmerkung 2 (8.10.16): Ich möchte noch aus einem Vorwort zitieren, daß Alexander Mitscherlich im Jahr 1954 der Psychopathologie des Alltagslebens vorangestellt hat und das gerade auch in diesem Zusammenhang noch hochaktuell ist:

Eine dritte und letzte Bitte an den Leser muß an dieser Stelle noch ausgesprochen werden, soll die Methode der Aufklärung nicht Unheil bringen: Wenn Sie über sich und andere zu einem besseren Verständnis zu kommen trachen, betreiben Sie Ihre Bemühungen nicht mit der Absicht der Entlarvung, als Spionage.

Freud empfahl dem, der mit seinen Erkenntnissen in der Praxis arbeitet, eine wohlwollende Bereitschaft, die Not des Kranken anzunehmen. Hier in dieser Abhandlung geht es nicht um große schmerzliche Selbstoffenbarungen, sondern um winzige Fragmente, blitzhaftes Aufleuchten verborgener Innenwelt. Wer über den Splittern im Auge des Nächsten die Balken im eigenen vergißt, bleibt auch diesmal blind. Und da die Hellhörigkeit für die Fehlleistungen sich schon recht weit ausgebreitet hat, kann er sicher sein, daß er in die für den lieben Nachbarn gedachte Grube fallen wird.

Rationale Analyse, das Durchschauen eines Prozesses ist in unserer Zivilisation fast zwanghaft mit machtmehrender Ausbeutung dieses Wissens verknüpft. Wenn jetzt auch das vermehrte Wissen um Doppelläufigkeit der menschlichen Verhaltensweisen, um den Spannungszustand zwischen Bewußtem und Unbewußtem in den Strudel der Machtpolitik gerät, welche die Menschen sich untereinander nicht ersparen können, dann ist die Psychoanalyse ihrerseits am unbeabsichtigten anderen Ende ihrer Verwirklichung angelangt. Es wird ertragen werden müssen. Aber man soll nicht leichtfertig dieser Korruption anheimfallen.

Die Psychoanalyse ist aus der spezifischen Not des zeitgenössischen Menschen hervorgegangen. Netze unerhörter neuer Machtansprüche werden über ihn geworfen. Die Not seiner Selbstverborgenheit wächst mit all seinen Fortschritten der Bemächtigung. Man kann dem zynisch gegenüberstehen und mit tiefenpsychologischer Kenntnis auf die Schwächen seiner Mitmenschen zielen. Auch Erkenntnisse haben ihre großen und kleinen Schicksale. Nicht zu vergessen wäre aber, daß die Psychoanalyse eine ärztliche Wissenschaft ist. Nil nocere: niemandem zum Schaden, ist immer das Memento großen Arzttums gewesen. Wer ein Stück teilhat an ärztlichem Wissen, sollte auf den Eid des »nil nocere« schwören. Viele Heilmittel sind Gifte: über die Wirkung entscheidet die Kunst des Wissenden.

Wer mit Wohlwollen dem Autor bis in das zuweilen Absurde seiner Kombinatorik folgt, wird diesmal in der schönsten Lage sein, ihn noch durch die Absurdität, die ihm selbst gelegentlich unterläuft, zu übertrumpfen. Wo immer er dem Possenspiel der unbeabsichtigten Sentenzen, seiner Tücke, die Objekte fehlzuleiten begegnet, mag er fortan Freud dankbar sein für die Winke, wie man über sich selbst lachend, staunend Erkenntnis gewinnen kann – statt einen Fluch auszustoßen.

Alexander Mitscherlich

Mitscherlich, A. (1954): 50 Jahre später. Einige Empfehlungen an den Leser. In: Freud, S. (1901b): Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglauben und Irrtum. Frankfurt/M.: Fischer (TB 6079): 7-12 (hier 11f)

American Psychiatric Association (APA): The Principles of Medical Ethics with Annotations Especially Applicable to Psychiatry (2013 Edition)

American Psychiatric Association (APA): APA Blogs (3.08.16: Maria A. Oquendo, M.D.): The Goldwater Rule: Why breaking it is Unethical and Irresponsible

The New York Times (online-Ausgabe v. 15.08.16): B. Carey:  The Psychiatric Question: Is It Fair to Analyze Donald Trump From Afar?

August 2016


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AKTUELL: Nummer 8/2016

Zeugnisverweigerungsrecht der BerufshelferInnen: Auch wenn ÄrztInnen selbst beschuldigt werden, bleiben sie hinsichtlich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53a StPO ihrer Berufshelferinnen entscheidungsbefugt (Berufsgericht für Heilberufe Münster v. 2.9.2015 - 16 K 1399/14.T)

Aufgrund der Aussagen zweier ArzthelferInnen (medizinische Fachangestellte) hatte von der Ärztekammer Westfalen-Lippe im Juni 2014 die Eröffnung eines berufsrechtlichen Verfahrens wegen Verletzung der ärztlichen Berufspflichten gegen einen Gynäkologe (den Chef der Arzthelfernnen) beantragt. Dem Arzt wurde vorgeworfen,

„im Rahmen des in der Notfalldienstpraxis in M. am 4. Januar 2014 durchgeführten Notdienstes zwei minderjährige Patientinnen vor der [damals noch erforderlichen] Verschreibung der „Pille danach“ gynäkologisch äußerlich untersucht, auf die Durchführung der äußerlichen Untersuchung trotz kritischer Nachfrage der Patientinnen zur Erforderlichkeit der Untersuchung bestanden und zudem detaillierte Fragen zum Geschlechtsverkehr gestellt habe.“ (Zitat aus dem Urteil VG Münster, zitiert wird die Ärztekammer Westfalen-Lippe

Der Antrag auf Verfahrenseröffnung  wurde vom Verwaltungsgericht Münster (Heilberufsgericht 2. Kammer) am 2.09.2015 gemäß §§ 204 Abs. 1, 203 StPO, § 112 HeilBerG (NRW)  abgelehnt, da der Beschuldigte aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend verdächtig war, "gegen Berufspflichten verstoßen zu haben. Der Sachverhalt, den die Antragstellerin dem Beschuldigten vorhält, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Taugliche Beweismittel bestehen nicht."

Da die beiden minderjährigen PatientInnen als ZeugInnen nicht zur Verfügung standen, hätten alleine die Aussagen der medizinischen Fachangestellten Aufschluß über das Geschehen geben können. Diese hatten aber eine Einwilligung der PatientInnen zu einer entsprechenden. und waren auch anderweitig nicht ermächtigt, "über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen auszusagen.":

Nach § 53 a Abs. 1 StPO, § 112 HeilBerG stehen dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO) ihre Gehilfen und damit die als Zeuginnen benannten medizinischen Fachangestellten gleich. Über die Ausübung des Rechts dieser Hilfspersonen, das Zeugnis zu verweigern, dürfen jedoch nicht die Zeuginnen entscheiden. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungsberechtigung allein dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt übertragen, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann (§ 53a Abs. 1 Satz 2 StPO). Dies entspricht dem Zweck der Vorschrift. § 53a StPO soll eine Umgehung des § 53 StPO verhindern. Eine solche Zustimmung liegt nicht vor.

Leitsätze (Zitat aus der Urteilsveröffentlichung: www.nrw.de: Justiz-online. NRWE-Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Nordrhein-Westfalen (Link - siehe auch unten):

Dass der Beschuldigte der nach § 53a Abs. 1 Satz 2 StPO entscheidungsberechtigte Arzt ist, begründet nicht die Rechtsfolge, dass die als seine Berufshelferinnen eingesetzten medizinischen Fachangestellten berechtigt sind, über die Ausübung des Zeugnisver-weigerungsrechts zu entscheiden. Das Zeugnisverweigerungsrecht greift auch in einem Verfahren ein, das gegen den zur Zeugnisverweigerung Berechtigten geführt wird.

Das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO)- und die Zeugnisverweigerungspflicht der Berufshelferinnen (§ 53a StPO) - ist nicht beschränkt auf den Schutz der Daten zur Identität der Patientinnen. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO, auf den § 53a StPO verweist, beschränkt das Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf bestimmte Kenntnisse; der Gesetzeswortlaut streckt das Zeugnisverweigerungsrecht auf alles, "was" den Berufsangehörigen "anvertraut oder bekannt geworden" ist.

Anmerkung: Auch wenn das Urteil im Ergebnis nicht zufriedenstellend erscheint - es bestätigt den hohen Wert des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das u. a. durch die Schweigepflicht (§ 203 StGB) und das Zeugnisverweigerungsrecht des Schweigepflichtigen und seiner BerufshelferInnen (§§ 53 und 53 a StPO) zum Ausdruck kommt.

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe Münster vom 2.09.2015, 16 K 1399/14.T

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe Münster vom 2.09.2015, 16 K 1399/14.T (Leitsatz & Tenor)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 7/2016

Datenschutz im Gesundheitswesen - das E-Health-Gesetz

Das im Zusammenhang der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen - einschließlich der damit verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Datensicherheit - beschlossene und im Januar 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz bringt eine Reihe von Änderungen für PatientInnen, aber auch für die LeistungserbringerInnen. Auf der Seite des Bundesgesundheitsministerium werden die wesentlichen Inhalte dargestellt (ich zitiere daraus, habe den Text allerdings gekürzt und vielfach umformuliert):

Stammdatenmanagement (eGK)

Online-Prüfung und Aktualisierung von Versi­chertenstammdaten über das Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in Praxen und Krankenhäusern

Einführung bis Mitte 2018 (ab 1. Juli 2018 sind pauschale Kürzungen der Vergütung der Ärzte und Zahnärzte vorgesehen, die nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten teilnehmen!)

Speicherung medizinischer Notfalldaten (eGK)

Ab 2018 auf Wunsch des Versicherten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Bereits ab Oktober 2016 haben PatientInnen, die 3 oder mehr Arzneimittel einnehmen bzw. anwenden Anspruch auf einen Medikationsplan (dieser soll ab 2018 auch von der eGK abrufbar sein).

Ausgabe von Heilberufsausweisen

ÄrztInnen sollen damit auf die sensiblen Daten der Gesundheitskarte zugreifen können; elektronische Arztbriefe werden bereits vor Einführung der Telematik-Infrastruktur gefördert, wenn hierfür ein elektronischer Heilberufsausweis mit elektronischer Signatur verwendet wird.

Einstieg in die elektronische Patientenakte

Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Daten der Pati­entInnen (z.B. Arztbriefe, Notfalldaten, Daten über die Medikation) in einer elektronischen Patientenakte bereitgestellt werden können. PatientInnen sind dann in der Lage, ihre BehandlerInnen über ihre wichtigsten Gesundheitsdaten zu informieren.

Patientenfach

PatientInnen entscheiden nicht nur, welche medizinischen Daten mit der Gesundheitskarte gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Sie haben außerdem einen Anspruch darauf, daß ihre mittels Gesundheitskarte gespeicherten Daten in ihr Patientenfach aufgenommen werden. Dort können auch eigene Daten z.B. ein Patiententagebuch über Blutzuckermessungen oder Daten von Wearables und Fitnessarmbändern, abgelegt werden.

Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen für die Nutzung des Patientenfachs mit der elektronischen Gesundheitskarte geschaffen werden, damit Patienten ihre Daten auch außerhalb der Arztpraxis eigenständig einsehen können.

Förderung der Telemedizin

Die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen wird ab April 2017, die Online-Videosprechstunde ab Juli 2017 in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen.

Nutzung von Smartphones und andere mobile Endgeräte

Bis Ende 2016 soll prüfen werden, ob Versicherte solche Geräte etwa zur Wahrnehmung ihrer Zugriffsrechte und für die Kommunikation im Gesundheitswesen einsetzen können.

Auf die sensiblen Daten der eGK soll nach dem Zwei-Schlüsselprinzip - mit dem Heilberufeausweis und der persönlichen PIN der Versicherten - zugegriffen werden können.

Anmerkung: DatenschutzexpertInnen (so beispielsweise Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein und damit Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel) halten den Datenschutz gewährleistet und "fast vorbildlich".

Bundesministerium für Gesundheit: Das E-Health-Gesetz (Abrufdatum: 16.05.16)

Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (vom 21. Dezember 2015)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 6/2016

Datenschutz im Gesundheitswesen - ein zunehmend wichtiges Thema - auch in Europa: Die EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO)

(Teil IV)

Auf dem Hintergrund der zunehmenden Erfassung, Übermittlung und Archivierung von patientenbezogenen Daten in Dateien beschäftigt sich der Gesetzgeber mit entsprechenden Regelungen zum Schutz der BürgerInnen vor der Einschränkung seiner Privatsphäre und dem Mißbrauch seiner personenbezogenen Daten. In Deutschland traten das

in Kraft. In Europa wird seit Jahren an einer neuen EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO) gearbeitet, die die bisherige EU-Datenschutzrichtlinie ablösen wird. Die neue Verordnung wird, im Unterschied zur bisherigen Richtlinie, ab ihrem In-Kraft-Treten (voraussichtlich Mitte 2018) unmittelbare Gültigkeit für alle EU-Mitgliedsstaaten haben. Im Dezember 2015 haben sich das EU-Parlament, der EU-Rat und die EU-Kommission auf einen einheitliche Entwurf geeinigt. Derzeit findet die technische Überarbeitung der Verordnung statt, die 2018 abgeschlossen sein soll.

Viele Regelungen stehen im Detail noch nicht fest. Klar ist, daß beispielsweise die Einwilligung der VerbraucherInnen bzw. BürgerInnen dadurch mehr Gewicht erhält, daß sie beweispflichtig dokumentiert werden muß. Eingeführt werden sollen Sonderregelungen für Kinder bis zu einer bestimmten Altersgrenze (13 Jahre), die Internetdienste (z. B. facebook) nur mit Zustimmung der Eltern nutzen können. Weitere Regelungen der Verordnung:

Deutsches Ärzteblatt Heft 6 v. 12.02.16, 113: A218-219: Datenschutz im Gesundheitswesen. Viele Neuregelungen stehen bevor (H. E. Krüger-Brand)

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 5/2016

BKA-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht - Urteil vom 20.04.16: Die Verfassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg!

Teil VII

Ich habe bereits häufiger über das BKA-Gesetz berichtet (siehe unten: Archiv). Das Bundesverfassungsgericht hat am 7.07.15 erstmals über Klagen gegen das Bundeskriminalamts-Gesetz verhandelt. Das 2009 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und Onlinedurchsuchungen zur Terrorabwehr.

Die Verfassungsbeschwerde hatte nun teilweise Erfolg: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) ist die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar. Allerdings genügt das Gesetzt in seiner derzeitigen Ausgestaltung von Befugnissen in verschiedener Hinsicht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

In der Pressemitteilung des BverfG (Nr. 19/2016 vom 20. April 2016) heißt es dazu weiter:

Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Durchführung sind die im Jahr 2009 eingeführten Vorschriften teilweise zu unbestimmt und zu weit; auch fehlt es zum Teil an flankierenden rechtsstaatlichen Absicherungen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung oder zur Gewährleistung von Transparenz, individuellem Rechtsschutz und aufsichtlicher Kontrolle. Die Vorschriften zur Übermittlung von Daten sind ‑ sowohl hinsichtlich inländischer als auch hinsichtlich ausländischer Behörden ‑ an etlichen Stellen nicht hinreichend begrenzt. Da die Gründe für die Verfassungswidrigkeit nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse betreffen, gelten die beanstandeten Vorschriften jedoch mit Einschränkungen überwiegend bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 fort. (Pressemitteilung Nr. 19/2016 vom 20. April 2016)

Im Hinblick auf BerufsgeheimnisträgerInnen hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg:

Bei Maßnahmen, die tief in die Privatsphäre eingreifen, sind - als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - übergreifenden Anforderungen an ihre Ausgestaltung zu stellen:

Insbesondere müssen Befugnisse auf den Schutz gewichtiger Rechtsgüter begrenzt bleiben und sind nur in den Fällen verfassungsmäßig, in denen eine Gefährdung dieser Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist. Auf nichtverantwortliche Dritte aus dem Umfeld der Zielperson dürfen sie sich nur unter eingeschränkten Bedingungen erstrecken. Für Befugnisse, die typischerweise dazu führen können, in den strikt geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung einzudringen, bedarf es besonderer Schutzregelungen. Auch bedarf es eines hinreichenden Schutzes von Berufsgeheimnisträgern. Überdies unterliegen die Befugnisse verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle. Hierzu gehören Benachrichtigungspflichten an die Betroffenen nach Durchführung der Maßnahmen, richterliche Kontrollbefugnisse, eine regelmäßige aufsichtliche Kontrolle sowie Berichtspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Schließlich müssen die Befugnisse mit Löschungspflichten flankiert sein.

(...) Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Vorschriften in verschiedener Hinsicht nicht. (Pressemitteilung Nr. 19/2016 vom 20. April 2016)

Das Bundesverfassungsgericht weist zwar darauf hin, daß der Schutz von Berufsgeheimnisträgern im vorliegenden Gesetz nicht ausreicht, bezieht sich dabei aber im wesentlichen auf die Gruppen der Strafverteidiger und anderer Rechtsanwälte:

Verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist insoweit allerdings die Ausgestaltung des Schutzes der Vertrauensverhältnisse von Rechtsanwälten zu ihren Mandanten. Die vom Gesetzgeber herangezogene Unterscheidung zwischen Strafverteidigern und den in anderen Mandatsverhältnissen tätigen Rechtsanwälten ist als Abgrenzungskriterium für einen unterschiedlichen Schutz schon deshalb ungeeignet, weil die in Frage stehenden Überwachungsmaßnahmen nicht der Strafverfolgung, sondern der Gefahrenabwehr dienen, die Strafverteidigung also hier gerade nicht entscheidend ist. (Urteil BverfG 20.04.16, Abschnitt 257)

c) Darüber hinaus sind Grundrechtsverletzungen durch § 20u BKAG nicht zu erkennen. Ein Anspruch auf strikteren Schutz ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für Medienvertreter (vgl. BVerfGE 107, 299 <332 f.>). Weitere Grenzen ergeben sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber darf die Zuerkennung eines strengeren Schutzes vor Überwachungsmaßnahmen als Ausnahme für spezifische Schutzlagen verstehen, hinsichtlich derer er einen erheblichen Einschätzungsspielraum hat. Die Anerkennung einer solchen besonderen Schutzbedürftigkeit von Geistlichen und Abgeordneten gegenüber anderen Berufsgruppen wurde durch die Entscheidung des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2011 als zumindest tragfähig angesehen. Eine Pflicht zur Ausweitung dieses besonders strikten Schutzes auf weitere Gruppen kann hieraus nicht abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 129, 208 <258 ff., 263 ff.>). Unberührt bleibt, dass in die für die anderen Berufsgeheimnisträger gebotene Abwägung auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG die Vertrauensbedürftigkeit der jeweiligen Kommunikationsbeziehungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich einzufließen hat und darüber hinaus eine Überwachung - etwa für psychotherapeutische Gespräche - auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ausgeschlossen sein kann (siehe oben C IV 3 a). (Urteil BverfG v. 20.04.16, Abschnitt 258)

Fazit: Enttäuschenderweise sieht das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nicht in der Pflicht, die besondere Schutzbedürftigkeit von Geistlichen und Abgeordneten aus verfassungsrechtlichen Gründen auf andere Berufsgruppen auszuweiten. Im Einzelfall muß jedoch auch bei anderen BerufsgeheimnisträgerInnen eine Abwägung unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Artikel 12) und der jeweiligen Vertrauensbedürftigkeit der Kommunikationsbeziehungen vorgenommen werden. Darüber hinaus kann eine Überwachung, beispielsweise von psychotherapeutischen Gesprächen, auch unter dem Gesichtspunkt des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ausgeschlossen sein. Aus psychotherapeutischer Sicht ist klar, daß alles, was im Rahmen der Psychotherapie ge- bzw. besprochen wird zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört. Allein, aus juristischer Sicht (und noch mehr aus der Sicht des BKA) wird das anders beurteilt werden. Nach der Sphärentheorie werden Gesundheitsdaten in verschiedene Gruppen eingeteilt: administrative, medizinische und intime Daten mit je unterschiedlicher Schutzintensität. (siehe dazu meine Übersicht zur Sphärentheorie, 2002-2011).

Die DGPT weist in ihrer Stellungnahme daraufhin, daß das Gesetz jetzt überarbeitet werden muß; das BVerfG erlaubt den Behörden die Anwendung der Maßnahmen unter gewissen im Urteil genannten Maßgaben nur noch bis zum 30. Juni 2018.

Die DGPT plant unter Mitarbeit von Jürgen Hardt eine eigene Stellungnahme zu erarbeiten, um für die Überarbeitung des Gesetzes die Aufnahme der Psychotherapie in den Kernbereich privater Lebensgestaltung und einen Schutz der psychotherapeutischen Tätigkeit bei Gleichstellung mit den besonders geschützten Berufsgruppen zu erreichen. Darüber hinaus wird es unseres Erachtens auch nötig sein, zumindest den Versuch einer erneuten Aufklärungsarbeit hinsichtlich einer entsprechenden Novellierung des Gesetzes im Sinne der Psychotherapie zu unternehmen; das Wissen um unsere Belange ist ernüchternd gering. (Stellungnahme der DGPT v. 4.05.2016)

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.04.2016 (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09)

Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht (Nr. 19/2016 vom 20. April 2016): Verfassungsbeschwerden gegen die Ermittlungsbefugnisse des BKA zur Terrorismusbekämpfung teilweise erfolgreich

Stellungnahme der DGPT (4.05.2016): Die psychotherapeutische Behandlungsbeziehung muss als Teil des persönlichen Kernbereichs der Patienten unantastbar bleiben!

Archiv BKA-Gesetz : Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 4/2016

Oberlandesgericht Karlsruhe - Zum Zeugnisverweigerungsrecht des behandelnden Arztes im Zusammenhang einer Risikolebensversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers (Patienten)

Nach dem Tod des Versicherungsnehmers machte die Versicherung Zweifel an den Voraussetzungen der Auszahlung der einige Jahre zuvor zugunsten der Ehefrau abgeschlossenen Risikolebenspolice geltend. Sie forderte die Behandlungsunterlagen des behandelnden Arztes an, die dieser auch der Versicherung übergab. Der Verstorbene hatte bei Vertragsabschluss zwar seine Herzerkrankung angegeben, dabei aber nicht erwähnt, daß er eigenmächtig die vom Arzt verordneten Medikamente abgesetzt hatte. Die Versicherung verweigerte deshalb die Zahlung wegen des Verdachts einer arglistigen Täuschung.

Die Ehefrau verklagte den Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme und bekam diese, einschließlich der Kosten für die anwaltliche Tätigkeit, zugesprochen.

In seiner Entscheidung verwies das OLG Karlsruhe darauf, daß der Versicherer zur Anfechtung eines Risikolebensversicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung auf dem Hintergrund der unrichtigen Beantwortung von Gesundheitsfragen dann nicht berechtigt ist, wenn der Versicherungsnehmer diese zwar objektiv nicht richtig beantwortet hat, jedoch nicht ersichtlich ist, dass er dies aus Gründen der Beeinflussung der Entscheidung des Versicherers tat. Im hier vorliegenden Fall wurden Gesundheitsfragen nicht schon deshalb unrichtig beantwortet, weil der Versicherungsnehmer die Frage nach der Einnahme von Medikamenten verneinte und nicht angab, daß er ein ärztlich verordnetes Medikament aufgrund eigener Verantwortung bzw. Entscheidung nicht eingenommen hat. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers ist eine Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht nicht mehr möglich. Von einer mutmaßlichen Einwilligung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht kann dann nicht ausgegangen werden, wenn die Beweislast zur Anfechtung eines Versicherungsvertrages (Risikolebensversicherung) beim Versicherer liegt. Denn es liegt nicht im Interesse des Verstorbenen, daß die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner Angaben in einer Beweisaufnahme geklärt werden.

Anmerkung: Im vorliegenden Fall ging es primär um die Klage gegen den die Zahlung verweigernden Versicherer und nur am Rande um die Schweigepflicht - hier des behandelnden Arztes - gegenüber dem Versicherer. Diese wurde gebrochen, da eine mutmaßliche Einwilligung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht nicht vorlag!

Urteil des OLG Karlsruhe (Az.: 12 U 57/15)

Mai 2016


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AKTUELL: Nummer 3/2016

Apple weigert sich trotz eines Gerichtsbeschlusses, das iPhone eines mutmaßlichen Attentäters zu entschlüsseln

Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte einen Gerichtsbeschluß erwirkt, nach dem Apple verpflichtet wurde, das iPhone des mutmaßlichen Attentäters Sayed Farook zu entschlüsseln, der mit Ende letzten Jahres mit seiner Ehefrau im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen erschossen hatte. Das FBI hatte untersucht, ob der Attentäter in Verbindung mit dem Islamischen Staats stand und wollte mittels des Handys etwaige Beweise sichern.

Apple hatte sich aber geweigert dem Gerichtsbeschluß nachzukommen.  Der Chef von Apple, Tim Cook, begründete das damit, daß so ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte. Apple habe die Pflicht die Daten der KundInnen vor einem Zugriff durch staatliche Behörden zu schützen.

Nun wurde die Auseinandersetzung dadurch beendet, daß zunächst das FBI und dann auch das US-Justizministerium mittelte, die Hilfe von Apple werde nicht länger benötigt würde. Das FBI bekam laut eigener Aussage Hinweise von Dritten, wie die Verschlüsselung umgangen werden kann. Die in dem Verfahren zuständige  Bundesstaatsanwältin Eileen Decker erklärte daraufhin, die Ermittlungen gegen Apple seien abgeschlossen.

Anmerkung 1: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ein Technologiekonzerne in die Situation gerät, die Daten seiner KundInnen vor dem Zugriff staatlicher Behörden schützen zu wollen. In anderen Situationen (wenn es um eigenen Interessen geht) ist auch der Apple-Konzern, der viel Wert auf den Datenschutz legt, deutlich weniger zimperlich (vgl. den Beitrag von S. Gaycken v. 14.03.16).

Anmerkung 2 (2.04.16): Inzwischen mehren sich Medienberichte, daß es einschlägigen ExpertInnen längst gelungen ist die Verschlüsselung zu umgehen und Apple Sicherheitslücken nicht geschlossen hat. Nun kann man sich fragen: Ging es bei dem Verfahren gegen Apple um den Versuch, Druck auf Telekommunikationsanbieter auszuüben mit dem Ziel jederzeit ohne große Mühe an die entsprechenden Daten zu kommen - oder verfügt das FBI nicht über ExpertInnen die in der Lage sind, sich die entsprechende Software zur Entschlüsselung zu beschaffen (oder beides)?

spiegel.de (29.03.16): Apple: FBI knackt iPhone von San-Bernardino-Attentäter. Das FBI wollte Apple per Gerichtsbeschluss dazu zwingen, das Handy eines islamistischen Terroristen zu entschlüsseln. Nun haben die US-Behörden selbst das iPhone geknackt.

faz.net (14.03.16) S. Gaycken: Apples Doppelmoral. Dass Apple sich im Streit mit dem FBI als Datenschützer gibt, demonstriert die schlichte Doppelmoral des Konzerns. Denn in China hat die Regierung längst Zugriff auf die iPhones. Ein Gastbeitrag.

März 2016


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AKTUELL: Nummer 2/2016

Einschränkung der Schweigepflicht durch Offenbarungspflicht gegenüber Dritten bzw. dem Arbeitgeber (Abschlußbericht der französischen Untersuchungsbehörde zum Absturz der Germanwings-Maschine)

Teil III

Im Abschlußbericht der französischen Untersuchungsbehörde BEA zum Absturz der Germanwings-Maschine (vorgelegt am 13.03.16) wird die Forderung nach klaren internationalen Regeln im Falle einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Krankheit eines Patienten erhobenen. Angesichts international unterschiedlichen Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht sollten Gesundheitsdienstleister aufgefordert werden, die jeweiligen Behörden zu informieren (Ärztezeitung 14.03.16).

Der Präsident der Bundesärztekammer, Montgomery, sieht im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen, hat sich aber gegen eine generelle Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht ausgesprochen (Ärztezeitung 14.03.16).

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Prof. Hans Drexler (Erlangen) hat die Debatte als "schädlich und wenig qualifiziert" bezeichnet. Vermutlich hätte der Absturz weder durch eine Mitteilungspflicht verhindert werden können, noch mache es Sinn, alle Menschen mit depressiven Episoden und Suizidgedanken als nicht geeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung anzusehen - denn dann wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeitsfähig. Hinzu kommt die Unsicherheit prognostischer Aussagen. Im Bereich der Arbeitsmedizin sieht er die die Frage einer Aufhebung der Schweigepflicht als besonders problematisch an. Würden sich PatientInnen nicht mehr auf die Verschwiegenheit der ArbeitsmedizinerInnen verlassen können, würden sich PatientInnen nicht mehr mit entsprechenden Informationen anvertrauen, was zu einer verringerten Sicherheit Dritter und auch dazu führen würde, daß ÄrztInnen die jeweilige Gefahr durch  Therapien und anderen Hilfsangeboten Gefahren nicht mehr abwenden könnten (Ärztezeitung 16.03.16).

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer hat sich ähnlich zu dieser Frage geäußert. In der Pressemitteilung v. 16.03.16 heißt es:

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnt davor, die Schweigepflicht für Psychotherapeuten und Ärzte einzuschränken. „Das größte Risiko wäre, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr behandeln lassen, weil sie befürchten, dass Arbeitgeber oder Behörden von ihrer Erkrankung erfahren“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Erst das offene Gespräch mit einem Psychotherapeuten oder Arzt macht es möglich, eine psychische Krankheit zu behandeln und mögliche Suizide zu verhindern.“

Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Psychotherapeuten müssen zwischen dem Schutz der Patienten, dem Schutz von Dritten sowie dem Allgemeinwohl abwägen und gegebenenfalls tätig werden. „Diese Abwägung muss sehr sorgfältig getroffen werden“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Dazu gehöre, dass man sich im Zweifel bei einem Kollegen fachlich rückversichert. Drohe, dass ein Patient sich selbst oder andere gefährde, müsse notfalls auch eine Zwangseinweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgen. Im Fall des schwer depressiven Germanwings-Copiloten, der vor einem Jahr ein Flugzeug mit 150 Menschen abstürzen ließ, mussten die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten auf Grundlage der ihnen bekannten Befunde eine solche Abwägung vornehmen und begründen. Dies können Gerichte überprüfen.

„Die Entscheidung, ob ein Patient sich oder andere gefährdet, muss eine Entscheidung des behandelnden Psychotherapeuten oder Arztes bleiben“, fordert Munz. „Grundsätzliche gesetzliche Meldepflichten vergrößern dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr in Behandlung begeben. Die Behandlung eines psychisch kranken Menschen verringert seine Leiden und kann eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindern. In den seltenen Fällen, wo psychisch kranke Menschen befürchten, dass sie sich oder andere Menschen gefährden könnten, ist eine Behandlung auch der beste Schutz für die Allgemeinheit.“

Nur einem Satz möchte ich widersprechen: Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Genau dieser Automatismus ist in der Musterberufsordnung nicht der BPtK enthalten (§ 8 Abs. 4 M-BO). Die notwendige Abwägung (vgl. auch § 34 StGB i.V.m. 203 StGB) wird dann zutreffend in den folgenden Sätzen der Presseerklärung erläutert. Dieser eine Satz führt jedoch zu einer Verwirrung, die dem Thema nicht gerecht wird.

Ärztezeitung (14.03.16): Germanwings-Absturz. Ärztliche Schweigepflicht im Fokus

Ärztezeitung (14.03.16): Abschlussbericht über Germanwings-Absturz. Montgomery will keine Aufweichung der Schweigepflicht

Ärztezeitung (16.03.16): Gegen jede Lockerung der Schweigepflicht. Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht wird von Arbeitsmedizinern kategorisch abgelehnt. Für die Sicherheit sei dies eher schädlich.

BPtK Aktuell (16.03.2016): Schweigepflicht nicht weiter durchbrechen. Mehr Sicherheit durch eine grundsätzliche Meldepflicht nicht möglich

Archiv (Germanwings): Teil 1 & Teil 2

März 2016


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AKTUELL: Nummer 1/2016

Schweigepflicht und Diskretion in der Arztpraxis - ein dunkles Kapitel

Daß in ärztliche Praxen mit der Schweigepflicht fahrlässig umgegangen wird, davon können sich PatientInnen problemlos selbst überzeugen. Kaum ein Arztbesuch, bei dem man nicht etwas über die anderen PatientInnen erfährt, oder umgekehrt. Ich weise auf diesen Umstand seit Jahren hin - geändert hat sich kaum etwas! Nun hat die Stiftung Warentest sich des Themas angenommen und kommt zu Ergebnissen, die eigentlich bei den ärztlichen Berufsverbänden und Ärztekammern Entsetzen auslösen müßten. Doch ich fürchte auch weiter wird sich wenig verändern.

Ärzte Zeitung, (26.02.16): Zu offener Umgang mit Patientendaten? Die Stiftung Warentest hat die Diskretion in Hausarztpraxen getestet. Das Ergebnis: In jeder zweiten geprüften Praxis waren Patientengeheimnisse nicht sicher aufgehoben. Zeitschrift "test" (3/2016)

Februar 2016


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2016


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AKTUELL: Nummer 20/2015

EU-Datenschutz-Grundverordnung: Grundsatz der Zweckbindung bedroht!

(Teil III)

Die Zeit berichtet in der aktuellen Ausgabe (v. 10.09.15) über den von den Staats- und Regierungschefs vorgelegten Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung, die die bislang geltende Richtlinie 95/46/EG ablösen soll und eine vollständige Neuordnung des europäischen Datenschutzes beabsichtigt. Beunruhigend ist der Passus des Entwurfs, der (nicht näher definierte) Interessen der Unternehmen betrifft. Überwiegen diese die Interessen der betroffenen Personen, können personenbezogene Daten - ohne Zustimmung und Wissen der Betroffenen - weitergegeben werden. Eine Reihe von ExpertInnen haben (nicht nur) das kritisiert und werfen der Bundesregierung vor, zu sehr die Interessen der Wirtschaft vertreten zu haben. Insbesondere problematisch erscheint, daß der deutsche Grundsatz der Zweckbindung nicht im Entwurf steht. Das bedeutet. Stimmt man einer Datenverarbeitung zu so gilt eben nicht mehr der Grundsatz, daß die Daten nur zu dem Zweck gespeichert, verarbeitet und weitergegeben werden dürfen zu dem sie offenbart wurden.

Allerdings scheint auch Justizminister Heiko Maas nicht vom Entwurf überzeugt und will am Grundsatz der Zweckbindung als zentralem Pfeiler des Datenschutzrechts festhalten; allerdings liegt die Federführung der Verhandlungen beim Bundesinnenministerium.

Wie die Zeit berichtet, wird ab der kommenden Woche (14.09.15) in Brüssel im Trialogverfahren zwischen den verschiedenen Gremien verhandelt (europäisches Parlament, europäischer Rat und europäische Kommission).

Der Entwurf kann online eingesehen werden (siehe den Link unten): Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Dokument! Die Frage der Interessensabwägung findet sich  in Artikel 6 (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Absatz 1 Buchstabe f (Seite 50f).

Die Zeit (Nr. 37 v. 10.09.15: Oh. der hat Herzprobleme! Neue EU-Regeln bedrohen den Datenschutz: Firmen sollen Kundendaten ohne Zustimmung weitergeben dürfen. Versicherungen bereiten sich vor (v. R. Rehage): Seite 25

Europäische Kommission: Vorschlag für VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung). Brüssel, 25.01.12

Archiv: Teil I + Teil II

September 2015


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AKTUELL: Nummer 19/2015

Unabhängige Patientenberatung:  Kritik an ÄrztInnen und Krankenkassen

Trägerwechsel bei der Unabhängigen Patientenberatzung (UPD)

Die Unabhängige Patientenberatung hat in ihrem Jahresbericht eine kritische Bilanz. In einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wurden Behandlungen sowie die Einsicht in Patientenakten verweigert, es kam zu Behandlungsfehlern und Leistungsversprechen der Kostenträger wurden gebrochenen.

In 3554 Fällen wandten sich PatientInnen an die UPD, weil ihnen im Krankenhaus oder bei niedergelassenen ÄrztInnen die Einsicht in die Behandlungsunterlagen verweigert wurde. Nach Ansicht der UPD wissen ÄrztInnen auch zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetz oft nichts vom Recht ihrer PatientInnen auf Einsicht in ihre Patientenakte.

Das ist nicht wirklich neu - leider waren ÄrztInnen noch nie Vorreiter eines vorsichtigen Umgangs mit Patientendaten und verletzten oftmals ihre Schweigepflicht - ich könnte dazu unzählige Beispiele nennen, die mir im Laufe meiner über zweieinhalb Jahrzehnte andauernden Beschäftigung mit dem Thema untergekommen sind. Erstaunlicher ist, daß die ethische, berufs-, zivil- und strafrechtliche Dimension völlig ausgeblendet wird. Vermutlich auch, weil Beschwerden und Klagen die Ausnahme sind.

Nach derzeitigem Stand geht die Unabhängige Patientenschaft ab 2016 in eine neue Trägerschaft über: Die 1. Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat am 3.09.15 den Nachprüfungsantrag der aktuellen Träger der UPD zurückgewiesen. Sie hatten sich gegen die Vergabe (in öffentlicher Ausschreibung) an den privaten Anbieter von Telefondienstleistungen Sanvartis gewandt.

Innerhalb von zwei Wochen besteht für den Sozialverband VdK, die Verbraucherzentrale Bundesverband und den Verbund unabhängiger Patientenberatung die Möglichkeit die Entscheidung vor dem Oberlandesgericht anzufechten. Andernfalls wird Sanvartis zum 1.01.2016 den Zuschlag für sieben Jahre erhalten und 63 Millionen Euro Fördermittel in Anspruch nehmen können.

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung online (wird die Sanvartis GmbH eine gemeinnützige UPD GmbH gründen, die eine inhaltliche Einflussnahme vollständig ausgeschließen soll: Ein umfangreiches Regelwerk wird sicherstellen, dass die Sanvartis GmbH keinen Zugriff auf die UPD, deren Geschäftsführer und Mitarbeiter oder deren Daten und das IT-System haben wird. Außerdem ist eine umfassende kontinuierliche Überwachung durch eine neutrale Kontrollinstanz vorgesehen",

Ärzte Zeitung online (3.09.15): UPD-Bericht. Ärzte und Kassen verletzen Patientenrechte: Verweigerte Behandlungen, verweigerte Einsicht in Akten: Bei der Einhaltung der Patientenrechte hapert es. Der Jahresbericht der Unabhängigen Patientenberatung nimmt Ärzte und Kostenträger ins Visier

aerzteblatt.de (4.09.15): POLITIK. Unabhängige Patientenberatung Deutschland: Vergabekammer bestätigt Übergang an neue Trägerorganisation

September 2015


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AKTUELL: Nummer 18/2015

Vorratsdatenspeicherung - und kein Ende!

(Teil XVIII)

Die Bundespsychotherapeutenkammer berichtet in einer Mitteilung vom 27. Juli 2015 über eine gemeinsame Initiative der Bundesärztekammer, Bundeszahnärztekammer, Bundesapothekerkammer und der Bundespsychotherapeutenkammer gegen die von der Bundesregierung geplante Vorratsdatenspeicherung. In einem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten im Rechts- und Gesundheitsausschuss fordern diese sie auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Anmerkung (1.08.15): Meinhard Starostik, einer bevollmächtigten Rechtsanwälte der auch in meinem Namen erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt hat (weiter: Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch und Prof. Dr. Jens-Peter Schneider) - siehe Teil XIV - hat seine vorläufige  Bewertung des Referentenentwurfs in einem Referat vor Bundestagsabgeordneten und Journalisten (19.05.15) abgegeben: www.strarostik.de: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.

Anmerkung (4.11.15): Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung (BT-Drucksache 18/5088), der eine Speicherung der Verkehrsdaten für 10 Wochen vorsieht finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/050/1805088.pdf. Er wurde vom Bundestag am 6. Oktober 2015 verabschiedet. Berufsgeheimnisträger (z. B. ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen) sind nicht in die Ausnahmeregelung einbezogen, die für Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten, gilt.

Bundespsychotherapeutenkammer Aktuell: 27. Juli 2015 Gemeinsame Initiative der Heilberufekammern: BPtK kritisiert geplante Vorratsdatenspeicherung

Schreiben der Heilberufekammern an die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und des Ausschusses für Gesundheit vom 10. Juli 2015.

Süddeutsche Zeitung (16.04.15): Vorratsdatenspeicherung. O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI -+ Teil XVII

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

August 2015


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AKTUELL: Nummer 17/2015

BKA-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht

Teil VI

Das Bundesverfassungsgericht hat am 7.07.15 erstmals über Klagen gegen das Bundeskriminalamts-Gesetz (BKA-Gesetz) verhandelt. Das 2009 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Ermittlern Lauschangriffe auf Wohnungen und Onlinedurchsuchungen zur  Terrorabwehr.

Eine Gruppe von KlägerInnen (unter anderem der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann, Jürgen Hardt, Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Rechtsanwälte, Grünen-Politiker und ein Arzt) ist der Ansicht, daß der Schutz von Geistlichen, Abgeordneten und BerufsgeheimnisträgerInnen nicht ausreichend geschützt ist um das Vertrauensverhältnis von ÄrztInnen, RechtsanwältInnen und PsychotherapeutInnen gegenüber ihren PatientInnen und MandantInnen zu wahren bzw. zu sichern. Außerdem fordert sie Schranken für das Ausspähen von Computern und für den Lauschangriff in Wohnungen.

Daß das Gericht dem Gesetz durchaus kritisch gegenübersteht wurde u. a. auch durch die Frage des Richters Ferdinand Kirchhof (Vorsitzender Richter des Erstes Senats und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts) "Wie viel Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern?"

In der Verhandlung stellten die Richter der Bundesregierung eine Reihe von Fragen und listeten einen Katalog klärungsbedürftiger Punkte auf. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte wie zu erwarten die Regelungen des BKA-Gesetzes. Das Bundeskriminalamt arbeite im Rahmen der Gesetze entschlossen, jedoch mit Augenmaß für die Erhaltung des Rechtsstaats;  Deutschland sei, so de Maizière, kein Überwachungsstaat. Seit 2009 seien auch wegen der Möglichkeiten BKA-Gesetzes zwölf Terroranschläge misslungen oder vereitelt worden.

Erschreckend ist, daß der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung aus der Sicht der Bundesregierung nicht in jedem Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf. Das Gesetz stelle sicher, dass die vor Ort ermittelnden Beamten kernbereichsrelevante Informationen nicht zur Kenntnis nähmen (siehe Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015: letzter Absatz). Wer so argumentiert hat wenig von verfassungsmäßigen Rechten der StaatsbürgerInnen verstanden.

Das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts wird im Herbst erwartet.

Anmerkung (13.09.15): Auch das Psychotherapeutenjournal 3/2015 berichtet über die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht und die von Jürgen Hardt (Gründungspräsident der PTK Hessen, PP, Psychoanalytiker) dort vorgetragene Stellungnahme. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich den Text hier:

Stellungnahme von Jürgen Hardt vor dem Bundesverfassungsgericht

Herr Vorsitzender, hoher Senat!

Ich möchte mit einer kurzen Bemerkung auf den Zusammenhang zwischen dem "Kernbereichsschutz" und dem "Schutz von Berufsgeheimnisträgern" aus meiner fachlichen Sicht eingehen. Meine Bemerkungen mögen Ihnen juristisch naiv erscheinen, fachlich sind sie zwingend. Sie sollen zeigen, dass der "verschieden ausgestaltete Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen" bei der Ausübung von Psychotherapie keine Anwendung finden darf. Ich bin Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker, das heißt Vertreter eines alten, juristisch noch jungen Berufes. (Das Psychotherapeutengesetz ist am 1.1.1999 in Kraft getreten!)

Psychologische Psychotherapeuten unterliegen als Berufsgeheimnisträger ebenso wie Ärzte der absoluten Verschwiegenheitsverpflichtung, gerade deswegen, weil sie sich mit ihren Patienten im geschützten Kernbereich des Privaten bewegen. Die verbindlichen Regelungen der verschiedenen Berufsordnungen schreiben deswegen Maßnahmen zum Vertrauensschutz vor, die den Zugang von Dritten zu Aufzeichnungen von Behandlungsinhalten und -verläufen, auch über den Tod hinaus, verwehren. Auch dürfen Computer mit Internetzugang nicht zur Aufzeichnung von Inhalten der Behandlungen benutzt werden.

Für die psychotherapeutische Heilkunde ist der absolute Vertrauensschutz von essenzieller Bedeutung:

Hohes Gericht, ich danke für die Möglichkeit, diese Gedanken vorzubringen!

Jürgen Hardt, Gründungspräsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker; Wetzlar

 

Bundesverfassungsgericht: Pressemeldung Nr. 41/2015 vom 12. Juni 2015: Mündliche Verhandlung in Sachen „BKA-Gesetz“ am Dienstag, 7. Juli 2015, 10:00 Uhr (Az.: 1 BvR 1140/09 und 966/09)

Bundesverfassungsgericht: Pressemeldung Nr. 43/2015 vom 16. Juni 2015: Ergänzende Informationen und Verhandlungsgliederung in Sachen „BKA-Gesetz“

Die ZEIT online (7.07.15, 14:12): ProzesseKarlsruhe sieht Polizeibefugnisse zur Terrorabwehr kritisch.

Ärzte Zeitung online (7.07.15): Trojanergesetz. Sind Patienten geschützt?

Psychotherapeutenjournal (3/2015): Verfassungsbeschwerde zum fehlenden Abhörschutz für Psychotherapeutinnen und -therapeuten (von J. Rautschka-Rücker): 252-253 (mit Abdruck der Stellungnahme von Jürgen Hardt)

Archiv BKA-Gesetz: Teil I + Teil II  + Teil III + Teil IV + Teil V

August 2015


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AKTUELL: Nummer 16/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an der "Psychosoziale Komfortbetreuung"  der Krankenkassen ohne Rechtsgrundlage

Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat in ihrem Tätigkeitsbericht 2013-2014 Kritik daran geübt, daß auch außerhalb des "Krankengeldfallmanagements" (siehe vorausgehenden Beitrag AKTUELL: Nummer 15/2015) die Tendenz bei den gesetzlichen Krankenkassen  zu beobachten war auch jenseits der gesetzlichen Kernaufgaben den Versicherten medizinische Betreuungsangebote zu machen. In einem Fall übermittelte eine Krankenkasse nach Einwilligung (Datenschutz) der PatientInnen die Daten der Versicherten [Vor- und Zuname, Anschrift, Geburtsdatum und Versichertennummer, Name, Adresse und ggf. Telefonnummer der behandelnden Ärzte (optional), Name, Adresse und ggf. Telefonnummer nahe stehender Personen/Angehöriger (optiona)] an an einen privaten Dienstleister, der die telefonische Betreuung der Versicherten durchführte.

Die Betreuung erfolgt über einen Zeitraum von zwölf Monaten und umfasst u. a. regelmäßige Telefongespräche die Erstellung eines persönlichen Versorgungsplanes sowie die Unterstützung bei der Organisation von Therapien. Von den im Rahmen der Betreuungsgespräche von dem Dienstleister erhobenen Gesundheitsdaten des Versicherten oder Gesprächsergebnissen erhält die Krankenkasse keine Kenntnis.

In ihrer Bewertung kommt Frau Voßhoff zu folgendem Ergebnis:

Bei den beschriebenen Programmen handelt es sich um ein datenschutzrechtlich unzulässiges Fallmanagement. Eine erforderliche gesetzliche Grundlage für die mit der Durchführung der Programme einhergehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung ist nicht vorhanden. Insbesondere können diese nicht auf § 11 Absatz 4 SGB V gestützt werden (vgl. Nr. 13.7). Da sich die Krankenkasse selbst auf keine einschlägige Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung berufen kann, ist auch die Betrauung eines privaten Dritten mit dieser Aufgabe im Wege der Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X unzulässi

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Juni 2015


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AKTUELL: Nummer 15/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik am "Krankengeldfallmanagement" der Krankenkassen (§ 44 Abs 4. SGB V, geändert durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz)

Aus der Sicht der Bundesdatenschutzbeauftragten ist das mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (zum damaligen Zeitpunkt noch) geplante "Krankengeldfallmanagement" datenschutzrechtlich fragwürdig, da es die sinnvolle bzw. notwendige Trennung von Aufgaben und Datenerhebung der Krankenkassen und des MDK durchbricht. Zwar sollen die Krankenkassen die entsprechenden Sozialdaten arbeitsunfähigen Versicherter, die Krankengeld beziehen oder bei denen ein solcher Bezug droht, nur mit Einwilligung der Betroffenen PatientInnen erheben können, es bleibt aber problematisch, daß Krankenkassen solche Daten überhaupt erheben.

Der im Versorgungsstärkungsgesetz zwischen verabschiedete Passus zum Krankengeld (§ 44 abs. 4 SGB V) hat folgende Fassung erhalten:

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen. Das Bundesministerium für Gesundheit legt dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2018 einen Bericht über die Umsetzung des Anspruchs auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkassen nach diesem Absatz vor.

Damit hat sich Frau Voßhoff wie schon von ihr vermutet nicht im Gesetzgebungsverfahren mit ihrer Ansicht durchsetzen können. Hoffnung besteht allenfalls im Zusammenhang des im Gesetz geregelten Berichts zu dem die Bundesdatenschutzbeauftragte sicherlich auch Stellung nehmen wird.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht (Seite 199f)

SGB V (über www.dejure.de): § 44 Krankengeld

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Juli 2015


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AKTUELL: Nummer 14/2015

25. Tätigkeitsbericht der Bundesdatenschutzbeauftragte 2013-2014: Kritik an den Krankenkassen hinsichtlich des Umgangs mit für den MDK bestimmten Unterlagen

Die Bundesdatenschutzbeauftragte für den Datenschutz Andrea Voßhoff hat im Zusammenhang mit für den MDK bestimmten Unterlagen heftige Kritik an den Krankenkassen (und auch am MDK) geübt. In ihrem Tätigkeitsbericht (25. Tätigkeitsbericht 2013-2014) erläutert sie unter der Überschrift 13.8 „Good Will“ des Datenschutzes führte zu Fehlentwicklungen beim sog. Umschlagsverfahren, die Krankenkassen hätten sich Zugang zu Unterlagen verschafft, die dem Medizinischen Dienst vorbehalten sind. Zudem hätte aber auch der MDK die in einem verschlossenen Umschlag erhaltene Unterlagen an die Krankenkasse zur dortigen Ablage offen zurückgegeben, wodurch Krankenkassen Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen erhalten hätten.

Daher hat die Bundesdatenschutzbeauftragte nun folgende Regelung erlassen:

Das sog. Umschlagsverfahren konnte in der Praxis nicht verhindern, dass medizinische Unterlagen nur vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Kenntnis genommen werden. Zukünftig sind die Leistungserbringer verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen direkt dem MDK zu übersenden (25. Tätigkeitsbericht 2013-2014: 201)

Ergänzend schreibt Frau Voßhoff:

Weiter dürfen die Unterlagen auch zu einem späteren Zeitpunkt vom MDK nicht den Krankenkassen zugeleitet bzw. von ihnen zur Kenntnis genommen werden. Die vom MDK erhobenen und gespeicherten Sozialdaten müssen in seinem Zuständigkeitsbereich verbleiben und sind nach fünf Jahren zu löschen.

Fazit: Unterlagen an den MDK sind nicht an die Krankenkassen, sondern an den Medizinischen Dienst zu übersenden!

Anmerkung 1: Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Bundesdatenschutzbeauftragte Kenntnis von Fällen hat in welchen die Unterlagen an die/den Gutachterin (Richtlinien-Psychotherapie) von den Krankenkassen geöffnet wurden.

Anmerkung 2: Angesicht der Zustände in der PKV, wo ein geregeltes Verfahren nicht besteht und PKV-MitarbeiterInnen intimste Daten, z. B. aus dem Bericht der PsychotherapeutInnen (Beantragung einer Psychotherapie) lesen und ein Medizinischer Dienst keineswegs regelmäßig besteht, handelt es sich hier um 'Peanuts' - denen man allerdings zweifellos nachgehen muß. Aber wer kümmert sich um den Datenschutz/Schweigepflicht in der PKV. Eine Petition meinerseits war zwar durchaus erfolgreich, hat die Situation aber nicht ändern können (vgl. AKTUELL: Nummer 13/2012).

Ich wiederhole meine schon oft geäußerte Kritik: Der Datenschutz wird im Bereich der PKV nach wie vor mit Füßen getreten (Grundsätze der Zweckbindung und Datensparsamkeit). PatientInnen werden – zumal in einer Situation größter psychischer Belastung – genötigt, eine sachlich nicht erforderliche Einwilligung zu erteilen, da andernfalls keine Kostenübernahme erfolgt.

Anmerkung 3: Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat aufgrund der Ausführungen von Frau Voßhoff Empfehlungen für die bayerischen Praxen erarbeitet:

Das bisher von einigen Krankenkassen angewandte sogenannte Umschlagverfahren, bei dem für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bestimmte Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag mit dem Hinweis – nur vom MDK zu öffnen – angefordert und über die Krankenkassen an den MDK weitergeleitet werden, wurde von der Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) moniert.

Die bundesunmittelbaren Krankenkassen sind daher aufgefordert, künftig nur noch einen an den MDK adressierten Umschlag zuzusenden. Für bayerische Krankenkassen ist das Umschlagverfahren dagegen nach Auskunft des bayerischen Datenschutzbeauftragten noch möglich.

Ab 01.01.2016 ist eine Neuregelung des § 276 SGB V geplant, wonach die Vertragsärzte und -psychotherapeuten verpflichtet werden sollen, für den MDK bestimmte Unterlagen mit versichertenbezogenen Daten ausschließlich unmittelbar an den MDK zu übermitteln. Bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung ist es aus unserer Sicht möglich, beide Verfahren anzuwenden.

(http://blog.kvb.de/vorstand/2015/07/31/weitergabe-von-patientendaten-an-den-mdk)

Ich halte das für keinen guten Vorschlag!

Anmerkung 4: Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V. und der DGVT-Berufsverbands Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V. hat am 21.07.2015 eine Stellungnahme zu den Verstößen gegen den Datenschutz durch Krankenkassen veröffentlicht: Informationsaustausch zwischen Krankenkassen und MDK – DGVT und DGVT-Berufsverband sehen skandalösen Vertrauensbruch zu Lasten der PatientInnen. Siehe auch "Rosa Beilage. Aktuelles aus der psychosozialen Fach- und Berufspolitik" (Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V.  & Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie - Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e. V.) findet sich in der Ausgabe 3/2015 (11.08.2015) eine Stellungnahme von DGVT und DGVT-BV: Verstöße gegen den Datenschutz durch Krankenkassen: Skandalöser Vertrauensbruch zu Lasten der PatientInnen (Seite 6ff).

Anmerkung 5 (2.09.15): Im Hinblick auf das sogenannte "Umschlagverfahren", bei dem gutachterliche Stellungnahmen über die Krankenkassen an den Medizinischen Dienst der Kassen (MDK) gesendet werden, ist für Anfang 2016 eine gesetzliche Neuregelung geplant.  Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, ist eine Änderung des§ 276 SGB V geplant, die vorsieht, daß VertragsärztInnen und -psychotherapeutInnen verpflichtet werden, die für den MDK bestimmten Unterlagen direktan den MDK zu übermitteln (vgl. Ärzte Zeitung online v. 5.08.15). Die KBV hat darauf hingewiesen, daß von der Stellungnahme der Bundesdatenschutzbeauftragten das Gutachterverfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie nicht betroffen ist (vgl. Ärzte Zeitung online v. 21.07.15). Bislang ist m. W. kein Fall bekannt geworden, bei dem der Bericht an die/den GutachterIn in der Krankenkasse geöffnet worden wäre.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff: Tätigkeitsbericht 2013-2014. 25. Tätigkeitsbericht

Ärzte Zeitung online (24.06.15): Tätigkeitsbericht. Der Datenschutz kommt im Gesundheitswesen zu kurz. Wie weit dürfen Krankenkassen bei der Erhebung von Daten ihrer Versicherten gehen? Schon seit Jahren gibt es immer wieder Scharmützel zwischen dem obersten Datenschützer und den Krankenkassen. Das zeigt auch der aktuelle Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (von Hauke Gerlof)

Ärzte Zeitung online v. (21.07.15): Ärzte, aufgepasst: Patientendaten künftig direkt an MDK.

Ärzte Zeitung online v.(5.08.15): Gesetzesänderung: Besserer Schutz für Daten für den MDK

Juli 2015


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AKTUELL: Nummer 13/2015

Gesundheitsminister plant besseren Schutz für ausgelagerte Patientendaten

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung (1.06.15) plant Gesundheitsminister Gröhe den Schutz ausgelagerter Daten (bei IT-Dienstleistern) zu verbessern. Er läßt beim Bundesjustizministerium prüfen, ob die Schweigepflicht auf IT-Dienstleister ausgeweitet werden muß. Denn bislang sind digitale Patientendaten gegen gegen den Zugriff von Behörden (Beschlagnahme) nicht geschützt.

Ärzte Zeitung - online (1.06.15): Gröhe plant: Besserer Schutz für ausgelagerte Patientendaten. Bisher sind digitale Patientendaten nur im direkten Umfeld des Arztes gegen den Zugriff von Behörden geschützt. Das könnte sich bald ändern.

Juni 2015


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AKTUELL: Nummer 12/2015

Beschränkung des Einsichtsrechts in die Behandlungsunterlagen, wenn es dazu dient ein bereits bestehenden Kontaktverbot (wegen Stalking) zu umgehen

Teil I

Einen ungewöhnlichen Fall der Klage eines Patienten wegen Herausgabe der Behandlungsunterlagen hatte das Amtsgericht München (1.04.2015; Az: 242 C 20527/14) zu entscheiden. Ein Patient, der bei einer Psychotherapeutin einige Wochen in Therapie war, hatte diese nach der Beendigung der Behandlung gestalkt und dabei auch bedroht (persönliche Mitteilung der betroffenen Kollegin) - die Psychotherapeutin hatte deswegen auch ein gerichtlich verfügtes Kontaktverbot (nach dem Gewaltschutzgesetz) erwirkt, gegen das der Patient allerdings mehrfach verstieß. Er verlangte nun die Herausgabe der Behandlungsunterlagen nach § 10 Abs. 2 der Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten (genau handelt es sich um Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns; www.ptk-bayern.de).

Das Gericht bezog sich in seiner Entscheidung nicht auf die Berufsordnung. Es argumentierte vielmehr, daß grundsätzlich ein Einsichtsrecht nach § 630 g BGB besteht, das im vorliegenden Fall jedoch eingeschränkt sei, weil nach § 630 Abs. 1 g BGB ein Einsichtsrecht nicht bestehe, soweit erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen. Dieser Fall sei hier gegeben, "da aufgrund der psychopathologischen Einstellung des Klägers nicht auszuschließen sei, dass bei Kenntnisnahme des Akteninhalts Affektreaktionen entstehen können, die dann vom Kläger nicht mehr steuerbar seien, was letztlich zu einer negativen Beeinflussung seines eigenen Gesundheitszustands führen könne". Weiter "sei nicht auszuschließen, dass der Kläger die Einsichtnahme nur einfordert, um auf diese Weise das ausgesprochene Kontaktverbot zu umgehen". Die Psychotherapeutin hatte die Behandlungsunterlagen bereits zuvor an die Staatsanwaltschaft übergeben, wo der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, Einsicht zu nehmen. Es sei ihm - so das Gericht -  zuzumuten gewesen, dort "Akteneinsicht zu nehmen und damit vom genauen Inhalt der Behandlungsunterlagen Kenntnis zu erlangen". Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig.

Bereits im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung hatte die Psychotherapeutin versucht, die Behandlungsunterlagen an die die zuständige Psychotherapeutenkammer zu übergeben, bei der sie Mitglied ist, damit der Patient dort gegebenenfalls Einsicht hätten nehmen können. Die Psychotherapeutenkammer lehnte die Aufbewahrung der Behandlungsunterlagen jedoch ab.

Anmerkung: Wenn es auch in der Mehrzahl der Fälle PatientInnen sind, die Übergriffen seitens ihrer BehandlerInnen ausgesetzt sind, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Fällen, in welchen PsychotherapeutInnen bzw. BehandlerInnen Opfer von Übergriffen werden. Interessanterweise wird darüber kaum gesprochen. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, daß KollegInnen das Verhalten der PatientInnen schuldhaft mit Schamgefühlen verarbeiten - als vermeintliche Reaktion der PatientInnen auf eine fehlerhafte, unzureichende Behandlung. Selbst wenn das im zu prüfenden Einzelfall so wäre, würde das grenzüberschreitende Verhalten der PatientInnen damit nicht legitimiert. Ähnlich wie im Fall der Grenzüberschreitungen von TherapeutInnen kommt offenbar es zur Schuldumkehr: Nicht der Täter ist verantwortlich für die Grenzüberschreitung, sondern das Opfer hat die Grenzüberschreitung provoziert.

Auch wenn es sich in Relation zu Grenzüberschreitungen bei PatientInnen um eine kleine Zahl von Fällen handelt, scheint es mir sinnvoll diesen KollegInnen Hilfe anzubieten - hier sind die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern gefragt. Vermutlich sind in besonderer Weise Psychotherapeutinnen (Frauen) betroffen, die von Übergriffen ihrer Patienten (Männer) betroffen sind. Auch darauf wäre Rücksicht zu nehmen (weibliche Ansprechpartnerinnen).

Gewaltschutzgesetz-GewSchG: Bundesministerium für Justiz und den Verbraucherschutz (www.gesetze-im-internet.de)

Dr. med. Bernhard Mäulen (Villingen): Bedroht, beschimpft, geschlagen Vom Helfer zum Opfer: Gewalt gegen Ärzte. Orthopädie & Rheuma (publiziert am: 3.6.2013 16:30); www.springermedizin.de

Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein: Ärzte und Psychotherapeuten schildern massive Übergriffe: Gewalt in rheinischen Praxen – ein bedrückendes Thema (06.05.2014 KVNO aktuell)

Mai 2015


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AKTUELL: Nummer 11/2015

118. Deutscher Ärztetag: Änderung der Muster-Berufsordnung zur Einsicht in Behandlungsunterlagen

Teil II (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Der 118. Deutsche Ärztetag hat eine Änderung der Muster-Berufsordnung in vier Punkten beschlossen. Bei der Einsicht in die Dokumentation wurde hinsichtlich möglicher Ausnahmen ein Passus zu Rechten der ÄrztInnen.

§ 10 Abs. 2 Satz 1 der MBO-Ä lautet damit:

Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen in die sie betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter entgegenstehen.

Anmerkung: Die Gesetzesbegründung sieht ÄrztInnen ausdrücklich nicht als Dritte – und ihre Rechte damit an dieser Stelle auch nicht als schutzwürdig an. In der Bundespsychotherapeutenkammer wurde im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der PsychotherapeutInnen (KJP/PP) einerseits und die juristischen Vorgaben andererseits lange um eine entsprechende Änderung der Muster-Berufsordnung gerungen. Die verabschiedete Version 24. Deutschen Psychotherapeutentag (15.05.2014) lautet nun:

§ 11 Einsicht in Behandlungsdokumentationen

(1) Patientinnen und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in der Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener Kosten fordern.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Diese Version wird den juristischen Vorgaben aus dem BGB deutlich gerechter, als die Formulierung in der M-BO für ÄrztInnen. Allerdings ist die M-BO für PP/KJP im Hinblick auf den Satz "Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen" aus Datenschutz- bzw. strafrechtlichen Gründen äußerst bedenklich: Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnten durch eine Überprüfung der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen betroffen sein bzw. verletzt werden.

In der Berufsordnung für die KJP/PP Bayern (Fassung v. 18.12.2014) wurde in § 11 Abs. 2 (Einsichtnahme in die Patientenakte) folgende Formulierung gewählt:

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen.

Pressemitteilung: 118. Deutscher Ärztetag 14.05.2015: (Muster-) Berufsordnung: Änderungen beschlossen

Berufsordnung für für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten Bayerns (Stand: 18.12.2014): www.ptk-bayern.de

AKTUELL: Nummer 16/2014: 24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen.

Archiv: Teil I

Mai 2015


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AKTUELL: Nummer 10/2015

Vorratsdatenspeicherung - und kein Ende!

(Teil XVII)

Man glaubt es kaum. Trotz des Scheiterns aller bisherigen Bemühungen (zuletzt durch das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes, das die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt hat - siehe Teil XVI), will jetzt die Bundesregierung einen neuen Vorstoß unternehmen. Justizminister Maas, bislang ein erklärter Gegner des Vorhabens ist - vermutlich im Zusammenhang der Koalitionsdisziplin - umgefallen und 'bastelt' an einem neuen Gesetz. Ziel ist es, die vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof gezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit so zu berücksichtigen, daß ein verfassungskonformes Gesetz verabschiedet werden kann. Zudem soll es so abgefaßt werden, daß keine Zustimmungspflichtigkeit der Länder gegeben ist.

Für BerufsgeheimnisträgerInnen (ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, RechtsanwältInnen, Abgeordnete und JournalistInnen) ist geplant, die Verbindungsdaten aus Gründen der technischen Umsetzbarkeit zu speichern, deren Nutzung jedoch zu untersagen. (Kommentar: Es ist mehr als fraglich, ob die Daten letztlich nicht doch im Einzelfall genutzt werden - zumal eine Kontrolle, ob das geschehen ist, kaum möglich sein wird.)

Heribert Prantl weist in seinem Kommentar (Suddeutsche Zeitung v. 16.04.15: 4) auf die Filmkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" hin, in der ein Wetteransager in einer Zeitschleife fest hängt (Anmerkung: Ein sehr sehenswerter Film - einschließlich der psychologischen Momente im Hinblick darauf, wie es dem Mann schließlich gelingt, aus der - vermeintlich äußeren - Sackgasse heraus zu kommen). Prantls Fazit: "Ein Grundrechtsverstoß bleibt ein Grundrechtsverstoß auch dann, wenn er künftig nur noch vier beziehungsweise zehn Wochen dauern soll; das sind die jetzt vorgesehenen Speicherfristen. Der E-Mail-Verkehr soll ausgenommen bleiben." Für besonders problematisch hält er den Umstand, daß auf die Daten nicht nur bei schwersten Straftaten zurückgegriffen werden kann, sondern auch bei leichteren Straftaten, insbesondere dann, wenn diese zur Vorbereitung schwerer Straftaten erfolgen.

Man muß kein Prophet sei um eine weitere längere Auseinandersetzung bis vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für den Fall zu prognostizieren, daß das Gesetz im Bundestag verabschiedet wird.

Anmerkung 1: In der SZ vom 17.04.15 ist unter dem Stichwort "Klagefreude" zu lesen, daß sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Wolfgang Kubicki und Gerhard Baum (beide FDP) Verfassungsklagen angekündigt haben (SZ v. 17.05.15: 5)

Anmerkung 2 (1.08.15): Die SZ  (Robert Rossmann) berichtet am 11.06.15 (Seite 4) unter der Überschrift "Parlaments-Juristen rügen Vorratsdaten-Gesetz. Gutachten des Bundestags: Entwurf missachtet an mehreren Stellen die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben." über Bedenken der Bundestagsjuristen am Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Moniert würden im Gutachten u. a. die Information der Betroffenen und der Schutz von Anwälten und anderen Berufsgeheimnisträgern (Seite 4).

Süddeutsche Zeitung (16.04.15): Vorratsdatenspeicherung. O du schöner Datenkranz (von Heribert Prantl); Druckversion: Seite 4

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + XVI

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

April 2015


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AKTUELL: Nummer 9/2015

Ergänzungen zu AKTUELL: Nummer 8/2015: Nietzsche & Wild Tales - Pasternak

Teil II

Zwar nicht direkt ein Thema der Schweigepflicht aber doch ein Aspekt der Angelegenheit: Vor wenigen Tagen las ich ein Zitat von Nietzsche, das angesichts des - nicht nur im Zusammenhang dieser furchtbaren Tat zutage tretenden -  'Erklärungswahns' bzw. 'Erklärungswahnsinns' einer sich als aufgeklärt bezeichnenden Gesellschaft doch so zutreffend erschien, daß ich es hier veröffentliche:

116.

Die unbekannte Welt des "Subjects". — Das, was den Menschen so schwer zu begreifen fällt, ist ihre Unwissenheit über sich selber, von den ältesten Zeiten bis jetzt! Nicht nur in Bezug auf gut und böse, sondern in Bezug auf viel Wesentlicheres! Noch immer lebt der uralte Wahn, dass man wisse, ganz genau wisse, wie das menschliche Handeln zu Stande komme, in jedem Falle. Nicht nur "Gott, der in’s Herz sieht", nicht nur der Thäter, der seine That überlegt, — nein, auch jeder Andere zweifelt nicht, das Wesentliche im Vorgange der Handlung jedes Andern zu verstehen. "Ich weiss, was ich will, was ich gethan habe, ich bin frei und verantwortlich dafür, ich mache den Andern verantwortlich, ich kann alle sittlichen Möglichkeiten und alle inneren Bewegungen, die es vor einer Handlung giebt, beim Namen nennen; ihr mögt handeln, wie ihr wollt, — ich verstehe darin mich und euch Alle!" — so dachte ehemals Jeder, so denkt fast noch Jeder. (…) Die Handlungen sind niemals Das, als was sie uns erscheinen! Wir haben so viel Mühe gehabt, zu lernen, dass die äusseren Dinge nicht so sind, wie sie uns erscheinen, — nun wohlan! mit der inneren Welt steht es ebenso! Die moralischen Handlungen sind in Wahrheit "etwas Anderes", — mehr können wir nicht sagen: und alle Handlungen sind wesentlich unbekannt. Das Gegentheil war und ist der allgemeine Glaube: wir haben den ältesten Realismus gegen uns; bis jetzt dachte die Menschheit: "eine Handlung ist Das, als was sie uns erscheint." (…).

Nietzsche, Friedrich (1844-1900): Morgenröthe: § 116. Erste Veröff. 31/07/1881 (www.nietzschesource.org/#eKGWB/M-116)

Eine Kollegin wies mich kürzlich auf eine Episode im Film Wild Tales hin: Pasternak

In einem Flugzeug flirtet der Fluggast Salgado mit einer Frau. Im Verlauf ihres Gespräches stellen sie fest, daß sie einen gemeinsamen Bekannten haben: Gabriel Pasternak. Während ihrer Unterhaltung schaltet sich eine andere Frau ein, weil auch sie Pasternak kennt. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, daß ihn alle Passagiere an Bord kennen und ihm in irgendeiner Art und Weise etwas angetan haben. Auch weil niemand die Reise selbst gebucht hat kommen den Passagieren erste böse Vorahnungen, die sich bestätigen, als die Stewardess mitteilt, daß der Flugbegleiter Gabriel Pasternak im Cockpit sitzt und die Tür verschlossen ist. Im Garten eines Bungalows sitzt ein älteres Ehepaar - offensichtlich handelt es sich um die Eltern von Pasternak. Dann ist im Hintergrund ist das herannahende Flugzeug zu sehen, das direkt auf das Haus zurast.

Es handelt sich um eine von sechs unabhängigen Kurzgeschichten, die sich mit den Themen Gewalt, Rache und Vergeltung auseinandersetzen. Dabei wiederholt sich die Konstellation von tiefgreifend gekränkten Menschen, die bei ihnen zu destruktiven Ausbrüchen von Gewalt und Sexualität  führen - teils in Form 'heißer Wut', teils mit 'kaltem Haß'. Dabei erinnert die 4. Episode "Bombita" sehr an Kleists Novelle Michael Kohlhaas aus dem Jahr 1810.

Der Film Wild Tales – Jeder dreht mal durch! (Originaltitel: Relatos salvajes) ist eine schwarze Tragikkomödie des Regisseurs und Drehbuchautors Damián Szifron (2014). Der Film hatte bei seiner Premiere in Argentinien großen Erfolg und war der meistgesehene Film des Jahres 2014. Bei den Festspielen in  Cannes, Toronto und San Sebastian hatte er großen Erfolg und wurde als argentinischer Beitrag für den Preis "Bester ausländischer Film" für die 87. Oscar-Verleihung (2015) ausgewählt. In Großbritannien kam es bei dem für den 27. März 2015 geplante Kinostart zu Kontroversen, weil drei Tage zuvor die Maschine von Gemanwings abgestürzt war. Der Kinostart wurde allerdings nicht verschoben.

Weder wissen wir, ob der Pilot von Germanwings, der das Flugzeug offenbar willentlich zum Absturz gebracht hat den Film gesehen hat (und es sich insoweit um eine Art von Nachahmungstat handelt), noch halte ich es für statthaft über etwaige Diagnosen des Piloten zu spekulieren (Depression, narzißtische Persönlichkeitsstörung, Psychose etc.).

Was bleibt? Schmerz, Wut, Trauer, Ohnmacht und Nachdenklichkeit über das Wesen, die Widersprüchlichkeit und Absurdität der menschlichen Existenz. Währenddessen sind weitere 400 Menschen im Mittelmeer ertrunken - afrikanische Flüchtlinge vor der Küste Libyens, die in Seenot gerieten, weil ihr Schiff kenterte. Die italienische Küstenwache konnte lediglich 144 der wahrscheinlich mehr als 500 Menschen retten.

Archiv (Germanwings): Teil 1

April 2015

 


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AKTUELL: Nummer 8/2015

Ein tragischer Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die (deutsche) Schweigepflicht: Szenen einer Hysterie & Versuch, den Aktionismus bei von Menschen verursachten Katastrophen zu verstehen (Stand 3.04.15)

Teil I

Am 24.03.15 ist ein Airbus A320 (Flug 4U9525) der deutschen Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf mit 150 Menschen in schwer zugänglichem Gelände der französischen Alpen (Département Alpes-de-Haute-Provence) abgestürzt. Zwei Tage nach dem Absturz nach einer erstens Auswertung des Voice-Recorders hat sich die Staatsanwaltschaft in Marseille auf die wahrscheinliche Ursache des Absturzes - eine Suizidhandlung des deutschen Copiloten - festgelegt. Demnach hat dieser die Tür des Cockpits für den kurz abwesenden Kapitän willentlich nicht mehr geöffnet und den Sinkflug eingeleitet. Der Code an der Tür war nach Angaben des Staatsanwalts nicht zum Öffnen der Tür, sondern lediglich zur Identifizierung der Zugangsberechtigten bestimmt. Danach seien die Atemgeräusche des Copiloten und - kurz vor dem Aufprall - die Geräusche der an die Tür hämmernden Crew und Flugkapitäns, der Alarm für die rasche Annäherung der Maschine an den Boden sowie die Schreie der Passagiere zu hören.


Eine nur unzulänglich mit Worten zu beschreibende Situation, die an die Vorgänge in den Twin-Towers kurz von deren Einsturz erinnert. Ich möchte hier einen Moment innehalten - im Gedenken an die Menschen, die so sterben mußten und ihre Angehörigen (Verwandte, Freunde, KollegInnen), die mit diesen Gedanken und Bildern leben müssen.


Am 26.03.16 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Wohnung des Copiloten durchsucht und dabei eine zerrissene, den Tag des Absturzes einschließende, Krankschreibungen, nicht aber einen Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben gefunden. Hingegen fanden sich Hinweise auf eine bestehende Erkrankung und die Behandlung in einer Düsseldorfer Klinik. Die Klinik hat eine "diagnostische Abklärung" im Zeitraum von Februar bis 10. März 2015 bestätigt und die Dokumentation der Staatsanwalt übergeben. Dementiert wurde allerdings, daß der Copilot wegen Depressionen behandelt worden sei. Weitere Einzelheiten unterlägen der ärztlichen Schweigepflicht. (Stand 31.03.2015).

Schon an dieser Stelle halte ich die Schweigepflicht (hier der Klinik) für gebrochen -  jenseits der Frage, wie es überhaupt sein kann, daß unter Verdacht stehende Menschen mit vollem Namen, Wohnort und Details aus seinem Privatleben in die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Doch nun dreht sich der Zirkus der Aufgeregtheiten. Noch bevor die Umstände annähernd geklärt sind, werden Stimmen laut, die (ärztliche) Schweigepflicht für "sensible Berufe" einzuschränken. So äußerte etwa der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer gegenüber der Rheinischen Post: "Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein". Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) soll eine Expertenkommission zur Klärung der Frage vorgeschlagen haben, wie mit ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten umzugehen sei - insbesondere im Fall psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr. Und der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach vertrat in einer Zeitung (auf deren namentliche Erwähnung ich wegen ihres unerträglichen journalistischen Stils verzichte) die Meinung, wenn Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei "der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren". Letzteres ist zwar eindeutig falsch  - aber auf solche Nebensächlichkeiten scheint es derzeit nicht anzukommen.

Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, sprach sich im "Tagesspiegel" für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen aus: "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren". Eine solche Stelle könne (wie bei Meldung von Seuchen) das Gesundheitsamt sein.

Andere, so der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery warnen vor "vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen. (...) Die ärztliche Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Menschenrecht".

Auch die Piloten-Gewerkschaft sprach sich gegen eine Lockerung der Schweigepflicht bei Piloten aus. In der Rheinischen Post soll ihr Präsident, Ilja Schulz, erklärt haben: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat. (...) Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt". Nur wenn die Schweigepflicht bestehe, könne der Arzt echte Hilfe anbieten.

Auf Anfrage der Ärzte Zeitung sagte der der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Prof. Rainer Richter: "Die Schweigepflicht ist nicht das Problem. Das Problem ist das Erkennen der Fremdgefährdung. Dafür gibt es keine absolut verlässliche Methode. Ärzte und Psychotherapeuten sind heute schon verpflichtet zu melden, wenn ein Patient beabsichtigt, andere zu töten" (siehe dazu auch das Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) v. 30.03.15). Auch Dieter Best, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung warnte im Gespräch  mit der Ärzte Zeitung davor, voreilige Schritte zu unternehmen: "Dies ist eine Diskussion der Hilflosigkeit. Die Schweigepflicht muss für alle Patientengruppen gelten. (...) Damit würde man bestimmte Berufsgruppen von der Psychotherapie ausschließen. Nur auf Basis von Vertrauen kann eine gute Therapie gelingen". Auch der Vertreter des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, argumentierte ähnlich: "Eine Lockerung dieses besonderen Rechtsschutzes kann unter anderem auch dazu führen, dass Patienten sich überhaupt erst gar nicht in Behandlung begeben oder sich gegenüber ihrem Arzt öffnen".

Anmerkung: Ich habe oben aus verschiedenen Presseberichten berichtet, insbesondere aus der Ärzte Zeitung online; da die Qualität der journalistischen Berichterstattung kein Ruhmesblatt der deutschen Pressegeschichte darstellt (auch seriöse Zeitungen berichten unter Nennung der Namen von Beteiligten) kann ich keine Gewähr für die Richtigkeit geben.

In der Ärztezeitung (siehe unten) äußert sich der Medizinrechtler Dr. Ingo Pflugmacher zu den Voraussetzungen (des rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB) unter denen die Schweigepflicht gebrochen werden kann.


Weitere Stimmen dazu:

Berliner Zeitung (31.03.15) : "Schweigepflicht. Das Arzt-Patientenverhältnis muss geschützt werden". Im Interview mit Daniela Vates sah der Professor für Medizinrecht in Göttingen, Gunnar Duttge, die Schweigepflicht des Uniklinikums Düsseldorf sowohl standesrechtlich wie auch strafrechtlich verletzt:  "Das gilt für die Bekanntgabe von Terminen des Patienten über die Andeutung des Grunds der ärztlichen Behandlung bis zur Übergabe der Krankenakte an die Staatsanwaltschaft." Auf die Frage, ob die  Vorschrift zum rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) geändert werden sollte, meinte er:  "Aus meiner Sicht nicht. Der Datenschutz ist ein hoher Wert, insbesondere im Arzt-PatientenverhäItnis. Beim Arzt offenbaren sich Menschen in einer Weise wie sonst nie gegenüber Fremden. Sie müssen sicher sein, dass diese Daten geschützt werden." Und auf die Frage, ob man so viel Rücksicht auf den Datenschutz eines Einzelnen nehmen könne, wenn 149 andere Menschen vielleicht durch ihn gestorben seien, antworte Prof. Duttge: "Mit der gleichen Logik könnten Sie bei anderen Ermittlungen Beschuldigte foltern. Wir schützen Menschenrechte, gerade dann, wenn es zum Konflikt kommt, wenn es Druck gibt. Dazu gehören auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Wir bräuchten keine ärztliche Schweigepflicht, wenn es niemanden gäbe, der Interesse an den Daten haben könnte."

Ärzte Zeitung - online (2.04.15): "Diskussion über Schweigepflicht ist schädlich". Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Professor Hans Drexler, warnte davor, "das hohe Rechtsgut des Vertrauensverhältnisses von Arzt und Klient durch eine wenig differenzierte Diskussion um eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern zu gefährden" und bezeichnete die Diskussion in der Öffentlichkeit als "wenig qualifiziert bis schädlich". Wenn Patienten sich nicht mehr gegenüber den behandelnden ÄrztInnen offenbarten, weil sie befürchten müßten, daß der Arbeitgeber davon erfahre, würde das  "mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten" bedeuten.

aerzteblatt.de (30.03.15): "Eine Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht ist der falsche Weg". Prof. Frank Ulrich Montgomery warnte im Interview vor einer "Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht". Sie sei "eine Verpflichtung des Arztes und ein Menschenrecht der Patienten. Wir wollen doch nicht, dass in Zukunft jede depressive Verstimmung sofort zu einem Flugverbot führt. Hier muss die Kirche im Dorf gelassen werden." Zur Problematik der Flugtauglichkeit unterscheidet Montgomery zwischen der (gutachterlichen) Tätigkeit eines Fliegerarztes, der mit Einwilligung des Piloten seine Einschätzung abgibt und einem "therapeutische(n) Setting, bei dem ein Patient zu einem Arzt seines Vertrauens geht, um eine medizinische Problematik zu besprechen. In diesem Fall muss der Arzt dem Patienten raten, dass er nicht fliegen sollte. Deswegen schreibt er ihn krank. So viel Vertrauen in menschliches Verhalten und so viel Einsicht, dass der Patient die Krankschreibung auch an seinen Arbeitgeber weitergibt, müssen wir dabei schon erwarten." Und weiter: "Man sollte vor allem nicht glauben, dass man suizidales Verhalten mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen kann. Bilanzselbstmorde geschehen aus einem Affekt heraus und selbst Menschen, die sich in intensivster Psychotherapie befinden, begehen Suizid. Hier wird durch politische Schnellschüsse wie die Einrichtung von Expertenkommissionen oder die Aushöhlung der Schweigepflicht, versucht, ein Gefühl der Pseudosicherheit zu schaffen."

Psychotherapeutenkammer Hessen (Pressemitteilung v. 2.04.15):  Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie Katastrophen zu verhindern?

www.sueddeutsche.de (31.03.15 - 09:17): "Konsequenzen aus dem Flugzeugunglück. Ärztliche Schweigepflicht muss streng bleiben. Nach der Germanwings-Tragödie wäre eine gelockerte Schweigepflicht für Ärzte und Psychologen der falsche Weg. Das würde die Grundlage des Arzt-Patienten-Verhältnisses erschüttern (von Werner Bartens)." Abgesehen davon, daß der Autor offenbar den Unterschied zwischen PsychologInnen, Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen nicht kennt, ein lesenswerter Kommentar.

Ergänzung 13.06.15

Die Süddeutsche berichtet in einem  ausführlichen Beitrag unter der Überschrift "Blind vor Angst" (SZ 12.06.13 Nr. 132:3) über die Vielzahl an Fehlinformationen und Falschaussagen, die über den Piloten berichtet wurden - ob nun wiederum diese Informationen verläßlich sind ...

Sichtbar wird an diser Stelle ein Phänomen der modernen Informationsgesellschaft, die erregt danach giert, Informationen zu generieren, zu verbreiten und aufzunehmen - sofort und mit dem Anspruch auf 'Wahrheit'. Manche Beiträge von JournalistInnen, aber auch von PsychologInnen/PsychotherapeutInnen/ÄrztInnen und Anderen, die glauben berufen zu sein, sich über die Psyche anderer Menschen auszulassen, wirken wie eine Art masturbatorischer Betätigung (bei VerfasserInnen und Publikum), welche dem Nicht-spüren-müssen von Leere und Angst angesichts von Nicht-Wissen und Ohnmacht dienen. Letztlich werden wir durch solche Taten an die eigenen (aggressiven bzw. destruktiven) inneren Abgründe erinnert, die in der modernen Welt ihren Ausdruck einerseits in roher Gewalt finden und andererseits in mehr oder weniger subtilen destruktiven Handlungen (Risikoverhalten im Straßenverkehr, Shitstorms, Mobbing, Stalking, gefährliche Sportarten, Steuerhinterziehung etc.).


Doch worum geht es eigentlich:

Katastrophen stellen einen Angriff auf unser Kohärenzgefühl dar. In der von Antonovsky entwickelten Theorie der Gesundheit ("Health, stress, and coping") spielt der Kohärenzsinn ("sense of coherence") eine zentrale Bedeutung. Er bezeichnet eine "globale Orientierung, die zum Ausdruck bringt, in welchem Ausmaß eine Person über ein durchdringendes, überdauerndes aber doch dynamisches Gefühl des Vertrauens verfügt, dass die eigene innere und äußere Umwelt vorhersagbar sind und dass sich die Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit so entwickeln werden, wie man es vernünftigerweise erwarten kann" (Antonovsky 1979, 123; Übers. d. Verf.). Existenz und Ausprägung des Kohärenzsinns sind von entscheidender Bedeutung dafür, an welchem Ort sich eine Person im Kontinuum von "Health Ease/Dis-ease" befindet.

Im Unterschied zu 'alltäglichen' Katastrophen (Unfälle, Krankheit, Trennungen, Tod, Kränkungen etc.), die bei den unmittelbaren Betroffenen (einschließlich des psychosozialen Umfelds) zu einer Beeinträchtigung des Kohärenzgefühls und weitergehend zu einer physischen und/oder psychischen Beeinträchtigung bzw. Erkrankung führen können, werden die durch Medien an jeden Ort der Welt verbreiteten 'Großschadensereignisse' (ein grauenhafter Begriff!) von Großgruppen wahrgenommen, die als Zuschauer 'teilnehmen'. Die Erleben der einzelnen Individuen wird dabei durch die (je nach Medium und Redaktion/Eigentümer) unterschiedliche Art der Darstellung beeinflußt und auf bestimmte Details gelenkt oder auch von solchen abgelenkt.

Zunächst konfrontiert uns das Geschehen mit der dem Individuum jederzeit drohenden, nun aber unmittelbar wahrgenommenen Gefährdung unserer Existenz - und weitergehend - auch der Endlichkeit unserer Existenz. Bewußt erlebt wird die Ohnmacht angesichts dessen, was geschieht und was wir nicht oder nur sehr partiell zu beeinflussen vermögen. Um diese Ohnmacht nicht aushalten zu müßen, liegt es nahe, einen Zustand anzustreben, der von der Vorstellung, von der Illusion getragen ist, (wieder) Einfluß nehmen zu können.

Die insbesondere bei Journalisten zu beobachtende Tendenz, sofort nach Ursachen und Schuld zu suchen (und über verschiedenste Möglichkeiten, möglichst mit 'ExpertInnen' verschiedenster Herkunft zu spekulieren) kommt dem Bedürfnis der 'KonsumentInnen' entgegen, möglichst wenig mit der Ohnmacht des Augenblicks und den damit einhergehenden Affekte und Gefühle (Trauer, Wut, Angst und Panik) konfrontiert zu werden.

Nicht anders ist der Versuch zu verstehen, daß PolitikerInnen, betroffenen Verbände, Gewerkschaften und andere Beteiligte Personen und Institutionen sofortige Maßnahmen fordern, die häufig wenig mit den kausalen (zumeist vorerst oder dauerhaft unklaren) Ursachen für das Eintreten des Ereignis zu tun haben. Hinzu kommt, daß einfache Erklärungen kaum zu erwarten sind - meist handelt es sich ja um überaus komplexe und schwer zu durchschauende (psychologische) Vorgänge, die oft schon von den Protagonisten (PolitikerInnen, Journalisten etc.) nur ansatzweise verstanden werden und  weder dem Format journalistischer Beiträge (Rundfunk, Fernsehen, Zeitung und Internet) noch dem Interesse und Verständnis der breiten Leser-, Hörer bzw. Seherschaft entsprechen. Daß dabei auch andere Faktoren eine Rolle spielen (narzißtische Bedürfnisse, Machtstreben, Erwartung durch Medienpräsenz den Status und/oder Wahlchancen zu erhöhen) spielt zuweilen wohl auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht zuletzt scheinen gerade PolitikerInnen, aber auch andere Beteiligte auf vermeintliche oder reale Vorwürfe (häufig in Boulevardzeitungen lanciert) zu reagieren, sie würden 'wieder einmal nichts zu tun'.

Bei mehr oder weniger namhaften FachkollegInnen muß man sich schon sehr wundern, mit welcher (vermeintlichen) Selbstsicherheit sie sich mit Erklärungen zu den psychologischen Hintergründen von Handlungen in die Öffentlichkeit wagen, ohne die genauen Tatvorgänge oder die daran beteiligten Personen zu kennen.

Im Hinblick auf die Schweigepflicht muß noch etwas anderes bedacht werden. Dieter Best von der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), ein berufspolitisch sehr aktiver Verhaltenstherapeut meint im Zusammenhang des Flugzeugabsturzes und die Möglichkeiten, PatientInnen von etwaigen suizidalen Handlungen abzuhalten: "Instrumente dafür gibt es bereits, dafür muss die Schweigepflicht nicht gelockert werden. (...) Konkrete Gefahren können Psychotherapeuten mit einiger Berufserfahrung sehr gut einschätzen". Hier deutet sich eine weitere Illusion an, die wirklich gefährlich ist - als könnten (?), sollten (?) müßten (?) PsychotherapeutInnen könnten eine 'Gefährlichkeitsprognose' abgeben. Abgesehen davon, daß suizidale Handlungen überwiegend ausschließlich gegen die eigene Person gerichtet sind wären statistisch zu erwartende Effekte (fasch positiv und richtig negativ) unumgänglich. Denn: Eine Prognose ist eine Prognose ist eine Prognose - auch wenn man mit noch so viel Sorgfalt vorgeht.

Zunächst: Das Auftreten von Suizidgedanken im Verlauf eines Lebens ist, gerade in Zeiten von Krisen (auch der Pubertät) nichts genuin Ungewöhnliches oder gar Pathologisches. Deutlich seltener als Suizidhandlungen, die sich gegen die eigene Person richten - und oft auch Appellcharakter haben (oftmals Suizidversuche/Suizidanten), sind erweiterte Suizide bei denen Dritte mit in den Tod gerißen werden (Angehörige, insbesondere eigene Kinder) und solche, bei denen auch Unbeteiligte vom Suizidenten getötet werden (Amokläufe, Selbstmordattentate, geplanter Flugzeugabsturz).

Zwar sind erfahrene PsychotherapeutInnen sicherlich geschulter (als die Allgemeinbevölkerung) Anzeichen für krisenhafte Zuspitzungen, fremd- oder autoaggressive Handlungen bzw. Suizidgedanken zu erkennen (präsuizidales Syndrom). Und bei der Behandlung von  PsychotherapiepatientInnen gilt es, auf Zeichen und Hinweise (oder intuitives Erleben im eigenen Inneren) zu achten - und entsprechende Gedanken des Patienten oder eigene Überlegungen anzusprechen und zu bearbeiten - gerade auch im Hinblick auf die Frage, wie drängend Suizidgedanken im Hinblick auf ihre Umsetzung sind oder werden könnten. Doch kommt es nach meiner Erfahrung (15 Jahre  Sozialpsychiatrie, 14 Jahre Psychotherapiepraxis) sehr selten zu konkreten Suizidhandlungen oder konkreten Plänen - und nicht selten erfährt man von diesen erst im Nachhinein. Es wäre aber auch eine Größenphantasie zu glauben, durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen entsprechende Absichten immer verhindern zu können - auch PsychotherapeutInnen (selbst PsychoanalytikerInnen!) können nicht in ihre PatientInnen hineinschauen.

In einer Zeit, die dem Popanz der Machbarkeit verfallen ist - wird Nicht-wissen, Nicht-erklären-können,  Nicht-verstehen-können als eine Demonstration der Ohn(e)-Macht erlebt, die bekämpft und ausgemerzt werden muß. Aushalten-können und containen (wie wir als PsychoanalytikerInnen sagen) sind nicht mit Nichts-tun zu verwechseln und sind vielleicht gerade jene Eigenschaften (der TherapeutInnen), die Ausgangspunkt wirklicher Veränderung sein können.

Wer ernsthaft glaubt, durch Einschränkungen der (ärztlichen) Schweigepflicht könnten solche Taten verhindert werden, hat von ihrer behandlungstechnischen Bedeutung wenig verstanden: Erst der (auch) durch die Vertraulichkeit geschützte Therapieraum eröffnet die Möglichkeit sich offen mit bewußten und oftmals auch unbewußten (auto-) aggressiven Impulsen auseinandersetzen zu können.

Ärzte Zeitung - online (30.03.15): Andreas L. einst selbstmordgefährdet. Politiker fordern Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht. Der Co-Pilot der abgestürzten Germanwings-Maschine galt vor Jahren als selbstmordgefährdet und war in psychotherapeutischer Behandlung, berichtet die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Die neuen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand haben eine Debatte um die Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht entfacht.

Ärzte Zeitung - online (31.03.15): Gefahrenquelle Patient. Wann Ärzte ihre Schweigepflicht brechen müssen. Hätten die behandelnden Ärzte von Andreas L. das Gefahrenpotenzial erkennen können und die Behörden darüber informieren müssen? Die ärztliche Schweigepflicht verbietet es, sich Dritten zu offenbaren - in der Regel, denn es gibt Ausnahmen. Welche, schildert ein Medizinrechtler. (Von Dr. Ingo Pflugmacher)

Ärzte Zeitung - online (31.03.15): Diskussion um Schweigepflicht geht weiter. Hätte eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht die Germanwings-Katastrophe verhindern können? Darüber ist unter Politikern und Ärzten eine Diskussion entbrannt. Jetzt melden sich auch Piloten zu Wort.

 Interview Prof. Dr. Rainer Richter (Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer mit der Deutschen Presse-Agentur (30.03.2015) zur Schweigepflicht auf dem Hintergrund des Interviews ist der Flugzeugabsturz in den französischen Alpen.

Psychotherapeutenkammer Hessen Wiesbaden (Pressemitteilung v. 2.04.15):  Zwangsmeldungen bei psychischen Erkrankungen – helfen sie Katastrophen zu verhindern?

April 2015


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AKTUELL: Nummer 7/2015

Psychotherapeut verschickt Postkarte, die den Adressaten als Patienten identifiziert

Aus Anlaß eines Berichts in den Mitteilungen der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein im Psychotherapeutenjournal (PTJ 1/2015: 105) habe ich einen Leserbrief  geschrieben:

Im Bericht über "Beschwerden in 2014" berichten Mitglieder der Kammervorstands über eine vom Therapeuten verschickte Postkarte deren Inhalt den Adressaten als Psychotherapiepatient identifizierte und schreiben dazu: "Landläufig würde man wohl davon ausgehen, dass hier ein Verstoß gegen die Schweigepflicht vorliegt. Dem ist aber nicht so. Um einen Verstoß gegen die Schweigepflicht hätte es sich nur dann gehandelt, wenn nachgewiesen werden könnte, dass eine unbefugte Person tatsächlich Kenntnis von dem Inhalt der Postkarte erlangt hätte, diese also tatsächlich gelesen hätte. Hierfür gab es aber keine Hinweise, sodass hier lediglich ein nicht hinreichend sorgsamer Umgang mit schützenswerten Daten festgestellt werden konnte."

Diese Auffassung ist aus meiner Sicht zumindest fragwürdig: Der Strafrechtskommentar Schönke/Schröder (28. Aufl. 2010: 1837, RN 20, Bearbeiter Lenkner/Eisele) führt dazu aus: "Da die Sonderpflicht des § 203 nicht lediglich auf Verschwiegenheit, sondern (…) auf die Wahrung des Geheimnisses gerichtet ist, ist ein Offenbaren auch durch Unterlassen möglich, so zB wenn der Arzt die Einsichtnahme in seine Krankenblätter oder gar deren Mitnahme nicht verhindert (…). Das bloße Herumliegenlassen mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte genügt dafür aber für sich genommen noch nicht (…), vielmehr sind hier entsprechend dem positiven Tun die Voraussetzungen des § 13 nur erfüllt, wenn der Dritte von dem Inhalt des Geheimnisses entweder tatsächlich Kenntnis genommen oder das fragliche Dokument usw. in seinen Gewahrsam gebracht hat und dies von dem Schweigepflichtigen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde (…).

Andere Kommentatoren sehen den Tatbestand der Verletzung der Schweigepflicht schon durch das Herumliegen von Krankenblättern mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme als erfüllt an. In dem geschilderten Fall scheint mir kaum ein Zweifel daran zu bestehen, daß sich die fragliche Postkarte (vorübergehend) im Gewahrsam unbefugter Personen befand und dies von dem Schweigepflichtigen zumindest bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wurde.

Daneben kann man sich fragen, ob nicht noch weitere Berufspflichten verletzt wurden, so etwa die in der Berufsordnung der PTK Schleswig-Holstein dargelegten Grundsätze zu Behandlungsmaßstäben und Sorgfaltspflichten (§ 10).

Dr. Jürgen Thorwart

Johann-Sebastian-Bach-Weg 9

82223 Eichenau

www.schweigepflicht-online.de

Psychotherapeutenjournal 1/2015: 105: Beschwerden in 2014:

März 2015


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AKTUELL: Nummer 6/2015

Psychotherapeutenkammer Berlin: MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht. Aussagepflicht vor Gericht? Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)

Bei Recherchen habe ich den folgenden Beitrag der Psychotherapeutenkammer Berlin gefunden, der sich mit dem Zeugnisverweigerungsrecht vor Zivilgerichten und Strafgerichten bezieht; zum Teil verweist er auch auf Bestimmungen aus der Berufsordnung der PTK Berlin.

Psychotherapeutenkammer Berlin: MERKBLATT Zeugnisverweigerungsrecht. Aussagepflicht vor Gericht? Schweigepflicht versus Zeugenpflicht (30.06.09)

März 2015


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AKTUELL: Nummer 5/2015

Psychotherapeut (Diplom-Psychologe) verletzt durch Bescheinigung beim Familiengericht seine Schweigepflicht

Die Recklinghäuser Zeitung berichtet in einem Beitrag vom 14. März 2015, 14:07 Uhr (Zitat):

RECKLINGHAUSEN Wegen eines "Geheimnis-Verrates" landete jetzt ein Recklinghäuser Psychotherapeut vor Gericht. Ein Vater hatte Strafanzeige gestellt, weil er in einem Sorgerechts-Streit eine Verletzung der Schweigepflicht des Therapeuten ausgemacht hatte.

Der Psychotherapeut (53) aus Recklinghausen ist nur knapp an einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen die Schweigepflicht vorbeigeschrammt. Vize-Amtsgerichtsdirektor Manfred Borgstädt bestätigte: Gegen Zahlung von 3 600 Euro Geldauflage wurde das Verfahren eingestellt.
„Bescheinigung zur Vorlage beim Familiengericht.“ Es war diese Widmung zur Informationsweitergabe auf einem Schreiben an eine Patientin, die die Bochumer Staatsanwaltschaft veranlasst hatte, gegen den Diplom-Psychologen wegen „Verletzung von Privatgeheimnissen“ zu ermitteln. Da das Schreiben keineswegs nur Infos aus Therapiegesprächen mit der eigentlichen Patientin, sondern wunschgemäß auch Mitteilungen über Persönlichkeitsdefizite ihres Mannes enthielt, sorgte es Ende 2014 vor dem Oberlandesgericht in Hamm für Riesenärger. Dort stritten die Patientin und ihr Mann um das Sorgerecht für ein Kind. Der Mann, der bei dem Psychotherapeuten einmal auch ein gemeinsames Paartherapiegespräch mitgemacht hatte, fühlte sich durch dessen Bescheinigung, er habe „Alkoholprobleme“ und sei „manipulativ“, verraten – und erstattete Strafanzeige.
Vor Gericht zeigte sich der Therapeut einsichtig, mit der Info-Preisgabe damals wohl über das Ziel hinaus geschossen zu sein. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren gegen Zahlung von 3600 Euro eingestellt. Damit behält der Therapeut seine strafrechtlich weiße Weste.

Anmerkung: Die Verletzung der Schweigepflicht berührt hier zwei Ebenen: Die unbefugte Weitergabe von Geheimnissen, die der Sphäre des Ehemannes angehören (z.B. möglicher Alkoholkonsum, Verhalten gegenüber Kindern) von welchen der Psychotherapeut im Rahmen eines Paargespräches Kenntnis erlangt hat; die Weitergabe ist selbstverständlich nur mit Einwilligung des Ehemanns zulässig. Hätte dieses Gespräch nicht stattgefunden und wäre die Offenbarung von Geheimnissen des Ehemanns ausschließlich über die Patientin erfolgt, würde das am Ergebnis nichts ändern. Denn die den Ehemann betreffenden Geheimnisse unterliegen alleine seiner Verfügungsgewalt - eine Weitergabe wäre demnach nur mit seiner Einwilligung möglich. Insbesondere auch im Bereich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen durch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen ist bei Stellungnahmen an das Familiengericht Vorsicht geboten. 

Recklinghäuser Zeitung (14. März 2015, 14:07 Uhr): Gericht Geheimnis-Verrat wird teuer

März 2015


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AKTUELL: Nummer 4/2015

Die Schweigepflicht gegenüber dem Finanzamt - Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 (V R 16/12)

Wiederholt ist mir von KollegInnen im Rahmen von Betriebsprüfungen mitgeteilt worden, daß die PrüferInnen Original-Rechnungen mit Patientendaten (Name, Anschrift, teilweise auch mit Diagnosen) einsehen wollten. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Rechnungen nicht mit Rechnungsnummern versehen wurden, weil dann die Buchungsbeträge nicht eindeutig zuzuordnen sind. Zur Vermeidung solcher 'Zwischenfälle' sollte dies also unbedingt geschehen. Die Rechtmäßigkeirt dieser Einsichtnahme ist umstritten (siehe den Beitrag von RA Dr. Rüping, juristische Beraterin der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen 2004:  Müssen PP/KJP dem Finanzamt Patientennamen offen legen?).

Auf dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 (V R 16/12) mehren sich nun die Anzeichen dafür, daß die Schweigepflicht Vorrang vor dem Auskunftsinteresse der Finanzbehörden hat: Dabei hat der BFH entschieden, daß Kliniken und ÄrztInnen Namen von PatientInnen nicht nennen müssen, um Steuerfreiheit zu erreichen. Es ging dabei um (üblicherweise umsatzsteuerpflichtige) Schönheits-Operationen, für die Steuerfreiheit erreicht werden sollte.

In der Pressemeldung des BFH heißt es dazu:

Darüber ist auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen zu entscheiden. Das Regelbeweismaß ist auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" zu verringern. (...) Eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden. Stattdessen ist auf der Grundlage der anonymisierten Patientenunterlagen ein Sachverständigengutachten über die mit der Operation verfolgte Zielsetzung einzuholen. Der BFH betont auch die den Steuerpflichtigen (Klinik oder Arzt) treffenden Mitwirkungspflichten. Dieser muss --auf anonymisierter Grundlage-- detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung machen.

Der BFH hob dementsprechend das Urteil der Vorinstanz auf, "das eine Beweiserhebung von einer Benennung der behandelten Patienten abhängig gemacht hatte. Die Sache wurde an das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Mit einem weiteren Urteil vom gleichen Tag hat der V. Senat ebenfalls zur Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen entschieden (V R 33/12)." (Pressemeldung des BFH v. 18.02.2015).

Bundesfinanzhof: Pressemitteilung v. Nr. 13 vom 18. Februar 2015

Ärztezeitung 25.02.15: Umsatzsteuer. Schweigepflicht gilt auch, wenn der Fiskus fragt.

Rüping (2004): Müssen PP/KJP dem Finanzamt Patientennamen offenlegen?

März 2015


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AKTUELL: Nummer 3/2015

Bundesarbeitsgericht (Erfurt): Grenzen  der Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen

In der Pressemeldung (7/15) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Haltung so formuliert:

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch ("Schmerzensgeld") begründen.

Die Entscheidung erging mit Datum vom 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 - (Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 -)

Pressemitteilung BAG 7/15: Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen

Februar 2015


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AKTUELL: Nummer 2/2015

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor dem Start in den online-Betrieb

(Teil XIX)

Seit Jahresbeginn ist die Vorlage einer egK verpflichtende Voraussetzung der Inanspruchnahme ärztlicher und psychotherapeutischer Listungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Nur in Ausnahmefällen kann eine schriftliche Bestätigung der jeweiligen Krankenkasse vorgelegt werden).

Während das Bundesgesundheitsministerium demnächst ein "E-Health-Gesetz" vorlegen möchte (geregelt werden sollen u. a. Fristen für die online-Anwendungen wie Notfalldaten, Entlaßbriefe, Arzneimanagement, aber auch entsprechende Finanzierungsregelungen), hat der GKV-Spitzenverband beschlossen die für die eGK vorgesehenen Gelder (57 Millionen Euro für den Haushalt der Betreibergesellschaft der Gesundheitskarte - gematik) zu sprerren. (Anmerkung: Die Sperre wurde nach wenigen Tagen wieder aufgehoben; Arzte Zeitung v. 19.01.15.)

Für den Herbt diesen Jahres ist eine große Online-Testphase (Rollout Stufe 1) geplant (getestet wird der Abgleich der Versichertenstammdaten und die qualifizierte elektronische Signatur), ab Mitte 2016 soll der online-Abgleich der Versichertenstammdaten dann flächendeckend erfolgen.

Ärztezeitung v. 8.01.2015: Ist die Kassen-Drohung nur ein Hilferuf? Neuer Zoff um die E-Card: Der GKV-Spitzenverband will der Betreibergesellschaft der elektronischen Gesundheitskarte den Geldhahn zudrehen. Doch geht es dabei wirklich nur darum, Druck auf die Ärzteschaft auszuüben?

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV + Teil XVI + Teil XVII + Teil XVIII

Januar 2015


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AKTUELL: Nummer 1/2015

Der Umgang der PKV mit Gesundheitsdaten

Die Fraktion Die Linke (Harald Weinberger u. a.) hat eine Kleine Anfrage beim Bundeskanzleramt eingereicht. Hintergrund ist die Absicht eines privaten Versicherungskonzerns (Generali-Gruppe) Verfgünstigungen für Versicherte einzuführen (Rabatte, Prämiennachlässe für Krankenversicherungspolicen), die der elektronischen Datenübermittlung (Fitness, Ernährung, Lebnensstil) an den Versicherer zustimmen und z. B. Sport treiben, Nicht rauchen oder Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Die Übermittlung der Daten würde in digitaler Form (etwa mittels von Apps) erfolgen. Auch der Axakonzern hat Pläne, di in dieselbe Richtung gehen: Er schloß kürzliche eine Koopertionsvereinbarung mit Samsung, die vorsieht, daß die vom Elektronikhersteller angebotene Armbanduhr "Gear 3" mit Hilfe eines Samsung-Smartphone Fitnessdaten aufzeichnet und an den Versicherer überemittelt.

Die Abgeordneten möchten von der Bundesregierung wissen, wie sie zu solchen Plänen bzw. Vorhaben steht, welche Regulierungsmaßnahmen in diesem Bereich vorgesehen sind und ob diese Konzepte der Prämienkalkulation nach Einschätzung der Bundesregierung zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen führen könnte.

Ärztezeitung v. 14.01.2015: Was macht die PKV mit Gesundheitsdaten? Die Fraktion Die Linke will von der Bundesregierung wissen, was sie gegen einen möglichen Missbrauch von Gesundheitsdaten zu tun gedenkt, die von privaten Krankenversicherungen gesammelt werden.

Januar 2015


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2015


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AKTUELL: Nummer 25/2014

Der Bundesnachrichtendienst hat Daten von BundesbürgerInnen jahrelang an die NSA weitergeleitet

Nach Informationen des NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung (4./5.10.2014) wurden von 2004-2009 Daten weitergeleitet, die am Internetknoten Frankfurt abgefangen wurden, nachdem die NSA darauf gedrungen hatte. Nach der zwischen den Diensten getroffenen Vereinbarung sollten dabei die grundgesetzlich geschützte Kommunikation herausgefiltert werden, was aber technisch nur teilweise gelang. Der Umfang der auf diese Weise rechtswidrig in die USA gelangten Informationen ist nicht bekannt und soll nun vom zuständigen NSA-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages ermittelt werden. Die für Zugriffe auf Kommunikationsdaten zuständige G-10-Kommision des Bundestages hat zwar das Abhören des Knotenpunkts Frankfurt durch den BND genehmigt, wurde aber nicht darüber informiert, daß die Daten an die NSA weitergeleitet wurden. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages war offenbar nicht über die Operation 'Eikonal' informiert. Genehmigt wurde sie vom damaligen Kanzleramtsminister (Steinmeier) und bereits damals soll es sogar im BND Bedenken gegeben haben (SZ v. 4./5.10.2014: 1).

Heribert Prantl spricht in einem Kommentar zur Operation 'Eikonal' vom "Totalverlust eines Grundrechts (...). Der Wesensgehalt des Artikels 10, Fernmeldegeheimnis, ist offensichtlich nicht nur angetastet, er ist schon ziemlich zerstört" (SZ v. 4./5.10.2014: 4).

Als Eikonal (altgriechisch: εἰκών eikon = Bild, Abbild) wird in der geometrischen Optik die Strecke eines Lichtstrahls zwischen Ausgangs- und Endpunkt bezeichnet (wikipedia.org).

Oktober 2014


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AKTUELL: Nummer 24/2014

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Die Anwesenheit von Medizinstudenten während einer Geburt verletzt ohne die ausdrückliche Zustimmung der Mutter deren Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens); Urteil v. 9.10.2014 (Az.: 37873/04)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat einer zum Zeitpunkt der Geburt 18-jährigen Russin, die in einer Klinik in ihrem Heimatland entbunden hat, eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen, weil  bei der gut halbstündigen Geburt entgegen ihrem Willen mehrere Medizinstudenten im Kreißsaal anwesend waren, die offensichlich auch über ihren gesundheitlichen Zustand und die bisherige Behandlung informiert worden waren. Die Klinikbroschüre enthielt eine Information über das Ausbildungsprogramm der Klinik, an dem alle Patienten beteiligt würden.

Zuvor hatte die Frau schon in Russland wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte gegen die Klinik geklagt, war jedoch abgewiesen worden. Der EGMR sah hingegen ihr Recht auf Privatleben verletzt (§ 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EGMR). Die Teilnahme von Studenten bei einer Geburt sei zwar grundsätzlich durchaus zulässig und nach russischem Recht auch vorgesehen gewesen. Damals (1999) sei die entsprechende Regelung aber einseitig auf die mediziniche Ausbildung fokussiert und die Rechte der PatientInnen nicht ausreichend geschützt gewesen. Zudem sei der Eindruck erweckt worden, die Teilnahme der Studenten sei zwingend und alternativlos.

Anmerkung: Das Urteil ist insofern bemerkenswert, als die Frau den Mut hatte eine Klage in Rußland und dann in Straßburg anzustrengen. Ich bin überzeugt - und weil es auch aus eigener Erfahrung - daß PatientInnen in der Regel weder informiert werden, ob an der Behandlung nicht unmittelbar Beteiligte (die PatientInnen ebenfalls bekannt sein müssen) anwesend sind, geschweige denn in diesem Fall ihre Zustimmung eingeholt wird.

Urteil des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) v. 9.10.2014 (Az.: 37873/04)

Oktober 2014


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AKTUELL: Nummer 23/2014

Datenschutz in der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet

Frau Prof. Dr. med. Renate Schepker vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg hat im Deutschen Ärzteblatt einen Artikel veröffentlicht, der auf die Risiken durch eine immer detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie hinweist. Betroffen ist die besonders vulnerable Gruppe psychisch erkrankter Menschen.

Mit dem - freundlicherweise erteilten - Einverstänbdnis der Autorin gebe ich hier den aus meiner Sicht außerordentlich wichtigen Beitrag in der Fassung des Deutschen Ärzteblatt (siehe unten) wider:

Datenschutz in der Psychiatrie: Patientenschutz gefährdet

Eine immer detailliertere Kodierung der Leistungen in der Psychiatrie birgt Risiken für die besonders vulnerable Patientengruppe.

Der mündige Bürger vertraut darauf, dass er ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat. Dazu gehört eine volle Aufklärung über die Weitergabe von Sozialdaten nach § 4 a des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Diese erfordert die Schriftform und ist „nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht“. Nach § 3 BDSG bedarf es darüber hinaus einer ausdrücklichen Einwilligung, soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, zu denen „Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben“ zählen. In keinem Fall, könnte man daraus schlussfolgern, würden also besonders sensible oder schambesetzte Daten ohne eine Zustimmung des Patienten an seine Krankenkasse geraten, etwa Daten, die mit dem Sexualleben zu tun haben, mit einem Selbstmordgedanken oder mit der Tatsache, dass ein Patient nach Alkoholgenuss gewalttätig wird.

Weit gefehlt. Im Gegenteil, sie müssen es sogar. Die Datenübermittlung gestattet derzeit theoretisch jedem bei den Krankenversicherungen beschäftigten Sachbearbeiter – im Jahr 2009 waren das 137 513 Personen (1) –, Kombinationen von Diagnosen und Leistungen und damit Fallverläufe nachzuvollziehen. Dies lässt sich an drei Beispielen illustrieren (Kasten).

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und bereits beginnend mit dem Jahr 1998 wurde in Spezialgesetzen eine eigene Befugnisnorm etabliert. 2008 stellte das Bundessozialgericht klar (2), dass „nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (. . .) das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet (ist). Vielmehr muss der Einzelne solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind; diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage“. Hinsichtlich der Sozialgesetzgebung verweist das Bundessozialgericht darauf, dass durch die bereichsspezifischen Regelungen innerhalb der Sozialgesetzbücher die allgemeineren Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ihre Gültigkeit verlören.

So führt das BSG im oben genannten Urteil aus, dass der Gesetzgeber sich verpflichtet gesehen habe, „Grundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Leistungsabrechnungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen“. In § 284 ff. SGB V sollte dem Recht der Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Datenverwendung und -verarbeitung Rechnung getragen werden, da es sich – hier wird im Urteil auf die damaligen Debatten im Bundestag verwiesen (3) – bei der Verarbeitung personengezogener und großteils schweigepflichtsgeschützter Gesundheitsdaten um besonders sensible Daten handele. Weiter interpretiert das BSG-Urteil den Willen des Gesetzgebers folgendermaßen: „Die Erfassung, Verwendung und Übermittlung von Leistungs- und Gesundheitsdaten werde ausschließlich für die im Gesetz bezeichneten Zwecke zugelassen und im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum beschränkt“ (Hervorhebung durch die Verfasserin) (4).

In § 301 (1) SGB V ist eine Verpflichtung der Krankenhäuser geregelt – diese ist somit nicht zustimmungspflichtig durch die Patienten –, unter anderem an die Krankenkassen in Verbindung mit den nicht anonymisierten Patientendaten folgende Angaben zu übermitteln: „den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen (. . .), Datum und Art der im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren (. . .)“. Beispiele für Verzeichnisse der „Operationen und Prozeduren“ bei psychischen Erkrankungen siehe (5).

Diese harmlos klingenden Formulierungen sollen nachvollziehbar das Leistungsgeschehen und die Abrechnungswege zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen regulieren. Auch für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser und Abteilungen gilt die Pflicht zur Übermittlung dieser Daten bereits, denn § 301 (2) SGB V legt die Gültigkeit auch für die Krankenhäuser nach § 17 d Krankenhausfinanzierungsgesetz fest. Obwohl die Prozeduren für die Leistungsabrechnung derzeit nur für die sogenannten Optionshäuser relevant sein könnten, werden sie bereits übermittelt, wie aus den regelmäßig zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbarten Schlüsselfortschreibungen zur Vereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V hervorgeht (letzter Entwurf vom 1. April 2014). Die derzeit von allen Kliniken erhobenen und übermittelten OPS-Daten sind nicht abrechnungsrelevant und dienen ausschließlich der Entwicklung des PEPP-(Pauschalierende Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik-)Systems.

Die Formulierungen im § 301 SGB V wurden verabschiedet und fortgeschrieben, bevor die außergewöhnlich hohe Differenzierung des Psych-OPS-Leistungskatalogs (siehe Stichwort „Operationen und Prozeduren“) entwickelt und vom DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Kommunikation veröffentlicht wurde, so dass sich bisher kein Datenschützer dafür interessiert zu haben scheint. Spezielle Datenschutzvorkehrungen für Patienten mit psychischen Erkrankungen sind nicht getroffen worden.

Ob unter den Informationen aus den Beispiel-Datenfiles nun eine Informationsübermittlung zu verstehen ist, die sich „im Umfang auf das für den jeweiligen Zweck unerlässliche Minimum beschränkt“, erscheint mehr als fraglich. Ärzteschaft, Fachvertreter und Ärztekammern wären sehr wohl beraten, in der weiteren Entwicklung der OPS für die Psychiatrie und Psychosomatik weniger „kleinteilig“ vorzugehen und mehr Komplexleistungen zu entwickeln.

Das Mitteilen psychiatrischer Diagnosen und Nebendiagnosen an sich ist bedenklich genug. Es erscheint im Sinne des Patientenschutzes derzeit vor allem bedenklich, dass weit vor der Relevanz dieser Kodes für die Vergütung von Krankenhausleistungen all solche Informationen in aller Breite übermittelt werden. Schon bei der Erprobung, also im Hinblick darauf, ob Kodes überhaupt eine Relevanz für das neue Abrechnungssystem haben, müssen sämtliche psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken in Deutschland jahrelang diese Daten jeder Abrechnung der Behandlung eines Patienten beifügen.

Den Patienten und ebenso den Patientenverbänden dürfte nicht bekannt sein, dass gerade aus den besonders sensiblen Leistungskodes für psychische Erkrankungen deutlich mehr ablesbar ist als aus denen des DRG-Systems.

Prof. Dr. med. Renate Schepker
Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg

Literatur:

(1) BSG, Urteil vom 10. 12. 2008 - B 6 KA 37/07 R

(2) BT-Drucks 11/3480, S. 29 zu „Transparenz“

(3) BT-Drucks 11/3480, S. 67 zu §§ 292 bis 312 SGB V

(4) Bundesministerium für Gesundheit (2009): Gesetzliche Krankenversicherung. Personal- und Verwaltungskosten 2007 (Ergebnisse der GKV-Statistiken KG1/ 2007 und KJ1/ 2007). Bericht vom 28. Januar 2009. Eigendruck, Berlin

(5) In 2014 gültige OPS psychiatrischer Behandlungen für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche:

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2014/block-9-60...9-64.htm

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2014/block-9-65...9-69.htm

Deutsches Ärzteblatt 2014; 111(35-36): A-1466 / B-1262 / C-1198

September 2014


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AKTUELL: Nummer 22/2014

Anfragen der Bundesagentur für Arbeit

Nach § 100 SGB X (siehe unten) besteht ein Anspruch der Bundesagentur für Arbeit (und aller Leistunggsträger) gegenüber ÄrztInnen und VertragspsychotherapeutInnen auf Auskunft über die für ihre Aufgabenerfüllung notwendigen Angaben. Die Bundespsychothrapeutenkammer hat - wie schon früher die Bundesärztekammer - eine Rahmenvereinbarung zur Übermittlung von Daten an dern Ärztlichen Dienst der  Bundesagentur für Arbeit abgeschlossen (rückwirkend zum 1.1.2014).

Für die Ausstellung des vollständigen Befundberichts (Formular) und die Übermitung an den Ärztlichen Dienst (innerhalb von 10 Werktagen) wurde ein Honorar i. H. von EUR 32,50 (zzügl. Kopierkosten) vereinbart.

Bundespsychotherapeutenkammer: Aktuell - 1.09.2014: Regeln für Auskünfte an die Bundesagentur für Arbeit. BPtK schließt Rahmenvereinbarung

§ 100 SGB X: Auskunftspflicht des Arztes oder Angehörigen eines anderen Heilberufs

(1) Der Arzt oder Angehörige eines anderen Heilberufs ist verpflichtet, dem Leistungsträger im Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durchführung von dessen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich und

1. es gesetzlich zugelassen ist oder

2. der Betroffene im Einzelfall eingewilligt hat.

Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Krankenhäuser sowie für Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen.

(2) Auskünfte auf Fragen, deren Beantwortung dem Arzt, dem Angehörigen eines anderen Heilberufs oder ihnen nahe stehenden Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

September 2014


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AKTUELL: Nummer 21/2014

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zur berufsrechtlichen Würdigung einer möglichen Verletzung der Dokumentation und Abstinenz (Beschluß vom 10.02.2014; AZ: 13 E 494/12 T)

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG-NRW) hat eine Beschwerde einer jungendlichen Patientin   mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Rüge der Vorinstanz (Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - Beschluß v. 7.11.11) gegen die frühere Behandlerin (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin) wegen Verletzung der Dokumentationspflicht sowie des Abstinenzgebots und das Ordnungsgeld (500 Euro) aufrechterhalten bleibt.

Zur Fallkonstellation: Die Psychotherapeutin behandelte von 2005-2010 eine 1994 geborene Jugendliche (einschließlich Elterngespräche); von Januar 2008 bis November 2019 war die Mutter in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (Sekretärin) für die Psychotherapeutin tätig war. Wegen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen  kam zur Kündigung von Seiten Psychotherapeutin. Im Januar 2010 erhob die Mutter Klage (Lohnansprüche und Arbeitszeugnis), mit Schreiben vom 28. Januar 2010 teilte die Psychotherapeutin der Mutter der jugendlichen Patientin mit, daß sie die Therapie mit ihrer Tochter beenden müsse.

Aufgrund des derzeitigen Konflikts zwischen den Eltern der Patientin und ihr sei keine Basis für ein tragfähiges Arbeitsbündnis gegeben. Es bestehe keine Möglichkeit, die notwendigen und für die Eltern auch bei der Krankenkasse beantragten Bezugspersonenstunden innerhalb der Therapie im für alle Beteiligten wertfreien und neutralen Rahmen durchzuführen. Die Grundlage für eine effektive Therapie, eine gute Beziehung zum Familiensystem, sei gestört. Eine Weiterbehandlung sei zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulanz in H. oder in N. möglich. (Zitat aus dem Beschluß: Absatz 5)

Hierauf erhob der Vater eine förmliche Aufsichtsbeschwerde bei der Psychotherapeutin und rügte insbesondere den rechtswidrigen Abbruch der Behandlung seiner Tochter und forderte Einsicht in die Behandlungsdokumentation. Da nichts geschah beschwerte er sich im Dezember 2010 beim zuständigen Ministerium über die Untätigkeit der Psychotherapeutin. Diese verwies mit Schreiben vom 11. Januar 2011 darauf, daß eine Beschwerde nur durch die Tochter selbst erhoben werden könne. Daraufhin wandte sich die Jugendliche (15.01.11) mit einer entsprechenden Beschwerde an ihre frühere Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

In ihrer Stellungnahme vom 14. März 2011 führte die Antragstellerin aus, sie habe zunächst versucht, den arbeitsrechtlichen Konflikt mit der Mutter und dem als Sprachrohr auftretenden Vater von der Therapie zu trennen. Nach Erhalt der Klageschrift sei dies allerdings nicht mehr möglich gewesen, so dass sie sich entschlossen habe, die Therapie zu beenden. Dies habe sie auch der Beschwerdeführerin ausführlich erklärt. Insbesondere habe sie mit ihr erörtert, dass für eine optimale Therapie im Laufe der Zeit auch Elterngespräche notwendig seien, für die nun keine neutrale Grundlage mehr bestehe. Die Patientin habe etwas bedrückt gewirkt, ihres Erachtens die Entscheidung jedoch akzeptiert. Über den Therapiestand von M. habe aufgrund der Beschäftigung der Mutter in ihrer Praxis stets die Möglichkeit des Austausches bestanden, was auch bis zur ersten Krankschreibung von Frau I. am 3. September 2009 zeitweise formlos genutzt worden sei. Auch habe Frau I. bis zu diesem Zeitpunkt stets in die vollständige Akte Einsicht nehmen können. (Absatz )

Im weiteren Verlauf rügte die Psychotherapeutenkammer NRW die Psychotherapeutin (9. Mai 2011) und verhängte ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 Euro (1. Abstinenzverletzung im Zusammenhang eines Anstellungsverhältnisses-außertherapeutischer Kontakt und 2. Vorteilsnahme; 3. Verletzung der Schweigepflicht, da die Psychotherapeutin der Mutter Einblick in die Unterlagen der Tochter gewährt habe und 4. Verletzung der Dokumentationspflict).

Der Antrag der Psychotherapeutin, die ihr erteilte Rüge aufzuheben, hob das Berufsgericht für Heilberufe (beim Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - Beschluss vom 7. November 2011) das mit der Rüge verhängte Ordnungsgeld auf (Reduzierung auf 500 Euro)und wies den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung ab. Aus der Sicht sea Berufsgerichts lag weder eine Vorteilsbahme noch eine Abstinenzverletzung, nocj eine Verletzung der Schweigepflicht vor - "weil die einwilligungsfähige M. I. [jugendliche Patientin] sie konkludent davon entbunden habe." (Absatz 9). Lediglich ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht liege vor, da keine keine Fallkonzeptualisierung für die Patientin vorliege. Die Psychotherapeutin sei insowit "mit einem maßvollen Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten" (Absatz 9)

Im Mai 2012 erhob die Patientin Beschwerde gegen den Beschluß des Berufsgerichts für Heilberufe v. 7.11.11, beschränkte diesen auf  die Feststellungen zu den Verstößen gegen das Abstinenzgebot und die Schweigepflicht und begründete dies mit einem zu engen Verständnis des Abstinenzgebots und das Vorliegen eines Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 BO-NRW (Schweigepflicht), da sie die ihre Psychotherapeutin nicht konkludent von ihrer Schweigepflicht entbunden habe.

 

Fortsetzung folgt!

Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalen v. 10.02.2014; AZ: 13 E 494/12 T (über: www.openjur.de)

August 2014


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AKTUELL: Nummer 20/2014

Anfragen der Krankenkassen

Die Krankenkassen fordern mit zunehmender Tendenz Auskünfte und Informationen von ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen über ihre Versicherten. Grundsätzlich besteht im Bereich der GKV eine Verpflichtung (und auch Berechtigung) für VertragsärztInnen Anfragen zu beantworten sowie Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten zu erstellen soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen erforderlich ist (§ 36 Abs. 1 BMV-Ä, § 6 Abs. 3 EKV).

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat eine Broschüre auifgelgt, in der über des Verfahren (Formulare, formlose Anfragen, Vergütung etc.) informiert zugleich aber auch darlegt, in welchen Fällen Auskünfte verweigert werden können bzw. müssen. Dazu liegen zwei Musterbriefe an die anfragenden Krankenkassen vor.

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: Anfragen von Krankenkassen. Wann Praxen berechtigt sind, die Auskunft zu verweigern (Stand 2/2014)

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 19/2014

Datenverwaltung und Datenschutz in der Arztpraxis

Die Zeitschrift info praxisteam (Der Treffpunkt für die Arzthelferin) präsentiert in seiner aktuellen Ausgabe (3/2014: 12)  Informationen über Datenverwaltung und Datenschutz in der Arztpraxis und verweist dabei auch auf die einschlägigen Veröffentlichungen der KBV und der BÄK. Keine neuen Informationen aber für Einsteiger in das Thema geeignet.

www.info-praxisteam.de: Ausgabe 3/2014: Datenverwaltung und Datenschutz

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 18/2014

Urteil des Kammergerichts Berlin zur Schweigepflicht von ÄrztInnen bei Verdacht von Kindesmißhandlungen (27.06.13; 20 U 19/12).

Das Berliner Kammergericht hat mit Urteil vom 27. Juni 2013 die Berufung eines Elternpaars gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6.12.11 – 13 O 423/09 wegen der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zurückgewiesen und keine Revision zugelassen.

Im vorliegenden Fall war ein vier Monate altes Baby von den Eltern wegen eines Krampfanfalls in die Notaufnahme einer Klinik gebracht worden. Die behandelnden Ärzte kamen zum Ergebnis, daß beidseitige subdurale Blutungen und Netzhautablösungen vorliegen. Weiter wurde festgestellt, daß die Fontanelle vorgewölbt war. Ob auch der von den ÄrztInnen angenommene Schädelbruch vorlag, konnte im Rechtsstreit nicht geklärt werden, da die Eltern anzweifelten, daß die vorgelegten Rötgenaufnahmen die ihres Kindes seien.

Als Ursache der festgestellten Verletzungen gaben die Eltern an, das Kind habe sich nach der Herausnahme des Sitzverkleinerers zu großen Babyschale ("Maxi Cosi") beim Autofahren (Linkskurve) den Kopf gestoßen. Hingegen waren die ÄrztInnen davon überzeugt, daß im vorliegenden Fall das  klassische Erscheinungsbild einer Kindesmisshandlung im Säuglingsalter vorliege. Obwohl sich die Eltern zunächst kooperativ zeigten, lehnten sie in der Folge weitere Gespräche mit dem Sozialdienst der Klinik ab. Daraufhin wurde das  Landeskriminalamt und das Jugendamt informiert, daß für ein Schütteltrauma typische Verletzungen vorlägen, deren Herkunft ungeklärt sei. Im Anschluß wurden die Eltern vorläufig festgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Kindesmisshandlung eingeleitet - das Kind wurde zeitweilig bei Pflegeeltern untergebracht .

Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, weil sich nicht sicher feststellen ließ, ob die Eltern das Schütteltrauma bei ihrem Kind verursacht hatten - im Gegenzug verklagten die Eltern die behandelnden ÄrztInnen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Dabei spielte die Frage eine zentrale Rolle, ob die ÄrztInnen durch die Verdachtsmitteilung an das LKA und das Jugendamt ihre Schweigepflicht gebrochen haben. Nach Ansicht des KG Berlins waren die Ärzte "nach § 34 StGB berechtigt, Polizei und Jugendamt einzuschalten, weil aus ex ante Sicht ein ernstzunehmender Verdacht einer dem Kläger zu 1. [Kind] zugefügten Kindesmisshandlung bzw. zumindest vorsätzlichen Körperverletzung bestand und insoweit - was regelmäßig anzunehmen ist - Wiederholungsgefahr bestand."

Das Urteil kann online nachgelesen werden. Nachfolgend die Leitsätze:

Haftung von Ärzten wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht: Information von Jugendamt und Landeskriminalamt bei Verdacht einer Kindesmisshandlung

Leitsatz:

1. Kommen Ärzte bei einer Behandlung von Kindern nach ärztlichem Standard zu dem ernstzunehmenden Verdacht einer Kindesmisshandlung, so ist die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht durch Information des Landeskriminalamtes und des Jugendamtes entsprechend § 34 StGB gerechtfertigt.

2. Zur Rechtfertigung muss eine Misshandlung nicht erwiesen sein, auch ein hinreichender Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 StPO ist nicht erforderlich.

3. Es ist nicht Aufgabe der Ärzte, einen Verdacht auszuermitteln. Ausreichend ist, ob die festgestellten Verletzungen typischerweise durch eine Kindesmisshandlung hervorgerufen werden können, ein begründetet Verdacht vorliegt.

Anmerkung: Ich bin nicht weiter von dem Urteil überrascht (anders: Ärzte Zeitung v. 4.06.14: Wann man die Schweigepflicht brechen darf. Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung oder Gewaltdelikte geraten Ärzte schnell in Konflikt mit der Schweigepflicht. Doch jetzt hat ein Kammergericht eine entscheidende Grenze gezogen - und war dabei überraschend großzügig). Zwar darf die Schweigepflicht im Regelfall nicht gebrochen werden, wenn es um eine Tat in der Vergangenheit geht (ÄztInnen/PsychotherapeutInnen sind grundsätzlich keine Erfüllungsgehilfen der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft). Liegen jedoch ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, daß es zu weiteren Taten kommt, kann die Schweigepflicht unter den strengen Voraussetzungen des § 34 StGB gebrochen werden. Im Sinne der besonderen Garantenstellung der BehandlerInnen ist sogar davon auszugehen, daß gehandelt werden muß, um eine weitere Schädigung zu verhindern. Das muß allerdings nicht durch einen Bruch der Schweigepflicht geschehen, andere - mildere - Maßnahme sind immer zu prüfen. Die Problematik betrifft insbesondere auch Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, die vom sexuellen Mißbrauch und/oder der körperlichen Mißhandlung ihrer PatientInnen Kenntnis erlangen.

www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de: Urteil KG Berlin 27.06.13; 20 U 19/12

Juni 2014


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AKTUELL: Nummer 17/2014

Ausspähen von Daten und Mißbrauch von E-Mail-Adressen im Internet

Wiederholt wurden im Internet Daten (Paßwörter, E-Mil-Adressen etc.) von Privatpersonen auf Servern von privaten und öffentlichen Institutionen in großem Stil gehackt (zuletzt: ebay). Oft werden die gestohlenen Daten anschließend im Internet veröffentlicht - um dann als Grundlage illegaler Handlungen bzw.  Straftaten zu dienen.

Das Hasso-Plattner Institut in Potsdam (Public-Private-Partnership mit der Landesregierung Brandenburg) hat eine Seite geschaltet, in der eine E-Mail-Adresse daraufhin überprüft werden kann, "ob Ihre E-Mailadresse in Verbindung mit anderen persönlichen Daten (z.B. Telefonnummer, Geburtsdatum oder Adresse) im Internet offengelegt wurde und missbraucht werden könnte" (Zitat aus der Webseite).

Überprüfung der E-Mail-Adresse: HPI Identity Leak Checker

Hasso-Plattner-Institut (www.hpi.uni-potsdam.de)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 18/2014

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): 30 Jahre Aufbewahrung von Patientenunterlagen?

Nach geltendem Recht beträgt der Aufbewahrungszeitraum i. d. R. zehn Jahre (§ 10 Abs. 3 Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä), § 9 Abs. 2 Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP), § 57 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 13 Abs. 10 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV), soweit nicht spezielle Vorschriften bestehen, die eine längere Aufbewahrungspflicht vorsehen (z. B. bei Röntgenaufnahmen). Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Daten zu löschen – vorher besteht (für PatientInnen) kein Anspruch auf Löschung oder Sperrung der patientenbezogenen Daten.

Nun empfiehlt die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereits seit 2008 in ihren Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis:

"Zu beachten ist aber auch die zivilrechtliche Verjährungsfrist, die für Ansprüche eines Patienten gegen seinen Arzt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt. Zwar beläuft sich die Verjährungsfrist grundsätzlich auf drei Jahre gem. § 195 BGB, diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dies kann im Einzelfall bis zu 30 Jahre nach Abschluss der Behandlung der Fall sein. Daher sollte der Arzt seine Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus solange aufbewahren, bis aus medizinischer Sicht keine Schadenersatzansprüche mehr zu erwarten sind." (BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 1027)

Nach meines Ansicht stellt diese Rechtsauffassung ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz dar. Demnach sind die Unterlagen/Daten nach der gesetzlich normierten Aufbewahrungsfrist zu löschen bzw. vernichten, weil der Zweck der Speicherung bzw. Verarbeitung entfallen ist. Auf einem anderen Blatt steht, daß damit im Einzelfall die Beweislage für ÄrztInnen, ärztliche PsychotherapeutInnen, PP und KJP beeinträchtigt sein kann (siehe auch den Beitrag AKTUELL: Nummer 9/2012)

 In den aktualisierten Empfehlungen von BÄK & KBV (2014)  wird eine weitgehend analoge Empfehlung gegeben:

Zu beachten sind zudem die zivilrechtlichen Verjährungsfristen, die etwa für einen Schadensersatzanspruch eines Patienten wegen eines Behandlungsfehlers des Arztes gelten. Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beträgt drei Jahre. Sie beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Patient von den anspruchsbegründenden Umständen der fehlerhaften Behandlung Kenntnis erlangt oder die Kenntnisnahme grob fahrlässig versäumt hat. Erlangt der Patient beispielsweise erst 20 Jahre nach der Behandlung Kenntnis von einem ärztlichen Behandlungsfehler, kann er einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arzt auch noch nach diesem Zeitraum geltend machen, es sein denn, er hat die späte Kenntniserlangung grob fahrlässig verschuldet. Erst wenn seit der fehlerhaften Behandlung 30 Jahre vergangen sind, verjähren mögliche Schadensersatzansprüche endgültig (§ 199 Abs. 2 BGB). Es sind daher Konstellationen denkbar, in denen es aus Sicht des Arztes erforderlich sein kann, einzelne Aufzeichnungen über die jeweils vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus aufzubewahren. (BÄK & KBV (2014): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis: A 965f)

Anmerkung 1: Zur Klärung der Angelegenheit habe ich mich an den Bundesdatenschutzbeauftragen gewandt (Juli 2012). Dort würde mir bestätigt, daß eine Aufbewahrung der Unterlagen über die geregelte Aufbewahrungszeit hinaus alleine aus Gründen der Beweissicherung nicht mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu vereinbaren ist. (Schreiben v. 1.08.2012). Auch führt eine ordnungsgemäße Vernichtung der Unterlagen nach 10 Jahren nicht zu einer Beweislastumkehr, wenn später von PatientInnen ein Behandlungsfehler geltend gemacht wird (Hinweis auf das Urteil des OLG Karlsruhe v. 11.02.2004 - 7 U 174/02 -).

Anmerkung 2 (3.01.2014): Nun hat sich auch die KBV zu diesem Punkt geäußert (Mail 3.01.2014). Der stellvertretenden Leiter für Rechtsangelegenheiten (Rechtsanwalt) verweist dabei auf das Patientenrechtegesetz  (Aufbewahrung für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen) und auf die nun auch gesetzlich geregelte Beweislastumkehr bei fehlender Dokumentation, die "in zeitliches Hinsicht nur solange eingreift, wie den Arzt auch eine Befunderhebungs- und Befundsicherungspflicht trifft. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist erwachsen dem Arzt aus der Vernichtung oder aus dem Verlust der Dokumentation in der Regel keine Nachteile. Allerdings hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetzentwurf des § 630 f Abs. 3 BGB Folgendes ausgeführt:  

"Soweit es der Zweck der Dokumentation, etwa der gesundheitliche Zustand des Patienten oder die Gegebenheiten im Einzelfall jedoch erfordern, kann die Aufbewahrungsfrist des Absatzes 3 allerdings auch weit über 10 Jahre hinausgehen. Dies kann insbesondere unter Berücksichtigung der Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen des Patienten gelten, die nach der Höchstverjährungsfrist des § 199 Abs. 2 erst nach 30 Jahren verjähren können."

Es ist bekannt, dass die entscheidenden Gerichte auch die Gesetzesbegründungen zur Auslegung der Vorschriften heranziehen. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Gerichte die "Gegebenheiten im Einzelfall" auslegen werden, sehen wir von einer Änderung der Empfehlungen ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen der Bundesärztekammer und der KBV keinen verbindlichen Charakter haben, sondern lediglich eine Hilfestellung für den Arzt bieten sollen. Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben."

Anmerkung 3 (29.05.2014): Auch wenn die Argumentation der KBV juristisch nicht völlig abwegig ist - die Empfehlung ist es allemal. Sie führt nur zu Verwirrung: Welche Unterlagen sollen aufgehoben werden, welche nicht - was sind das für Konstellationen, unter denen Unterlagen weiter aufbewahrt werden sollen? Schadensersatzansprüche können in jedem Behandlungsfall geltend gemacht werden - sollen also alle Unterlagen über die geregelte Ffrist hinaus aufbewahrt werden? - datenschutzrechtlich nicht akzeptabel! Und: Wenn selbst die BÄK & KBV die entsprechende Aufbewahrung im Einzelfall für angemessen halten, dann werden Gerichte ggf. genau in solchen (Einzel-) Fällen nicht nur auf die Gesetzesbegründung sondern auf diese Empfehlung zurückgreifen. Eine fatale Haltung!

Anmerkung 4 (28.06.2014): Aus diesem Grund habe ich mich nun erneut an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (seit  12/2013 Andrea Voßhoff) gewandt.

BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 19, Mai 2008) 105: A-1026-1030 und Technische Anlage: 1-12 (Achtung: Der Link ist nicht mehr gültig!)

BÄK & KBV (2014): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 21, Mai 2014) 111: A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972  (s.a. Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über www.aerzteblatt.de

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 17/2014

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Aktualisierte Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis 2014

Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) haben (nach der letzten  Fassung von 2008, siehe Beitrag AKTUELL: Nummer 9/2012) eine aktualisierte Fassung der Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis vorgelegt.

BÄK & KBV (2008): Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis (online: www.kbv.de und Deutsches Ärzteblatt (Heft 21, Mai 2014) 111: A-963-969 und Addendum zur Technischen Anlage: 969-972  (s.a. Dtsch Arztebl 2014; 111 (21):B-819 / C-775); identisches pdf-Dokument über www.aerzteblatt.de

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 16/2014

24. Deutscher Psychotherapeutentag beschließt Änderung der Muster-Berufsordnung: Das Persönlichkeitsrecht der Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen kann bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsgüter ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen

Teil I (Archivtitel: Einsichtnahme Behandlungsunterlagen & Persönlichkeitsrecht der BehandlerInnen)

Auf dem Hintergrund des im Patientenrechtegesetz bei der Einsicht in die Behandlungsunterlagen (§ 630g BGB) nicht berücksichtigten Persönlichkeitsrechts der BehandlerInnen wurden dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel) zwei Anträge zu diesem Thema vorgelegt. Der Antrag des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) beinhaltete die Einfügung der Formulierung des § 630g Absatz 1 Satz 1 BGB in die Musterberufsordnung, der Antrag einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15) lautete:

§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:

(2) Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Die Anträge wurden nicht abgestimmt, da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war. Zugleich wurde der Vorstand beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT vorzulegen, der den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt. Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:

Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK Aktuell v. 27.11.13)

Auf dem 24. Deutschen Psychotherapeutentag (15.05.2014) hat der Vorstand und eine Gruppe von Delegierten einen (Kompromiß-) Antrag zur Neufassung von § 11 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer vorgelegt, der bei der Abstimmung eine Mehrheit gefunden hat:

§ 11 Einsicht in Behandlungsdokumentationen

(1) Patientinnen und Patienten ist auch nach Abschluss der Behandlung auf ihr Verlangen hin unverzüglich Einsicht in die sie betreffende Patientenakte zu gewähren, die nach § 9 Absatz 1 zu erstellen ist. Auch persönliche Eindrücke und subjektive Wahrnehmungen der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, die gemäß § 9 in der Patientenakte dokumentiert worden sind, unterliegen grundsätzlich dem Einsichtsrecht der Patientin oder des Patienten. Auf Verlangen der Patientin oder des Patienten haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dieser oder diesem Kopien und elektronische Abschriften aus der Dokumentation zu überlassen. Die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut kann die Erstattung entstandener Kosten fordern.

(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut ausnahmsweise einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in ihre oder seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung ihr oder sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten am Schutz ihres oder seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse der Patientin oder des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber der Patientin oder dem Patienten zu begründen. Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen. Die Regelung des § 12 Absatz 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

Die Regelung zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Verweigerung der Einsichtnahme durch die Kammer war der Befürchtung vieler Delegierter geschuldet, PsychotherapeutInnen könnten sich zu extensiv auf die Ausnahmeregelung berufen und war Voraussetzung des vorliegenden und nun verabschiedeten Änderungsantrags.

Ob die 12 Landespsychotherapeutenkammern (www.bptk.de) die Formulierung der Musterberufsordnung in ihre (für PP und KJP verbindlich  geltende) Berufsordnung übernehmen werden, ist derzeit (noch) nicht bekannt.

Anmerkung: Der im Antrag vorgeschlagene Satz "Die Kammer kann zur Überprüfung der Voraussetzungen nach Satz 1 oder Satz 2 die Offenlegung der Aufzeichnungen ihr gegenüber verlangen." ist aus datenschutz- bzw. strafrechtlicher Sicht äußerst bedenklich. Eine Einsichtnahme in die Aufzeichnungen durch Dritte (hier die Kammer) ist nur aufgrund gesetzlicher Regelungen (die hier nicht vorliegen) oder einer Einwilligung von Seiten der jeweiligen PatientInnen zulässig. Zudem könnte durch eine Überprüfung der Unterlagen durch die Kammer auch Persönlichkeitsrechte der BehandlerInnen betroffen sein bzw. verletzt werden.

Gesetzestext - Bürgerliches Gesetzbuch: §§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 15/2014

Bundesärztekammer: Handreichung für den Umgang mit den (neuen) sozialen Medien

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat im Februar eine Handreichung zum Thema: "Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und Medizinstudenten bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten" vorgelegt.

Sie informiert über die Tücken der Nutzung der neuen sozialen Medien für ÄrztInnen (und damit auch für PsychotherapeutInnen), so über die ärztliche Schweigepflicht, die Problematik der Diffamierung, Online-Freundschaften und deren Grenzen (Arzt-Patient-Verhältnis, interkollegialer Austausch über soziale Netzwerke,), weitere berufsrechtliche Aspekte, Datenschutz und Datensicherheit sowie über weitere rechtliche Aspekte.

Handreichung der Bundesärztekammer (BÄK): Ärzte in sozialen Medien. Worauf Ärzte und Medizinstudenten bei der Nutzung sozialer Medien achten sollten (Stand Februar 2014)

Mai 2014


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AKTUELL: Nummer 14/2014

Sozialbehördliches Auskunftsersuchen und Schweigepflicht im Bereich des Sozialgesetzbuches (SGB)

Der Rechtsanwalt Jan Frederichs berichtet in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über die Problematik von behördlichen Auskunftsersuchen im Bereich des Sozialgesetzbuches.

Im Bereich der ambulanten Richtlinien Psychotherapie (ärztliche PsychotherapeutInnen, PP, KJP) sind Anfragen der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen klar geregelt und werden mittels von Formularen abgefragt. Allerdings können im Einzelfall durchaus Unklarheiten bzw. Zweifel bestehen, ob die angeforderten Informationen tatsächlich zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Hier rät Frederichs davon ab, die Einwilligung der PatientInnen einzuholen. Dies wäre ethisch und sozialdatenschutzrechtlich problematisch. Denn das Einholen einer Schweigepflichtentbindung könnte im Extremfall eine "rechtswidrige Umgehung abschließender Regelungen über Informationsflüsse" darstellen (er nimmt dabei Bezug auf ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichts).

Insgesamt stellt sich die Frage, ob PsychotherapeutInnen (und andere schweigpflichtige Berufsgruppen) überhaupt dafür zuständig sind, bei Auskunftsersuchen eine Schweigepflichtentbindung ihrer PatientInnen/KlientInnen einzuholen - zwar gebe es hier keine klare Regelung (vgl. § 100 SGB X), doch sei die Auskunftspflicht schweigepflichtiger Personen das Gegenstück des Auskunftsersuchens des Leistungsträgers, der wiederum einen (zu begründenden) Verwaltungsakt darstellt. Damit ist es aber Aufgabe der Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen vorliegen. Schweigepflichtige Personen können dies in der Regel nicht überblicken und laufen überdies Gefahr, ihre PatientInnen bzw. KlientInnen des Rechtsschutzes zu berauben.

Frederichs rät daher bei Zweifeln an der Auskunftspflicht, diese der auskunftsersuchenden Behörde mitzuteilen und PatientInnen/KlientInnen darüber zu informieren, damit diese gegebenenfalls gegen das Auskunftsersuchen vorgehen können.  

Anmerkung: Ich warne immer wieder davor, PatientInnen in bestimmten Fällen zu Schweigepflichtentbindungen zu 'motivieren'. Nicht nur in dem von Frederichs beschriebenen Fällen kann das außerordentlich problematisch sein, sondern vor allem auch dann, wenn Interessen der PsychotherapeutInnen betroffen sind. So ist es heute üblich im Wege des 'informed consent' die Einwilligung zu Videoaufnahmen (Ausbildungsfälle), Veröffentlichungen in Büchern oder Fachzeitschriften, Audioaufnahmen bei Forschungsprojekten einzuholen. M. E. wird dabei viel zu wenig das Abhängigkeitsverhältnis der PatientInnen (KlientInnen) bedacht. Eine wirklich freie Entscheidung ist bei laufender Therapie (Beratung), aber auch nach Abschluß der Behandlung (Beratung), kaum vorstellbar. In jedem Fall ist die Entscheidung und ihre jeweiligen Konsequenzen ausführlich zu bearbeiten.   

Frederichs, Jan: Sozialbehördliches Auskunftsersuchen und Schweigepflicht. Psychologen sollen bei Zweifeln nicht selbst die Einwilligung der Betroffenen einholen (Report Psychologie, Heft 2-2014: 74f)

April 2014


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AKTUELL: Nummer 13/2014

Schweigepflicht bei konfligierenden Vertrauensverhältnissen

Der Rechtsanwalt Jan Frederichs berichtet in einem Beitrag in der Zeitschrift Report Psychologie (BDP) über eine Fallkonstellation, wie sie nicht ganz selten auftritt: Freunde oder Angehörige von KlientInnen/PatientInnen wenden sich ohne deren Wissen an die/den Schweigepflichtige/n (hier: Psychologin/e) und fragen ihrerseits um Rat (etwa im Umgang mit der Klientin/Patientin).

Abgesehen davon daß eine Beratung dritter Personen, die in Kontakt mit der/m Klientin/en bzw. Patientin/en stehen, nicht möglich ist (vgl. auch Musterberufsordnung PP/KJP, § 6 Abs. 6 i.d. F 2006/2007), verstößt die Mitteilung an KlientInnen/PatientInnen, daß sich Dritte an die/den Schweigepflichtigen gewandt haben nicht gegen die Schweigepflicht gegenüber der kontaktaufnehmenden Dritten, da diese "ein berechtigtes Vertrauensverhältnis voraussetzt". Auch wenn die dritte Person die Verschwiegenheitspflicht der/des Therapeutin/en in Anspruch nehmen möchte muß sie gleichwohl davon ausgehen, daß dies aufgrund der bereits bestehenden Vertrauensbeziehung zwischen KlientIn/PatientIn und Schweigepflichtiger/m nicht möglich ist und auch eine Mitteilung über den Kontakt erfolgen muß.

Anders wäre die Situation einzuschätzen, wenn es um gleichberechtigte Vertrauensverhältnisse geht, etwa, wenn erst im Laufe der Zeit klar wird, daß zwei KlientInnen/PatientInnen miteinander verwandt oder sich anderweitig nahe stehen. Hier besteht die Schweigepflicht, allerdings wäre zu prüfen, inwieweit unter diesen Umstanden, die Beratung/Therapie mit beiden KlientInnen/PatientInnen fortgesetzt werden kann.

Frederichs, Jan: Diverses aus der Rechtsabteilung - Schweigepflicht bei konfligierenden Vertrauensverhältnissen (Report Psychologie, Heft 11/12-2013: 455)

Muster-Berufsordnung (M-BO) für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Fassung der Beschlüsse des 7. Deutschen Psychotherapeutentages in Dortmund am 13. Januar 2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am 10. November 2007

M-BO PP/KJP i.d.F. vom 13. Januar 2006 aktualisiert mit Beschluss des 11. DPT am 10. November 2007: Auszug aus § 6 (Abstinenz), Abs 6:

Die abstinente Haltung erstreckt sich auch auf die Personen, die einem Patienten nahe stehen, bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf dessen Eltern und Sorgeberechtigten.

April 2014


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AKTUELL: Nummer 12/2014

Historisches Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes zum Datenschutz: EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt (AZ: C-293/12 ua)

(Teil XVI)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in einem Urteil v. 8.04.2014 die in den europäischen Mitgliedsstaaten geltende Pflicht zur Speicherung der Telefon- und Internetverbindungsdaten für ungültig erklärt, da sie gegen die Grundrechte verstoße. Das Verfahren wurde vom irischen High Court und dem österreichische Verfassungsgerichtshof in Gang gesetzt, die den EuGH auf dem Hintergrund der durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Grundrechten (und hier des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens sowie des Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten) um die Prüfung der Zulässigkeit der Richtlinie ersucht hatten.

Die (in Deutschland aufgrund des Widerstands von FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger) nicht umgesetzte Richtlinie 2006/24/EG sah vor, in allen EU-Staaten sämtliche Verbindungsdaten elektronischer Kommunikation ohne konkreten Anlaß über einen Zeitraum von 6 bis 24 Monate lang zu speichern.

Dies ist nach Ansicht des EuGH nicht hinzunehmen. "Aus der Gesamtheit dieser Daten können sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld. " (alle Zitate in blau aus der Presseerklärung des EuGH - siehe unten)

Bei der bisher bestehende Verpflichtung zur  Vorratsspeicherung und der Gestattung des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu diesen Daten sei ein besonders schwerwiegender Eingriff  in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten:

Außerdem ist der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten und ihre spätere Nutzung vorgenommen werden, ohne dass der Teilnehmer oder der registrierte Benutzer darüber informiert wird, geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.

Zwar sei "die nach der Richtlinie vorgeschriebene Vorratsspeicherung von Daten nicht geeignet (...), den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten anzutasten" und diene in ihrer Zielsetzung "dem Gemeinwohl (...), und zwar der Bekämpfung schwerer Kriminalität und somit letztlich der öffentlichen Sicherheit" jedoch habe "der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie (...) die Grenzen überschritten (...), die er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einhalten musste".

Angesichts "der besonderen Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten für das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und des Ausmaßes und der Schwere des mit der Richtlinie verbundenen Eingriffs in dieses Recht" sei "der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers eingeschränkt (...), so dass die Richtlinie einer strikten Kontrolle unterliegt."  Ein Eingriff von solchem Ausmaß muß nach Ansicht des EuGH "auf das absolut Notwendige" beschränkt bleiben.

Der EuGH kritisiert in diesem Zusammenhang die Datenerfassung bzw. -speicherung ohne jede Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme mit dem Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten.

Weiter gebe es keine objektiven Kriterien zur Beschränkungen des Zugangs der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten, welche den Eingriff in die betroffenen Grundrechte jeweils rechtfertigen könnten.

Auch die Speicherungsfristen (mindestens 6 bis maximal 24 Monate) werde nicht - im Sinn einer " Unterscheidung zwischen den Datenkategorien anhand der betroffenen Personen oder nach Maßgabe des etwaigen Nutzens der Daten für das verfolgte Ziel" differenziert.

Da keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vorgeschrieben sei, gewährleiste die Richtlinie "nicht in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert."

Und schließlich stellt der EuGH fest,

dass die Richtlinie keine hinreichenden Garantien dafür bietet, dass die Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind. Unter anderem gestattet sie es den Diensteanbietern, bei der Bestimmung des von ihnen angewandten Sicherheitsniveaus wirtschaftliche Erwägungen (insbesondere hinsichtlich der Kosten  für die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen) zu berücksichtigen, und gewährleistet nicht, dass die Daten nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist unwiderruflich vernichtet werden.

Im Urteilstext des EuGH vom 8. April 2014 findet sich zudem ein wichtiger Hinweis auf die berufliche Schweigepflicht:

Die Richtlinie 2006/24 betrifft nämlich zum einen in umfassender Weise alle Personen, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, ohne dass sich jedoch die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, auch nur mittelbar in einer Lage befinden, die Anlass zur Strafverfolgung geben könnte. Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sieht sie keinerlei Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen gilt, deren Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen. (Abschnitt 58)

Anmerkung: Kann man sich eine heftigere 'Watschn' für die BefürworterInnen der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vorstellen?

In seinem Tenor erinnert das Urteil an den wegweisenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil 1983 (15.12.1983; 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83), insbesondere aber an die Entscheidung aus dem Jahr 2010 (Erster Senat v. 2. März 2010 - 1 BvR 256/08/1 BvR 263/08/1 BvR 586/08 -) zur Verfassungswidrigkeit des (deutschen) Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung - siehe AKTUELL: Nummer 11/2010.

Heribert Prantl meint in seinem Kommentar (Süddeutsche Zeitung v. 9.04.14: 4 HBG): "Die anlasslose staatliche Ausspähung und Speicherung der Kommunikation kann und darf (...) nicht Normalität werden. Das ist die Lehre des Luxemburger Urteils. Das ist nicht revolutionär, das ist eigentlich selbstverständlich." und "Es wird schwer sein, ein Gesetz zu formulieren, dass diese Anforderungen [des Urteils] erfüllt. Das ist gut so, weil es in einem Rechtsstaat schwer sein muss, in Grundrechte einzugreifen. Es gibt den Schutz der Privatsphäre, auch in Europa."

In einem Gastbeitrag - Aussenansicht: "Speichern verboten. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeigt: Beim Datenschutz geht die EU voran" (SZ Süddeutsche Zeitung v. 12./13.04.14: 2) spricht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von einem "Paradigmenwechsel:

Gerichtshof der Europäischen Union: Pressemitteilung Nr. 54/14, Luxemburg, 8. 04.2014

Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. April 2014 (Rechtssachen C‑293/12 und C‑594/12)

Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105, S. 54)

Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02). Amtsblatt der Europäischen Union (DE), C 83/389, 30.3.2010.

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII + Teil IX + Teil X + Teil XI + Teil XII + Teil XIII + Teil XIV + Teil XV

(Anmerkung: Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikation gehören thematisch zusammen!)

April 2014


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AKTUELL: Nummer 11/2014

Einsichtnahme in Aufzeichnungen der Lehranalyse bzw. -therapie

(Teil III)

Aufgrund der Bedeutung der aktuellen BGH-Entscheidung zum Einsichtsrecht von AusbildungskandidatInnen in die von ihrer/m LehranalytikerIn bzw. LehrtherapeutIn angefertigten Aufzeichnungen (siehe die entsprechenden Beiträge im Archiv) habe ich einen Beitrag im Psychotherapeutenjournal (1/2014: 10-12) geschrieben:

Keine Pflicht zur Dokumentation, aber Recht auf Einsicht in vorhandene Aufzeichnungen. BGH stärkt die Rechte von Absolventen einer Lehrtherapie (Urteil v. 7.11.2013, II ZR 54/13

www.psychotherapeutenjournal.de  - aktuelle Ausgabe

Archiv: Lehranalyse bzw. -therapieaufzeichnungen: Teil 1 + Teil 2

April 2014


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AKTUELL: Nummer 10/2014

Onlinehilfe zum Datenschutz

Seit Anfang 2014 besteht die Webseite www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de, die vielfältige Informationen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit in Praxen anbietet. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz.

Auf der Startseite heißt es dazu:

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz und die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz lassen die Ärzte und Psychotherapeuten bei ihrer Verpflichtung, die Vorgaben der ärztlichen Schweigepflicht auch im 21. Jahrhundert zu gewährleisten, nicht alleine. Aus diesem Grund haben sie die Initiative "Mit Sicherheit gut behandelt" ins Leben gerufen.

Kernstück der Initiative ist die Website, auf der Sie sich gerade befinden. Darin stellen die Kooperationspartner zahlreiche Informationen, Handlungshilfen, Checklisten und Links bereit, die aus ihrer Sicht bei der Gewährleistung von IT-Sicherheit und Datenschutz im Zusammenhang mit einem Praxisbetrieb von Bedeutung sind. Darüber hinaus bieten beide Institutionen mehrere regionale Veranstaltungen zum Thema IT-Sicherheit und Datenschutz in der Arzt-/Psychotherapeutenpraxis an. Einzelthemen werden in redaktionellen Beiträgen in Fachzeitschriften aufgegriffen. Heilberufskammern und IT-Hersteller wurden frühzeitig eingebunden, um auch deren Potential bei der Verbesserung von IT-Sicherheit und Datenschutz in den Praxen zu nutzen.

Über die Initiative wird in einem Flyer umfassend informiert, der zum Download bereit steht.

www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de

April 2014


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AKTUELL: Nummer 9/2014

Patientendaten in der Cloud: Überaus problematisch und nicht empfehlenswert

In einem Beitrag der Ärzte Zeitung (online) wird die Problematik der sich zunehmend etablierenden Dienste im Bereich des Cloud Computing im Zusammenhang der Auslagerung von Daten in Arztpraxen erläutert.

Weil in diesem Fall Daten von PatientInnen erhoben, verarbeitet und genutzt werden, findet das Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) Anwendung und ist nur mit dem Einverständnis derjenigen PatientInnen zulässig, deren Daten in der Cloud verarbeitet werden.

Auch wenn die Daten nicht auf dem Server eines entsprechenden Diensteanbieters verarbeitet bzw. gespeichert werden, sondern lediglich Soft- und Hardwareleistungen genutzt werden (Software as a Service - SAS) gilt das Datenschutzgesetz.

Ärzte Zeitung online (17.03.14). Rebekka Höhl : Rechtssicher in die Cloud. Sobald ein Betrieb Rechnerleistung auslagert, kommt er in Berührung mit dem Datenschutzgesetz - und den entsprechenden Haftungsfragen. Für Arztpraxen kann das besonders kritisch werden.

Ergänzung 1 (10.09.14): In einem ausfühlichen Beitrag beschäftigt sich die  Ärzte Zeitung online (10.09.14) ein weiteres Mal mit den Voraussetzungen unter welchen eine Cloud Computing in der Arztpraxis (und damit auch in der Praxis von PsychotherapeutInnen) möglich erscheint. M.E. ist die weit überwiegnde Mehrheit der ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen überhaupt nicht in der Lage die technischen Vorgänge zu verstehen oder sie gar zu kontrollieren - unter diesen Voraussetzungen rate ich daher dringend von der Nutzung dieser Technik ab.

Ergänzung 2 (30.09.14): In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich die  Ärzte Zeitung online (30.09.14) mit Haftungsrisiken und der daraus resultierenden Notwendigkeit, sich vor der Nutzung der Cloud vertraglich besonders abzusichern.

April 2014


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AKTUELL: Nummer 8/2014

Österreich: Der österreichische Hausärzteverband (ÖHV) tritt aus dem Vernetzungsprojekt der flächendeckenden elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) aus

Bericht der Ärzte Zeitung online v. 13.01.2014:

Ärzteverband tritt aus Gesundheitsakte aus

WIEN. Schlappe für die flächendeckende elektronische Gesundheitsakte (ELGA) in Österreich: Nur wenige Tage nach dem offiziellen Start von ELGA hat die gesamte Spitze des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV) ihren Austritt aus dem Vernetzungsprojekt eingereicht.

Die ärztliche Schweigepflicht sei mit ELGA Geschichte, begründet der Berufsverband in einer Mitteilung den "Opt-Out". Zu fürchten sei nicht nur Cyber-Kriminalität, sondern der ganz legale Gebrauch der Daten durch Ämter und Behörden, der vom Gesetzgeber jederzeit bedarfsgerecht adaptiert werden könne.

Auf der Portalseite der am 2. Januar gestarteten ELGA sowie auf der Website des österreichischen Gesundheitsministeriums sind dazu allerdings keine Infos zu finden. Hier heißt es: Die Patienten könnten die Zugriffsrechte selbst bestimmen.

Zudem sei der Kreis der allgemein zum Zugriff Berechtigten gesetzlich festgelegt. Neben den Patienten sollen dies nur Gesundheitsdienstanbieter und hier speziell Krankenanstalten und Pflegeheime, Ambulatorien, niedergelassene Ärzte, Zahnärzte sowie Apotheker sein. Die Daten werden im österreichischen System zudem dezentral gespeichert.

Doch der ÖHV bemängelt noch mehr: In einem Pamphlet mit zehn Gründen für den Austritt aus ELGA moniert der Verband, dass die immer wieder proklamierte Rolle des Hausarztes als Drehscheibe" durch ELGA völlig verloren gehe. "Der Allgemeinmediziner verkommt zum Verwalter elektronischer Daten", heißt es. (reh)

Elektronische Gesundheitsakte (ELGA): www.elga.gv.at

Ärzte Zeitung online (13.01.14): Britische Hausär

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 7/2014

Bundespsychotherapeutenkammer: Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Die im September 2013 erstellte Broschüre "Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten" stellt nach meiner Ansicht die bisher differenzierteste und klarste Information über das im Februar letzten Jahres in Kraft getretene Patientenrechtegesetz für Ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen dar. Ich empfehle allen KollegInnen dringend Sie intensiv zu studieren.

Ich habe aus diesem Anlaß nochmals auch den Gesetzestext (Behandlungsvertrag: §§ 630a ff BGB) als Word 97-2003-Dokument eingestellt (siehe unten) sowie ein von mir konzipiertes Formular, das zur Unterstützung der Dokumentation von Information, Aufklärung und Einwilligung als 'Laufzettel' verwendet werden kann; beide Dokumente (Word 97-2003) können heruntergeladen und nach eigenen Wünschen verändert werden!

Bundespsychotherapeutenkammer (09/2013): Patientenrechtegesetz. Eine Information für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Gesetzestext - Bürgerliches Gesetzbuch: §§ 630a-h BGB (Behandlungsvertrag - Zusammenstellung von J. Thorwart)

Formular: Entwurf eines Laufzettels zur Unterstützung der Dokumentation von Information, Aufklärung und Einwilligung

Archiv: Teil I + Teil II + Teil III + Teil IV + Teil V + Teil VI + Teil VII + Teil VIII

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 6/2014

Großbritannien: Gesundheitsdaten müssen an den staatlichen Gesundheitsdienst 'National Health Service' (NHS) übermittelt werden

Die britische Regierung hat eine landesweite Aktion zum Datenaustausch beschlossen. Unter Berufung auf das Gesetz "Health and Social Care Act" sollen die etwa 75.000 staatlichen HausärztInnen des NHS ab März 2013 vertraglich verpflichtet werden, vertrauliche Patientendaten an einen zentralen NHS-Rechner weiterzugeben. Dieses Ansinnen hat bereits zu erheblichen Protesten der betroffenen MedizinerInnen geführt. Auch der britische Ärztebund 'British Medical Association' (BMA) hat darauf hingewiesen, daß sich bereits zahlreiche HausärztInbnen kritisch zu Wort gemeldet hätten.

Nach Angaben des Londoner Gesundheitsministeriums sei der Datenschutz gewährleistet. Die Sammlung der Daten diene der Optimierung der diagnostischen und therapeutischen Versorgungsangebote.

Die betroffenen PatientInnen können allerdings der Weitergabe widersprechen und so die Übermittlung ihrer persönlichen Daten an die NHS verhindern.

Anmerkung: Es dürfte wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis es auch in anderen europäischen Staaten und auch in Deutschland zu einer solchen Diskussion kommt. Nachdem für britische Verhältnisse eher ungewöhnlichen Protest von ÄrztInnen und PatientInnen ist noch ungewiss, ob es tatsächlich zu der von der Regierung Cameron geplanten Maßnahme kommt.

Ärzte Zeitung online (14.02.14): Britische Hausärzte rebellieren gegen Big Data. Mit Überwachung hatten die Briten bislang kein Problem - die Kameras an Straßen und Bahnhöfen sind ihnen egal. Doch jetzt ist die Regierung zu weit gegangen: Ärzte sollen bald ihre Patientendaten an den NHS weiterleiten - und zwar verpflichtend. Der Protest wird größer. Jetzt rufen die Hausärzte zur Revolte.

Februar 2014


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AKTUELL: Nummer 5/2014

Selbstdatenschutz

Nicht nur aus gegebenem Anlaß (NSA - Snowdon) ist es notwendig, sich immer wieder Gedanken hinsichtlich des Schutzes der eigenen (privaten und beruflichen) und Dritte (Angehörige, Freunde, KollegInnen, KundInnen, PatientInnen etc.) betreffenden Daten zu machen.

Die von Markus Mandalka aufgebaute Seite www.selbstdatenschutz.info informiert in übersichtlicher und verständlicher Weise über wichtige  Aspekte des Selbstdatenschutzes:

Weshalb Selbstdatenschutz?

Kommunikation verschlüsseln

Datenspuren & Datenschmutz

Datenträger verschlüsselln

Datenspeicherung vermeiden

Cloud verschlüsseln

Daten schützen & verschlüsseln

 

Über sich selbst schreibt Herr Mandalka:

Ich arbeite in Berlin und anderswo als freier Journalist zu Politik, Neonazis, selbstbestimmter Informationstechnik und Datenschutz sowie als Medieninformatiker im  mit und an selbstbestimmten und datenschutzfreundlichen Wissenswerkzeugen rund um kollaborative Wissensarbeit, Vernetzung und Wissensnetzwerk SmallData42 digitale Kommunikation zumeist für WissensarbeiterInnen in Journalismus, Bildungseinrichtungen, Wissenschaft, Sozialer Arbeit oder gemeinnützigen Vereinen, Stiftungen und Non-Profit-Organisationen bzw. Non-Government-Organisationen (NGO).

Hinweise zum Selbstdatenschutz für BürgerInnen finden sich auch auf der Seite des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik www.bsi-fuer-buerger.de.

www.selbstdatenschutz.info

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 4/2014

Europäische Datenschutz-Grundverordnung

(Teil II)

Die Bundespsychotherapeutenkammer berihtet in ihren EuropaNews (15.01.2014) über die ltzten Entwicklungen der geplanten Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Der Bericht wird nachfolgend wiedergegeben:

EP-Bericht zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung berücksichtigt Anliegen der Freien Berufe

Der federführende Ausschuss für Bürgerfreiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hat sich am 21. Oktober 2013 auf eine Kompromissfassung zum Entwurf des im Januar 2012 von der EU-Kommission vorgelegten Entwurfs einer Europäischen Datenschutz-Grundverordnung geeinigt. Nach gut anderthalb Jahre dauernden Verhandlungen haben die Abgeordneten damit überraschend schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Freiberuflich relevante Kernpunkte sind in den Beratungsprozess eingeflossen. So wird die spezielle Situation der Berufsgeheimnisträger und deren Verschwiegenheitspflichten aufgegriffen und diesem besonderen Verhältnis Rechnung getragen. Die Verhandlungen des Europäischen Parlaments mit dem Europäischen Rat und der EU-Kommission zur Datenschutzreform gestalten sich allerdings schwierig. Ein Treffen der Justizminister in Brüssel am 6. Dezember 2013 hat gezeigt, dass es in zentralen strittigen Punkten – z. B. die, ob der öffentliche Sektor weitgehend ausgeklammert werden soll – keine Annäherung gibt. Von daher ist fraglich, ob der neue Rahmen zu einem einheitlichen europäischen Datenschutz noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres verabschiedet werden kann.

www.janalbrecht.eu/themen/datenschutz-und-netzpolitik/alles-wichtige-zur-daten-schutzreform.html (15. Januar 2014 EuropaNews: 14)

www.bptk.de (zur Zeit sind die EuropaNews auf der Seite der Bundespsychotherapeutenkammer noch nicht recherchierbar); EuropaNews-15. Januar 2014

Archiv: Teil I

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 3/2014

Patientenakte: Eine unzureichende Dokumentation führt zur Beweislastumkehr (Zivilrecht) und gegebenenfalls auch weiteren disziplinarischen Folgen

Der Medizinrechtler (und Justiziar der Bundespsychotherapeutenkammer) Prof. Dr. Martin Stellpflug berichtet in der Ärzte Zeitung v. 6.01.2014 über die nun auch im Patientenrechtegesetz (§ 630f BGB) aufgenommene Pflicht zur Dokumentation der Behandlung.

Danach ist der Arzt verpflichtet, in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang zur Behandlung eine Patientenakte auf Papier oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Akten-Eintragungen sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen wurden. Das gilt auch für elektronische Patientenakten.

Die Dokumentation selbst muss sämtliche für die aktuelle und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse beinhalten, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.

Auch Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Unterbleibt die Dokumentation einer medizinisch gebotenen wesentlichen Maßnahme und ihr Ergebnis oder kann die Patientenakte innerhalb der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist nach Abschluss der Behandlung nicht vorgelegt werden, so wird vermutet, dass der Arzt diese Maßnahme nicht getroffen hat (Beweislastumkehr). (Abs. 5-7 des Berichts v. 6.01.14 in der Ärzte Zeitung)

Stellpflug weist darauf hin, daß eine unzureichende oder fehlende Dokumentation weitreichende Konsequenzen haben kann. Neben der schon erwähnten Beweislastumkehr kann es zu disziplinarischen Folgen kommen. Diese können von Honorarrückforderung bis hin zu  einem Widerruf der Abrechnungsgenehmigung bzw. dem Entzug der Kassenzulassung reichen.

Bei einer EDV-gestützten Dokumentation erwarten die Gerichte besondere Sorgfalt:

So beurteilte etwa das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen Zulassungsentzug als rechtmäßig, weil die Dokumentationspflichten gröblich verletzt wurden.

Der Kläger hatte auf jegliche schriftliche Behandlungs-Dokumentation verzichtet und sich vollständig auf eine elektronische Dokumentation mittels Festplatte verlassen - ohne Sicherungskopien anzulegen.

Das Gericht sah darin bereits eine schwerwiegende Pflichtverletzung, weil eine derart ungesicherte elektronische Dokumentation, auch wenn sie für sich genommen fehlerfrei erfolgt ist, in hohem Maße fehleranfällig sei und bei etwaigem technischen Versagen eine nachträgliche Überprüfung der Behandlungshistorie erheblich erschwert oder sogar unmöglich sein könnte.

Da der Vertragsarzt für eine peinlich genaue und im Nachhinein auch vollständig nachprüfbare Dokumentation sorgen müsse, hielt es das Gericht für zweifelhaft, ob eine ausschließlich elektronisch geführte Patientenakte diese Anforderungen überhaupt erfüllt. (Abs. 11-14 des Berichts v. 6.01.14 in der Ärzte Zeitung)

Stellpflug empfiehlt daher u. a. eine Dokumentations-Software anzuwenden, bei der "jederzeit erkennbar ist, wann und mit welchem Inhalt ursprüngliche Eintragungen verändert oder ergänzt wurden" und regelmäßig Sicherungskopien zu erstellen.

Anmerkung: Obwohl sich der Betrag an (Haus-) ÄrztInnen richtet, trifft er Ärztliche, Psychologische und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in gleicher Weise.

Der Beitrag stammt aus der Serie "Compliance in der Arztpraxis" in der Medizinrechtler der Berliner Kanzlei DIERKS + BOHLE (u. a. Prof. Dr. iur. Martin Stellpflug, M.A.) juristische Fragen der Praxisführung anhand von Beispielen aus der Praxis ausloten.

Ärzte Zeitung v. 6.01.2014 : Neue Patientenakte. Der Teufel steckt im Detail

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 2/2014

Formlose Anfragen der Krankenkassen künftig nur mittels Rahmenformular

Im Zusammenhang der Änderung des einheitlichen Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) zum 1.10.20123 müssen die Krankenkassen künftig bei formlosen Anfragen, die auf die Erteilung von Auskünften, Bescheinigungen, Gutachten oder Bescheinigungen mit gutachterlicher Fragestellung gerichtet sind, für deren Zweck jedoch kein gesonderter Vordruck vereinbart worden ist, ein Rahmenformular verwenden (§ 36 Abs. 5). Aus dem Formular soll sich die Rechtsgrundlage der Anfrage und die Vergütung für das Ausfüllen ergeben. Weder die zwischen KBV und Kassen zu verhandelnde Vergütung noch das Formular selbst sind bislang vereinbart.

Anmerkung: Der BMV-Ä führt die bisher gültigen Bundesmantelverträge mit den Primär- und Ersatzkassen (BMV-Ä und BMV-Ä/EKV) zusammen. Damit gibt es nunmehr einen Vertrag, der die Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Versorgung regelt.

KBV (www.kbv.de): Bundesmantelvertrag BM-Ä unter Rechtsquellen/Bundesmantelvertrag.

Ärzte Zeitung v. 1.10.2013: Neues Rahmenwerk tritt in Kraft. Ab dem 1. Oktober gilt der neue Bundesmantelvertrag. Er bringt viele relevante Änderungen für Arztpraxen mit sich.

Januar 2014


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AKTUELL: Nummer 1/2014

Datenschutz im privaten Versicherungsrecht (Berufsunfähigkeitsversicherung): Das Bundesverfassungsgericht betont das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Bereich des  Privatrechts (Urteil v. 17.07.2013 1 BvR 3167/08)

Die Beschwerdeführerin machte gegenüber der Beklagten (Lebensversicherungsunternehmen) Ansprüche wegen eingetretener Berufsunfähigkeit aufgrund von Depressionen geltend (Berufsunfähigkeitsversicherung).

Die auf dem Antragsformular der Beklagten vorgedruckte Schweigepflichtentbindungserklärung, die eine Ermächtigung zur Einholung sachdienlicher Auskünfte bei einem weiten Kreis von Auskunftsstellen enthielt, strich die Beschwerdeführerin durch und unterschrieb das Antragsformular nur im Übrigen. Anschließend korrespondierten die Beklagte und die Beschwerdeführerin mehrfach über eine Schweigepflichtentbindung. Die Beschwerdeführerin erklärte sich durch ihren damaligen Rechtsanwalt zur Erteilung von Einzelermächtigungen bereit. Daraufhin übersandte die Beklagte ihr folgende, vorformulierte Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung ihrer Krankenkasse, zweier Ärztinnen sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund

(...)

Die Beklagte forderte von der Beschwerdeführerin für die Mehrkosten im Zusammenhang mit den Einzelermächtigungen eine Kostenbeteiligung in Höhe von 20 Euro je Ermächtigung. Der Leistungsantrag werde nach Eingang der Ermächtigungen und des Gesamtbetrages weiter bearbeitet. Die Beschwerdeführerin bat um Konkretisierung der gewünschten Auskünfte. Dem kam die Beklagte nicht nach; der Leistungsantrag könne erst nach Erhalt der unterschriebenen Schweigepflichtentbindungen sowie des geforderten Betrages weiter bearbeitet werden. (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 4, 8)

Die Beschwerdeführerin klagte daraufhin auf Zahlung der monatlichen Rente aus der Versicherung. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Nürnberg wiesen die Klage ab.

Nach Ansicht des  Bundesverfassungsgerichts folge aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Schutzpflicht. Diese gebiete:

es, dafür Sorge zu tragen, dass informationeller Selbstschutz für Einzelne tatsächlich möglich ist. Zwar steht es dem Individuum frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren oder sich vertraglich dazu zu verpflichten. Hat aber in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, so ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 20).

Da der hier zu entscheidende Versicherungsfall vor dem 31. Dezember 2008 eingetreten war, fand das zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung der VersicherungsnehmerInnen beschlossene Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (noch) keine Anwendung (§ 213 VVG). Daher bestand zwischen Beschwerdeführerin und Beklagter

bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein Verhandlungsungleichgewicht, das es der Beschwerdeführerin nicht ermöglichte, ihren informationellen Selbstschutz eigenverantwortlich und selbständig sicherzustellen (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 24).

Auch der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen (informationeller Selbstschutz einerseits und Interesse an der Offenlegung von Informationen i. S. der Berufsfreiheit) sei in den von der Beschwerdeführerin angegriffenen Entscheidungen nicht ausrechend berücksichtigt.

Das Bundesverfassungsgericht rügte insbesondere den Umstand, daß durch die von den vorformulierten Einzelermächtigungen vorgesehene Schweigepflichtentbindung der Beklagten ermöglichen würden, "auch über das für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über die Beschwerdeführerin einzuholen." Die in den Formularen benannten Auskünfte (z. B. Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten) - seien "so allgemein gehalten, dass sie kaum zu einer Begrenzung des Auskunftsumfangs führen" (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 27).

Zur Lösung der Problematik schlägt das Bundesverfassungsgericht (die Sache wurde an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen) vor:

Jedoch ließe sich in Betracht ziehen, die von den Einzelermächtigungen umfassten Informationen etwa zunächst auf solche weniger weitreichenden und persönlichkeitsrelevanten Vorinformationen zu beschränken, die ausreichen, um festzustellen, welche Informationen tatsächlich für die Prüfung des Leistungsfalls relevant sind. Eine zumindest grobe Konkretisierung der Auskunftsgegenstände könnte so den erheblichen Umfang der durch die Einzelermächtigungen zugänglichen, überschießenden Informationen begrenzen und damit dem Recht der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung tragen. Die Verfahrenseffizienz würde durch eine solche Konkretisierung der Auskunftsgegenstände nur geringfügig beeinträchtigt. Angesichts des Umfangs der bei der Krankenkasse der Beschwerdeführerin und der Deutschen Rentenversicherung Bund vorliegenden Unterlagen ist es ohnehin wahrscheinlich, dass die Beklagte den Auskunftsgegenstand im Rahmen einer Anfrage an diese präziser formulieren würde als in den Einzelermächtigungen. (Urteil Bundesverfassungsgericht v. 17.07.13 - online Version: Abs. 29)

Anmerkung: Das Urteil des Bundesverfassungsgericht überrascht im Grundsatz nicht. Schon bislang war völlig klar, daß nur solche Einwilligungserklärungen zulässig sind, die beinhalten wer über was Auskunft geben soll. Interessant ist eher, daß der Inhalt der angefragten Informationen sehr klar begrenzt sein muß und allgemeine Angaben (z. B. Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten und Behandlungsdaten) hier nicht ausreichen, weil sie den Umfang der zur Beurteilung notwendigen Informationen überschreiten bzw. nicht ausreichend begrenzen.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 17.07.2013 (1 BvR 3167/08)

§ 213 VVG (Versicherungsvertragsgesetz)

Januar 2014


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2014


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AKTUELL: Nummer 33/2013

Bundesgerichtshof: Die Abtretung des Anspruchs auf Betreuervergütung durch eine zum Betreuer bestellte Rechtsanwältin an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ohne Einwilligung der Betreuten verstößt nicht gegen die Schweigepflicht (Urteil v. 19. Juni 2013 XII ZB 357/11)

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2013 über folgenden Fall entschieden: Eine Rechtsanwältin wurde durch Beschluss vom 5. Mai 2009 zur Betreuerin einer mittellosen Betroffenen bestellt. Sie trat den ihr zustehenden Vergütungsansprüche - ohne Einwilligung der Betroffenen - an eine anwaltliche Verrechnungsstelle ab. Letztere beantragte die Festsetzung und Auszahlung der für das erste Halbjahr angefallenen Betreuervergütung in Höhe von 1.650 €.

Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht der Betreuerin/Rechtsanwältin gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) lag nach Ansicht des BGH nicht vor:

Denn die zum persönlichen Lebensbereich der Betroffenen gehörenden Daten sind der Betreuerin nicht "als Rechtsanwalt" im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut oder bekannt geworden (...). Die Informationen sind unabhängig von der spezifischen Berufsausübung erlangt und begründen damit keine weitergehenden Geheimhaltungspflichten, als wenn der Betreuer keiner der in § 203 Abs. 1 StGB aufgeführten Berufs- und Tätigkeitsgruppen angehört. Ob und inwiefern diese Einschränkung auch für andere Be-rufsgruppen einschlägig ist (vgl. OLG Dresden FamRZ 2004, 1390 - Sozialarbeiter als Verfahrenspfleger), bedarf hier keiner Entscheidung.

Auch die von der Vorinstanz (LG Limburg) angenommene Verpflichtung zur Verschwiegenheit (aus § 1901 Abs. 2, 3 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) liege nicht vor:

Nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Bei der Geltendmachung der Betreuervergütung handelt es sich hingegen schon nicht um eine Angelegenheit des Betroffenen, sondern um eine Angelegenheit des Betreuers, die dieser ausschließlich im eigenen Interesse wahrnimmt.

Weiter äußert sich der BGH zur Stellung der BetreuerInnen im Unterschied zu jener von ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen:

Die mit der Abtretung verbundenen Angaben beschränken sich bereits weitgehend auf Umstände, die der Betreuer bei einem Tätigwerden für den Betroffenen nach außen (gegenüber einem grundsätzlich unbeschränkten Personenkreis) ohnehin offenbaren muss, um sich als zuständiger Betreuer auszuweisen und die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen; das gilt auch für den Aufenthaltsort des Betroffenen und dessen wirtschaftliche Verhältnisse. Insoweit unterscheidet sich die Stellung des Betreuers wesentlich von der eines Arztes oder Rechtsanwalts. Schließlich unterliegt die Verrechnungsstelle jedenfalls grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Selbst eine - unterstellt - pflichtwidrige Weitergabe personenbezogener Daten seitens der Betreuerin an die Verrechnungsstelle könnte daher nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit der Abtretung (...) führen.

Das Verfahren wurde "zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens," an das Land-gericht Limburg zurückverwiesen.

Bundesgerichtshof: Urteil v. 19. Juni 2013 XII ZB 357/11

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 32/2013

Bundesdatenschutzbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: Peter Schaar wird von Andrea Voßhoff abgelöst

Nach zwei fünfjährigen Amtszeiten (eine dritte Amtszeit ist nicht möglich) ist der frühere Bürgerrechtler Peter Schaar von der Juristin und CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff abgelöst worden. Voßhoff war seit 1998 Bundestagsabgeordnete verlor aber ihr Mandat mit der letzten Bundestagswahl. Als Abgeordnete hat sie für die Vorratsdatenspeicherung, für Internetsperren, die Online-Durchsuchung und die Erweiterung der Kompetenzen der Geheimdienste gestimmt. Sie wurde mit den Stimmen der großen Koalition mit 403 von 587 abgegebenen Stimmen gewählt. Aus den Reihen der Opposition (Linke und Grüne) kam bereits heftige Kritik gegen ihre Wahl im Bundestag.

Voßhoff äußerte sich nach ihrer Wahl Ende letzter Woche gegenüber dem Spiegel bereits dahingehend, daß sie einer datenschutzkonformen Vorratsdatenspeicherung positiv gegenüber stehe und diese für ein wirksames Instrument der Kriminalitätsbekämpfung halte.

Ärzte Zeitung (23.12.2013): Erstmals eine Frau als oberste Datenschützerin.

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 31/2013

BGH stärkt Rechte von LehranalysandInnen (Urteil v. 7.11.2013, III ZR 54/13): Keine Pflicht zur Dokumentation aber Recht auf Einsicht in vorhandene Aufzeichnungen

(Teil II)

Der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat die Revision der von Beklagter (Lehranalytikerin) und Klägerin (Lehranalysandin) zum Urteil des OLG Celle (4.01.2013 - AZ 1 U 61/12 - ) abgewiesen und das Urteil der Vorinstanz bestätigt (Urteil v. 7.11.2013, III ZR 54/13). Damit hat die Lehranalysandin einen Anspruch in die Aufzeichnungen, welche die Lehranalytikerin im Zusammenhang der Lehranalyse angefertigt hat. Der BGH hat sich die Argumentation des OLG Celle zu eigen gemacht, daß im Hinblick auf Inhalt und Methodik kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Behandlung und Lehranalyse besteht und daher auch die Grundsätze des Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen auf Lehranalysen übertragen werden können:

Es mag zwar sein, dass eine Dokumentationspflicht für die Durchführung der Lehranalyse nicht besteht. Da sich aber Lehranalyse und therapeutische Analyse inhaltlich und methodisch weitgehend entsprechen und der Sinn der Dokumentation darin besteht, den Verlauf psychotherapeutischer Prozesse festzuhalten, liegt es nahe, dass auch Dokumentationen über Lehranalysen, sofern sie erfolgen, höchst sensible Informationen aus den intimsten Bereichen des Lehranalysanden zum Gegenstand haben. Unabhängig von der Weitergabe an Dritte wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon mit Erhebung dieser Daten das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Intimsphäre des Betroffenen berührt, so dass ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme in diese Unterlagen nicht von der Hand zu weisen ist, und sein Informationsinteresse auch schon darin zu sehen ist, überhaupt davon Kenntnis zu nehmen, was an intimsten Informationen über ihn festgehalten ist. Dementsprechend kommt es auch für die Frage eines Anspruches auf Einsichtnahme nicht darauf an, ob die Daten zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind. Ebenso steht einer Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages dahingehend, dass ein Einsichtsrecht in die geführte Dokumentation besteht, nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Behandlung im üblichen Sinn gehandelt hat. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass zwar die Ziele einer Lehranalyse und Psychoanalyse nicht gleich sind, da letztere auf eine Behandlung gerichtet ist. Die Durchführung unterscheidet sich jedoch nicht und deshalb besteht wie bei der Psychoanalyse ein gleichgerichtetes Interesse auf Einsichtnahme in die geführte Dokumentation. (Urteil v. 7.11.13: 10 RN 21)

Zugleich bleibt offen, ob eine Dokumentationspflicht bei Lehranalysen (Lehrtherapien) überhaupt besteht, da es sich nicht um Behandlungen im Sinne des Behandlungsvertrags (630a ff BGB) handelt. Die DGPT empfiehlt im Hinblick auf das BGH-Urteil Aufzeichnungen "so sparsam wie möglich, so ausführlich wie nötig" anzufertigen und in schwierigen Situationen "umfassender auf[zu]zeichnen, um sich im unwahrscheinlichen Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch hinreichend verteidigen zu können" (Mitgliederrundschreiben 4/2013: 16 ff, Zitat: 17f).

Wird aber eine Dokumentation geführt besteht grundsätzlich auch das Recht von LehranalysandInnen auf Einsicht. Allerdings konnte sich hier auch die Klägerin mit ihrer Forderung nach uneingeschränkter Einsicht in die Aufzeichnungen nicht durchsetzen. Der BGH sieht das Einsichtsrecht (wie schon in der Vergangenheit) durch das Persönlichkeitsrecht der Analytikerin beschränkt und entsprechende Schwärzungen von Teilen der Aufzeichnung als zulässig an - auch wenn dadurch "eine gewisse Mißbrauchsgefahr"  nicht auszuschließen sei:

Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beklagten, dass die Dokumentation der Lehranalyse nicht vorgeschrieben sei. Das bedeutet zugleich, dass die gleichwohl gemachten Aufzeichnungen allein in ihrem Selbstbestimmungsrecht verhaftet seien, und sie sich insoweit ebenfalls auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen und die Einsichtnahme verweigern könne. Das eigene Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers ist jedoch zum einen dadurch gewährleistet, dass er die Aufzeichnungen, deren Preisgabe sein eigenes Persönlichkeitsrecht verletzten würde, schwärzen kann. Im Übrigen kann er, da eine Dokumentation nicht gefordert ist, den Umfang der Dokumentation nicht selbst bestimmen und insoweit eine Einsichtnahme durch den Lehranalysanden durch schlichtes Unterlassen der Dokumentation ausschließen. Soweit aber eine Dokumentation von intimen Informationen über den Lehranalysanden erfolgt ist und die Offenbarung nicht das Persönlichkeitsrecht des Lehranalytikers verletzt, weil es nicht um eigene Informationen aus seinem Intimbereich geht, kann das Einsichtsrecht des Lehranalysanden aufgrund des allein schon durch die Dokumentation erfolgten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verneint werden. (Urteil v. 7.11.13: 11 RN 22)

Vergeblich wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne keine uneingeschränkte Einsicht ohne Schwärzungen verlangen. Die Herausgabe der Kopien der Therapieaufzeichnungen ist insoweit beschränkt, als sie den Analytiker betreffende persönlichkeitsbezogene Aufzeichnungen enthalten. Es ist anerkannt, dass auch grundrechtlich fundierte Interessen des Therapeuten einer Einsichtnahme entgegenstehen können (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1777; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1988 - VI ZR 76/88, BGHZ 106, 146, 151). Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, durch das Recht auf Schwärzung könne der Analytiker das Recht auf Einsicht entwerten. Die Abwägung der beiden grundrechtlich geschützten Interessen bietet jedoch keine andere Möglichkeit, als dem Analytiker das Schwärzungsrecht einzuräumen. Jede anderweitige Kontrolle würde in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte des Analytikers eingreifen, weil er zur Prüfung seiner Rechte Dritten Kenntnis von seinen Aufzeichnungen geben müsste und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvermeidbar wäre. Eine gewisse Missbrauchsgefahr ist aus praktischen Gründen dabei nicht auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1982 - VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327, 338). (Urteil v. 7.11.13: 12 RN 24)

Anmerkung: Aus meiner Sicht ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Auch wenn Lehranalysen keine Behandlungen im juristischen Sinne  (§ 630a BGB) sind, so sind die (hoffentlich) in Gang kommenden therapeutischen Prozesse analoger Art - wenn LehranalysandInnen (und gleiches gilt für Absolventen einer Lehrtherapie) in der Lage sind, sich als PatientInnen zu erleben und sich auf die Analyse ihrer Konflikte, Übertragungsmuster, Symptome/Befindlichkeitsstörungen und ihres Unbewußten einzulassen. Die dabei entstehenden Aufzeichnungen über AnalysandInnen sind höchstpersönlicher Art und unterliegen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Da Lehranalysen keine Behandlungen im Sinne eines Behandlungsvertrages (§ 630a BGB) sind, besteht bislang keine (ausdrückliche) Pflicht zur Dokumentation); m. E. sind die Berufs- und Fachgesellschaften aufgefordert, Standards für eine Dokumentation psychoanalytischer Behandlungen und Lehranalysen (bzw. -therapien) zu entwickeln. Da es auch bei Lehranalysen zu fehlerhaftem Verhalten von LehranalytikerInnen kommen kann (und wiederholt gekommen ist) und in solchen Fällen auch mit entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen ist, machen Aufzeichnungen - auch schon jetzt - durchaus Sinn (siehe Empfehlungen der DGPT).

Die Beschränkung des Einsichtsrechts durch das Persönlichkeitsrecht der TherapeutInnen (das im Einzelfall zu einer Schwärzung von Teilen der Aufzeichnung führen kann) ist Ausdruck eines Rechtsstaatsprinzips, das einen Ausgleich der verschiedenen grundrechtlich geschützten Rechte vorzunehmen versucht. Allerdings hat dieser Ausgleich keinen expliziten Eingang in das im Patientenrechtegesetz verankerte Einsichtsrecht in die Patientenakte  (§ 630g BGB)  gefunden. Ich gehe aber davon aus, daß bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten die verfassungsrechtliche Problematik der im Gesetz nicht verankerten Persönlichkeitsrechte von ÄrztInnen und (insbesondere) PsychotherapeutInnen eine Rolle spielen wird.

Auf dem 23. Deutschen Psychotherapeutentag (16.11.2013 in Kiel) wurden die dazu vorliegenden Anträge des Vorstands der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zur Änderung der Musterberufsordnung (Einfügung der Formulierung des § 630g Absatz 1 Satz 1 BGB) und einer Gruppe um B. Waldvogel (TOP 5, Antrag 15; B. Waldvogel u. A.):

§ 11 Absatz 2 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer wird wie folgt neu gefasst:

(2) Psychotherapeuten können die Einsicht ganz oder teilweise nur verweigern, wenn der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Nimmt der Psychotherapeut im Einzelfall einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme aus, weil diese Einblick in seine Persönlichkeit geben und deren Offenlegung sein Persönlichkeitsrecht berührt, stellt dies keinen Verstoß gegen diese Berufsordnung dar, wenn und soweit in diesem Fall das Interesse des Psychotherapeuten am Schutz seines Persönlichkeitsrechts in der Abwägung das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Eine Einsichtsverweigerung gemäß Satz 1 oder Satz 2 ist gegenüber dem Patienten zu begründen. Die Regelung des § 12 Abs. 6 Satz 2 bleibt unberührt. [Hervorhebung vom Verfasser]

nicht abgestimmt. Da die Diskussion zu diesem wichtigen Punkt sehr kontrovers verlief und eine klare Mehrheit für einen Antrag nicht absehbar war, wurde der Vorstand beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den nächsten DPT zu formulieren, der den unterschiedlichen Auffassungen Rechnung trägt. Im Bericht zum 23. DPT heißt es dazu:

Da dies ein folgenschweres Thema für Patienten und Psychotherapeuten sei, schlug der BPtK-Vorstand vor, die Anträge nicht mit knappen Mehrheiten zu entscheiden, sondern beide Anträge an den Vorstand zu überweisen. Dieser werde sich zusammen mit den Antragstellern bemühen, für den nächsten DPT eine Lösung zu erarbeiten, die sicherstellen könne, dass die Persönlichkeitsrechte der Psychotherapeuten gewahrt blieben, dass Rechtssicherheit für Psychotherapeuten geschaffen werde und dass Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten anerkannt werde. (Bericht der BPTK Aktuell v. 27.11.13)

Den Landespsychotherapeutenkammern steht es allerdings unabhängig von einer Änderung der Musterberufsordnung frei, ihre jeweils verbindliche Berufsordnung entsprechend zu ändern. Ich werde mich in Bayern in diesem Sinne einsetzen.

Und schließlich ist immer wieder darauf hinzuweisen: Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Einsicht in die Behandlungs- oder Lehranalyse(-therapie)-Dokumentation, dann  ist die Behandlung in der Regel längst entgleist! Das Ansinnen von PatientInnen, Einsicht in über sie angefertigte Aufzeichnungen Einblick zu nehmen sollte ernst genommen und nicht vorschnell als Widerstand (oder was auch immer) gedeutet und zurückgewiesen werden. Nach meiner Erfahrung kommt es in diesen Fällen zu Konflikten, die dann nicht mehr als Ausdruck einer gemeinsamen Inszenierung verstanden werden können - etwa auch im Hinblick auf (Gegen-) Übertragungen von PsychoanalytikerInnen, welche der Übertragung der PatientInnen vorausgehen! Oder als Gegenübertragungsreaktionen, die nicht mehr reflektiert und nutzbringend in die Therapie eingebracht werden können, sondern agiert werden (müssen).

Urteil des BGH v. 7.11.2013 - III ZR 54/13 (pdf-Dokument); Link zum Urteil (III ZR 54/13) über die Webseite des BGH

Urteil des OLG Celle v. 14.01.2013; - 1 U 61/12 - (Vorinstanz: LG Hannover: 19 O 281/11) siehe bei: AKTUELL: Nummer 05/2013

Bundespsychotherapeutenkammer Aktuell (27.11.13): Weichenstellung für die Zukunft der Psychotherapie: 23. Deutscher Psychotherapeutentag in Kiel (16.11.2013)

Archiv: Lehranalyse bzw. -therapieaufzeichnungen: Teil 1

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 30/2013

Verwahrlostes Datenarchiv in Thüringen

Die Ärzte Zeitung berichtet am 13.12.2013 über ein verwahrlostes Datenarchiv (Immelborn, Thüringen), in dem sich u. a. auch ausgelagerte medizinische Unterlagen aus Arztpraxen befinden. Laut Handelsregister ist die 1993 noch in der damaligen DDR gegründete Firma vor fünf Jahren in Insolvenz gegangen, der ehemalige Geschäftsführer ist derzeit nicht auffindbar.

Der thüringische Landesdatenschutzbeauftragte Hasse sieht schwere Verstöße gegen den Datenschutz und seine Behörde damit überfordert an, alle Akten zu sichten und ihre Besitzer zu ermitteln. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß die grundsätzlich zulässige Archivierung ärztlicher Unterlagen durch Privatfirmen die ÄrztInnen nicht von ihren datenschutzrechtlichen Pflichten ihrer und Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufbewahrung entbinde.

Anmerkung: Siehe die Ausführungen in der vorausgehenden Meldung (AKTUELL: Nummer 29/2013).

Ärzte Zeitung (13.12.2013): Illegale Ausspähaktion: Massenhaft Patientendaten gestohlen

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 29/2013

Diebstahl von Patientendaten bei externem Dienstleister (Rechenzentrum)

Die Ärzte Zeitung berichtet am 29.11.2013 über einen 21-jährigen Systemadministrator eines privarten medizinischen Rechenzentrums (Landkreis Northeim), der große Mengen an vertraulichen Patientendaten aus Arztpraxen und Apotheken kopiert haben soll. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts des Ausspähens von Daten, des Verrats von Geschäftsgeheimnissen und des Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) von der zuständigen Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat der Tatverdächtige die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt - er habe dabei aber nach seinen Angaben im Einverständnis mit dem Geschäftsführer gehandelt.

Die eigentliche Brisanz der Angelegenheit besteht allerdings darin, wie die vertraulichen Daten aus Arztpraxen und Apotheken überhaupt in das Rechenzentrum gelangten. Zwar ist eine Auslagerung grundsätzlich möglich jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der private Anbieter die Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen garantieren kann und deren Einhaltung auch regelmäßig kontrollier wird und eine Einwilligung der PatientInnen in die Weitergabe der Daten an einen externen Dienstleister vorliegt.

Anmerkung: Ich rate dringend davon ab, Patientendaten an externe Rechenzentren weiterzugeben; allenfalls die Abrechnung von Privatrechnungen scheint mir noch vertretbar, sollte aber - insbesondere, wenn es nur um wenige PatientInnen geht - soweit möglich ebenfalls vermieden werden. Weder kann die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen von Laien überprüft oder gar kontrolliert werden noch sollte die Gefahr unbefugter Einsichtnahme oder Mißbrauchs (siehe obigen Fall) eingegangen werden.

Ärzte Zeitung (29.11.2013): Illegale Ausspähaktion: Massenhaft Patientendaten gestohlen

Dezember 2013


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AKTUELL: Nummer 28/2013

World Medical Association Declaration of Helsinki (WMA): Ethical Principles for Medical Sesearch  Involving Human Subjects (Version Fortaleza/Brasilien 2013)

Die 1964 in Helsinki verabschiedete Deklaration beinhaltet wichtige ethische Prinzipien im Zusammenhang der medizinischen Forschung an Menschen einschließlich der Forschung mit identifizierbarem menschlichem Material oder entsprechenden Daten. Sie richtet sich in erster Linie an ÄrztInnen, bestärkt jedoch auch alle an der Forschung beteiligten Personen und Berufsgruppen, die Prinzipien der Deklaration zu übernehmen (vgl. Präambel). Die mehrfach geänderte Deklaration wurde auf der 64. Generalversammlung der WMA in Fortaleza (Brasilien) im Oktober 2013 überarbeitet. Wesentliche Veränderungen zur vorausgehenden Version (Korea 2008) wurden nicht vorgenommen. Die Deklaration beinhaltet neben der Präambel (Ziffern 1-2) Ausführungen

  • zu allgemeinen ethischen Prinzipien (3-15),

  • zu Risiken, Belastungen und Nutzen (16-18),

  • zu vulnerablen Personen und Personengruppen (19-22),

  • zu ethischen Forschungskomissionen (23),

  • zum Datenschutz und zur Schweigepflicht (24),

  • zur informierten Einwilligung - informed consent (25-32),

  • zum Einsatz von Placebo (33),

  • zu Maßnahmen nach Studienende (34),

  • zur Registrierung, Publikation und Veröffentlichung von Studien (35-36) sowie

  • zu nicht evaluierten Interventionen in der klinischen Praxis (37).

Bei Ziffer 9 finden werden allgemeine ethische Prinzipien aufgelistet, darunter auch zum Datenschutz und zur Schweigepflicht:

9.

It is the duty of physicians who are involved in medical research to protect the life, health, dignity, integrity, right to self-determination, privacy, and confidentiality of personal information of research subjects. The responsibility for the protection of research subjects must always rest with the physician or other health care professionals and never with the research subjects, even though they have given consent.

Spezielle Aussagen zur Schweigepflicht finden sich unter der Überschrift: Privacy and Confidentiality:

24.

Every precaution must be taken to protect the privacy of research subjects and the confidentiality of their personal information.

Nachfolgend (unter der Überschrift: Informed Consent) widmen sich die Ziffern 25-32 der Frage der informierten Zustimmung. Eine Einwilligung in Forschungsnahmen ist nur insoweit ethisch vertretbar, als die Teilnahme freiwillig erfolgt und die Betroffenen drüber informiert sind, was zu welchem Zweck geschieht (Methoden, Finanzierung, Interessenkonflikte, institutionelle Zugehörigkeiten der ForscherInnen, erwarteter Nutzen, potentielle Risiken der Studie und dabei möglicherweise auftretende Unannehmlichkeiten, auf die Studie folgende Maßnahmen and andere relevante Aspekte der Studie). Weiter müßen die TeilnehmerInnen auf ihr Recht hingewiesen werden, ihre Teilnahme jederzeit zu beenden bzw. ihren informed consent zurückzunehmen ohne Repressialien fürchten zu müssen. Erst nachdem sich die jeweiligen ÄrztInnen (oder andere qualifizierte Personen) davon überzeugt haben, daß die Informationen verstanden wurden, kann der informed consent (bevorzugt schriftlich) erfolgen. Schließlich sollte für die TeilnehmerInnen die Möglichkeit der Information über die allgemeinen Ergebnisse und Befunde der Studie bestehen (vgl. Ziffer 26).

Aus meiner Sicht ist insbesondere Ziffer 27 zu erwähnen, bei der auf die Problematik von Abhängigkeitsbeziehungen thematisiert wird:

27.

When seeking informed consent for participation in a research study the physician must be particularly cautious if the potential subject is in a dependent relationship with the physician or may consent under duress. In such situations the informed consent must be sought by an appropriately qualified individual who is completely independent of this relationship.

Die nachfolgenden Regelungen zum informed consent beziehen sich auf Personen, die nicht in der Lage sind informiert einzuwilligen (28-30). Unter Ziffer 31 wird auf die Pflicht der ÄrztInnen verwiesen, die TeilnehmerInnen umfassend darüber aufzuklären, welche Aspekte ihrer Behandlung in die Studie einbezogen werden. Die Beendigung der Teilnahme oder der Widerruf der informierten Einwilligung darf nicht zu einer Beeinträchtigung der Patient-Arzt-Beziehung führen. Die letzte Regelung aus dem Bereich des